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SITZUNGSBERICHTE
DEU
PHILOSOPlIISCn-UlSTOßlSCIIEN CLASSE
IIKK KAl.^KULirHKN
AKADEMIE DER WISSENSC^HAFTEN.
HUNDERTACHTUNDZWANZIGSTER BAND.
(MIT KINEll TAFKL.)
WIEN, 1893.
IN COMMISSIUN BEI F. T E M T S K Y
BÜCUUÄNDLCK liKU KAI». AKAUEMIU li£i: WlSsENStilAl^lBN.
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INHALT.
I. Abhandlunj^. Meyer: Tdrkische Stadien. I. Die griechischen und ro-
manischen Bestandtheile im Wortschätze des Osmanisch -Türkischen.
II. Abhandlung« Siegel: Das erzwungene Versprechen und seine Be-
handlung im deutschen Rechtsleben.
III. Abhandlung. Reinisch: Die Beijauje- Sprache in Nordost -Afrika. L
lY. Abhandlung. Tomaschek: Die alten Thraker I. Eine ethnolog^he
Untersuchung.
Y. Abhandlung. Zingerle: Zur vierten Decade des Livins.
YI. Abhandlung, v. Zeissberg: Belgien unter der Generalstatthalterschaft
Erzherzog Carls (1793, 1794). I. Theil.
YII. Abhandlung. Reinisch: Die Be^auye- Sprache in Nordost -Afrika. IL
Y'UI. Abhandlung. Beer: Handschriftenschätze Spaniens. Bericht über eine
im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den
Jahren 1886 — 1888 durchgeführte Forschungsreise.
IX. Abhandlung. NOldeke: Die von Guidi herausgegebene syrische
Chronik.
X. Abhandlung. Zingerle: Der Hilarius- Codex von Lyon.
XI. Abhandlung. Büdinger: Mittheilungen aus spanischer Geschichte
des 16. und 17. Jahrhunderts. (Mit einer Tafel.)
XII. Abhandlung. Beer: Handschriftenschätze Spaniens. Bericht über eine
im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den
Jahren 1886 — 1888 durchgeführte Forschungsreise.
XVIL SITZUNG VOM 13. JULI 1892.
Sc. Excellenz der Präsident gedenkt des Verlustes, den die
Akademie durch das am 7. Juli erfolgte Hinscheiden des c. M.
im Inlandc Professor Dr. Arnold Busson in Graz erlitten hat.
Die Mitgheder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Das Präsidium der , Böhmischen Kaiser Franz Josef-
Akademie der Wissenschaften, Literatur und Kunst* in Prag über-
sendet die aus Anlass ihrer Gründung geprägte Gedenkmedaille.
An Druckwerken werden vorgelegt:
»Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien fllr das Jahr 1890*,
übersendet vom Stadtmagistrate, und
,Nuntiaturberichte aus Deutschland*, I. Abth., 1. und
2. Bd., herausgegeben durch das künigl. preuss. historische In-
stitut in Rom und die königl. preuss. Archivverwaltung, über-
mittelt durch das k. k. Ministerium für Cidtus und Unterricht.
XVIII. SITZUNG VOM 20. JULI 1892.
Der Vorsitzende Secretär der königl. preussischcn Akademie
der Wissenschaften in BerUn übersendet ,Corpus inscript. Lat.,
Vol. IL Suppl.^ _ __
Das w. M. Hofrath Professor Dr. Otto Benndorf be-
richtet über eine Reise im Orient.
Sitznngsber. d. phil.-bisi. Cl. CXXYUI, Bd. a
VI
XIX. SITZUNG VOM 5. OCTOBER 1892.
Der Präsident begrüsst bei der Wiederaufnahme der
Sitzungen die Mitglieder der Classe und das neu gewählte
Mitglied Herrn Hofrath A. Beer insbesondere.
Hierauf gedenkt derselbe der Verluste, welche die Aka-
demie und die Classe während der Ferien durch den Tod des
wirkl. Mitgliedes Hofrath Anton Winckler, des coiTcsp. Mit-
gliedes im Inlande Regicrungsrath lirnaz v. Zingerle und des
corresp. Mitgliedes im Auslande geh. Justizrath Rudolf v. üiering,
von denen der erste am 30. August, die beiden letzteren am
17. September gestorben sind, erlitten haben.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Die w. M. Herr Hofrath Dr. A. Beer in Wien und Pro-
fessor Dr. A. Luschin v. Ebengreuth in Graz und das c. M.
im Auslande Excellenz C. Graf Nigra erstatten ihren Dank
fiir die auf sie gefallenen Wahlen.
Professor Dr. v. Luschin übersendet zugleich für die
akademische Bibliothek ein Exemplar seines eben erschienenen
Aufsatzes ,Herbersteiniana', Graf Nigra sämmtUche von ihm
publicirten Werke.
Der Secretär überreicht eine vom c. M. Dr. Gustav
Winter, Sectionsrath und Vice-Director des k. u. k. Haus-,
Hof- und Staats -Archivs, übergcbene Arbeit: ,Der Ordo consilii
von 1550. Ein Beitrag zur Geschichte des Reichshofraths^
Der Secretär legt weiter vor eine Arbeit des Herrn Dr.
Wilhelm Altmann, Cu^tos an der Universitätsbibliothek in
Greifswald: ,Zur Resignation Karls V. und Kaisoi'wahl Fer-
dinands I.^
Beide Arbeiten werden der historischen Commission über-
wiesen.
VII
XX. SITZUNG VOM 12. OCTOBER 1892.
Der Präsident gibt Nachricht von dem am 15. August
erfolgten Ableben des c. M. im Auslande geheimen Rathes
August Nauck in St. Petersburg.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Das c. M. im Inlande Professor Dr. G. Bickell in Wien
dankt für die auf ihn gefallene Wahl.
Von Druckwerken werden vorgelegt:
, Archäologisch - epigraphische Mittheilungen aus Oester-
reich-Ungarn, herausgegeben von O. Benndorf und E. Bormann^,
Jahrgang XV, Heft 2, übersendet von den Herausgebern.
,Neu-Brünn' von Chr. R. d'Elvert, 1. Theil, eingesendet
von der historisch -statistischen Section der k. k. mährisch-
schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues u. s. w.
,Sammlung national -bidgarischer Gedichte und Schriften*,
übersendet im Wege des k. k. Ministeriums des Aeussem von
dem fürstlich bulgarischen Unterrichtsministerium.
,Papyrus Erzherzog Rainer. Führer durch die Ausstellung,
1. Theil.' Wien 1892, im höchsten Auftrage Sr. kais. Hoheit
des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer eingesendet
vom w. M. Professor Karabacek.
Der Secretär legt vor eine Abhandlung des Herrn Dr.
J. Loserth, Professor an der k. k. Universität in Czemowitz:
,Der Anabaptismus in Tirol vom Jahre 1536 bis zu seinem
Erlöschen', um deren Aufnahme in das Archiv der Verfasser
ersucht.
Die Abhandlung geht an die historische Commission.
Ä*
VIII
XXI. SITZUNG VOM 19. OCTOBKR 1892.
Die zur Verwaltung der Widmung Seiner Durelilaueht
des regierenden Fürsten Johann von und zu Liechtenstein
eingesetzte Commission fdr archilologiselie Erforschung Klein-
asiens übergibt einen Bericht der Herren Dr. Rudolf Heberdcy
und Dr. Adolf Wilhelm über eine zweite Reise in KiUkien.
XXII. SITZUNG VOM 2. NOVEMBER 1892.
Die Nachrieht von dem am 24. October l. J. erfolgten
Ableben des wirkl. Mitgliedes Herrn Professor Dr. Anton
Gindely in Prag wurde bereits in der Gesammtsitzung der
kaiserlichen Akademie vom 27. October 1. J. zur Kenntniss
genommen und das Beileid über diesen Verlust von der Ver-
sammlung ausgedrückt.
Der Secretär legt eine Abhandlung des c. M. Herrn Dr.
Wilhelm Tomaschek, Professor an der Universität Wien:
,Die alten Thraker. I. Uebersicht der Stämme' vor.
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte aufge-
nommen werden.
Der Secretär legt weiter eine Arbeit des Herrn Dr. Carl
Wessely, Professor am k. k. Staatsgymnasium im lU. Bezirk
in Wien: ,Neue griechische Zauberpapyri' vor.
Die Arbeit wird einer Commission zur Begutachtung
übergeben.
Derselbe legt endlich vor eine Abhandlung des Herrn
Dr. Adalbert Abramowski in Bukarest: ,Maximilians Ge-
fangennahme zu Brügge und der Reichskrieg K. Friedrichs III.
gegen Flandern 1488'.
Dieselbe wird der historischen Commission überwiesen.
IX
Das w. M. Herr Ilofrath Dr. II. Sie«rcl Überreicht eine
Abhandlung: ,Das erzwungene Versprechen und seine Be-
handlung im deutschen Rechtsleben^
Die Abhandhing wird in die Sitzungsberichte aufgenommen
werden.
Das w. M. Herr Professor Dr. Leo Reinisch übergibt
eine Abhandlung, betitelt: ,Die Bedauye- Sprache in Nordost-
Afrika. I. Texte im Idiom der Beni-Anier, der Ilalenga und
der Bischari^ mit gegenüberstehender deutscher Uebersetzung.
Diesem ersten Theil wird in Kürze ein Wörterbuch und die
Grammatik der genannten Sprache nachfolgen.
Auch diese Arbeit wird in die Sitzungsberichte aufge-
nommen werden.
XXIII. SITZUNG VOM 9. NC)Vf:MHp:K 1892.
Der Vorsitzende der ^Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen* Zi*igt an, dass
diese Gesellschaft im Monate Mai l^VU ihre Thiltigkeit auf-
genommen hat, übermittelt die Statuten und den ersten Rechen-
schaftsbericht und sendet für die akademische Bibliothek zwei
mit ihrer Unterstützung herausgegebene Werke: Dr. Joseph
Neuwirth, Geschichte der bildenden Kunst in Böhmen vom
Tode Wenzels III. bis zu den llusitenkriegen, 1. Bd.' und ,Mit-
theilungen der deutschen mathematischen Gesellschaft in Prag.
Die Gründung dieser Gesellschaft wird zur Kenntniss
genommen und derselben für die eingesendeten Werke der
Dank ausgesprochen.
Die Concilien-Commission legt vor: Monumenta conci-
liorum gencralium, Concilium Basileense Scriptorum tomi tertii
pars III, enthaltend CoIIectio XVII von loannes de Segovia,
Ilist. gestorum gener. synodi Basileensis, herausgegeben von
Dr. Rudolf Beer.
Das w. M. Hofrath V. Jagie überreicht eine flir die
Denkschriften bestimmte Abhancllun<i: : ^Slavische Beiträge zu
den biblischen Apokryphen I. Die altkirchenslavischen Texte
des Adambuches^
XXIV. SITZUNG VOM 16. NOVEMUER 1892.
Der Sccretilr legt eine mit der Bitte um Aufnahme in
das Archiv übersendete Arbeit des Herrn Ferdinand Men<!;ik,
Scriptor der k. k. Hof bibUothek : ,Die Correspondenz des Land-
grafen Georg von Hessen aus den Jahren 1697 und 1698' vor.
Die Abhandlung geht an die historische Commission.
XXV. SITZUNG VOM 30. NOVEMBER 1892.
Der Secretär übergibt eine für die Sitzungsberichte be-
stimmte Abhandlung des c. M. Herrn Professor Dr. Anton
Zingerle in Innsbruck: ,Zur 4. Decade des Livius^
Weiter wird vorgelegt: ,The Jätaka-Mälä or Bodhisatt-
vfivadäna-Mälä by Ärya-^üra edited by Dr. H. Kcrn^ und
.Mittheilungen aus der Sammlung der Papyrus Erzherzog
Rainer', Bd. V, Heft 3 und 4.
Das w. M. Herr Professor Th. Gomperz berichtet auf
Grund brieflicher Mittheilungen des Herrn J. P. Mahaffy in
Dublin über einen zu Teil Ourob in Aegypten aufgefundenen
und von dem genannten Gelehrten entzifferten Plato-Papyrus.
XI
XXVI. SITZUNG VOM 7. DECEMBER 181)2.
Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht über-
mittelt: , Nuntiaturberichte aus Deutschland^, III. Abth., 1572
bis 1585, 1. Bd., herausgegeben durch das königl. preussische
historische Institut in Rom und die königl. preussische Archiv-
verwaltung.
Der Secretär legt die Fortsetzung und den Schluss der
Arbeit des Herrn Dr. Rudolf Beer, Amanuensis der k. k. Hof-
bibliothek in Wien: , Handschriftenschätze Spaniens. Bericht
über eine im Auftrage der kais. Akademie der Wissenschaften
in den Jahren 1886 — 1888 durchgeführte Forschungsreise' vor.
Dieselbe wird der Kirchenväter-Commission übergeben.
Das w. M. Herr Hofrath Dr. Heinrich v. Zeissberg
überreicht eine für die Sitzungs]>erichte bestimmte Abhandlung:
, Belgien unter der Generalstatthalterschaft Erzherzog Carls
(1793— 1794y, I. Theil.
Das w. M. Herr Professor Dr. Leo Reinisch überreicht
für die Sitzungsberichte eine Abhandlung, ])etitelt: ,Dic Be-
dauye- Sprache in Nordostafrika. II. Grammatik^
XII
I. SITZUNG VOM 4. JÄNNER 1893.
Das Ehrenmitglied der kais. Akademie Se. Excellenz
Freiherr Alexander von Bach spricht seinen Dank aus ftir die
ihm aus Anlass der Vollendung seines 80. Geburtsjahres ge-
sendete Adresse.
An Druckwerken werden vorgelegt:
je ein Exemplar der von der kais. russischen Botschaft
übcrlassenen und durch das k. u. k. Ministerium des Aeussern
und das k. k. Ministerium fllr Cultus und Unterrieht über-
mittelten oflicicllen russischen Publicationen : 1. Liste der wäh-
rend des Jahres 1^01 promulgirten russischen Gesetze und
Nachtrüge zu den früher bestandenen Gesetzen, 2. Fortsetzung
des russischen Code administratif, 3. weitere Folge der russi-
schen Gesetzsammlung, Ausgabe 181)1; und
,Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoycn, Orts-, Namen-
und Sachregister', übersendet von der Direction des k. und k.
Kriegsarchives.
Dr. JuUus Samuel Spiegier, pens. Schuldirector in Buda-
pest, übersendet für die akademische Bibliothek sein gedrucktes
Werk: ,Geschichte der Philosophie des Judenthums' und eine un-
gedruckte Abhandlung: ,Die Unsterblichkeit der Seele', um deren
Veröffentlichung oder Subventioiürung der Verfasser ersucht.
Der Secretär legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte
Abhandlung des c. M. Professor Dr. Theodor Nöldeke in
Strassburg: ,Die von Guidi herausgegebene syrische Chronik' vor.
XIII
Herr Franz Müller iu Siegeiifckl bei Baden übersendet
beliui's Wahrung: der Priorität ein versiegeltes Schreiben mit
der Aufschrift: ^Beitrag zum Studium der Sprachen^
IL SITZUNG VOM 11. JÄNNER 1893.
Se. Excellenz der Präsident macht Mittheilung von dem
Verluste, welchen die Akademie durch das am 7. Jänner er-
folgte Ableben ihres Vice -Präsidenten, des k. k. Hofrathes
Dr. Josef Stefan, erlitten hat.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides.
Das w. M. Professor H. Schuchardt in Graz über-
sendet eine flir die Denkschriften bestimmte Abhandlung:
,Baskische Studien. I. Ueber die Entstehung der Bezugsformen
des baskischen Zeitwortes'.
IIL SITZUNG VOM 18. JÄNNER 1893.
Se. Excellenz der Präsident überreicht ein im Namen
des französischen Ministers des Aeussern durch die französische
Gesandtschaft in Wien übermitteltes Werk: , luven taire som-
maire des archives du d^partement des afiaires ^trangferes.
M^moires et documents. Fonds divers.'
Der Secretär überreicht eine für die Sitzungsberichte be-
stimmte Abhandlung des c. M. Herrn Professor Dr. Anton
Zingerle in Innsbruck: ,Der Hilarius-Codex in Lyon'.
Sitzangsber. d. phil.-hist. Cl. CXXVni. Bd.
XIV
Der Secretär legt weiter eine flir das Archiv bestimmte
Abhandlung des c. M. Herrn Professor Dr. Franz v. Krone s in
Graz: ,Zur Geschichte des Jesuitenordens in Ungarn seit dem
Linzer Frieden bis zum Ergebnisse der ungarischen Magnaten-
verschwörung 1645 — 1671' vor.
Der Secretär übergibt weiter eine für das Archiv be-
stimmte Abhandlung des Herrn Professor Dr. Eduard Wert-
heimer in Pressburg: ,Wien und das Kriegsjahr 1813^
Die Abhandlung geht an die historische Commission.
IV. SITZUNG VOM l. FEBRUAR 1893.
Das w. M. Herr Professor Biidinger legt für die Sitzungs-
berichte bestimmte Untersuchungen vor, welche den Titel
führen: ,Mittheilungen aus der spanischen Geschichte des 16.
und 17. Jahrhunderts. I.'
Das w. M. Herr Professor Dr. J. Schipper überreicht
den vierten Theil seiner Arbeit, betitelt: ,The Poems of
William Dunbar^ zur Aufnahme in die Denkschriften.
I. Abhandlang: Meyer. Türkische Stadien. I. 1
I.
Türkische Studien. I.
Von
Gustav Meyer,
corresp. Mitgliede der k.iis. Akademie der Wissenschaften.
I.
Die griechischen and romanischen Bestandtheile im Wortschatze
des Osmanisch-Türkischen.
Der Wortscliatz des Osmanisch- Türkischen erweist sich
der etymologischen Analyse als ein ziemlich bunt zusammen-
gesetzter. Zu den alten, einheimischen Elementen, welche den
Zusammenhang des Osmanischen mit den ost- und nordtürkischen
Dialekten begründen, hat die Annahme des Islam durch die
Osmanen eine so grosse Anzahl arabischer und persischer ge-
fiigt, dass sie, wenigstens in der Sprache der Literatur und
der Gebildeten, den alten echt türkischen Grundstock des Wörter-
buches völlig überwuchern. Die Kluft zwischen der Sprache
des Volkes und der des Gebildeten ist derartig, dass, wie Vämb^ry
(Das Türken Volk 615) bezeugt, in der Gesellschaft von Efendis
eine geheime Converaation geführt werden kann, ohne dass
die anwesenden türkischen Diener die türkische Sprache ihrer
Herren verständen. Wenn aber auch das arabisch -persische
Element die erste und dominirende Stelle im türkischen Lexikon
einnimmt, so ist dieses doch auch von der Berührung mit anderen
Sprachen nicht ganz unbeeinflusst geblieben. Eine etymologische
Durchmusterung entdeckt Griechisches, Lateinisches und Roma-
nisches, Slavisches und Magyarisches, ja sogar Deutsches und
Englisches im Wörtervorrath des Osmanisch-Türkischen.
Die slavischen und magyarischen und von den roma-
nischen die rumänischen Elemente im Türkischen hat Miklosich
in einer seiner letzten Abhandlungen zum Gegenstande einer
Sttzungsber. d. phil.-hist. Ol. CXXVIII. Bd. 1. Abh. 1
& I. Abhudlang: Meyer.
Untersuchung gemacht (Die sla vischen, magyarischen und rumu-
nischen Elemente im türkischen Sprachschatze. Wien 1889). Ich
trage einige hieher gehörige Worte nach, welche Miklosich ent-
gangen sind. »>^b harda ,Böttcheraxt; Art Schleifstein^ Barbier
de Meynard I 257 ist das rumänische hardä ,Axt', das aus
magy. hdrd stammt und im letzten Grunde auf ahd. barta be-
ruht. Cihac n 479. Mi. Et. Wörterb. 19. Eng damit ver-
wandt ist »5>\^ bradova ,Art Böttcheraxt^ Jussuf 124, das aus
serb. bulg. bradva = aslov. bradhVb ,Axt* entlehnt ist. lieber
*^Ih ^''^^^ jThürschloss' Bianchi I 342, bei Zenker »y^. parava,
habe ich bereits im Etym. Wörterbuche des Alb. 45 gesprochen:
sein Ursprung ist unbekannt, es stammt im Serbischen, wo es
seit dem 16. Jahrhundert belegt ist, vielleicht aus dem Koma-
nischen. Vergleiche auch Blau, Bosnisch - türkische Sprach-
denkmäler 7. yS ginez ,Fürst' Zenker 764 b ist asl. kbn^zh, se.
knez, Ä^yUa» kasatura ,sabre-baionnette' Jussuf 546 scheint mit
aslov. icosa kosort ,Sense' = se. kosa ,Sense', kosor ,Art Messer^
zusammenzuhängen (daraus magy. kasza ,Sense^); vielleicht ist
das alb. kostre, das aus kosor entstanden ist (Etym. Wörterb.
des Alb. 201), die vermittelnde Form, in der die drei zusammen-
stossenden Consonanten s-t-r durch Vocale getrennt worden sind,
vgl. unten. dJ6>^ ladinga ,Art Patrontasche' Jussuf 644 ist
offenbar das magy. Iddika ,Ki8tchen, Schatulle', das deutschen
Ursprungs ist. Ueber den eingeschobenen Nasal vergleiche
unten unter londJta. ^U major ,Meierei' Zenker 804 a ist ein
durchs Mag. (major) und Deutsche gegangenes romanisches
Wort. o^V* '"^ufcan ,Schafhirt oder Schafzüchter aus Sieben-
bürgen' Zenker 893 b ist rum. m^can aus magy. mokdny ,bäurisch'.
AaJU-o mamaliga ,Polenta' Barb. II 786 ist rum. mäm^äligäy das
auch im Magyarischen (mamaligaj^ Serbisch-Kroatischen (mama-
Ijtbga), Kleinrussischen (mamalyga) vorkommt; der Ursprung der
Bezeichnung dieses aus Maismehl bereiteten Nationalgerichtes der
südöstlichen Donauländer ist nicht klar, man hat an Zusammen-
hang mit venez. mslega ,holcus sorghum, welsche Hirse' = it. me-
lica, gedacht. o^>^^ paljo§ ,petite ep4e k deux tranchants, poi-
gnard, coutelas' Barb.1386 ist magy.jpaiio«, rum.^aZof, serb. ^aZo«.
Das auch sonst weit verbreitete Wort hängt wohl mit tu. dJb
pala jSäbol' zusammen, das echt türkisch zu sein scheint (Budagov
I 310), ist aber in dieser Form wahrscheinlich magyarisch, ^ää-^.
Tflrkiscbe Studien. I. 3
•
pUiiÜca ,Beute' Jussuf 957 aus serb. plja6ka^ vgl. Etym. Wörterb.
des Alb. 344. j^:^^^ vampir ,8orte de grande chauve-souris;
revenant, vampire' Jussuf 1223 kommt auch im 8erb. und Bulg.
vor und ist wohl daher ins Türkische eingedrungen; die Her-
kunft des Wortes ist noch nicht endgiltig festgestellt, vgl. Mi.
Nachtr. 11 61. dS>^^ vladikaj auch ladika ,m^tropolitain* Jussuf
1240 ist die slavische Benennung vladyka, bulg. vladika für
den griech. dean&fTjQ ^Metropolit, Erzbischof.
Die griechischen Elemente sind ins Osmanische auf
verschiedenen Wegen gelangt.
Eine beträchtliche Anzahl griechischer Wörter hat schon
in früher Zeit ins Arabische und Persische Eingang gefunden,
fast alle durch Vermittlung des Aramäischen, und ist von dort
ans ins Türkische gelangt. Ich habe mich bei den unten
folgenden Zusammenstellungen bemüht, jedesmal auf diesen
Weg der Entlehnung hinzuweisen, bin aber weit davon entfernt,
zu glauben, dass dies in erschöpfender Weise geschehen ist,
oder dass ich nicht manchmal Irrthümer begangen habe. Man
möge dies damit entschuldigen, dass die orientalistischen Studien
meinen Arbeitsgebieten fern liegen, und dass die Vorarbeiten
auf diesem Felde sehr dürftig sind. Es scheint mir eine sehr
nothwendige und zu gleicher Zeit sehr lohnende Aufgabe zu
sein, den Einfiuss, welchen das Griechische auf die Sprachen
des Ostens geübt hat, auf Grund des vollständig gesammelten
Materials im Zusammenhange darzustellen. Es handelt sich
dabei um eine Untersuchung der griechischen Lehnworte im
Aramäischen, Arabischen und Persischen; ferner um die grie-
chischen Elemente im Armenischen und Georgischen; auch eine
Zusammenstellung der ins Indische übergegangenen griechischen
Worte wird nicht ohne Interesse sein. GelegentHch sind ja
diese Sachen schon gestreift worden, so die griechischen Ent-
lehnungen im Sanskrit von A. Weber in den Monatsberichten
der Berliner Akademie 1871, S. 613 ff. und von H. Kern im
I. Bande der ^Elldg, beidemal mit Rücksicht auf die Geschichte
der griechischen Aussprache. Aber eine zusammenhängende
Darstellung fehlt noch. Einiges enthält die Breslauer Disser-
tation von Sigmund Fränkel De vocabulis in antiquis Arabum
carminibus et in Corano peregrinis^ (Leyden 1880), sowie das
vorzügliche Buch desselben Verfassers über die ,Aramäi8chen
1*
4 I« Abhandlnng: Heyer.
Fremdwörter im Arabischen' (Leyden 1886). Die griechischen
Elemente im Persischen hat jetzt Nöldcke in seinen ^Persischen
Studien' 11 34 ff. untersucht (Sitzungsberichte CXXVI 12), die
mir durch die Güte des Verfassers in den Aushängebogen zu-
gängHch gemacht worden sind.
Zu den durch Vermittlung des Arabischen ins Türkische
gelangten griechischen Lehnwörtern gehören unter anderen
eine Anzahl Pflanzennamen, wie ahanoz^ afiuiiy kantarion, ka-
ranfily karnahity pentafiliarij türmüs und andere; Ausdrücke,
die das Christenthum vermittelt hat, wie faraklity ind£il; zu
ihnen sind wohl auch zunnar , kanun^ santur zu rechnen;
Wörter des Handelsverkehrs, wie dirhem, keraty Uile; solche,
die wohl zunächst in die medicinische Literatur Eingang fanden,
wie zernik, masarika , belgam, melhem. Aus dem Persischen
stammt z. B. das wichtige und interessante sim ,Silber', das
über pehlevi pc'DK auf griechisch Uarniov zurückgeht; ferner
THlid , defter , und Pflanzennamen , wie asfiradi , iskardiuriy
ispanaky nerdiis.
Seitdem die Osmanen Herren über den grössten Theil des
ehemaligen byzantinischen Reiches geworden waren, lebten sie
in ausgedehnten Gebieten ihres Besitzthums in fortwährender
Berührung mit griechisch redender Bevölkerung. Die Aufnahme
türkischer Wörter in das Vulgärgriechische war infolge dessen
eine massenhafte; sie haben, allerdings in beschränkterem Masse,
selbst in die Dialekte solcher Gegenden Eingang gefunden, die
niemals unter türkischer Herrschaft standen, wie in die der
ionischen Insehi. Miklosich hat in seinen ,Türkisclien Elementen
in den südosteuropäischen Sprachen' auch den türkischen Ein-
dringlingen im Griechischen seine Aufmerksamkeit zugewendet,
ohne den Gegenstand zu erschöpfen. Es war das um so noth-
wendiger, als die Griechen nicht selten von rein türkischen
Wörtern die spasshaftesten Etymologien aus griechischen Mitteln
gegeben haben. Die Literatursprache und der Schulunterricht
haben begreiflicher W^eise im Königreich Griechenland gegen die
türkischen Lehnwörter einen unbarmherzigen Vertilgungskrieg
eröffnet; aber sie nehmen in den Volksmundarten und den
Erzeugnissen der Volksdichtung immer noch einen sehr breiten
Raum ein. Besonders interessant ist es, dass sich der türkische
Einfluss auch auf die innere Sprachform erstreckt hat. So sagt
Türkische Stadien. I.
man nivw tuxtvvöv ,ich rauche', was die Uebersetzung des tür-
kischen ^< ^-^^ Qyy> tiitün iömeJCy eig. ,Tabak trinken', ist;
man fragt rcov nd-^erai ,wo wohnt er?', ganz gleich türkischem
jyljyS^\ *>y nerede oturior, eig. ,wo sitzt er?', was der Lebens-
weise der Osmanen treffhch entspricht, wie Fallmerayer, Ge-
sammelte Werke I 293 richtig bemerkt hat.
Aus naheliegenden Gründen ist der Einfluss der Sprache
der griechischen Raja auf die ihrer Beherrscher nicht von der
gleichen Stärke gewesen. Trotzdem ist, wie man aus meinen
Zusammenstellungen ersehen kann, eine immerhin beträchtliche
Anzahl von Worten in den osmanischen Sprachschatz einge-
drungen, die zum Theil durch ihre jüngere, neugriechische
Lautform sich von dem über das Arabische und Persische ein-
gewanderten griechischen Sprachgute abheben. Eine grössere
compacte Masse bilden hier die Benennungen der Seefische und
anderer Seethiere, die fast ausnahmslos aus dem Griechischen
stammen. Die Vorfahren der Osmanen waren ein Binnenvolk,
das mit den Geschöpfen des Meeres erst bei seinem Vordringen
nach Kleinasien und Europa Bekanntschaft machte. Dort trafen
sie an den Meeresküsten überall auf Griechen, die naturgemäss
ihre Lehrer in der Benennung der Erzeugnisse der See wurden.
Auch von anderen auf die See und das Seewesen bezüglichen
Ausdrücken sind einige griechisch, wie fener, kad^rga, karavi,
Uf/rfüz, liman, navlun^ prame, talas und die Windnamen imhatj
lodos^ pojraz] auf die wirkliche Ausbildung des Seewesens und
die marine Terminologie haben freilich, wie bei den Türken,
so auch bei den Griechen, erst die Italiener entscheidenden
und nachhaltigen Einfluss ausgeübt. Aber auch auf anderen
Gebieten ist der griechische Cultureinfluss, so weit er sich in
der Sprache erkennen lässt, ersichthch; so sind eine Anzahl
auf Ackerbau und Viehzucht bezüghche Ausdrücke griechisch,
femer Namen von Gefässen, Geräthen und Werkzeugen u. s. w.,
selbstverständlich Alles, was sich auf den christlichen Cultus
bezieht.
Gegentiber diesen beiden Hauptwegen, auf denen grie-
chisches Sprachgut ins Osmanische eingedrungen ist, tritt alles
Uebrige fast ganz zurück. Bei dem einen oder dem anderen Lehn-
worte kann man ja vermuthen, dass es durch slavischen Mund
gegangen ist, ehe es das Türkische aufnahm. Das wird z. B,
6 I. Abhandlung: Meyer.
für loijofet wahrscheinlich gemacht durch das ^ f für & an
Stelle des diesen Laut sonst vertretenden Cj oder i> t , was der
russischen Vertretung des ^ entspricht (auch rumänisch logofet).
Griechisch riqsiivov scheint auf dem Wege aslov. tremh —
rum. tärim — (magy. terem) zu türk. tarem geworden zu sein.
Aber solche mehr oder weniger entscheidende Kriterien lassen
sich sehr selten anflihren. Auch auf dem Umwege über das
Italienische hat das Türkische hie und da ein griechisches Wort
recipirt; so, um von Neologismen abzusehen, die heute allen
europäischen Sprachen gemeinsam sind, das Wort Hrinka,
Siringa ,Spritze', das gr. aügiy^ ist, aber direct erst aus ital.
sciringa stammt.
In ähnlicher Weise wie bei den griechischen, sind bei
den aus romanischem Sprachgebiete stammenden Lehnwörtern
verschiedene Schichten zu unterscheiden. Lateinisches im Os-
manischen erklärt sich durch die Vermittlung der Byzantiner
und Araber, Es gibt im Arabischen lateinische Wörter, die
aus dem Griechischen des Ostens Eingang in diese Sprache
gefunden haben, wie für einige ihre Lautform bezeugt: so sind
candela dmarius zunächst zu griech. 'Axxvdrßxx dfjvaQiog und
weiter zu arab. kandil dinar geworden; in dieser Form er-
scheinen sie auch im Türkischen. Auch Wörter wie camisia,
ce7itenariu8, follisj sahurra sind so als kamisj kantaVy fehy safra
ins Türkische gelangt. Den Namen des grossen Caesar haben die
Orientalen wohl direct aus dem Munde der römischen Legions-
soldaten aufgenommen: nur so erklärt sich die Bewahrung des
alten ai, das in griechischem Munde damals gewiss schon zu
ä geworden war. Da das byzantinische Griechisch voll von
lateinischen Worten war, die zum Theil noch heute im Neu-
griechischen weiter existiren, so konnte es nicht fehlen, dass
auch noch nach der Eroberung des byzantinischen Reiches solche
Lehnwörter ins Türkische kamen; hieher scheinen z. B. asprsy
^ümrüky isUftle, isicemley Kilery tugla zu gehören.
Der bei Weitem grösste Bestand an romanischen Elementen
gehört dem Italienischen an und erklärt sich aus den bekannten
Beziehungen der italienischen Städte, besonders der Venezianer
und Genuesen, zur Levante. Wie viel die Türken hier direct
entlehnt haben, wie viel erst durch griechische Vermittlung,
ist selten mit einem grossen Grade von Wahrscheinlichkeit zu
Tflrkische Studien. I. 7
entscheiden. Sehr Vieles ist dem Türkischen jedenfalls mit
dem Neugriechischen gemeinsam , und diese Gemeinsamkeit
würde sich vermuthlich in noch grösserem Umfange nachweisen
lassen, wenn wir den ins Neugriechische aufgenommenen ro-
manischen Wortbestand irgendwo zuverlässig übersehen könnten.
Aber das ist noch nicht der Fall; denn die Zusammenstellungen
von Deffner in der Nia *^EXldg (1874) Nr. 19. 20 und von Pappa-
dopulos in der Havöibga XVH, 217—226. 265—272 erschöpfen
den Gegenstand nicht im Geringsten. Hieher gehört denn auch
die Frage nach dem Wesen der viel genannten, aber wissen-
schafUich nicht greifbaren Lingua franca, die wohl nichts
Anderes war als Italienisch im Munde der Levantebewohner.
Wenn wir Wörter wie ital. harhone, pisello im Türkischen als
harbunia, pizelia^ also mit griechischer Endung, finden, oder
wenn wir in tugla aus tubulum einen specitisch griechischen
Lautwandel beobachten, so ist ohne Weiteres klar, dass sie
durch ein griechisches Medium gegangen sind. Aber in anderen
Fällen lassen uns solche Kriterien durchaus im Stiche.
Die venezianische Herkunft der italienischen Ijehnwörter
wird in vielen Fällen durch ihre Lautgestalt in entscheidender
Weise bezeugt. Man beachte z. B. die Media in videlüy vida^
kadena, limonadaj bugada, foga, sigurta^ den dünneren Zischlaut
in pisij sia, bekatsa, brizola, das r in salamoray den Ausfall
des -ü- in manela gegenüber italienischen vitelloy vite, catena,
limonatay bucatOy fuocOy sicurtäy pescSy sciare, becaccia , bra-
ciuolay salamaja, manovella.
Eine grosse zusammenhängende M^se italienischer Wörter
bilden die im vorletzten Abschnitte zusammengestellten Aus-
drücke der marinen Terminologie, deren Verzeich niss hoffentlich
nicht allzu unvollständig ist. Leider ist es mir trotz aller auf-
gewendeten Mühe nicht in allen Fällen gelungen, die türkischen
Wörter befriedigend zu deuten; meine eigenen praktischen
Kenntnisse von Dingen der Marine sind sehr gering, und das
vortreffliche Glossaire nautique von Jal, das der Wortforschung
auf diesem Gebiete ein unentbehrlicher Wegweiser ist, versagte
doch in einigen Fällen.
Noch in neuester Zeit sind einige italienische Wörter ins
Osraanli aufgenommen worden, die aber an Zahl nicht mit den
französischen Neologismen zu vergleichen sind. Das von Jahr
8 I. Abhandlang: Meyer.
ZU Jahr zunehmende Eindringen occidentalisehcr Einrichtungen
und Erfindungen in die Türkei hat eine grosse Menge fran-
zösischer Worte in das türkische Lexikon eingeführt, meistens
solcher, die in den anderen europäischen Sprachen längst das
Bürgerrecht haben. Die neueren türkischen Wörterbücher, wie
das von Jussuf oder das von Sami-Bej, verzeichnen sie sehr
ausführlich. Ich habe bei den einzelnen Abschnitten meiner
Zusammenstellungen auf sie Rücksicht genommen, auch am
Schlüsse eine bunte Reihe solcher Neologismen gegeben, habe
f aber geglaubt, von dem Anstreben einer Vollständigkeit bei
ihnen absehen zu sollen. Dieser Theil der romanischen Elemente
wird erst in hundert oder zweihundert Jahren dem Sprach-
forscher und dem Culturhistoriker ein dankbares Forschungs-
object bieten.
Eine besondere Stellung unter den romanischen Elementen
des Türkischen nehmen die paar rumänischen Fremdwörter
ein, die sich nachweisen lassen. Sie sind im Principe richtig
von Miklosich in der am Anfange erwähnten Abhandlung mit
den slavischen und magyarischen Elementen gemeinsam be-
handelt worden. Ich habe sie, der Vollständigkeit halber, nicht
ausschhessen wollen, Thatsächlich finden sich bei Miklosich
von rumänischen Wörtern nur drei, nämlich gelate ,Kübelgebühr',
kalaraS ,Eilbote^ und masa , Speisetisch', von denen die beiden
ersten Provinzialismen der Walachei und dem türkischen Schrift-
thum fremd sind, das erste zudem deutschen Ursprungs ist.
Ich habe frand^ela, kaHr, lundraj tnbla hinzugefügt. Es mag
an dieser Stelle erwähnt werden, dass bei einigen türkischen
Wörtern romanischen Ursprungs die Thatsache vorliegt, dass
sie durch slavische Vermittlung den Türken zugeführt worden
sind, z. B. bei ispilatUy sapka und kopuska.
Wenn wir das ganze Gebiet der Entlehnungen, deren
Wege im Vorstehenden in kurzen Umrissen zu zeichnen ver-
sucht wurde, überbHcken, so beanspruchen ein besonderes Inter-
esse diejenigen Wörter, welche, ursprünglich orientaUschen Ur-
sprungs, in die europäischen Sprachen Eingang gefunden haben
und aus einer derselben in das Türkische aufgenommen worden
sind, also eine Wanderung von Osten nach Westen und eine
Rückwanderung von Westen nach Oaten durchgemacht haben.
So stammt das persisch-türkische ^\^i-.*»\ aus griech. äoTidqayog^
Törkiwho Studien. I. 9
dieses selbst ist aber ein Fremdwort und walirscbeirilich ira-
nischen Ursprungs. d^-Jb zeigt europäisclie Lautfonn, aber
das zu Grunde liegende ßdlaauov ist ursprünglich semitisch.
Ebenso ist tllrk. o^yt-o gegenüber arabisch o^r^^i ^^'^ europäische
Form dieses fremden Namens. Griechisch dy/agsia bezeichnet
eigentlich den Dienst der persischen Hyyagoi oder Eilpostboten,
ist aus dem Griechischen, allerdings in wesentlich erweiterter
und veränderter Bedeutung, in das Lateinische und die roma-
nischen Sprachen übergegangen und erscheint auch im Türkischen
als angarie.
wJyUo\ ,Scharlachtuch^ ist orientaKsch, aber in dieser Form
europäisch; ebenso ist »jIjL« die europäische Form des arabischen
^2^}^' 0>?^^ ^^* griechisches dqgaßfbv^ das seinerseits aus dem
Semitischen stammt. Der arabische Ursprung von Admiral
und lyragoman ist bekannt; beide finden sich in der occiden-
tahschen Gestalt im Türkischen (amiral, dragman). Die beiden
Marinewörter gomana und kalafat geben italienisches gomena und
calafaUire wieder, aber beide stammen vielleicht aus dem Ara-
bischen; das erste entspricht vermuthlich arab. J-%a., dessen Ur-
sprung allerdings auch nicht aufgeklärt ist (vgl. Fränkel 228
und vgl. xd^ilog rd naxi) axoiviov Suid., den Scholiasten zu den
Wespen des Aristophanes 1030 und Theophylaktos zu Matthäus
XIX 24: Ttviq de ndfitjkov oi td l^wöv q>aaiv^ dilä xö 7ta%v axoiviov^
^ Xg<üyrai ol vavrai rrgdg rd ^htreiv rag dyycvgag). Noch in neuerer
Zeit hat sich solche Rückwanderung vollzogen, z. B. in dem
Birnennamen hergamot. Auch griechische Wörter haben ähn-
Hche Schicksale erlebt: agr. ^r^xivi] ist über das Lateinische,
Arabische und Türkische als geraln ins Neugriechische zurück-
gekehrt, dnrtoi' über das Arabische und Türkische zu ngr, dcpidvi
geworden.
Weder die griechischen noch die romanischen Bestand -
theile des türkischen Lexikons sind bis jetzt Gegenstand einer
besonderen Untersuchung gewesen, so weit mir bekannt ist.
Allerdings haben die Lexikographen des Türkischen hie und
da auch dem Ursprünge der nicht arabischen und persischen
Wörter ihre Aufmerksamkeit zugewendet, und Älanches ist von
ihnen richtig erklärt worden. Ich nenne hier, ausser dem be-
kannten Werke von Zenker, besonders Ahme<l Vefyk Pascha,
den Verfasser des ^^U-i* i^^J, und Barbier de Meynard, dessen
I
10 I. Abhandlung: Meyer.
grosses Werk (Dictionnaire turc-franyais, 2 Bände, Paris
1881 — 1886) zum Thcil auf dem Material des eben genannten
tilrkischen Buches beruht. Ein kleines Verzeichniss griechischer
Wörter findet sich in dem ^EXkrjVo- d&iofiavtyidv iynölTtiov von
Alexandros Konstantinidis (Constantinopcl 1875), S. 1 flf. Es
schien nützlich und wünschenswerth, die vereinzelten und ver-
streuten Bemerkungen zu sammeln, zu revidiren und zu er-
gänzen und durch Vorlage des ganzen Materials, soweit dasselbe
mir erreichbar war, den Gegenstand aus dem Bereiche zu-
fälliger Observationen in das Licht wissenschaftlicher Forschung
zu rllcken. Die unten folgenden Wörterlisten sind nach sach-
lichen Gesichtspunkten zusammengestellt, mit Rücksicht darauf,
dass auch die culturgeschichtliche Betrachtung an den aus ihnen
zu ziehenden Schlüssen ein Interesse haben mag; innerhalb
der einzelnen Abschnitte habe ich die Wörter, soweit nicht eine
Zusammenstellung einzelner zu kleineren Gruppen wünschens-
werth schien, alphabetisch angeordnet, und zwar nach der Buch-
stabenfolge unseres Alphabetes. Die Register am Schlüsse werden
das Auffinden des Einzelnen erleichtern. Eine Sonderung der
griechischen von den romanischen Elementen habe ich nicht
durchgeführt, weil, wie aus den voranstehenden Erörterungen
hervorgehen dürfte, die Sprachentwicklung beide vielfach durch-
einander gewirrt hat. Eine Untci'suchung der Eigennamen habe
ich vorläufig ausgeschlossen.
Ich mache hier noch einige auf die sprachliche Form der
Lehnwörter bezügliche Bemerkungen.
Bei der Aufnahme der griechischen Wörter pflegt die
Endung abzufallen. So axtapod d/j^arcödi, egreb ygTrtogj eskorpit
axoQjridi, izmarid a(.iaQida, Uefal idcpa'kog^ levreU XaßQdniy livar
ßißaqt(ov)^ mürsin afisgvva, palamud Ttaixxfivday sinarit awa-
YQida, Sünder acpavyy&qij tun 9vwog, gajzar yatdaQog, hüher
TtiTtiqi^ fsndak novrii^öv, featsk TtiardmoVy fidan (pvcam]^ ister eH
aTVQdhii^ karanfil naqvöcpvXkov^ kamabit %qaiißidiOVy Jciraz xegd-
aiov, tnantar fiavLzdQi, mirsin fivQaivrj, nerdiis vagiuaaog^ pentafil
ftevrdcpvkXoVy psrnar nQivdgi, portukal noQZoyuxkli, simfit avfi-
qwTOVy terter rdgragog, tiriak drjgiami^ tirßl rgiqyvXh^ mermer
(.idgixagogy orfan dgcpavdg^ rnarjol fuxgyiöXog, xoirat xMgiorrjg^
matis ^€&vaog, tomar ro^dgty senier aa^gt, ipsid inplday defter
diifd^igcxy is/celet aiukerögy anafor ävacpögtj fmnin (povgvogy Keremit
TQrkiKche Studien. I. 11
'AE^fiidiy kiler ynild^i^ Uilid nXeTöa, teviel &€^i),ioy, anaxtar
ävoixtaQiy kandil xay&i^lay karacit xQeßßuxi^ diHel dmiXXi, ergat
i^öcTT^gj kalem xdXafiog, öukal Tffovycdkiy tegan Trjyävt, kamis
xafuaioy, zunnar ^(üvdgiy üsUül anovXly dernet defidti, dögen w-
luhf], evlefc a^hSnu, terpan d^c/rcrvt, giimrük xovju^^xt, fendek
7rardo%Bioy, dinar drp^dQtov, Hnik yipivUiy despot dsanörr^gy xristian
XQUTTiayögy indJtil s^yyiliov, faraklit naqcniktjtog^ istifan ati-
(pavogy latin XarTvog^ manaster (.lOvaari^Qiy metropolit (.irjTQOTCokitr^gy
panajer TtavtjyvQiy patrek 7taTQiy,iogy t^iks rcr^ig, telaem TeXaafiay
caftis ßaTtrlaiUy maH (idq^ijgj sidiill tnyilkiovy koiidak xorrcbct;
mendienik ^ayyaviyidvy dümen Tifiöviy fener (pavaqiy imhat ifx-
ndrrjgy iskandil auccyriXiy liman hfiivay palamar Ttakafiägiy talaz
&dXaaaa, u. a.
Ebenso ist die Endung italienischer Wörter abgefallen
z. B. in izbandit : shandito, avokat : awocato, estudJt : dstuccioy
fotin : bottino y isicerlet : scarlattOy vardijan : guardianOy feslcet :
fischiettOy paraöol : bracciuoloy kapivdan : capitano] kacalii' :
cavalierny berber : barbierey bukal : boccalsy varil : barile, kordun :
cardon€y stmsar : Sensale , pinial : pugnahy bastun : bastoney
kaliun: galeone, puntal : pontaley vapor : vapore ; üsKüf : scufßay
roUet : rocchetta.
In allen diesen italienischen und den allermeisten grie-
chischen Beispielen liegt die Tonsilbe unmittelbar vor der
Endung, und der Abfall dieser kam daher dem Bedürfniss dos
Türkischen nach Betonung der Endsilbe aufs Trefflichste ent-
gegen. Von den Ausnahmen lassen sich vielleicht noch einige
beseitigen; man wird es vorziehen, pentaßl und istifan auf
n:€vjaq>vlXi und arecpavi statt auf nevx&tpvXXov und azicpavog zu
beziehen, fendek : novrindvy nerdiis : v&qiuoaog sind als persisch,
karanßl : xaQvöqwXlovy tiriak : ^rfiiomriy inermer : ^dq^iaqogy kalem :
TLdkafwgy faraklit : TtaQdiuXrjTog, telsem : teXea^ay m&ndienik : ^ay-
yaviMiv als arabisch von dieser Betrachtung eigentlich auszu-
scheiden. So bleiben blos gajzar : yatSaqogy simßt : avijupvcov^
terter : rdqroQogy orfan : dqqnxvdgy matis : fii&vaogy isUelet : G%BXBT6gy
üskill : ü'AOvXiy fsndek : TtavdoYJBioVy talaz : d-dkaaüa übrig.
Daneben ist nicht selten die ganze Nominativform ins Tür-
kische übergegangen. So bei griechischen männlichen Wörtern
auf -oi;, das im Türkischen als jj oder ,^^ erscheint: ispinoz
OTtivogy ciroz taigog, bedenos Tteveivögy koljoz KoXiog^ likorinoz
12 I- AbliMidlaug: Mey«r.
IvxovQQLVOi;, orliinoz Sg^vvog, vatoz ßdzogy saliangoz adhayxog,
abanoz eßsvog, marangoz fiaQayyuig, ispazvioz anaa^dq^ diakoz
didxog, istavroz atavgög, martoloz ägfiarcjldg^ eskarnwz a'/xxXfiög;
istakos ara^dg, kalinos yXavög, tir^os Tgi^ög, oarjos ßagsiög,
agustos Syovarog, seJciros axiQQOg, balios ^TvaiXog, fanos q}av6g
u. a. Für merlanos : it. 7nerlano kann (.legkavog vorausgesetzt
werden; af&roz scheint verkürzt aus äq)0Qt(Tfi6g; konsolos hat
sich diesem Typus angeschlossen. Bei diesen Beispielen sind
die griechischen Wörter zum Theil auf der Endsilbe betont,
zum Theil auf der vorletzten oder drittletzten. Als -ilz erscheint
-og in körfüz : %6q(pog für yiökTtog,
MännUches -ag ist durch türk. -az wiedergegeben in pojraz :
ßoQiägy papaz oder papas : Tranäg,
-18 = gr. 'Vig oder -ig erscheint in majs : fid'ig aus f^diog
und anderen Monatsnamen, magnitis : fiayvrjrrjg u. a. ; = weib-
lichem -ig in betaris : nrsqig.
Sächliches -ov ist -ort oder -un z. B. in afitm : Umovy
ana^un : ätnjaovy eleiiiuyi : klAviov , garikun : dyaQiy,6v, iskolo-
fendrion : ayLoXoTrivdgiov, iskardiun : a-i^dqdiovj kantarion : yLevrav-
Qiov, pentafilion : * TtBwacpvXXiov, ferfjun: stfqniQßiov, Hzfun : t^itv-
(povy navlun : vavXov. Dazu ist zu fügen fesli^en : ßatrikmöv. Die
meisten dieser Wörter sind bereits arabisch oder persisch.
Das weibliche -a ist sehr häufig als -a oder -e herüber
genommen, z. B. in bekasa : (,i7ts:idvaay lakerda : Xayieqda, lapina :
kaniva, morina : f^ovQOvva, pei^ota : Treraovda, sipia : arjTVid, torina :
Tovviva, btirandita : fj.7tOQdvTaa, engelika : dyyiXtxa, gazja : %aaaia,
papadia : naTtadid, palavra : ftaXdßqa, lo^usa : Xs^ovoa, panukla :
navovYXa, und in vielen anderen. Ebenso das italienische -a
in balena : balena, ringa : aringa, sardela : sardella, sarpa : sarpa^
eruka : eruca^ lavanda : lavanda, veranika : veronica, familia :
famiglia, fantazia \ fantasia, pjasa : piazza, vizita : maita und
vielen anderen. Weibliches -rj ist i z. B. in pilaki : ^rAaxiJ,
Xondrili : xovöqiXrj ; sächliches -i ebenso z.B. in ispari : * GnaQi,
vgl. isUite : Gxa&iy eskumru : axovfiTrqL Italienisches -o z. B. in
ßnOj lifo, dinko, öeniento, torno.
-la erscheint als -e z. B. in kestane : xaaravidy titre : xedqid,
ßäne : ßvaaivid, gübre : xo/tqid, kilisse : ixytXr^ala.
Das nominativische -s ist abgefallen in lipari : XiTtaqig,
pirebulu : jtQÖTtoXigy efeiidi : dq)^vzrjg, kerata : xsqardg.
Türkische Studien. I. 13
Die Herübernahme der männlichen Endung -og aus grie-
chischen Substantiven findet sich vereinzelt auch bei Ent-
lehnungen in andere Sprachen; vgl. z. B. altslov. christosh
chimo8^ aus Xgcarög, xW^y ^1^- kopos ristos meine Alb. Stud.
I 37; in ziemlich grossem Umfange ist die Endung -os im
Zigeunerischen auch über den ihr ursprünglich zukommenden
Kreis hinaus verbreitet worden, nach föros : cpögog, chdros : xogdg
u. a. hat man grdhos, rizos, zböros u. s. w. gebildet, aber fast
nur in nichtindischen Substantiven. Vgl. Miklosich, Mundarten
und Wanderungen X 4, wo von der Erscheinung eine unrichtige
Erklärung gegeben ist, die der Verfasser selbst später, in der
Abhandlung ,Ueber die Einwirkung des Türkischen auf die
Grammatik der südosteuropäischen Sprachen' (Sitzungsberichte
Bd. CXX) S. 8 zurückgenommen hat.
In einer Reihe von Fällen ist der Nominativ Plural zum Aus-
gangspunkte der türkischen Nominalbildung genommen worden,
und zwar fast immer der sächliche auf -a. So verhalten sich
fduina : (pXihqi, kanaria : %avaQi^ pupla : novrrovXoVy barbunia :
^TtaQfifTOvviy istridia : OTQidi , midiaifivdty paguria : jtayovQi,
kukulia : 'AOVAOvh^ fasulla : (paoovXi^ izmaola : ay.iovQOv, lahana :
XdxcePOVy lastaria : ßkaardgi, mukmxda : ixiairiXov, pizelia : Ttil^ihy
prasa : Ttq&aov, radiJcla : ^adlyu, ispitalie : aniTaXi, /wZ/a : xoXiov^
salja : aakiov^ tugla : TOvßXoy, piata : TtidroVy Jcerata : xiqazovj
kaderga : yuxteqyov. Aehnlich sind entstanden pines und domates
von den Pluralen zu mwa und vrof-idra, und kaSer aus dem
rumänischen Plural crtfuri. Diese Erscheinung des Ausgehens
vom Neutrum Plural erinnert durchaus an die romanische Er-
scheinung, dass die Neutra auf -a in die erste DecHnation
tibertretend zu Femininen werden (Diez, Grammatik II 23), eine
Egenthtimlichkeit, welche das Albanische mit den romanischen
Sprachen theilt (meine Alb. Studien I 99).
Eine andere aus den romanischen Sprachen wohl be-
kannte Erscheinung ist die Verschmelzung des Artikels mit
dem Substantivum , die in lostana ,Gasthau8' aus it. l'osteria
beobachtet wird.
Von lautHchen Erscheinungen, die bei der Aufnahme der
fremden Wörter ins Türkische auf ihre Gestaltung Einfluss
gehabt haben, seien hier einige kurz besprochen.
14 I. .AbliandluDg : Meyer.
Ein tonloses i oder e wird im Türkischen zu a in der
Nachbarschaft von dunklen Vocalen ; vgl. z. B. anaxtar : ivoix^dQi^
anasun : ävrjaoVy H^arun : cicerone^ kumandaria : 7iov(.ieyTaQia,
malluta : ^ijXwTi^y panajir : TtccytjyvQL, camariva : cima arriva.
Auf diese Weise erklärt sich auch J^U*o\ istambol ,Constan-
tinopel^, das zweifellos aus slg rijv IlöXtv entstanden ist; man
hat thörichter Weise zur Erklärung des a an ein dorisches
Täv nöXiv anknüpfen wollen. Durch Volksetymologie ist der
Name in J^^\Uo\ islambol ,le foyer de Tislam' (Barbier de
Meynard I 48) umgedeutet worden. Analog ist ^^U-**>\ istaalcöj
für ,Kos^ = '4; T7JV Kwj woraus das ital. htanchio entstanden ist*
am Schlüsse liegt wohl volksetymologische Anlehnung an türkisch
^^ ,DorP vor. Sonst ist das griechische r^v als tin zu er-
kennen, vgl. istindil = Tfjvog, Auf das hier besprochene
Lautgesetz hat schon Korsch im Archiv für slavische Philologie
Vni 649 hingewiesen.
Umgekehrt ist a 0 w neben hellen Vocalen zu i geworden;
vgl. z. B. iskite : GY.a&i, kalinis : ylagog, ivatine : dßq&tovov, misJcet :
moschetto, pinial : pugnale. Gewiss steht diese so wie die vor-
hergehende Erscheinung im Zusammenhange mit der Vocal-
harmonie der Türksprachen, die hier gewissennassen noch in
ihren letzten Zuckungen wirkt, da von einer gesetzmässig be-
gründeten Einwirkung der Vocalharmonie auf Fremdwörter der
osmanischen Schriftsprache und der von ihr beeinflussten Volks-
sprache kaum die Rede sein kann. Vgl. Radioff, Phonetik der
nördlichen Türksprachen 48.
Auch der Uebergang betonter a und 0 in e nach soge-
nannten palatalen Vocalen hängt wohl mit der Vocalharmonie
zusammen. Man vergleiche levreJc : Xaßq&yn , ister elc : GTvqaxiy
evleK : (xihSmi, lüfer : kovq)dQi, sünger : acpovyydqi, semer : aa^idgi,
fener : (pavdqi , kiler : -^eXX&qi , deviet : dsfidri , dümen : Tifiön,
aber mantar : iicxvndqi, ispanak : anavdxi. Merkwürdig ist liman :
Xi^eva,
Von den in das Gebiet der Consonanten gehörenden Er-
scheinungen ist schon öfters auf die Behandlung anlautender
Doppelconsonanz in Fremdwörtern hingewiesen worden. Vgl.
z. B. Blau, Bosnisch-türkische Sprachdenkmäler 38 ff. Miklo-
sich. Die sla vischen u. s. w. Elemente im türkisclien Sprach-
schatz 24f. In den aus dem Griechischen und Romanischen
TArkiBcbe atndien. I. 15
stammenden Wörtern wird anlautende Doppelconsonanz in
folgender Weise beseitigt:
1. durch Vorschlag eines Vocules, und zwar, allerdings
nicht ganz regelmässig, i vor e und i der nächsten Silbe, e
(== ^) vor a 0 Uy ii vor ii.
sk- : isJcite : OTia&l, eskorpit : GY.oqmdiy eskumru oyLov^TtQi,
Bskur^une : scorzonera , iskardiun : OTuigdiov (persisch), isKelet :
OTiekerögy eskorbut : cxo^/u/roirro, ilslciif : scuffia, isJcerlet : scarlattOj
iisiciil : aycovXi, eskaia : scassa, sskalera : acala reahy eskandite :
ncang-ioy eskar^e : scarieo, eskarmoz : axaXfiÖQj eskarso : scarsOy
eskopamar : scopamari^ sskute : scotte^ islcele : scala, iskandil :
OTUxydili, isUemle : axa(.ivi. Auch eskara ist auf ngr. aTMkqa, nicht
auf ia%dqa zu beziehen.
st- : BBtakos : OTanög (nicht = äaraytög), istav^rit : atavQlTrjgj
istron^ilo : atqoyyvXa, istridia : axqidiy isterek : aTVQomi, ilstiipii :
(noxmiy sstofa : stoffa^ estufato : stufato, istavroz : aravQÖgj istifan :
(niqxxvogy sstabel : stabulumy ssturpa : stroppo, istalia : stalUuy
istif : stivare^ istinga : oriyydQCjy istralie : straglio , istramaöa :
stramazzo.
8p-: ispinoz : anivogj espari : OTtdqogj ispanak : aTiavdhii
(persisch), ispinöiar : speziale, ispitalie : antxikh^ esporta : sporta^
upirito : spirito, ispaoli : apaolo, isparöina : sparcina^ ispati
(auch izhati) : OTta&L
sb-i izbandit : sbanditOy isbir : sbirro.
sm-i izmarid \ a^iaqida, izinaola : afieovQOv. Vgl. den Stadt-
namen j.ycj\ izviir ,Smyrna^
gr-: egreb : ygiTtog.
pt- : ipteri : meqig.
Der Vorschlag eines Vocals vor mit s beginnenden Con-
sonantengruppen ist auch aus anderen Sprachgebieten bekannt,
z. B. aus dem Vulgärlateinischen, dem Romanischen und dem
Litauischen. In meiner Griechischen Grammatik* 116 habe
ich aus einer griechischen Inschrift Pisidiens ^layivfivogf ^latqa-
Ttwrrjg angeftihrt; ebenfalls aus Pisidien stammen elaTQOTKbTtjg
American Journal of Archeology II 266, 57 und ' I(neq)avl(i)v
Bulletin de correspondance hell^nique XI U)4, 4. Aus den
Inscriptiones Siciliae et Italiae graecae von Kaibel notire ich
loTtr^ 48 (aus Syrakus) ^^ GTrrjg 42, lat. spes, und €iaTaßß)aQi(g)
IG I- Abhandlung: Meyer.
2253 (aus Pesaro) = 8tab(u)läriu8, beides natürlich auf
Rechnung vulgärlateinischer Lautgewohnheit kommend.
Es mag hier bemerkt werden, dass auch in den türkischen
Städtenamen, die auf die griechische Verbindung von eig mit
folgendem Accusativ zurückgehen, das anlautende i auf Rech-
nung dieser türkischen Lautgewohnheit zu setzen ist. Man hat
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr von der vollen Form
der Präposition €ig, sondern von dem verstümmelten vulgären 'g
auszugehen: imfambot ist nicht slg ttjv Ilöhv, sondern g rijv
TTölir, Es gehören hierher ausser den schon oben genannten
istindil und istanlcöj noch die ohne Artikel gebildeten Formen
jw^j\ i2mid aus ^g (Nixojfirjöeiav (auch j^^w^j\ iznilcmid Bianchi
I ()()), ,^^j\ iznik = ^g NUaiav, ^^^^m^Lo samsun = ^g ^Lifuaov
konnte des Vorschlages entbehren, ebenso ^U»^^ susam = 'g
2d^0Vf wo u lautUche Entwicklunff ist. Die beiden letzten
Formen beweisen direct, dass V? nicht eig ins Türkische über-
ging. Ueber die Bedeutung der Verbindung von slg mit
Städtenamen vgl. Miklösich, Nachträge II 130.
2. Durch Einschiebung eines Vocals in die Consonanten-
gruppe; dies geschieht meistens bei solchen Consonantengruppen,
deren zweiter Bestandtheil eine Liquida ist.
kr-: kereh : crepe^ kernnete : clarinetto. Die Insel Kreta
heisst js^^ neben j^,jS\.
kl-: kallnos : ylavög, kilid : nleTöa, U Hisse : htytXrjGia,
tr-: terapeza : TQüCTTS^a, terages : TQayog, tirifilcet : trlnchetta.
Vgl. den Stadtnamon dJU^y terxala : TgUaXa.
pr-: pirthulu : nQÖ7rohgy paracol : bracciuolo.
j)l-: pilalci : TvlcrKrj ^ pelatine : platina, pelanja : /r^crwa,
pslan^ete : planchttte.
fl-:ßlamur : (pXafiovQtyfelun'a : (pXwQiffelnri : q)X(0Ql,ßlama :
flamma. Ilieher gehört auch das durch Vermittlung des bulg.
flinta aus dem Deutschen stammende 3JJJSfiluita ,kleines Jagd-
gewehr'. Barb. II, 427.
gr-: gurus : grossus^ geram : grmnme,
br-: horos : hroche^ herage : braga, beranda : branda, berasia :
braccia.
Tftrkiscbe Studien. I. 17
Ausserdem in betaris neben ipteri : TVTBqig, sikerlet neben
isUerlet : scarlatto, suturlab neben usturlah : doTQoXdßog,
3. Bei Consonantengmppen; deren zweiter Bestandtheil eine
Liquida ist, kann Umstellung der Liquida mit dem folgenden
Vocale eintreten. So in terpan : dqen&viy ferkata : fregata (gr.
tpeQY(kda)y gwräaia : crocettay perJcende : brigantino.
4. Die Consonantengruppe wird durch Verdrängung eines
Consonanten erleichtert. So in fanila iflanella; hier ist Dissi-
milation von dem zweiten l mit im Spiele. 9iinger :aq)Ovyy&qi. la-
ttaria : ßhxaxAqi. Vgl. das aus dem Slavischen stammende
ladika neben vladika.
Wie übrigens dem Osmanli selbst in echt türkischen
Wörtern doppelconsonantischer Anlaut nicht ganz fremd ist
{brakmak ,wegwerfen', tra>i etmeU ,rasiren*), besonders in vulgärer
Aussprache (vgl. Blau a. a. O. 38), so kommt er auch in Lehn-
wörtern vor, z. B. trampa, trampeta, trapeza neben terapeza u. s. w.
Die Stadt Trapezunt heisst ^«»j-?^ ^j^^, gesprochen trabzun
und iarabozan, Ueber das Verhalten der nördlichen Türkdialekte
zu zweiconsonantischem Anlaut vgl. Radioff, Phonetik 170 ff. Er
ist hier in einheimischen Wörtern meist durch Ausfall eines
Vocals später entstanden und wird in Lehnwörtern durch die-
selben Mittel beseitigt wie im Osmanischen.
Vorschlag eines VocäIs stellt sich auch bei r ein, ,welches
als Anlaut im Westtürkischen nur mit Hilfe eines vorgesetzten
Vocals ausgesprochen werden kann' (Vämb^ry, Etymologisches
Wörterbuch, S. XVI). Dies gilt nur von der Volkssprache; die
Sprache der Gebildeten kann anlautendes r- sprechen, wie auch
die Schrift den Vorschlagvocal nicht consequent ausdrückt. In
arabischen und persischen Wörtern ist ^ häufiger Anlaut, und
auch ausserhalb dieses Kreises spricht man ^^^ i^m und urum
,Römer', ,^^^ rus und urus ,Russe', ruba und uruba aus it. roba,
rial und irial aus span. real.
Inlautende Consonantengruppen sind nichts Ungewöhn-
liches. Bei solchen mit einer Liquida hat sich manchmal, ganz
analog den Verhältnissen in den arischen Sprachen, ein Vocal
entwickelt, so dass z.B. aus xiatgov kestere, aus (povqvog furun
geworden ist. Aehnlich tanida neben tanta = it. tenda. -gr- zu -r-
in ainarit : avvayqlda; -vr- zu -v- in ivatine : äßq&iovov, zu -r- in
SitzvBgsber. d. phiL-hist. Ci. CXXVm. Bd. 1. Abb. 2
18 !• Abhandlung: Mejer.
suturis neben setevi'is : a€Ti(^)ßQcg, axter is : dxTdßßqig, dagegen
aber pedavra : Ttiravqov,
Umstellung der Liquida im Wortinnem zeigt sich neben j
in %ojrad neben x^'^j^^ ^^^ X^Q'-^VSf pojraz neben porjaz aus
ßoQiägy baljos neben bajlos aus bailo. Aehnlich zelve aus ^evla
^edyla. Beim Nasal ^U nianja = Mainaj die gr. Mdyfj ge-
nannte Gegend des Peloponnes. Zu vergleichen ist hajrak harjak
,Fahne', bajram barjam ,Fest', aderbidianisch 'arvat statt 'avrai
jFrau', Kerpi statt Köprü ,Brllcke'. Vgl. Vämb^ry, Etymologisches
Wörterbuch XVU; Zenker, Grammatik der türkisch-tatarischen
Sprache XIV. Auch yiimrülc aus ytovfUQXioyf also für *yünmrK
ist in diesem Zusammenhange zu erwähnen.
Dissimilation zweier r liegt in silistra aus avqiazqa vor,
die gleiche Erscheinung bei zwei fi in torina aus Tovviva, Wie
Nasal und Liquida bei Dissimilationen sich vertreten, zeigen
die romanischen im Et. Wtb. d. Alb. S. 300 unter ndsroü zu-
sammengestellten Beispiele.
Was die Vertretung einzelner Laute anbetrifft, so ist etwa
noch Folgendes zu bemerken.
Griech. d- ist ttirk. t (o und i>); z. B. isJcits : (rxor^i, aterine :
ä&SQivay matis : /.lidvoog, temel : d'€^hoy, tolos : diilog^ kavata :
xaßd&a, talaz : d-dkaaaa. Das / in logofet : Xoyo&errjg weist
deshalb auf russische Vermittlung, vgl. oben. In ^^*b\ ajaslug
,Ephesus' aus ^'Ayiog Qeolöyog ist & durch das arabische ^,
das ist arabisch =^ &, wiedergegeben; entsprechend d durch
> in j\S^ gajzar aus yatdagog.
Griech. tc ist türk. <^ in fendek aus 7tovti%6v und aus
navöcmelovy festek aus 7tiGr&Y.iov, faraklit aus 7ta^yXr^Tog; vgl.
fulja aus it. Puglia. Ebenso ist ß (= v) wiedergegeben in
fesli^en : ßaailixöv, fe^^ : ßovral, ferfjun : Bi)q>6qßiov, vgl. fotin :
bottini, v-j für ß deutet auf gelehrte Herkunft.
ts wird ^: ^apa : zappa, dukal : raovycdh , öinko : zinco,
poliva : polizza, ma^una : mazzmia. Die slavische Deminutiv-
endung -ica erscheint als -i^a oder -idita (Miklosich, Slav. Ele-
mente 25) und ist an ein romanisches Wort angetreten in im-
percUorÜa ,Kaiserin^
k ist durch Assimilation zu t geworden in titre : ueägia;
8t zu sk in patiska : batista, koptcska : kapusta.
Tlr«ts:äK! Svm.^o. 1. 11)
/ erscheint ^ r in pUtoc JPistole\ was auf ein slavisches
Medium i deutet. Für n ist / eingetreten in lo\los : yoro^>
womit ^^-äI ftr „j^^-äS zu vergleichen ist.
In der Tranicscription der türkisehen Laute iH^zoichno ich
den .unbestimmten Vocal' mit e« die Zischlaute st^ ^j-» ^ nüt
*» 3 ; J» » mit r, ± mit >. -^ mit f, c mit t% r mit </i: - und
^mit /. s mit ä, im Auslaute gar nicht, ^ mit k\ ^ mit </,
jf mit if, ^J mit </. Das Uebrige ist st»lbstverständlich.
Es folgen nun die Wortverzeichnisse in folgt*nden .Ab-
schnitten: I. Vr»geL IL Fische und andere Wasserthiere. lll. An«
dere Thiere. IV. Pflanzenreich. V. Mineralreich. VL IVr
Mensch, seine Eiirenschaften und BeschHftijrunsren. VII. Der
Körper und seine Krankheiten. VIII. Natur, Land, Stadt.
IX. Haus^ Wohnung. X. Hausgeräth. XL Handwerke, OerÄthe
u. ä. XÜ. Gefasse. XIII. Kleidung und Schmuck. XIV. Stolfc.
XV. NalirungsmitteL XVI. Ackerliau, Viehzucht. XVII. Spiele
und Künste. X\TII. Handel und Verkehr. XIX. Münzen,
Hasse, Gewichte. XX. Christliche Kirche. XXI. Staatswesen.
XXU. Mihtärwesen. XXIII. Seewesen. XXIV. Verschiedene
Neologismen.
I. V«gel.
&imLaj bekasa Bilguer 28, bekatsa Loebel 18S ,Schnepfo*:
it. becaccia, venez. hecazzoy ngr. ^nexaraa,
jjÄ, j3 Jo bedenos ,Art Vogel mit einer Haube' Bianchi I 337 :
ngr. Tfersivög heisst nur ,HahnS und dies bedeutet das Wort
auch im Osttürkischen nach Pavet de Courteille 157,
ÄxiLi fanta ,nom d'origine ötrangfcre qui s'appHque ii un
oiseau au plumage bleu, de Tordre des passercaux' Barb. 11 398 :
gr. tparira ,Hänfling' Pandora VIII 422 aus it. fanetto ,canna-
bina linota' Giglioli I 82.
ftj%JU fduria, feloi'JQy florja ,Goldammer, emberiza citri-
nella' nach Jussuf, richtig oriolus galbula: gr. (pXtoQi Bik. Vyz.
,loriot, verdier' neben x^^^Q^^^' >loriot' Legrand, agr. x^^^Q^^^
xXiOQig, Ind. Arist. 851, wo aus Erhard, Fauna der Cykladen
44, 20 ngr. q)i6Qi angeführt wird. Auf die Form mit cp ist
vielleicht schon Suidas II 1516 Bemh. zu beziehen: q)X6Qog, td
SQveoVf diä TOv o lAingof).
2*
20 !• Abhandlung: Meyer.
^^w^^ Jü» filordHn ^oiseau de la famille du pinson' Barb.
II 427 : wohl it. fringuello, wovon Giglioli I 52 die dialektischen
Formen frungilloy frongillo, filinguello u. a. anführt.
aüjCwut isicite, isHete ^kleiner Vogel, arab. L^' Barb. I 55;
nach Juss. 483 ,serin vert^- gr. ayxx&i ,tarin^ (,Zeisig') Vyz.
aus agr. äytav&lg.
VaJuumI ispinoz ,Fink': gr. OTtlvog dass.
j,<yjujJU kaluiisj nach Barb. II 471 eine Art Möwe mit
essbarem Fleisch, nach Jussuf 525 , Wasserhuhn^, ,fulica': wohl
it. galinazza (de mar) Giglioli I 580; oder einfach gallina mit
griechischem Plural -eg.
au* Li kanarja ,KanarienvogeP: ngr. yiavaQt] vom Plural
TcavdQia»
^j^^yjjji kuknus ,wunderbarer Vogel, Art Phönix'. Barb.
II 568 vermuthet, das Wort sei lediglich die Transscription des
gr. xvxvog, und weist darauf hin, dass in den Sagen von diesem
Wundervogel sich Züge finden, die an den Gesang dos sterbenden
Schwanes ebenso erinnern wie an den Tod und die Wiederkehr
des Phönix. Unrichtig ist auf jeden Fall die Ansicht Barbier
de Meynard's II 567, dass auch ,^y>» ^^ kogii , Schwan' aus
griech. Y.v%vog stamme, denn das Wort findet sich auch sonst
in den türkisxihen Sprachen: osttürkisch ^iyJ ,cygne' Pavet de
Courteille 433; tat. y> kü ,Schwan% uigur. y»y» ,Wildgan8'
Budagov n 85.
Jiyü kuku ,Kukuk' ist ein lautnachahmendes Wort, das
nicht aus den occidentalischen Sprachen entlehnt ist.
^syi lori , rother ostindischer Papagei', ,psittacus lori' Barb.
II 707 : frz. lori dass. Das Wort ist natürUch ein fremdes.
.^XfO marti ,Eisvogel, alcedo ispida': it. martin pesca-
fore dass.
^IxLL), (jLiAj papagan , Papagei'. Es ist fraglich, ob
dieses fremde Wort aus den europäischen Sprachen ins Tür-
kische gekommen ist.
aJLj^ pupla , Flaumfeder' Barb. I 412: gr. 7Covjiovlov
, Flaumfeder, Mik'hhaar', das wohl romanisch ist. Vgl. Et. W^tb.
d. Alb. 358, wo Meyer -Lübke pavesisch pupla ,mazzochio'
nachgetragen hat. Unrichtig Mi., Nachtr. II 15.
Tftrkische Stadien. I. 21
yAjiC »akr ,Falke, Sperber^ Bianchi II 114: arabisch, aus
lat. sacer. Hehn, Kulturpflanzen* 526.
,j**^Li9 tavivs ,Pfau^ Barb. II 271. Aus dem arab. oder
})ers. ,^_5^^. Dies ist das griech. raco«;, über dessen Ursprung
Benfey, Wurzellexikon II 236; Hehn, Culturpflanzen 304 ge-
handelt haben.
^•JLfctv zaganos ,oiseau de chasse, du genre faueon' Barb.
II 34, der an griechischen Ursprung denkt. Ich weiss kein
griechisches Wort zur Vergleichung ; Taixviägy an das man allen-
falls denken könnte, ist nach Bik. 14 ,Reiher', das ihm ent-
sprechende agr. TiVKviag wird mit ,weisser Adler^ erklärt.
II. Fische und andere Wasserthiere.
t>^Ü^t axtapod, extapot ,Art Polyp^, auch ,Polyp' und
jKrebs^ als Krankheit: d'/raTtödt ,Polyp^ ==-- duTartödi DC, (JxTor-
Tiödrjg bei Nikandros. Alb. aftap6&^ eftap6&, bu. se. nhtapod.
Lijl ama ,Sardelle' RadloflFI243: frz. anchois ,Sardelle^,
,Anchovis^
2Uj^'t aterine, nach Zenker 7 b atrana ,atherina hepsetus,
Aehrenfisch': gr. ä^eqiva ,halvet, ^pi^, agr. id^eqivrj.
xjJU balena , Walfisch': it. halena. Aus gr. cpoXiavog
stammt ,^^^U faUonos ,baleine'; ,c^est le nom scientifique que
les auteurs turcs donnent k ce c^tac^' Barbier 11 398. Ueber
(pdhavogy das gewiss von q)dXaiva stammt, sagt Vyzantios 497:
jXrJTog TÖ StcoTov q}aiv€i:ai ivlors elg rdv ©^^xixdv BÖOTtOQOV^^ er
ist geneigt, darin den Pottfisch oder den delphinus phocaena
(Meerschwein) zu sehen.
juüa^^U harhunia, barboiiie ,Meerbarbe': it. harhone, ,mullus
barbatus^ Die türkische Form stammt zunächst aus dem Plural
von gr. fXTtaQfiTtovvL,
^•JLcLä. ^agaii08 ,Seekrebs^ Du Gange hat xl^ayavdg
,cancer' aus dem Schol. zu Oppian. Hai. I 280: xor^xr^of, idim-
Tixcjg rl^ayavoL Der Ursprung des Wortes ist unklar, das von
Du C. angeführte span. zangano existirt, wie es scheint, in
dieser Bedeutung nicht. Budagov I 477 nimmt ft\r das tür-
kische Wort griechischen Ursprung an. taayavdg , Krabbe' wird
22 !• Abhandlung: Meyer.
Syll. VIII 604. IX 353 aus Konstantinopel und Kesan (in Rume-
lien) angeführt, raayava f. ebenda XVUI 168 aus dem Pontus.
\%>^i^ ^i'TOz ,seombre s^ch^ au soleil'; tibertragen von einem
sehr mageren Menschen. Jussuf 1327. Ist der bei Theod.
Prodromos I 28 Legrand = I 96 Korais vorkommende Tovgog,
von Legrand mit ,maquereau^ übersetzt, von Korais als (Ty.o^-
ßqiov ezi ^itcqöv Ttaarcj^ievov erklärt; aus agr. aiuQQÖg ,hart^?
^LaJIo^ ^LJLb dalian, talian ,sorte de cahute en bois
dispos^e sur V eau pour prendre le poisson^ Barbier I 727,
n 267: gr. raXiavi ,vivier, piscine^ Ich vermag nicht zu ent-
scheiden, welche Sprache die entlehnende ist; das griechische
Wort ist im Griechischen fremd.
^jiÄJt> delfin^ dülfin ,Delphin^, Zenker 433 b: it. delfino,
ngr. dslcpivL.
V^r^si' «jf^«^ ,grosses Netz zum Fischfang': gr. y^iTiog
,Fi8chernetz^ Vgl. kroat. grip, bu. sc. gHh ,Netz'.
jOsyL**! eskorpit ,Meerscorpion^, ,scorpaena^: gr. ayLoqnldi,
j jM**—^ eskumru, uskumru ,Makrele': gr. axov^TtQi, agr.
axöfißQog. Daraus auch lat. scombery it. scombro.
äJuuu««*ä. xorospine ,poisson large et plat, d^aspect dös-
agröable et qui frötille bcaucoup^ Barbier I 699; nach Jussuf
427 ,Mcer8chwein', ,delphinus phocaena^ OflFenbar fremd; ver-
dorben aus yovQOvvöxpaQOv?
(jM^x^AMbjl ipsoros Art Fisch, den die Lexicographen nicht
näher bestimmen. Nach Barbier I 7 aus gr. tfJuQog. Ein solches
neugriechisches Wort existirt nicht; xjJcxQi ist der allgemeine
Name für ,Fisch', den man hier schwerlich erkennen darf.
^\Lua/I isparij espari ,Meerbrasse^ ; ,sparu8 Salvani^' gr.
OTidQog, wahrscheinlich zunächst aus einer Deminutivform artaqL
viLjüju«! ispindik ,poisson a Ifevres plates, de Tespfece
du e^j^' Barbier I 47. Gewiss fremd.
(j*#^*LuA*l istakos, estakos ,Hummer', auch ,Flusskreb8' :
gr. OTOKÖg, aus daiaTuig ,Hummer^
Js^LXaaiI istavrit, nach Jussuf 487 ,sansonnet', nach
Barbier I 49 ,poi8son qui a sur le dos une espicc de croix':
gr. azavQitrjg, das ich aber als Fischname nicht nachweisen kann.
Tflrkiscbe Stadien. I. 23
JLjCs« wUmI istrongilo, nach Jussuf 498 ,girelle', Art Lipp-
fisch: gr. (STQoyyvXay für das bei Vyzantios 452 die Bedeutungen
^endole*, ,girelle', ,cagarel', ,susole', angegeben werden.
auJu^JUut istridia, estridia ,Auster^: gr. avqidiy , Auster'
aus dcTgidiov; vom Plural.
Ju%Lo\t tzmarid , Meergründling': gr. (Tf^aQida ^smaris vul-
garis', agr. afiaQig.
\«^Uü, \yjo\ji\ji jakamoz ,phosphorescence que laissent voir
certains poissons pendant la nuit'. Jussuf 1247 : gr. * dia%a^6g
(von nuxlw)?
^\Jqj3 kajtas ,baleine, c^tac^', Barb. II 596. Wohl gr.
x^og; aber die Lautgestalt des türkischen Wortes ist sehr
befremdlich. Gelehrtes Wort?
nUJLs kalamar ,Tintenfisch' : gr. xaka(.idQi; it. calaniaro.
jj*.yuJL5 kalinos ,Wels, silurus glanis', ein Süsswasserfisch :
gr. yXavdg Bik., yhxvog, bei Vyzantios auch yovXiavög; agr. yhivig
oder yXavig. Den Lauten entspricht besser yX^vog, yXtvog Vyz. 95
jbaveuse, boujaron'.
I^wla^ kanboty kunbut, nach Barb. 11 540 ,mugil cephalus':
aber cabot oder chabot, das er sowohl als auch Jussuf 529 als
den französischen Namen des Fisches angeben, ist vielmehr
,cottus gobio', ,Kaulkopf^. Der türkische Name ist aus einem
dem frz. caboty chahotj port. chaboz entsprechenden italienischen
Worte entlehnt.
jjmJojU karidis ^Meerkrebs': gr. TtaQida, agr. naQlg jkleiner
Seekrebs'. Vom Plural ytagideg,
\ykiyS koljoz ,Art Makrele': gr. 7U)Xuigy agr. xoXiag ,scomber
scombrus'.
JUS' Uefal ,mugil cephalus': gr. yUqfalog dass. Eine Ab-
art heisst JU5 Ji.
Si>%5^ laicerda ,eingesalzcner Thunfisch': gr. laxigda aus
lat. lacerta, das auch einen der Makrele ähnlichen Seefisch,
den Stöcker, bezeichnete. Korais ^!ATceycTa IV 277.
ÄJuuiJ lapina ,roth und grün gesprenkelter Fisch mit
schlecht schmeckendem Fleisch': gr. Xarciva ,tanche' Legrand,
d. i. ,Meerschleie', labrus tinca. Bei Bik^las 26 Xi^naiva ,creni-
labrus lapina'.
24 I- Ahbaodlnng: Meyer.
vj^ J leoreJc ,Seewolf, ,anarrhichas lupus': gr. Xaßqdm ,loup-
marin^, agr. laßga^.
\yxjyyÄjJ Ukortnoz ,Art Meeräsche' Barb. 11 710; nach
Jussuf 659 jgeräuchcrte Meeräsche': gr. Xvhoqqivi ,inulet blanc'
Legrand, IvxovqqIvi oder IvnovQQivog Vyz., der hinzufügt ,7ioiv6-
TBQOv dvo^&tovtai xä ^fjQä i] xxxTtviarä •KBq>ak6iT0vhx (Meeräschen)'.
^.LuJ lipari , Fisch aus der Familie der scombri': gr.
kmagig^ Bik. 27 nach Belon.
JfcJ livar , Fischbehälter': byz. ßißdqiov aus lat. vivarium.
Ngr. hßdgi aus dem Türkischen.
jiJ lufer^ Ulf er ,Art Thunfisch': gr. XovcpaQiy yovifctqi
ylichia amia' Bik., ,bonite, boniton' Legr. Vyz. Berühmt waren
schon im Alterthum die bei Byzanz gefangenen diiiai. Der
Name stammt von yd^upoq,
jw« ^^y^ fiierlanoH , Weissling, gadus merlangus' : it. merlano.
%jywv^i^ mürsin, mersin ,Stör, acipenser sturio'. Ngr. fUQffivt
stammt aus dem Türkischen. Zu Grunde liegt aiieqvva, Gj^ivgiva,
Nebenform von ^lovgovva, ,esturgeon', s. u.
2L>Juo midja ,Muschel': gr. fivdiy Deminutiv von juuv:, wie
frz. moule deutsch Muschel = musculus ist. Das türkische Wort
ist vom Plural gebildet.
aUb\^ morina ,Muräne', ,muraena helena und m. conger',
auch ,Kabeljau', ,gadus morhua': ngr. fiovQOvva (aiuqvva, a^vQiva)
aus agr. ^igana ist nach Bik. ,muraena helena', nach Vyz.
,esturgeon'.
\«JU^«J orJcinoz ,Butzkopf, delphinus orca': ngr. öq%vvoq
,tonno' Somav. 454, agr. b'gxvgy Sgyivvog ,grosse Thunfischart'.
Vgl. alb. or^Üiiy regün Etym. Wörterb. 316. Die für das Grie-
chische angegebenen Bedeutungen sind ungenau ; vgl. auch Bonitz,
Ind. Aristot. 525.
%*5^Lj paöuz ,espfece de gros muge ou mulet' Jussuf 933,
also mugil cephalus oder muUus barbatus. Erinnert an gr. rtaraög
,8tumpfnasig' Korais, At. V 280.
Äj^^xL) paguria, paguHe ykri kleiner Taschenkrebs': ngr.
TcayovQi ,6crevissc de mer' von agr. Ttdyovqog. Vom Plural
gebildet.
Türkische Studien. I. 25
ö y/o)^[ji palamvd ,scoinber pelamys (Bonito)^ oder ,8comber
thynnus (Thunfisch)': ngr. naXa^ida von agr. TrrjlaiJvg.
äioyjOkji peiota , Fisch aus der Familie der scombri': ngr.
rteraovda ,grosser Thunfisch'. Der Name bedeutet ,ein grosses
Stück' und ist ein Augmentativum zu dem Deminutivum nsTGOvöt
(vgl. Hatzidakis, Einleitung in die ngr. Grammatik 93. 364),
das von it. pezzo stammt. Auch rthaa und Ttevai gehören dazu.
aUjy^^ pelatrine, platrina ,poisson de la famille du muge
DU mulet' Barb. I 405. Jussuf 958 : ngr. ist TtlatLtaa der Name
einer Art mutet (Vyz. 388), doch das kann nicht die Quelle
des türkischen Wortes sein. Man ist versucht, an ein gr. * Ttla-
Tv^ivog zu denken: derselbe Fisch heisst geräuchert kvnoQQivi,
8. o. unter jyo^yLJ.
^1^5)ü pilaUi ,Art Fischgericht mit pikanter Sauce': ngr.
rricfxij. Vyz. 388.
jyyjuu pines ,Art essbare Seemuschel': gr. Ttirva ,Stech-
muschel'. Die türkische Form ist der Nom. Acc. Plural nlvveg,
fct^i pisi ,turbot ou barbue' Barb. I 400, wohl ,pleuro-
nectes maximus'. Ist nach Barb. it. pesce (venez. pesse): der
Fisch soll pesce di mare heissen.
ikkX^s ringa ,Häring': it. aringa; daraus auch ngr. dqiyya,
^iyya.
^^yA'ik^ salamon ,Lachs, Salm' Zenker 572c: it. salamone.
Aus dem Türkischen ngr. aaXapuiv Legrand.
ift>\LAw, LJ4>^Lö sardela, sardelja ,Sardelle': it. sardella,
gr. aaQÖlXXa. Die zweite Form ist Plural aaqdeXXia von aagdelXi,
Äj^Lo sarpa ,Art Fisch'. Jussuf 1025: it. sarpa ist sparus
salpa, Goldstrich.
vao^LjU^ sinarit ,8orte de requin' Jussuf 1069: gr. (Tvva-
ygida ,8parus dentex, Zahnbrassen' aus agr. avvayQig.
Luum, ü^yM^ sipia, sübje ,Tintenfisch': ngr. arjTCid, aovjtid
aus agr. arjma.
yS^y^ sünger ,Schwamm': ngr. aq)ovyy(XQi von agr. aq>6yyog.
jüUyfc tsrpaiie ,Art Haifisch' ,dont la queue se termine
en faucille' Barb. II 283: also offenbar gr. dq&Trdvi, obwohl ich
dies als Fischname nicht nachzuweisen vermag.
26 '• Abbandluug: Meyer.
^..y^^'s tirxos ,Sardclle': gr. tqix^Q} ^^*X^^ ,8ardiiie', agr.
TQixiag, TQiXig-
xa\ vf U traxonjay traxunja ,Art Fisch aus der Familie der
ßcombri*: man kann an trachinus draco denken, gr. dQdxaiva
oder dQaxaivig (vrelleicht ein Deminutivum * ÖQaxainoy?) oder
an den von den Alten TQaxoi^Qog genannten Fisch.
&xJsy^ torina, tv/rina ,Art Delphin': ist wohl gr. zovvLya
aus it. tonnina ,Thunfisch'; die Bedeutung wäre dann ungenau.
Vgl. übrigens zu dieser Verschiebung der Bedeutung, sowie zu
der Dissimilation des ersten n gaUzisch-portugiesisch touliiio ,del-
phinus phocaena, Meerschwein'.
^j tüny tun ,Thunfisch': gr. dvwog. Das Wort ist aus
dem Griechischen bereits ins Arabische und von da ins Tür-
kische eingedrungen. Arabisch neben ,j^y auch ^^y^*
)JoU vatoz, nach Barb. 11 837 eine Art Haifisch, nach
Jussuf 1227 eine Art rhombus (turbot): ngr. ßdtog ,Stachel-
roche', ,raja pastinaca'; vgl. Ind. Aristot. 135.
lüx^t\ zargana ,Meeraal, muraena conger' Jussuf 1296:
ngr. aaqyQvog, aaqyüvq ist nach Bik. ,belone acus'.
Occidentalischen Ursprungs verdächtig, aber mir vorläufig
nicht klar sind noch folgende Fischnamen: fU*^b oder ^^^^^
barsam oder varsan ,poi8Son de la famille des scomb^roides'
Barb. I 257 ; ^^^b barlam ,gros poisson de la famille du scombre'
Barb. I 25i); ^^^U-o»- Htari ,gade' Jussuf 172; »yU^ megra
,poisson de la famille des murines; grosse anguille' Barb. 11 806;
^J^y^ sülna ,petit coquillage de mer' Barb. II 113; J5f>j>i> torik
,petit päamide' Jussuf 1195; ^^^ vunus ,petit d'une espfece
de scombre de petite taille' Barb. II 846.
III. Andere Thiere.
xljucc gaizar ,Esel' Bianchi II 337: ngr. ydtdaqog. Vgl.
meine Ausführungen in den Indogermanischen Forschungen
I 320f.
j^.Jyj hirzun, hilrzun , Wallach; Lastpferd' Bianchi I 348:
arabisch, aus byz. ßovgdußv, lat. hurdo, Fränkel 106.
. .vA^Ukj, , .vA^u pi^n .kleiner Affe^ vieux mot nach Jussuf
955. Man denkt an it. piccino ,klein'.
Türkische Studien. I. 21
«Jj. videla Junges Kalb'; auch ,Kalblcder': it. vitello
^Kalb, Kalbfell', venez. vedelo; ngr. ßiöiXo.
v^AjLJLo saliaiigoz ,Schnecke': ngr. (rcfAtayxog dass. Das
Wort kommt von aialov ,Speichel, Geifer', ngr. aäku>v.
Ich schliesse hier an:
luJ^^, 2üo*Jtt5 kukulja, kukunja ,Cocon der Seiden-
raupe': ngr. Yjoxmov'ki^ vom Plural. Vgl. Etym. Wörterb. des
Alb. 211.
^•j5jo pirebulu jVorwachs, Bienenharz': gr. nqditoXig,
Ju^Lwo mürvarid ,Perle' Bianchi II 872: persisch, aus
gr. ^laQyaQitr^g. Nöldeke, Fers. Stud. II 44.
IV. Pflanzenreich.
,j**«Jül, S^üt abanos, ahanoz ,Ebenholz': agr. eßevog. Das
Wort stammt im Türkischen zunächst aus dem Arabischen.
Mi., Tu. El. 15. Man vergleicht hebr. D-jsn, das auch fremd
zu sein scheint. Vgl. Pott in Lassen's Zeitschrift V 74. Aus
dem Türkischen ngr. d^fravd^i Legrand.
v^aamoI absent ,Absinth' Jussuf 3: Neologismus aus frz.
absinthe für ^^^U^. Aus äxpivd'wv stammt, mit Umstellung von
-ps-j arab. k-LA-M>\.
^•jLil afiuUj afion ,Opium': agr. Srtiov, Das türkische
Wort stiimmt zunächst aus dem Arabischen, aus dem Türkischen
ngr. dq)i(bvi u. s. w. Mi., Tu. El. I G. Nachtr. I 2. Anders Korsch,
Archiv für slav. Philol. VIU 047. ^^\ ebiun Bianchi I 13
stammt direct aus ÖTtiov.
^•Ju%,£l agridos ,e8p&ce de daphnö, Kellerhals, Seidel-
bast' RadlofFI 175; nach Barb. I 78 ,daphne gnidium'. Scheint
aus Tividiov entstanden.
^•jyuil akantiun ,Distelart' Bianchi I 160: gr. äytdv&LOv;
auch arabisch.
LumU'I akasia .Akazie': frz. acacia,
ly-bLjl cinanas ,Ananas': frz. ananas.
^yA00jji\ anisun Zenker l lOa, bei Radloff 1 230 ^y**>U\ anason
,Anis': mgr. ngr. äviaov; bei Herodot IV 71 liest man Syyjjaovy
28 I. Abhandlung: Mejer.
als attische Form wird üvijd'ov angeführt. Arabisch ist ^5-vmwÖ\
oder ^y^\^,. Vgl. Mi., Tu. El. I 12. Nachtr. I 5. Korsch im
Archiv für slav. Philol. VIII 649. Arabisch sind dviaovv und
Avaadv bei Du Gange.
XA^J^li^J aristoloxia Bianchi I 54: äqiaxoXoxict.
XAAj J arnika ,arnica montana' Jussuf 44: it. aniica.
^\jJu^\ asßrad^y isfiradi ,Spargel' ist persisch; das pers.
Wort nach Vullers I 98 griechisch. Gr. äcTTtagayog ist selbst
iranisches Lehnwort (awestisch spareya), Ngr. ist aTtaqdyyi oder
äaqtaqayyi,
^jKtXJL balderan ,Schierling' Bianchi I 318. Budagov
I 237 : nach Mi., Tu. El. I 19 lat. it. Valeriana, unser Baldrian,
Die Bedeutungen weichen von einander ab.
JLMflJLi halsama Barb. I 277, bei Jussuf 74 (ft-»*Jb haisam
jBalsarastrauch' : gr. ßdXcra^ov, it. balsamo u. s. w. Das lautliche
Verhältniss von ßdXcrafiov zu hebr. D\p9 ist nicht klar, vgl. Benfey,
Griech. Wurzellexikon II 65; Muys, Griechenland und der
Orient 25. Arab. ^U^Jb stammt ebenfalls aus dem Griechischen,
und daher türk. v^X^L^^Jb. Vgl. Lagarde, Abhandlungen 17.
^*j^LLu/%L haHstarion ,Eisenkraut, verbena officinalis^
Zenker 160 c : gr. TtSQKTTSQewv,
\j^y^j-? barkuk ,prune jaune' Bianchi I 351: arabisch, aus
byz. TTgaiytÖMOv, von praecox, woher Aprikose u. s. w. stammt.
Vgl. Kluge u. d. W.
y** JoU hatos ,Art Johannisbeerstrauch' Bianchi I 312: gr.
ßdrog. Nach Ausweis von «^ für ß gelehrtes Wort.
c^«-«x%j bergamot, bergamut ,Art Birne': frz. bergamote.
Dieses selbst stammt aus türk. ^ycj\ v2>o bej armude ,Herren-
bime'. Pott in Lassen's Zeitschrift VII 107.
U**%Uaj betaris oder \^y^} ipteri , Farnkraut': gr. nreQig.
fjjjXLyj bugals, ^j>aXty^ buglusun ,anchusa officinaUs'
Zenker 222 an gr. ßovylwaaov,
o«-? büber, %-o biber, zuweilen auch (^v^L^ beberi, Pfeflter'
Barb. I 317. 251: ngr. TtiTteqi oder Ttinsqi^ agr. Ttirtegc, Vgl.
Loew, Aramäische Pflanzennamen 317.
Tftrkische Stadien. I. 29
AJ^syj hurandia ,borrago officinalis, Borretsch': ngr. HTto-
QayTGa aus it. barage, borrace, vgl. Strekelj iin Archiv für slav.
Phüologie XIV 517.
LJI%JUfi^ Htieralia , Aschenpflanze; cineraria maritima^: it.
cinerarnxi, ceneraria.
&JLi4> defney tefne ,Lorbeerbaum, laurus nobilis': gr. 3aq>yrj.
Bei Blau 271 lefne. Vgl. Xdqivrj. ddq)vr] . Tlegyatoi bei Hesychios.
i^^)^ duralcij deraKi ,Art Pfirsich^: lat. persicum dv/ra-
cinum. Das türkische Wort stammt zunächst aus arab. ^^\^>^
und dies aus mgr. dioQcnLivov; letzteres ist auch, mit volksety-
mologischer Anlehnung an ^öSov, zu ^oddiuvovy ^odayuvöv (So-
phoklis, Lex. 971; Korais, At. I 189) geworden. Vgl. Mi.,
Nachtr. n 106.
UmJLoJc domateSj tomates ,Liebesapfel, lycopersicum escu-
lentum': ngr. vro^dra, TO^iäTa = span. tomate. Vom Nom.
Acc. Plural.
^^y) &jL> JüÄ. dient iane-rumi Blau 156, 32, mit slav. Havje
erklärt, d. i. nach Öuiek 3ii8 rumex acutus: eig. römische Gen-
tiana, ngr. yevtiavrj.
*i1, yxS\ egir, Blau 160, 68 ager ,KaImus', efiir Barb. I 96
,6algant': gr. ü%oqov, Mi., Nachtr. I 34. II 111. Zunächst aus
persisch ^ (VullersI116) ,acorum'. Im Griechischen wohl fremd.
^ «julII eleniun ,Alant' Zenker 92 a : gr. iXeviov,
UuJUol engelika ,Engelwurz, angclica^: gr. dyyiXiMx^ äyye-
linrj. Barb. I 128. Nach Zenker 108 c 3JiJSj\ angeline.
^LJuI enginar ,Artischocke^ RadloflF I 736. Barb. I 128:
ngr. dyyLivdqa,
^yAMs\ ergamuni ,Anemone, Windrose' Zenker 28 c :
arabisch, aus gr. dQysficüvr],
&3^^l eruka ,Gartenkres8e' Barb. I 40. Radioff I 774: it.
eruca. Daneben äj^^ roka, aus ngr. ^öyta, ^ody^a, das auf eruca
zurückgeht.
&3^^%yuwl eskuröune ,SchwarzwurzeP Barb. I 55: it.
scorzonera,
^^ju*#lvi ftrasiun ,marjolaine bätarde' Bianchi II 359:
arabisch , wild er Lauch', aus gr. ngdaiov.
30 I* Abhandlung: Meyer.
auJLu^U, auJ^diai fasulia ^Bohne^: ngr. q>a(JoiKi aus lat.
phaseolus und dies von agr. qxxarjXog. Vom Plural q>aaoiha,
ijjiXAi fendek ,Haselnu8s': gr. Ttovrindv (ndgvov) dass. Aus
dem Türkischen wieder ngr. q>ovvT(nnu. Vgl. Mi., Tu. El. I 60.
Pers. ^jJ^j arab. Jj^. Vullers 11 693. Fränkel 139. Der weiche
Dental kommt auf Rechnung der griechischen Aussprache.
yjyf^j^ firfjun ,Euphorbium^* gr. ei>q>6qßiov. Es ist möglich,
dass das griechische Wort die volksetymologische Umgestaltung
eines Fremdwortes ist. Arab. ,^5^^ oder j^^ ; daraus q)aQ(fi6vt,
bei Du Gange. Pott in Lassen's Zeitschrift VII 98.
^^^XL^Ai fesligen, feslijen ,Basilicum': gr. ßaaiXiyuiv. Mi.,
Tu. El. I 60. Mein Et. Wtb. d. Alb. 44. Pott in Kuhn's Bei-
trägen VI 321.
(3^UMi festek ,Pistazie': arabisch, aus gr. matömiov. Et.
Wtb. d. Alb. 109. Persisch
jjItXi fidan junge Pflanze, Schössling': spätgr. g>vTdyi],
Dasselbe bedeutet ^j^ ßde, aus ngr. (pvreid.
,^ fisney viSne , Weichselkirsche' : gr. ßvaaivid. Et. Wtb.
d. Alb. 473.
LJ^ fulja Name einer Pflanze, die um 1480 aus Apulien
nach der Türkei gebracht wurde, vulgär sogaii ciöeji ,Zwiebel-
blume^ genannt. Barb. II 434: it. Puglia ,Apulien'.
^^Jü\Lc garikun ,Blätterschwamra' Zenker 644 a: gr.
dyaQiKÖv,
iU'Xt gazja ,Kassie, mimosa farnesiana' Barb. II 379:
gr. xaaala.
^^-Lj^JJ^ Xondrili ,chondrilla juncea': gr. x^^^Q^^*
^^4> JLu/l iskardiun ,wilder Lauch, allium silvestre' Blau
163, 17. Persisch ^^jk^^jUo\ nach Vullers I 99: gr. a^uigdiov
,eine Pflanze mit Knoblauchsgeruch' zu a7t6Q(o)dov.
^yjsiXxi ^}jLm\ iskolofendrwn Bianchi I 91 : gr. axolo-
TtevdQiov.
,jjLUm*I {sj)anak ,Spinat': ngr. aTravdni aus mgr. (TTtivdrciov
= lat. spinaceum. Et. Wtb. d. Alb. 390. Auch pers. 5;1>U^\,
arab. ^LLLm}\.
Türkische Studien. I. 31
vJ^umI istereJc ßtoreLxheLumy Storaxharz': gr. OTvqa^^ vulgär
(nv^dnu Langkavel 64.
(jM^ Jl&xamI istoxodos ,öternelle* Bianchi I 89 : wahrschein-
lich gnaphalium stoechas^ also aus gr. aroLX(^gy *aTOix&dt.,
(jA'yÜLbl JoaaiI istraUkos ,Päonie' Zenker 48 c : oflFenbar
griechisch, doch kenne ich keine Bezeichnung der Pflanze,
welche passte. Etwa OTQccTfjyög? die Päonie heisst auch ,Königs-
blume, Königsrose^
xjJo^yj} ivatine ,Eberraute': gr. ißqö^ovov,
^^Lo\t izmaola, ezmavla, ezmavula Barb. I 44. Jussuf 281
,Himbeere', nach Barb. gewöhnUch eine ,Art gelber Maulbeere' :
ngr. a^ovQOv ,Himbeere', ,rubu8 idaeus^ Die Herkunft des
Namens ist mir unbekannt.
^yjsUaJJ kantarion ,Centaurea': gr. xsvtovqiov. Zunächst
aus dem Arabischen.
dJi^yS karanßl ,Gewürznelkenbaum, Nelke' Barb. II 511:
gr. yLaQv6q)vXXoy; weit verbreitet. Mi., Tu. El. I 91. Nachtr. I 59.
Das griechische Wort ist nach A. Weber, Indische Streifen
in 121; Beriiner Monatsberichte 1890, S. 912 volksetymo-
logische Umgestaltung von ai. ka{ukaphalam. Arab. J-^Jy»;
kurdisch karafil Justi-Jaba 307. Unrichtig Fränkel 144.
aüjo^jU* kardimene ,Kardamome' Zenker 678 b: gr. xaQÖa-
^IvTj; die Bedeutung bei Zenker wird ungenau sein.
ouub^i karnahit ,Blumenkohl': gr. y^qa^ßiSiOv von XQdfißr^,
für das allerdings diese specielle Bedeutung nicht nachzuweisen
ist. Arab. ia^y», ^-:^- Vgl. ngr. ytowovnidi. Aus HQdfißrj
stammt s^jS kurunb = lahana Blau 1G4, 102. Vgl. Low,
Aramäische Pflanzennamen S. 214. Nöldeke, Pers. Stud. II 44.
{jf'yü^ kemedris ,Gamander' Zenker 761 a: gr. x^xficcid^g.
9^\SmS Kestane ,Kastanie^: gr. Tcaaravea, xaCTavitk ,Ka-
stanienbaum' -adararov ,Kastanie'; lat. castanea ,Kastanie^ Ueber
den vermuthlichen Ursprung des Kastaniennamens s. Lagarde,
Armen. Studien Nr. 1115, S. 75 und Niichrichten der Gott.
Ges. d. Wiss. 1889, S. 299 flF. = Mittheilungen III 206 ff.
s%JuM^ HjXmS kestere, köstere^ köstere ,betonica officinalis'
gr. meaTQOv,
32 !• Abhandlung: Meyer.
sSS Uiraz ,Kirsche': gr. %Bqdaiov. Zunächst aus arab. ^^.
^ojiiLs kolafun ^Geigenharz' : gr. xoloq)ü)via, nämlich ^i^-
rivrjy von der Stadt Kolocpwy,
\Lä11S^ JcuJcnar ,Art Fichte' Zenker 776 c: ngr. noimowagid.
Et. Wtb. d. Alb. 211. Nach Vullers II 919 ist pers. ^\JS^
,capsula papaveris', ,8emen papaveris'.
s^aJL5 kuneb ,Hanf : gr. xdwaßig. Zunächst aus dem Ara-
bischen, wo das Wort griechisches Lehnwort ist. Low, Ara-
mäische Pflanzennamen 348. Das Wort ist im Griechischen
selbst fremd.
«ui lahana ,Kohl': gr. Idxavov, vom Plural. Aus dem
Türkischen kurd. lahand Justi-Jaba 377.
L>*Juu;bf lastaria ,Art grosse Runkelrübe oder Kohlrabi'
Barb. II 695: ngr. ßXaavdqi, besonders ,Stengel des Kohls';
vom Plural. Auch aslov. Instarh ,Knospe', se. lastar junges
Reblaub', rum. lästar ,Schoss, Sprössling'; alb. Tastnr ,Spross'
Et. Wtb. 476.
sjü^^ lavanda ,Lavendel': it. lavanda, ngr. Xeßdvra
Langkavel 53.
jjJüuwMyÜ logostikon ,Liebstöckel' Zenker 794 a: lat
ligusticum durch ein griechisches Medium.
y**^ljjL«ö magdanos ,Petersilie' : ngr. /laxfidonjct , von
Makedonien. Et. Wtb. d. Alb. 253.
LJyjJüo magnolija ,Magnülie': aus einer der europäischen
Sprachen, wo das Wort auch Fremdwort ist.
\Ua3Lo inantar ,Pilz': ngr. ^aviTdqi von agr. d^aviTrjg,
J^^Lo marul ,Lattich' Barb. II 715: byzant. fiagovliov,
Sophoklis Lex. 734, wo es mit lat. amärus in Zusammenhang
gebracht wird. -ovXiov wäre deminutives -ulltis. Die Neben-
formen (.laiovliov und (laiovviov sind volksetymologisch.
^j^juA/j^ mir sin, mersin ,Myrte': gr. ^vQaivr]. Daneben das
persische >^^* rmird aus fivQTog, Aus dem Türk. ngr. fiegalvi,
z. B. in Cypern, Sakellarios KvTTgiaKd I (1890) 254.
Lyo-Lo melissa ,Gartemnelis8e' : gr. fieXiaaa, als Kurzform
von ueXi(T(Toß6iavov oder ueXiaaöxoQTOv.
Türkische Studien. I. 33
dJi^^^yfO muimula ^Mispel': gr. fiiarttXoy, Aus dem TUrk.
wieder ngr. iiova^vXov, P^iiie Contaminationsbildung ist ^lova-
novXov Korais, At. V 223; ^iova%ovl.ov Somavera 1 250 b ist
Volksetymologie, vianavqov ebenda it. nespolo.
3 \j**Syj nerdiisy neryis ,Narzis8o^* persisches Wort
(VuUers II 1304) und dies aus gr. v&Qiuaaog. Kurdisch narffisy
nergiz Justi-Jaba 418.
%^^L^I oxlamury ij(lcimnr ; \yja%^^\ oglamur ; )y^^^
ßlamnr ,Linde' Barb. I 24. II 425. Radlotf I lüOf). 1023: ngr.
flafiovQi ,Linde^ Das Wort ist den übrigen Türksprachen
fremd, und sein wechselnder Anlaut sowie dessen Qestalt
scheinen auf Entlehnung hinzuweisen. Zudem ist die Linde
kein asiatischer Baum. Aber ich weiss q>Xa^ovQi nicht zu deuten.
Sollte das Wort türkisch sein, so wäre von ixlaviur auszugehen,
(pXafiOVQi daraus entlehnt und dann als filnmur ins Türkische
zurückgewandert.
ÜuLSLuMjrl oksiakanta .Berberizenstrauch' Zenker 78 b :
gr. d^anavd'a.
^ jLi^^t ortanöay auuM^Üu^l ortansia jHortensie* Barb.
I 148. Juss. 910. Radioff I lOGo: it. ortensia, frz. hortensia.
.^1 öicse ,Vogelleim' Barb. I 182: gr. t^ög.
vs^^ÜU, 4>^bfL jsaZamuf, palamud ,Eichel': ngr. ßahxvidi.
Die Lautentsprechung empfiehlt die Zusammenstellung nicht,
die von Zenker herrührt.
äJ4>ÜLj papadiay papatia ,Kamille': ngr. nanadukj das
ich aber als Pflanzennamen nicht nachzuweisen vermag. Rum.
päpadiie, se. papntija. Vgl. Mi., Slav. El. im Türk. IG.
^LlL4«L pastinaj ,Pastinake^ Zenker 163b: \t pastinaca,
lü'Ülo iüli>b patatSy hadate ,KartoffeP: it. patata, ngr.
nardra. Der Name ist missbräuchhch auf die Kartoffel über-
tragen worden. Vgl. Candolle, L'origine des plantes cultivöes 43.
yj^. Pyg^^ ,Raute' Bianchi I 432: persisch (Vullers
I 400), daraus arab. ^^yct^. Aus gr. urffavov,
JjLiÜCo pentafil ,potentilla reptans, Fünffingerkraut' Barb.
n 410, neben (arab.) ^j^JiiU^. pentaßlion Bianchi 1 391: gr.
7r£vTdq>vXXovy *7r€VTacpvXXiov,
Sitzongsber. d. phil.-liiBt. Cl. CXXVUI. Bd. 1. Abb. 3
34 I- Abhandlung: Meyer.
%b%j pe^rnavy JL^^. pernal nach Barb. I 396 ^Stechpalme^
ilex aquifolium^ ; ,on la confond quelquefois avec le chene-vert
ou yeuse [quercus ilex], k cause de la ressemblance de leur
feuillage^ Letztere Bedeutung wird von Jussuf 950 angegeben:
ngr. TtQivaQVy jiovqvclql von agr. Ttqlvog bezeichnet verschie-
dene Eichenarten (Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands 18.
Fiedler, Reise durch Griechenland I 520), schon TtqZvoq wurde
fUr quercus ilex und ilex aquifoliura gebraucht
LaJw, L^^W pizelitty bizelia ,grUne Erbse*: ngr. TiiCeh aus
it. pUelfo. Vom Plural. Das b- aus venez. biso, biseto, daher
auch ngr. ^rtil^eh,
JLäj\«j portukal y portokal ,Orange^: ngr. TtOQToyidXXi.
Hehn 390. Mi., Türk. El. II 42. Nachtr. II 14.
&amIo, '^^Iy^. p-rasa , Lauch*: gr. nqäaov^ vom Plural.
LaS^K radiUia ,cichorium divaricatum* : ngr. ^adUi, vgl.
Heldreich, Nutzpflanzen 28. Vom Plural. Zu Grunde liegt
lat. radix.
fJ^^)) rezaki ,Art Traube mit grossen Beeren*: ngr. ^o^axi,
^a^cnti ,Art weisser, wohlschmeckender Traube*. Hatzidakis,
Einleitung 331 sieht darin das lat. rosaceus, wobei mir der
Accent nicht verständlich wird. Man könnte an die Trauben-
bezeichnung diiracinum denken, wenn Keller, Lateinische Volks-
etymologie 234 richtig dafür langes i erschlossen hat: es läge
dann Umstellung, wie in ^oöaxivöy (vgl. oben unter diiraJci),
und Anlehnung an qö^a = it. rosa (Legrand) vor. Indessen
ist das türkische Wort arab. ^^^^ razakij, was ausser einer
Traubenart auch einen Stoff bezeichnet und persisch zu sein
scheint (Fränkel 44).
aUU^% reHney reöina ,Baumharz*: ngr. ^evaivi^ it. resina.
Die Wanderung des Wortes ist wahrscheinlich folgende: agr.
qr]Tivr] — lat. resina — arab. ^iL^Ä.^ — türk. <^-^oj.» — ngr.
qBxaivi, Seltener ist das direct auf das Griechische zurück-
gehende ^\^ ratin Barb. U 8. Vgl. arab. ^g-Lo\ „ auch türkisch
bei Blau 160, 71.
jjlwA-o Safran ,Safran* ist gegenüber arab. o^r^j ^^^f^'ro^n
die europäische Form dieses fremden Namens.
Ttrkische Studi«D. I. 35
u^Lum^ juXxjio sapaniay saparine ,smilax sarsaparilla' :
entstellt aus it. saUapariglia,
\saa9^.m/ simfit ^onobiychis sativa, Esparsette^: gr. avyupvzov
ist ,Schwarzwurz^, ,8ymphytum officinale^
wf^ÜLiw ssnavhz ^Hundszunge^ Zenker 520 a : gr. xwö-
yhüaaovy aus einer Mundart, die tlv- wie xai- spricht.
yjySjAjSdy ^yfyXMt Üzfuiiy Hzgun ,Brustbeerbaum^ Bianebi
n 76: gr. l^iCvq>ov,
^^jfc^in tarxun ,Dragun, artemisia dracunculus' : gr. dga-
tärtiov. Vgl. Mi., Naehtr. II 48.
^Jüjiyi^ ^JujoJio tere^minti ,Terpentinbaum, pistacia tere-
binthus^- gr. TSQeßtv&og, riQfiiv&og.
^aIoJo terter , Weinstein' Juss. 11 74: it. tartaro, gr. zÜQTagOi^.
vJLw) tiriafc ,Theriak% altes Universalbeilmittel aus
Pflanzenstoflten : gr. &f]Qia%r^. Arab. Jjb^'-
JuLsJo tirßl ,Klee': ngr. xqKpviXi^ agr. TQicpvXXov.
5%Jl3 titre ,Cedemharz' Juss, 1191: gr. uedgia^ ycedgtd.
sjUiJo, tiöuJy3 turfanda ,Erstlingsfrucht' hat man auf
gr. ngunocpavr^ ,frlinreif*, von Erstlingsfrüehten, zurückgeführt;
doch vgl. pers. tjSjt^jS ,re8 quaevis ornata, recens ac vigens'
Völlers I 442; arab. ^^ ,re8 primum visa, nova^ Aus dem
Türk. ngr. rgoyccvrö in Cerigo, Tlavdibqa XIX 20.
jjA«yO*J türmils ,Lupine, Wolfsbohne' Barb. I 461: gr.
^iQ^og, Aus dem Arabischen.
aüu3l\^ veranika , Ehrenpreis' Barb. II 839: it. verontca]
gr. ßeQOvixf].
jöKzrtffir ,Gartensaturei, conila sativa': aus arab.y!:*^,^:»^.
Lat. satureja. Vgl. Low, Aramäische Pflanzennamen Nr. 270.
y. Mineralreich.
^3^yLiM^I araenik , Arsenik': gr. dgaevtyiöv,
^j»Jajsyjj ^jJajsyj hüritis y hüritU , Feuerstein' Zenker
217 c : gr. jrvQiTtjg,
jJuUfl^ (smento Barb. I 597. 630, Neologismus fUr jr^^:
it. cimento,
3*
36 I- Abhandlnng: Meyer.
•ÄJUa» dinko ,Zink^ Zinkoxyd^: it. zlnco.
\jJ^\ elmas ,Diainant': gr. dddfiag, durchs Arabische.
Vgl. Lagarde, Bildung der Nomina 220. Das Wort ist in alle
Türksprachen eingedrungen: Radioff I 438.
%ool ibriz ,reines Gold' Bianchi I 8: arabisch, aus gr.
^•Juwl, ^.JuÄ^I istubediy üMühei^ jBleiweiss' : entstellt
aus gr. iffl^vd-og, ipif.ivd'toy, wie arab. ^j^^^.^, ^\j^^^i^\.
v:y^Lj jakut ,Rubin': arabisch, aus gr. vdycivS^og, Fränkel 61.
Persisch ,^JsS\j.
^jLä«-ö kahu^an ,nicht geschnittener Edelstein' Barb.
II 489: frz. cahochon,
(jmjJoxJJLo, ^jm^JoLüLo viagnitisy makuatisy vulg. msxladiz
,Magnet'; Barb. II 776. 780: gr. ^ayvrjTyjg,
y^y>o mermer , Marmor': gr. fidgfiaQOg. Arab. niarmar.
^^Xj^jJj ^Jkj^yj pirlantlj herlante ,Brillant': it. brillante,
&Ju^L> pelathuij idatina , Piatina': aus dem Spanischen.
Gewöhnlich ^y^\ j|\.
5ö^, punza^ ponza, \\\[^^v j>amza ,Bimstcin' Barb. 1421:
lat. 2>M«M«;, it. pumice, frz. poiice. Die türkische Form dürfte
zunächst aus russ. pemza stammen, dies ist deutsch.
^JaiyjCy^^ pusulan ,Art Erde zu Mörtel' Barb. I 418:
it. pozzolana.
^)y) ^^^^^ ,Diamantrosette' Barb. II 28: it. rosa.
KAyjM^ )uoy^ senna ,Goldfaden': gr. avQ^a. Vgl. Mi., Türk.
El. II 55.
I^jum sim , Versilberung, Silberplattirung': pers. ^^-^^t*» ,Silber'
und dies aus mgr. äarj^iov (,un geprägtes) Silber'. Lagarde,
Bildung der Nomina 221. Ngr. iafi^t ,Silber'.
^^yiyM/^ ^^♦Xaa^ siilnmerij mimen , Quecksilberpräparat,
Schminke': aus sublimätuin.
jjXL*. sülUyen ,Zinnober' Bianchi I 1049: pers. ^^>^
,Mennig' aus gr. avQinöv, Nöldeke, Pers. Stud. 11 45.
HyMyo sumptre, vulg. sumpara ,Schmirgel' Bianchi 11 133:
gr. GfivQcg, Pers. Sjl^J^, kurd. <;^^j.
TArki$ck« j^ndien. I. 37
^«jyuwl uskurun ^Schlacke' Zenker 40 a: gr. (TMoqia.
Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 387.
(^AJxj zernik .gelber Sehwelfelarsenik* Barb. II 39: arab.
^j»j, pers. -0,3 aus gr. äqasvivLov. Zur Metathesis vgl. ngr.
ae^rixö^ ,männlich* Syllogos VIII 411. Jean Pio, Contes popu-
laires 1 (Epirus). Aus dem Türkischen ^igvUj ,Arsenik' im
Pontus, Syllogos XVm 135.
Owc^ zümrüdy zümürrüd ,Smaragd' Barb. 1144: pers. ^J-^j
(VuUers 11 141), das, wie arab. Jsä.^j (Fränkel 61) wegen des
anlautenden Zischlautes auf gr. auaQaydoqy nicht auf dessen
indisches Original zurückgeführt werden muss.
Tl. Der Xensch, seine Eigenschaften nnd
BesehSftigungen.
^JüLil efendi ,Herr^: gr. dipimjg aus agr. aid^evrr^g] viel-
leicht vom Vocativ. Das lautliche Verhältniss der beiden grie-
chischen Formen zu einander ist nicht ganz klar, vgl. Hatzidakis,
Einleitung 287.
^^juLiAi sinior ,mein Herr^, Anrede an Fremde, Barb. 11 103:
it. signore. Auch mnsju = frz. nioiisieur wird bei der Anrede
an Fremde gebraucht.
^•l4>Lo, aucfjLo madamj madama von europäischen Frauen,
Juss. 666: frz. madanie, it. madania.
&jtt3*3 kokona , vornehme griechische Dame^: gr. %07uava]
für das Wort hat Cihac II 649 zum Theil zutreffende Ver-
gleichungen beigebracht, wo nur %ov'AXa unrichtig beigemengt ist.
^U^^l orfan ,Waise' Barb. I 153. Radloflf I 1077. xjLijjf
orfana^ orfane , Waise', nach Budagov I 125 in Constantinopel
,Hure', sonst ,Dienerin': gr. dqq>av6g,
^^\ zevdi , Ehegatte', *^^) zevdie ,Gattin' Barb. II 49:
arab. ^^; ,Paar' aus gr. l^edyog. Fränkel 106.
&a3Iw5 karanta ,Mann im besten Alter' Zenker 696 b :
it. quaranta ,vierzig'.
^j^^Lää. dUaron ,geschwätzig' Barb. I 580: it. Cicerone
,FremdenfUhrer^.
s^^bfL palavra ,Prahlcrei': ngr. jtaX&ßqa ,Geschwätz'
aus span. palahra ,Wort'. Das Wort ist wahrscheinUch durch
38 I' Abhandlung: Meyer.
die katalanischen Söldner ins Griechische und von da ins Tür-
kische gekommen; das zu Grunde liegende lat. parabola ist
selbst wieder griechisch.
J^%Lo marjol ,Schurke' Zenker 800 b: it. maritiolo]
ngr. liogyiöXog,
y;:^\yjiy^y cyL>^^ Xoirat, x^^j^^ jgrobcr, ungeschlachter
Mensch' Barb. I 719: gr. xiagiarriq ,Bauer' von x^^Q^ov.
s:;ajJoLj\I izbandit yRäuher] gefährlich aussehender, starker
Mensch' Barb. I 43: it. shandito ,landesverwiesen'.
[jQj Uss ,Räuber, Dieb' Zenker 793 a : arabisch, aus gr.
hßOTTjg, Fränkel Voc. peregr. 18.
&^^ loxusa , Wöchnerin': gr. Isxofkrccj Xoxovaa von
agr. lex^'
O^^Mbij^i fejlesuf ,Philosoph', übertragen ,schlcchter, gott-
loser Mensch' Barb. 11 437: arabisch, aus gr. q>iX6aoq)og.
i^yo 8ofi, vulg. 8ofu ,mystischer Philosoph, Fanatiker'
Juss. 1U7G: arabisch, aus gr. aoipög? Aus dem Griechischen
stammt auch xto «,»«*<> safaata ,8ophi8mu8' Juss. 1005: arab.
^^1»<m<JLm} ,oophist .
%La^suulm^I ispinöiar, ispeHary vulgär speiiöer , Apotheker'
Barb. I 47. Juss. 485: it. speziale , Apotheker, Droguenhändler'.
La4jP Jcimia ,chimie, alchimie' Juss. 606: arabisch, aus
Xv^isla. Vgl. über das Wort Gildemeister, Zeitschr. der deutschen
morgenl. Gesellschaft XXX 534 flF. Anders Pott, ebenda XXX 6 ff.
v:yLi^^f avokat ,Advokat', übertragen ,spitzfindiger Mensch'.
Juss. 1323: it. awocato,
>jJI^ kavalir ,Ordensritter , besonders Malteser' Barb.
II 544: it. cavaliere,
iü\yS Kerata ,Hahnrci' Barb. II 619: gr. xegazäg. Vom
Vocativ.
b^Xijo mantona ,Mätressc, ausgchaltcnc Frau' Barb. II 788:
wohl von it. mantenuta', vgl. mantenir Et. Wtb. d. Alb. 259.
S(>^^, riöyjy/o molada, moloda ,vieillc servante d*origine
etrangcrc; servante agöe et maladroite' Barb. II 799: it. (am)-
malato ,krank'?
TArkische Studien. I. ö"
LJLeU familia ,Familie, besonders Frauen und Töchter',
aber nur von nicht muselmännischen Häusern gesagt. Barb.
n 398: it. famiglia-j ngr. ya^llia und cpafieXux,
Äj^UüI angarie ,Frohndienst; Zwangsarbeit; Mlihe, Schwie-
rigkeit^ Barb. I 126: gr. äyyaqda. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 12.
ÄjxLkiU fantazia ,Prunk, Luxus; pomphafter Aufzug'
Barb. II 398 : it. fantasia. Im Arabischen bezeichnet das Wort
besonders eine Art Uebung bewaffneter Reiter; in Egypten hat
es die verschiedensten Bedeutungen, es wird von einer Prome-
nade, einem besuchten Kaffeehaus u. ä. gesagt.
^^^müljLo matis ,betrunken' Barb. 11 713: gr. fjiidvaog.
•JUi fino ,klein und zart; beste Qualität einer Sache'
Barb. 11 437: it. fino] ngr. q>ivo.
&jj|(>, &aJÜ0 dalja, talja ,parfait, complet' Barb. I 727.
n 268: gr. TeUioq^ vom Ntr. Plural.
&jK«^ Xorata ,Scherz, Spass' Barb. I 716. Wird allgemein
flir griechisch erklärt, z. B. von Budagov I 541, und Barbier
de Meynard nennt gr. x^Q^^^ ^'s Quelle. Ngr. xfaqaxäg oder
%(oqat6y Jeu, badinage, plaisanterie', sammt x^^Ofrart^g, ^w^of^ßi^w,
HüQ&reviAa , stammt aus dem Türkischen. Falls das türkische
Wort griechisch ist, muss ihm gr. xo^fii/rijc;, x^Q^^^^ oder xo^t-
rijg von X'^Q^ ,Tanz' zu Grunde liegen. Korsch, Archiv für
slav. Phil. IX 503, denkt an x^Q^ ^^d vergleicht dazEiog
von SoTv.
A^ü bai^e jKuss' Barb. I 254: it. bacio.
aXia^\ estare, esture ,Erzählung in Prosa oder in Versen'
Barb. I 53: arabisch, aus gr. IffzoQia,
yXii^ defter, vulg. tefter ,Heft, Register u. ä.' Barb. I 743 :
gr. diq>^iqa ,Haut, Buch, Urkunde'. Auch persisch und arabisch ;
aus einer dieser Sprachen ins Türkische aufgenommen.
xtnu^ Xaritay x«r<a ,Karte, Plan, Landkarte' Barb. I 700:
gr. X^^^S- *^jLs kartay aus it. carta, ist ,Visitkarte' Juss. 545.
Joj^, JUo^ XartaVj x^^^^ ,Schreibtafel , Pergament zum
Schreiben' Zenker 406 a: gr. x^Q^^Q^^^-
%Lc^ tomar ,Rolle, besonders Papierrolle' Barb. II 328:
gr. TOfiaQiovj byzantinisch im Sinne von TÖ^og (x^iQTOv) ,Rolle'.
Heut bedeutet to(i&qi, ,IIaut, Fell', eigentlich ,ein Streifen Haut',
40 !• Abhandlung: Meyer.
y^jM semer ,Saum8atteP Zenker 518: ngr. aofidgi von
adyfjux. Vgl. Mi., Tti. El. II 53.
JuumjI ipsid, auch iapid gesprochen, ,Radfelge' Barb. I 7;
bei Blau 238 ispit^ spit: gr. &ipig] von äiplda.
{j»*y^yS karahxLs ,partie pro^minente de la seile' Bianchi
II 458: arabisch, aus gr. 'AQT^nig, Fränkel 104.
^^Jojli fajtun ,Art viersitziger Wagen', veraltetes Wort.
Barb. II 399: frz. phadton-^ vielleicht zunächst aus russ. 4>a3T0H'b.
Mit Unrecht sieht Justi, Dictionnaire kur.de-fran9ais 295, dieses
Wort auch in kurdisch ^JüJ finto ,calfeche'; dies ist vielmehr
türkisch yJJ)^ hintov, hinto ,Wagen' aus magy. hirvbö^ das Mi.
Slav. El. 8 bespricht. Andere Bezeichnungen fUr Wagen euro-
päischer Art fuhrt Zenker 592 c an, wie Aj>y», ^^,-> ^y^^-
iLs^ kukla ,Puppe' : ngr. xouxAa, das man aus lat. pupula
herleiten will, schwerlich mit Recht. Es hängt eher mit den
Wörtern zusammen, die auf lat. cuciillus ,Kapuze' zurückgehen.
«JLjo Je tombalaj ^^ifLyoJe tombalak ,Purzelbaum' Juss.
1193: it. tombolo oder tomholata ,Purzelbaum'.
z3^ toka ,Anstossen mit den Gläsern ; Trinkspruch' Juss.
1192: it. toccare, vom Imperativ.
^j^U kanun ,Gesetz, Regel': arabisch, aus gr. %av(bv.
^^L rnd^un ,Grund, Argument' Barb. U 8: it. ragione.
ä-wwJU'^ cakaiisa ,Ferien' Zenker 934 a: it. vacanze.
Ich schhessc hier den Zuruf ^^'^ bravo Barb. I 2i)3, aus
dem Italienischen, an. Auch die Interjection »o bre ist fremd?
wenn meine Herlcitung Et. Wtb. d. Alb. 286 das Richtige
trifft: gr. ßgi = stgs. Anders Mi. Nachtr. II 89.
kaka ,pfui!' Zenker 705 c ist gr. xaxcr.
VII. Der KSrper und seine Krankheiten.
^JlXj belgam ,Schleim' Barb. I 312: gr. q>Xeyfia. Zunächst
aus dem Arabischen.
Lu^a. ;fwZ;*a ,Gallc' Barb. I 719: gr. x^^S^ tol% Deminutiv
Xoliov. LJ^U malixidja ,Melancholie' : uelayxolla ; arab.
Türkische Studien. I. 41
AxiLd salja, >LaJL'0 saljar ,SpeiclieP Barb. I 191: gr.
üakiov filr ai&Xiov von alaXog] vom Plural, saljar zunächst
vom Adjectivum aahÜQVjg ,baveux^
oJX*A#f isJielet ,Skelett^ Juss. 482: gr. axekerög.
xÄj^LwLo masarika ,Gokröse' Juss. 685: gr. (.leaagainövy
von ^ita&qaiov ,Gekrö8e^ Zunächst aus dem Arabischen.
8«Juo medre, metre ,Gebärmutter* Zenker 831 b: gr. iirjxqa,
I^^JLumÜ hasiUk ,Königsader an der inneren Seite des
Armes^ Bianchi I 308: gr. /JaaiAixcfe; aus dem Arabischen,
natürlich gelehrtes Wort, wie schon das ^ flir ß zeigt.
L4^%jLj4> diafroffma ,ZwerchfelP Zenker 445 b : gr. did-
^^jJL^ glin ,Gelenk^ Blau, Bosn. ttirk. Spr. 233: nach ihm
gr. yli^y das bei Medizinern in der Bedeutung ,Knochengelenk-
vertiefung' vorkommt.
5J*5 kolera ,Cholera^' it. colera aus dem Griechischen.
v:i>«jjl^iuyt Bskorhuty iskorpit ,Skorbut' Barb. I 55. Juss.
483: it. scörbutOy ngr. aiwQfiTtodto, Der Ursprung des Wortes
ist wahrscheinlich deutsch, vgl. Weigand und Kluge unter
Scharbock,
^jJy»* kulend£ ,Kohk' Barb. 11 576: gr. xco^txdc;, von
%(bh)v. Zunächst arab. ^y»; pers. ^>^
xiiUÜ panukla ,Pest' Zenker 172: gr. navoi^ka^ aus lat.
paiiiculay panuculay panucla ,eine Art Geschwulst^
jj*#^waX-i*/ «efc'tro« ,DrUsen Verhärtung' Juss. 1040: gr.aytiQQog,
\y/o'Xj^\ ispazmoz ,KrampP Barb. I 46: gr. aTtaofiög.
y^ ^ifo, u^y^ tifos ,Typhus' Barb. 1508. Juss. 1188:
it. tifo, gr. rikpog,
sjül^ büvanda ,Arzneitrank, Krankenthee' Barb. I 316:
it. bevanda ,Trank^
iLieyjy^ xirizma ,Pa8te zum Entfernen der Haare' Barb.
I 700: gr. XQ^^l^ ,Salbe'.
%jum^5I ilcsir ,Elixir, Panacee, Stein der Weisen' Bianchi
I 166: arabisch, aus gr. ^rjQÖg. Vgl. Gildemeister, ZDMG.
XXX 534. Aus dem arabischen Worte stammt unser Elixir.
42 I- Abhandlnng: Moyer.
l«.jXo melhemj vulgär fdr f^y^ nierhem ,Pfla8ter, Salbe'
Barb. 11 785. 754: arab. ^^ neben ^JUu aus gr. fiAkay^a ,er^
weichendes Pflastert
2uJÜüumI üpitalie ^Krankenhaus' Barb. I 47: it. spedale^
ospeddUj ospitahf ngr. aniraXi.
^\lvif lazareto ,Lazaret' Juss. 650: it. lazzaretto,
•JxaJ^xL parlatorio ,Unter8uchung8ziramer im Lazaret'
Barb. I 378: it. parlatorio ,Sprechzimmer^
aüCs^j ri^ete ^ärztliches Rezept' Barb. II 14: it. ricetta,
&Xjyj^ vizita ,ärztlicher Besuch; Honorar dafür' Barb.
II 848: it. visita] ngr. fitjCira, z. B. in Thera (Petalas, Glossar 76).
^Uaju haitar ,Thierarzt ; Hufschmied' Bianchi I 431:
arabisch, aus gr. XnmaTqoq. Fränkel 265.
VIII. Natur, Land, Stadt.
^^Ul anafor ,Wasserstrudel' Barb. I 121. Radioff I 230.
Auch ,Gegenwind': ngr. &vctq>6qi ,contrecourant'.
wul esir ,Aethcr, Lichtkreis, Himmel' Zenker 10 b: gr.
atdrjQ. Bianchi I 14 hat vJ'l eter ,liqucur spiritucuse et volatile',
aus frz. ether.
«Jüö hale ,Hof um den Mond': arabisch, aus gr. äfAco^,
wie frz. AaZo, it. alone,
JLlS kanal ,Kanal' Jussuf 528: frz. canal, Neologismus.
Juyo mil ,Meilc, Meilenstein' Bianchi H 1068: arabisch,
aus lat. nulle, Fränkel 282.
yji^ kasr ,Schloss, Festung' Bianchi II 482: arabisch,
aus gr. ycdargoy = lat. castrum. Nöldeke, Zeitschr. der deut-
schen morgenl. Gesellschaft XXIX, 423.
-.o bur(U jThurm, Bastion, Fort' Barb. I 294: arabisch,
aus vulgärlat. burgus. Nöldeke, Zeitschr. der deutschen morgenl.
Gesellschaft XXIX, 426. üas lateinische Wort ist gr. TtvQyog, Aus
diesem direct stammt türk. ^ja*^o bargos ,Schlo8s, Thurm'
Barb. I 295. Auch das alte Pyrgos in Thrakien heisst heute
^^jj oder jU^^.
•%
Türkische Studiou. l. 43
auwLu, 1^^^ PJ^^^j pijci^o, ,üfFentlicher Platz, Markt;
Marktpreis; Bezeichnung des Quais in Büjiikdere' Barb. I 422.
Jussuf 957: it. piazza.
x^Um, j(jCu<y sinor, sihor ,Grenze^' byzant. avvoqov ,Grcnze^
auU, ^W hana, hanjo ,Bad^ Barb. I 282: it. bagno,
yxt^ bagno ist ,Zuchthau8' Zenker 168 b.
\Sy^;^ Ä^^rÄ jBrücke^ hat man auf gr. yiq)VQa zurück-
geführt; doch vgl. koibal-karagassisch köbergä ,B rücke* Vjlm-
b^ry Et. Wtb. 66.
ÄJüoLi fabrika ,Fabrik, Manufactur' Barb. II 394: it.
fabbrica,
^U:) J dejmas ,GefUngniss' Bianchi I 895 : arabisch, aus
gr. df]fiö<nov. Fränkel 281.
Juw berid ,di8tance de quatre parasanges, ou quatre
heures de voyage k cheval; courrier' Bianchi I 358: arabisch,
aus lat. veredus^ gr. ßeQtjdog. Fränkel 283.
AjJlil eklim ,cliinat, partie de la terre' Bianchi I 160:
arabisch, aus gr. xXifia ,Kliuia, Gegend^
^yAäOJJ\ efend£iun ,Erdfeme eines Planeten'. ^yjjpJyiS
efretid^iun, ^«jl^^^jI efriditiun ,Erdnähe eines Planeten,
Zenker 75 a. 73 a : gr. dindyeiov, TtcQiyeiov,
UyS Iura ,Stembild der Lyra' Zenker 796 b: gr. Xvga.
jjÜCI^ voUcan , feuerspeiender Berg' Zenker 935 b: it.
volcano.
IX. Haus, Wohnang.
(l^l? J^, yi^\ avUj havh ,Hof, Viehhürde, Hausflur':
gr. aiXt),
Jo^U balat ,alte8 Bauwerk, Ruine' soll nach Barb. I 276
von gr. TtaXaiörr^g stammen! Es ist offenbar arab. t^U, das auf
nahxTiov = lat. palatium zurückgeht: Fränkel, De vocab.
peregr. 6; Aramäische Fremdwörter 28.
^jjjiüLj balkun ,offener Balkon': it. balcoiie.
J^Jo^t estabßlj istabl ,Stall': lat. stabulum. Zunächst aus
dem Arabischen. xJ^Üo, äJj^Uö tavhf, tavile ,Pfcrde8tall' geht
wohl auf ngr. aravXog zurück.
44 !• Abhandlung: Meyer.
^^%i furun ,Backofen': lat. für aus, mgr. (povgrog. Arabisch
^^ funi: Fränkel 27.
^j^M kafes , Vogelbauer; Käfig; Fenstergitter' Barb. U 526:
arab. o-aü, nach Nöldeke, Zeitschr. der deutschen morgenl. Ge-
sellschaft XXXIII 516 aus lat. capsus ,Behälter für wilde Thierc^
100^*%^ Jceremit ,Ziegel': ngr. -/.sgauldi. Arabisch iX^yS
kirmid aus dem Aramäischen. Fränkel 5.
s'ikS Jcihr jKeller, Vorrathsge wölbe/: gr. TLslldQi aus lat.
cellarinm. vLeXkdqiov ist schon byzantinisch.
Jujy Uüid jSchloss an der Thürc': gr. ylelda (Accusativ)
,Schlüssel^ Zunächst aus dem Persischen, wo j^U5 aber jclavis'
bedeutet (Vullers II 876). Arabisch j^^*\. Beide stammen aus
aramäisch qlidäj iqlldä. Fränkel 15.
ÄAJy», auuJ^ kitluha, kuUbe ,HUtte' Barb. 11 574: gr.
yiaXvßr/. Vgl. Mi., Tttrk. El. I 88.
s«jj%*3' korniza ,Gesims, Karniess': ngr. yLovqvixaa (Soma-
vera) aus it. coiniice.
&Ioil lata , flaches Stück Holz zu Verschlagen' Barb.
II 695: it. latfa ,flaches Holz'. Das Wort ist deutschen Ur-
sprungs.
2l:^J lod^a ,Loge, Zelle; Handelsbörse, Theaterloge'.
&2^*.J londza ,Börse; Versammlungsort von HandAverkern': it.
loggia'j ngr. Xövrllay se. londza. Vgl. Mi., Türk. El. II 17.
Nachtr. I 78. Das n von londza gehört zu den von Schuchardt,
Slawo-Deutsches 16 f. besprochenen Erscheinungen.
JljoLc mandal ,Riegcl': ngr. (.laviah, agr. (xdvöalog.
Joikj palatsr ,Fen8ter' Zenker 206 b: gr. naqddvQOVy
TTaqahvqi. Das gewöhnliche Wort ist «^^uo.
^•.sxj pandiur ,Jalousie, Fenstergitter': frz. abat-jour.
s^^l Jo pedavra ,Holzschindel zum Dachdecken ; kleine
Holzplatte für Drechslerarbeiten' Barb. I 389: gr. neravqov
jStange, Latte'.
*^^0^ podrumj hodrum ,Keller, Erdgeschoss; Gefilngniss'
Barb. I 320: gr. vrröÖQOfiog. Vgl. Mi., Nachtr. II 14. Das
griechische Wort kommt bei Philon in der Bedeutung ,Schutz-
hafen' vor.
Türkische Studien. I. 45
ÄÄJo, »JuuLJ tant^j tanida ,Zeltdach' Barb. I 491 : it.
teiida. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 429.
l»«Uo tanm, tarnni ,Kuppel, rundes Zelt^: gr. tbqe^vov]
vgl. rum. tärini , Halle, ÖaaP, uiagy. t^rtm dass., asl. trhm ^turris*.
Der Weg wird vom Griechischen ins Slavische, von da ins
Magyarische, dann ins Rumänische gewesen sein; aus letzterem
oder dem Magyarischen direct stammt das türkische Wort.
JL|J temel ^Grundlage, Fundament': gr. &e^iaXiov.
(jMttJJe toloü ,Wölbung, Kuppelt* gr. &ölog.
ikXtyio tuijla jZiegel', auch tu via Jussuf 1202. Mi., Türk.
EL II 77 meint, das Wort beruhe, wie magy. U^gla, auf lat.
Ugula und sei durch germanische Vermittlung nach dem Osten
zu den türkischen Völkern gekommen, bevor das Deutsche t
in z verwandelte. Diese Annahme hat unläugbare Schwierig-
keiten. Mir scheint tugla auf ngr. TOvßovXov (Legrand) tovß'kov
zu beruhen und dies von rovßovXov ,tubulus, sipho' Du Gange
aicht zu trennen, wie ich Et. Wtb. d. Alb. 451 gethan habe.
Dies TOvß(ov)Xov bedeutete zunächst Röhre, dann einen röhren-
förmigen Dachziegel, wie sie noch jetzt in Anwendung kommen.
gl aus vi wie in den Et. Wtb. d. Alb. 283 unter mjergvie zu-
sammengestellten Fällen.
Mit Unrecht hat man griechischen Ursprung angenommen
in sy^^ ^X^'^y ^X**' jStalP, das man mit dxvqdq in Verbindung
gebracht und als ,Ort ftir Streu' erklärt hat: Mi., Nachtr. II 72.
Es ist persisch und aus iranischem Sprachgut zu erklären, vgl.
Darmesteter, Etudes iraniennes I 114. II 136. Auch ^yXi'lciredi
,Kalk' ist schwerlich gr. x^^*^> ^S^- osttürk. ^^ j&ypse?
plätre' Pavet de Courteille 484. Das griechische Wort erscheint
im Arabischen als ^y^JS- Fränkel 8.
X. HausgerSth.
^Ll^UI anaxfnr ,SchlüsseP: ngr. äyoixidgtf z. B. in Cypcrn,
Sakcllarios KvrtQiayA 11^, 453; schon bei Machaeras, S.athas,
Mtaaiwvi'A^fj ßißXio&i^rj II 599. ävotKTaQid ist von Somavera
mit der Berleutung ,scaricatoja, trabocchetto' verzeichnet.
»JumI, »^Liu^l eskarn ,Rost^* ngr. andga aus agr. iaxdga.
46 I. Abhandlung: Mejor.
:^yS fer^a ,Bürste': ngr. ßovQxaa, Ich halte ßovqxaa für
romanischen Ursprungs, zu der Gruppe prov. hrosaa, frz. hroase,
afrz. hroce, span. hroza oder zu span. hruza gehörig (Körting
Nr. 1374. 1428). Aus dem Griechischen stammen rum. vir\ä^
alb. vurtse und das türkische Wort. Das von Barb. II 408 an-
geflihrte it. furcia existirt nicht.
Jys^yi firdzevl ,StriegeP Bianclii II 363: arabisch; man
führt das arabische Wort auf byz. cfgayelkiov aus \a.t. ßagellum
zurück, dessen Bedeutung allerdings nicht übereinstimmt.
Fränkel 113.
aJUX^wi islcemle, vulg. auch islcemiii ,Stuhl': mgr. (Txafivovy
(r/,di4vog, OTLaf^vlov, ngr. a%a^vi, aus lat. scamnum. Das lautliche
Verhältniss macht Schwierigkeit. Korsch, Arch. für slav. Phil.
IX 504 denkt an ein slav. *skaviljd als Vermittlung. Man
kann lat. scamellum vergleichen, das ahd. scamal ergeben hat.
Wahrscheinlicher ist mir aber, dass von der Form mit -nni- aus-
zugehen ist, in der -mn- zu -ml' geworden ist. Vgl. lodos : vÖTog.
Jojüi» kandil ,Lampe^: mgr. Y.avdi]kci aus lat. candela.
Das türkische Wort ist aus dem Arabischen aufgenommen.
Fränkel 95.
xJ«-)^ü) kariola ,europäisches Bett, Chaiselongue* Barb.
II 456: it. carriuola ,Rollbett', venez. cariola, ngr. -MxqidXa z. B.
in Kreta Jann. 338.
oo^ vi» karavity viio^^y' Icerevit ,niedriges Ruhebett, Sofa' :
gr. TLQsßßari ,Bett' von agr. xQdßßatog. Vgl. Mi., Türk. El. II 7.
auyo^ lampa ,Lampe' Barb. II 697: it. lampa, ngr. IdfiTta.
auwLo masa ,Tisch, Speisetisch' Barb. II 716: rum. maMi
aus lat. mema. Mi., Slav. El. im Türk. 14.
JotVJL« viendüy inindil , Serviette, Tischtuch' Bianchi
II 1022: arabisch, aus gr. f.iavTihj lat. mantile. Vgl. Et. Wtb.
d. Alb. 258.
Laäj pe^eta ,Serviette' : ngr. Tteraera aus it. pezzetfa
jLäppchen'.
^o pimo ,Gabel' Barb. I 397: ngr. neiqovvi. Vgl. Et.
Wtb. d. Alb. 338.
&jJum sedjn ,Sänfte, grosser Stuhl': it. sedia. jls3Uw ned&e
, Sessel' Zenker 500 a: it. seggia.
Türkische Studien. I. 47
&JbÜ, xJLJo t^bla ,Esstisch; Auslagstisch von Bäckern und
Fruchthändlern; Holzplatte der ambulanten Verkäufer' Barb.
I 428. II 278: ngr. vdßla aus it. tavola; vgl. rum. tabläy asl.
tabla, Cihac II 309.
b'yj^yioy »W^J terapezu, Uraheza ,drei- oder vierfüssiger
Tisch, Esstisch': gr. Tqd7teC,a,
XI. Handwerke, Geräthe und Aehnlielies.
%j*j herber ,Barbier': it. barbiere.
sjL£^ bugada ,Lauge' Hindoglu 92: ngr. ^Ttoyadoy fiitov-
ydda ,Lauge', ^inovdda ,Wäsche' in Thera (Petalas 75), Ttovydda
,das Waschen mit Lauge' in Leukas (Syllogos VIII 378), aus
venez. bugada ,imbiancatura di pannilini' -■ — it. hucato. Das
Wort ist deutschen Ursprungs. Körting Nr. 1405.
2uL^ i^apa , Hacke, Haue*: it. zappa, ngr. ToaTtL Vgl. Et.
Wtb. d. Alb. 382 unter »späte.
JLGj dilcel ,Haue': ngr. dix^AAi ,zwcizinkige Haue' aus
agr. diWAa. Vgl. Mi., Türk. El. I 48. Nachtr. I 28. H 103.
hsd<Xs> diendere ,Pre8se, Walze zum Filzen von Stoflfen;
enger Durchgang' soll nach Barb. I 539 it. cilindro , Walze'
aus xvXivÖQog sein. Das Wort ist aber pei*sisch. Vullers I 532.
aJol^j^ dJtivata ,Art Nagel' Barb. I 549: venez. giaveta
— it. chiavetfn. Dagegen ist v5r^ ^^^ ,Nagel' türkisch: cagat.
&igi ,Nagel', öuv. iuga ,penis'. Vämb^ry, Et. Wtb. 191.
v::^!^^! ergat , Arbeiter': gr. iQydrrjg, Mi., Türk. El. I 58.
Auch in der Bedeutung ,cabestan, Schiflfswinde' entspricht gr.
kSXs falaka ,Block, Strafstock': ist arabisch, das arabische
Wort aber wohl nichts anderes als gr. yd^yyag, von agr. (pdhxy^.
&Ä^Li faieta, iCu^Xi faseta ,Facette beim Schneiden von
Exlelsteinen': it. faccetta^ frz. facette. Barb. II 395. 396.
[jyi foja ,kleine dünne Gold- oder Silberblättchen fiir
Juwelierarbeiten': it. foglia,
ikxJyS^ gänja, ijiinje ,Winkehnass': ngr. ytovid aus ywvla.
48 I* AbhftDdlnng: Meyer.
f^y^ X^^^ jTrichter': ngr. xovvl von agr. x^^Oß-
wJLj kaleb kalup ,Form, Modell^ Aus dem Arabischen;
das arabische Wort führt man auf agr. xaXÖTtovg ,Schu8terleisten^
zurück, aus dem Türkischen stammt wieder ngr. yuxXovni ,moule^
iJLi kalem ,Schreibrohr; Pinsel, Meissel; Schrift; Bureau':
arabiscli, aus gr. luxlafiog.
ÄaSli kand^a ,Haken' Barb. II 475. Budagov II 27: it.
gancio , Haken' span. gancho. Der Ursprung der romanischen
Wörter ist freilich nicht aufgeklärt, und daher hat sich Miklosich,
Türk. El. I 89 zu der umgekehrten Annahme entschlossen,
das italienische Wort aus dem Türkischen herzuleiten.
aJ«j kola ,Stärke für die Wäsche' Jussuf 613: it. colla
,Leim, Kleister'.
nJi^syS kordela ,Schnürchen, Bäudchen': it. cordella; ngr.
xoQdslXa.
}ijji**S Uüstere ,langer Hobel; Schleifstein' Barb. II 629.
Jussuf 642: gr. xiarga ,Spitzhacke'. Zweifelhaft, da die Be-
deutungen nicht übereinstimmen.
jff^yi lustro ,Schuhwichse' Barb. II 707 : it. lustro ,Glanz,
Politur'; ngr. lovoTQog.
Lu^Lo makina .Maschine' Barb. II 718: it. macchina.
aJöLo manela ,Hebel': ngr. fxaviXXa aus venez. manoela
-. — it. manavella ,Hebel'.
j^JüKLo marangoz, seltener ^yuKLo inarangon ,Tischler' :
ngr. ^ia^ay%6g ,Tischler'; it. marangone ,Zimmcrgesell'.
tjXj^ mengeiie ,Oel- oder Weinpresse' : gl'. fidyyavoVf daher
auch it. mangano,
J^ mil ,Nadel zum Färben der Wimpern und Augen-
brauen; chirurgische Sonde' Barb. II 807: arab. J.^ ,Sonde',
das man aus gr. f^rjXr] dass. herleitet (Fränkel 261). Aber woher
stammt das griechische Wort?
Kiyjo mola ,Mühlstcin' Barb. II 799: it. mola dass.
xa3^, pslanja, planja ,Art Hobel': ngr. rtXdvia aus dem
Romanischen. Et. Wtb. d. Alb. 343.
ÄxÄJikj pelanctte ,Messtisch der Feldmesser' Barb. I 405:
frz. planchette.
Tbrkbclie Sn»di«n. 1. 49
xjuhi*!^ raspa ,Strie^eI': ital. raspa ,Rasj)el^
sjML^ sakur ^Hammer zam Steineklopfen* Bianchi II 86:
arabisch y aus lat. securis. Fränkel 84. Dass das Wort im
Griechischen des Orients heimisch war, beweist noch ngr. r<7€-
xov^iy vaixovQi (z. B. Sy II. 8, 397. Kanellakis Xicmä l/irakexta
301, 668).
Hyjum^ sistra ,Art Tischlermesser; Reibeisen der Bäcker;
§triegel* Jossof 1073. Barb. II 82: ngr. ^vaiQa ,rape, ^trille*.
^^^JLkM ^ünez , Messerschmied^ Zenker 517 a: wahr-
scheimich it. Solitighese von Solinga, SoUngen, von wo die be-
rahmten Messer- und Schwertklingen weithin exportiert wurden.
BjJyM^ sonda ,Sonde' Jussuf 1079: it. somla.
Kiüü^A iirinkaj Hringa ^Spritze': it. sciringa von agr.
ftjllo tapa ^Stöpsel' Jussuf 1115: it. tappo dass.
^y^\jio teraÄfiifon ,Pfropfenzieher' Zenker 596b: frz. tire-
houchon.
y^)Jo tumOy tomo ,Drehbank': it. tonio.
v«>^«Ixm#I usturlab, estsrlab^ sy ^^ ti m> siUurlab ^Sternhöhen-
messer^ Zenker 509 a. Barb. I 53: gr. AazqoXäßog,
y^^yjLmS^ ^yjimS ÜStÜpÜy IStubt^ tstupl yWoTg^l UgT. OTOVftl
von aTVfttj.
U^ri)^y t?ar/o« ,schwerer Hammer der Steinklopfer^ : ngr.
ßoQeid ^masse; massue^ Legrand. Von einem gleichbedeutenden
männlichen ßaQSiög. In Ophis ftageag, Syll. XVIII 127.
Iju^, sjo^ mda ,Schraube^: venez. vida = it. vite. Et.
Wtb. d. Alb. 472, wo ngr. ßlda hinzuzufügen ist.
XII. eemsse.
JLs^ hukal ,dickbauchige Flasche': it. boccale. Barb. I 338.
JLS»^ öuJcal ,TopP: ngr. TOOVKdXi. Letzteres ist genauer
durch Jts^ 6ukali wiedergegeben. Barb. I 610. Das Wort
dürfte eine Ableitung von it. zucca ,Kürbis, Kiirbisgefäss' sein;
TaovTMu als Geftlssname, ,Kalabas8e', kommt bei Prodromos I 112
Legrand vor. Vgl. Korais ^raxTa I 183. Verschieden davon ist
JlSyw ycuirasse, barde d'acier ou de fer', bei Pavet de Cour-
Sitsnngsber. d. pliil.-hist. Cl. CXXYlll. Bd. 1. Abh. 4
50 I- Abhandlang: Meyer.
teille 295 ,armure qui couvre le chevaP, bei Budagov 495 öagat.
und osm. Jl»>^ J^^ ,Panzer, Pferdehamiscli'.
^•JumI estudi ,Etui, Futteral' Barb. I 51: it. astuccio.
adbpyA^t sSporta ,gro8ser Korb für Früchte, bes. fllr Wein-
trauben' Barb. I 61: it. sportWj auch ngr. ajtö^a.
^^, ^^AxS feöe, fööi Jussuf 287. Barb. 11 436 ,Tonne,
Fass': ngr. ßovtaL Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 43.
j.h»V ksmatr ,Bticherschrank, Büchertasche' Bianchi II 506:
arabisch, man leitet es aus spätgriech. xdfinTQa im Sinne von
xönpa her. Fränkel 252.
aüUj kanata ,irdenes Geftlss für Flüssigkeiten': ngr. xavdra
aus dem Romanischen. Et. Wtb. d. Alb. 187. Das Wort ist
deutschen Ursprungs.
üJjcyS kartalle ,Korb, bes. flir Früchte' Bianchi II 462:
arabisch, aus gr. xdQTaXlog. Fränkel 77.
ifuAs kasa ,eiserne Geldtruhe, Kassenlocal' Barb. II 462:
it. cassa,
Kic\yS kavata ,grosse Holzschüssel': ngr. yaßd&aj naßd&a
aus lat. gavata. Et. Wtb. d. Alb. 127 f.
»^•i*, &£Jf kovay koga ,Eimer'. Ein weit verbreitetes Wort,
das ich Et. Wtb. d. Alb. 203 versucht war als Fremdwort im
Türkischen zu betrachten. Doch vergleiche man ^\y, o^>*
,Bienenkorb', Jj^y, i3^^ ,Loch, Höhlung' und was VÄmWry,
Et. Wtb. 64 f. zusammengestellt hat. Danach scheint hier eine
turko-tatarische Wurzel kav kov kob vorzuliegen, die an arisches
Sprachgut anklingt. Vgl. auch osttürk. lÄ^y», ^^y» ,seau k tirer
de Teau' Pavet de Courteille 421. Dagegen ist osm. Lj^> äj^
kupa ,Trinkbecher' trotz seines Vorkommens im Osttürkischen
(Pavet 420) gewiss romanisch, zunächst ngr. xotVra. Et. Wtb.
d. Alb. 215.
KfiyÄAy» kumkuma ,kleine Metallflasche' Bianchi U 530:
zu arab. ^^jL^i* ,Kochtopf, aus lat. cucuma. Fränkel 70.
^'^, c5^V^' iS^y^ Awfu, kute ,Schachtel': gr. xovri dass.,
zu agr. xvTog ,Höhlung, Urne', xrr/g ,Kistchen, Schachtel'.
^^^XJ lejefi ,Becken, Schale': persisch und arabisch, aus
gr. leyuivrj. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 234. Aus dem Türkischen
wieder ngr. Xsyiviy z. B. Pio, Contes populaires 8.
T&rkiscbe Studien. 1. 51
&JÜiu<yjo mastela ^Butte^ Kufe^ Barb. II 767: it. mastella;
ngr. fiaaiXloy,
bjojo matara ^Schlauch für Getränke zum Reisen' Barb.
II 770: arab. i^k^ das man auf gr. fiSTgr]Ti^g zurlickfUhrt.
&A*i^U parsa ^Holzschale zum Almosensammeln fUr Der-
wische und Bettler^: soll it. boraa sein. Barb. I 378. Nach
Zenker 160 c bedeutet das türkische Wort ,Börse^
JüüU, &ijül^ patily patile ^Kessel, Pfanne' Zenker 158 a:
it. peUina oder padella.
xJLa^ piale jBecher' Bianchi II 419: persisch (Vullers
I 389), aus q>ukXfj. Nöldeke, Pers. Stud. 11 38.
aIoLo piata .Schüssel, Teller': it. piatto, zunächst vom
Phural des ngr. mdvov,
^I^Jb pinJ6an ,Schüssel zum Aderlass' Jussuf 955; penJcen
,Gtetreide8chwinge'^ Bianchi I 393; pingan ,Schröpfeisen' Barb.
I 412: pers. o^^-' o^^^ ,Schale, Wasseruhr', aus gr. nivcnux
(Acc.). Justi, Kurd. Gramm. XIV. Die arabische Form des
Wortes ist ab ^lÄi ßndian ,kleine Kaffeetasse' im Türkischen
gebräuchlich.
ftk^ pota ,Schmelztiegel, irdenes Gefkss' Barb. I 418:
it. poUa. *Et. Wtb. d. Alb. 349.
ibSLlo tctbaka yTabaksdose': von it. tabacco ,Tabak'. Das
ttlrkische Wort daflir ist ^^yy oder (arab.) c>^>-
^Udo tegan ,Röstpfanne' Barb. 11 289: gr. xiffovov rrjydvt.
Vgl. arab. ^;^U> ,po61e', Fränkel 69. Ueber ri^avov im Roma-
nischen vgl. Et. Wtb. d. Alb. 69.
JuJ^ varil ,Fass, Tonne' Barb. II 836: it. barile,
y\\j vazo ,Vase' Barb. II 837: it. vaso,
XIII. Kleidung and Schmuck.
«jKL bareta ,Mütze' Barb. I 256: it. berretta.
Jm^o baros ,Broche (Frauenschmuck)' Barb. I 297: frz.
brocke.
^ Vgl. die Bedeutung von pers. sJiii ,Scheibe von Stroh , die beim Qetreide-
worfeln gebraucht wird* aus mvaxAQwv nach Nöldeke, Pers. Stud. II 36.
4*
OZ I- Abhandlnng : Meyer.
)y^)y^ hv/rnuz ^arabischer Mantel aus weisser Wolle' Barb.
I 326 ist arab. ,^^j^, das man auf byz. ßlqqoq^ lat. birrua ,WoU-
mantel mit Kapuze' zurtickfUhrt. Fränkel 50 f.
s:>rl^ (aJcet ^kurzer Rock, der bis an die Kniee geht'
Barb. I 566: it. giaccheita, frz. jaquetie.
I%^(> dihim ,persische Königskrone, Tiare' Bianchi I 899:
persisch, aus gr. diddfjfia, Nöldeke, Pers. Stud. 11 35.
&».f^ ferediey ferad&e ,Oberkleid mit langen Ärmeln;
Überwurf über die Kleidung der Frauen': ist arabisch i^^j»y
Plural t^^\j»' Dozy, Dictionnaire des noms de v^tements 327 flf.
Man leitet es aus spätgriech. cpogsaia, q>OQsai& ,Kleid, Rock' her.
,jjj^ fotin ,Damenstiefel' Barb. II 431: frz. bottine ,Halb-
stiefel', it. hottini; ngr. fiTtovrlveg ,Frauenschuhe' in Chios, Pas?
patis Xicmdv yXiaaadqiov 245.
\jt^j^\ iyris ,Aii; Bauernrock' Bianchi I 165: ven. (panno)
griso ,grober Stoflf zu Kleidern' Boerio.
,^^jcsülj> kalten ,hohe Gamaschen, Jagdstiefel' Barb. 11 467 :
it. calzo ,Schuh', calzone ,Hose'; von letzterem stammt das tür-
kische Wort.
jji^Lß kaloSy galoh ,Holzpantoffel zum Ueberziehen über
die Schuhe': frz. galoche, it. galoscia,
}i\yi\ji kalora ,pantoufles raccommodöes et autres vieiUeries'
Barb. II 470. Nach dem Lehdzc soll das Wort griechisch sein.
Barbier de Meynard fragt: ,serait-cc Tabbreviation de xaXevga?^
Dieses Wort steht bei Legrand und Vyzantios mit der Bedeutung
,socque', ist aber selbst Fremdwort. Bulg. kalevra ist ,Schuh', aber
serb. kalavre ,eine Art kurzer Hosen', ebenso rum. calevrii ,Art
Schuhe' $aineanu 22. Korsch, Arch. f. slav. Phil. IX 509, denkt
an gr. /crAau^a, aber dieses Wort scheint nirgends zu existiren.
(jöJLiJ kamis ,Hemd' Jussuf 528: arabisch und im Ara-
bischen romanisch, lat. camisia, byzant. ^afiiaiov. Vgl. Et. Wtb.
d. Alb. 187. Fränkel 44.
xÄjUi kapanifa ,früherer Galamantel der Sultane' Zenker
690 a: \i. gabbdno (Körting Nr. 1448), zunächst serb. kabanica
oder rum. cabanifä.
v;y^^ül kaput ,Art Mantel mit Kragen und ohne Aermel'
Barb. 11 442: it. cappotto ,Regenmantel'.
Türkische Stndien. I. 53
HxyiaJj kuiidv/ta ,europäischer Schuh^: soll it. coturno aus
Tuid^OQvog sein. Barb. II 541. Mi., Türk. El. I 98 nach Zenker.
Doch ist coturno nur gelehrtes Wort, den Schuh der tragischen
Schauspieler bezeichnend. Vgl. auch Et. Wtb. d. Alb. 197, wo
ngr. yyuowTOvqi ,Pantoffel' aus Syra nachzutragen ist. Arab.
<^j3^ leitet man aus xö^OQvog her: Justi, Kurd. Gramm. 91.
^^OvS kardun ,Uhrkette' Barb. 11 508: it. cordone, frz.
cordon. Dasselbe ist ^j^t^^yS kordon ,0rdensin8ignien' Barb.
U 554.
7Ü3y9 kukula ,Kapuze, Mantel^ &xJ*i**i kukuleta ,Mönch8-
kapuze; Mantel mit Kapuze' Barb. 11 568. 569: it. cocolla, co-
collettaj ngr. xorxoOA^, aus lat. cuculla. Et. Wtb. d. Alb. 211.
\^j3 kereb ,durchsichtiger Schleier, Jaschmak' Barb. 11 506 :
frz. crepe.
&jt«y Icerata ,Horn zum Schuhanziehen' Barb. 11 619: gr.
Plural xigara von xi^ag oder ngr. xeQcnov.
»JryJi^ malluta ,Art Oberkleid' : arabisch. Dozy, Vetements
412. Aus gr. ^Tjlanfj ,Mantel der Schafhirten', byzantinisch
häufig.
•JC^Lo manUß ,Mantel' Jussuf 68 1 : it. manto oder frz .
manteau,
^^^1 omrela ,Sonnenschirm' Jussuf 907: it. ombrella,
•JoJü palto ,weite Blouse der Bootsleute'; jetzt ,Uberzieher'
Barb. I 385: frz. paletotj span. paletoque.
^•JJisjLj pantolon ,europäische Hose': it. pantalone.
**^7v P^'"^^^ ,Perrücke' Bianchi I 356: it. parrucca per-
rucca, ngr. TtSQQOima.
yri P^^ ,Ohrgehänge' Barb. I 397: it. pera ,bimenfbrmiges
Ohrgehänge'.
JjüLiM sendet ,Sandale, Pantoffel' Bianchi I 1059: persisch,
aus gr. advdalov, aavdahov, Nöldeke, Pers. Stud. II 40.
aübUtf i^abka ,europäischer Hut'; auch ,Spitze des Mastes'
Barb. II 128: lat. cappa. Das Wort stammt im Türkischen
zunächst aus einer slavischen Sprache. Mi., Nachtr. II 37.
JüjuM äinil ,Art Mantel mit Pelzkragen' Barb. II 168:
frz. chenille ,weiter Oberrock mit einem Kragen'.
54 I- Abhandlang: Meyer.
^^I*J tiranti ^Hosenträger^ Barb. I 453: it. tirante. Vom
Plural.
a^^^^l v/rubay iu^s ruba ^Kleidung; Kleidnngsstttcke':
it. roba,
oyO^I, o^C^^I üsMf, iisUuf ,Art Mütze^, alte Kopf-
bedeckung der Janitscharenofficiere, seit 1826 verschwunden.
Barb. I 56. 168: it. scuffia ,Haube, Mütze^; ngr. axoiqua.
Deutschen Ursprungs.
jü\ ztcnnar ,Mönch8gürteP Barb. 11 45: arabisch; aus
gr. ^wvdqiov.
XIV. Stoffe.
^jvU bazin ,Doppelbarchent' Barb. 1261: frz. bastUy das
man als Kürzung von bombasin (von lat. bombyx) erklärt.
Lo4> diba ,Art Seidenstoff Jussuf 202: soll gr. dlßatpoq
sein. Mi., Nachtr. I 28. Im Türkischen stammt das Wort aus
dem persischen (Vullers I 946) U3>, d^>, arab. ^Uj^. Es ist
orientalischen Ursprungs, vgl. Schrader, Zur Handelsgeschichte
I 255.
^i> dimi ,Barchent': ngr. difiiTOv ,basin' von difurog ,k
double fil^ Schrader a. a. O. 254.
yuwLolo damasko ,Damast' Barb. I 727: it. damasco.
ik3yX^^ Bsiofa ,Brocat^ Barb. I 52: it. stoffa im Sinne von
stoffa broccata.
aJbLi fanila, fanela ,Flanell, Flanellhemd^ Barb. H 399 :
it. flanella.
^UyjAj fasone ,geblümter Seiden- oder Wollstoff: frz.
fagonni, Barb. H 396.
j^jJai fildekoz ,leichter Flanell'; ,Art Strümpfe* Barb.
H 436: frz. fil d'Aosse,
v5/7*> ^)y^f ßvfi'^ ,purpurfarbig'; äS^ ^^y firfiri
^ka ,Purpur8toff: arab. j^j» ,Purpur', ^Sj^j^ ,purpurfarbig',
von gr. 7toQ(pvQa.
^yy^ gerun ,^toffe de soie d'un grain ^pais et fort; sorte
de gros de Naples' Barb. H 384: der Stoflf heisst gros graiwj
daraus entstellt?
TOrkische Studien. I. . 56
vsJüCmiI islcerlet, v:;^^JuMt sskarlat, auch y^yü^^ s^if^tyäjku
nlcerlety sekarlat ^Scharlachtacli; scharlachroth^ : it. scarlatto.
Obwohl der Ursprung des Wortes im Orient zu suchen ist,
muss seine türkische Form als die occidentalische angesehen
werden.
v:l9«XJLj kalikot: frz. calicot aus dem EngUschen.
kj^^Llj kanaviöa ,Caneva8, Stickgaze': it. canavaccio.
wue\U kazmir ,Kasimirtuch' Jussuf 360: frz. Casimir,
<l£m*jlI lepsika ,imitirter Seidenstoff Barb. 11 699: frz.
leipaicois ^aus Leipzig^
XjsiiJyi londrina ,nachgemachtes engHsches Tuch' Bianchi
n 721: it. londrino von Londra ,London' dass.
\j»yJ^yo merinoa , Merinowolle ' : frz. m^rinoa aus dem
Spanischen. Jussuf 720.
&£möL> patiska, &aamJL batista ,Art feine Leinwand'
Barb. I 373: it. batista, frz. batiste, so genannt nach ihrem
ersten Verfertiger.
^yüKL) parangon ,scharlachroth, Purptu*' Zenker 160 a:
it. scarlatto di paragone, Mi., Türk. El. II 38.
Llm/^o prusia ,Berliner Blau' Barb. I 398: it. Prussia
,Preussen'.
ä-äI\ ral^a ,Art grobes Tuch' Barb. II 10: it. rascia, von
der Stadt Arras.
ft^Lo saja ,grobes Tuch zu Regenmänteln' Jussuf 1028:
it. saja ,Wam8', sajo ,ein Zeugstoff, vgl. Körting Nr. 7077;
Mi., Tlirk. Ell. 11 47 hat unrichtig it. sargia verglichen.
Jljüud sandal ,Taffet': arabisch, aber im Arabischen
Fremdwort, das, über mlat. cendalum, sindalum, it. zendado
u. 8. w., auf agr. aivdibv zurückgeht. Cihac 11 610. Dozy, V6t.
378. Da aivdfbv im Griechischen fremd ist (es gilt flir ägyptisch),
hat das Wort eine merkwürdig weite Wanderung von Ost nach
West und zurück von West nach Ost erfahren.
JjCm^I üsUül ,gereinigte, feine Leinwand' Barb. I 168:
ngr. OTLOvXi ,Un card^' von agr. aifuiXXvg.
56 ' 1- Abhandlung: Meyer.
XV. Nahrnngsmlttel.
1*^ bira ,Bier': it. birra.
^^Wo brizola ,Art Kebab von Hammelfleisch' Barb.
I 297: venez. brisiola = it. braciuola ,Ro8tbraten, Carbonade^
&j^«5^ iokolata ^Chocolade': it. cioccolata.
JoU^uumI BBtufato ,gedämpftes Fleisch, Schmorbraten': it.
stufato.
^dWM^Li farai ,Füllsel, mit Füllsel bereitete Speise' Zenker
654 b: frz. farci.
&-La^l*i frand^tela, firandHla ,feines Weissbrot': eigentlich
jfränkisches , d. i. europäisches Brot', von yi^j3. Vgl. Cihac
II 578. Mi., Türk. El. I 61. Das Wort scheint zunächst aus
dem Rumänischen zu stammen.
LioJLD galetüy 2üjuU kalieta ,runder Kuchen, rundes Brot'.
Barb. 11 379. 533: it. galetta ,Brotkuchen, Schifi*szwieback'.
Jn%A*At\ ispirito ,Essenz, Likör' Barb. II 47: it. spirito.
&£\ttj[«i*, KÄj^yjJ kopuzga, kopuska ,Kohl in Oel oder
Butter': russ. kapusta aus mhd. kumposty im letzten Grunde
lat. composita. Mi., Slav. El. im Türk. 12. Osttürkisch bei
Pavet de Courteille 422 dJLuj^.yi ,chou'.
wäU kaSer ,Art Käse, der in Thrakien gemacht wird'
Jussuf 515: rum. ca^ , Quarkkäse', vom Plural cofuri,
JI«XÄli kchikaval ,Art trockener Käse' Barb. 11 460:
it. cacio cavallo'^ ngr. ycafryMßdXt, rum. ca^caval, magy. kaskavdl,
&jjtjüLo«iJ kumandaria ,0y perwein' Jussuf 625: ,xoi;fi€v-
ragia, commandcrie: oVto) 'AaXovvrai rd iv KvTtQcp riaaaga %wqla
niarctviatöy OivUl, MovaygovXi xai KoXöm rd vrrö rov Odyov
A' (1210) dü)Q7]d'ivTa efg rd Tdy[.ia ruJv ^ Iwavvirwv, &g Ijtd ra-
^idqxov (commandeur) dtoivtovfieya * iyt rovrwv di na^yBTO xal
b liixQi v^v 7CSQi(bw^iog KvTtQiog olvog xofifiavraQia^, Sathas
Meaaiiovtycij ßißXio&rpn] II 614. Vgl. auch Sakellarios Tä Kv-
TtqiaTLa I (Athen 1890) 243.
jSSii langer ,Art minderwerthiger Wein' Bianchi II 693,
nach Zenker 790 a auch langoros: n^T. X&yy^qog^ X&yyeQag^ das
nach Korais, ^'Axama IV 95 aus hx^vqog bei Hesychios ent-
standen ist.
Türkische Studien. I. 57
äio[jy^ limwiada ^Limonade' Jussuf 659: it. linioimta,
venez. limonada,
kjAJLio makama ,Art Nudeln* Jussuf 675: it. niaccheroni,
&2^Le mandia ,Nahrung, Essen, Portion' Barb. 11 721 :
it. manffiare.
^ICxamLo mastiiciy a^AxÄ^Lo mastika ,Mastix, Mastixschnaps'
Barb. 11 716. Jussuf 685: ngr. iiaaxixi, ^arlxa.
%Üiamuo mistar ,Most' Bianchi II 897: arabisch, aus gr.
*liOva%dQiov von lat. mustum.
SwA^wo mizitra ,frischer Ziegenkäse* Barb. 11 756: gr.
fit^i^&Qa, fiiCi^d^Qa jButtermilch*, auch ^ovCi^d-ga. Korais, ^AT(xia:a
IV 332 flf. Die Herleitung ist unsicher. In Megara sagt man ^«;fi^-
dqay was vielleicht die ältere Form ist, zu t,vu6u} ,mache gähren*.
3ÜUA/U pasie ,Art Süssigkeit, Mischung von Mehl mit
Datteln u. s. w.' Barb. I 381: it. pasta.
Jüoyüa^, aüc % Juaj pasturma ,eingesalzenes und geräuchertes
Fleisch* Bianchi I 369. Barb. I 403: gr. TtdaTwfia ,salage de
viande, de poisson etc.* Legrand, von naariüvü) ,salze ein*; agr.
TtaGTÖg ,bestreut, eingesalzen*. Aus dem Türkischen wieder gr.
TtaOTOVQfläQ.
_A^3u psxte ,Gelatine, Gallert* Jussuf 944: aus dem
Persischen (i^^^^^, ,gelatina* Vullers I 333); gr. ttijxt^. Mi.,
Nachtr. II 13.
nj^xjpide ,dtinner Brotkuchen* Jussuf 955: ngr. nka. Eine
Vermuthung über den Ursprung des weit verbreiteten Wortes
habe ich Et. Wtb. d. Alb. 340 ausgesprochen.
*^^ P^^^ ,Hefe, Bodensatz* Barb. I 418. Nach Zenker
221 it. posatura. Es mtisste etwa posata im Sinne von posa-
twra sein.
^IJljK rafedan ,weich gekochtes Ei* Barb. II 10: gr.
cdyä (^oxHpTjtA ,weiche Eier*, von ^oq>iü) ,8chlürfe*.
S\*^^Lm, n\yo)kj>o salamora, salamura ,Salzlake, Fisch-
ragout* Barb. II 62: venez. salamora = it. salamoja.
&k^Lid salata ,Salat*: it. (in) salata, ngr. aaX&xa. (^J&te^Lo
salataUk ist eine Bezeichnung für ,Gurke* Jussuf 1013.
Ö8 I. Abhandlung: Mejer.
iuaJLm, a^süLo salsttj saUa ^Sauce, Ragout' Barb. II 62.
189: it. Salsa] die zweite Form zunächst aus ngr. adkzaa oder
aus nun. salce,
JuLMiM simidj semid , rundes Weissbrot' Barb. II 98.
Arabisch Xy^^ ^fleur de farine'^ das man aus gr. aefildaXig
herleitet: Fränkel 32. Mi., Tiirk. El. II 53. Das griechische
Wort scheint selbst ein Fremdwort zu sein. In späten Sanskrit-
texten findet sich das ebenfalls entlehnte samitä] auch lat. simila,
similago ist fremd, ob aus dem Griechischen (Keller, Volks-
etymologie 83)?
^jmjM^Jc tsragss ,Art Weizengrütze' Barb. 11 281: gr.
tqäyog ,groats of hXvqa or %bi&^ Sophoklis; lat. tragoSj tragum.
Als fremd ist noch zu nennen f^y^^ pundi ,Pun8ch* aus
dem Englischen.
Schwierig zu beurtheilen ist das Wort oL^^^Xj beJcsimad^
gewöhnlich geschrieben isL^wwyX) pelisimat , harter Zwieback'
Barb. I 308 wegen seiner Beziehung zu ngr. rra^i^ddi. Das
griechische Wort ist nicht, wie Korsch, Arch. für slav. Phil.
IX 662 meint, altgriechisch, sondern erst byzantinisch; es
kommt in den Formen Tta^afi&gj rra^a^u;, Tia^a^Adiov, Tta^ifi&diVy
Tta^afjuiTiov, Tra^afilrfjg vor, vgl. Sophoklis 839. Das weist auf
fremden Ursprung, und so wird das persische OU-***5o ,pani8
butyro illitus' Vullers I 254 die Quelle des griechischen wie
des türkischen Wortes sein. Türk. l>U**Jo ist durch volks-
etymologische Anlehnung an vi>9, peU ,hart' und l>U-a» simat ,Mahl'
entstanden.
XYI. Ackerbau, Viehzucht.
ouoO demet ,Heubündel ; Bund, Paket im Allgemeinen' : gr.
deiidri ,botte, fagot, paquet', von difia. Vgl. Mi., Nachtr. II 101.
^jÄ dö^en ,Dreschflegel' Hind. 227 : spätgr. rvnävt] ,ein
Werkzeug zum Dreschen'.
dü^f evleU ,Furche' Barb. I 190: gr. aihhu von agr.
aila^. Dagegen hat (3^^! oluk ,Rinne, Dachrinne' nichts mit
aiXa^ zu thun (Mi., Türk. El. K 35).
^^iLÄJ feSks ,Mist, Dünger' Zenker 667. Budagov I 786:
erinnert an ngr. ßovzöay ßovTaid ,Mist', das aus afrz. botise
stammt. Ngr. (povaul ist das türkische Wort.
T&rkiBche Studien. I. 59
^y^'i ^yS ^übre , Dünger' Zenker 735 c: ngr. xoTtQid
yDtinger* von xÖTtQog.
s^JüLo mandra ,Viehhilrde' Barb. 11 721: ngr. fxdvxQay
it. mandra aus agr. fidyÖQa.
^LJo terpan ,Sichel' Barb. 11 283: gr. dQsn&vi von
d(^ijtavO¥.
}iyi\ zelve, äJ^v zevle, zevile ,Jochring', Barb. II 44. 51 ;
bei Blaa 312 bosnisch auch tj^y. ngr. l^evXa aus l^eiryla. Vgl.
Et. Wtb. d. Alb. 484, wo kurdisch zevle ,cercle qu'on met au
cou des bcBufs pour tenir le joug^ Justi, Wörterbuch 226 nach-
zutragen ist.
XYU. Spiele und KOnste.
Jüol4> dama ,Damen8piel' Barb. I 727: it. dama,
yüuo^O domino ^Dominospiel' Jussuf 217: it. dominb, aus
dem Französischen, vgl. Scheler u. d. W.
yüLu pianko ,Lotterie' Barb. I 422. Jussuf 953: soll
(nach einer mündlichen Mittheilung) von dem Inhaber der ersten
in der Türkei concessionirten Lotterie, einem Italiener Bianchi,
den Namen haben.
xJ^Ü, iJ^Llo tavla ,Damenbrett, Schachbrett, Trictrac'
Barb. I 436. H 274 : it. tavola. Vgl. Mi., Türk. El. H 69.
^Lax^^ rumbale ,Ball beim Ballspiel* Bianchi 1955: it. rom"
6oZa, Schleudert Die Angabe der Bedeutung bei Barb. 11 29 ,quille
pour jouer* (angeblich nach Bianchi) scheint ungenau zu sein.
lj«jL« mar 8 ,terme de jeu: perdre double, 6tre capot' Barb.
II 715; ,double gain au jeu de trictrac' Jussuf 683: ist mir
nicht klar.
VÄ*J^ ßt Spielausdruck, ßt olmak ,seinen Gewinn mit einer
Spielmarke bezeichnen' Barb. II 436: it. fitio?
v;:^^Ij kaput Spielausdruck, k, olmak ,^tre capot au jeu'
Jussuf 536: frz. capot.
Ausdrücke des Kartenspiels.
JüujoLaamI, JüuJL&amI eskambily iskanbil ,Spielkarten' Barb.
I 54, richtiger ,Art Kartenspiel' Jussuf 482: frz. brusqtiembille
,Art Kartenspiel', dessen Etymologie zweifelhaft ist. Littr^ I 434.
60 I. Abhandlnng: Meyer.
^L^f, ^Luwl isbatij iapati ,Treff im Kartenspiel Barb.
146. Jussuf 484: ngr. anad^i dass.; it. spade ,Sch werter' waren
eines der vier Kartenembleme.
to.Lö ma^a ,Pique im Kartenspiel' Jussuf 666: ngr. fA^Srraa
dass., aus it. mazza ,Stock, Keule', vgl. hastoni als Kartenemblem.
LJ^^I oria ,Carreau im Kartenspiel' Jussuf 909: span. oros
dass. Wohl auch durch griechische Vermittlung. Allerdings
lauten bei Somavcra II 99 die vier griechischen Farbennamen
Tor anad^id le spade, tcc firvaarovvia i bastoni, ol xovTteg le coppe,
rä devdgta i denari. Doch gibt Legrand das oben erwähnte
fidraa für Pique; ftir Coeur xoC/ror, für Carreau reTQAyapvov, fUr
Treff airad^L
ÜU pata ,cartes Egales au jeu' Jussuf 939: venez. pata
= paritk, it. patta.
Nicht klar ist mir \yS koz ,Trumpf, Atout' Jussuf 636,
woraus ngr. nöl^iov, rum. coz und die bei Mi., Türk. El. I 99
verzeichneten sla vischen Wörter stammen. Schwerlich ist es
dasselbe wie osttürkisch jyJ ,noix' bei Pavet de Courteille 429.
Legrand hat ftir ,atout' /.ötgi] ob richtig? dies bedeutet sonst
,Knochen' und ist slavischcn Ursprungs. Nach Korsch, Arch. f.
slav. Phil. IX 512 wäre rum. coz aus russisch kozyn ,Trumpf
verkürzt, und dies stamme, durch öech. kozir, aus deutsch
Kaiser,
Musik.
^JLkMiyA musiki ,Musik': gr. fiov(n%rj. Aus dem Arabischen.
Dagegen stammt ^\yo rnuzika^ blos für ,Militärmusik', zu-
nächst aus dem Italienischen. AjUM^yx musikar ist eine Art
Querpfeife.
^j^ü> kämm ,instrument de musique k cordes triangu-
laire; psalt^rion' Jussuf 531: ausgehend von gr. xotvcAv in seiner
Bedeutung im byzantinischen Kirchengesange, s. SophokUs 627.
^yUJ ist ins Türkische aus dem Arabischen übergegangen,
allgemein in der Bedeutung ,Gesetz, Regel'; im Arabischen
wird es als Musikinstrument mit ,Hackbrett' erklärt.
Jü^if, vicyi', aJo^ü* lauta, laguta ,Laute' Barb. II 697.
698: it. liuto^ afrz. leiit. Das europäische Wort stammt aus
arab. ^yJ^ .
Tftrkiiche Stadien. I. 61
^•ioJLio santur ^Masikinstruinent mit Saiten, die mit Stäb-
chen geschlagen werden* Barb. 11 220: gr. tpaXji^Qioy, zunächst
ans arab. j^;^'^^^, und dies aus aram. TntD3pB. Justi-Jaba 245.
nXXj^ sitara ^esp^ce de cithare k trois cordes* Jussuf 1073:
frz. citharey aus dem Oriechischen.
^yj buk ,Horn* Bianchi I 407 : arabisch, aus lat. bucina,
Fränkel 284.
ia^o berbut ,Laute' Bianchi I 343: arabisch, aus gr. ßüg-
ßi%ov. Fränkel 284.
sjJjo\Ji trampeta ,Trompete', jetzt ,TrommeP Barb. I 452:
it. trambetta.
yi[jL^ 6embalo ^Schellentrommel' Barb. I 596: it cembalo
aus dem Griechischen.
xb^^ ßlaota ,Flöte' Barb. II 436: it. flauto.
tükjnjS keranete ,Clarinette' Barb. II 514: it. clarinetto
aus dem Französischen. Vgl. ngr. ylagho Kanellakis Xiaxdr l^vd-
leKTa 356.
^IXdl Ukala ,Tonleiter' Barb. I 67: it. scala.
Andere Neologismen sind licyj nota ,Note', l^^l opera
jOper*, ^^ jwano ,Clavier*. Jlyj kaval ,Schalmei^ hat man
wohl mit Unrecht mit gr. yuxvkög in Verbindung gebracht (Mi.,
Nachtr. I 60). pandv/ra ,Guitarre, Laute' Mi., Nachtr. II 10 kann
ich im Türkischen nicht nachweisen; das Grundwort nav-
do^Qay TtavdovQiov war lydisch (Lagarde, Gesammelte Abhand-
lungen 274); zur Verbreitung des Wortes vgl. noch Möhl, M^m.
Soc. Ling. VII 402 f.
Tanz.
Uy^ %ora ,Tanz', bei Bianchi I 759 (j^^>^ %oro8j I 788
'i\y^ Xoraz: gr. xogög. Vgl. osttürk. O^^yii. ,danse en se tenant
les mains' Pavet de CourteiUe 313.
y>vu*^ sirto ,Art Tanz' Barb. II 121 : gr. Gv^ög, von avQw.
Neologismen sind sJU bale ,Ballet', i^jyo Ja^U pantomim
,Pantomime'; ebenso ^J>Laj telatro ,Theater, Schauspiel', UcV5lJb
ttragidia ,Tragödie', Ujuo^* komedia ,Schau8piel'. Hier seien
auch ttJU balo ,Ball, Tanzunterhaltung', it. ballo, bei Zenker
62 I. Abhaadliuig : Mejer.
171 c (jMaJLj balos; ^O^^Lo, ^4>«LJLu bilardoy biliardo ^illard^^
it. higliardo; UuajI antika , Antike, alter Eunstgegenstand^ er-
wähnt.
XYIII. Handel und Verkehr.
viJw5' ^mrüK jDouane' Barb. IT 676: mgr. -Mii^qyLiov
TcovfiiQKLOv aus lat. commercium. Das neaarab. ^sfJ^ ,Zoll' ist
türkisch.
SiXiUy lokaiida, vulg. lokanta ^europäisches Hdtel^ Re-
staurant' Barb. II 708: it. locanda.
L>*üuA««J lostaria ,kleine, schlechte Herberge' Barb. II 707:
it. V osteria mit dem Artikel; ngr. koaragia Vyz. 569.
svübo magaza ^Magazin': ist die europäische Form des
arab. ^^. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 253. Mi., Ttirk. El. U 19.
nyXAMmjo mostra , Waarenprobe' : it. mo8tra,
ft^SuJo, auwuJftj| polüay polisa ^lettre de change' Barb.
I 420: it. polizza, Mi., Türk. El. II 41. Aus dem Griechischen?
vgl. Körting Nr. 6258.
auuelo, M^yic trampa ,öchange, troc; commerce d'^change'
Barb. I 453. H 282: it. tramuta. Mi., Türk. El. II 74.
»3yykxMt sigurta , Versicherung' Barb. II 122: it. sicurtä^
venez. segurtä. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 384.
«Lm^4^ simaar ,Mäkler' Barb. II 97 : arabisch und persisch.
Man hält für die Quelle des orientalischen Wortes it. Sensale^
das aus lat. censualu stammen soll. Aber das lateinische Wort
bedeutet einen Einschätzungsbeamten. Das Wort ist persisch
und aus dem Persischen in die semitischen und europäischen
Sprachen gewandert.
,j»jkI, [jy^)^ urhun, armun ,Handgeld' Zenker 24: gr.
dQQaßcjv, das semitischen Ursprungs ist: hebr. flD'jJ, arab. ,j^^,
j^b^. Vgl. Lagarde, Bildung der Nomina 203. Im Arabischen
Fremdwort und vielleicht auch aus Aqqaßmv entlehnt: Fränkel,
Aramäische Fremdwörter 190.
ijjJüJ fendßk ,Wirthshaus' Barb. II 431: gr. 7tavdo%Biw,
Neuhebr. pi:B Fürst, Glossarium graeco-hebraeum 172.
Ttrkische Stadien. 1. 63
ilSUoj pitaka ^Etikette auf Waaren' Barb. 1403: schwer-
lich, wie Barbier de Meynard meint, gr. Ttirxdiuov^ das diese
Bedentong nicht hat, sondern Entstellung des frz. etiquettej ngr.
uxizray mit Dissimilation. Im Sinne ,billet, petite lettre* könnte
es TtiTwdn/Liop sein; doch sagt Barbier, diese Bedeutung sei dem
osmanischen Türkisch unbekannt. Indessen finde ich in den
Mittheilungen von Tsakyroglu über die Sprache der kleinasia-
tischen Jürüken (Ausland 1891, 341—344. 366—372) UtikH
,Schreiber', hiti ,kaufmännisches Buch^
^^L4^K^ dragman^ vulgär draman ^Dolmetsch' Barb. 1 733:
it drugomanno^ europäische Form des arabischen o^^tr^*
Fälschlich leitet Barb. I 121 sLol anbar, ambar ,Scheune,
Speicher, Magazin* aus gr. ifinÖQiov her; es ist arabisch, aus
persisch anbär (= ai. 9aihhhärd-)y wozu ein arabischer Singular
j^ später zurtickgebildet wurde: Hoffmann, Zeitschrift der
morgenländischen Gesellschaft XXXTI 761.
Hieher gehören eine grosse Menge moderner, meist italie-
nischer Ausdrücke des Handelsverkehrs, wie alivre ,Wechsd-
termin* (frz. ä livrer), adJsio ,Agio*, aksiun ,Actiengesellschaffc*
(fr^. aciion)y hankay hanknot, bilety bono ,Bon', borsay bilanöOy
biUie ,Waarenballen*, 6ek ,Check', depositOy diiVo, dzirante,
eskanto (vulg. sinkonta Barb. H 125), faturay fireh , Verlust an
einer Waare' (frz. frais) y frangobarday istimara ,da8 Aichen*
(it. 8tifnare)y kambitd, kambioy kompaniay konuämentOy kontratOy
manifaturay ordinOy partitUy protestOy provay passaport (Bianchi
I 307 \jyyAM[^ pa8portd)y patentay postay sekuestrOy sindik oder
Bfndsk ,öyndicus', Uransit ,Transit*.
XIX. MOnzen, Hasse, Oewichte.
s%^l aspre ^Art Münze*: gr. äan^ov. Ueber dessen Her-
kunft aus lat. asperum vgl. Psichari, Möm. Soc. Ling. VI 312 ff.
üeber die Geltung des aapre siehe mein Et. Wtb. d. Alb. 18,
wo Paspatis Xicntjdv yhjuaa&^iov 96 nachzutragen ist.
nLuO dinar ,Goldmünze': byzant. drjv&qiov aus lat. de-
narivs. Zunächst aus dem Arabischen oder Persischen. Ueber
den Wandel in dem Werte der Münze vgl. Lagarde, Bildung
der Nomina 221 f. nach Hultsch.
64 I. Abhandliing : Meyer.
jfjO dirhem ,alte Silbermünze*; gewöhnlich als Gewichts-
bezeichnung der vierhundertste Theil der Oka. Barb. I 737:
arabisch ^j> aus persisch ^.y und dies aus gr. dqayui'ij. Vgl.
Nöldeke, Pers. Studien II 35.
^aJL^O dublun ,Art spanische Goldmünze' Barb. I 755:
span. dohloiij it. dobblone,
jj*JLi feh ,kleine Münze* Jussuf 289: ist arabisch, und
dies aus mgr. cpöXlig = lat. follis, Direct aus cpöilig oder
qiökXa stammt türk. J^. pul , kleine Kupfermünze; Fisch-
schuppe* ^ Barb. 1419. Vgl. Blau, Zeitschr. d. deutschen morgenl.
Gesellschaft XXI 672; Lagarde, ebenda XXII 330. Mi., Türk.
El. II 42. Nachtr. II 15. Spanisch foluz aus dem arabischen
Plural
^%JLi, ^yyXi falv/rij felurin hiess früher der venezia-
nische Ducaten, jetzt der österreichische Gulden. Barb. 11427:
it. fiorino, alt ßorino-^ gr. q>k(aQiy (pXovqi, Dasselbe bedeutet
&ä3.^ florenia Mi., Türk. El. I 61 vom Namen der Stadt
Florenz.
"^Mj i3^^y^ fi'ci'^ka, frank ,Frank* Barb. II 408. Jussuf
303: it. francOy frz. franc.
JUy, JIj> irjal , rial ,spanischer und österreichischer
Thaler* Barb. I 41. II 31: span. real,
Jai^*^ gv/rui jPiaster* Barb. II 383: mlat. grosstusy it. grosso.
Vgl Mi., Türk. El. I 64. Kluge u. Groschen,
}iyxi lira ,Goldmünze, = 100 Piaster* Barb. 11 710: it.
lira. Aus der Doublette it. lihhra stammt »vaJ lihra ,livre,
monnaie* Barb. II 698.
^^jJUuo metalik ,monnaie de cuivre m^W d'argent* Jussuf
727; ,les Turcs donncnt h ce mot le sens de monnaie altöräe,
rogn^e; cependant, en langage de boursc et d'affaire, ils Tem-
ploient avec ses variantes e^üLX-« et ^^iJJU pour designer les
valeurs remboursables en numöraires* Barb. II 728: gr. (istaX-
hiiög von jn/raZAoy; engl, metallic currency ,klingcnde Münze*.
* In dieser Bedeutung vielleicht an griech. (poX^g »Schuppe*, anzuknüpfen,
aus dem auch arab. ^^yiJL> »Schuppe* (Fränkel, Aramäische Fremd-
wilrter 192) entlehnt ist.
Türkische Stadien. I. 65
^♦3 nümme ,kleine, schlechte Münze*, Bianchi II 1138:
arabisch, aus gr. vov^^lov von nummus. Fränkel 196.
Jü\^ J dozine, duzina ,Datzend' Barb. I 759: it. dozzina.
Junge Entlehnung.
*l*^ gsram ,Gramm' Barb. II 382: frz. giamme. Neo-
logismos.
slSciXS kantar ,Gewicht von vierundvierzig Oka'; auch
,Wage'. Barb. 11 541: arabisch, aus gr. -Mwrp^iQiov = lat.
centenarium. Fränkel 203.
ioLj, ^'y^ kerat ,poid8 de quatre grains, carat' Jussuf
576: arabisch, aus gr. Ttegariovy byzantinische Bezeichnung eines
kleinen Gewichtes. Mi., Türk. El. I 96. Fränkel 200 f.
^j\^y U^^ ^^^''^9 ^^p(^n , öffentliche Wage' Bianchi
II 560: pers. j^^U^, aus gr. TtafiTtavög oder xafiTtavöv^ von lat.
campäna. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 168. Aus dem Persischen
arab. ^US. Nöldeke, Pers. Stud. II 39.
sJjjy Uelender ,Mass für Flüssigkeiten, etwa zwei Oka*
Barb. II 642: gr. xvXivdQog,
idjS Teile ,Hohhnass fiir Getreide' Barb. II 689 : arab. J^
aus gr. nLothov,
nyXi litra Jussuf 660, n^öyi lodra Barb. II 707 ,Pfund' :
gr. Xirqa, Vgl. arab. Ji>^.
^yoo metro ,Meter' Jussuf 727: it. metro'^ aus dem Grie-
chischen.
yikkXÄj&t Hnilc .Getreidemass, der achte Theil des kile'
Barb. 11 168: gr. xoXvi^ (xoivUi) ,Getreidemass', das dialektisch,
z. B. auf den östlichen Sporaden, SiniKi gesprochen wird.
**^l oka ,Oka' = 400 Drachmen: arab. iSJi^j aus gr.
otyxia = lat. uncia. Justi, Kurdische Grammatik XIV.
(j*^^^l obolo8 ,Gewicht von drei Karat' Bianchi I 232:
gr. dßolög.
syyA müzur ,Mass' Zenker 840 c: it. misura,
SiUongsber. d. phiL-hist. Cl. CXXYUI. Bd. 1. Abh. 5
66 I. Abhandlung: Meyer.
XX. Christliche Kirche.
v^^eil , O*^;^' aforozj aforos (efurus Radioff I 938)
,Kirchenbann^- von gr. dq)OQi^ü), dq>0QLa^i6g. Vgl. asl. afurUatiy
rum. afurisi ,excommuniciren'.
bl aja ,heilig^: gr. 4y/cf, in Aja Sofia, Aja Soluk (Ephe-
sus) ^ u. a.
aücvUI ajazma ,wunderthätige Quelle', bei den Christen
des Orients. Barb. I 212. Radioff I 217: gr. Hyiaaiia aus äyiaüfia^
eig. ^Weihwasser', dann ,wunderthätiges Wasser'.
^yXL^\ arganun ,Orgel, Glocke' Bianchi I 55: gr. hqyavov,
ngr. auch Hqyavov,
^:ifyj^i> despot ,c*est le titre que le gouvernement otto-
man accorde aux m^tropolitains du synode grec, aux dölögu^s
du patriarche en province, etc.' Barb. I 739: gr. deGftörrjg, Die
bulgarische Uebersetzung dieses deaftötfjg ist aü»i>if^ vladika,
auch ladika Jussuf 1240 ,Bisehof*.
\^Ljt> diakoZj (^•L>t> diak ,Diakon': ngr. didxog aus
didxwv fUr didxovog. diak ist auch ,Lateiner, lateinisch' Zenker
445 b, vgl. magy. diäk ,Student'.
ykin'dX,» filakUr ,zauberisches Schutzmittel' Zenker 670 b:
gr. (pvhxviTriQiov ,Aniulet, Talisman'.
iajJi^Li faraklit ,der heilige Geist' Bianchi II 343: ara-
bisch, aus gr. naQOKXrjTog,
^^ülolye herateke ,Ketzer': aigeriTcög. Vgl. arab. iSS\j\,
kurd. f^^j\ artoki. Justi-Jaba 4.
^jLuUwjÄ x''^9^io,f^ ,Christ': gr. x^terTiCfveJg. Auch ^LuUmo
keristian Zenker 697 b aus it. cristiano.
^^*rfjuLI iblü ,Teufel' Bianchi 111: arabisch, aus gr. didßoXog.
Joua^l ind&il ,Evangelium' : arabisch, aus gr. siayyiXiov.
Auch ^jajJLOt ingiliun Zenker 108 c.
\^^^Uu«l, (jw%yu**l istavrozj istavros ,Kreuz, Crucifix': gr.
(navQÖg.
* Ephesus heisst ^^*b\ von einer Kirche de» "Aytog SeoX6yog.
THrkiscbe Stadien. I. 67
^UüumI istifan ,Brautkrone', überhaupt ,Diadem, Blumen-
krone': ngr. (n€q>avog, aTB(p&vi. Pers. ,^UZa»\ Nöldeke, Pcrs.
stud. n 40.
{S^)y^ j^>^^ jchristliches Fest': gr. ioQti^y ngr. Yioqzrj.
\jiSyX3 kalo^erja ,Nonne' Bianchi II 503. Zenker 683 c:
ngr. yuxXoyQiä von TuxXdysQog ,Mönch'.
Jly>v3 kamaval ,Carneval' Zenker 698 c: it. cameoale.
4LJ^ü? katoUK ,Katholik' Barb. II 444: gr. xa&oXi7uig.
Bei Zenker 338 c: (^Jb'l^ iSatUky (^aIjI:^ diaslek dass.
LkMuJi^ kilisay Kilise ,christliche Kirche': gr. ixxXrjala,
hjüLfjaca. Arab. ^^**JLS Fränkel 275.
^jjü^ latin ^römischer Katholik': mgr. Xartvog aus lat.
kuinus. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 238.
[jisyjjJ liturja ,Messe': gr. XeiTOVQyia iBizovQyid.
\:>3yki logofet ,Vicar des ökumenischen Patriarchen ;
Barchen Vorsteher'; früher ^Kanzler des Hospodars der Moldau
und Walachei' Barb. 11 702: gr, Xoyod-htjg,
jXmXjuo manastsr ^christliches KJoster': gr. fiovaarTJQi, (juxva-
OTij^t. Vgl. asl. manastyrb neben monastyrh, se. manastir. Et.
Wtb, d, Alb. 286.
oJft^^yuo metropolit ,griechischer oder armenischer Erz-
bischof*: gr. fifiTQOTtoXltrjg.
oLü panaiVy panajer ,Markt': gr. Ttctyfjf/VQigy Ttavtffvqi
,Kirchweihfest, Fest, Markt'. Vgl. Mi., Türk. El. II 37. Ueber
das a der zweiten Silbe vgl. S. 14. Die türkische Form hat
wieder ngr. 7tavai}Qi hervorgerufen, mit dessen a sich Thumb
Idg. Fo. II 80 umsonst abmüht.
UU papa ,Papst': it. papa; ngr. ndnag. Dazu v:;/uaoU
papisty ocäjU papiU ^römischer Katholik' Zenker 157 b.
^UU, 3^.^ papas, papaz ,griechi8cher Geistlicher, Mönch ;
Heide' Barb. I 371. jl>(>UL> papadia ,Frau eines griechischen
Geistlichen' Barb. I 370: gr. naftag^ rtarcadui.
LaJLaamÜ paskalia ,Ostem', gewöhnlich hüjiik p, (,grosse
Ostern'), während kii^ük p, (,kleine Ostern') das christliche
5*
68 !• Abbandlung: Meyer.
Weihnachtsfest bezeichnet: gr. /racrxaAid. pa^kalia heisst auch
eine Art Flieder, die zu Ostern blüht. Bianchi I 307.
viL^L patreü, <JJ;iöb, j^J^. patrsk^ <JJ^ batTBk
^Patriarch', Titel der Häupter der christhchen Gemeinden in
der Türkei. Barb. I 303. 373. 383. 403: gr. natgUiog aus lat.
patricius,
(j*-o«iuMj psskopoSj piskopos ,Bischof*: gr. imayuyrtoq.
Daneben das arab. vJuLm>\ Bianchi I 91, sowie viXx^&a^ piibelc
aus magy. püspök. Zenker 235 c.
oyUw 8inod ,Synode' Zenker 522 a : gr. Gvvodog.
kAiJipy,i&, Sertunije , Weihung des Geistlichen' Zenker
542 b : gr. xaiq&vovia.
jjaJIIo taks jchristlicher Ritus': gr. tA^ig. Auch arabisch.
Kurd. taks Justi-Jaba 276.
a^mÜJo teUemj vulg. tilisim ,Talisman, Amulet': gr.riXsofia,
das im Mittelgriechischen diese Bedeutung hat. Arab. »^mmJJp
tilsem. Kurdisch tilisim Justi-Jaba 276.
fj**jJü\^ vaftis ,Taufe': gr. ßaTztiaia n. pl. ,Taufe', auch
ßüfttiatg. Dazu yjüCd^ül anavaftiz , Wieder tauf er' Zenker 99 b.
Hier schliesse ich die europäischen Monatsnamen, die
aus dem Neugriechischen stammen, an:
jLäj, )j^? LT^)^^ janaVj janariz, janaros: yevdQig.
(jwsl^-Li ßluvarisy flevaris: (pXeßaqig,
\;:^Xfi mart: ix&q%ig.
Jool ahril: äTtgikig.
jj**jLo maisy majos: jurfig, [Mziog.
^y^yj> junios: lovviog.
\j^^yJt Julias: iovhog.
(jM*JuMw£t agustos: icyovarog,
{jMxyXMi sitevrisy suturis: asntifißQig,
(jmOva^I, ^yjyji^\ axterisj axterios: ductfbßQig,
(j*#jl^ nuvaris: voifißgi^.
(j**j^«yi>5 ^jtA}yAXSi> deUeoris, deUembris: dexifißgig.
TftrkUche Studien. I. 69
Unrichtig ist bei Zenker 920 c fllr nuvaris die Bedeutung
Januar' angegeben^ mit der Erklärung, es sei aus *januvaris
verkürzt. Die Lautveränderungen gehören fast alle schon der
griechischen Volkssprache an, so das Verklingen des Nasals in
riievris nuvaris deJcevris aus asnrißQig voißQig dexißgigy das
'Xt- aus -kt' in axteris. sitevris geht auf aerißgcg zurück, das
mundartlich vorkommt, z. B. in Cypern (Sakellarios KvnQicmd
n 779), und durch Einfluss des ital. settemhre zu erklären ist.
jj«-IJuJU kalendas ,erster des Monats' Bianchi 11 425.
Zenker 684 ist ngr. yLahxvzsg Nom. Plural, von lat. calendae.
XXI. Staatswesen»
Ausser den neu aufgenommenen au^(>^ bilddie ,budget',
c^LoJjoJ diplomaty xj^^LsOL» kanfelaria (ital.), wMjuOttj>
komiser ,commissaire', ^•^umjuo^ komision ,commi8sion',
^jMw3lJb«j» konferans ,conf6rence', ^y^y^ kongre ,congrfes',
yjJüo^Xj parlamento (ital.), {j^y^, polis ,Polizist' (frz. police),
9iAxXxiyj politika ,Politik', übertragen ,Schmeichelei% (j**j>j
prens ,prince', und anderen sind etwa zu nennen:
(jw«jJLj balioSj jj^^J^Lj hailos y früherer Titel der diplo-
matischen Agenten Venedigs und Frankreichs bei der Pforte:
venez. hailo, gr. ^Tt&'iXog.
&^^0, x^^lo dodie ,venezianischer Doge': it. doge, n3^ö
duka, it. duca, bezeichnet den Grossherzog von Toscana, dü»^^
^ß> das tyrrhenische Meer. Zenker 441 a.
^4X3^ fondo ,fonds publics, dette publique' Barb. II 434:
it. fando,
^•iol^^l imperator ,Kaiser% xsio^Jol«^! imperatoriöa
^Kaiserin': it. imperator e,
y^cj3 kaisary römischer und byzantinischer Kaiser': arabisch,
aus lat. Caesar. Der Name des gewaltigen Mannes ist von den
Orientalen in seiner alten römischen Aussprache aufgenommen
und als Eigenname mit derselben erhalten worden. Vgl. armen.
^'ujt'P. So erklärt sich auch das ai von got. kaisar, ahd: keisar.
vLimL^. öasar, wie die Türken früher den deutschen Kaiser
nannten (Barb. I 561), ist zunächst magy. csdszär.
TO I. Abbaadlaag { Meyer.
^J0*yXAM^y3 konsolos ^Consul einer fremden Macht' Barb.
11 581: it. consohy ngr. növaolag. Arabisch ^J-o-UJ.
(j^yuIo^U Palatinos ^ungarischer Palatin' Bianchi I 317:
lat. palatinus,
^\ re ,König' Zenker 473 c: it. re,
J^ sidiill ,registres des tribunaux, recueils de jugements
prononc^s en justice' Barb. II 70: arab. ^J^ aus byzantinisch
aiyiXXov, aiyiXkiov = lat. sigillum. Fränkel, De voc. peregr. 17.
Lagarde, Bildung der Nomina 101. Unrichtig Korsch, Archiv
für slav. PhUol. IX 668.
XXII. HllitSrwesen.
jü?^T abloka ,Blokade' Barb. I 5. Radioff I 634: venez.
ahlocOy bloca für it. hlocco,
Jiy arl^ das Commando Marsch! Barb. I 36: vom frz.
marche, durch Vermittlung des deutschen Commandos. Radioff
I 331.
yXiuJLi baliemez ^grosse Kanone': nach Barb. I 281 it.
palla e mezzo (richtig mezza) ,boulet et demi'; das Volk fasst
es volksetymologisch als w^ Jb hal jemez ,qm ne mange pas
de miel'.
IJuU banda ,bewaffnete Truppe; MiHtärmusik': it. banda.
xiKU baraka ,Feldlager der Soldaten' Barb. I 256: it.
baracca.
^^jüumo bastiun ^Bastion'^ Bianchi I 307: it. bastione.
LjjUaj batarja, auch bJöb batria Bianchi 1311 ,Batterie':
it. batteria.
JL^^«Ä. öurdial ,cordelette ou ficelle avec laquelle on fait
mouvoir T^toupille qui met le feu au canon' Barb. I 607 : ,mot
^tranger'.
Jlwi^ diteneral ,General in einer fremden Armee' Barb.
I 540: it. generale,
}kky3 foga Commandoruf ,Feuer!' Barb. 11 433: it. fuocOy
venez. fogo.
Ttirkische Studien. I. 71
ioLyJ, JoLli fisat^ fussat, >:LfLu^ fustat ,Zelt' Bianchi
n 383: arab. LLli, klk-M^i, aus gr. (poaaaxov ,Lager, Heer^ =
lat. fossätum, Fränkel 237.
9^y9 funja ,Zündpulver^ Barb. 11 434 ist westlichen Ur-
sprungs verdächtig.
^y^X^j ^yjy^ hartudi, xartudi ,Patrone' Barb. I 635.
692: it. cartuecia, frz. cartouche.
vAA^I ishir ysoldat charg^ de Tcntretien des chevaux^
Barb. I 46: it. sbirrOy dessen Bedeutung aber nicht überein-
stimmt.
j^^Ij kanun: ,on nomme kanun une plaque de m^tal
sur laquelle ce mot (la loi) est grave; de Ik le surnom donn^ k
la gendarmerie militaire dont les soldats portent cette plaque sur
la poitrine' Barb. 11477: gr. TLavcjv, durchs Arabische. Vgl. S. 60.
J^amjLs kapsul , Lunte der Feuerwaffen^ Barb. 11 440 :
frz. capsuhj it. Capsula.
&JUjI^ karabina ^Karabiner' Jussuf 537: it. carahina.
s JuLe^' komanda ,Commando', ^\d^\j6y9 komandan ,Be-
fehlshaber^ aus it. comando, comandante, Aelter ist «JuLoy»
komandar ,chef*, besonders ,chef de Tordre des Chevaliers de
Malte^ Barb. U 578.
1^1 Juy» kondak ,Schaft der Flinte^ Jussuf 615: gr. %ovTa%i
von agr. TLOvrög ,Stange^ ^^J^y^ in der Bedeutung ,Windeln^
kann gr. xovrdxtov ,Rolle' sein (Sophoklis); ngr. yLOvrai^j, %ovyza%
,in Windeln gewickeltes Kind^ im Pontus, Syllogos XVIII 141.
»s^Luo manevray manovra ^Truppenübung^: it. manovra,
frz. manoRuvre.
syiJiXji martoloz ,ancien corsaire du Danube^ Jussuf 683;
nach Zenker ,Art christlicher Soldat in der Türkei^: gr. äQ^Aa-
Twlög von lat. arma. Mi., Türk. El. II 21. Nachtr. I 81.
{^^xxAxx mendienik ,Belagerungsmaschine' Barb. II 788:
auch im Persischen und Arabischen, aus gr. fiayyaptnöv bei den
Byzantinern.
vaJCyMüg misJcet ,Mu8kete' Jussuf 743: it. moschetto.
{j*»«j^l obu€ jGranate^: frz. obua,
aJ«\U parola ,mot d'ordre, mot de passe^ Barb. I 379:
it. parola.
7^ I. Abhandlung: Meyer.
JLuo pinial ,couteau h lame longue et effil^e, synonyme
de arnaut H$s, ^p^e albanaise^ Barb. I 412: it. pu^ale, alb.
geg. pindl Et. Wtb. d. Alb. 3;J8.
^ZÄo piHov jPistole^- it. pistola. Vgl. Et. Wtb. d. Alb. 339.
'^)yv^)^ y^)y^)) '^^P^^^y raporto , militärische Meldung^
Jussuf 971: frz. rapport und it. rapp&rto,
v:yUd«-o soltat ,Soldat^ ,Ce n^ologisme d^signe prinei-
palement les fusiliers des milices organis^es k Teurop^enne'
Barb. II 234: frz. soldat.
^yj türa ,Schild* Bianchi I 482": arabisch; aus gr. &vQ86g.
Fränkel 241.
^L)4>^l^, jjL-)4>xL^ vardijan, gardijan , Wächter, Wache,
Schild wache^ Barb. II 835. Jussuf 1332: it. guardiano, vardiano,
[jfi>Xh. gardija ,garde, faction, corps de garde' Barb. II 378:
it. guardia.
XXIII. Seewesen.
»JoUifl alahanda ,das gleichzeitige Abfeuern aller Ka-
nonen auf der einen Seite des Schiffes^; tibertragen ,heftige
Vorwürfet Barb. I 99. Radioff I 366: it. alla handa.
^\yi^\ alabura ,das Umstürzen von Schiffen' Radioff I 367:
gewiss italienisch, doch. finde ich den Terminus nirgends.
xjLo^I alamana ,kleines Schiff, grosses Fischerboot', auch
,gro8ses Netz' Barb. I 101. Vgl alamena qatghy ,barque arm^e
de quatre ou cinq paires de rames, qui fait, dans la Mer noire,
la pßche de la bonite' Jal 92 : ngr. äg^iov ,Segel, Schiff'.
Ä^jifl alarga ,offenes Meer'; als Zuruf, um eine An-
näherung ans Schiff zu verhindern, alarga etmeK ,das offene
Meer gewinnen' Barb. I 100. Radioff I 360: it. allarga! ,fern
gehalten', allargarsi ,auf die hohe See gehen', = mettersi al
largo, prender la larga, Ngr. äXccQyay äXaQydQo). Vgl. Jal 93.
K^l albora, mit etmefc ,die Segel hissen' Barb. I 102:
it. alberare ,den Mast aufstecken' Jal 93. Vom Imperativ.
UuaJI alesta ,fertig, bereit', mit etmelc ,ein Schiff ausrüsten'
Barb. I 106. Radioff I 106: it. allestire una nave, ,ein Schiff'
TftrkiMrh« .StvdieD. I. 73
aüsr&sten^'. Jal 104 Aihrt auch ale^ftare und lestare als ita-
Henisch an.
I«y»l amuray mit etmelc ,die Segel des Hauptmastes und
des Fockmastes losmachen' Barb. I 118: it. Cajmurarty frz.
amurer Jal 122. 123.
Jf«jutl amiral ^Admiral' Barb. I 119: frz. amiral. Das
Wort ist arabischen Ursprungs.
jJLa3I aniU ^eiserner Ring am Ende des Ankers' Barb.
I 129. Radioff I 233: it. anello, altit. anella Jal 136.
Uxjl arUena Jussuf 38, 9Jui^\ artena Radioff I 312 ,Segel-
Stange, Raa': it. antenna.
yLul apikoy mit etmeU ^m Anker so ziehen, dass die
Kette vertical ist*; als Adj. ^geschickt*. Barb. I 7: it. a picea
Jal 32.
U J ariOj mit etmelc ,ein Segel aufmachen, es g^en den
Wind steUen' Barb. I 41: it. dare delV aria alla nave ^ugmenter
sa Titesse' Jal 644 unter erre.
jüt J arma ,Takelwerk eines Fahrzeuges'; auch ^Wappen'.
Barb. I 39. Radioff I 339: it arme. )y*>^^ armadur ,Au8-
rOster eines Schiffes' Barb. I 39. Radioff I 340: iL armatore,
s. Jal 169 unter armaieur.
UJJ ataria ^Seeschaden' Jussuf 53: it. avaria, Jal 206.
I JUb bakalera ,plaque de fer qui gamit les mortaises,
alumelle' Barb. I 305: it. baccalaro Jal 213.
B^JüU banderoy handira ,Schiffsflagge' Barb. I 281 : iL
handiera.
juuU harka ,Barke, grosses Boof Barb. I 258: iL barca.
a^«Lj barie ^grosses Boot, chaloupe de guerre' Barb. I 257 ge-
hört zu afrz. bar^y prov. barja, it. bargioj russ. (iapsa ,barque,
canot de parade' Jal 247 ffl
^^iflLMrL boHun ,Stock', in der Marine Barb. I 261 : it.
hattone Jal 267.
74 !• Abhandlung t Meyer.
it^^ül^Lj, »t^JC^L bastarda, baHarda ,gro8se Galeere, be-
sonders die Luxusgaleere des Kapudan Pa^a^ Barb. I 261. 265:
it. bastarda Jal 263.
LaajL batenta ,Gesundheitspass' Zenker 157 b: ii. patente,
ülo berage ^Vorrichtung, um die Kanone an Bord un-
beweglich zu machen' Barb. I 293: it. braca, venez. braga
,Ho8e', braca del cannoney s. Boerio 96. Jal 330.
sjöl^ bsranda ^Lagerstätte der Soldaten an Bord eines
Kriegsschiffes' Barb. I 293: it. branda ,Matrosenbett'.
LumIo, LumIo berasia^ perasia ^Brassen' Barb. I 292:
it. braccia,
äJöI^ bivata , Jungfer, Jungfemblock, cap de mouton'
Barb. I 316: it. bigotta Jal 291.
9^y^ bodia ,Commandoruf an den Steuermann = frz.
arrive' Barb. 1319: it. poggiare ,laisser arriver' Jal 1191.
\^yJ bora ,heftiger Sturm' Barb. I 321: it. bora. Vgl.
Et. Wtb! d. Alb 42.
KLk^\syj borandiine ,virole de mätal k Textr^mitä de la
poulie', frz. ,cercles, frettes' Barb. I 321: unklar.
^f>\y^ borda ,Schiffsseite, Bord' Barb. 1323: it. bordo.
xJüjo borine ,Art Taue'. aüLü*^ borinete ebenso. Barb.
I 328: venez. borina, borineta = it. bolina, Jal 316.
auu.^, ^yi böse, bosa ,Art Tau' Barb. I 332. 334: it.
bozza Jal 330.
^^ü^ bonavila ^trou du chat, Soldatengat' Barb. I 347 :
unklar.
&3 «j o bojuna ,godille, grosser Bootsriemen' Barb. I 353 :
unklar.
aüülo, '^'t^. ^'''^^t^^} pranka ,Kette der Galeerensträf-
linge* Barb. I 293. 390 : altit. branco ,chaines qui servaient k
attacher k un banc tous les rameurs de ce banc' Jal 334. Vgl.
Et. Wtb. d. Alb. 350 unter prange,
(3j*j brik ,Art Fahrzeug' Barb. I 297, (^Jyjf ihrek
Bianchi 1 8 : frz. brick aus engl, brigg, wahrscheinlich Abkür-
zung von brigantine.
TftrkiBcbe Studien. I. 75
5i>^Luo»j bumbarda ,Art Fahrzeug' Barb. I 347 : it. iow-
barda ,galiote k bombes, petit navire latin' Jal 306.
&ijo^ bumbe ^Raa des Besanmastes^ Barb. I 347 : scheint
it. bomay Jal 306 unter bome,
xicl^^yj bv/rgata ^planche trfes-plate qui sert k mesurer
r^paisseor des cäbles^ Barb. I 324: unklar.
I^jLoIä 6amariva ^commandement pour hisser les grie-
ments, les vergues, le pavillon etc.' Barb. I 571: wohl it. cima
arriva.
öima .Tauende, kleines Tau, das man beim Landen
ans Land wirft' Barb. I 630: it. cima.
yj^^^ diimen ,Steuer' Barb. I 768: it. timone] ngr. ft^re.
8^(>I•J^^ diivadera .civadifere' Barb. I 549: it. civadera
,nom d'une voile k peu prfes abandonn^e aujourd'hui, qui s'atta-
chait k une vergue suspendue sous le mkt de beauprä' Jal 477.
&£^LiLAMl Bska^a ,carlingue de mat, assemblage de char-
pente sur laquelle est fix^ le pied du mät' Barb. I 54: it. scaasa
Jal 1326.
sJLLm»! eskalera ,^chelle de commandement , au flanc
droit du navire' Barb. I 54: it. scala reale.
&2^Liuwt eskandie, mit etmek ,die Wache ablösen' Barb.
I 54 : it. scangiarey scangio.
*Ä.%lJuwt eskar^e ,charger en estive, Güter laden, die zu-
sammengepresst werden können' Barb. I 54 : it. carica.
\yAXjLkät\ sskarmoz ,Ruderspiker, Rudernagel, cheville k
laquefie on fixe la rame' Barb. I 54: gr. axaX^iÖQy woher it.
scalmOj scarmo stammt. Jal 1460 unter tolet
ycjjLJ Bskarso , Gegenwind' Barb. I 54: it. scarso
Jal 1326.
^LoLyuwl eskopamar ,Leesegel, Beisegel' Barb. 154: it.
icopamari Jal 1331.
aJo^AMil eskute ,SegeUeinen, Schoten' Barb. I 55 : it. scotte,
aus dem Deutschen.
«Jj^CamI esturpa ,Besen aus Tauenden' Barb. I 52, bei
Bianchi I 75 o vÄ.«mI istropa ,perche, verge' : it. stroppo.
lO I* AbhandloDg: Meyer.
jj**«jLi fanvSyfanos ,Laterne, Leuchtthurm^ Bianchi II 346.
Aach arabisch und persisch: gr. qxxvdg.
^Lxi fener ,Fanal, Laterne' Barb. 11 429: gr. qtav&qi von
qxxvög. Auch im Arabischen^ Fränkel 96.
K3fh ßluka, fuluka ,Art Schiff' Barb. 11 428 : it. feluca.
Auch arab. is^ stammt daher. Das italienische Wort selbst
aber ist arabischen Ursprungs^ vgl. Körting 3372; das arab.
folk will man von gr. iq>6Xiuov herleiten.
&Ai«J farkata ,Fregatte' Barb. 11411: it. fregata, span.
fragatay ngr. q>€^dda. Das Wort ist unbekannten Ursprungs.
i^y^y^j C^^T* fa''^^^^'^^} fi'fkatin entspricht span. fragatin,
it, fregatina ^kleine Fregatte'; it fregaUme ^grösseres Schiff'.
Vgl. Jal 718 ff.
ssJCm^J fesket ^Schiffspfeife' Barb. II 417 : it. fischietto.
aüe^ filama ,Wimpel' Barb. II 425: it. fiamma, lat.
flamma Jal 699. Das gewöhnlichere Wort fllr ,Wimpel' ist
Bj Jo^ki filandra, flandera Jussuf 299. Barb. II 425, woher ngr.
q)iXdvTQa] es scheint eine Contamination von flamma und it.
bandiera zu sein.
yXxi filo ^kleine Escadre von Kriegsschiffen' Barb. II 437 :
it. filo.
«^LlU filenk ,barres de bois transversales sur lesquelles
gUsse le rouleau^ en usage dans les chantiers de construction
et les remisages de bateau; poutres paralleles sur lesquelles
repose la chaloupe, quand eile a ^t^ hiss^e k bord' Barb. II 427 :
it. fianco, frz. flanc?
Ss4>^ f ödere ^Fütterung des Schiffes'; auch überhaupt
,Futter' Barb 11 432: it. fodero aus dem Deutschen.
Uyi fora ^Commandoruf zum Oeffiaen der Segel' Barb.
n 432 : it. fuoray venez. fora,
sjü^ funda ,Commando zum Ankerwerfen' Barb. U434:
it. fondo.
ftJLlfiu^, ^f^)yi firtsna, furtuna ,Sturm' Barb. II 432:
it. fortuna^ ngr. qxwQZOvva,
auuL^ gabia ^Marssegel' Barb. II 377: it. gabbia. Jal 728.
THrkiiche Studien. I. 77
^(\j\y£ grandi ^Hanptmast^ Barb. II 382: it. grande,
lüuoy^ gomanaj gumena ^starkes Tan zum Ankern' Barb.
n 391: it. gomona, gomena^ gumina , Ankertau', das man für
arabischen Ursprungs hält. Vgl. S. 9.
«JoIäj^ gurdata ,Art Bj*euzhölzer am Mast' Barb. 11 390:
it. crocetta Ja! 546.
B3^y^ §iijertay §iiverta ^Oberdeck' Barb. II 671: it. co-
pertay venez. coverta,
v;:^Ia4jI imhat ,bon vent, vent du large ou d'amont; bonne
brise qui Souffle tantöt du levant et tantöt du ponant' Barb.
1241. ^*U hati ,Westwind; Sonnenuntergang' Bianchi I 295:
gr. ifirr&Ttjg ,occident' Legrand ; ifmdrTjg ,vento foraneo' Soma-
vera. Von ifißaivw,
iJXamI isUele ^Landungsplatz' Barb. I 55: lat. scala; über
e vgl. Et. Wtb. d. Alb. 406 f.
JoJuüLmI iskandil ^Senkblei' Barb. I 54: it. acandaglio]
Jal 1324 gibt auch die Form scandiglio] ngr. (TxayrdAt, anuxvtlXv,
(^^LumI ispaoliy ispavli ,Art dünne Taue' Barb. I 46: it.
spago. Vgl. Jal 1375 unter spaolo,
xÄA^^LxMit isparöina ,noeuds de chanvre enroul^s autour
des cordages' Barb. I 46: it. sparcina, aparzina Jal 1376 (ge-
nuesisch und venezianisch).
jü^LiAM^t ispilata , Fähre, Fahrzeug' Zenker 36b: ro-
manisch, vgl. mlat. platta, it. piatta, frz. plate , Wasserfahrzeug
mit plattem Boden', aber zunächst se. splata ,Fähre, Floss'.
Mi., Slav. El. 9.
LüLumI istalia ,Liegezeit eines Schiffes' Barb. I 48: it.
stallia.
«^.ajuumI istif, mit etmeU ,Ballast, Waaren einladen' Barb.
I 52: it. stivare ,BalIast einladen'; ngr. axLß&q^a.
9JüJim\ istinga ,die Segel aufgeien' Barb. I 51 : port.
estingar ,die Segel einholen', ngr. ariYydQw, Jal 425 unter
carguer. Das Wort ist wohl mit it. stringare ,zusammen-
schnüren' identisch.
lüJlwuyul istralie ,Art Taue, Stag, Stütze' Barb. I 50:
it. straglio.
78 I. Abhuidlang : Meyer.
^Lo^wZiA^f istromaia ,corde8 ou chaines entortill^es, entre-
lacees^ Jussuf 498: it. stramazzo ,paqnet de vieilles cordes ou
nattes pour soutenir le recul des canons dans un vaisseau'
Jal 1394.
^L jaliy jale ,Ufer des Meeres oder eines Flusses; Lust-
haus am Meeresstrande' Barb. II 871: gr. yiaXög ,Ufer' aus
alytaXög.
Lmju jisa Commandoruf zum Hissen der Segel. Barb.
II 897: it. issarSf frz. hisser. Jal 830. Aus dem Deutschen.
&3oU kadena ,Kette der Galeerensclaven' Barb. II 447:
it. catenay venez. cadena.
xÄj4>U, &ejjui' kaderga ^grosse Galeere^ Barb. II 447:
gr. yidreoyov.
VKiiLftJj kalafat ,da8 Kalfatern' Barb. II 530: it. calafatare'^
das türkische Wort gibt jedenfalls die europäische Form des
in seinem Ursprünge noch nicht ganz klaren Wortes wieder.
Vgl. Dozy-Engehnann 376. Fränkel 230.
iuaJU kalema ^Haufen zusammengerollter eiserner Taue
zum Halten des Ankers' Barb. H 470: it. calumarej span.
calomar bedeutet ,ein Tau nachlassen'. Eher aus it. colmo oder
colmata ,Haufen, Anhäufung'.
aüuJjJ kalieta ,Schiffszwieback' Barb. II 533: it. galetta.
&aaJU kalieta ,Art SchiflP^ Barb. H 533: it. galeotta, frz.
galiote, Jal 760.
^ftjJU, lO^^ kaliun ,Art Kriegsschiff' Barb. H 535:
it. galeone, Jal 757.
Swoli kamara ,Schiffscabine' Barb. II 472 : it. camera.
Davon v:y^%joU kamerot ,Diener, Kellner an Bord', it. canierotto,
aJojftAJ kapurta ,Luke' Barb. II 498: it. boccaporta, gr.
(ifCOvxartÖQTa. Jal 614.
^jUjli kaptan ^chiffscapitän'. ^\i>yxS kapudan ,Ad-
miral'. Barb. H 440. 498: it. capitano. Das zweite ist das
ältere Lehnwort.
aUAA^lJg karantina ^Quarantäne' Barb. II 505: it. qua-
rantina.
80 I. Abbandlang: Meyer.
j^^yi' Uörfüz, Uörfez ,Golf' Barb. II 659. Jussuf 590: ngr.
xÖQqfog aus lidXftog. jij^ ist auch der türkische Name der Insel
Korfu, der von noQvq)^ herstammt, s. Hatzidakis, Einleitung 373.
i^A^ Kila ,BaeP Barb. II 689 : it. chiglia, frz. quille, aus
dem Deutschen.
Ä&Äif la§ka ^halbgeapanntes Tau' Barb. 11 695: venez.
lascare Boerio 361. Jal 913.
«
jXÜ lenzer ,Anker' Barb. 11 705: persisch (Vullers
II 1099). Arabisch ^\ geht auf gr. äyxvQa zurück. Das per-
sische Wort ist nicht klar (Nöldeke, Pers. Stud. 11 39) , die
Erklärung aus it. Vancora mit festgewachsenem Artikel (Mi.,
Tu. El. n 16) ist unmöglich. Bianchi I 224 kennt auch ein
türkisches, dort ftlr persisch ausgegebenes y^\ enger , Ankert
1^ leva ,Commando beim Rudern, aux rames!' Jussuf
655: it levare, leva remo Jal 925.
^jUaJ liman ,Hafen' Barb. II 711: gr. Atjwijy; ngr. Xifidvi
ist aus dem Türkischen zurück entlehnt.
lu^jJ limbe ,Transportschiff auf der Donau' Barb 11 711:
gr. Ufxßog.
jj*#^t>^ lodos ,Südwind' Barb. II 707: gr. vötog. l aus n
auch in ^J^J^ latrun fUr natrun ,Natron'; vgl. nehlehi für
Uhlebi Et. Wtb. d. Alb. 302. 525.
^U/o^ lomhar ,Stückpforte', auch )y^y^ lomhur Jussuf
661: mit ngr. lovfiirdQda ,Bombe' (Et. Wtb. d. Alb. 251) zu-
sammenhängend ? vgl. it. cannoniera. Bretonisch lamhourz
Jal 1302 klingt an; auch der Ursprung von frz. sabord ist
nicht aufgeklärt: steckt in allen diesen Wörtern porta (vgl. it.
portello u. ä. für ,StückpforteO ?
s%Ju«J lundraj lundura ,Art Boot' Barb. II 709: rum.
luntre ,Art Kahn' aus lat. Unter ^ lunter, Alb. Tundra, ngr. hiv-
tQa, it. londra Et. Wtb. d. Alb. 251. Macedorum. Undure
(X(poftovQ<jc) nach Kavalliotis S. 17 unter ßägna] dies ist nicht
unrichtig, wie Mi., Rum. Unters. I 2, 22, Rum. Lautl. 11, 55
annimmt, sondern gibt das türk. lundura wieder. Auch serb.
bulg. lontra nach Jal 941. Mir scheint das wahrscheinlichste,
dass das türkische Wort aus dem Rumänischen stammt, und
dass die Türken es weiter verbreitet haben.
TftrUfohe Sindito« L 81
Jü^Lo maiuna ,Winde zum Aufrichten der Masten*
Barb. II 714: venez. mazzona ,pestello grande* Boerio 407.
mandiana ^grosser Bottich fUr Trinkwasser an
Bord^ Barb. H 788. Unklar.
xl^M^Lt maneska ,grand paran [soll wohl heissen: palan]
muni d*une poulie k languettes^ Barb. U 721: it, manescof
aLAjuLo manika ^Windsegel, Windbeutel' Barb. II 723 : it.
manica. Jal 962. 965. Dasselbe manica in der Bedeutung
^Trupp Soldaten' ist wohl «iüLo manka ^r^union des matelots
autour de la gamelle' Barb. 11 723.
«J.jL>Le manivela .Kurbel des Steuers' Barb. 11 723: it.
manovella,
SwuauLo majistra ^H^uptsegel am Hauptmast' Barb. 11 724:
it. maestra. Jal 952.
LoLt majna Commando zum Streichen der Segel. Barb.
II 725: it. mainarey ammainare.
_x3Le mantiy jl JüLo mandar, LJLyl^Lo mantilia ^Hisstau'
Barb. 11 720. 721: it. mante^ amante, (ajmantiglio, Jal 968 f.
KJjuC^yLo masteka, aüU^ü pasteka ,Kinnbacksblock' Barb.
II 716. I 381: it. paMeca. Jal 1141.
aIdLo mata ,Block zum Aufgeien' Barb. II 717: altvenez.
matta, ngr. |ti<fra. Jal 989.
j^Üue metafor ,am Schiff aufgehängtes Boot' Barb. 11 728.
Unklar. Hat griechisches Aussehen; fierico^og?
JjjjjMjd mistiko ,Art Fahrzeug' Zenker 845 a: span. misticOy
das selbst aus arab. Ja*M^ entstanden ist. Dozy-Engelmann 314.
iJyo mala Commando zum Nachlassen eines Taues; auch
yRuhe, Ausruhen, Nachlassen' im Allgemeinen. aJ^I amola ,vor-
wärts', Ruf derKaikdii: it. mollare ,nachlassen'. aJ^Uiö heja-
mola Ruf beim Aufziehen einer Last. Barb. H 799. 857.
Jossuf 745.
ys^^y^ muiOy y^$^ miöo^ me6o ^Schiffsjunge' Barb. H 795.
804: it. mozzo. Vgl. Körting Nr. 5515.
^^b navi jgrosses Segelboot' Barb. II 815: it. nave.
SiUnngsber. d. phU..hiBt. Q. CXXYUI. Bd. 1. Abb. ^
82 I« Abbftadlang: Meyer.
^j^ «b navlun ^Befrachtung; Miethen eines Schiffes^ Barb.
n 815: gr. vaClov,
^yi neütijj nutij ^marin^ pilote* Bianchi 11 1144: arabisch,
aus gr. vavTfjg. Fränkel 221.
(j*»«3lju>^l okianus^ u**^^' ekianos ,Ocean' Bianchi
I 253. 161: gr. &y(jB(xv6g.
U^^l orsa ,Backbord^ Barb. I 152. Radioff I 1076: it.
orza, Jal 1098.
«Lo^U palamar ,Ankertau, Verbindungstau' Barb. I 384:
it. palamara, palomheray cat. palomera, ngr. TtaXan&Qi, Jal
11 12 ff. Der Ursprung des Wortes ist nicht aufgeklärt; viel-
leicht ist vom Griechischen auszugehen und das Tau, womit
man das Land fasst, als ,Hand' (Dem. von nahifif]) bezeichnet.
aWJ >U pareme ist nach Barb. I 379 eine Entstellung von jU\^^.
yü^L^ palanko ,Hisse' Barb. I 385: it. palanco, paranco
Jal 1113. Den gleichen Ursprung hat &Ä3^U palanka ,Art
Talje' Barb. I 405. Zu Grunde liegt wohl qpctAay?.
aü>^^l^ palaserte ,Ruste' Barb. I 384: it. parasarchie,
genuesisch parasartie, Jal 1131.
Äjijyiu*wifU palasturpa ,^couvillon, Kanonenwischer' Barb.
I 384: Jal 1112 hat aus der arabischen Marinesprache Nord-
afnkas pala stupa ,valet'. Wohl palla a stoppa ^Kugel mit
Werg'.
Sj^^ü palavre ,Kuhbrilcke' (leichtes Deck unterhalb der
untersten Batterie) Barb. I 385: schwerUch romanisch; es er-
innert an russ. nady6a, serb. palub , Verdeck' Jal 1120.
iujU panie ,Tau, womit das Hintertheil des Kaik am
Lande befestigt wird' Barb. I 387: unklar. Gr. Ttavid sind
,Segel'.
yüibL papafingo ,Bramsegel' Barb. I 371: it. pappaßco^
venez. papafigo,
J^I^U, J^to paraöoly peraöol ,courbe. Knie in der
Schiffsconstruction' Barb. I 377. 390: it. bracduolo.
y:>S\XiparaKet ,Log, Geschwindigkeitsmesser eines Schiffes'
Barb. I 377: altit. barchetta, daher auch ngr. naqyLhay arabisch
in Nordafrika ferghetta] vgl. span. barquilla, port. barquilha^
Ttrkiscbe StndiMi. I. 88
frz. früher petit navire] noch jetzt heisst das dazu gehörige
Brettchen bateau. Jal 939 unter lok.
«i^b parle ,Block des. Kaheltaus^ Barh. I 378: unklar.
Span, paral espice de rouleau pour tirer les navires k sec sur
le rivage. Jal 1129.
a^MOöl^ paterisse^ ft^ly>L^ pateraie ,Pardunen, Art Taue*
Barb. I 372. 373: patarcuzi, paterassi,
^yjj^ patrona ,Vice-Admiral in der alten türkischen
Flotte*; ^Fl^ge am Fockmast des Admiralschiffes*. Barb. I 372:
it. patrona hiess das SchiflF des Vice-Admirals. Boerio 483.
^^yy2lj patrun ist nach Bianchi I 295 ,patron de barque*.
iüXjSjJ perKende ^kleine Brigg, besonders FreibeuterschiflF*
Barb. I 394: it. hrigantino,
y»o pemo yHaken eines Blocks* Barb. 1 397: it, pemo
,Zapfen, Pflock*.
JnCo pifiel ,Signalflagge am Mäste* Barb. I 426: it. pen-
nello ^Fähnchen*.
Iä.^ pod£a ^Steuerbord* Barb. I 414: it. poggia.
iotü ponat ^Beisegel* Barb. I 409: it. boneUa. Jal 308.
\lo^ pojrazy vulgäre Aussprache porjaz ,Nordo8twind*
Barb. i 421: ngr. ßoqiäq aus ßoqiag,
Ä^lw prama^ prame ,zweirudrige Barke zum Uebersetzen
von einer Seite des goldenen Hernes auf die andere* Barb.
I 390. Bei Jal 1161 pereme: gr. rciga^ passage, barque*.
Vgl. Mi., Slav. El. 17.
s^y^^ pukrava ,parties de la membrure du navire qui
s'appuient sur la carlingue contre les bordages appel^s vaigres*.
Barb. I 419 : schwerUch romanisch. Man wird an russ. noKpoB'b
,Decke, Dach* erinnert,
JÜÜ^ puntal ,Hohl eines Schiffes* Barb. I 420: it. pon-
tale. Jal 1200.
Hfi P^^ ,Hintertheil des Schiffes* Barb. I 412: it. poppa,
venez. pupa.
'JyOy^. pumla ,Compa8s* Barb. I 418: it. htissola,
6»
84 I* Abbudlnng: M«yer.
&xxK rampa ^Enterhaken' Barb. Uli: it. rampo, rampa
;Haken, Kralle*.
sJüK randa ,Brigg8egel' Barb. II 11: it. randa ,Girkßegel^
«JL)j Txala, auch riala-bej ,Contre-Admiral* in der alten
türkischen Marine. Barb. 11 31: eigentlich Commandant der
reale genannten Galere.
o^^% roKet ,Signalrakete bei der Rettung Schiffbrüchiger'
Barb. 11 29: it. rocchetta ^Rakete'.
5^x*o, »j.jLo safra, aabura, 5o\ zafra, zefre^ zafura
ySchiffsballast' Barb. 11210. 41: it. savorra und zavorra', vgl.
Et. Wtb. d. Alb. 420; die Form mit ^ kann aus arab. ijy:-^
stammen, das direct auf lat. saburra zurückgeht.
aüuLo iüJLmi salta marka ,Art Matrosenjacke' Barb. II 62:
it. saltambarco.
aJo^ULo saparta , Geschützsalve von einer Seite des
Schiffes' Barb. II 171: it. sabordo ist ,Stückpforte', bordata die
,volle Lage, Salve'.
väjjLa* 8art ,Wanttau' Barb. 11 58: it. »arte. Jal 1319.
Laam sia Commandoruf zum Rückwärtsrudem. Barb.
II 118: it. sdare, venez. siar; ngr. ai&Qw. Jal 1330.
s^JumXm ailistra ^Pfeife' Barb. II 92: gr. avQlazQa.
aüjuCJUw sintinay sentina ^unterster Schiffsraum, Kielraum'
Barb. II 100: it. sentina,
\iHj, (j*»ifL>, silllo talaZj taUis ,Meereswoge' Barb. I 435.
n 265: gr. d-dlaaaa.
^j^^Uo tavlun ,Planken des Verdeckes' Barb. II 274:
it. tavolone.
)lyx\yj3 tiramola ,Art Winde' Barb. 1506: it. tiramolle.
&j5Lj^ tonilata ,Tonne, Schiffslast von 792 Oka' Barb.
n 331: it. tonellata,
^(Xx^^yic torpido ,Torpedo' Jussuf 1195. Auch JU^ ^^
torpily aus frz. torpille.
ÄÄiJü^- trinUeta, oJOjyJ tirinKet ,Fockmast' Barb. I 464.
Jussuf 1204: it. trinchetta, ^jj^xSCljJS trinUetin ,kleiner Fock-
mast'. Jal 1490.
Tftridscbe Studien. I. 85
%»jl^ vapor jDampfschiff* Barb. 11 834: it. vapore^ ngr.
ßaTtÖQi,
K^iktyS 1^)1^ varda kosta ^Art Schiff zur Bewachung der
Küsten' Barb. 11 835: it. guardacoste, venez. vardacoste,
&3Lol(>J^ vardamane ^Art Lederhandschuhe zum Schutz
der Hände beim Segelaufziehen*; auch die Seile, welche das
GeUlnder der Schiffstreppen bilden, heissen so. Barb. 11 835:
it. guardamano.
^y aüJ^I volta, olta ,das Lavieren' Jussuf 1240; nach
Barb. 11 845 ,roulis; bördle d'un navire': it. volta.
Anhangsweise sei erwähnt, dass auch die englischen Aus-
drücke yyAMt\ BskrOy \y^^^ uskur ,screw, Schraube' (Barb.
I 54. Jussuf 923), v^JL^A eskune ,8chooner', v:l>^ajo feribot
,ferry boat', Jux^J^ fulispid ,full speed', j^^y^t istim ,8teamer',
y^ySy ^y^yS koter^ kotra ,cutter' in die türkische Marinesprache
Eingang gefunden haben.
XXIY. Yerschledene Neologismen.
Ich stelle hier ganz kurz eine Anzahl der neuen Ausdrücke
zusammen, welche mit dem Eindringen der abendländischen
Cultur in den osmanisch-türkischen Wortschatz Aufnahme ge-
fanden haben, ohne irgend Vollständigkeit zu beabsichtigen.
&3^l abone ,abonn^'; sdüaü^jl abonelik ,abonnement\
Aju^l anonim ,anonyme'.
VÄ»^y azot ,azote'.
^^^L balun ,ballon'. Davon ^^JL balundiu ,a^ronaute'.
yyXA^Xj barumetru ,baromfetre', it. barometro,
SjliU^, SjliU^ iegara, diigare ,Cigarette'. Auch 5sljbu»#
sigara. i^nXkx^ öeyarahk ,Cigarettenspitze'.
aL«^lAj(> diploma ,dipl6me, certilicat'.
)y^^^ doktor ,Arzt'.
jS.^0 dtiS ,douche'.
86 I* Abhftadliinf : Xejer.
^^^^ajua«IjUa:>> dümnastik ^gymnastique^
Ixil Jü>. dJtagrafia ^g^ographie^
^3juC*wiH eloMik ,^lastique'; auch ,3aa^5> lastik.
^yXS3\ eleJctrik ,^lectricit^^
^j«uA*LxuU famuMun ,fraiic-ma9on'.
^jLAaJLj filigran ,filigrane% im Türkischen ,Papier mit
Wasserzeichen^
&A^%jLi fiaika ^physique^
9J0sy3 forma ,Satzform in der Druckerei; Druckbogen^;
auch ,Uniform^
jU-ft-i*^ fosfor ,pho8phore^
\3\ykyioy3 fotogtaf ,photographe^
&jy^ gazeta^ kazeta ^Zeitung^^ it. gcuusetta,
)fiy^ 9^P^^ ,guipure^
LuoLumI istampa ^Presse^^ it. stampa,
^^juuM«JUu«;f istatiftik ^statistique'.
yü\li kazino ^casino^ it.
syXSö^yi kdndektor^ kondüktör yConducteur', in Eisenbahn
oder Tramway.
ntXxi^AMjyS konsolide ^titres de la dette consolid^e^
iUyS kupe ^coup^^ in der Eisenbahn.
^Ju^ lando ^landau^; Art Wagen.
[jj\y^yjjJ litografia ,Iithographie^
K4XjsikyS logaritma ^ogarithme^
ÄJ%L)«J lotarija ,loterie^
^ULo miljar ^miUiard^
^j^jcL« miljon ,million^
54>^ moda ,Mode^
li'syjo muze ,mu8^e^
^wo*3 nilmero ,numero^
TArkUcIa« StadUa. I. 87
[ji^yjuJuo^\ Omnibus ^OmnibusS
saoKU parapet ,parapet^
»S\Lj parUe ,parqiiet^
J.WÜ petrol ,p^trole^ In Makedonien gas. Bilguer 16.
j^pko plan ,plan^
^^LiM«^ porslan ^Porzellangefkss zum Isoliren der Drähte
im Telegraphenapparat^
vs^uiM^ post yposte, emploi publica
kIoLo^ pomata ,Pommade*, it. pomata,
,^^> reÜ ^TabakmonopoP^ frz. rigie,
^^Lo salon ySalon^
^j^Aa-u* sifon ,8iphon^
^JuijuM silindir ,cylindre*, Dampfmaschine in der Litho-
graphie.
nOydO soda ySoda^
s%i^ äifra jchiflfre^, Geheimschrift.
^^&Jb telefon ,tä^phon^
olyÜJ telegraf ,töWgraphe^, auch für ^tä^gramme'.
^yX/oyoJS termometro ^Thermometer^ it.
^s^\y2 teravers ,traver8e*, beim Schienenbau.
<:^syj^ju^} j3 teransport ^transport^^ Ausdruck der Litho-
graphie.
^fS teren ^Eisenbahnzug^^ frz. traiJiy it. treno.
öyj tül ,tulle^
^yjyj tiinel ,Tunnel' engl.
^^1^ vagon ,Waggon^
a^yjük* iandarma ,gendarme^
JU««^ iv/rnal Journal^ rapport de police^
88 I« AblMuidlanf ; l[*7*r.
Nachtrage.
Kurze Zeit, bevor ich das Manuscript der vorstehenden
Abhandlung der kais. Akademie der Wissenschaften einsandte,
schrieb mir Herr Jean Psichari in Paris, dass er mit der Aus-
arbeitung eines Lexikons der griechischen Lehnwörter im Os-
manli beschäftigt sei. In der Einleitung zu den von ihm soeben
herausgegebenen Etudes de philologie n^o-grecque S. LXXIII flf.
berichtet er über den Sachverhalt und theilt einige Proben aus
seiner Arbeit mit, deren Veröffentlichung er bis nach dem Er-
scheinen der meinigen verschoben hat. Psichari's Arbeit ist,
so weit ich daraus sehen kann, in den einzelnen Artikeln breiter
angelegt als die meine und hat ein Hauptgewicht auf die Ge-
schichte der in Betracht kommenden griechischen Wörter inner-
halb des Griechischen gelegt, wovon ich mit Rücksicht auf
meinen nächsten Zweck glaubte absehen zu sollen. Ich hoffe
und wünsche, dass Psichari's Lexikon meine Studien in recht
vielen Punkten ergänzen und verbessern möge.
S. 3. WerthvoUe Bemerkungen über griechische Lehn-
wörter im Aramäischen gibt Nöldeke in der Einleitung zu seiner
mandäischen Grammatik. In diesem Zusammenhange sei auch
des Glossarium graeco-hebraeum von Fürst (Strassburg 1891)
gedacht. Die unrichtige Ansicht Kenan's (Histoire generale
des langues s^mitiques I* 295), dass die griechischen Wörter
in den Formen des ,makedonischen' Dialektes in die orien-
talischen Sprachen Eingang gefunden hätten, erwähne ich blos
deshalb, weil sie noch in neueren Werken nachgesprochen
worden ist, so von Budinszky, Die Ausbreitung der lateinischen
Sprache (Berlin 1881) S. 233, A. 12 und von Mitteis, Reichsrecht
und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiser-
reiches (Leipzig 1891) S. 25. Es handelt sich selbstverständlich
nur um die Formen der Kovn^.
S. 7. Der Aufsatz von Mikrojannis über die lateinischen
Elemente des Neugriechischen und ihre Unterscheidung von den
italienischen in der ^Earia 1891, 11 49 ff. 65 ff. (vgl. Thumb,
Die neugriechische Sprache, Frei bürg i. B. 1892, S. 33) ist mir
Türldscbe Studien. I. 89
nicht zu Gesicht gekommen. Jetzt wird diese Frage auch von
Psichari, Etudes p. 159flF. behandelt. Recht gut ist die Arbeit
von Lafoscade, Influence du Latin sur le Grec, ebenda p. 83
bis 158.
S. 16. 2v7]fi7c6h für ,Constantinopel' liegt geradezu vor
im Dialekt von Phertakftna in Eappadokien^ Jakriov I 504.
Ausserhalb des Gebietes der Städtenamen liegt eine solche
Verbindung vor in dem kleinasiatischen ovrfffj ,Erde* aus V T^y
y§y, in Phertakäna^ Jehvioy I 503, und daraus orfj, Lagarde,
Neugriechisches aus Kleinasien 63, letzteres von Karolidis 17,(0^-
aoQiov iXhjvoTUXTtftadoxi'KCjv IA^bujv S. 214 gründlich verkannt
und als Bildung von Wz. axa- gefasst.
S. 19. Aus türkisch ojir^ stammt ngr. hnqövi bei Foy,
Lautsjstem 40.
S. 21. 4^5^j ist gr. t,ay&vog^ das bei Du Gange 455 mit
der Erklärung ,avis venaticae genus^ steht; dies selbst aber
stammt aus pers. yj^\ zagan ,Weihe^ Rumänisch zagan l^aine-
anu 113.
Aus frz. anchois stammt auch ngr. äyr^öia Vyzantios 546.
T^ayaydQ findet sich in der ^AyLoXov&ia rov aTtavov (Legrand,
Biblioth^que grecque vulgaire II) Z. 497 und öfter. Aus dem
Griechischen des Pontes lazisch öagana Rosen, lieber die
Sprache der Lazen 29.
S. 23. In jaküTnoz ,Meeresleuchten' wird 'Aa^iög ,Brennen'
von xaiyo} (= xor/w) stecken, yiaycafuig = *diaAa(i6g?
S. 24. Vyzantios 547 hat flir lißdQi auch ßißdqi und
dißäqv.
S. 30 füge man hinzu
nd^yh funda ,Buschwerk, Gesträuch' Jussuf 303; ,sar-
ments' Bianchi 11 404: ngr. (povvra ,Büschel, Busch, Strauch,
Flocke, Franse^ (povyrtbvü) von Bäumen ,belaube mich', aus lat.
funda ,SchleudQr, Wurfnetz, Geldbeutel', unter Einmischung
der Bedeutung von f rändern, it. span. fronda ,Laub', vgl. prov.
fronday nfrz. fremde, it. fionda ,Sclileuder', gegenüber afrz. fonde,
span. fonda, port. funda. Also alte Confusion von funda und
*frunda aus frondem (mit geschlossenem o).
90 !• Abhandlung: Meyer.
S. 32. Für ligusticum bietet Langkavel 131 liytauiTLÖv,
laßarua liest man Syllogos XXI, 342, 146; Vyzantios 558 gibt
Xaß&vda.
*S. 33. Bei oxlamury filamuvy q)Xaii0VQL liegt es natürlich
sehr nahe, an lat. flammula zu denken, das als q)X(Xfifwvlov
q>kdfifwvQoy ins byzantinische Griechisch übergegangen ist. Auch
ich habe daran gedacht, aber diese Combination sogleich von
mir gewiesen, da q>XdfifiovQdv q>XAfi7tovQOv, wie das lateinische
Wort, im Mittelgriechischen und Neugriechischen (wo es auch
als x^d^TTov^y und S'XäfiTtovQOv vorkommt) ledigUch ,Fahne'
bedeutet, wovon ich zu ,Linde' nicht zu gelangen weiss. Psi-
chari, Etudes p. LXXIV führt nun, ausser yhxfifjLOvXiov ,Fahne^
bei Kedrenps, einen Pflanzennamen cpldfi^ovka aus Dioskorides
IV 129 = Bd. I, S. 613 Sprengel an, der übrigens auch bei
Sophoklis schon verzeichnet ist. Dieser Name ist dort Synonym
von XeovroTiödiov und bezeichnet (siehe SprengePs Commentar
Bd. n 630) eine kleine Alpenpflanze, Gnaphalium leontopodium L.
Vgl. it. ßammola ,Sumpfhahnenfuss^ Also auch von hier ist
keine Brücke zur ,Linde^
S. 36. Zu mliimen vgl. arab. ,^U>JLuj ,Arsenik, SubUmat^
aovhfiäv kommt in den Jatrosophia des Staphides (Legrand,
Bibl. gr. vulg. 11) Z. 375 vor (14. Jahrhundert). Ebenda
Z. 350 steht schon aegvcxö ,Arsenik'.
S. 38. Die von mantona ,Mätresse' gegebene Erklärung ist
unrichtig. Das Wort ist nichts Anderes als das italienische
madonna, durch Vermittlung von gr. fKxvröya, das man in einem
athenischen Märchen Jakrlov I 146 liest.
Auf dieser Seite wäre nachzutragen das auch im Türkischen
gebräuchHche arabische yJL>o w/er, safr ,Null', wenn Krumbacher
(Woher stammt das Wort Ziffer? in Psichari's Etudes p. 346 ff.)
mit seiner Herleitung aus einem griechischen \f)fiq>o[(po]Qia das
Richtige getroffen hätte. Doch gestehe ich, dass mir trotz der
gelehrten und scharfsinnigen Ausführungen Krumbacher's nicht
alle Zweifel behoben worden sind.
S. 39. Ueber xorata glaube ich nach nochmaliger Ueber-
legung jetzt sagen zu können, dass es nichts Anderes ist als
griechisches xta^icniA ,gros8i^ret^^ Legrand, das man als xiaQia-
Tftrkiscbe Studien. I. 91
TUT in der Geschichte des Ptocholeon (ed. Legrand, Paris 1872)
V. 181 liest. Dies ist eine Ableitung von x^Q^^V^ ,Bauer^
Das Wort war also auf S. 38 zu %o%rat zu stellen. Diese, wie
ich glaube, richtige Erklärung steht schon bei Barbier I 720,
an einer Stelle, die mir früher entgangen war und auf die
Psichari a. a. O. S. LXXXII hingewiesen hat. Ich freue mich,
mit diesen beiden Gelehrten tibereinzustimmen.
S. 43. Zu estabel tavla : ij r&ßXa ,Stall' führt Hatzidakis,
Einleitung S. 360 aus Amisos (Samsun) im Pontes an.
S. 44. Zu podrum: der heutige Name von Halikarnassos
ist (^y)^ hudruniy was ursprünglich wohl den ,Hafen' be-
zeichnen soll.
S. 45. Für jSchlüsseP heisst es mit einer etwas anderen
Bildung in Trapezunt ivoiy&q : Syllogos XVIII 140. In Eappa-
dokien sagt man dsvaxiciiQi^ JbXxiov I 716, d. i. dvomn^Qtov, mit
derselben Assimilation wie im Türkischen.
S. 46. Für meine Ableitung von ßov^aa spricht die Form
ßgoüraa, die sich bei Pio, Contes populaires S. 185 in einem
Märchen aus Astypalaea findet.
S. 48 ist zuzufügen
^UuJ», ^UoaS, ^UojL^ kaitan^ gaitan ,Band^ Bianchi
n 537. Barb! 11 596: gr. Yaisravöv bei Galenos Geganevtix^
nid^odoq (die Schrift ist zwischen 170 u. 200 n. Ch. geschrieben,
8. Hberg, Rhein. Museum XLIV 207 flf.), Bd. X 942 Kühn
yvyvia&iooav S* ol toiovtoi zmv ßqöxoiv (zum Abbinden von
Blutgefttosen) i§ VXrig dvaarjrtrov ' ToutvTr] d' iaziv iv ^P(bfir] fdv ij
T(ay ydUxaviav dvofia^Ofiivcjv, i% fih %fjg xGxv KbXt&v X^Q^Q ycoiu^o-
liivfoVf 7n7tQaaiM)(iiy(üv di ixdhara xard rijv Ugäy öddvy fjrig ix %ov
T^ ^Pib^rjQ Uqov xarAysi. Ttqdq rag iyoqig. Lateinisch bei Marcellus
EmpiricuB (Anfang des 5. Jahrhunderts) gaitanum ,zona, cin-
gnlum' nach Du Gange, Gloss. lat. HI 460 b. Das Wort soll
von der Stadt Gaeta in Italien herstammen (Korais, '^roxTa
I 107. W. Wagner in seiner Ausgabe des Imberios S. 55).
Aber die Stadt heisst lat. Cajeiay griech. bei Strabon KaidzUj
bei Appian xmd Diodor Kmr^r)^ und ein g- ist in so früher
Zeit kaum glaubhaft. Das türkische Wort erscheint auch im
92 !• Abbandlnng: Xeyer.
Nenarabischen (^j^U»^ ,Schnur, Besatz') und in den südost-
enropäischen Sprachen (Mi. I 86). Ngr. auch ßardvi auf Ni-
syros, Syllogos XIX 191 ; yaCrdvia schon bei Trinchera, Syllabus
membranarum Nr. 356 (1211 n. Chr.). Ebenda Nr. 487 (1273
n. Chr.) steht ydüa ,taeniola', was, wenn es richtig gelesen ist,
an arab. duj ,Fussfessel, Kette, Riemen* erinnert. Ein per-
sisches ^2^y^, das Barbier de Meynard 11 596 anführt, scheint
nicht zu existiren.
S. 57. aiydy ^oqnjfcöv (die türkische Form beruht diesmal
auf dem Singular) findet sich schon in Staphides' Jatrosophion
Z. 97.
S. 58. Ueber na^i^ädt vgl. Korais ^'Azcmza I 259 f., der
?5wischen der Annahme anatolischer Herkunft und der Ableitung
von dem Namen eines culinarischen Schriftstellers Ud^a^og
schwankt; G. Wyndham im Ptocholeon von Legrand S. 49, der
sich für die Herleitung von Ud^afiog ausspricht. Für persisch
erklärt das Wort auch Sophoklis in seinem Lexikon.
S. 59. mars. Auch die ausführliche Belehrung, die man
aus ICrünitz, Oekonomisch-technologische Encyklopädie, Bd. 187
(BerUn 1845), S. 707—722 über das Trictrac-Spiel und ebenda
185, 357 — 370 über das verwandte Toccategli-Spiel schöpfen
kann, hat mir zur Deutung dieses Ausdruckes nicht verholfen.
Die Doubletten (Paschwürfe) heissen darin, von den beiden As
angefangen, Amb^sas oder Bezet, Double deux, Ternes oder
Toumes, Garnes oder Cannes, Quines, Sonnes oder Sannes.
S. 60. Wieder zum Theil andere griechische Ausdrücke
für die vi^r Kartenfarben werden in einem Aufsatze im TlaQ-
vaaaög VDI 57 angegeben, nämlich nubita ,CcBur% nllv&og
,Carreau', nqicpa ,Pique', Bv&og ,TreflP.
S. 66. didKog für di&Mjv wie die bekannten yiQogj dgdxogy
XiQog für yiqiav^ dQÖmatVy Xdgwv (Simon Portius ed. W. Meyer,
S. 129). yetTog ,Nachbar^ Uest man in der i^KoXov&ia roC aitavov
Z. 626. In Aenos (Syllogos VUI 533) und Epirus (JlavdfüQa
IX 215) sagt man sogar 6 na&6g = nad^üv. Aber das homerische
iqxdg sollte man endlich aufhören damit zu vergleichen. Wie
didxcjy aus did%oyog, so hat man eyywv aus eyyovog gebildet
Tftrkisobe Stvditn. I. 93
(Sophoklis 412); diese Analogiebildung ist vom Plural ausge-
gangen^ wo iyydvoi (nach iyydviov u. s. w.) einem ynx6voi (von
Ysltuiv) gleich war. Nach dem Singularnominativ yelxovag sagte
man auch eyyovag (Hatzidakis IlBql q^&oyyoXoyiyUbv vdfiwv S. 29).
S. 72. Zu dem Verzeichnisse der Marineausdrücke ver-
gleiche man als Pendant die Liste portugiesischer Marinewörter
im Hindustani^ die Schuchardt, Zeitschrift für romanische Philo-
logie Xin 513 ff. gibt. Das ^Oyo^ccroX6yu)v yavri^KÖv, Athen 1858,
72 Seiten, habe ich nie gesehen ; nach der Anzeige in der Ilav-
ddtQo IX 478 f. verfolgt es puristische Tendenzen und scheint
nicht sehr lobenswerth.
Die Abhandlung ist so umfangreich geworden, dass ich
aus Raumrücksichten auf die Hinzufügung der ursprüngUch
(S. 10) beabsichtigten, übrigens im Ganzen entbehrlichen Wort-
register verzichtet habe.
94 I. AbhMxdlQiiK: Xejer.
Yerzelchniss hlnflgerer Abkürzungen.
Barbier de Kejrnard, Dictionnaire turc-fran9ai8. Paris. I. 1881.
n. 1886.
Beanssier, Dictionnaire pratique arabe-fran9ais. Alger 1887.
Bianohi et X^iefTer, Dictionnaire turc-fran9ai8. Paris. I. 1850.
IL 1871. 2. Ausgabe.
Bikilas, Snr la nomenclature de la faune grecque. Paris 1879.
Bilgpier, Macedonisch-ttirkische Wörtersammlung. Schwerin 1889.
Boothor, Dictionnaire fran9ais-arabe, revu et augmentö par
Caussin de Peroeval. 2. Ausgabe. Paris 1882.
Boerio, Dizionario del dialetto veneziano. 2. Ausgabe. Venedig
1856.
Bonitz, Index Aristotelicus, im 5. Bande der Berliner Ausgabe
des Aristoteles. Berlin 1870.
Blau, Bosnisch-türkische Sprachdenkmäler. Leipzig 1868.
Budagov, Sravnitelnyj slovar turecko-tatarskich nar^öij. St. Pe-
tersburg. I. 1869. IL 1871.
Casaooia, Dizionario genovese-italiano. 2. Ausgabe. Genova 1876.
A^Xxiov Tfjg iaroQtycfjg xal idyoloyi7cT]g iraiglag rfjg ^EUAdog.
Athen 1883 flf.
Doxy, Dictionnaire d^taill^ des noms des vStements chez les
Arabes. Amsterdam 1845.
Doxy et Engelmann, Glossaire des mots espagnols et portugais
d^rivös de TArabe. 2. Ausgabe. Leyde 1869.
Du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae graeci-
tatis. Lugduni 1688.
Frankel, De vocabulis in antiquis Arabum carminibus et in
Corano peregrinis. Leiden 1880.
— Die aramäischen Fremdwörter im Arabischen. Leiden 1886.
Fürst, Glossarium graeco-hebraeum oder der griechische Wörter-
Bchatz der jüdischen Midraschwerke. Strassburg 1891.
Oiglioli, Avifauna Italica. Firenze 1889. — Avifaune locali. Fi-
renze 1890.
Hatzidakis, Einleitung in die neugriechische Grammatik. Leipzig
1892.
TftrkiMbo Stnditn. I. 95
Hehn, Culturpflanzen und Hausthiere. 2. Auflage. Berlin 1872.
y. Heldreieh, Die Nutzpflanzen Griechenlands. Athen 1862.
Jal, Glossaire nautique. Paris 1848.
Jannarakis, Deutsch-neugriechisches Handwörterbuch. Hannover
1883.
Jufsnf (Yonssouf), R., Dictionnaire turc-fran9ai8. I. H. Constan-
tinopel 1888.
Juiti, Kurdische Grammatik. Petersburg 1880.
Jnsti-Jaba, Dictionnaire kurde-fran9ais. Petersburg 1879.
Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.
4. Auflage. Strassburg 1889 (5. Auflage, Heft 1 bis 4).
Kfovatavrivühiq^ l4L^ ^BXkrjyo-od'caiiavitjbv hy^ölmov. Constanti-
nopel 1875.
KoQofiq, "Ad., ^LdTaxTo. I— V. Paris 1828—1835.
Körting, Lateinisch-romanisches Wörterbuch. Paderborn 1891.
Lagarde, Gesammelte Abhandlungen. Leipzig 1866.
— Armenische Studien. Göttingen 1877.
— Uebersicht über die im Aramäischen', Arabischen und He-
bräischen übliche Bildung der Nomina. Göttingen 1889.
Langkavel, Botanik der späteren Griechen. Berlin 1866.
Legrand, Nouveau dictionnaire grec moderne fran9ai8. Paris
(1882). Nouveau dictionnaire fran9ais grec moderne. Paris
(o. J.).
Loebel, Deutsch-türkisches Taschenwörterbuch. Constantinopel
1888.
Loew, Aramäische Pflanzennamen. Leipzig 1881.
Meyer, Gustav, Etymologisches Wörterbuch der albanesischen
Sprache. Strassburg 1891.
Kiklosioli, Die türkischen Elemente in den süd osteuropäischen
Sprachen. I. H. Nachträge I. H. Wien 1884—1890.
— Die slavischen^ magyarischen und rumunischen Elemente
im türkischen Sprachschatze. Wien 1889.
Muys, Griechenland und der Orient. Köln 1856.
Köldeke, Persische Studien. II. Wien 1892.
UavdeiQa, SvyyQafifUx Ttegiodixöp. Athen 1850flF. 22 Bände.
Pavet de Coorteille, Dictionnaire turk-oriental. Paris 1870.
Radloff, Versuch eines Wörterbuclies der Türk-Dialekte. Heft
1—4. Petersburg 1888— 1890.
96 I. Abhsndlnng: Xeyer. Tftrkische Stadien. I.
Sohrader, Linguistisch -historische Forschungen zur Handels-
geschichte und Waarenkunde. I. Jena 1886.
Somavera, Tesoro della lingua greca-volgare ed italiana. Paris
1709.
Sophooles, Greek Lexicon of the Roman and Byzantine Periods.
2. Ausgabe. New- York 1888.
Syllogos, *0 iv KwvaravrivovTtöXei IXXrjviiidg cpiXoXoYLxdg avXXoyog.
Saineanu, Elemente turce§tl in limba romän&. Bucure§tl 1885.
Sulek, Jugoslavenski imenik bilja. Agram 1879.
V&mbery , Etymologisches Wörterbuch der turko - tatarischen
Sprachen. Leipzig 1878.
— Die primitive Cultur des turko-tatarischen Volkes. Leipzig
1879.
Vullers, Lexicon persico-latinum. Bonn. I. 1856. IL 1864.
Vyiantios, Ae^indv rfjg xa^' i}f^5g iXXrjnyifjg diaXenrov^ bitd Snag-
Xdrov J, Tod Bv^avriov. 3. Ausgabe. Athen 1874.
Zenker, Tlirkisch-arabisch-persisches Handwörterbuch. Leipzig.
L 1866. n. 1876.
II. Abli. : ai«fol. Dm enwungen« Versprechen im deutschen Rechtsleben. 1
II.
Das erzwungene Versprechen und seine Behandlung
im deutschen Rechtsleben.
Von
Heinrich Siegel,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
I.
Ciin mehrfach ausgesprochener deutscher Rechtssatz be-
sagte, dass ein Versprechen, welches mit gutem, freien Willen
oder ungezwungen und ungedrungen gegeben wurde, gehalten
oder erfüllt werden mllsse.
Ab ein man ist komen zu den iaren der bescheidenheit,
hat er sich ichtes verbunden, den enmag nit gehelfen des keisers
recht; er muz tun, daz er gelobt hat, er sal aber sin vnbe-
twungen. Sint gescr. stet: wes sich der man vnbetwungen
selber virbindet, der zu den iaren ist komen der bescheidenheit,
dez enmag in der keiser nit beschirmen.^ Vgl. Sacramenta
puberum sponte facta super contractibus . . inviolabiliter custo-
diantur.*
So wat een man deme anderen louet mit motwillen vmbe-
dwungen, dat schal he eme to rechte lösten, it sy an kope, it
sy an hure vnde in allen dingen.^
Antiquum ius civitatis, quod quasi communiter ubique
servatur, habet, quod promissa, quae homo voluntarie facit,
adimplere debet.*
* Kleines KaiBerrechtsbnch IV, c. 14.
' Friderici constitatio pacU 1158, Mon. Germ. leg. II, 112. Den Nachsatz
siehe unten S. 6 zu Note 2.
> Hamburger Stadtrecht von 1270 VI, 14; von 1292 G, 13; von 1497 L, 2.
* Brünner Schöffenbuch c. 596.
SitouncBber. d. phU.-hist. Ol. CXXYin. Bd. 2. Abh. 1
Z II. Abhandlung: Siegel.
Auf die Frage, welche Bewandtniss es dagegen mit einem
erzwungenen Versprechen gehabt hat, lässt sich eine sichere
und genaue Antwort nur unter Würdigung der darauf bezüg-
lichen Ausdrücke und Wendungen der Rechtssprache geben.
Da heisst es von einem Versprechen, das ohne die er-
forderliche Willensfreiheit gegeben wurde: nuUa ratione firma
sit^ nullius esse momenti jubemus,* ne sal dur recht nicht stede
sin,' solche Gelübde: sullen kayn chraft nicht haben,* seyn
unbindig.*
Von dem, welchem ein Versprechen abgenöthigt worden,
wird gesagt: he ne darf it nicht lesten,^ ipsum a fideiussionibus
. . duximus absolvendum et ad observationera earum nullatenus
amodo teneatur,^ dez ist er alles mit recht ledig,** ad tale pro-
missum . . non obligatur nee compellitur ipso iure,^ oder es
wird in sein Belieben gestellt, ob er erfüllen will oder nicht:
so mag er leisten oder nvt. daz ist an siner wal, ferner: will
er leisten, daz mag er tvn. wil er sin vber werden, daz mac
er ouch wol tvn mit rechte.^® Hatte er das Versprechen mit
einem Eide oder durch den Einsatz seiner Treue bekräftigt
und wollte er es nicht erfüllen, so heisst es insbesondere: it ne
scadet ime to sime rehte nicht, ^* dar umme verliuset er sine
truwe nicht *^ und dar umme ne hat er sine truwe nicht ge-
brochin.*'*
* Lex Baluvarionim XV, 2, s. S. 6 bei Note 1.
* Friderici constitutio 1168, s. 8. 6 bei Note 2.
® Sachsenspiegel III, 41 § 1 und kais. Landrech t-sbucb c. 307 a unten S. 17.
*■ Ofener Stadtrechtsbuch n. 245, s. S. 6 bei Note 4. Entsprechend hei^t es
in Rudolfi constitutio pacis in Austria 1276 (Mon. Germ. leg. II, 411): ,Quid-
quid tenninatum est . . iuris ordine observato, hoc habebit firmitatem,
quicquld vero per vim, metum et per impressionem . . ., vires nulla-
tenus obtinebit, sed ad statum debitnm reducetur.
* Böhmische Stadtrechte von Weingarten s. S. 6 bei Note ö.
<» Sachsenspiegel III, 41 § 3 unten S. 20 bei Note 2.
' Sententia a 1250 unten S. 10.
® Kais. Landrechtsbuch c. 307 a unten S. 21.
^ Brünner Schöflfenbuch c. 595 unten S. 17.
" Kais. Landrechtsbuch c. 307 a.
" Sachsenspiegel III, 41 § 2.
" Görlitzer Landrechtsbuch XXX VI, 1 a, unten S. 21.
" Daselbst XXXVI, 1 b, unton ^.'2^i.
DmK erswnnfvn« Vi^rsprechen iinil soiue BehuidlanK im deatachen iUclitAleb«n. 3
Ergangene Urtheile erklären öfter gleichzeitig^ dass ein
solches Versprechen nicht stät^ sondern aufgehoben sein solle,
und dass sein Geber es nicht zu erfüllen brauche: Dy globde
sullen durch recht nicht stete syn unde her bedarfF das gelt
nicht gebin,^ pactiohes . . reprobamus ac revocamus in irritum
pronunciantes . . ducem ad Observationen! earum nullatenos
obligari,^ quibuscunque pactis obligatoriis (coactus) se adstrin-
gerety factus sui compos uullatenus teneretur et tales pactiones
obligatorie qualescunque censende forent irrite penitus et inanes^
und weiter: ad completionem dictorum pactorum, promissionum,
fidejussionum . . nullatenus sit adstrictus^ sed a predictis omnibus
per sententiam debeat liberari et ubique penitus absolvi/ endlich:
literam et omnia contenta in eadem . . reprobamus ^ revocamus
et ac si nunquam scripta^ sigillata vel data fuissent, penitus
annullamus . . ordinantes et sententialiter denuntiantes^ ipsum
comitem necnon et suos homines . . a quibuslibet promissionibus
et obligationibus . . penitus absolutes^ ac si nunquam alicujus
promissionis et obligationis se vinculo adstrinxissent.^
Nach dieser Zusammenstellung erscheint es zweifellos, dass
der deutschen Rechtsanschauung zufolge ein erzwungenes Ver-
sprechen immerhin ein Versprechen gewesen,^ aber ein unver-
bindliches Versprechen, dessen Bestand überdies angefochten
und aufgehoben werden konnte.*^
^ Buch der Magdeburger Fragen III, 9 dist. 3 unten S. 18.
* Sententia a 1276 unten S. 11.
' Sententia a 1283 unten S. 15 und 16.
«Sententia a 1291 unten S. 12.
^ A. M. ist freiUch Platner, Hist. Entwicklung des Systems und Cha-
rakters des deutschen Rechtes II (1854), S. 98.
* Die heutige gemeinrechtliche Lehre unterscheidet zwischen absoluter
und relativer oder bedingter Nullität eines Geschäftes und sondert von
letzterer die Rescisibilität oder Anfechtbarkeit eines solchen. Dass nach
deutschem Rechte trotz der Bestimmung S. 1 bei Note 2 keine absolute
Nullität des erzwungenen Versprechens begpründet war, zeigen zumal
die Wendungen S. 2 bei Note 7. 10 und oben bei Note 3, dass ferner
zwischen einer AnnuUirung und Rescisiön, welche Ausdrücke abwechselnd
gebraucht werden, sachlich kein Unterschied gemacht wurde, zeigt ins-
besondere der Umstand, dass die Aufhebung je nach Lage der Dinge
das eine Mal ex nunc (S. 2 bei Note 7), das andere Mal ex tunc
(oben bei Note 4) erfolgte. — Da die Ansdrucksweise der neueren
1»
4 n. Abhandlung: Siegel.
Die Anfechtung, welche zu einem aufhebenden oder ver-
nichtenden und gleichzeitig freisprechenden Urtheile fUhrte, war
auf zweifache Weise möglich.
Der Gezwungene konnte abwarten, bis er auf Erfüllung
geklagt wurde, und dann den Zwang in Form einer Einrede
mit Erfolg geltend machen. Metu adhibito — sagt der Stadt-
schreiber Johann von Brunn in seinem Urtheilbuch c. 596 —
actio quidem nascitur, si subito stipulatio fit, per metus tamen
exceptionem submoveri debet.
Der Gezwungene konnte aber auch die Initiative ergreifen
und mittelst einer Klage die Aufhebung oder Ungiltigkeits-
erklärung des Geschäftes, sowie seine Loszählung von jeglicher
Verbindlichkeit begehren. Den letzteren Weg einzuschlagen
empfahl der Verfasser des kaiserlichen Landrechtes. Wil er mit
rehte da von kvmen — heisst es daselbst c. 307 a — so sol er
varn fvr sinen rihter. vnd sol da mit vrteil da von komen. da
sol man im erteiln. daz er dirre dinge aller lidig si. vnde mag
in dar nach dehein man dar vmbe ansprechen.^
Da übrigens ein Gezwungener trotz seiner rechtlichen
Ungebundenheit möglicher Weise Gewissensbisse empfand
wegen des gegebenen Wortes, so meinte der Meister des
Landrechtes, welcher wahrscheinlich dem geistlichen Stande
angehörte, an dem angeführten Orte weiter: er sol ouch varn
fvr sinen pharrer vnd sol dez rat han. der ratet im ouch alse
Gesetzbücher der früher üblichen durchaus entspricht — Preuss. Land-
recht I, Tit. 4, § 33. Auch gefährliche Bedrohungen des Lebens . .
machen jede darauf erfolgende Willenserklärung unkräftig; vgl. §55
Wer eine sonst rechtsbeständige WiUenserklärung wegen Zwanges an-
fechten will; Code civil 1117. La Convention contract^e par violence . .
n*est point nulle de plein droit, eile donne seulement lieu 4 une
action en nullit^ ou rescision; Oesterr. Gtosetzbuch § 870. Wer
von dem annehmenden Theile durch ungerechte und begründete Furcht
zu einem Vertrage gezwungen worden ist, ist ihn zu halten nicht
verbunden; Sachs. Gesetzbuch §831. Wer durch widerrechtlich er-
regte gegründete Furcht zu Eingehung eines Vertrages genOthigt worden
ist, kann bei dem Vertrage stehen bleiben oder denselben
anfechten — , so wird das codificirte Recht von dessen vorurtheils-
freien Bearbeitern mit gutem Grunde im Sinne der oben bezeichneten
deutschen Rechtsanschauung verstanden.
Dass dieser Weg öfter betreten wunle, zeigen die Beispiele S. 9, 11,
12 ff., Uff.
Das enwnngwie Yertprichen und seine Behandlnng im deutschen BechtHleben. 5
an dem bfiche stat. von den eiden. Hier, im Capitel 170 c, *
wo der Fall behandelt ist, dass ein widerrechtlich Gefangener
ans Angst nm sein Leben ein Lösegeld zu zahlen oder sonst
etwas zu thun eidlich sich verpflichtet hat, stellt der Verfasser
zunächst das mit Rücksicht auf den Eid anwendbare geistliche
Recht dar und beantwortet die aufgeworfene Frage: sol er den
eit ze rechte leisten oder nvt, dahin: er sole «in ze rehte nvt
leisten, er ist sin vor got lidig, während etliche Meister allerdings
etwas Anderes ,ratent^ Nach ihrer Meinung soll er den Eid er-
füllen und das Geld geben, dann aber bei dem geistUchen Richter
nach dem Gelde klagen, und dieser soll ihm seinen Schaden
heissen büssen. Hätte er aber das Geld bezahlt und geschworen,
dass er es nicht zurückfordern wolle, so soll er den Sachverhalt
dem geistlichen Gerichte mittheilen, worauf dieses ihm, wie
wenn er geklagt hätte, sein Geld gewinnen und wiedergeben
soll. So rihtet der riliter rehte oder, wie es c. 160a heisst:
daz ist des geistlichen rihtaers reht. er sol in — nämlich den
andern Theil, und zwar hier den Wucherer — rehtvertigen vmbe
sine svnde. das div sele niht verloren werde. Obgleich nun
nach des Verfassers Ansicht derjenige, welcher gezwungen
geschworen hat, ohneweiters vor Gott des Eides ledig ist,
so weist ihn, um ganz sicher zu gehen, das Buch doch noch
an seinen Seelsorger: wil er aber gar gevarliche varen. so sol
er z& sinem bischove varn. oder zu sinem Rtpriester gan. vnd
sol dez rat han. der losset im wol ane svnde da von.
Schwieriger ab die Wirkung eines stattgehabten Zwanges
und seine gerichthche Geltendmachung ist die Voraussetzung
zu bestimmen, unter welcher ein Versprechen als erzwungen galt.
Auch hier empfiehlt es sich, die darauf bezügUchen
Aeusserungen der Gesetze und Rechtsbücher vorab zusammen-
zustellen.
In denselben wird gesprochen von einer commutatio, si
faerit per vim et metum extorta,^ von einer venditio si fuit
* Dieses Capitel ist eines von jenen, bei welchen nach Rockinger, Münchner
Abhandlungen III. Cl., Bd. XIII, 3. Abth., S. 237 der Verfasser die Summa
de poenitentia des Raimund von Peniafort beuUtzt hat. Dass in der
Sache jedoch der Verfasser mit Baimund nicht übereinstimmt, zeigt die
daselbst S. 23S. 289 mitgetheilte Stelle der Summa.
« Lex Visigothorum V, 4. 1.
O II. Abhandlung: »Siegel.
violenter extorta id est aut metu mortis aut per custodiam/ von
per vim vel iustum metam etiam a majoribus (von Voll-
jährigen), maxime ne queremoniam maleficiorum faciant, extorta
sacramenta,^ ferner heisst es: si aliquis aput nos efticitur noster
coneivis et aliquis inpingit ei dominus, quod ipse sit ei ligatus vel
adstrictus, et coget eum violenter, quod se obliget ei, per car-
ceres vel per alia quecimque tormenta ita quod iideiussores
statuat, ne recedat ab eo,^ weiter werden genannt: alles ver-
pintnusz, das man thut in forchte oder dar zu man offenlieh
mit herren gewalt getwungen wirt,* sowie: Unordentlich durch
Zwang erpresste und zur Erhaltung des Lebens eingegangene
Verstrickungen.^ Wo mit Rücksicht auf Schwüre und Treu-
gelöbnisse der Furcht insbesondere Erwähnung geschieht in den
Rechtsbüchern, macht sich eine Verschiedenheit bemerkbar; im
Sachsenspiegel heisst es: svat die man sveret unde entruwen
lovet, sinen lief mede to verstene oder sin ghesunt,*^ während
das kaiserliche Landrechtsbuch c. 307 a sagt: Swez der man
sweret da er sinen lip oder sin gut mit lidegot/ vnd er anders
nvt mag lidig werden.
Hiernach ist das Eine sofort klar, dass blosse Worte,
mochten sie auch den Bedrohten in Schrecken gesetzt und zu
einem Versprechen veranlasst haben, nicht geeignet waren, einen
rechtswirksamen Zwang zu begründen. Und dieses Ergebniss
wird auch bestätigt durch die Entscheidung eines im 14. Jahr-
hundert vorgekommenen Rechtsfalles. Der Fall, enthalten in
der Thomer Handschrift, einer Parallelsammlung der Magde-
burger Fragen,' war folgender.
* Lex Baiuvariorum XV, 2.
' Friderici I const. pacis 1158. M. G. leg. II, 113. Voraus geht die Be-
stimmung oben S. 1 bei Note 2.
3 Frankfurter Rechtsraittheilung an Weilburg vom Jahre 1297, § 29 bei
Gengier, Deutsche Stadtrechte S. 118.
* Ofener Stadtrechtsbuch n. 245 bei Michuay und Lichner S. 136.
* V. Weingarten^s Auszug aus böhmischen Stadtrechten S. 167.
^ III, 41 § 2. Ebenso der deutsche Spiegel c. 276, übrigens mit einer Lücke,
und das 'Rechtsbuch der Distinctionen IV, 4i, dist. 3.
^ Gedruckt bei Behrend, Das Buch der Magdeburger Fragen S. 238. An-
ders gewendet und für unsere Frage bedeutungslos ist der Fall in
n. 33, ebendas. S. 239.
Das erxwnngene Venprecbeu und seine Hehandlong im deutschen KechtKleben. 7
En Gast, welcher in eine nicht genannte Stadt Magde-
burger Rechts gekommen war, hatte der Tochter seiner Wirthin,
einer Frau Anna, ein versiegeltes Geldpäckchen zur Aufbewahrung
übergeben. Das Geld wurde mit anderem Geräthe gestohlen.
Davon erfahr der Gast, als er sein Geld verlangte, ,und rette
dy frawe an hartlichen und ernstlichen, do dirschrag dy frawe
gar sere und wart betrubit und yn dem betrupnysse und dir-
schrecknysse und leyden mit ungedachtigkeit sprach dy frawe
czn tröste dem gaste: durch got habit guten mut, is sal mir
verloren werden und nicht euch/ Auf den Ersatz des Geldes
geklagt, gab der Fürsprecher der Frau den Thatbestand zu,
stellte aber an den Richter die Frage: sint dem raole das dy
frawe yn erem dirschrecknys und leyden das umbedacht getan
hat und nu ap das eyn recht sey. Dagegen erwiederte des
Gastes Vorsprecher: her rychter und getrawen scheppen, das
besecze ich mit euch, und lost mir eyn recht werden, synt dem
mole daß dy frawe das globde bekennit vor gehegtem dinge,
ap sy das gelt nicht geben sulle adir was dorumme recht sey.
Und das von den Schöffen^ gesprochene Recht lautete: Das
globde das sy bekennet, das sal sy halden. Der Voreprecher
der Frau beruhigte sich bei diesem Urtheile nicht, er schalt
dasselbe und fand ein anderes folgenden Inhaltes: ,synt dem
mole das dy frawe yn erem betrupnisse und leyden und um-
bedocht dy rede geret hot, so sal sy dem gaste nicht halden
noch keyne not dorumme leyden; das spreche ich vor eyn recht.
Die Urtheilschelte veranlasste, dass die Sache behufs der Unter-
weisung, welches von beiden Urtheilen das rechte sei und be-
stehen möge, nach Magdeburg gebracht wurde. Die SchöflFen
von Magdeburg aber erkannten: Der scheppen orteil ist recht,
wenn dy frawe sal dem gaste halden, das sy em um globit hot
und vor gerichte bekant hot.
Eine Zwangslage von rechtlicher Bedeutung hatte zur
noth wendigen Voraussetzung ein gewaltsames Vorgehen, das
dem Einen thatsächlich die Macht über den Andern gegeben
hat. Nur durch Gewalt konnte, ohne dass es daneben drohender
Worte bedurft hätte, eine Furcht erzeugt werden, welche selbst
^ In der Handschrift and dem Behrend'schen Druck mit dem, wie das
Folgende ergibt, irrthümlichen Zusatz: czu Meydeburg.
8 11. Ahbandlnng: Siegel.
die Willenskraft eines beherzten Mannes^ zu lähmen vermochte
und ihn bewog^ zur Abwendung des Schadens das zu thun
oder zu versprechen, was von ihm gefordert wurde. Eine solche
oder eine gerechte* Furcht war namentlich die Angst ums
Leben,* indess genügte auch die Angst um die Gesundheit* und
später selbst die Angst, Hab und Gut^ zu verlieren. Jenes gewalt-
same Vorgehen wider einen Andern aber konnte in Thätlich-
keiten verschiedener Art sich äussern, am häufigsten dürfte es
in seiner Gefangennahme und Festhaltung bestanden haben.
n.
Von Fällen, wo Einer, ohne gefangen zu sein, durch
Thätlichkeiten in gerechte Furcht versetzt wurde und in solcher
Furcht zu einem Versprechen sich herbeiliess, sind nachstehende
im Laufe des 13. Jahrhunderts vor das Königsgericht zur Ent-
scheidung gebracht worden.
Am 16. August des Jahres 1249 war in der Reichsstadt
Worms ^ zwischen den Leuten des herzoglich bairischen Mar-'
Schalls Zorno und jenen des Philipp von Hohenfels ein Streit
' Der bomo constantissimus des rOmiscben Rechts (fr. 6 D. quod metus causa
4, 2) ist im canonischen Recht (v^l c. 4 und 6 de his quae vi et metu
2, 40) zum homo constans geworden, und von diesem spricht auch der
KOnig iu dem Urtheilsbrief von 1291 unten S. 13.
* Der Ausdruck findet sich allerdings nur in der Friedensconstitutiou
Friedrichs I., S. 6 bei Note 2.
' Hierin stimmen alle Rechtsbücher überein. Vgl. noch Sententia a. 1250
(metus persone sue) S. 10; Brünner Schöffenbuch c. 595 (metus mortis)
5. 17; Magdeburger Fragen III, 9 dist. 3 S. 18; Urkunde von 1355 unten
S. 19 bei Note 1.
* S. die Rechtsbücher S. 6, Note 6.
^ So das k. Landrechtsbuch S. 6. S. auch die Urkunde von 1280 (Schott,
Jurist. Wochenblatt III, 4): Si vero propter metum corporis aut rerum
ibidem mauere non änderet, intrabit alias. Vgl. schon Cölestin III
(1191 — 1198) im c. 15 de iureiurando 2, 24: a sacramenti vinculo ab-
soluantur, qui istud inviti pro vita et rebus seruandis fecerunt; während
c. 6 de his quae vi 2, 40 allerdings sagt: non obstante violentia illata,
cum neque metum mortis neque cruciatum corporis contineret et ideo
non debuerat cadere in constantes.
* Ich erzähle nach den Annales Wormatienses bei Böhmer, Fontes rerum
Germanicarum II, S. 185 — 187.
Dm enwnngene YanprecheD und seioe Behandlang im denUchen Rechtsleben. 9
entstanden^ an welchem zu Gunsten der letzteren auf' den er-
hobenen Waffenschrei auch die Einwohner der Stadt theilge-
Bommen haben. Das Volk schritt zu Thätlichkeiten gegen den
Herzog Ludwig, welcher damals in Worms weilte: man drang
in seine Herberge , nahm die Pferde aus dem Stalle und was
sonst zu bekommen war, verwundete mehrere Baiem und tödtete
einen derselben.
Am andern Morgen kamen die Bürger zusammen, und es
wurde eine Sühne aufgerichtet ita videlicet — wir theilen den
weiteren Bericht der Annalen wörtlich mit — quod dux plane
reconciliatus est civibus, remittens plane et precise omnes in-
inrias et gravamina sibi et familie sue iUatas. Et insuper hoc
suas edidit literas . . quod has iniurias nunquam vindicabit
vel vindicare procurabit.^
Der erwähnte Stlhnebrief sammt dem darin ausgestellten
eidlichen Versprechen der Urfehde ist, allerdings nicht frei von
Lücken; erhalten und lautet: Ludeuicus . . vniversis . . volumns
esse notum, quod ciuibus wormatiensibus non coacti, sed de
libero ac sincero corde remisimus et ignouimus [omnes] iniurias
et offensas nobis in crastiono assumptionis b. Marie nuper pre-
terite per ipsos illatas, ad eorum vindictam nullatenus processuri
consilio nostro iurantes, quod ad . . . fideliter pro suis iuribus . . .
Praeterea si Zumo marscalcus noster ad vindictam huiusmodi
nostre offense eines meiiioratos forsan in aliquo molestare pre-
sumpserit, nos huiusmodi molestationem remouebimus ab eisdem.^
In diesem Briefe hatte der Herzog mit ausdrücklichen
Worten erklärt, dass er williglich und ungezwungen alles Un-
recht verziehen habe und deshalb sich nicht rächen wolle.
Allein dies hinderte den Herzog keineswegs, dass er alsbald
an den Kaiser, seinen Richter, mit der Klage sich wendete:
quod, cum cives wormatienses in ipsa ciuitate contra cum temere
insurgentes multas sibi et familie sue preter omne meritum
suum iniurias infligerent metuque persone sue cogeretur, ipsis
fideiussiones, cautiones ac securitates praestare, quod suas in
eos non ulcisceretur iniurias, ipsum a fideiussionibus, cautionibus
^ Die sonstigen Sicherheiten, welche der Herzog und sein Marschall gaben,
können unerwähnt bleiben.
' Urkunde Yom 17. August 1249, gedruckt in Quellen zur deutschen und
bayerischen Geschichte V, n. 43, S. 103.
10 n. Abhandluug^ : Hiegel.
ac securitatibuS; qnas non sponte set cohacti prestitit^ prout
iasticia exigeret, abisoluere dignaremur.^
Und im Mai des folgenden Jahres erging auf diese Klage
zu Fogia, wo Kaiser Friedrich 11. damals sich aufhielt^ nach-
stehender Spruch: Nos igitur supplicationibus suis, que iustitiam
continebant, nequeuntes ullatenus refragari, ipsum a fideiussioni-
bus, cautionibus et securitatibus, quae predictus ciuibus metu
persone sue prestitit, sententialiter duximus absoluendum, ut ad
obseruationem earum nuUatenus amodo teneatur. Ad huius
igitur absolutionis nostre memoriam . . presens scriptum fieri
et maiestatis nostre sigillo iussimus communiri.^
Ein zweiter Fall, bei welchem aber die Art der geübten
Gewalt weder in der Klage noch in dem Urtheile näher be-
zeichnet wird, betraf den Herzog Philipp von Kärnten.
Dieser, der letzte Sprössling des sponheimischen Herzogs-
hauses, hatte nach dem Tode seines Bruders Ulrich das Herzog-
thum in Anspruch und Besitz genommen, war aber von dem
Böhmenkönig Ottokar, welchen der Verstorbene zu seinem
Nachfolger ernannt hatte, im Herbst des Jahres 1270 mit
so gewaltiger Heeresmacht heimgesucht worden, dass er und
seine Anhänger den Kampf aufzugeben sich genöthigt sahen.
Philipp erschien vor dem Böhmenkönig und bat um Frieden.
Er musste alle Burgen, wie berichtet wird, ausliefern und auf
alle Länder verzichten, während ihm in Krems von Ottokar
ein Leibgedinge angewiesen wurde. ^
' Die Klage, wie auch das folgende Urtheil ist enthalten in einer Urkunde
vom Mai 1250, Quellen zur deutseben und bayerischen Geschichte V,
n. 44, S. 104, welche begpinnt: Fridericus . . Romanorum Imperator . .
notum facimus . . quod Ludovicus, primogenitus ducis Bawarie . . celsi-
tudini nostre supplicauit attente.
^ In Italien konnte der Kaiser in der staufischen Periode die an ihn ge-
brachten Sachen Anderen zur Entscheidung zuweisen oder auch selbst
entscheiden durch ein rescriptum oder scriptum, wie gewöhnlich die
Urkunde genannt wurde. In deutschen Rechtssachen, auch wenn sie in
Italien zur Verhandlung kamen, entschied dagegen der Kaiser nicht
selbst, vielmehr war er an das vor ihm gefundene Urtheil gebunden,
wenn wir von Versuchen Kaiser Friedrichs II., auch in deutsche An-
gelegenheiten durch Machtsprüche einzugreifen, absehen. 8. Ficker,
Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens I, n. 168, III,
n. 602. Ein ausgeführter Versuch dieser Art liegt hier vor.
^ S. Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert I, S. 296.
►
Das erzwoD^ne Yersprechon und seine Behandlvnfi; im deut«ehen RechtsloboD. 1 1
•
Vier Jahre später wurde bekanntlich auf dem Reichstage
zu Nürnberg das Verfahren wider den BBhmenkönig wegen
seines Besitzes von Reichsgütern eingeleitet und Philipp bereits
zu Anfang des Jahres 1275 mit Kärnten und Krain von König
Rudolf belehnt.^ Wegen gewisser von ihm gegenüber Ottokar
— wahrscheinlich im Jahre 1270 — eingegangener Verpflichtungen
aber erhob der Herzog nun durch den Bischof von Würzburg,
als seinen Vertreter bei König Rudolf, während dieser in Nürn-
berg zu Gericht sass, die Anfechtungsklage auf Grund des
wider ihn geübten Zwanges, und dieser Klage wurde mit nach-
stehendem Urtheil am 22. Januar 1276 stattgegeben.
Residentibus nobis pro tribunali . . in civitate Nürnberch
ab illustri Philippe duce Karinthie principe nostro karissimo
fiiit propositum coram nobis, quod eo aUquamdiu in curia . .
r^s Boemiae existente per ipsam regem coactus est aKquas
graves pactiones sibique nocivas conditiones inire, propter quod
ad eins instantiam per venerabilem Herbipolensem episcopum . .
ducis eiusdem verba sollempniter proponentem extitit in iudicio
requisitum : utrum pactiones et conditiones huiusmodi compul-
sorie robur firmitatis habere debent? Super quo [per] principes
qui interfuere presentes, quorumlibet circumstancium applau-
deute consensu in nostra presencia fuit sentencialiter iudicatum:
quod pactiones et condiciones easdem per impressionem
huiusmodi sie extortas in irritum revocare ac penitus solvere
teneremur.
Hinc est quod universitatis vestre noticie declaramus pre-
sencium serie protestantes, quod nos dictante sententia principum
eorundem, predictas pactiones et condiciones, quas dictus Boemie
rex ab ipso duce sie extorsisse dinoscitur, prout superius est
expressum, auctoritate regia reprobamus et revocamus in irritum
pronunciantes expresse prefatum ducem ad observationem earum
nollatenus obUgari.^
Noch ein dritter Fall, in welchem Gewaltthätigkeiten ver-
übt worden waren, ohne * dass man sich des Versprechenden
selbst bemächtigt hätte, kam im Jahre 1291 zur Entscheidung.
* Vgl. V. Zeissberg, Das Rechtsverfahren Rudolfs von Habsburg gegen
Ottokar von Böhmen, Archiv für österreichische Geschichte LXIX
(1887), 8. 45.
' Sententia bei Kicker, Acta itnperii selecta n. 408, 8. 326.
12 Il> Abhandlang: Siegel.
•
Der Fall weist tibrigens einige Eigenthümlichkeiten auf,
welche in dem öffehtlich-rechtlichen Inhalte des abgezwungenen
Briefes ihre Erklärung finden dürften.
Einmal ging die Klage, welche vor den König, als er in
Hagenau Gericht hielt, nicht von dem Gezwungenen selbst,
dem Grafen von Hennegau, aus, vielmehr traten mehrere recht-
schaffene und glaubwürdige Männer, denen der König laut
seiner Erklärung volles Vertrauen schenkte, als Kläger auf.
Sodann richtete sich die Klage auf die verschiedenen
Gewaltthätigkeiten, welche der Vorsteher, die Schöffen und die
ganze Gemeinde von Valenciennes in bewaffnetem Aufruhr
wider den Grafen sich zu Schulden hatten kommen lassen,
ohne dass die Ungiltigkeitserklärung des unter solchem Drucke
ausgefertigten, inhaltlich näher bezeichneten Briefes begehrt
worden wäre.
Die über das Urtheil ausgestellte königliche Urkunde^
lautet in der Wiedergabe der Klage also:
Cum apud Haghenoyam . . in judicio pro tribunali sede-
remus, ad nostram . . notitiam clamosam insinuationem a probis
et fide dignis, quibus fidem plenariam adhibemus, pervenisse
noverint universi, qualiter praepositus scabini jurati communitas-
que villae Valenchenensis ad nos et Imperium directo dominio
spectantis de feodo comitatus Haynoniae consistentis armati
ftirore, succensi rabie illicitis ausibus scelestam ineuntes factionem
contra . . comitem Haynoniae dominum suum . ., nulla coram
nobis seu quovis alio domino mota quaestione de eodem, utpote
judices in propria causa vi publica ipsius villae Valenchenensis
rebellabant, in prefati domini sui praejudicium verecundiam et
gravamen portas dictae villae contra ipsum serando, villam
muniendo, machinas faciendo, propugnacula erigendo, castrum
domini sui terribiliter assaltando, cum impetu et tumultu bona
domini invadendo ac etiam occupando, acciamationes, prohibitas
eonvocationes in suis conventiculis in sui domini pernitiem exer-
centes et aggregantes, ignem ad feoda dominica immittentes et
in augmentum sui facinoris potentioris brachium quaerentes per
metum evidentem, continentem necem populi et excidium terrae
ipsius comitis, compulerunt ipsum comitem quamdam litteram
^ Bei Marlene, Tbesaarus noviis 1, sp. 1241, 1242.
\
Das enwuiifene Veniprechen ond seine Beh*odlang im dentschen Bechtsleben. 13
ab eis vel eorum mandato compositam et conscriptam sigillare^
continentem quod ipse comes suo sigillo omnes suas consue-
tndines et leges municipales^ quas dictns comes ttme ignorabat
et adhuc ignorat, approbaret, ratificaret et per omnia confirmarety
constituendo dictos scabinos seu juratos declaratores in dubiis
et obscuris quae possent emergere de promissis.
Der Reichshof aber erklärte durch Urtheil und Recht den
aasgefertigten Brief für unkräftig und den Grafen und seine
Leute fttr frei von jeder Verpflichtung, während der König
überdies den Aufständischen, welche er wegen ihrer Gewalt-
thätigkeiten fUr höchst strafwürdig erkannte, alle durch Ge-
wohnheit oder durch Verleihungen seitens des Grafen oder seiner
Vorfahren erworbene Rechte und Freiheiten entzog.
Nos enim — fährt die Urkunde fort — attendentes prae-
positum, juratos et scabinos totamque communitatem Valen-
chenensem ac eorum fautores et complices, qui tam detestabile
facinus contra dominum suum proprium exercere et usurpare
nullatenus formidarunt, esse dignos flagitio necnon ab omni
misericordia secludendos, ut eis. perpetua egestate sordentibus
mori sit illis solatium et vita supplicium reputetur.
Considerantes nihilominus litteram supradictam praetextu
metus, qui in virum constantem cadere potest, a dicto comite
sigillatam et eis traditam, superioris auctoritate non interposita
habere efficaciam non debere, ipsam litteram et omnia contenta
in eadem auctoritate regis de consilio baronum et procerum
imperii apud Haghenoe praesentium et per sententiam eorundem
reprobamus, revocamus et ac si nunquam scripta, sigillata vel
data fuisset, penitus annullamus. Ordinantes et sententialiter
denuntiantes ipsum comitem necnon et suos homines et universos,
qui ad instantiam dicti comitis apposuerunt sigilla sua litterae
supradictae adstringentes se suis promissionibus seu obligationibus
ad observandum et tenendum ea, quae litera continebat, a quibus-
übet promissionibus et obUgationibus de potestate regiae ma-
jestatis penitus absolutes, ac si nunquum alicujus promissionis
et obligationis se vinculo astrinxissent.
Et ut praedicti praepositus, scabini jurati necnon totalis
oniversitas Valenchenensis et eorum successores suam enormem
deplangant in perpetuum factionem, rite universis suis consue-
tadinibus, legibus municipaUbus, collegiis, conventiculis, accla-
14 II. ▲bhftDdlung: Siegel.
mationibus, campanae strepitibus/ ad cuius sonitum convenientes
in unum statuta faciunt edicta edunt^ dictos praepositum, scabinos
juratos . . et eorum successores auctoritate regia exuimus
totaliter et privamus, nulla praescriptione temporis, assecuratione,
promissione vel obligatione sibi a dieto comite aut progenitoribus
modo vel conditio« e quibuslibet factis eos defendente seu ob-
stante, a quibus videlicet assecurationibus, promissionibus seu
obligationibus ipsum comitem, progenitores suos neenon suc-
cessores suos futuros comites de plenitudine regiae potestatis
penitus absolviraus et deinceps ipsos omnino liberamus, privi-
legiis tarnen eis salvis quae a divis imperatoribus et regibus
Romanis dictis civibus seu communitati praedietae sunt indulta.
ni.
Dass Gefangenschaft unter den Gesichtspunkt einer ver-
übten Gewalt fiel und daher als eine Zwangslage betrachtet
wurde, zeigt, wenn es überhaupt noch eines Beweises bedürfte,^
deutlich der Vorgang, welcher ^m Jahre 1283 vor dem Reichshof
zu Freiburg im Uechtlande sich abgespielt hat.
Zur Vorgeschichte der damaligen Gerichtsverhandlung
muss Folgendes bemerkt werden. Nach dem am 26. August 1278
erfolgten Tode des Königs Ottokar von Böhmen war als Ver-
weser dieses Landes von König Rudolf der Markgraf Otto von
Brandenburg bestellt und demselben die Vormundschaft über
den achtjährigen Thronerben Wenzel auf die Dauer von fünf
Jahren übertragen worden. Als sich darauf die Witwe Ottokars
nach Prag begab, wurde sie sammt ihren Kindern von dem
Brandenburger festgenommen und der junge Wenzel, wie ver-
sichert wird, aus Böhmen entfernt. Um die Mitte des Jahres
1283 trat der nun dreizehnjährige Wenzel die Verwaltung von
Böhmen an,^ und sofort nahm er die Hilfe des Königs und
Reiches in Anspruch, um von den, wie es scheint, kurz zuvor
^ Die Glocke, der Glockenschlag oder Glockenklang, auch Glockenschall
gehörte sonst nach den WeisthUmeru der Herrschaft zu. Vgl. Grimm,
RA., S. 44 ff.
' Nach den Belegstellen oben S. 6, Note 1 und 3.
* lieber das Bisherige s. Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. und 14.
Jahrhundert 1, S. 243—254.
I
Das enwungc'n« Yenprechen und ^icine beh&nUUiiK im deutlichen Rerht^leb«n. 1{)
während seiner Gefangenschaft gegenüber dem Markgrafen
iibemommenen Verpflichtungen durch ein Urtheil befreit zu
werden.^ Er entsendete zu diesem Behufe nach dem oben
genannten Freiburg, wo zu jener Zeit König Rudolf Hof hielt,
seine Boten. Diese aber schlugen in Erflillung ihres Auftrages
folgendes Verfahren ein. Sie baten zunächst um ein soge-
nanntes gemeines Urtheil: utrum principes vel aliquis alius
cuiuscunque conditionis vi vel metu inductus expers proprie
Ubertatis tidejussionibus stipulationibus vel aUis obligationibus
se posset constringere vel artare, ita quod in posterum ipse
hujusmodi obligationibus sie extortis posset impeti vel aliqua-
liter conveniri tamquam efficaciter obligatus?
Der König als Richter frug auf diese Bitte die anwesenden
Fürsten, Grafen, Herren und andere des Reiches Getreue um
das Urtheil, welches den allgemeinen Satz aussprach:
Quod principes vel aUus quilibet ad ea, que vi metuve
coactus promitteret vel quibuscunque pactis obligatoriis se
adstringeret, factus sui compos nullatenus teneretur et tales
pactiones obligatorie qualescunque censende forent irrite penitus
et inanes.
Nachdem das gemeine Urtheil in ihrem Sinne ausgefallen
war, gingen nun die Boten Wenzels zu dem besondern Fall
ihres Herrn über,* indem sie klagten und eine Entscheidung
darüber begehrten:
Si inclytus Wenceslaus heres regni Bohemie, quem
illustris marchio de Brandenburg aliquo tempore contra
propriam detinuit voluntatem, deinde fretus propria voluntate
ad complicationem illorum pactorum taliter extortorum atque
^ S. die SententUi vom 23. Au^st 1283, Mod. Germ, leg« II, 444, 445.
' Quam vero sententiam . . predicti nancii ad speciem decideutes
nostro culmini supplicaverunt lauten die Worte der königlichen Urkunde.
Ich führe dieselben an mit Bücksicht auf die Warnung, welche der
Brfinner Stadtschreiber Johann bezüglich eines solchen Verfahrens den
Schöffen ertheilt hat Debent iurati, sagte er, hanc cautelam servare,
quod nee extra judicia nee in judiciis aliquam sententiam communem
contra quam pars adversa nondum audita nihil objicit vel allegat, pro-
ferant et pronuntient quoque modo. Ex talibus enim sententiis in genere
prolatis saepissime cum ad speciem descenditur vel maxima diffi-
cultas generatur vel evidens contradictio niultiplicatur. Brüuner SchOifen-
bnch c. 406.
16 II. Abhandlang: Siegel.
consumationem obligationum quarumcnnque, sub quibus eidem
marchioni pro viginti milibus marcarum obligavit civitatem
Sitavie et castrum Ronan . . castrum de HarfFenstein et civi-
tatem . . castrum Bedier . . castrum Detzenin . . civitatem Usk
et castrum . . civitatem Bruks et castrum . . necnon castrum
Gandowe . ., sub quibuscunque etiam promissionibus taliter
extortis ipsi marchioni pro duobus milibus marcarum fidejus-
sores per modum extorsionis coactus posuit et pro quinque
milibus marcarum, quas se daturum promisit, aliqualiter teneatur.
Das Urtheil, welches hierauf — unter namentlicher Be-
rücksichtigung des Umstandes, dass zwischen dem König und
dem Markgrafen seinerzeit eine Vereinbarung getroffen worden
war, nach welcher letzterer das Land seinem Erben ohne jede
Entschädigung zurtlckzustellen hatte, während im Widerspruch
hiemit der Markgraf von dem Erben Verpflichtungen, Ver-
pfändungen und Bürgschaften erpresst hat — gefunden wurde,
erkannte:^
Quod sepe dictus heres Bohemie ad completionem dictorum
pactorum, promissionum , fidejussionum necnon quarumcunque
obligationum ab eo taliter extortarum per dictum marchionem,
nullatenus sit adstrictus, sed a predictis omnibus per sententiam
debeat Uberari et ubique penitus absolvi, obligationes etiam
dictorum bonorum etc. ipso jure debeant pro cassis et irritis
estimari. ^
' Maxime — führt die ki^nlgliche Urkunde aus — cum inter nos et dictum
marchionem, cum eius iure (dies bezieht sich wohl auf das sächsische
Recht der Mündigkeit) antedictum heredem regni Bohemie cum suo
regno usque ad certum tempus comraitteremus , intercesserit certa con-
ventio dig^a in suo robore observari, videlicet quod expirante certo
tempore, quod conventioni adjectum fuerat, praenominatum heredem
regni Bohemie una cum suo regno sine quovis damno vel dispendio vei
quantumvis inuria, sine petitione quarumlibet expensanim iuxta legem
conventionis restituet pleno iure; cuius t^imen conventionis legibus dictus
marchio obvians, minus iuste pactiones, obligationes, fideiussiones extor-
quens, indebite, quod promisit penitus violavit atque singula superius
expressa: principes, comites et nobiles, qui in eodem aderant iudicio,
per nos requisiti sententionando protulerunt.
' In der Urkunde folgt noch die königliche Bestätigung des Urtheils, die
nochmalige ausdrückliche Ungiltigkeitserklärung der Verschreibungen und
df»r entsprechende Befehl an Jedermann, sich darnach zu achten.
)
Das enwuDg«De Versprechen und seine Behandlang im deutschen Recht^clcben. 17
War in dem Falle des böhmischen Königssohnes seine Ge-
fangenschaft als Zwangslage geltend gemacht worden, so erhebt
sich nun die weitere Frage, ob jedwede Gefangenschaft oder
nur die ungerechte den freien Willen ausgeschlossen habe. Nach
der Meinung Eike's von Repgow scheint auch die rechtmässige
Gefangenschaft ein ausreichender Grund gewesen zu sein, das
darin gegebene Versprechen anzufechten. Er spricht — und
in gleicher Weise nach ihm der Spiegel aller deutschen Leute
c. 276, sowie das Rechtsbuch der Distinctionen IV, 41 dist. 1 —
von Gefangenschaft schlechthin, indem er III, 41 § 1 lehrt:
lewelkes gevangenen dat unde lof ne sal dur recht nicht stede
sin, det he binnen vengnisse lovet. Der entgegengesetzten An-
sicht war offenbar der Verfasser des kaiserlichen Landrechts-
buches, da in c. 307 a dem der Vorlage entnommenen Satze:
Jegeliches gevangenen gelivbede oder eit sol nvt stete sin. daz
er in vangnvsse tvt die Worte beigeftlgt sind: ob er ze vnrechte
gevangen ist. Wer den Frevel beging,* einen Andern wider-
rechtlich festzunehmen, von dem durfte der Gefangene weiterer
Gewaltthaten sich versehen, für sein Leben selbst mit gutem
Grunde fUrchten.
Es wird daher mehrfach eine widerrechtUche Gefangen-
schaft und gleichzeitig Todesangst als Voraussetzung für die
Unverbindlichkeit eines gegebenen Versprechens genannt.
So im kaiserhchen Landrechtsbuch selbst, in c. 170 c, wo
für den Fall: Vnde wirt ein man gevangen ze vnrechte, der
m^ nivt lidig werden, er gebe hvndert march silbers oder er
swere etwaz anders ze tvnne, das eidliche Gelöbniss als un-
verbindlich nach geistlichem oder göttlichem Rechte bezeichnet
wird, während später der erläuternde Nachsatz folgt: Diz ist
also gesprochen, do er disen eit swor. daz er daz tete von
sines libes vorchte.
Desgleichen bestimmt vom Standpunkt des weltlichen
Rechtes aus das Brtinner Urtheilbuch c. 595: Homo si iniuste
capitur et metu mortis coactus (est), quidquid promiserit
vel se facere velle juraverit, ad tale promissum seu juramentum,
postquam carcerem evaserit, non obligatur nee compellitur ipso
* Vgl. Wilda, Strafrecht der Germanen, S. 784; Osenbrüggen, Alamanni-
Bches Strafrecht, S. 273. 274.
Sitznngsbor. d. phil.-hist. Ol. CXXVIII. Bd. 2. Abh. 2
18 II. Abhandlung: Siegel.
iure; promissum enim (lebet esse voluntarium, alioquin potius
dieitur coactio quam promissum.
Beide Voraussetzungen trafen auch in dem Falle zusammen^
welcher in das Buch der Magdeburger Fragen III, 9 dist. 3 Auf-
nahme gefunden hat.
Ein in einer Stadt erbgesessener Mann war trotzdem, dass
er auf die von seinem Erbherrn ,umb eczUche ungeschichte' er-
hobene Beschuldigung sich erboten hatte, vor dem Stadtgerichte
oder jedem andern Gerichte in des Herrn Lande zu erscheinen
und sich zu verantworten, auf seines Herrn Geheiss festge-
nommen worden. In dem Gefängnisse wurde ihm erklärt,
dass er gegen ein Lösegeld von zweihundert oder zweitausend
Mark^ frei sein solle, gebe er das Geld nicht, so könnte es ihm
an den Hals gehen. Wenne nu, heisst es weiter, der man synis
herren ungenade verebte unde vorterbnisz synis leibes, so sagte
er: besser ist's, dass ich das Geld verspreche, , wenne das mynis
hern zorn obir mich irginge, das ich doch ny vorschuldiget habe',
und er gelobte das Geld den Anwälten seines Herrn vor dem
ßath in der Stadt zu zahlen ,durch synes leibes frist oder not',
wie in anderen Handschriften steht, ,unde hoffte sich domit ir-
nerende'. Aus des Herrn Gewalt infolge seines Gelübdes ent-
lassen, kehrte er dem Lande den Rücken. Der Herr aber
liess ihm sein Erbe und Gut in dem Stadtgerichte nehmen und
verkaufte es ohne seinen Willen, offenbar um sich bezahlt zu
machen. Ab nu — lautete die Frage, welche an den Schöflen-
stuhl zu Magdeburg gestellt wurde — der man dy gelobde, dy
her in gefengniscze ^ globit hat, schuldig sey zcu haldene adir
nicht, ader was recht sey, und das Erkenntniss hierauf besagte :
Dy globde, dy der man in gefengnisz adir in getwange^ globit
hat, dy sullcn durch recht nicht stete syn vnde her bedarff
das gelt nicht gebin.
In einer ähnUchen Lage wie dieser städtische Erbmann
scheint sich ein gewisser Ulrich, genannt der Marchfelder, be-
funden zu haben. Auch er war Gefangener seines Herrn, des
* Die Haudschriften differiren; die im Behrend' sehen Texte steheuden
zwei Mark sind jedenfalls irrthümlicb. Vgl. auch Kaiserliches Landrecht
170 c und unten S. 24 Note 2.
^ Eine Handschrift fügt hinzu: ader in getwange.
^ Die Worte a. i. g. fehlen in einigen Handschriften.
I
Bm enwnngene Yenprechen und seine Bobandlnng im dentschen BechtMlel>en. 19
Weikhard von Stahremberg, und hat als solcher bei seiner im
Jahre 1355 auf Widerruf erfolgten Entlassung eine Reihe von
Gelöbnissen und Erklärungen gegeben, über welche nachstehende
Urkunde ausgestellt wurde. Ich Vlreich der Marichuelder ver-
gich . . das ich meins herren Weicharten von Stohrenberg ge-
fangen bin vnd han auch (1) verhaizzen mit meinen trewn vnd
auch mit mein starchen ayd . . wen er mich mont vnd wohin
er mich vordert ze laisten, da sol ich im ze hant an allen wider-
redt vnd Vorwort in sein filngchnüzz hin laisten also auch be-
schaidenlich , daz ich mein leben vnd mein halzz gar sicher
soll sein.* W^er aber daz ich im nicht laistaecht, so bin ich ze
hant mit syben vbersaydt vnd hat den vollen gewalt, nach mir
ze greiffen, wo er mich anchymt vnd anchömen mag. (2) Ich
scholl auch in der zeit vnd ich sein gefangen pin sein frömen
werfen vnd sein schaden wenden^ an aller stat vnd ich dez
inne wirt, von leib vnd von gut, wi ich sol vnd vermag. (3) Ich
vcrgich auch, ob daz waer, da chainerlay brif herfür chöm oder
zaigt würt, von wem daz waer, di ich vnder sein insigel an
sein willen vnd an sein wizzen vnd an sein wort geben hyet
\Tid geben waern, dez ich in nicht geweisen noch geinnern
mocht, di selben brif, wi di sint vnd waz di sagen t, di sollen
all tot vnd ab sein noch sullen chainerlay chraft haben in allen
iem gepunden vor alle den rechten vnd si fürpracht vnd zaigt
wemt, daz sei vor gaistlichen vnd vor weltlichen rechten.
(4) Ich han auch meim vorgenanten herren Weicharten von
Stohrenberch daz gut, daz er mir von sein gnaden verlihen
hett, auf sein gnad aufgeben vnd waz er damit tut, daz stet
allez an sein gnaden. (5) Is sol auch mein vorgenannter herr
vm di vanchnuzz vnd vm all handlung, di er an mir geten
hat, vor mir vnd vor allen meinen frevnten vnd hclfer gar
sicher sein vnd an allen ansprach.^
Wie hieraus ersichtlich ist, hatte dieser Marchfelder, als
er im Dienste des Stahrembcrgers, von welchem er auch ein
Lehen besessen, stand. Missbrauch mit seines Herrn Insiegel
' Von der Todesangst sollte er wenigstens in Znkunft befreit sein.
' Wie die Formel für die Pflicht des Lehnsmannes lautete. S. Homeyer,
des Sachsenspiegels zweiter Theil II, S. 372.
« Oberösterreichisches Urknndenbuch VII, n. 38Ö, S. 396. 397.
2*
20 n. Abhandlunij: Siegel.
getrieben und war vermuthlich deshalb von letztcrem fest-
genommen worden. Da jedoch hiezu der Herr trotz der Treu-
losigkeit seines Mannes nicht berechtigt gewesen ist, so dürften
schon aus diesem Grunde die von dem Gefangenen gegebenen
Erklärungen mit Ausnahme des ersten Gelübdes, für welches,
wie im Folgenden gezeigt werden wird, eine Ausnahme galt,
der Rechtskraft entbehrt haben.
rv.
Trotzdem, dass die Gefangenschaft, sei es jede oder
wenigstens die widerrechtliche, im Allgemeinen als Zwangslage
betrachtet wurde und daher das von einem Gefangenen gegebene
Versprechen der Rechts Wirksamkeit entbehrte, so ist doch
bei gewissen Versprechungen eine Ausnahme von der Regel
anerkannt worden.
So wurde von sämmtlichen Rechtsbüchem übereinstimmend
das Versprechen der Rückkehr, welches ein Gefangener bei
seiner zeitlichen Beurlaubung gab, unter der Voraussetzung,
dass er nicht etwa unehrlich gefangen war und der Urlaub
sammt dem Versprechen ihm aufgezwungen wurde, für verbind-
lich erklärt.
Der Sachsenspiegel III, 41 sagt^ § 1: Lot man aver ine
(den Gefangenen) ledich uppe sine trüwe riden to dage, he sal
durch recht weder komen unde sine truwe ledegen, womit dann
noch § 3 zu verbinden ist, welcher bestimmt:^ Svar man den
man untrüweliken veit, let man ine uppe sine trüwe riden, die
ine dar gevangen hevet oder let he ine sveren oder in truwen
ime ander ding^ geloven he ne darf is nicht lesten, mach he
it vulbringen up in, dat he ine untrüweliken* to' me lovede
* Ebenso der deutsche Spiegel c. 276, das schlesische Landrecht c. 296
und das Rechtsbuch der Distinctionen IV, 41 dist. 1.
* Desgleichen der deutsche Spiegel c. 277, das schlesische Landrecht c. 296
und das Rechtsbuch der Distinctionen IV, 41 dist. 4 mit dem Zusätze:
Unde ist lantrechte und wich bilde.
® Die Mainzer Handschrift von 1421 hat für ding: werb, was klarer den
Sinn wiedergibt.
* Mehrere Handschriften schieben die Worte ein: ving und in. Da jedoch
dpr deutMohe Spiegel und das Rechtsbuch der Distinctionen mit dem
D»8 enwQDgene YerBprecheo und seiuo Behandlung im dentschen Rechtsleben. 21
gedungen hebbe, während das kaiserliche Landrechtsbuch c. 307 a
die beiden Sätze folgendermassen verbunden hat: lat aber er
in (den widerrechtUch Gefangenen) lidig. vf sine triwe vnd lobet
sich hin wider ze antwv rtenne ^ daz sol er leisten ob er in nvt
vngetrvhchen gevangen hat. hat aber er in vngetrvlichen ge-
vangen oder ze unrehte dar zu betwungen. vnde hat er gesworn
oder svz gelvbede getan oder bvrgen gesetzet, dez ist er alles
nvt (so statt mit) reht Udig.
Wird diesen Bestimmungen die erläuternde Ausflihrung
des Görlitzer Landrechtsbuches XXXVI § la: Swelich man
den andirn vehit, unde in hin vorit unde vor den vorchtin
der nach volgere den gevangin dwingit, daz er ime untruwin
gelove wider zo komine unde ne kümit er nicht widere in sime
gevancnisse, darunme verliusit er sine truwe nicht, wand er
in der Sicherheit der vancnisse nicht gevangin ne wurt, hinzu-
gefügt, so gelangt man zu folgendem Ergebniss. Eine ungetreue,
unehrUche oder unverlässliche Gefangennalxme war dann vor-
handen, wenn die Wiederbefreiung des Festgenommenen durch
nacheilende Freunde von diesem noch immer erhoflft werden
durfte, von dem Gewalthaber beflirchtet werden musste. Wurde
unter solchen Umständen der Gefangene entlassen, so hat er
gewiss nicht freiwillig, sondern unehrlich dazu gebracht^ oder
gezwungen das Versprechen der Rückkehr gegeben, und darum
war dasselbe Versprechen, das verbindlich war, wenn es aus
den Banden einer sicheren Gefangenschaft befreite, im entgegen-
gesetzten Falle unverbindlich.
Die Rückkehr in die Gefangenschaft konnte übrigens auf
einen bestimmten Tag versprochen werden oder von einer
jederzeit zulässigen Mahnung des Gewalthabers abhängig
gemacht sein.^
Das berühmt gewordene Versprechen, auf einen genannten
Tag als Gefangener sich wieder zu stellen, ist das Versprechen,
welches Friedrich von Oesterreich in seinem Gefilngniss zu Traus-
Homeyer'scheu Texte übereinstimmen, so ist an dessen Ursprünglichkeit
nicht zu zweifeln.
* Die Worte v. 1. s. h. w. z. a. erklären genauer, was die Worte to dage
des Sachsenspiegels ausdrücken.
' Der Sachsenspiegel sagt: gedungen.
* Wie in dem Falle Marchfelder S. 19.
22 II> Abhaudloug: Siegel.
nitz am 13. März des Jahres 1325 Ludwig dem Baier gegeben hat.
Die beiden Fürsten waren bekanntlich im Jahre 1314 in spaltiger
Wahl zu römischen Königen gewählt worden. Keiner rief den
päpstHchen Stuhl zur Entscheidung an; ein Jeder wollte durch
seine Macht sein Recht behaupten. Nahezu acht Jahre hatte
der Streit um die Herrschaft im Reiche bereits gedauert, als
Friedrich von der Ostmark und von Schwaben aus den Gegner
in seinem eigenen Lande anzugreifen beschloss. Bei Mühldorf kam
es Ende September 1322 zu einer Schlacht, in welcher Ludwig
siegte und Friedrich nach heldenmüthigem Kampfe in die Ge-
walt des Siegers fiel. Trotz des Sieges über den Gegner, welcher
als Gefangener in die Burg Trausnitz gebracht wurde, besserte
sich jedoch die Lage Ludwigs nicht; sie verschlimmerte sich
durch seinen Streit mit dem Papste und in Folge der Verbindung,
die Friedrichs Bruder, der Herzog Leopold von Oesterreich,
mit dem König von Frankreich einging. Unter diesen Umständen
suchte Ludwig die Verständigung mit seinem Gegner Friedrich,
und es kam zu einer Sühne, nach welcher letzterer um den
Preis der Freiheit auf die Krone zu verzichten, Ludwig als
seinen König anzuerkennen und diese Anerkennung auch von
seinen Brüdern und Getreuen in Oesterreich zu erwirken eidhch
sich verpflichtete. Darauf erhielt Friedrich die Freiheit, zunächst
jedoch gegen das Versprechen:^ möcht er aber der Sünen nicht
zu bringen, so soll er sich wider antworten gen Trausnicht in
die venchnuss, darinne er jetzt ist, auf Johannestag ze Sunn-
wende, der schierst kombt.^
Aus seiner Haft entlassen, ritt Friedrich nach der Heimat,
um die Zustimmung seiner Brüder zu der Sühne zu gewinnen,
was ihm indess nicht gelang. In Folge dessen kehrte er —
' Die ÖUhue sauimt diesem GelöbuiKs findet sich bei Kurz, Oesterreicli
unter Friedrich dem Schönen S. 488.
' Derselbe Zeitpunkt spielt, was bis jetzt unbeachtet blieb, in einem be-
reits am 3. October 1324 von dem Bruder des gefangenen Friedrich, von
Herzog Leopold mit der Stadt Hagenau im Elsass getroffenen Abkommen
eine Kolle. Würde bis zur Sonnenwende Herzog Ludwig als König mit
Heeresmacht vor der Stadt erscheinen, so sollten die Bürger ihn em-
]»fangen und ihm helfen dürfen, anderenfalls sollte die Stadt den Herzog
Leopohl zu ihrem Schirmer nehmen. 8. Böhmer, Regesta Ludovici, S. 262,
n. 174.
i
Das encwnngpne Verspi^chen nud ft<>iQe Rohandlang im dentschon Rcchtxlebon. IjB
nach der Sage der späteren Geschichtsschreiber^ und gepriesen
von den Dichtern als ein Muster deutscher Treue, in sein Ge-
ßingniss zurück:
Aber was er in Banden gelobt, kann er frei nicht erfüllen,
Siehe, da stellt er aufs Neu willig den Banden sich dar.*
während nach den Ergebnissen der neuen Geschichtsforschung^
Friedrich von Ludwig seines Wortes bereits entbunden war,
als beide zu Anfang Juli in München zusammentrafen und einen
Bund inniger Freundschaft schlössen, welchej* in dem merk-
wllrdigen Uebereinkommen vom 25. September desselben Jahres,
als zwei Könige gemeinsam die Regierung des Reiches zu führen,
gipfelte.
Dass übrigens Friedrich ohne die in seinem Verhältniss
zu Ludwig eingetretene Aenderung so gehandelt haben würde,
wie ihn die Sage und Dichtung dem Rechte entsprechend
handeln Hess,* dürfte das historisch beglaubigte Verhalten seines
^ Bis auf Zimgibl, Ludwig des Baiem Geschichte, Münchener akad. Ab-
handlungen III (1814), S. 216 und Kurz, Oesterreich unter Friedrich
dem Schönen 1818, S. 317.
' Schiller's Gedicht ,Deut8che Treue*. Vgl. Uhland's Schauspiel: Ludwig
der Baier, 1818;
— Nun ich's recht betraclite, that ich nichts
AIb das Geringste, was ein Mann kann thnn:
Ich hielt, was ich versprochen — —
Ich selbst bin dein Gefangner, wie zuvor
Lass mich zur Trausnitz führen.
' Vgl. DObner, Die Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Baier und
Friedrich von Oesterreich im Jahre 1325. 1876. Friedensburg, Ludwig
der Baier und Friedrich von Oesterreich von dem Vertrage zu Trausnitz
bis zur Zusammenkunft in Innsbruck 1877. S. auch Riezler, Geschichte
Baiems II (1880), S. 860, 361.
* Auch der Papst war überzeugt, dass Friedrich, wie es das Recht ver-
langte, als Gefangener sich wiederstellen würde, und hat daher in seinem
Schreiben au den Herzog vom 4. Mai 1325, worin er alle übernommenen
Verpflichtungen für aufgehoben erklärte, schliesslich die Rückkehr in
das Gefangniss bei Strafe der Excommunication verboten : Tibique nihilo-
minus in virtute sanctae obedientiae ac sub excommunicationis poena,
quam te (si contrarium feceris) incurrere volumus ipso facto, districtius
inhibentes, ne ad ejusdem Ludovici rebellis et excommunicati quoquo-
24 II. Abhandlnng: Siegel.
Bruders, des Herzogs Heinrich, nahelegen, welcher gleichfalls
in der Mtihldorfer Schlacht in die Gefangenschaft, und zwar in
die Hände des Böhmenkönigs gefallen war. Auch dem Herzog
Heinrich wurde schon vorher ein Urlaub aus seinem Gefängniss
in der Feste Biirglitz gewährt, um seine Brüder für die Ver-
pflichtungen zu gewinnen, deren Erfüllung ihm die Freiheit
wiedergeben sollte; auch ihm hatten sich die Brüder nicht will-
ftlhrig erwiesen, und so kehrte er, um sein Wort einzulösen,
wie es das Recht gebot, in sein Gefängniss zurück.
Der Bericht der Königsaaler Chronik* lautet: Anno do-
mini 1323 in die nativitatis Christi Heinricus dux Austriae
anno praeterito in proelio vinculatus ferreis coinpedibus per
ebdomadas octo in Castro iacuerat Burgelino, intervenientibus
pactis et tractatibus Pragam venit, altera die abinde processit
fratresque suos duos duccs in Austria visitavit, qui cum con-
ditionibus et pactis ab ipso duce capto factis noUent acquie-
scere. Heinricus dux stare volens quam promiserat fide, pri-
stinae se captivitati in die beati Mathaei apostoli (24. Februar)
coepit ultroneus mancipare.^
Die bindende Kraft eines in sicherer Gefangenschaft
gegebenen Versprechens der Wiederkehr fand ihre Recht-
fertigung aus Gründen der Nützlichkeit wie der Ethik. Eine
Beurlaubung erfolgte im Interesse beider Theile, insbesondere
auch des Gefangenen, welcher überdies keine Verpflichtung auf
sich nahm, die seine künftige Lage schlimmer gestaltete, als
die jetzige war. Andererseits verdiente das Vertrauen, welches
der Gewalthaber in der Enthaftung seines Gefangenen bewährte,
durch dessen Treue erwiedert zu werden.
Ein zweites Versprechen, dem jedoch nur im Bereiche
des sächsischen Rechtes Wirksamkeit beigelegt wurde, war das
Urphede- oder Friedensgelöbniss, das ein Gefangener vor seiner
entgeltlichen oder unentgeltlichen Freilassung aus dem Ge-
fängnisse gab. Der Sachsenspiegel IH, 41 § 1 sagt und mit ihm
modo redire carcerem . . praesumasS Baronii, Raynaldi et Laderchü An-
nales ecclesiastici ed. Theiner., T. XXIV, 276.
* Theil 11, c. 12. Fontes rerum Austriacarum, Scriptores VIII, 421. 422.
Dass gegen andere, später — am 24. Angust — festgestellte Leistungen,
insbesondere ein Lösegeld von 9000 Mark Silber Herzog Friedrich end-
lich die Freiheit erhielt, soll nebenbei bemerkt werden.
t
\
Dms enwnnfene Yeraprechen and seine fieliandlung im deutschen Bccbtsleben 25
stimmen das schlesische Landrecht cap. 296 und das Rechts-
bueh der Distinetionen IV, 41 dist. 2 überein: Gilt he oder
wert he ane gelt ledich, svelke orveide he gelovet oder sveret, *
die sal he durch recht lesten, unde anderes nen gelovede, dat he
binnen vengnisse lovet oder dut, während der Vierfasser des
Spiegels aller deutschen Leute c. 276 seine Vorlage nicht ver-
standen hat, wenn er schreibt: Ist er oder wert er ane gelt ledig
swelch gelubdeer lobet oder swert die sol er durch recht
leisten vnd anders von gelubde daz er in vanchnuzze lobet
oder tut, und das kaiserliche Land rechtsbuch c. 307 a wohl
nicht ohne Absicht und Grund schweigend darüber hinweg-
gegangen ist.^
Eike von Repgow aber dürfte zu seiner Behauptung von
der Rechtsverbindlichkeit des Urphedegelöbnisses eines Ge-
fangenen durch die Rücksicht auf den Frieden und seine
Förderung bewogen worden sein, durch dieselbe Rücksicht,
welche ihn auch bestimmte, für das genannte Gelöbniss, wenn
es aussergerichtlich gegeben worden war, eine Ausnahme von
der sonst geltenden sächsischen Beweisregel anzuerkennen.'*
Ein drittes Versprechen, dem wieder allgemein wohl
rechtsverbindliche Kraft beigelegt wurde, dürfte das übrigens
nur in einem der Rechtsbücher berührte Gelöbniss von Kriegs-
gefangenen, an einem bestimmten, ihnen zugewiesenen Orte
Gefangenschaft zu halten, gewesen sein.
Diese Art von Haft, welche, wie es scheint, vornehmen,
rittermässigen Kriegsgefangenen gestattet wurde, nannte man
ein FeldgefUngniss, dessen Versprechen jedoch nur dann bindend
sein sollte, wenn den Gefangenen nichts ausser seinem Ehren-
worte festhielt, weder Wachen noch Fesseln.
Swelich man gevangen ist unde bi sinen trawin gelobit
daz er nicht entrinne — sagt das Görlitzer Landreehtsbuch
^ S. eia solches Gelöbniss oben S. 19, Nummer 5.
' Dass nach anssenächsischem Rechte das UrphedengelObniHS eines durch
Thätlichkeiten in Angst Versetzten als unverbindlich behandelt wurde,
darüber s. oben S. 9, 10.
* W&hrend sonst der Gtober eines aussergerichtlichen Versprechens des
mit siner unschult untgeit, unde man*s in nicht vertügene mach (Sachsen-
spiegel I, 18 § 2): mut (darf) he it getUgen selve sevede, dem man
die sune oder de orveide dede (das. I, 8 § 3 und Richtsteig Landrechts
41 § 8). 8. auch Horaeyer, Richtsteig S. 501.
^
26 11- Abhuidlang: Siegel.
XXXVI § 1 b — unde werdin ime ovir daz hutor gesazt, unde
(wirt er) ouch gespannin oder bismidit,^ unde untrinnit denne,
dar umme ne hat er sine truwe nicht gebrochin. Denn Treue
wurde nur da geschuldet, wo Vertrauen voll geschenkt wurde
und kein Misstrauen sich geltend machte.
Aus dem Feldgefilngniss rittermässiger Kriegsgefangener
ist, was zur besseren Beleuchtung desselben beitragen dürfte
und daher an dieser Stelle nachgewiesen werden soll, das Ein-
lager im Frieden entstanden, welches seit dem 12. Jahrhundert
vornehme Schuldner ihren Gläubigem zur Sicherung einer
Forderung freiwillig zu versprechen pflegten. Dass die Er-
innerung an diesen Ursprung des Einlagers noch im 16. Jahr-
hundert nicht ausgestorben war, ergeben zwei Urkunden, in
welchen die Schuldner das Einlager unter der Bezeichnung eines
rechten Feldgefangnisses, wie wenn sie von ihren Gläubigern
oder deren Erben im Felde gefangen worden wären, zusagten.
Heinrich von Holle versprach im Jahre 1535 Mehreren,
die sich zu seinen Gunsten verbürgt hatten: Dartho wyl ik
eine rechte Veltfengniüe up ohr Erfordern . ., gelik alße wehre
ek van ohne edder oren Erven in Felde gefangen, wor se mik
heneschen worden, dat were schriftlik edder mündlik in myner
Behusunge ifte gegenwordig in welUker Stede und Platz, mit
seß Perd und vyff Knechten mit mynes sülves Lyve holden
und lesten: Szo ik uth cyner edder mer Stede gewysett, dar
se myk ingeeschlt (sie!), alsdenne an eynen andern Ortt, Stadt,
Platz edder Dorp, dar man myck hengefordert und de Vengnisse
tho holden lyden kan, und wyl dar ock nicht uth, DageÜ ifte
Nachteli, sondern eyne rechte Veltfengniüe, wu einen erbaren
frommen Manne tostehet, holden ind leesten.*
Kühne von Bardeleben, Drost zu Neustadt am Roberge,
stellte im Jahre 1544 dem Mathias von Veitheim eine Schuld-
^ Bninswik intrabunt et inde non exibant, nisi per consensura domin i
Imperatoris; sine vinculis tarnen et capitali custodia manebunt verfügte
der 1212 zwischen dem Kaiser Otto und dem Markgrafen von Branden-
burg aufgerichtete Vertrag hinsichtlich der zwanzig Eidgesellen des
Letzteren, fall» ihm auf die Anklage wegen Treubruchs der Beweis
seiner Unschuld nicht gelingen würde. S. die Urkunde bei Lisch,
Mecklenburgisches Urkundenbuch I, S. 199.
' Die Urkunde ist mitgetheilt von Neander in Schottes Juristischem Wochen-
blatt 1774, m, S. 8.
Das enwnnfene Verspreehen und seine Behandlung im deutseben Rechtsleben. 27
verschreibung mit dem Beifügen aus: Im Fall ich aber an der
Zahlang seumig befunden, so verpflichte ich mich bey meinen
högesten Ehren in Eydesstatt und bey einer VeltgefängnüÜe,
inmaOen ich im Felde gegriffen und das zu thun angelovet,
daß ich mich von Stunde an ungeseumbt auch ungefiirdert
mit meinen selbst Leibe erheben will, und zu Oskersleve in
eine Herberge einreiten und will einstellen, leisten und halten
aldar so lange ein recht Einlager, als einen frommen und Ehr-
liebenden von Adel rühmlich zu thun und wohl anstet und
auch Gestalt eines Gefangenen, daraus in keine wege zu Tage
und Nacht nicht zu kohmen.^
Die Aeusserung in dem Rechtsbuch der Distinctionen, *
dass nach der Ansicht Mancher das Versprechen, Gefangen-
schaft zu halten, nur für Rittermässige und nicht für Kaufleute
verbindUch sei, indem jene vermöge ihrer höheren Geburt auch
mehr halten wollen, durfte sich auf das Einlager beziehen,
wozu in der That Leute bürgerlichen Standes nur höchst selten
sich verpflichteten' und das einmal geradezu als ein ritter-
mässiges Geftlngniss bezeichnet wurde.
Der Fall, in welchem dies geschah, unterscheidet sich
allerdings in manchem Punkte von einem gewöhnlichen Ein-
lager, namentlich darin, dass der Schuldner sich verpflichtet
hat, allein und insgeheim an den Ort, der ihm bezeichnet
werden würde, zu reiten und auch in der Folge seinen Auf-
enthalt zu verschweigen und Niemanden zu verrathen. Wegen
dieser Eigenthünüichkeiten mag das erhaltene Mahnschreiben
zum Einritt* hier mitgetheilt werden. Nachdem der Gläubiger
seinen Schuldner im Eingang der Urkunde an sein Versprechen
* An dem in der vorigen Note angeführten Orte S. 9.
' IV, 41 di«t. 5 : Auch sprechen sommeliche lute, daz dy kouflute, dy
nicht zu dem schilde sin geborn, keyn gefencknisz halten sullen von
rechte, daz ist wor, is sal der geborne und ungeborn keyn gefencknisz
dulden. Doch heben dy am herschilde eyne vorloysende willekor ores
adils, daz sy me wnllen halden in orer besseren gebort, won dy konf-
lute; hymete wert der koufman nicht rechteloz noch erenloz . . wen
god had den menschen selber noch om gebildet, unde had on mit siner
marter gelediget eynen also den andern, unde om ist der arme also
der riche, der gebur also der herre.
» Vgl. Friedländer, Das Einlager S. 72 ff.
* Vom Jahre 1548, gedruckt bei Amthor, de obstagio 1712, p. 139. 140.
28 n* Abh. : Siegel. Das enwoDgeiie Yeraprechen im deutschen Rechtelcben.
erinnert hat, fährt er fort: Demnach und zufolge solcher be-
schehenen nothwendigen und hochveruhrsachlichen Bestrickung
heische und mahne ich dich vermüge und krafft deiner ange-
lobten Zusage, (dass) du von Stund nach Uberkommung und
Vorlesung dieses meines Briefes dich erhebest und on mennig-
lichs Vorwissen gar alleine, stille und in gantzer geheim biss
au Freyenwolde in Pommern in Borchert Lantkowen Behausung^
verfolgst, darinnen ein Rittermässiges Gefängniss femer
leistest und haltest, daraus noch zu Tage oder Nacht on mein
vorwissen keineswegs scheidest, sondern meines weitern Be-
scheits daselbst getreulich abwartest; wo auch dasselbe Haus
Feuershalben unterginge, dich nicht weiter dann so fem das
du des Feuershalben an deine lebende keinen schaden nehmest,
daraus verfügst, und nach verleschung des Feuers wiederumb
uf derselben Stetden, wo das Haus gestanden, dein Gefkngniss
bis zu fernerem meines Bescheids auswartest, auch dieser Be-
strickung halber nichts hinter dich oder sonsten von dir
schreibest, noch jemands davon vermeldest, auch in deinem
anher reiten die eine Nacht nicht liegest do du die andere
gelegen hast, sondern still und in gantzer geheim, ohne alle
Vermeldung und Nachsage dich eilens an vorberürten Ort
hebest und verfügest, alles bei deinen adelichen, Ehren, Treuen
und Glauben, des du dich allenthalben deiner Rittermässigen
Zusage nach wirst unverweigerlich zu verhalten wissen.
^ Auch das Privathaiis im Ge^nsatz zu einer Herberge kommt nur selten
vor; vgl. Friedländer, Das Einlager, S. 119 ff.
I
in. Abh. : BeiDiseh. Die BecUuye-Spnobe in Nordo&t-Afrika. I.
IIL
Die Bedauye-Sprache in Nordost-Afrika. I.
Von
Leo Beinifloh,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der WissenschAften.
CiS bedarf einiger worte der entscbuldigung; wenn ich
nach dem erscheinen eines so ausgezeichneten werkes wie das
von Hermann Almkvist: »Die Bischari-Sprache Tü-Be(jÄwie in
Nordost -Afrika. Upsala 1881 — 1885« 2 bde., mich noch an-
schicke, über denselben gegenständ meine eigenen aufzeich-
nungen zu veröflFentlichen.
Die zwei folgenden gründe haben mich aber veranlasst,
meine sammlangen zur genannten spräche doch endlich auch
ans tageslicht hervorzuziehen:
1) Um den geist einer spräche einigermassen richtig aufzu-
fassen und beurteilen zu können, sind unbedingt texte erforderlich
und nnerlässlich. Durch einzelne Sätze welche man in eine zu
erlernende spräche übertragen lässt, können zwar grammatische
functionen mit zimlicher Sicherheit ermittelt, kann auch ein
glossar festgestellt werden; aber der volkstümliche satzbau und
der geistige schätz einer nation in seiner eigentümlichen fas-
sung werden doch erst zugänglich und klar ersichtlich, wenn
man eingebornen selbst das wort frei erteilt, ire erfarungen
und lebensanschauungen zwanglos aussprechen lässt und sie
nicht dahin drangsaliert, nach dem zuschnitt unserer denkungs-
art sich äussern zu müssen. Nun feien in dem werke Alm-
kvist's aber gerade die texte, so dass ich dasselbe mit den
von mir gelegentlich gesammelten erzälungen einigermassen
ergänzen kann.
Sitenngsber. d. phiL-hbt. Cl. CXXVni. Bd. 3. Abh. 1
S ni JLbhftndltinf : Bein lach.
2) Wie schon der titel des schönen Almkvist' sehen buches
selbst es ausdrücklich anzeigt, hat der Verfasser nur einen
dialect der Becjauye- spräche behandelt und es würde derselbe
seine vortreffliche arbeit villeicht richtiger bezeichnet haben,
wenn er ir den titel: »Der Bischari- Dialect der Bedauye-
Sprache« gegeben hätte. Denn wenn auch der dialect der Ha-
lenga im ganzen sich enge an den der Bischari anschliesst, so
weist wenigstens das idiom der Beni-Amer in Barka bemer-
kenswerte unterschide und teilweise altertümlichere formen
auf, daher es wol nicht gut angeht, die gesammtsprache des
weit verzweigten Volkes der Bedscha nach dem dialect eines
Stammes derselben, nemlich der Bischari, mit dem ausdruck:
»die Bischari- spräche € zu benennen. Indem ich nun aber ge-
rade dem genannten ursprüngHcheren idiom der Bedauye-
sprache, nendich dem dialect der Beni-Amer, mich einige zeit
zu widmen in der läge war, so düi*fte auch nach dieser seite
hin das werk von Almkvist eine weitere ergänzung finden.
Meine ersten Sammlungen zur spräche der Bedscha be-
gann ich vor beinahe zwanzig jaren, als die sogenannte nu-
bische truppe Hagenbeck's sich in Wien aufhielt. In dieser
truppe befanden sich sechzehn Halenga, mit denen ich mich
fast täglich beschäftigte und auf diese weise mir ein zimlich
vollständiges bild des Halenga -idioms verschaflfte. Unglück-
seliger weise wurde mir die frucht dieser arbeit, die ich in
einem gebundenen heft zusammengetragen hatte, aus der tasche
gezogen, indem der entwender dasselbe wol flir eine gefüllte
brieftasche hielt. Da wenige tage darnach die Hagenbeck'sche
truppe bereits Wien verliess, so konnte ich den verlust nur
ser ungenügend durch die wenigen gespräche und Sätze noch
ersetzen, welche in diesem gegenwärtigen hefte den titel füren:
,11. Gespräche und Sätze im idiom der Halenga.'
Auf meiner ersten reise in Abessinien (1875 — 1876) hatte
ich keine gelegenheit, mit den Bedscha in nähere berürung zu
kommen, wol aber auf der zweiten dahin unternommenen tour
(1879 — 1880), indem ich wärend des aufenthaltes in Barka
häufig mit männem vom volk der Beni-Amer zu verkeren
hatte; überdies befanden sich damals in meinem gefolge zeit-
weilig auch leute des Bischari -Stammes, dessgleichen auch
Hadendäwa, leider von wenig gewecktem geiste. Uebrigens
Di§ B«dMy«-SprMh§ in Kordoii-Aftikft. I. 3
hatte ich mir nur das Studium des Billn und des Kunama als
eigentlichen zweck dieser zweiten reise gesetzt und dasselbe
nam auch meine zeit und t&tigkeit vollauf in anspruch. Was
ich daneben noch gelegentlich und gewissermassen nur in
wissenschaftlicher genäschigkeit aufhemen konnte, das bedarf
desshalb wol etwas einer nachsichtigen beurteilung.
Obwol ich aber wie gesagt, dem Beijauye nur in ser be-
schränktem masse meine zeit widmen konnte, so hätte ich
dennoch wärend derselben eine wertvollere Sammlung von
texten anlegen können, wenn jene Beduan, mit denen ich ar-
beiten konnte, ebenso geistig geweckt gewesen wären, wie
meine lerer der übrigen kuschitischen sprachen. Mit jenen
hatte ich aber einen fortwärenden kämpf gegen ire geistige
Faulheit und nachlässige ausspräche zu bestehen, und es kostete
immer eine grosse mühe meinerseits, diese leute bei geistiger
arbeit in der Stange zu halten. Bei dieser irer beschaffenheit
darf es auch nicht wunder nemen, dass die wenigen zusammen-
hängenden texte, die ich von denselben dennoch zu erlangen
im Stande war, an inhalt und form weit hinter denen zurück-
stehen, die ich von den Bilin, Saho, 'Afar und sogar den Nuba
auf leichte art erhielt. Die verhältmässig brauchbarsten dienste
fiir das idiom der Beni-Araer leistete mir Ahmed -ibn- Mahmud-
ibn-Idris von der Gabila Ad-Daga, und für das Hadend&wa:
Mohammed 'Ali aus Suakin.
Die dem Becjauye - text gegenüberstehende Saho - Über-
setzung stammt von meinem ausgezeichneten und treubewärten
diener auf den beiden afrikanischen reisen, dem Saho 'Abdallah -
ihn -'Ali Dasamojta, der mir meistenteils als interpret zu dienen
hatte und seines amtes in der denkbar besten weise gewaltet hat.
Ausser meinen eigenen aufzeichnungen und den meiner
Vorgänger konnte ich bei meiner arbeit noch benutzen die
nach dem erscheinen von Almkvist's buch veröflFentlichte kleine
Schrift von C. M. Watson, betitelt: »Comparative Vocabularies
of the Languages spoken at Suakin: Arabic, Hadendoa, Beni-
Amer. London 1888. 8^« 16 pgg., welche obschon dem umfange
nach unbedeutend dennoch für die ortografie desshalb recht
verwendbar ist, weil der herausgeber alle Wörter von einem
gewissen Idris Eifendi, wahrscheinlich einem gebornen Haden-
däwa-Mann in arabische buchstaben umschreiben Hess, wodurch
4 in. JLbhsndliiQf : Bei ni seh.
die fUr die iinguistik so ärgerlichen nachteile der englischen
Umschrift besonders im vocalismus wider einigermassen behoben
sind. Watson's glossar enthält Wörter im idiom der Ha4ö94&wa
welche in und um Suakin hausen. Auch Watson generalisirt
unrichtig, wenn er sagt: Hadendoa is spoken by the native
Suakinese, and the greater part of the tribes in the vicinity of
Suakin, ^the Hadendoas, Amarars, Bisharin, part of the Halenga,
and as far north as the tribes of the Ababdeh. Femer sind
seine Amarars i. e. Amar'ar »Amar's Söne«, welche er inv
tümlich zu den Ha4^94&wa rechnet, nicht bloss dem namen
nach, sondern auch ethnografisch mit den Beni-Amer identisch,
von welchen letzteren derselbe ein glossar mit der Über-
schrift: Beni-Amer gibt, das aber Tigr^ oder Chassa ist, da
die an den ktlsten des roten meeres nomadisirenden Beni-Amer
von iren Untertanen, sowie von den benachbarten Habab die
Tigr^sprache angenonmien haben. Trotz viler übelstände, die
dem mangelhaften Inhalt und der schlechten metode Watsons
(nach dem übel bewärten vorbild der meisten Unguistischen
Schriften englischer missionäre) anhaften, ist Watson's glossar
immerhin dankend aufzunemen. Fonetisch stimmen Watsons
Wörter mit den meinigen aus dem idiom der Hadendftwa fast
durchgehends überein.
Die Bedftuye-Sprache in Nordost-AfIrikA. I.
6
L
Erzllongen im Idiom der Beni-Amer in Barka.
1.
Ein reumütiger sünder.
1) Tdku edin, ün ü-täk had- Heyöti yind yan, diböl Alä
dös maldl abkdbu , tiki ndka inArak yind yan^ ummänim ag-
idir.
2) ArH rehah rewiyayt, hed'dt
6 httddöyaös hOy esd'at.
3) Aüib däbalah iktä'ety do'öb
difi yind yan.
Amd-ged vrili kömdl körä yan^
galabd-li ülä märd yan.
Will mäh en4d 4^y igdild
hoy esinity yam wä siyam höy yan, ay 4äy adddd rimme, lay,
esninit
4) ^AllayS-dhäy adgiy tübdn<
10 enity en^äwayös esd\
a§6 dald dkä mktd yan,
»Hinniydllä gahö,atöbä€ ya,
iH melal sldiSitd yan.
1) Eis waf; so erzält man^ einst ein mann, derselbe lebte
einsam in der wüste und tötete jedermann.
2) Er zog dann auf einen berg und wonte dort allein in
einer hole.
3) Einst zerschlag er einen kleinen stein und fand darin
einen wurm^ auch wasser und frisches gras.
4) Da sprach der mann: »ich kere zu meinem gott zurück
und bereue; < und liess sich bei seinem volksstamm nider.
2.
Der taube, der blinde, der lame und der kalköpflge.
1) Ddba edina: nuwiü, hama-
idyy garabdy, güäld' emorardm-
naj en.
2) Ü'fiiwayakydyt: i^i^^dy his
16 amAsu ifi^ idi.
3) Wü-hamaidy: »if^'ay dd'a,
inda fta han rehendy nefikik^
idi.
Heyd ydjehan: femäm, inti
mä'liy hankÜ, güäld* siddad mä-
rdn yan,
Ay §emiLm\ *8agd-t 'aValÖ
abik and* yalehd yan,
Ay inti mä-li: *rummd, heyaü
amöy sd^ amö abilik and* yalehd
yan dirdba.
6 III. Abhandlung: Bei ni seh.
4) Garahdy yakyäy: ^kirifti Ay hankU: *afd ak na-kamä-
ki-ddbna.U idi. wäf* yalehä yan.
5) Ü-güäld' yakyöy: »te-hamö Ay gä'dz mä-li: »hinni gä'dz
kl-baherisna! € sdi. fcilfdl ed m-i§a,U yalehd yan.
1) Leute erzälen: ein tauber, ein blinder, ein lamer und
ein kalköpfiger waren beisammen.
2) Da sprach der taube: »ich höre da vihstimmen.«
3) Der bUnde sagte dann: »ja wir sehen rinderhömer
und männerköpfe.«
4) Der lame sprach: »wir wollen inen doch wol nicht
zuvorkommen!«
5) Der glatzköpfige aber sprach: »wir wollen ja nicht
unsere kopf^risur in Unordnung bringen (durch laufen).«
3.
Ein feigling.
6 1) Tdku edina, ün ü-tak ma- Heyaüti yind yan^ sayö Ka-
nt etP en. wayl-li yind yan,
2) Enda eniallagnik madta- Labahd angd'ik sayöli küdd
geh eförj r\hdb rewiydna, yan, kömdl kördn yan,
3) En-nda haiin tdktak däris Heyaü sidda agdifi yubild-
10 erhiyanik yevftl, en. ged dSrd yan.
4) Tä-md' höy efäHdnik takdt Ay heyaüti sayö U tosold-ged
ediVy gn. numd yigdifd yan.
5) Malydh tä-md\' »5n toä «n Ay sayö: ^täy ka täy ta* yani
tidiya* ^nik, barus emodehäcj Hl yinge'ini lahahdl kä hirrigdn
15 m^hdyt irhafnitj inda estöb^nik, yaUy ay labahd kä yigdifdnik
idimßky batds yiHsni sakydnek, sardl ay sayö kä haban^ ak ya-
en. ddyn yan.
1) Es war einst ein mann, der hatte den character der weiber.
2) Als einst männer in streit gerieten, da floh er mit den
frauen, und sie kletterten auf einen berg.
3) Wie er nun die männer sich gegenseitig bekämpfen
sah, da weinte er.
4) Als aber die frauen deshalb über in lachten, da tötete
er eine frau.
5) Hierauf sprachen die frauen zu im: »du hast doch zu
ir das und das gesagt,« er aber stritt mit inen. Da zerrten
Die Bedaaye-Spracbe ia Nordost-AfHk». I.
sie in, iDclem drei frauen denselben bewachten, zu den männern,
diese töteten in, die frauen aber verliessen in und gingen
irer wege.
4.
ünehlige kinder gedeihen nicht
1) Dahaedina: kardy 'ör ihi^
hay dibyay inalal hat/ ibi; en-
da yeawenttj esfadigna^ xoü-ör
eyd\ en.
5 2) Oriydriy ö-nihis dehäy efrik-
nit^ ebisna.
3) Eyänikj tü-nde waütaneky
rugüds dehay iharidna,
4) O'dhdy iyärij tämyäriy mi-
10 9ta ebirirna, wö-awut dehdy efi-
gima.
5) Malyäb 'ör ^äyt, kabydytj
jind 'är ifri, ü-bdba Mdmmid
Abddlläb eyddna.
15 6) Wü'ör efrayik hd^ia ihiy
tafydy, maldl hay ebe.
7) Itfariyeb-ka eydy, jiiid ^ar
adü kirbaru.
8) ^Dy-taJcdt dartit Äöy, 6^
20 farriy&Cy tak ün fidiktit wet
bä-^idir* en.
9) Malydb ü-tak vn tö-takatös
efdigj takdt toet id'tr.
Yangülä will en^aükä yibild,
diböl kä btSitd yan; heyaü kä
hadandnj aükä yase^än yan^ ay
aüki rdba tdna sügd yan,
Bodo faräanij aükä sd öbi-
mniy yo'ogin yan.
Gähdnik sardl kä ind watd-
gtdy ddssä ak yurhodin yan.
Heyaü yamethi^ betdn yan,
fdrösul tdna HdiUdn yan, ridö
tdna sirähdn yan.
Ayk Sarai toili güld' yametd,
td-li (}lnd yan, mälitd yan, isSi
bdlä 4ältd yan, kä dbbä Hdm-
mid Abddllä yalehdn yan.
Ay bapi yobokdk sardl lubdk
kä blHtd, diböl kä yuqu*d yan.
Abokinänti räbd yan, hardm
haläli 4^ylö ^dlak mi-yana.
T^l^äylö wdynin-kö tamd hey-
adti iH nümd hdbö, aki nvmd
mar*eiitö* yan.
Ayk sardl ay heyaüti iH nü-
md (Jljiyd, aki nümd ta mar*-
eSitd yan.
1) Die hyäne packte einen knaben und lief damit in die
wtLste; leute jagten ir nach und entrissen ir den knaben, der-
selbe aber starb.
2) Sie begruben den knaben in der wüste indem sie dort
ein loch aufgruben und denselben darin bargen.
3) Sie kerten nun zurück und da die mutter weinte,
schlachteten sie ein totenopfer.
8
m. Abhandlang^ Beinisch.
4) Leute kamen herbei und aasen; man breitete denselben
matten auf und spannte ein dach über sie.
5) Damach kam ein jtlngling, er beschlief sie, ein knabe
kam dann zur weit, sein vater hiess Mohammed Abdallah.
6) Als der knabe geboren war, raubte diesen ein löwe
und lief mit im in die wüste.
7) So oft dieser frau ein kind geboren ward, es kam
ums leben, hurerei bringt keine rechtschaflFenen kinder zuwege.
8) Da sagten die leute: »der mann soll wenn er keine
nachkommenschaft bekommt, seine frau Verstössen und ir die
Scheidung geben und dafUr eine andere heiraten.«
9) Da gab nun der mann seiner frau die Scheidung und
heiratete eine andere.
5.
Erlebnisse eines soheoh.
1) Tdku, edin. gabdb, ritt,
kiSäb gabähuy mehdy gdwa da-
irabuy flräy höy endü.
2) Ma'atüs kassds Hngirdta,
5 *ani takdt daürit amirik, ti-
fiyi mhini-ka iddeHr< idi, barüs
Vrtak ün had*dbu.
3) Tak d^hdy eydyt: ^mar-
mhin takdt daürit masalamdt
10 tifi€ yine,
4) *Nd-mhin tiflf€ eniky ^wu-
ardüs sagibu^ edi.
ö) ^Sangiyik hau ebifn idij
irbi-t ebma, hidäb sdkyän.
16 6) Batüs höy t^hiyib en^äioa
d^hdy eydna.
7) Yinät yiayiin, batyös dShdy
eyayty endl hardmi, endü.
8) *Tamin riydl hltök* eni,
20 *kd-yhe€ tedi; »tagug riydl hh
tök^ eniy *keraf€ tine.
Rohös kin heyaüti yind yan^
düyi ka garüdd li yind yan,
adöhd nümd ll yina yan^ 4^ylö
way yan,
Umbakd kä säyö a^ ümd kl
yinin yan; amdy-kö: T^anü will
rikil dlä nidd bald ginkö, iäSl
mar eHmta^ yalehd yan ay he-
ydüti. Ü88uk reddntö kl yind yan.
Wili heyaüti bI yamet-d: »A«-
beltot rikil dlä mang&m ma'd
bald mdrak tdna^ yalehd yan.
*Aülä mdrak tdnai< yalehdk
sardl: *tadik (jlila* yalehd yan.
»f)eld'dö ddiyam ya^ yuqu'dy
yaddyn yan^ inkö galdn yan.
^'iSSi mdrak tind dikil yame-
tin yan.
Mango lala* käld yan^ el zi-
yäritd yan, zind fdld^ tcay yan.
>Tammand qdrSe kö ahdü^
ya, ^anu mä-bstinyö^ tu; ^lam-
md tdnnä kö ahdü< ya, ^ma'd.U
ak talehd yan.
Die Bedaaye-Spnche in Nordost-AfHka. I.
9) *Gtbdk ki-mb'anj küärdm-
si-hibüt. eniy >kira!€ tidi.
10) O-raivyös d^hdy eydyt:
>nän timrtyaf< edi; '»mlrah
5 koke k&äramdn bakdy€ idi.
11) *Te-takdt td'a adanirik
d^hö kit-ngädy kdnhiht, idi.
12) Ü-rdü yakydyt: ^kit-ki-
hdby ibäbtinyik dbiyS agüanid^
10 idi.
13) Ed^ir haldliy ihäbyanik
güLodib akö ö-rdü yViS gigya.
14) Ü-rdüy barüs ibäbyanik,
ahiyis hardmi BbSy te-takät ü-
15 gü^dd ün esinduky wü-hiyö ibd-
böb akö ift.
15) Tißrij um-hiyö iya^ tcu-
riwüs höy enhdd,
16) ^Wö-'&rük anib itf ißf^
20 eniy T^baruk harö tiblya?€ eni,
»har^ök kd-bet. ine,
17) TTö-'ör ünik: *ani bäbü
6nu< eniy T^barÜk bäbö kittat.
eniy ö-bäbdy dihdy enity etuwi.
25 18) Tü-nde: *bäbük önu€ te-
nity irh^stay *ü-tak bSn bäbdk
ki'kit tine,
19) Te-Sarfay ebina fddiga:
^batük e-takük keydbof* edina.
»Äö-Zl md-4lnay kü fugutö yö
hdb kibäft yay *ma*&!€ ak tale-
hd yan.
läi sdhebil yametd yan. T^ay
gdytaft ak esErd yan ay sdheb.
^gay-m mä-ldy fugütd kibä^ ak
yalehd yan.
T^Tä-bäld anü mareHtdnkö yö
md-rd'tayfaytit tdka< ak yalehd
yan.
Kä säheM Qgütd: '»faytit md-
takay atä tadinkö anü hinni
daülö€ ak yalehd yan.
Mareäitdy yaddy yan, yaddy-
gsd ay iii sdheb ta daülö kä
häbd yan.
"Ussuk yeuldy-k sardl ay daü-
Idnä kin kä sdheb yiflimd yany
bä'eü aki ülal märd-gedy ta nü-
md ta zonäwiSd yan ay kä sd-
heb.
f)ältd yany ta bä'eli gähd
yany kä mal bäkitd yan.
*K& bali yi ginä laf^ ak ya^
*atü yö ti(ilima?€ ak yalehd
yan. T^anü mä-talaminyö^ ak ya-
lehd yan.
Ay ball yanebdk aardl: *anü
ydbbä töüyäy atü ydbbä md-
kitÖ€ ak yalehd yan ilä'd yan
ay if ind bd'elä.
Kä ind: *kü dbbä ä-tiya* tay
ak tuybuluwd yany *tö-tiyä kü
dbbä md-klt ak talehd yan iH
bdlak.
Arabdl yaddyn yan ay afärd-
mdri. *tey kü bä'eli aülä kinift
ak yalehän yan.
10
III. Abhandlung: Reinisch.
20) *Ani kd-kany ka^mda ey-
än-Mhy dtotcel ün eyB-keb, gehö
bPiya, ibäbyanik vn eyAyt^ gebö
biiya^ tene.
6 21) Wü-^ör: *bäbü önu* edit
erhisiya ö-guadi dP^käy, öbAba
etmcdyt
22) *Bamk sdka! vm-öruk-
wä te-takatük-wäj malhds egiri-
10 bin-höka* enit,
23) Sdkyay rewüs höy enhdd,
abyesöa sdkya^ kardmat naelib
ike.
*Anü lad-liUy umbakd yöyal
yametin^ awdl-lä ö-ti yametdy
yö-li dtndy yaddyk sardl tö-H
yametäy yö-li ^!na« tanak tale-
ha gan.
Ay bali: *ydbbä f^tiya A:{m«
?/«, ay daüldna-l yuybulutcä
yaii, is^ ind bd'elä kä ilä'd yan.
Ay arabd: T^küe adü! kä bali
ka kil ntimäj ay lammd kü Ha'-
in<^ ak yalehdn yan,
''Ussuk üSb ak yaddy yan^
mal way-k sardl däHmitdnä ya-
kd yan.
1) Es war einmal ein mann, derselbe war reich an ver-
mögen und Sklaven, er hatte drei frauen geheiratet, hatte aber
keine nachkommenschaft.
2) Alle seine frauen waren hässlich. Da sprach der
mann: »wenn ich eine schöne frau finden sollte, wo immer sie
auch ist, ich heirate sie.« Der mann war ein schech.
3) Einst kommt zu im ein mann und sagt: »in einem
gewissen ort lebt eine unvergleichlich schöne frau.«
4) »Wo befindet sich die?« fragte jener; »ihr dorf ist
weit weg« erwiderte der mann.
5) »Wenn auch weit weg, ich gehe hin« sagte der schech,
er packte zusammen und beide reisten ab.
6) Sie kamen nun in das dorf, wo jenes mädchen lebte.
7) Der schech blib nun dort einige zeit, besuchte die
frauensperson, stellte sie auf die probe, erreichte aber nichts.
8) »Zehn taler gebe ich dir« sprach er; »ich neme sie
nicht« entgegnete sie. »Nun so geb* ich dir zwanzig taler«
sagte er; »gut denn!« erwiderte sie.
9) »Ich schlafe nicht mit dir, gestatte mir nur dich zu
küssen!« sagte er dann; »gut so!« erwiderte sie.
10) Er kam nun zu seinem geftlrten und dieser fragte
in: »was hast du also erzilt?« jener erwiderte: »nichts, ausser
dass ich sie geküsst habe.«
Die B«daujp-8prache in Nordast-Aftrika. I. 11
11; Und er sprach: »wenn ich nun dieses frauenzinimer
heirate^ so bleibt sie mir nicht treu, sie wird eine hure.«
12) Sein geftlrte aber für auf und sprach: »sie wird keine
hure, denn wenn du verreisest, so werde ich selbst sie bewachen.«
13) Der schech heiratete also in eren, und als er ver-
reiste, Hess er seinen geirrten als Wächter zurück.
14) Als aber jener abgereist war, ging sein gefUrte auf
verfiirung aus und er der Wächter schwängerte die frau, wärend
der gatte auf reisen war.
15) Sie gebar und darnach kam der gatte zurück, er
hatte (auf der reise) sein vermögen eingebüsst.
16) Der gatte sprach nun (zu seinem gefkrten): »sieht
dein son etwa mir änlich? du hast mich hintergangen.« »Nein,
ich habe dich nicht hintergangen« erwiderte dieser.
17) Als der knabe erwachsen war, sprach er zum (legi-
timen) vater: »mein vater ist jener, du bist nicht mein vater«
und missachtete in.
18) Die mutter hatte nemlich zu im gesagt; »dein vater
ist dieser da, jener mann aber (der gatte) ist dein vater nicht«
und hatte im seinen wirklichen vater gezeigt.
19) Die vier gingen nun zu gericht und dieses sprach
zur frau: »du frau, wo ist dein mann?«
2Ü) Sie antwortete: »ich weiss es nicht, alle (beide) sind ja zu
mir gekommen, zuerst kam dieser da und schlief mit mir, und
nachdem er abgereist war« kam j ener und schlief ebenfalls mit mir. «
21) Der son aber sprach: »der da ist mein vater« und
wies auf den Wächter hin, den vater aber lehnte er ab.
22) Da sprach das gericht: »geh* du nur, dein son und
deine iraa, beide haben gegen dich entschiden.«
23) Er ging nun seine wege und da er sein vermögen
eingebüsst hatte, wurde er ein bettler.
6.
Der son eines soheoh.
1) "Ör edln, had'dy 'ör, ktul- Ba^ yind yan^ r^atiH bdlä
di$ tami tü-nde: >ardü harwdt ki yind yan; üssuk ülä hita
nuTa:* tedi-hös, yind hil4äj ind: T^heyaütö wä-
gittd amö!€ ak talehd yan.
12
m. Abbandlang: Reinisch.
2) T^KBraf* edity yiharüty i-
hdy eydytj amögö wer ihdyt
eyäyt
3) Imiäwayik: T^amdgu* tedt
6 tü-ndey T^mälya dör hdrwa.U
tidi.
4) Enijlätoa kassis timmisya^
etüküdukty T^engdl enjör höy em-
hlyiky barös wu^dt md*a /« tedi,
10 1^ enjör y dit-hök det-ük^^ te-mitä-
tÜ8 kit-magy enjör edehri-dhdy
kt-magt. tidi,
5) Wü-^ör: T^anib barök* edit,
emgaladnitj mShassib ekSnit^ hi-
16 ddh ö-riü mardyyärij tiki-ndka
hidäb edimaj nät wö-^aä eribna,
6) E-gajB8ö8 höy maamilyit
ed'mity gär-üs-ka Sa^db-wä ka-
mit'Wä gabyänity Sn.
20 7) M^haygdwa gäriska ed'ir-
nitj haddö kÜmöb ekSnit; efar-
nitj taktakib yi-dr %cä f-'dr esi-
dSdd*emit , däwdb tlmmimdb
eksnity ö-sma mehälyänity duwir
25 ekina.
T^Ma*dk!€ ya^ wägiydy heyaütö
bähd yariy aki abähöytä klntiyä
bähd yan,
E-ll b^td-gSdy ind: T^umattyä
kiniy malammi wägit,U ak tale-
hd yan.
Umbakd dik azurik asd, ya*-
adird yan^ T^inki heyaü bali
rä%-gedy kdyä dä'imtd amöl*
ta, * heyaü bali yamd-dö, um-
mdndö ma'd, anü ku ind, kä
lafd md-tamay heyaü bali bähl-
tamij mi-yama€ ak talehd yan.
Ay bau: »yö ka köyä* ya, in-
kö yaklni ha-süs ydklUy inkö
yaklni lä baySdn yan, gayndn-
mdrä ydgdifin, inkim haböna
tcdyn yan.
Inkö 'amild abitdn yan, um-
mänti Id-kö gdla-kö haytdn yan.
Ummänti adödöhd *drS fäldn
yan, inki dik ydkin; ^älani,
4äldnik sardl tan 4dylö siddad
mar'Udn yan, muW dik yakin
yan, sinni migd* yaye'ani bäfö
yakin yan.
1) Es war ein soii; eines schech's son^ und da er allein
asSy sprach zn im die matter: »bring' einen kameraden!«
2) »Gut!« sagte er, er sachte and brachte einen kamci-
raden, derselbe aber war nidriger herkanft.
3) Wie nun der mit inen ass, so merkte die matter, dass
er ein roher geselle sei and sprach zum sone: »sache dir einen
zweiten!«
4) Er sachte im ganzen stamme, aber erreichte nichts.
»Sache dir nar einen edlen and bring' denselben her!« sagte
^ Für enditok deine mntter.
Di« Bedaoye-Spracho in Nordost-AfHIn. I.
13
die matter, >ein edler, das sagt dir deine matter, verkommt
nicht, wenn er aach verarmt, er wird nicht gemein« sagte sie.
5) Der son aber sprach za jenem: »ich and du (wir
stehen zusammen)! sie verbündeten sich, gingen zusammen
auf die lauer, raubten gemeinschaftlich vih, töteten jeden der
inen unterkam und Hessen niemanden in ruhe.
6) Gemeinschaftlich machten sie beute indem sie jeder-
mans rinder und kamele sich aneigneten.
7) Drei familien gründete ein jeder von beiden und sie
bildeten -zusammen ein dorf; sie zeugten und verheirateten
unter einander die kinder. So wurden sie ein voller stamm,
breiteten iren namen aus und wurden ein volksstamm.
7.
List eines mädohens.
1) Tdku ecUfiy 'öt ibirey tun
tö-'ötüs daürit tiß, en.
2) Bäbüs ibäbyay ibäbyanik:
^ö-gddi dähäy m^häy SB yaf dr
6 barCy batuk ö-gddl d^hdy bayl-t:
ö-ya/ö kudae-heb diU tö-'öti dä-
hdy idi, ^Kira!< Udi,
3) Baris ün ü-tdk ibabya^
hari tö-'ötü8 ö-gddi dBhay tebe,
10 etanik: *ö-yafö küdse-Jab.U tin-
niky barüs: T^gebö bit-^mba^ik
kduk$i'höki€ edit ihabi; batus
Bokta.
4) Wdldli dähäy tebi, etanik:
15 »d-jfdcft dMhäy mihdy lüib dbare,
(Hfafö seküdse-hibl^ tinnik, mä-
kdy ämbe* dihdy Btanik, barüs:
ygebö bitBmbaik kdukH-hoki*
edit ihabiy batüe adkta.
20 5) Malyäb tun tö-'&r ö-sultani
dihdy^ reHtdyt: *ö-gddi d^hdy
nMiAy isb dhare, ö-yafö küdse-
HeyaUti yind yan, bald li
yind yan, ay ta bald dlä ma'd
kl tind yan,
"Ussuk yaseferd yan, aafard
Qgutd-gSd: i^qädld adöhd baül
liyöy ak eßdi.U ak ya\ehd yan
ay iH bdldk. i^Ma'dkU ak ta-
lehd yan.
^'Usauk yaseferdk sardl ay ta
bi^d qddl U taddyj tametd yan:
*ya hdqqe yö efdi!< aJc talehd
yan. ay qädiy kö afddwö yöll
4ln! 4^nd'Waytdnköj mdfdiya^
ak yalehd yan; UH taddy yan,
Wäkllil taddy yan, wäkilik:
T^qädid adöhd baül liyök ak yö
eyfidi.U ak talehd yan, ^Ma'dk,
lakin yöli 4^ndrwaytdnkö , kö
mdyfidiya-k* ak yalehd yan, iSH
taddy yan,
Äyk sardl ay bald sulfdnal
taddy yan^ ay sultdnak: *qädid
adöhd baül liyök ak yö eyfidi!^
14
m. Abhandlangt Beinisoli.
hsbl€ tinneky ^kira, Ukdyt
md'i.U edi,
6) Ü-mha niShyanik tö-'Är te-
'agdrt ö-sultdni d4hdy Hanik:
5 T^batük gehö ^mbitaniky ö-yafök
küasitöky mhhdy Hh käaHtöky ge-
hö biUmbaik, kduksi-höki* idi,
7) »Kira.U tedi, *dne söyök
dndi wäkti-d^hdy md'a.U t-ediy
10 te'Ü. sdkta.
8) O-gawöa Stanek saiidük wun
te8dd\ mj^hdy bäb höy fsBdd\
^ngdr-ka {abldt d&hdy tesdd',
9) Malydb ö-gadi d6hdy: »m:ö-
16 ^dsiri wäkti vuVaf^ sötay tediy
wö-wäkili dehdy: »6-iigrebi toäkti
nuVa.U sötay tediy ö-sultdni
dehdy: T^wö-a^dyt middddi dS-
hdy md'a.U sötay tidi, kassis
20 Sötay gdr-ka: ^wäkti-dhdy md'-
ana.U tidi.
10) Ü-gddl wö-dsiri iydyt^ ö-
bdb katjlaüSydy^ Sümyay,
11) Barös nedlib hVisydyt;
26 adumyänity yam wd 'aü wA
g&agü'usyänit , ^ngerdb wäkil
Bya.
12) 6-bäb ktufaüSyanik: »6d-
byü ö-wäkil i-hökat. tidi.
30 13) Yakyanik: »nä-mhint at-
faritt. enity Tund'al^ tenit; em-
balbalöyanik sandüki bäb Sngdr
rehestdyy höy btiydyt, batus in-
ki tdbbdltäyt,
35 14) Ü-wäkil eyanik sümydyty
ne^dllb bViydyt; adv/myänit^gah-
tüdt wä yam wd aüt wd gtka-
ak talehd yan, *ma'ak! birä
gäh.U ak yalehä yan,
Malammi mäh el tametd yan
sulidnal: *yöli dlntdnkö anükö
ayfaddwöy ay adöhd haül ay-
faddwöy (jdndrwaytdnkö kö rndy-
ßdiyd€ ak yalehd yan.
T^Ma'dy anü kök alehd wdqtid
yöl amö!€ ak talehd, ak taddy
yan.
Ui 'dred orobtdk sardl nabd
sandüq siräx^ittd, adöhd bäb
el abiSSdy ummdn bäb qülfe ak
abi§Sd yan^
Ayk sardl ay qädik: *al-dsre
yöl amöf* ak talehd, ay wAkt-
lik: ^nidgribil yöl amö!^ ak
talehd yan, ay sulfdnak: T^cd-
'iSd yöl amö!^ ak talehd yan,
ay adöhd-kö v/mmantiyak : *ay
kök alehd wäqtid amÖ!< tdnak
Uclehd yan.
Ay qddl al-dsre yametd, bäb
yalehd, orobd yan.
Ardtal kä sldiSSd yan. üssün
tvansitdn-gSd, lay ka maldb yo-
'obdn-gSd, mdgribil ay wäkil
yametd yan.
Bäb yak sardl: '»ydbbä wä-
kil yametdk öK dbnöf* ak teh
lehd yan qddlk.
Ay qädi: ^düla-kö dwe'ö.U
ya, mayHtd ya/n. *ak tawe'd
erki mdltö, tä sandüqi adddd
zä!< ak talehd yan, kä zaySid,
kä aliftd yan.
Wäkil yametd, orobdk sardl
ardtal sidüitd yan; wansitdnr
ged, bün, lay, maldb yo*obdn^öd
Dto Bdboyv-Spncbe in 5oH«it*A4H1ra. I.
15
guHsyänü j wo -^aidy tvltän
^Ifilfij ^-i^ kcufaüiyay,
lö) SultAn ö-bäb ka4aüiya'
nik: ^höhyU ö-icäkil e-höka^ ön
5 ö-fohin manriyik'höky edir-hök
ende* tedit ö-icAküi dihny.
16) Sitrd yihera akö yakya-
neky »üMfa/c tenüj ^sakinydykik
ani ntrdb rehesatök* tenity sanr
10 duki bäb reheHiyty höy bfyOy
inki t^ibbdlta,
17) Malydb ö'4^fdb iengiUj
ö-wUqh ö-^cucös iümiydyty ne-
dlib barös biisydyty ö-9ultdni
15 tiri mis ddstdyty gahawdt-wä
'aüirwä inki dästdyt,
18) Mdlya drha tefrd't kUa-
työB dBhdy: ^ö-bdb dihd katfäü-
Ü/c tenity teiäy iümta ö^avDös
20 ^i-Mulidni dihdy,
19) Adumyän efinuy bün g&d'
yän, aüt güd'yän, malydb kiSd
ö-bdb kcufaüita.
20) O-bdb ka4aiUtanik: »6d-
25 byü ö-wakil i-höka* tedi.
21) Yakyanek: *ndmhini talä-
gdmanif< enniky •^maa!«> tenity
ö-^andäki bäb rehestdyt, höy
Ümyay batüs inki tabbdlta,
80 22) TJj-'ör baris te^ii, ö-gaicös
JHkmtdyty natayty nüihdy baün
ö-^and&ki fiib ndyyän.
23) JFajir ü-mhd mlähyd'n'höb
tmr^mdiriya: ^sultdny ü-gddi-wAy
al-'iid ay sultdn yamet4y bäb
yalehd yan.
Ay sultdn bäb yalehdk sardl:
»y dbbä tc(}kil yametdk tA-rki
dkä garaytd-döy kü ydgdifat ak
t^lehd yan ay wdkilik.
Ay icäkil ak suütö Qgüt4-g9dy
ay bald: T^dyke üssnk ifärd-fany
anü mä'arö kö aybaldwö* iay
wili bdb-kö sandüqud kä zayiidy
ay sandüqud kä aliftd yan.
Ayk sardl ay sultdna ak
faktdy üi *drid orbiHdy kdyä
arätal sidiSSd y sadaqd »ülfän
dfal agägi§Sdy bün ka maldb
sadaqd bukdl öbi§§dy dkä tohöy
yan.
Amdyk sardl iH mä'anddl
tawe*d: »sd'ak sardl bäb käh
ii.U ak talehdy orobtdy iSi sul-
tdnaly üi ardtal gäxtd yan.
^'Ussun tcansitdn yany bRn
yo'obln yany maldb yo^obin yan.
ayk sardl ay mä'andd bäb Uh
tokd yan.
Bäb totokdk sardl ay bald:
*y dbbä wäkil yametd< talehd
yan.
Ay sultdn ogütd: ^aülä sU'ii-
töf€ yd-gedy ay bald: T^amJ&wa!*
tay sandüqi bäb ak tuybuluicay
nssuk orobdk sardl iSSt kä a-
liftd yan.
Amä-g^ tan häbdy betbitö
adddd orobtdy tihdird yauy ay
adöhd heyaüü sandüqi adddd
yahidirin yan.
Bäiö maxtdk sardl umbakä
dikti ridün: ^svl(än aülal ycc-
16
in. Abhandlung: Rein i sc b.
ö-wäkil ndysö ebenf hak wä bak
irdc mity yiherüTia,
24) Malyab tö-^Or tun e-bäSti-
wdty y^-agäwdt vmatdyt, kanka-
5 räb d&hdy dadäatäyt, gdhawät
güa'stdyt.
25) Malyab ö-sandäk tiafayiky
ö'fib dästdyt: ^mäsüna! ani
ö-yafö ihabinü bak aüer^ tedit
10 sötäyt.
26) *Sandük4ilibinaI< tedity
ö'fHb ddsta,
27) Mala Se ^iigir esilmt;
:»aftdllä€ tinniky m^hi-Se ingdr
16 esümt. *hi-nuia!€ tenit, höy
tihay.
28) T^Än dnda bdk-wä hak-
wä edin-heby am wö-hardm an-
ribit d^hdy bak aü&Ty äiidükna
20 dn ö-mhin efina< tedit d^hdy.
29) Mamhdl-i'dhdy ö-mftdh
tihay tiftäh-e-dkay,
30) Bak tuwBr to-or tun, ö-
yafos tesküsiy en.
ddyy qddi aülal yaday, wdJcä
aülal yaddyi< yani tan wägl-
ydn yan,
Amd-g^d ay bald dikti ridün
tan däHmtdy mdmbünd tan sl-
diHdy bün tdna to8*obd yan.
Ayk sardl ay sandüq tuhu-
qua, tan adddd öbHisd: T>obd!<
ta, *Ü88ün ya hdqqe yö hendnik
sardl tamdhe abd* tdnak taie-
hd yan,
»Tä sandüq aji <jl<^mitaf€ td-
nak talfihd yan.
Willti: »lammd baül 6l ahdyt
ya, »yök dagö* td-gSd T^adöhd
badl el ahdy< ya heyaüti (fa-
mitd yan.
»Tamd heyail tdhe tdh^ yök
ydlehdn, anü hardm hend-geddd
täy dbd< ta, sin heyaii törki si-
nak sügdn ku tdnak talehd yan,
lawd'öna meftdh^ bäxtdy tan
faktdy tan (}ilitd yan.
Bald täy abtd, üi mal tifdi-
yd yan.
1) Es war einmal ein mann, der hatte eine tochter, diese
seine tochter war schön.
2) Ir vater verreiste. Als er seine reise antrat, sprach
er zu seiner tochter: »ich habe an den qadi eine forderong
von dreihundert talem, geh' du zum qadi und sprich zu im:
zale mir meine schuld!« »Gut!« sagte das mädchen.
3) Der mann nun verreiste, seine tochter ging aber zum
qadi und sprach zu im: »zale mir meine schuld!« Er aber
sagte: »wenn du nicht mit mir schläfst, so zale ich dir nichts«
und entliess sie, sie aber ging irer wege.
4) Sie ging nun zum wekil, und sprach zu im: »ich
habe an den qadi eine forderung von dreihundert talern, er-
Die B«d»Q7e-dprache in Nordost- Afrilm. I. 17
wirke mir die zalung!« Drei tage hindurch ging sie zu ini;
er aber sagte nur: »wenn du nicht mit mir schläfst, so zale
ich dir nichts,« entliess sie und sie ging irer wege.
5) Darauf ging diese tochter zum sultan hinauf und sprach
zu im: »ich habe an den qadi eine forderung von dreihundert
talern, zale mir diese schuld!« »Gut!« sagte der sultan, »komm'
meinen wieder!«
6) Den folgenden morgen kam das mädchen wieder und
da sprach zu ir der sultan: »wenn du mit mir schläfst, so zale
ich dir die forderung aus, widrigenfalls aber nicht!«
7) »Gut!« sagte das mädchen, »ich werde eine zeit an-
geben, wenn du kommen kannst;« sie ging dann irer wege.
8) Sie ging heim und liess hier eine grosse truhe mit
drei ttlren machen und an jede tiire ein schloss.
9) Damach zeigte sie dem qadi an, er solle um asser
zu ir kommen, dem wekil aber, er möge um magrib kommen
und dem sultan bestimmte sie die zeit um ischa, einem jeden
bestimmte sie eine gewisse zeit.
10) Der qadi kam also um asser, klopfte an und trat ein.
11) Das mädchen wies im einen platz auf dem sopha an,
sie schwatzten dann zusammen und reichten sich gegenseitig
Wasser und honig. Da kam gegen magrib der wekil.
12) Als dieser an die türe pochte, sprach das mädchen:
»meines vaters anwalt ist über dich gekommen.«
13) Als jener aufschreckte und sagte: »wohin soll ich
entwischen?« erwiderte sie: »komm* nur!« und sie zeigte im
eine türe jener truhe, da legte er sich hinein und sie schloss
die türe ab.
14) Nun kam der wekil herein und setzte sich auf das
sopha; sie schwatzten dann und reichten sich kafS, wasser und
honig. Da kam um ischa der sultan und pochte an die türe.
15) Wie nun der sultan an die türe pochte, da sagte
zum wekil das mädchen: »meines vaters anwalt ist über dich
gekommen; wenn er dich hier findet, so tötet er dich.«
16) Als nun der wekil aufsprang um ein versteck zu
suchen, sagte das mädchen: »ich werde dir ein versteck zeigen,
biß jener wider fortgeht,« zeigte im dann eine türe jener truhe,
dahinein legte sich der wekil und sie schloss dann die türe zu.
Sitsnngsber. d. phil.-hist. Cl. CXXVIII. Bd. S. Abb. 2
to ni. Abbandltmg: Bainiieh.
17) Hierauf öffnete sie die türe des hauses, fUrte den
Sultan ein^ setzte in auf das sopha^ stellte vor in einen tisch
hin und setzte im kafö und honig vor.
18) Dann ging sie hinaus zu irer magd und befahl der-
selben: »klopfe mir später an die türe!« hierauf ging sie wider
hinein zum sultan.
19) Sie schwatzten dann zusammen und tranken honig
und kafS. Da klopfte die magd an die türe.
20) Wie diese an die türe pochte, da sagte das mädchen:
»meines vaters anwalt ist über dich gekommen.«
21) Als der sultan aufsprang und fragte: »wo soll ich
mich verstecken?« »Komm* nur!« sagte sie, zeigte im eine
türe der truhe, dahinein legte er sich und sie schloss die türe ab.
22) Nun verliess sie das mädchen, ging in sein gemach
und übernachtete, jene drei aber blieben die nacht über in
der truhe*
23) Am folgenden morgen vermisste sie die regirung und
man fragte: »wohin sind denn der sultan, der qadi und der
wekil gekommen?« man redete hin und her und suchte sie
überall.
24) Da berief das mädchen die pascha und aga, wies
inen sitze an und bewirtete sie mit kafä.
25) Hierauf Hess sie die truhe bringen und setzte sie in
ire mitte und sprach: »hört! weil man mir meine rechtliche
forderung verweigert hat, so tat ich also« und erzälte den
hergang.
26) Darnach sprach sie: »nun kauft mir die truhe da ab!«
27) Da bot einer zweihundert taler und als ir diese nicht
genügten, so bot ein anderer dreihundert. »Gib her!« sagte sie
dann und nam das geld.
28) Und sprach: »diese männer sagten so und so zu
mir, da ich aber die sünde verabscheue, so tat ich also; eure
männer sind nun da drinnen in der truhe.«
29) Sie nam nun einen Schlüssel, damit jene befreit
würden und öffnete inen.
30) Also handelte jenes mädchen und machte sich ire
forderung bezalt.
Die Bedaaye-Spraehe in Nordoct-Afrika. I.
19
8.
Der eiel und das kalb.
1) ifsk wä Idga hidäb esnin
^ maldlib,
2) Ü-mik uwiriy ü-ldga uwin^
dima maldlib esnin^ Sn,
6 3) 0-mik: *ü'8aniyf< edit
ö-rdwi dhäy.
4) *Nän Uharü tShdyaf^ edit
uH-yö ö-miki dhäy,
5) 0-mik: *hanit yi'dni^ edit
10 wö-yöy-dhäy.
6) O-mik: >hanit yVdni^.
inik: T^SöbSay hdna! ü-dhdy bl-
masiwik'hök€ edi lou-yö,
7) Ü-7nik ö-rAwi dhäy: *ngnl
15 dör hanit dne^ idi.
8) Wü-yö: T^SobSay, SöbSay!
ü-dhdy emstü-hön, ö-maldli de-
hant temdü-höm edit ö-miki
dhäy,
20 9) Malydb ü-mik hdnya, 6grf-
d6r maldli d^hant Üfl; har*i
hdyho timdfü,
10) Malydb tü-bdyho: innekit
hau amdsu* tedi-hösna.
26 11) »Malydb bd-hani.U edina,
T^bat&k hanrlwi-ndka niyaü-
hdkij malydb bimTnäsiwiky ngdl-
kä küaldy dähöki ddsnay* edina.
12) Malydb ü^mBk mdlya dör
30 hdnyaj bards kassds emäsüna;
iö-hayhöti dehdy döf ehina.
Dandn ka rügä inkö märdn
yan diböl,
Ay dandn nabd yakä yan^
ay rugä nabd yakd yan^ um-
mdngSd diböl märdn yan.
Ay dandn: i^yi azd 8a*dlö,U
ak yalehd yan ay sdhebik.
T^Ay fdl(}af< ak yajeha yan
ay aür ay dandnak,
Ay dandn: »anü hü hü hü
aldhö€ ak yalehd yan ay aüruk.
Ay dandn: ^^anü hü aldhö*
yak Sarai ay aür: •»endaü elik,
heyaü kü yabdninkö* ak yalehd
yandaninak.
Ay dandn ay sdhebik: *inki-
gSd hü aldhö€ ak yalehd yan.
Ay aür: ^eniati eniati elil}!
heyo ka dibi alüld nö yabdnin-
kö€ ak yalehd yan ay dandnak.
AmAyk sardl ay dandn an-
dähd yan, ay wdqtid dibi alüld
inkö rdkbe asdn yan; amd-gSd
wakari kä tobbd yan.
Ayk sardl xcakari: T^danäni
anddhä öbbat tdnak talehd yan.
'^Malammi gabdy anddhö, a-
md-gSd atü faltjldnkö kö dbna,
malammi gabdy andähd-^dynkö
ilölu kü nagdröm ak yalehdn
yan.
Ay dandn m^alammi andähd
yan^ ay inkö a^sdm tobbd yan;
sard ay wakari da'amtö dkä
yohöyn ydn.
2*
20
III. Abhandlung: Reiniscb.
13) Hart wü-hädcfa: ^saki
Sibhit.U tö-bayhöti-dhdy,
14) Tibi bdyho miki-dShdy,
Stdyt: T^dürü wü'hd44a ragadök
6 öngdr kiVat hiy^ba! edi-höka*
tedit,
1 5) Ü-mik : » kira ! « ediy raga-
dö8 dJBhay iktd\ ihiyik te-lagi-
üb tü-bdyho barös bd-s-katim
10 amtdy tedHt,
16) Malydb dShdy Stdyt: wo-
ayök wo ragadök kit*a hiySba.U
iedi miki dShdy,
17) Ü-mSk: »bak dlyi ^-ror
15 gdda^ f(^dig komi höy tihi tis-
hdrrij dne nän ddan^ft edit
bayhöti d&hdy, irib.
18) Har'i tü-bdyho ö-yöy-d^-
hdy Udyt: T^dürü wü-hdtjl^a H-
20 bot saldmi-höka j ragdd dBhd
ketaaf edi-hökat tidi,
19) Malydb wü-yö: T^saki-dl:
baruk idkua, ani tdku; tB-kvr
Utek s^haldty ani S-d'ayB Ss-
26 haltit ylani-höka^ edi tö-bay-
höti dShdy.
20) Tü'bdyho hd44i dähdy
sota: ncü-yö ön wä ön ©iw«
tidi.
21) Hari tcü'hd(}da hireri
30 dshdy iya, em'allagnitj wü-yö
ö-rdü debiHyay edir^ emödah.
22) Malydb bdyho: *dürö te-
dir-hebj ön wö-hirbo dibsa!^
tidi,
35 23) Wü-yö wö'hirbo dibiH-
yanik: »ön diyä-yök köke^ ön
Amdyk sardl lubdk: »tabdlö
adü!^ ak yalehd yan wakarik,
Ay wakari dandnal taday
yan, il tametdk aar dl: ^y'dbö
lubdk toili lak tigrCd yö fär
kök yalehd 4i ak talehd yan.
Ay dandn: »ma'd.U ya, toili
iH lak yigrid, dkä yohöy yan.
amd lak wakari ardhad M
bUtd yan,
Malammi Sl gäxtd yan dand-
nal ay wakari: *kil hard tigrxd
yö ohö.U ak talehd yan,
Ay dandn: »tdhS tdnkö yi
Idkökj afard täkdt yökö bäktd-
gSd ay dböf^ ya, dkä hend yan.
Amdyk sardl ay wakari aü-
rul taddy yan: T^ydbö lubdk
saldm kök yd, tcili lak tigrVd
yö fdrf kök yd<t ak talehd yan.
Ay aür: * taddy ayi lubdk:
atü hdylä la kitö, anii, hdylä
la klyöy atü kü ikök teyliligdky
anü yi göz eyliligdk sardl köyal
dmita^ ak yalehd yan,
Ay icakäri gäxtd: »aür tdhS
tdhe kök yd* ak wänSSd yan
lubdkak,
Amdyk sardl ay Ivhäk yaddy,
Sl yametd yan ay adrul, yun-
dufulin yan, ay aür ay IvhAk
kä rädiSd, kä yis'ird, kä yig-
difd yan.
Ayk sardl ay wakari: '»y'dbö
tigdifa, ay mdmbar kä rädiü!*
ak talehd yan.
Aür ay mdmbar rädiädk sa-
rdl ay wakari: »dhld kök mä-
Die Bedaoye-Sprsche in Nordost-Afrika. I.
21
ö^ba dibsa! an fiöka* tenit
dihäy.
24) Wü-yö dShdy farriyanik
ö-nga xktdL iyd\
5 25) Ndäb hasamin erhitanik:
*{haj maa! tön te-Satö dShd
sdya! taräbis aniühdka^ tedi
tü'bdyho.
26) *KBraf tarab tenlwik-hsb
10 an asfd* edi dShäy, Syanik tö-
'aü-t-ös däsiydyt, tö-Sd* esayit
27) Ü'tdk tö-Sd' esdy-ne-höb
tü'bdyho tö-^dü ö-gaW'ös hay ti-
bdyty amtdy ted^it, titkudukty
16 ambdb t-haHdt tetib, tehakür-t,
dihdy Ua.
28) Malydb ü-tdk: ^^tarabi
htyibif€ edi tö'bayhöti dähdy,
29) T^Tardb diya-yök kdke,
20 ragdd adi-hök bakdy* tinikj
»kdyJie* eni irtak.
30) »Ä5-^ bakdy wend hiyät-
ök käke< tinOky ü-tdk tehaüatös
ihdyt ö-aüg ebi^ M.
26 31) Efdigrdt eSbibnek ambdb
aki erhiyäna.
32) Malydb ün ü-tdk: »en^4-
voayäj tak thenik inadna! adü-
mdd ddhökna ad'i Bß^€ idi-hösna,
80 33) ^bdyho dSh6sna ebSnit
iyäna: »ön tb-fna fafardna!<
erat; fafariyannik kassds etkü-
lahiniyöy ay kömä rädU kök
talehd* ak talehd yan,
Aür ay kömdl habbd el Ud-
ged, ddrre ak yigiddildy räbd
yan.
Wili heyaütö tiläbiädtl tubi-
Id-ged: »Aöe, tä hadö yö hadiltö
amo! ta abld kö ahdwö^ ak ta-
lehd yan wakaH,
T^Madk! tä hadö abld yö
bäxtddö hddilö€ ya^ yametdk
sardly i§i baskd bälöl öbiid, ay
hadö hadild yan.
Ay heyaüti ay hadö hadild-
gld ay wakari kä baskd iH
'dred bäxtd, bUtd, bäktd yan,
ddö hdgge-kö tamegäy tulutod,
ay heyaütö ak gähüSd yan.
Ayk sardl ay heyaüti: T^ya
hdqqe, abld hadötiyd yö oh6!^
ak yalehd yan.
T^Lak kibä akim kök mälaht-
niyÖ€ ak talehd ysm wakari;
*md'fala< ak yalehd yan.
Ay wakari: »tiraü kibä akim
kö mdhay* talehdk sardl ay
heyaüti iSt ddö yuqu'd^ adagdl
yaddy yan.
Stdö fakdn, iläldn-gSd-dd
hdgge adddd kini-kä yubilin
yan.
Ayk sardl ay heyaüti: '»yi
dik-mdräj labahd takdnlnkö a-
mäwä! tekBr miak dbö€ tdnak
yalehd yan.
Wäkeral yaddyn , yametin
yan: '»mahaf af bukdl küdu-
mdntäft tdnak yalehd yan : kü-
22 m. Abhandlung: Beiniseh.
auknity batüs timhit; fartanik dumdn-ged v/mhakä bäkitdn
tö-fna ihayt edir, yan, iSH ülä rä'id yQ>n; küdum-
td-gSd üssuk nuihälöli ta yigdifd
yan.
1) Ein esel und ein kalb lebten in der steppe beisammen.
2) Der esel wurde gross, ebenso das kalb und sie blieben
stets in der steppe.
3) Da sprach einst der esel zu seinem kameraden:
»0 mein bruder!«
4) »Was willst du?« erwiderte der stier dem esel.
5) Da sprach der esel zum stier: »ich möchte ija sagen.«
6) Der stier erwiderte im: »so mache es nur recht leise,
damit man dich nicht höre.«
7) Der esel sagte dann: »nur ein einziges mal will ich
ija sagen.«
8) Der stier erwiderte »nur recht leise, recht leise, damit
leute und vih uns ja nicht hören.«
9) Da ijate der esel; es waren aber damals die wilsten-
tiere bei einer Sitzung und da hörte in der fuchs.
10) Da sprach zu inen der fuchs: »ich höre ein esels-
geschrei.«
11) Sie erwiderten im: »er möge noch mal schreien, und
wir wollen dir geben, was immer du willst; wenn wir in aber
nicht ein zweites mal hören so werden wir ein jeder den stock
auf dich legen (dich prügeln).«
12) Da ijate der esel nochmals und sie alle hörten es;
da gaben sie dem fuchs ein geschenk.
13) Hierauf sprach der löwe zum fachs: »geh' hin und
schaue!«
14) Der fuchs ging und kam zum esel und sprach zu
im: »mein oheim, der löwe, sagt zu dir: schneide dir ein bein
ab und gib es mir!«
15) »Gut!« sagte der esel, er schnitt im ein bein ab und
gab es im; auf dem wege aber frass es der fiichs selbst one
es zum löwen zu bringen.
16) Er kam dann abermals zum esel und sprach zu im:
»schneide deine band ab und gieb sie mir!«
Dia B«d»ii7e-Spnclie in Nordost-Afrika. I. 23
17) Der esel aber erwiderte im: »wenn du so redest, so
nimmst da mir die beine und die vier fussspangen, was sollte
ich dann machen« und wies in also ab.
18) Hierauf kam der fuchs zum stier und sprach zu im:
»mein oheim, der löwe, grüsst dich und lässt dir sagen: schneide
dir für mich ein bein ab!«
19) Der stier erwiderte im: »geh nur hin und sag* im:
du bist ein mann, ich bin auch ein mann; wetze deine zahne
und ich werde meine hömer wetzen und zu dir kommen!«
20) Der fuchs ging nun zum löwen und berichtete im:
»so und so hat der stier gesagt.«
21) Da lief der löwe hin zum stier und sie rangen, der
stier aber warf den gegner und tötete in.
22) Da sprach zum stier der fuchs: »du hast mir meinen
oheim getötet, nun wirf da diesen hügel um!€
23) Als der stier den hügel umstürzte, sprach der fuchs:
»den da habe ich dir ja nicht angesagt; diesen berg da wirf um!«
24) Da stürzte sich der stier auf den berg, brach sich
den rücken und starb.
25) Als nun der fuchs einen mann vorübergehen sah, so
rief er diesem zu: »heda, komm', und zerteile mir das fleisch,
die hälfbe davon gebe ich dir!«
26) »Gut!« sagte dieser, »wenn du mir die halbscheid
giebst, so zerteile ich es,« und als er herbeigekommen war, so
legte er seinen honig(sclilauch) nider und zerteilte das fleisch.
27) Wärend nun der mann das fleisch zerteilte, trug der
fuchs den honig in sein haus, frass in aus, füllte dann den
schlauch mit seinem dreck an, band in zu und kam nun hin
zum mann.
28) Da sprach der mann zum fuchs: »nun gieb mir die
halbscheid!«
29) Dieser aber erwiderte: »die halbscheid hab' ich ja
nicht gesagt, nur ein bein versprach ich dir.« »Das neme ich
nicht« sagte der mann.
30) »Nur die leber gebe ich dir, sonst nichts« sagte der
fdchs; da nam der mann seinen schlauch und ging fort zu markt.
31) Als man dort den schlauch öffnete und hineinsah,
erblickte man nur dreck.
24
III. Abhandlung: Bein is eh.
32) Da sprach der mann zu den leaten: »landsleute^
wenn ir männer seid^ so kommt^ einen schmaus will ich euch
zubereiten!«
33) Sie kamen nun zu den füchsen und befahlen diesen:
»springt über diese lanze!« Sie sprangen und brachten es
fertig, jener fuchs aber blieb zurück. Als er sprang, tötete
in der mann mit der lanze.
9.
Der Schakal und das lamm.
1) Bdyho anö-t 'ör emara-
rdmna, ina.
2) An malhds axcAnnay mal-
yah imalldgna.
5 3) Bdyho dima höy dibya,
malydb bdyho: ngdl hob dShd
diba!< enit 'anö-f'öri-dShdy.
4) DShdy ilbya, en. malydb
ü-bdyho inki ead^-tj i-mana
10 tdmyay Bna.
Gawihtö ha aydö bald siddad
m^än yan.
Ay lammd yaneMn yan^ amdyk
Bardl yundufulin yan,
Ay gaweiti ummändö rädd
yan, ^inJä-ged yö hälit.U ak ya-
lehä yan ay aydö bdlak,
Hälitd yaw, amdyk sardl ay
gaweliti amöd ak dafdy yan^
uW ak bstd yan.
1) Der Schakal und das lamm waren gespilen.
2) Beide erwuchsen und rangen dann miteinander.
3) Da fiel aber jedesmal der schakal. Da sprach er zum
lamm: »so fall' doch mir zu liebe auch einmal!«
4) Nun fiel das lamm. Da setzte sich der schakal darauf
und frass dem lamm die eingeweide.
10.
Der schakal und das zicklein.
1) Bdyho nait 'ör e-malälib
hidäb esniny en.
2) ^Wu'hä Tibbüs Rakd-yt-
'ör, nän trhetayf^ enniky *nät
16 r^hdb kdke, malälib te-näHt-'ör
esinük, kit-tamta edina,<
Gawifitö ka bakdl diböl sid-
dad märdn yan,
Gaweljtti: *kü4 Tibbüs kaRakd
bdläy ay tubilaf^ yalehd yan.
^inkim m^äbalinyö, diböl bakali
kök sügdnköy kä mä-bitta-k yan^
ak yalehd yan bakalL
Die Redftoye-Sprftche in Nordost-AftrikA. I.
25
3) »Am amsi mhä gadbü *Anü kumäl dawä o'obankö
akö ka-'^ü-hok^ idi bdyho. kü ma-häba^ ak yalehä yan
gawiktl.
1) Ein Schakal und ein zicklein waren in der wüste
beisammen.
2) Da sprach der schakal: »du son von Tibbus und der
Raka, was hast du gesehen (zum fressen für mich)?« Das
zicklein erwiderte: »ich habe nichts gesehen; man sagt aber,
wenn du in der wüste ein zicklein triffst, so fressest du es nicht.«
3) Da sprach der schakal: »da ich aber gestern arzenei
getrunken habe (daher fasten musste), so lasse ich dich nicht aus.»
11.
Die maus, der frosch und die eideohse.^
1) Tü-gibb wä t-yam-et-hatäy
hidäb esnin Sn,
5 2) T-yamet-hatdy: *ani (Tdre
dihdy sakdn efiy wö-harrö-yö
gü^adi-8en{'hib!€ tedi tö-fibti-
dihdy,
3) *Ani as^ldriy ani dihök
10 kd-guad* tedit tärgibb.
4) Malydb: ^hantn Saüdba
kinkef dähö gitddi!< tedit tö-
gibti-dihdy,
5) >KeraU tedi tü-gibb, nigg-
16 niggo toö-harräwi süri esä yi'-
dyim.
6) Tun tü-gibb güharti-d^hdy
tibi BUy tüü-niggniggo erhiya tö-
gibb.
ÄO 7) Tun tü-gibb: i^ad'ed^ir hö-
küj dähö bd-8öya,U tedi ö-nigg-
niggö-i d^hdy.
Andäwd ka a*dn gor kl yinin
yan.
Ay a'dn: *anü mara^d adi-
yäky ilaü yö ^f^ül.U ak yalehd
yan andäwak,
T^Anü mä-läy anü md-lailld<
ak talehd yan andäwä.
Amdyk sardl: »grör md-klnöf
yö 4<^ill kibäf<t ak yalehd a'dn,
T^Ma'd.U talehd yan andäwd,
ay ildwak dfal afilr il 8ügd
yan,
Ay andäwd gare'ittö taddy
yany ay aför ta yubild yan,
Ay afüruk: *yi mar'eHttdk
tä ilaü biSitö kinik yök mä-
wäriSin,U ak talehd yan an-
däwä.
* Vgl. Sahosprache I, 230.
26
in. Ablumdlone^: Reiniseb.
8) »Kiraf* edi vm-niggniggo,
malyäh wö-hdrro togühdr tihB
(Sn tü-gibb.
9) T-yamet-hatdy ita gn, e-
5 gaüös teSSibtk toö-harröyös ie-
ndü.
10) T^Wö harröyö höyö toguä-
hdri^ tö-gibti-dKäy tedit t-yamU-
hatdy,
10 11) -kAnigu^haräblcäke^tedit
tü-gibb t-yamet-hatäytit d^hdy.
12) » Höyök gii^hardb bakayi-
dhä ü-niggniggo badhibu< tedit
tü-gibb t-yamH-hatäytit d^hdy.
15 13) T^KBra.U tedit te-yamet-
hatdy ö-niggniggöy dShdy ebsna,
eabadhanB-dhäy ebina.
14) T^Kit-kdna tü-gibb icö-har-
röyö togüharit töndf* tedit te-
20 yamet-hatdy ö-niggniggöy-dhäy.
15) T^D^hö tiktina wö-hdrro
an agüharit tändf^ tedit tü-
gibb o-niggniggöy-dhäy.
16) »Tü-gibb wö-harröyök to-
26 güharit tönä Srhdb kdke< eni
wü-niggniggo y bak enit d^hdy
ibdah.
17) T-yamet-hatdy tigir ab enuy
tü-gibb tigirib Ena.
30 18) Malydb wü-niggniggo mba-
4db daüriby findt daürib, gibib
daüriby haldk daürib^ heddm
daürib eküdyt eya, tö-gibb sidig
ekäasit d'ari dhäy Bya tö-gibbit-
35 d^hdy.
19) »c/n dbuf€ tedi tü-gibb
ö-niggniggöy-dhäy.
20) Wü-niggniggo: »aniby ö-
niggniggo^ edi.
»Ma'dk.U y€tlehd yan afur.
ay ilaü gar'ittdy biSittd yan
andäwd.
Ay a'dn tametd yan^ ay iSi
'drB yubild-gSd ilaü waytd yan.
>y ildü yök garHtta^ ak ya-
lehd yan a'dn andäwdk.
*Kök mä-gar*etiniyö< ak ta-
lehd yan andäwd a'dnaJc.
*Kö-kö anü mä-gare'itiniyd-kä
afur yamaskdrö* ak talehd yan
andäwd ay a^dnak.
»Ma*dkl* yalehä yan adn^
ay afürul yaddyn yan^ yamas-
karöna yaddyn yan.
» Yö mä-taliga audäwd y ildü
yök bBttdm?< ak yalehd yan
a'dn ay afäruk.
T^Yö taliga anü ay ilaü b9-
tdm?€ ak talehd yan ay andäwd
ay aföruk.
»Andäwd kü ilaü bitta anü
md-baliyö€ ak yalehä yan af&r
yimiskird yan.
A'dn yunmlugd yan, andäwd
ttislugd yan.
Ajndyk sardl ay afi/r ay
andäwd ak ta-rai rummä yakeld
ma'd sotdly ma'd mahdlö, ma'd
göböy ma'd qüarB iHl hay mar'e-
Hto yametd yan ay andäwdl.
>Täti atiyäf€ ak talehd yan
ay andäwd ay afüruk.
Ay afär: »yöyä afur kini€
ta ak yalehd yan.
Die BedMiye-Spncbe in l^ordott-Afrilca. I.
27
21) »Nän. täharü Uhdyaf€
tedi tü-gihb,
22) >Ad:{r ifi höki, tan,
hökU enit wü-niggniggo.
5 23) >6-glüliy ö-glüli 'ör/ anib
ted*ir'Uhdyaf€ tedi tü-gibb ö-
niggniggöy-dhäy,
24) T>Tfi'gluliy tö-glülitit 'ör!
batök bä-dirBk haUy ndt kd-ke,
10 icö-hdrro t-yamEt-hatay-tlb tegif*
edit wü-^iggniggo j ön enit ö-
sallös yiabiky en.
*Ay fdl4(ih ak taiehd yan
ay andäwä.
*Kö mar'eSitö ametd^ ta ak
yalehd yan afär,
*Dudä düdi bälä! yöyä mar'e-
Sittö tam^taf€ ak taiehd yan
ay andäwä ay afüruk,
*Düdd, düdd bdld, kü mare'd
rä'td-dö ed wäyndm mdnnö aJcik
a'dn ilaü garHttd-yä edebbd.U
ta ak yalehd yan afüTy ay ya-
g^ddd iäi ardhal ak yaddy yan.
1) Die maus und der frosch lebten beisammen.
2) Einst sagte der frosch zur maus: »da ich zu einer
hochzeit gehe, so bewache du mir mein kom!«
3) Die maus erwiderte: »ich beileibe nicht, ich bewache
es dir nicht, c
4) Hierauf sagte der frosch zur maus: »sind wir denn
nicht freunde? so bewache mir also das kom!«
5) »Nun gut!« erwiderte die maus. Nun sass vor dem
kom die eidechse.
6) Da ging die maus auf diebstal aus und die eidechse
sah sie dabei.
7) Nun sprach die maus zur eidechse: »ich werde dich
heiraten, daher verrate du mich nicht!«
8) »Gut!« erwiderte die eidechse und hierauf stal die
maus das kom.
9) Der frosch kam nun heim und wie er sein haus be-
sichtigte, vermisste er das kom.
10) Da sprach er zur maus: »du hast mir mein kom
gestolen.«
11) »Ich habe es nicht gestolen« erwiderte die maus dem
frosch.
12) »Dass ich dir nichts gestolen habe, dafür ist die
eidechse zeuge« sagte die maus.
13) »Gut!« erwiderte der frosch und sie gingen zur
eidechse um sie zu vememen.
28
m. Abhandlnng: Reinisch.
14) Da sprach der frosch zur eidechse: »weisst du nichts
davon, dass die maus mein körn gestolen hat?«
15) Auch die maus fragte also die eidechse: »weisst du
etwa von mir, dass ich das körn gestolen habe?«
16) Die eidechse legte nun zeugniss ab und sprach: >ich
habe nichts davon gesehen, dass die maus dein kom gestolen
haben sollte.«
17) So verlor der frosch den prozess und die maus
gewann in.
18) Da nun die eidechse dachte, die maus habe erliche
absiebten, so nam sie ein schönes schwert, eine feine lanze
und einen schönen schild und legte an ein feines gewand und
einen kostbaren gürtel und kam hin zur maus, sie zu heiraten.
19) >Wer da?« sprach die maus zur eidechse.
20) Diese erwiderte: »ich die eidechse, ich bin es.«
21) »Was willst du?« fragte die maus.
22) »Um dich zu heiraten bin ich da« erwiderte die eidechse.
23) »Dummkopf, son eines dummkopfs, mich wolltest du
heiraten!« sprach die maus.
24) Da erwiderte die eidechse: »dummkopf, tochter eines
dummkopfs, wenn du mich auch nicht heiratest, so macht das
nichts, gieb aber dem frosch sein kom zurück!« Also sprach
sie und ging irer wege.
12.
Die eidechse und der soheoh.
1) Adangaldy kühib farähöy
mhdji ivuhi fardbö yiU gigya.
2) Faglri ihdyt talögya; mhi-
nös eyayt adangaldyy iSibik
6 4näil,
3) X)a4(^bydyty nät enäwik
asti reioydyt 'ät efin masali,
yafisös nät geddm tä-'ä-tib däs-
ydyty igddhat.
10 4) Malydb faglri i-ukhüi
mhinos ddsya^ d-ykhüi esiünek
Afur lalim ^äld yan, arqd
rigidid (jläld yan, häbd ak ya-
ddy yan,
Ssk yuyqu'd ak siVusd yan;
iH rnakdnal gahd yan aför,
yubild-ged wdy yan,
Yamrereddy yan, vdlim wayk
sardl agdnnal körd, agdnnä
yand hdnad iH df-kö wili rimid
ed hdy yan, öbd yan,
Amd-ged ay SSk lalimd aimcdl
tun rnakdnal tan yadebbd yan.
Die Bedftoye-Sprache in Nordost- Afrika. I.
29
rewyäyiy ö-geddm ö-girmös höy
yi-amis-t ö^edäm mehälydyty
igddhcUy l-kuhiyis ebdyt.
5) O'fafirt tö'kÜäti'dhdy:
5 »eö-'i har'ößßf€ edity esdfuft.
malö y€L8 d^hdy iyän^ IdkyaUy
ty an; malö kuiküdy dJdhdy eya-
nikj lakyanik iyan.
ay afU/Ty Ui 4^ylö ak sügdn-
geddd köräj händk adddd amö
hayy rimid ak yayye'ä^ öhdy iH
(jläylöl yaddy yan,
I6i mä'anddk: »tamd hän irö
füLl.U ak yalehd yan ay iek,
hälüdk sardl lammd kari ya-
m0^, qalabd iidn yan, ay kard
bäddn yan; lammd güm^yti ya-
matint yo'obtn yan^ bäddn yan.
1) Eine eidechse legte unter einem bett ein ei, verliess
es dann und ging fort.
2) Ein schech nam das ei und versteckte es. Als die
eidechse wider dahin kam und nachsah, fand sie das ei nicht.
3) Sie lief umher und als sie nichts fand, stieg sie aufs
gestell, worauf die milch stand, legte aus ihrem mund irgend
eine wurzel in die milch und stig dann wider herab.
4) Hierauf legte der schech die eier wider auf ihren platz
und als sie wider sich vorfanden, so stig die eidechse wider
hinauf, steckte den köpf in die milch, nam die wurzel heraus,
stig dann hinab und ging zu iren eiern.
5) Nun sprach der schech zur sklavin: »wirf die milch
hinaus!« und Hess sie hinauswerfen. Zwei hunde kamen herbei,
tranken davon und starben; zwei geier kamen, tranken und
starben.
13.
Die schlänge und der zigenhirt.
1) Küärküär kuäb wä rabdb
10 hida umbe* esünin en,
2) Eyatiga dShdy Bya, icö-ha-
lakisös farddd dühdy iktff iha-
mi >ti'9Ütira daH-tü* en-ity
(hami,
16 3) Ü'kü&rküär vm-hiyö yi'iSy
sdkya-nik adangaldy d^hdy eyd-
%tj geb hVyd'ity hardmi kdbtay.
^'Äror saytyd labtiyä siddä
a^dn yan.
Alä-läunni bykd-l yamatdy iH
sardna-kö haldb ak igrid >8U'
trM ma'd< ya, tan sarüA yan.
Ay lab arorti ta häbdky ych
ddyk sard-l afür td-li yamatdy
(}ind yany zind abtd yan ay dror
8dytyä,
30
m. AbbAüdlnne^ : Beinlscb.
4) Malyah eyatiga dihdy iya^
küärküär küäb edir-ty en^ös
naya-ity amds wö-haxoAd-lh te-
^eya-tes inay,
5 5) Küärküär ü^dha dShäy
eyä'ity yi-^aha-yB geh biyd-it:
^andir< en4t.
6) W-eyatiga yi-adim wSr
araüöa söya, küärküär ü-rdha
10 emä8uwik i-madir yiiS dähny,
y^-arörih esa^ d^hay rewyanik:
*daib tuwira* edtt
Malammi ay alälätoini tanal
yamatä yan, ay arorä ta yig-
difdy iH dik harrdy yem^ iii
ald aligüik yind yan.
Ay lab arortt iha-d ak ya-
matdyan, bdköl-ik addd-d: »käy
agddfd< ya sü'utd yan.
Ay alä'läwini aki üi döbdytö
ay wäre wärüd yan^ amd-gSd
ay lab arörti yobbd-gBd kä gidef
häbdy gdle-l körd, ak dafdy-k
sardl: >ma*dm dbta< ya.
1) Eine weibliche und eine männliche schlänge schliefen
beisammen.
2) Da kam ein zigenhirt dazU; schnitt einen zipfel seines
kleides ab nnd deckte sie damit zu, indem er dachte^ ein Vor-
hang ist hier schicklich.
3) Der schlangengatte entfernte sich dann and nachdem
er weggegangen war, kam eine eidechse herbei nnd beschlief
die schlänge nnd sie beging einen ehebrach.
4) Wideram kam der zigenhirt dazn and tötete die
weibliche schlänge, ging dann heim and molk abends seine
zigen.
ö) Der schlangengatte kam im nach, legte sich za seinen
Zicklein and sprach: »ich töte in.«
6) Der zigenhirt erzälte aber den Vorgang einem anderen
gefärten von im nnd wie dies der schlangengatte gehört hatte,
so nnterliess er die tötnng, stig im anf den schoss nnd sprach
za im: »recht hast da getan.«
14.
Sätze und redensarten.
Ani wünu neg. ani umn kdke. Ich bin gross, neg. ich bin
nicht gross.
Barük wünuba neg. barük Da bist gross, neg. da bist
15 umn kitta, nicht gross.
Batük wüntuwi neg. battk Da (fem.) bist gross, neg. da
Mount kittay. bist nicht gross.
Die B«d»n7e^r»cbe in Kordott-AIHka. I.
31
BarüB wünu neg. barus tcun
kike,
Bat&s wüntu neg. batüs wunt
kitte.
5 Hanin weniba neg. Jienin
tranfft kinke,
Barak (baräkna) wenibäna
neg. 6. wanib kittSna.
Batdk (batdkna) wenitäna
10 neg. b. wanit kitUna.
Barä» (bardsna) weniba (we-
rUbäna) neg. wanib kikin.
Batds (batdsna) wentta (we-
nitäna) neg. wanit kiken.
15 Ani bartthök wünu, neg. umn
koke.
Barük anit tüünuba neg.
wun kittay.
Hanin barUhökna waniba.
20 Barak hanit wenibäna,
Hanin barethöima wanib kin-
ke.
Ani awin neg. ani windb
koke.
25 Barik tuwina neg. baruk
winab kitta.
Batäk tawini neg. batuk
winat kittay.
Baris utein neg. barüs loindb
80 k^.
Bat&s twwin neg. bat&a winat
kitte.
Hanin nuwin neg. hanin
windb kinke.
85 Barak tuwinna neg. baräk
winab kittena.
Batdk tuwinna neg. batak
winät kittena.
Er ist gross, neg. er ist nicht
gross.
Sie ist gross, neg. sie ist nicht
gross.
Wir sind gross, neg. wir sind
nicht gross.
Ir seid gross, neg. ir seid
nicht gross.
Ir (fem.) seid gross, neg. ir
seid nicht gross.
Sie sind gross, neg. sie sind
nicht gross.
Sie (fem.) sind gross, neg. sie
sind nicht gross.
Ich bin so gross wie du; neg.
nicht so gross.
Du bist so gross als ich; neg.
nicht so gross.
Wir sind so gross wie ir.
Ir seid so gross wie wir.
Wir sind nicht so gross als
sie (plur.).
Ich wurde gross, neg. wurde
nicht gross.
Du wurdest gross, neg. wur-
dest nicht gross.
Du (fem.) wurdest gross, neg.
wurdest nicht gross.
Er wurde gross, neg. wurde
nicht gross.
Sie wurde gross, neg. wurde
nicht gross.
Wir wurden gross, neg. wui*-
den nicht gross.
Ir wurdet gross, neg. wurdet
nicht gross.
Ir (fem.) wurdet gross, neg.
wurdet nicht gross.
32
ni. Abhuidlang: Bei ni seh.
Baräsiia uwinna Deg. haräs
winab kiken,
Batäs uwinna neg. batas
minät kiken,
5 Ani anmn neg. ka-wun (ka-
win),
Barük tunwina neg. kit-wina.
Batük tuntvini neg. kit-ioini.
Barüs unuAn neg. ki-win.
10 Batü8 tunuin neg. kit-vdn.
Hanin newun neg. kinrwin,
Barak tewünna neg. kit-
winna,
BatAk tewünna neg. kit-win-
16 na.
Bards ewünna neg. kl-winna.
Batds ewünna neg. kvvnnna,
Ani ön wö-ör asuivin,
Ani wo ^ör wo anib OrSywin,
20 Barik Abddllay wo ^öri 'ör
te8\iwina.
Batük Hdmmadi 'öti *ör tesy,-
wini.
Batük tö-'öt te batitdk tesy,-
25 wini.
Barüs wo 'ör ö baryös esy^win,
Batüs tö 'öt te batitös te8y,toin.
Hanin wo ^örön (*ör hinnBb)
nesy>win.
30 Barak tö 'öt te barltökna te-
sy^winna.
Sie wurden gross, neg. wur-
den nicht gross.
Sie (fem.) wurden gross, neg.
wurden nicht gross.
Ich werde gross; neg. werde
nicht gross.
Du wirst gross; neg. wirst
nicht gross.
Du (fem.) wirst gross, neg.
wirst nicht gross.
Er wird gross, neg. wird
nicht gross.
Sie wird gross; neg. wird
nicht gross.
Wir werden gross; neg. wer-
den nicht gross.
Ir werdet gross; neg. werdet
nicht gross.
Ir (fem.) werdet gross; neg.
werdet nicht gross.
Sie werden gross; neg. wer-
den nicht gross.
Sie (fem.) werden gross; neg.
werden nicht gross.
Ich habe diesen knaben gross
gezogen.
Ich habe meinen son erzogen.
Du hast Abdallahs enkel er-
zogen.
Du (fem.) hast Mohammed's
tochter son erzogen.
Du (fem.) hast deine tochter
erzogen.
Er hat seinen son erzogen.
Sie hat ire tochter erzogen.
Wir haben unsem son er-
zogen.
Ir habt eure tochter erzogen.
Di« B«dMiy«-Spnche ia Kordott-Afrika. I.
33
Batäk yh "dr i bamökna te-
sywinna.
Baräs tcö'ör ö barByösna esy.-
winna.
5 Batds tB 'dr € baUtösna esii,-
winna,
Amdr ^dr enjör esywinna-htb,
Ü-gaü wü ani ö-gaü ö-baryök-
ndy-ka wun-ka-bu.
10 Ü-gaü wü Ibrahimib wünu,
wö-^xni-'nay'ka wun-kd-bu.
Wü-ör ü'baryük wdnu^ barüs
wö-'ör tcö-ani-nay-ka wun-kd-bu.
Tö ^öt tü-baryük leuntu, Ami-
15 ddy ti-^ar daüri-kd-te.
Barük Abdalldy-ka wun-kä-
btia.
Ü-mwin (ü-mawün) Abddllay
ö-mwinirka hanyis.
20 Abddllay ö-swini-ka Hdm-
madi ü-swin hanyis.
Ö-Sök Amiddy-ka wun-kd-bu-
waj daüri-kd-bu-wa.
Barak hinne-ka wun-kd-bäna.
26 Hanin barise-ka wun-kd-ba,
Barik kurb - it wunuba - w&
akräbua-wd,
Barük kurb-i-ka wun-kd-bua-
wd akri'kd-buorwä.
30 Bardkna kwrbit (kwrba-i-t)
wenibäna.
Barik kwrbika wun-kd-bäna,
Ün dbuf anibu,
A.
O'Sum wö-anib tiktenaf
35 Ani ö-smök kd-kan.
O-swn wö-anib (oder ö-«mci)
Abddlla ^6dna.
SiUungsber. d. phjl.-hbt. CL GXXYIII. Bd.
Ir (fem.) habt eure söne er-
zogen.
Sie haben iren son erzogen.
Sie (fem.) haben ire töchter
erzogen.
Die Beni-Amer erzogen mich
zu einem edeknann.
Mein haus ist grösser als dein
haus.
Ibrahim's haus ist gross^ es ist
grösser als das meine.
Dein son ist gross, er ist grös-
ser als der meinige.
Deine tochter ist gross, sie ist
auch das schönste mädchen von
Amideb.
Du bist grösser als Abdallah.
Deine grosse libertriflft die
von Abdallah.
Abdallah's erziehung ist fei-
ner als die Mohammeds.
Suakin ist grösser und schö-
ner als Amideb.
Ir seid grösser als wir.
Wir sind grösser als sie.
Du bist gross und stark wie
ein elefant.
Du bist grösser und stärker
als ein elefant.
Ir seid gross wie elefanten.
Ir seid grösser als elefanten.
Wer ist der? Der bin ich.
Kennst du meinen namen?
Ich kenne deinen namen nicht.
Meinen namen ruft man Abd-
allah.
S. Abh. 3
34
in. Abhandlang: Beinitcb.
O'Sum ö-baryök ab eddnaf
ö-smi Hdmmad eedna,
BarUk tikt4n-hlbt
An akten-hök.
6 Barük kit-kän-hlbf
Ane kä-kdn-hök,
Ndmha s^nyaf
Ü-mhin ani hö efiyib Amidebu.
Barük dbuaf
10 Ani katdbuj nugüs katdb q-
küdseb,
Oeb'ök (oder baryök geb) reü
iß?
Geb'ö (oder ani geb) riü ifi,
15 Hdmmad anib areyn-hsb,
Ani wö'örö tö-'ötis-ö-ka arene-
kd-bu.
Hdmmad ö-gaü wö-ani-nay
btHsdn-hlb.
20 Barük anit akrdbua.
Barük ani-ka (anihi-ka) a-
krdbua,
Ü-gamisu um -ani er Abu, ü-
gamis ü-baryük hddalu.
26 Ü-ffirm-ük ani-geb Vdmya.
Ü'käm-üwu-ani diybu, ü-käm-
uk ü'baiyuk umdgu.
A-fa yä-anib edldbna.
Barüs anä> tdn\
30 Ani tü-takdt lehdtu.
Ani tü-lehandy güddtu,
Anib ü-gaü daüribu, baryük
ü-gaü Singerdbu.
Ani barithök gabdbu.
35 Ani barisok gabdbu.
Wie ruft man deinen namen?
Ich heisse Mohammed.
Kennst du mich?
Ich kenne dich.
Kennst da mich nicht?
Ich kenne dich nicht.
Wo wonst du?
Der ort wo ich wone, ist
Amideb.
Wer bist du?
Ich bin Schreiber^ der könig
machte mich zum Schreiber.
Hast du geld?
Ich habe geld.
Mohammed liebt mich.
Ich liebe meinen son mer als
meine tochter.
Ich behielt Mohanuned in
meinem hause.
Du bist so stark wie ich.
Du bist stärker als ich.
Mein hemd ist weiss, dein
hemd ist schwarz.
Dein haupt wurde von mir
gesalbt.
Mein kamel ist gut^ dein ka-
mel aber ist schlecht.
Meine rinder wurden rer-
kauft.
Er ist mir änlich.
Meine frau ist krank.
Meine krankheit ist gross
(schwer).
Mein haus ist schön, das
deine aber ist garstig.
Ich bin so reich als du.
Ich bin reicher als du.
IMe Badaiye-Sprmche in Nordo«t-AfrikA. I.
35
Ani gahäbu barisöka.
u-gaw-ük ü-baryik wünu,
Batik dbtuiy ü-sum ü-baiyük
(vL hajik) dbuf
5 Ü-gaü iirbaty&k (baj'&k) wünu .
Batyök-geb (bajök-geb) reü
ifi.
Ü-gaU ün batyöku (bajöku).
Ü-gaW'ük ü-batyÜJc (bajik)
10 ddbalu.
Barüs akräbu barisök.
Ani baritös akräbu.
O-sum ö-baryds ab e'idnaf
BarySs geh riü iß.
15 Ü-gaü ün baryösu.
Batt^ küatötUy takdtö kitte,
O-ntm &iaty69 (bajös) db e'-
Mnat
O'Sm-ös dh e'ddnat
iO Ani batitös wünu.
Barik wünvha batisiys,
Ü-gaü H^xttyüs (baj^) wünu,
Baiyds (bajös) dühäy iya,
Bai,yö9 geb riü iß,
tb Hanin btMrHhökna akriha,
Bardkna hannit akrdbäna,
Ü-gaü ün hennibu; hinn^b
küce.
A-mak-^xn daüriba,
so ö-tm-in (oder o-sum wd-hen-
nib) Amar-Ar eidna.
Ü-ganD^iox wü'hinne daürtbu,
Rinne (hdnne) geb riü iß.
Barak hennika tehayisena.
86 Barak hanin arSten-h&n.
Barokna (oder barM) hanni-
Uka akrdbäna.
ü-gaü ü-baryükna wünu.
Ich bin reicher als da.
Dein haus ist gross.
Wer bist du (fem.) und wie
heissest du?
Dein (^fem.) haus ist gross.
Bei dir befindet sich geld.
Dieses haus ist dein (fem.).
Dein haus ist klein.
Er ist stärker als du.
Ich bin so stark als er.
Wie nennt man seinen namen ?
Bei im befindet sich geld.
Dieses haus ist sein.
Sie ist meine Schwester^ nicht
meine frau.
Wie heisst sie?
Wie heisst er (oder sie)?
Ich bin 80 gross als sie.
Du bist so gross als sie.
Ir haus ist gross.
Er kam zu ir.
Sie hat geld.
Wir sind so stark als ir.
Ir seid so stark als wir.
Dieses haus ist unser; ist
nicht unser.
Unsere esel sind schön.
Unseren namen nennt man
Beni-Amer.
Unser haus ist schön.
Wir haben geld.
Ir seid besser als wir.
Ir liebt uns.
Ir seid stärker als wir.
Euer haus ist gross.
8*
36
in. Abhftadlang: Beinitch.
A-gaw-äk ä-baryäkäna daü-
riba.
Baryökna gSb rBÜ Bfi.
Hanin akrdba barlsökna-ka.
6 Ü-gaü ü-batyukna (bajükna)
wünu.
Ä-gawdk ä-bateäkna daüriba.
Bateyikna gib ritt ifi.
Bardsna (u. bards) barSsök-
10 na-ka akrdba,
O-gaU ü-baryüsna wünu,
O'Sum ö'baryös^na ab eMna?
Baryösena geb rBÜ iß.
Hanin barUhös^a akrdba,
15 Hanin baresös^na-ka akrdba.
Batdsna (u. batda) daüriba,
Ü-gaü ü-batyüsna (bajüs^na)
wünu,
Ä-gäwa drbatydsna (oder ä-
20 gawdsna) vxiniba.
Ö-sum ö'batyÖsSna (oder ösm-
ösäna) ab eednaf
Bai*ük ndmhini Btaf
Ani Amiddy yidn,
25 Barük dbuaf
Ani ibäbk6ndbuy ibäbdn Bfi.
Barük ndysö tebiya?
O'Sdk-ib (ö-Sök'i dähd) dnde.
0-Söklb teflya?
30 Ani Hartumiby Soddnib e8ti\
'öi'ä wü-ani Ö-Söklb ifi, reh-ös
hanriü,
Te-lagi Hdrtumi ö-Söki dBhd
gumdddu,
35 O'tak ün ibdbyay Bhi, ibd-
byay Bfi,
Eure häuser sind schön.
Bei euch gibt es geld.
Wir sind stärker als ir.
Euer (fem.) haus ist gross.
Euere (fem.) häuser sind
schön.
Bei euch (fem.) befindet sich
geld.
Sie sind stärker als ir.
Ir (eorum) haus ist gross.
Wie nennt man iren namen?
Sie haben geld.
Wir sind so stark als sie.
Wir sind stärker als sie.
Sie (fem.) sind schön.
Ir (fem. pl.) haus ist gross.
Ire häuser sind gross.
Wie heissen sie (fem.)?
Woher kommst du?
Ich komme von Amideb.
Wer bist du?
Ich bin ein reisender, ich bin
auf der reise.
Wohin gehst du?
Ich gehe nach Suakin.
Lebst du in Suakin?
Ich wone zu Chartum im Su-
dan, aber mein son befindet sich
in Suakin, ich will in besuchen.
Der weg von Chartum nach
Suakin ist lang.
Dieser mann ist auf einer rei-
se begriffen.
Dia Bedftaye-Spnche in Nordost-AfrikA. I.
37
Ün ürtdk dbuf
Tun te-takdt dbtuf
An Anda äba (dbänajf
Tän tä-ma dbta (dbtänajf
* An{&nö-tdkarin'hö8(arin^8),
Ani tön tö-takät ar^ydnrhös.
En inda arByan-hösna.
Jen U-ma' kär&n-hösna,
Ü-gaü ben ü-umn äy gdumt
10 Te-takdt tun daüritUy te-takdt
bst aferdytu.
Ani ö-gaü beb ddlib ani,
Ani tö-'öt bBt akanhin-hös
(und -ös),
16 Yi-'dr an däyba, yi-dr baiin
amdga.
Te-dr tän daürttay te-dr baut
iingerdta,
Enda balib erhdn-höb^ drküe,
20 Te-*dr baut erhdn-höby küära-
mdn-hösna.
ü-tak wü ams Bya ^öröyu.
Te-takdt ams eta-t daüAtu,
Anda yi ams' eyan Amar-
25 'dra.
Abu um eyaf
Ü-tak wü dfa ani erhan-i
wun tdku,
Te-takdt tu dfa ani erhan-it
30 tDÜntu,
Tö-^ör tu dfa ani erhan-it
daHritu.
Tö-ör tu ani küäräman-et
kuätötu.
Wer ist dieser mann?
Wer ist diese frau?
Wer sind diese männer?
Wer sind diese frauen?
Ich liebe diesen mann.
Ich liebe diese frau.
Ich liebe diese männer.
Ich liebe diese frauen nicht.
Wem gehört jenes grosse
haus?
Diese frau ist schön, jene
aber ist hässlich.
Ich habe jenes haus gekauft.
Ich liebe jenes mädchen.
Diese knaben sind gut, jene
aber schlecht.
Diese mädchen sind schön,
jene aber hässlich.
Als ich jene männer sah,
fürchtete ich mich.
Als ich jene mädchen sah,
grüsste ich sie.
Der mann, der gestern an-
kam, ist mein son.
Die frau, welche gestern an-
kam, ist schön.
Die männer, die gestern ka-
men, sind Beni-Amer.
Wer ist der, welcher ge-
kommen ist?
Der mann, den ich gestern
sah, ist gross.
Die frau, die ich gestern sah,
ist gross.
Das mädchen, das ich gestern
sah, ist schön.
Das mädchen, das ich küss-
te, ist meine Schwester.
38
ni. Abhandlung; Beiniscb.
Te-takdt tu riü tehi-t-ük daü-
ritu,
ErBe4aüyi-t hur mard'tuf
Aüy mar ä' tu; mardH kitte.
5 Ani Bilälri akrdbu oder Bi-
läl-i-ka akra-kd-bu,
Tö-öt-it hamös hadaldtu wo-
hawdd'it
Bari/Je hanür-i-ka nigl8-kd'
10 bua,
Nät erhitaf
Nät erhob koke,
Barths nät edi-hökf
En-wä in-voä edi-heby nät wet
15 diydb kike,
Barak nän tuwariyaf
Nät kd-wari,
Tö-nät tön aü uwiref tön
tuwiraf
20 Tö-nät ton ani loeräb kdke.
Bak tuwerik dayb tuwira,
Sür tuwere tesinyit uwBral
Bak a^uvoir,
Wü-hayü gü'dmyay aü y&'äya f
25 Ani gü*dny wö-ha ü-gä'atiyüs
ddybu.
Wö'ha gudti ddybu.
Wö-addr-ha ü-guatiyü8 hard-
mu msilmiye'dhdy,
30 Lehdyt baryök geb häb gudn
iß.
Nä-dör baruk häb güdsta-
hibaf ani kä-giiasdn-hök.
Die fraa^ die dir geld gab^
ist schön.
Ist das land der Bednan aus-
gedehnt.
Ja, es ist geräumig; ist nicht
geräumig.
Ich bin stärker als Bilal.
Das haar des mädchens ist
schwarz wie die nacht.
Du bist schmutziger als ein
Schwein.
Was hast du gesehen?
Ich habe nichts gesehen.
Was sagte er zu dir?
Das und das sagte er mir^
nichts anderes.
Was tust du?
Ich tue nichts.
Wer hat das getan? tatst du
es?
Ich habe das nicht getan.
Wenn du es so machtest^ so
hast du gut getan.
Tue was du früher tatst!
So liess ich's machen.
Mein hier ist ausgetrunken;
wer hat es getrunken?
Ich trank es^ das biertrinken
(das hier sein trinken) ist an-
genem.
Bier zu trinken ist angenem.
Wein zu trinken ist verboten
fUr die muslim.
Morgen trinke ich bei dir
hier.
Wann gabst denn du mir bier
zu trinken? ich gebe dir auch
keines.
Di« Btdany^-Spraclie in Kordosl-AfHk». I.
39
Ani meikinUj nät kd-bare,
barük gabdbuay wü-änküdna
gdbü ehi'höky not hiy^a!
Not eyd'hök käde^ baruk mes-
5 kin kiihayay barük amdgua.
Äü amsi Mogdlö-y (Mogüä-
lö-i) iyal
Anib bakdy iya ki-hay.
Un abut b9n dbut
10 An dygat tän dygätt
An dyga yi-'drf
Balin dyga yi-'drf
Balit dygata te-^drf
Ndka döra ö-Sökli tifiyaf
15 Ngdl döTj malö döra, mShdy
döra bintay iß.
Barük ndyaö tebiyaf
Ani ö-Sök dbahB.
A^ik kiyänaf ndmhlni te-
20 »ttaf
Ani ö-Söktb e9ti\
Ü-gawük kiyaf te-takatiik
kkaf
Hanin td'a kinai
85 Baräkna id'a ketänaf
Nana itänf
Hanin hdrröb nidlib neniina,
Tikar wä-hdrrü gueddbuy ha-
nin fa4ig Utmün müda hdrröb
SO nidlib.
Kassüs vm-hdrru tobokimyay
lehdyt »(yfön mabäy niharu.
Ich bin ja arm und habe
nichts, du aber bist reich, Gott
verlieh dir reichtum; gieb mir
also auch etwas!
Ich gebe dir nichts, denn du
bist ja kein armer, nur ein
taugenichts.
Wer kam heute von Mogolo?
Ausser mir kam niemand.
Wer ist dieser? wer ist
jener?
Wer sind diese (masc.)? wer
sind diese (fem.)?
Wer sind diese knaben?
Wer sind jene knaben?
Wer sind jene mädchen?
Wie oft warst du in Sua-
kin?
Ich war ein-, zwei-, dreimal
dort.
Wohin gehst du?
Ich gehe nach Suakin.
Wo ist dein volk? wo lebst
du?
Ich lebe in Suakin.
Wo befindet sich dein haus?
dein weih?
Wo befinden wir uns jetzt?
Wo befindet ir euch jetzt?
Warum seid ir gekommen?
Wir kamen um körn zu
kaufen.
In Tokar giebt es vil körn,
wir kauften vierzig sche£fel
kom.
Alles kom wurde eingefUllt
und morgen wollen wir heim-
ziehen.
40
m. Abhandlung: Beinisch.
Tü-bur hadaddebin tike, wü-
hawad Bya, hanin dowadini^
ü-^mha mehinyik endön nibs.
Fajir ü-mha mehinyik hidäb
6 sakni ibäbni; ü-mbf bigudiyik
masdl kl-masalesya.
Bismilldhi ditit endön nebe,
Sanäyik wälikd-t maa!
Äni lehayt ibäbani,
10 Ani dfa idn ibdbti,
Ani ibabt harü Bfi.
Ani ibabt harü kdhay,
Ani ibdbani-höb (ibäbanHc)
wü-örii evihi,
15 Ibdbk^na Bya,
Babü ibdbsTi'heb,
Wö'^örök ibdbsa!
Ani ibäbanyihöb Hdmmad ö-
gaü wö-ani-nay bVisdn-heb.
20 Ani ibäbanyihöb ö-gaw-yö
sani'heba!
Barus ibäbinyeJiöb Hdmmad
gebös ibdbini.
Ani tamnnyehöb barük gebö
25 tdmtaya.
Barük tamtayihöb ani gebök
tdmani,
Baräs tdmyayihöb ani gebös
tdmani.
Die erde ist dunkel geworden
und die nacht herangekommen;
wir wollen schlafen und wenn
der morgen kommt, gehen wir
heim.
Morgen wenn es licht wird
gehen und reisen wir zusammen ;
wenn auch der tag lang ist, die
Unterhaltung hat noch keine
langweile bewirkt.
Wir sagen: in Gottes namen!
und gehen heim.
Rufe deine brllder und
komm!
Ich verreise morgen.
Ich kam gestern von einer
reise.
Ich will verreisen.
Ich will nicht verreisen.
Als ich verreiste, blib mein
son zurück.
Ein reisender ist angekom-
men.
Mein vater schickte mich auf
reisen.
Schicke deinen son auf reisen !
Wenn ich verreise, so lasse
ich den Mohammed in meinem
hause schlafen.
Wenn ich verreise, so bleib
in meinem hause!
Wenn er verreist, so reist
Mohammed mit im.
Wenn ich esse, so issest du
mit mir.
Wenn du issest, so esse ich
mit dir.
Wenn er isst, esse ich mit im.
Dm BedMje-Spnclie in Nordott- Afrika. I.
41
Hanin tdmnayihöb baräk ge-
ben tdmtäna.
Baräk tämtendyhöb hanin ge-
bökna tdmnay,
6 Ani taman-i-höb Hdmmad iya,
Gabany-B'dhäy ibdban,
Adanir-i-dhäy tdn.
Bahn takdt wU edHr.
O-ganüsö aiangüt^-^dhäy sa-
10 bin ddlib.
Ani kilöyany-i-dhäy hdrro
ddlib.
Anda fartakamen-i-dhäy um-
dga dskera ö-sUg-i-dhdy isibe.
15 Ü-ör-ay^ ö-bab nigila-hebaf
Ü-bäb Sngdl, negdlu.
Nana ö-bab kit-negilaf
Wö-hawdd-lb ö-bab ü-ngul a-
mdgu, ü-mha mehinyik anangily
20 td'a kä-ngil.
Amnäb §umSany-i-dhäy ö-bdb
dsnagil (asisnagil),
Ö-bäb ka4aiUtanyihöb bä-et-
nagü-ök,
25 Wü'änküdna tö-dinya akligya,
kassüs tü-dinya wö-änküdnay
akligimtay wö-änküdnay kdlaga
ddyta, ürkaligimti ddybu.
Nana ferhabua^
Wenn wir essen^ esset ir mit
uns.
Wenn ir esset, essen wir mit
euch.
Als ich gegessen hatte, kam
Mohammed.
Um reich zu werden, machte
ich reisen.
Ich kam um zu heiraten.
Mein vater heiratete eine an-
dere frau.
Um mein hemd zu waschen,
kaufte ich seife.
Um grlitze zu machen, kauft;e
ich körn.
Damit die leute sich zerstreu-
ten, schickte der gouverneur
Soldaten auf den marktplatz.
Bursche, öflfne mir die
türe!
Die türe ist geöffnet worden ;
sie steht offen.
Warum tust du die türe nicht
auf?
Bei nacht ist das öffnen der
türe misslich, ich öffne wenn es
morgen wird; jetzt aber öffne
ich nicht.
Um einen gast einzufüren,
liess ich die türe öffnen.
Wenn du anklopfest, wird dir
auf getan.
• Gott hat die weit erschaffen,
die ganze weit ist von Gott er-
schaffen, die Schöpfung (das er-
schaffen) Gottes ist schön und
schön das werk der Schöpfung.
Warum bist du so lustig?
42
HL AbhftDdliuig: BeinUoh.
Äni höh guäUj ani guainy-
dyhöb amßrhdni.
Yi-ärü amßrhisydn'hsb,
E-bitk'ik wä e-bitk'in ribd
6 6fij abd-t tiß.
Malö erbdy e-bitik abdt teß,
Arök esti\ an ö-gawi ari
e8li\
Mehdy-t yina-t ari Hdmmad
10 iya,
Baris ö-gaw-i sür-i e8d\
Hirira sürt!
Hanin wö-hind-i wuhd-y ne-
8ti\
15 Ü-yäs ö-n'dl wuhdy biHne,
Baris ö-n^äl-i arowd-y e8d\
ö-näl-i inki sadb kike,
Ü-bd^nö ö-gaw-i ^nki estV,
Kidmdt dbare Bildl-l-b.
20 Barik ö-gaw-ib senniyaf
Güda hayuk erdsyäni hSn tö-
bri-t'ib,
Barik Masir-ib tefiyaf
Ani ö-Sök'tb e8ti\ Masir-ih
25 kdhay,
Me9uwi^ jasirdt-ib tiß.
Mehdy-t ylnd-t-lb tamdb kdke,
Ay tirga yi-hämSik-ib tesni.
30
E-yäm-ib (jldbya.
An-ib ü-gaü daüribu,
Hinni-ib ü-gaü Hngerdbu.
Ü-gaü würlbrähim-ib wünu.
Ich habe hier getrunken;
wenn ich trinke, so werde ich
fröhlich.
Meine kinder haben mir frem-
de bereitet.
Zwischen ench nnd uns befin-
det sich ein berg und ein fluss.
Zwischen den zwei bergen
befindet sich ein fluss.
Ich sitze hinter dir, ich sitze
hinter dem hause.
Nach drei tagen kam Mo-
hammed.
Er sass vor dem hause.
Gehe voran!
Wir Sassen unter dem bäum.
Der hund schläft unter dem
bett.
Er sass neben, nicht auf dem
bette.
Der geier sitzt auf, über dem
hause.
Ich bin bedienstet bei Bilal.
Bleibst du zu hause?
Vile Sterne leuchten am him-
mel.
Hältst du dich in Kairo auf?
Ich wone in Suakin, nicht in
Kairo.
Massaua Ugt auf einer insel.
Ich habe seit drei tagen
nichts gegessen.
Fünf monate bUb sie am le-
ben.
Er fiel ins wasser
Mein haus ist schön.
Unser haus ist hässhch.
Ibrahim's haus ist gross.
Die BedMye-Sprache in Mor4<Mt-Afrik». I.
43
Ü-gaü wü Hdmmctd'ib (oder
Hdfnmad-i ü^aü) wünu.
Abddlla-y ü-gaü Hämmad-ib
ö-gauhi'ka hanj/isu.
5 Ferhatrib iiyd\
Ani akanUIhdykik ö^awtb
aUnni.
Barik kanüb-dykik ö^atdb
s^nya,
10 Hanin nekaüb-dykik ö^awtb
nesin.
Barak tekatibn-dykik ö-gamb
tesinna.
Baris ekatibn-dykik ö-gawib
15 esSnna.
Ani Bdkany-dykik (und -dy-
höby -i-höb) barük gebö sdk-
taya.
Ani arüh dtfari' -dykik (-dy-
20 höby -ihöb) barüs ö-gawib senya!
Ani arüh dtfari-ik te-takatü
ö-gauM sSnni,
Barik yB-^adim ümmät wU
sötany-ik andir-höfc.
25 Ani not dndy-ik sidigu.
Barük nät tindy-ik sidigu.
Hanin nät niyad-ik sidigu,
Tak indab edir-ik harämibu.
Ani batok ariyan-höki däyt
90 tikay-ik,
Ani batök körariyan-höki
amakt tikayik.
Baris sdkya-n-ik Ali iya.
Mobammed's haus ist gross.
Abdallah's haus ist schöner
als das von Mohammed.
Sie starb vor freude.
Wenn (so oft) ich schreibe,
bleibe ich zu hause.
Wenn du schreibst^ bleibst
du zu hause.
Wenn wir schreiben, bleiben
wir zu hause.
Wenn ir schreibt, bleibt ir zu
hause.
Wenn sie schreiben, so blei-
ben sie zu hause.
Wenn ich gehe, so gehst du
mit mir.
Wenn ich hinausgehe, so
bleib du im hause!
Wenn ich hinausgehe, so
bleibt mein weib zu hause.
Wenn du die sache anderen
leuten erzälst, so erschlage ich
dich.
Wenn ich etwas sage, so ist
es war.
Wenn du etwas sagst, so ist
es war.
Wenn wir etwas sagen, so
ist es war.
Wenn jemand leute tötet, ist
er ein Verbrecher.
Ich liebe dich (fem.), weil
du schön bist.
Ich liebe dich nicht, weil du
hässlich bist.
Als er fortgegangen war,
kam Ali.
44
m. AbhandloDg: Beiniseh.
O-rba rewya-n-ik bfya,
Ani Se'Sgdb akdy-t dirman.
Barük ieigäb tekdyt dirimta.
Oüddb hadidini gär güsrib
5 ekatij gär sidglb ekdti,
Ngät minda dehö tdtjkta.
E-gulida y^-' adim-i-dkäy j ö-
mik'i ö'tnfuk'i'dhdy bä-fäHday
tim diya!
Als er den berg erstigen hat-
te^ ruhte er sich aus.
Ich wurde ein hirt und ging
hinter der herde.
Du wurdest ein hirt und
gingst hinter der herde.
Wer vil redet, ist entweder
(wörtlich einer) ein lügner, oder
ein weiser (warhafdger).
Ein regentropfen fiel auf mich.
Zum geschwäz von dumm-
köpfen und auf eselsfurz lache
nicht, sondern schweige!
II.
Gespräche und sStze im Idiom der Halenga.
10 1) Ü-kitasanayiin kassöh ö-
dhdy bäböse,
2) Ü'küasanayiinnaikaiktan,
3) Ane nät käkaiiy lakin ü-
küasanayün 4ktan,
15 4) Hinin kassdn sanasandba.
5) Alldy ü'kaldm gdle.
6) Anibe ü-kaldm gdle,
7) Kassdy Halenga day enda.
8) Barük ekatdb tiktenaf
20 9) Ane ekatdb aktin,
10) Ane ekatdb kdkan,
11) Baruk ekatdb kittänaf
12) Batük ekatdb tiktinif
13) Batük ekatdb kittänef
25 14) Baruh ekatdb ekltinf
15) Baruh ekatdb kikan,
16) Batüh ekatdb tikt^f
17) Batüh ekatdb kittan.
18) Bardk ekatdb tiktinnaf
Gott ist der vater aller men-
schen.
Gott weiss alles.
Ich weiss nichts, aber Gott
ist allwissend.
Wir alle sind brüder.
Gottes wort ist eins (war).
Mein wort ist eins (aufrichtig).
Alle Halenga sind gute leute.
Kannst du schreiben?
Ich kann schreiben.
Ich kann nicht schreiben.
Kannst du nicht schreiben?
Kannst du (frau) schreiben?
Kannst du (frau) nicht schrei-
ben?
Kann er schreiben?
Er kann nicht schreiben.
Kann sie schreiben?
Sie kann nicht schreiben.
Könnt ir schreiben?
Dm BtdMEiy«-Spnche in Nordort-AfrUn. I.
46
19) Hinin ekatdb nikten,
20) Hinin ekatdb kvnkan,
21) Barak ekatdb kittdnna^
22) Barak ekatdb iktennaf
5 23) Barak ekaidb kikdnna.
24) Ane Alib ö-gaü baydt,
25) Ane Alib ö-gawi yfani.
26) Alib ü-gaü daüribe Mo-
kammedib ü-gaü Hngerdbe.
10 27) Anib ü-gaü daüribe, bar-
yük ü-gaü Hngerdbe,
28) Baryük ü-gaü daüribe,
batyuk ü-gaü Hngerdbe.
29) Hinnyib ü-gaü daüribe,
15 baryükna ü-gaü daürib kike.
30) Bardyük ü-gaü daüribe,
batdyük ü-gaü daürib kikS.
31) Ane iät tamanyik aS'ardb
akdte.
20 32) Barük iät tamtinyik aä'-
ardb tekdti.
33) Batük Sät tamtinyik a§'-
ardt tekdti,
34) Barük iät taminyik af-
25 ardb ekdte,
35) Batük iät tamtinyik a£-
ardt tekdte,
36) Hinin iät tamnayik af-
ardb nekdte.
30 37) Barak iät tamtSnik a^'-
ardb tekdUna.
38) Batdk iät tamtSnek af-
ardt tekdUna.
39) Barak iät taminik af-
35 ardb ekdtln,
40) Batdk iät tamSnek ai'-
ardt ekdUn,
Wir können schreiben.
Wir können nicht schreiben.
Könnt ir nicht schreiben?
Können sie schreiben?
Sie können nicht schreiben.
Ich gehe nach dem hause
AU's.
Ich komme vom hause AU's.
AU's haus ist schön, aber
Mohammed's haus ist hässlich.
Mein haus ist schön, aber
deines ist hässlich.
Sein haus ist schön, aber ir
haus ist hässlich.
Unser haus ist schön, das
euere aber ist nicht schön.
Ir (eorum) haus ist schön,
aber deren (earum) haus ist
nicht schön.
Wenn ich fleisch esse, wer-
de ich stark.
Wenn du fleisch issest, wirst
du stark.
Wenn du (frau) fleisch issest,
wirst du stark.
Wenn er fleisch isst, wird er
stark.
Wenn sie fleisch isst, wird
sie stark.
Wenn wir fleisch essen, wer-
den wir stark.
Wenn ir fleisch esset, werdet
ir stark.
Wenn ir (frauen) fleisch es-
set, werdet ir stark.
Wenn sie fleisch essen, wer-
den sie stark.
Wenn sie (fem.) fleisch essen,
werden sie stark.
46
m. Abhandlang: Beiniseh.
41) Barak tinteiUy dne ifd'-
höh dnde,
42) Barak bitte'ete y dne kä-
fahök.
5 43) Barüh iiite'ite, dne ifd^
dnde.
44) Batuh tinte^itej dne ifd'
dnde.
45) Bardkna tefdnetüny hinin
10 netahökna.
46) Batäkna tefdnetunj hinin
netd'hökna.
47) Barak (bardhna) efane-
tUnj hinin nefa^hSsna.
16 48) Barük hitteitey dne i^d"-
hök kdde.
49) Barüh bife'Btey dne ifd*
kdde.
50) Bardkna bä{enhi,ny hinin
20 nita'hökna kinde.
51) Bardh bifanhüny hinin
nifd' kinde.
52) Bardk wa anib wa nun
ü'dhdy ü-raü kaesäh sdkyan.
25 53) Hinin deyimey, hinin taA
deyirnaneky barük deyirtaf
54) Ane gijßy käd^yardn.
55) Nahöb taa giktinyaf
56) Barük dne gikte harriü
80 hanf
57) Ane gikte kdharu, tö-
mhaseytuk td^a ka-mhastd-hanf
58) Kira, ibe dndi.
59) 'Iri dne ö-mangAy abdy-
35 hö ha4db erhdn.
Wenn du mich schlägst;
schlag' auch ich dich.
Wenn du mich nicht schlägst^
schlag' ich dich nicht.
Wenn er mich schlägt, schlag'
ich auch.
Wenn sie mich schlägt,
schlag' ich auch.
Wenn ir uns schlägt, schla-
gen auch wir euch.
Wenn ir (fem.) uns schlägt,
schlagen auch wir euch.
Wenn sie uns schlagen, schla-
gen wir sie auch.
Wenn du mich nicht schlägst,
werde ich dich nicht schlagen.
Wenn er mich nicht schlägt,
werde ich in nicht schlagen.
Wenn ir uns nicht schlägt,
werden wir euch nicht schla-
gen.
Wenn sie uns nicht schlagen,
werden wir sie nicht schlagen.
Ausser dir und mir sind alle
leute fortgegangen.
Wir sind müde; da wir nun
müde sind, bist du wol auch
müde.
Ich doch nicht, ich bin nicht
müde.
Wann gehst du nun?
Willst du dass ich gehe?
Ich wünsche zwar nicht dass
du gehest, aber nimmst du denn
dein mittagsmal nicht ein?
Nun gut, ich will gehen.
Als ich gestern in die steppe
ging, sah ich einen löwen.
Dm BadM7«-8prBch6 in Nordott-ÜHk». I.
47
60) ^'Iri barük ö-mangdy te-
häy-hö ha4äh erhita.
61) ^Iri b(Uuk (Hnangdy te-
hdy-hö hcu^db erhitay.
s 62) ^Iri bar&h ö-mangdy e-
bäy-hö ha^db Srhiya.
63) ^Iri batüh ö-mangdy te-
bdy-hö fia^db erhita.
64) ^Iri hinin ö-mangdy ne-
10 bdy-hö ha4db erhina.
65) *'Iri bardkna ö-mangdy
Ubinrhö ha^db erhitäna.
66) ^'Iri batdkna ö-mangdy
UMn-hö ha^dh erhitäna,
16 67) ^'Iri bardh ö-mangdy e-
hin-hö ha^db irhiyän,
68) "/W batdh ö-mangdy e-
biurhö ha4db 4rh\yän.
69) Ün üridk dbef
SO 70) Tun ta-takdt dbtet
71) An dnda dbaf
72) Tän tdrma dbtaf
73) An en4äw an dbäf
74) On MMc ün ddybe, ü-tdk
^ hin aferdy.
75) Tu takdt tun ddyU^ tü-
takdt bit aferdyte.
76) Anda an ddyba^ d-nda
haiin aferdya.
30 77) 7ä-m*a tän ddyta madta,
ii-m^a baUt aferdyta madta,
78) Ane ddybe, bariüc afe-
fdyioa.
79) BariJc
Als dn gestern in die steppe
gingst, sahst du einen löwen.
Als du (fem.) gestern in die
steppe gingst; sahst du einen
löwen.
Als er gestern in die steppe
ging, sah er einen löwen.
Als sie gestern in die steppe
ging, sah sie einen löwen.
Ab wir gestern in die steppe
gingen, sahen wir einen lö-
wen.
Als ir gestern in die steppe
ginget, sähet ir einen löwen.
Als ir (fem.) gestern in die
steppe ginget, sähet ir einen
löwen.
Als sie gestern in die steppe
gingen, sahen sie einen löwen.
Als sie (fem.) gestern in die
steppe gingen, sahen sie einen
löwen.
Wer ist dieser mann?
Wer ist diese frau?
Wer sind diese männer?
Wer sind diese frauen?
Wer sind diese leute?
Dieser mann da ist gut,
jener aber schlecht.
Diese frau da ist gut, jene
aber ist schlecht.
Diese männer sind gut, jene
aber sind schlecht.
Diese trauen da sind gut, je-
ne aber sind schlechte frauen.
Ich bin gut, du aber bist
schlecht.
Du bist gut, ich aber bin
48
m. Abkandlnng: Beinisek.
80) Batük daytwiy barüh a-
ferdy.
81) Barüh ddybe^ batük a-
feräyturi,
6 82) Batüh ddytej barüh dayb
kücB,
83) Hinin däyba, bardkna
aferdyäna,
84) Bardkna ddybäTia, hinin
10 aferäya,
85) Batdkna daytäna, bardk-
na däyb kitten.
86) Bardh ddyba, batdkna
däyt kittSn, aferdytän,
16 87) Batdh (batdhna) ddyta,
bardh aferdya,
88) Batdh aferdyta, bardh
(bardhna) ddyb kiken,
89) Ndysö känf
20 90) Er^4^way8ön Ena,
91) Nhö tiblnf
92) En4ön nibe,
• 93) Hargüdbua han?
94) Hargüdb kdke.
26 95) Gäbdbua hanf
96) Ane gäbdbe.
97) Narltibua han9
98) Naritib kdke,
99) Abrahim lehdyt bitkayt
30 yi'ini,
100) Barüh tri e'a.
101) Barüh iri bitkayt i^a,
102) Ane mahalagdb hitök.
103) Ane Abrahim mahala-
35 gdb eydü dnde.
104) Ane Abrahim mahala-
gdb eydü kdde.
105) Mahalagdb hd'a!
Du (fem.) bist gut; er aber
ist schlecht.
Er ist guty du (frau) aber
bist schlecht.
Sie ist gut, er aber nicht.
Wir sind gut, ir aber seid
schlecht.
Ir seid gut, wir aber sind
schlecht.
Ir (fem.) seid gut, ir (masc.)
seid nicht gut.
Sie sind gut, ir (fem.) seid
nicht gut, sondern schlecht.
Sie (fem.) sind gut, sie (masc.)
sind schlecht.
Sie (fem.) sind schlecht, sie
(masc.) sind auch nicht gut.
Woher kommt ir?
Wir kommen aus unserer
heimat.
Wohin geht ir?
Wir gehen heim.
Bist du etwa hungrig?
Ich bin nicht hungrig.
Du bist also satt?
Ja, ich bin satt.
Bist du wol schläfirig?
Ich bin nicht schläfrig.
Abraham kommt übermor-
gen.
Er ist gestern gekommen.
Er ist vorgestern gekommen.
Ich gebe dir geld.
Ich werde Abraham geld ge-
ben.
Ich werde Abraham kein
geld geben.
Gieb mir geld!
Di« BedAoye-Sprache in Nordost-Aftika. I.
49
106) Ane mahalagdb eyi-hök
kdde.
107) Lehdyt barük mahala-
gdb hitoya.
5 108) Lehdyt barüh mahala-
gdb eniü-hsb.
109) Lehdyt batüh mahala-
gdb teräü-hsb,
110) Lehdyt bat&h mahala-
10 gab Abrahim teniü.
111) Lehdyt hinin mahalagdb
Abrahim hidene.
112) Lehdyt hinin mahalagdb
hitok-ine,
15 113) Lehdyt hinin mahalagdb
hitök karine.
114) Lehdyt bardkna maha-
lagdb tewün-hön.
115) Lehdyt batdkna maha-
20 lagdb kithln-hön.
116) Lehdyt bardkna maha-
lagdb Abrahim tewüna,
117) Lehdyt bardh mahala-
gdb Abrahim ewüna.
25 118) Lehdyt bardh mahala-
gdb ki-hln-hib,
119) Iri dne Abrahim maha-
lagdb ahdy,
120) Hararibuay heydb kitta,
30 121) Bar&k iri intöy kithaya,
dne mahalagdb hl-hök koke,
122) Barük mahalagdb anib
tehiya,
123) Barük Abrahim maha-
35 lagdb heydb kitta.
124) Batik Abrahim maha-
lagdb heydt kittay,
125) Batuk Abrahim maha-
lagdb tühi.
Sitzangsber d. phlL-hUt. Cl. CXIVIII. Bd.
Ich werde dir kein geld
geben.
Morgen wirst du mir geld
geben.
Morgen wird er mir geld
geben.
Morgen wird sie mir geld
geben.
Morgen gibt sie dem Abra-
ham geld.
Morgen wollen wir dem
Abraham geld geben.
Morgen wollen wir dir geld
geben.
Morgen geben wir dir kein
geld.
Morgen werdet ir uns geld
geben.
Morgen werdet ir (fem.) uns
kein geld geben.
Morgen werdet ir dem Abra-
ham geld geben.
Morgen werden sie dem Abra-
ham geld geben.
Morgen werden sie mir kein
geld geben.
Ich gab gestern dem Abra-
ham geld.
Du lügst, denn du gabst nicht.
Du warst gestern nicht hier,,
desshalb gab ich dir kein geld.
Du hast mir geld gegeben.
Du gabst dem Abraham kein
geld.
Du (fem.) gabst dem Abra-
ham kein geld.
Du (fem.) gabst dem Abra-
ham geld.
S. Abb. 4
60
m. Abhandlung: Beinisch.
126) Barih Abrahim maha-
lagdb y^hi.
127) Batüh Abrahim maha-
lagdb tShi.
6 128) Hinin Abrahim maha-
lagdb nihi,
129) Bardkna Abrahim ma-
halagdb t^hina,
130) Batdkna Abrahim ma-
10 halagdb tMhina,
131) Bardh Abrahim maha-
lagdb yihin,
132) Batdh Abrahim maha-
lagdb yihin.
16 1 33) Ane Abrahim m^halagdb
heydb kdke.
134) Barüh Abrahim maha-
lagdb heydb kike.
' 135) Batüh Abrahim maha-
20 lagdb heydt kitte,
136) Hinin Abrahim maha-
lagdb heydb kinke,
137) Bardkna Abrahim ma-
halagdb heydb kittSna.
26 138) Batdkna Abrahim ma-
halagdb heydt kittSna,
139) Bardh Abrahim m^ha-
lagdb heydb kiken.
140) Batdh Abrahim m^aha-
30 lagdb heydt kiken,
141) Ydmay 'dta hin-hön!
142) Tdme idmböta hay-
md'a!
143) Daühäb hin-hön!
36 144) Baruk Uhdbuaf
145) L^hdb kdke.
146) Ane duw dnde.
147) Ane düwe kdde.
Er gab dem Abraham geld.
Sie gab dem Abraham geld.
Wir gaben dem Abraham
geld.
Ir gabt dem Abraham geld.
Ir (fem.) gabt dem Abraham
geld.
Sie gaben dem Abraham geld.
Sie (fem.) gaben dem Abra-
ham geld.
Ich gab dem Abraham kein
geld.
Er gab dem Abraham kein
geld.
Sie gab dem Abraham kein
geld.
Wir gaben dem Abraham
kein geld.
Ir (masc.) gabt dem Abraham
kein geld.
Ir (fem.) gabt dem Abraham
kein geld.
Sie (masc.) gaben dem Abra-
ham kein geld.
Sie (fem.) gaben dem Abra-
ham kein geld.
Geben Sie uns wasser und
milch!
Bring' brod zum essen!
Gebt uns saure milch!
Bist du krank?
Ich bin nicht krank.
Ich werde schlafen.
Ich werde nicht schlafen.
Die BedMje-Sprftche in Noido«t-Afrik». I.
51
148) Ma^dxfy wo 'ör düwsi
(düsi)!
149) Wö-'ör duwistayf
150) Duwisdt koke, an ähiye
5 duwän.
151) On SiUmdn takdt hina,
daürit takdt hina, Hngirdt takdt
hä-hiüna! sanönyu, Tegidiniy ye-
adim bä-hadina! tebdinik, dne
10 ammodihök.
152) Ane bintöy yVani-höj
daürit 'ör hitoyaf
153) Barik tSa daürit 'ör
biihiwitSy tegite daürit 'ör kd-
15 hi-hök.
154) SiUmdn tenlwit <ö-'ör
ibiye erhisa-he^ bar&h enddüre
ki-kan-dyy baräh '(yr dabalöbuyt.
155) Te-mh&y 'ar^ dne Hbd-
20 bu-yty tö-daürit h(yy akten, tö-
Hngirdt höy aktiuy, tö-bitkit hi-
tänf ö'tdrha guadit hitänf
ö-mayug-g&adit tingidü hitänf
156) Barük mdri tingidü te-
^ nitoiky ddytCy ö-bttk tingidit te-
Tüwik, Hngirdte, ömagug-gOadtt
tingidit tenlwiky ddyte,
157) Tö-takdt tö-wäragdt iM-
hitön: >Abrahim Hb dördb sa-
so limi'hök* diyay ^hinin wulla
Komm und schläfere ein
(fem.) den knaben!
Hast du (fem.) den knaben
eingeschläfert?
Ich (fem.) schläferte in nicht
ein, ich schlief selbst.
Geben Sie diesem Soliman ein
weib, ein schönes weib gebt im,
kein hässliches! denn er ist un-
ser bruder. Wir werden das
vergelten, vergesst es nicht,
sonst werde ich böse auf Sie
(dich).
Wenn ich dorthin (nach Afri-
ka) komme, gibst du mir auch
ein schönes mädchen?
Wenn du mir jetzt kein schö-
nes mädchen gibst, so gebe ich
dir dafür auch keines.
Das mädchen, das du dem So-
liman gibst, zeig' nur mir! denn
er kennt etwas schönes noch
nicht, er ist noch wie ein kleiner
junge.
Von den drei mädchen, wie
ich sie sah, kenne ich das schö-
ne und das hässliche mädchen;
geben Sie das mittlere her oder
das mädchen, welches auf der
linken seite stand oder das zur
rechten?
Wenn du das mädchen, das
seitwärts stand, gibst, das ist
schön, das in der mitte ist häss-
lich, das mädchen, das rechts
stand, ist auch schön.
Zur frau, die uns das papier
gab, sprich: »Abraham griisst
dich hundert mal! da wir bald
4*
52
III. Abhandlung: Keinisoh.
giffnai/y gdl dör madi/j erha-hök
neyaddy«.,
158) Tü-ebikBt takdt tun ba-
tüh hart hä-ite; hi-aynik hinin
6 hayadinayy haruk sitöb-höh! tu-
mhay han bd-Bte!
159) N'dlla dabäybua ? ndlla
ndt-hök akdt kitte? ändük ndlla
ddbayaf yä'ardk n'dlla ddbayaf
10 tär*artdk n'dlla dabdyta f taka-
tük ndlla dabdyte ? bäbük ndlla
dabdyf detük n'dlla dahdytef
sanaydk ndlla ddbayaf täküa-
tdk ndlla dabdyta f ä-Sawäk
15 n'dlla ddbayaf wü-rewük ndlla
dabdyf
160) Alldy nehamid!
161) Wö-ayök ö-nidykua er-
hisa-hBb! wü-ayäk ü-tdlha. kiyaf
20 ü-ragadük ü-nidyküa f ü-ragadük
ü'tdlha f ö-mayüg güadök, ö-tdr-
ha güadök erhisa-heb!
162) Lehdyt yVadinay.
163) Lehdyt biri iyni.
164) Lehdyt biri kd-eya.
165) Amsi biri ife.
166) Amsi biri ki-hay.
167) Amsi tU'blri baldU.
25
30
168) Amsi tö-brite bäl ki-hay.
169) Ü'dhur ddwele.
170) Wü-dssir ddwele,
171) Ü-mdgreb ddwele.
fortgehen, so sagen wir ir,
komm' doch noch einmal, damit
ich dich sehe!«
Jene frau in der mitte, die
soll ebenfalls kommen; wenn sie
nicht kommen, so gehen wir ja
fort, füre sie also uns za! auch
die dritte soll kommen!
Bist du gesund? es hat doch
kein Unfall dich betroffen? ist
auch deine familie gesund? be-
finden sich deine söne wol und
auch deine töchter? geht es
auch deiner frau gut? und be-
findet sich wol dein vater und
ebenso deine mutter? befinden
sich deine brüder wol und auch
deine Schwestern? geht es dei-
nen freunden gut? ist auch
dein vih gesund?
Ja, gottlob!
Zeige mir deine rechte band!
wo ist deine linke band? und
wo ist dein rechtes bein? und
dein linkes bein? und zeige mir
deine rechte seite und auch
deine linke!.
Morgen wollen wir kommen.
Morgen kommt regen.
Morgen kommt kein regen.
Heute regnet es wol.
Heute regnet es nicht.
Der himmel ist heute um-
wölkt.
Heute ist keine wölke am
himmel.
Der mittag ist nahe.
Der asser ist nahe.
Der magrib ist nahe.
Die Bedaaye-Sprache in Nordoii- Afrika. I.
53
172) Wü-'iSa ddwele,
173) Ü-zibha ddwele.
174) An{ tü'tdkdt Mate,
175) Ani te-Uhandy güdäte,
5 176) Ane Uhähe, neg. Uhdh
koke.
177) Barak Uhäbuay neg. fe-
hdb kitta,
178) Batük Uhatui, neg. fe-
10 hat kittay.
179) Barüh Uhabe, neg. feÄöJ
180) SafiiA Uhate, neg. teAa^
15 181) Hinin Uhdba^ neg. teAdi
kinke,
182) £ard{:na teAa&äna^ neg.
Id&db Mtüna.
183) Batdkna Uhdtäna, neg.
184) Barak Uhdbänj neg. fe-
185) Batäh Uhatän, neg. Z^-
Aot kikSn.
26 186) i4n€ iW Uhabe, neg. Zä-
187) Barük iri Uhäbuay neg.
Wiäb kiUa.
188) Batük iri Ühdtuiy neg.
30 feAa^ kittay,
189) ^n€ müslimibe, barük
na^aribua,
190) Hinin musiliminy ba-
rdkna nasartbäna,
35 191) -4ne M?wn tdke.
192) Barak loun tdkua.
193) Hinin toäwun da.
Die ischa ist nahe.
Der morgen ist nahe.
Meine frau ist krank.
Meine krankheit ist schwer.
Ich bin krank ; neg. bin nicht
krank.
Du bist krank; neg. bist nicht
krank.
Du (fem.) bist krank; neg.
bist nicht krank.
Er ist krank; neg. ist nicht
krank.
Sie ist krank; neg. ist nicht
krank.
Wir sind krank; neg. sind
nicht krank.
Ir seid krank; neg. seid nicht
krank.
Ir (fem.) seid krank; neg.
seid nicht krank.
Sie sind krank; neg. sind
nicht krank.
Sie (fem.) sind krank; neg.
sind nicht krank.
Ich war gestern krank; neg.
war nicht krank.
Du warst gestern krank; neg.
warst nicht krank.
Du (fem.) warst gestern
krank; neg. warst nicht krank.
Ich bin ein muslim^ du bist
ein Christ.
Wir sind muslim, ir seid
Christen.
Ich bin ein grosser (mäch-
tiger) mann.
Du bist ein grosser (mäch-
tiger) mann.
Wir sind grosso männer.
54
m. Abhandlung: Beinisch.
194) Äne wun tdkate.
195) Batük wun takdtwi,
196) Hinin wdwun madta,
197) Ane vmn tdke aküä,^
5 güda mahdlaga dbare.
198) Barük wun tdkua a-
küäy^ güda mahdlaga tebdreya.
199) Barüh wun tdke aküä,^
gada mahdlaga ibare,
10 200) Hinin wdumn ddya a-
küä,^ gada mahdlaga nihare.
201) Bardkna wdwun ddyä-
na akuä,^ güda m>ahdlaga te-
barina.
16 202) Bardh wdumn ddya a-
küä,^ güda mahdlaga ebarina,
203) Ane wun tdkate aküä,^
wü'hdd'a ed'ir-heb,
204) Batük wun takdtwi a-
20 kiiäy^ wü'hdcCa ed'ir-hök.
205) Batüh umn tdkate a-
küäy^ wä-hdd'a ed'ir-hös,
206) Hinin wdwun madta a-
küäy^ yä-hdda ed'itin-hön,
26 207) Batdkna wdwun mad-
täna aküäy'^ yä-hdda ed'irin-
hökna,
208) Batdh todwun ma'dta
aküäj^ yä-hdd'a ed^irin-hösna.
30 209) Ani tü-takdt daürite td-
kate.
Ich bin eine mächtige frau.
Du bist eine mächtige frau.
Wir sind mächtige frauen.
Weil ich ein grosser mann
bin, habe ich vil geld.
Weil du ein grosser mann
bist, hast du vil geld.
Weil er ein grosser mann
ist, hat er vil geld.
Weil wir grosse männer sind,
haben wir vil geld.
Weil ir grosse männer seid,
habt ir vil geld.
Weil sie grosse männer sind,
haben sie vil geld.
Weil ich eine vorneme frau
bin, so heiratete mich der
scheich.
Weil du eine vorneme frau
bist, so heiratete dich der
scheich.
Weil sie eine vorneme frau ist,
so heiratete sie der scheich.
Weil wir vorneme frauen
sind, so heirateten uns die
Scheiche.
Weil ir vorneme frauen seid,
so heirateten euch die scheiche.
Weil sie vorneme firauen sind,
so heirateten sie die scheiche.
Meine frau ist eine schöne
frau.
^ Oder: tcun tdku-ü.
• Oder: wdwun ddya-it.
^ Oder: takötu-ü.
^ Oder: ma'ätäna-k.
* Oder: wun tdkua^.
* Oder: wdwun ddyäna-ü.
* Oder: ma'äta-tL
Di« B^daaye-Spraclie in NordMt-AfHks. I. 55
ni.
Erzälungen Im idiom der Had^ndäwa.
1.
Omar.
1) ÜrndTj Nafir 'ör, (hGaU 'Umar Ndfir halt GaS akdn
ydkya ö-Sök Bya, bälökö ggütd Sawäkin adik ya-
metd yan.
2) E-gaüöh iumya, tdku es4n- IH 'drSd orobd yan, kä nü-
ne, ytiS, ytagdr, gigya. mä-li heyaüti dlnd sügd yan,
yubild gähd yan,
5 3) Fa4ig hdüla isne, yxagdr GdSal afard egidä dafdy yan,
iya, e-gaüöh äümya , tdku e- malammi gähd, iäi ^drsd orobd,
sSnne, heyaüti Ul sügd yan numd-li,
4) Te-takatöh efidig, ö-tdk läi nümi yiftihd yan, ay hey-
mehallagäb ihi, haldk ihi, ge4' ciütö mal yohöy, sardnä yohöy,
10 ^at ihi, t-hdmo ladsya, kdbel yohöy, külze kä amö yus-
kutd yan.
1) Omar, Nafir^s son, brach auf vom Gasch und kam
nach Suakin.
2) Als er in sein haus eintrat, befindet sich da ein mann;
da zog er wider fort und kerte zurück.
3) Vier jare bUb er aus und kerte dann wider zurück;
er betrat sein haus und wider befindet sich hier ein mann.
4) Da gab er seiner frau die Scheidung, dem manne aber
gab er geld, gab im ein kleid, gab im Sandalen und salbte
sein haar.
2.
Zwei beiden.
1) Omdr, ^Ali, malhoyäh mal 'Umdr ka 'Ali lammd fards
hatdy ibirin, Mdkkay yakydn, ll yinin yan, Makkd-kö ogutani
6-Mha ebina, Möhä akdn dikil yaddyn yan,
2) FirisYahudeslninö-Mhdy, Firisd ka Yahüdd märdn yan
U ä-difa, wü'issüre haküdre en- Möhä dikil, tan böb alifima
gddna. sügdn yan.
56
m. Abbandlang: Reiniseb.
3) Ü-ngäl wö-hatäy-wä ^Omdr-
wä yakisya wö-ay-isöhy ö-kalibi
kalawdy egid,
4) Omdr ö-mba^öh €ferd\ ö-
6 Firis edir ö-mba^i, u-böy wo-
hatdyi ginha yiabik.
5) Ali wö'hatdy ö-kaUb ferya,
ü'dhdy kassüh enhdd dki ^sni
(iaini).
Wilitl ui gabdrkö ay fards
ka 'Umdr ohoffusd, daggi adddd
tan 'aydä yan.
'Umdr i§i sSf sübd yan^ ay
Firis yigdifd yan, kä bilö fa-
rasi nahdr alülusd ydn.
*All iSi fards-li ay daggU
küdüm iäd yan^ umbakd heyaü
bäkitdn yan.
1) Omar und Ali hatten alle beide je ein pferd und
ritten von Makka nach Mocha.
2) Zu Mocha befanden sich Perser und Juden, die tore
irer häuser waren verschlossen.
3) Da hob nun der eine das pferd und den Omar auf
mit seiner hand und warf sie in den hofraum hinein.
4) Da zog Omar sein schwert und tötete damit den
Perser, das blut spritzte dem pferde auf die brüst.
5) Ali sprang mit seinem pferde in den hof, alle leute
darin kamen um.
3.
Martad pasoha.
10 1) Martad ibdbya^ Mdasir
ibSj malö tirg' isd^ Soddn ibe,
Soddnib iaa um-örüh elhiya.
2) Had'dt dShd eta: i^dne
mhilane^ tine,
16 3) Te-hdd'a wö-'ör m§hüta,
wü-'ör eyd\
4) Wü-'öruh ü-rdü elhiya,
had'dt wU wWyän, eta, >mhi-
lane€ tiney mhilta, wü-ör eyd\
Bna,
20 5) Ebtikena, mildk hö ed'ina,
wö-'ör ö-räü ebtikSnay miläk
Martad yeiseferd Mdssiril
yametd yan, Mdssiril lammd
dlzä dafdy-ged Soddn bälöl gaid
yan, Soddn bälöl dnik kä bali
lähötd yan,
Bard ktn nümd el tametd
ydn: T^anü aydewd* talehd yan,
Ay bard kln nümd ay bdlä
tadewd, bali räbd yan,
Wili kä bali layl lähötd yan,
aki bärd dä*imani, tametd >tä
bdlä aydewd* ta, tadewd, ay
bali räbd yan,
Garbd ak an^iSani mulehö
Bd hdyn yan, layl malammi bä-
Die B«dAnye-Spracbe in Nordost-Afrika. I.
57
hö etTin^ y^-dr malhöyBh san-
dükib edin.
6) E-bdba hamaSiyay Sodäni
yakyaytj Massiv ebBy Massirib
& haUya,
lä garbä ak an(JtiSaniy mulehö
Sd hdyn yan^ sandüqud lammd
tdna hdyn yan.
Abbä intit tcay yan, Soddnkö
Qgutdy Mdssir yaddy yan, Mas-
siril ya'ebidd yan.
1) Martad verreiste und ging nach Kairo und nachdem
er dort zwei monate gebUben war, ging er nach dem Sudan
wo im dann sein son krank ward.
2) Da kam eine alte frau zu im und sprach: »ich werde
den son behandeln.«
3) Sie behandelte also denselben, der son aber starb.
4) Da erkrankte auch sein zweiter son, man rief eine
alte frau, sie kam und sagte: »ich werde in behandeln;« sie
behandelte in, aber der son starb.
5) Man obducirte die beiden knaben, balsamirte sie ein
und legte beide in einen sarg.
6) Der vater erblindete (vor weinen), er zog vom Sudan
nach Kairo; in Kairo wurde er verrtlckt.
4.
Die toohter des sultans.
1) Sultan {fßy 'öt ibire; tö
'ötuh ibabiay mdrkab tihdy,
ib^ta.
2) Tak dkhan sultäni tö-'ört,
10 ün ütak mdrkab denCarä-b Sdnya
hä*-iyay ibäbdyt^ BhB. malydb e-
htlled maddfe gedya ferhdtBb,
3) SultdnU'ör kesydb tibire.
ün keiyayüh däbd-y sake o-gaü
16 eruwya, ö-tdk edir.
Sulfdn yind yan^ bald li yind
yan; ay ta bäja teiseferd yan,
babürud gaxtd taseferd yan.
Will heyaüti sulfdn bald ta
yikhend yan, ay heyaüü ay
mdrkab dahdb-kö yamegdy ta
ay bay heyaüti sulfdn bald ta
dbbal yadebbd yan, amd-ged
dik maddfe yotokd yan,
Ay sul(dn bald garud li tind
yan, ay ta garud yoqomd 'dred
yawe*d yan, ay heyaütö yigdifd
yan.
1) Es war einst ein sultan, der hatte eine tochter; diese
seine tochter verreiste, sie bestig ein schiff und reiste fort.
58
m. Abbandlnng: Bein i ach.
2) Ein mann nun liebte diese tochter des sultan, er füllte
nun das schiff mit gold an und brachte es ir zu (und heiratete
sie hiedurch) und brachte nun dieselbe von der reise zurück.
Vor freude darüber löste die Stadt kanonen.
3) Die tochter des sultan hatte einen sklaven; dieser ir
Sklave betrat nun zuerst das haus und tötete jenen mann.
Die dummen ehelente.^
1) Gulüllt wä gulüli esnin
m, malhoyah umdad'd'ma, an
malhoydh^ tdk wä takät ekina,
ina.
5 2) Tun te-tdkdt te-gulüli tak-
yöh-d§hny :^ *babyö e-gawis dir-
batit hdyma-h^b.U tedi.
3) f>Kira!<i edit, gigya, t-en-
deti'dhäy iya.
10 4) T^Dirbatitx idiy T^tö-ötukna
dirbatit tehdru tehi<c edit söya,
5) Duwdn tetiby tehi, barüh
ibe. malyäb ün ü-tdk sdlli terdb
ekitmik büt balamdt tistni (te-
16 sni).
6) T^Bäbyö en^äwdy tü-bür
baldmta^ enit, Wdsya,
7) Takatyöh^ d^hdy dirbatit
anü abty^söh Sümya,
20 8) Te-takatüh^ te-gul&li: »te-
dirbati kitaf^ tidi-hös,
9) >Bäbyö emjläwdy tä-b&r
bdlama tesni-Mb, Wasdn< edit
ün gululi.
Düdd ka düdä yinin yan^ ay
lammd slneslni mar'eHtdn yan,
ay lammd nümd ka bd'elä ya-
nin yan,
Ay düdd kln nümd iH dudä
kln bd'elak: *y' dbbä 'drS-kö
muttik yö bdJ^.U ak talehd yan.
^Ma'd.U ya, yaddy yan^ ta
indl yametd yan,
*Mutäk ay-tand slni bald* ak
yalehd yan ay ta Inak,
Gäybe tamegd dkä tohöy yan,
Ü88uk yaddy yan, ardhak abjd
gilfd-ged abbaröytd bälö dkä
süktd yan,
»F* dbbä bald abbaröyta* ya-
lehd, yuskutd yan.
Ay iH nümdl mutük hinim
iSi föydk orobd yan.
Ay düdd klnrkä nümd: * mu-
tük aüläf^ ak talehd yan.
»y dbbä bald abbaröyta-yd
yö süktd, amd-gBd uskutd* ak
yd yan.
^ Vgl. Sahosprache I, 242.
^ rnälho zweiheit, mcUhoyäh ire zweiheit, bei den Beni-Amer: malh-äs.
' Beni-Amer: taky6a (= tak-i-ös) dehdy zu ireni gatteu.
* Beni-Amer: takat-y-S».
'^ Beni-Amer: iü-tcikat-üa seine gattin.
Die Bedanye-Sprache in Nordoat-Afrik». I.
59
10) *Bak tuwBrik detu^ kit-
ii-ön, tö-but ni'iS^ te-takdt tedit
11) BiHb ih^nit, eßyaknit dS-
häyö9na akS hay gigyän.
5 12) E-sdlli saki höd yam atäh
esni-hösna. e-ydm ekitmenik ü-
täk: »ö-i/hayönenomhinnetdukU
en.
13) »Kßra.U tedi, >e-bVyön
10 tü'Hn gaHktdy e-yam-ib nifif.U
iidi,
14) 0-Vib e-yamib eßfna, e-
Viyöh fandiye-dhdy te-takdt kü-
iin tehdyty etdyty e-yamib Sümta.
15 malyäb wü-höd ^kta\ tö^n te-ta-
kdt ukta}
15) ü-tdk: *te-takatu höysö
amtdy tedl^ entty höy Sümya.
malydb ün höd baröh "ükta ön
20 ö-tdJc.
16) Gulülit tcA gulüli bak
ikin, en.
>Ahe abtdk sardl y ind nö
mä-hdbta-ky bälö hdbnö< ak ta-
lehd yan.
Harid blSitani , yutuqu*ani
aini sakdy yadäyn yan,
Ay ardh adik egil Idy-kö yam-
megd-yä dkä sügd yan, amärki
gufdn-gsd: »mäw tärki abnöU
ak yalehd yan bd'elä,
T^Ma*d!< talehd yan^ *yind
mäw ayrö aläasd-dö, harid lay
adddd hdn^öl* ta,
Ay harid lay adddd häldn
yan, amd-gSd ay nümd dibdnä
bäxtd lay adddd oroba yan ay
harid takd^tö, ay lay ta yun-
du'd yan.
Ay labahayti: -»yi nümd yök
baktd^ ya egilik adddd tolübb
yalehd yan, amd-gBd ay egil kä
yundu'd yan,
Düdd ka dudä tamdy gayn
yan.
1) Es war einst eine cretine und ein cretin, beide heirateten
sich und wurden mann und weib.
2) Da sprach einst die cretine zu irem gatten: »bring mir
butter von meines vaters haus!«
3) »Gut!< sagte er, er ging hin und kam zur mutter.
4) Dieser nun sagte er also: »eure tochter wünscht
butter.«
5) Sie füllte also ein gefUss voU an, gab es im und er
ging damit fort. Auf dem wege kam er aber zu trockener erde.
6) Da sprach er: »die erde meines Vaterlandes ist ja ver-
trocknet« und er salbte sie.
7) Er kam nun zu seinem weibe one butter.
8) Da sprach diese zu im: »wo ist denn die butter?«
* FUr endetii. * Für ekiUd\ von küata'-, b, %, 46, e und §. 102.
60
m. Abhaadlung: Beinitch.
9) Er erwiderte: »die erde meines Vaterlandes war ver-
trocknet; xind da salbte ich sie.«
10) Da sprach sie: »wenn du es so gemacht hast, so wird
uns die mutter nicht dulden, wir verlassen also das landl«
11) Sie namen nun mel zu sich, um davon zu leben und
zogen von dannen.
12) Wie sie so iren weg gingen, da kamen sie zu einem
teich voll Wasser und es sprach dann der gatte: »dahier wollen
wir unser essen zubereiten!«
13) »Gut!« sagte sie, »da ja die sonne unser essen kocht,
so schütten wir das mel ins wasser.«
14) Sie schütteten also das mel ins wasser und die frau
nam einen rürstock um das mel umzurüren und stig hinein
ins wasser. Da aber verschlang sie der teich.
15) Da sprach der mann: »mein weib isst nun darin
abseits von mir alles essen weg« und er stig nun auch hinein.
Da verschlang auch diesen der teich.
16) So nun erging es jener cretine und dem cretin.
6.
Saraf's ton.
1) Sardf 'ör tö-kämtöh ytäm^
hay gigyaj ibdbya,
2) Takdt k^handbuy yiharid
iya, 'ät eridy Madlndh istöb
6 d^hdy.
3) Tö'kämtöh yVdmt, hay
ibdbya, Kaaaaldb egidha,
4) Ö-föna hädtrya, fdgara:
* Sardf ^ör tiitena kiihay^j ina,
10 5) Barbar seräkudbu, wü-'ds-
ker ka^sdh irukuäna,
6) Hatdy änküandb edir, ö-
riü hö xMy ra^dsi iyd^itj rasds
ihdytf edir,
16 7) Hardmi 'öru tak haröh
ihakib iDö-Hdrtum hay ibs.
Sarrdf bafi iH rakäbuk göhAj
gala yan,
Nümd yikhend yauj yurhodd-
gedy ald yHigilä ay hän Madinä
dkä bähd yan,
I§i rakübuk gähäj Kdasalal
yametä yan.
Dibd'd yangeldy labahd-kö Sa-
räf bau käyäegidamma-U yan.
Barbara akdn bälö inkö ak
mäiittd yariy däker inkö ak mä-
Httd yan,
Fards bd*lä yigdifd, mal ak
bUitd yany arartö kä yigdifd
yan.
Harämi bali Ui gäläytö-li yu-
noroboti Kdrtumil yaddy yan.
Die BedAoye-Sprache in Nordost- Afrika. I. 61
8) 0-Sök «r yiahOc, S-kt§ya Saüäkin heyaü-kü arah-ad
hö ihij Madlnäb istöhj ö-reü tan garüdd tdna yibildy ak In-
kassöh istöb. Htd yan, ay inkö bay mal Ma-
dinä dkä yohöy yan,
9) Süri amndb is^ney häri Awwdl zabdna Sarrdf baji
5 Sardf *ör tö-takdt ekhan, ö^iü galdntä yakd orobd yan, ayk
dMh&y elkiky ö-dhdy o-riü kasaöh sardl Madinä ta yikhend yan,
ihe, anhabydy Madinab istöb umbakä bälö-kö baySdm al-Uä
'aiäb. wdqtil Madinä dkä bähd yan.
1) Sarafs son bestig seine kamelstute, zog fort und ver-
reiste.
2) Er war Hebhaber einer frau, dieser brachte er was er
geschlachtet hatte, auch die milch die er molk.
3) Er bestig also sein kamel, reiste ab und kam nach
Kassala.
4) Hier kam er in ein gefecht, aber kein krieger war
im gewachsen.
5) Auch die Stadt Berber versetzte er in angst und alle
Soldaten fürchteten in.
6) Er tötete einen reiter mittelst eines Schusses und nam
im seine habe.
7) Mit einem mann der hinter im auf dem kamcle sass,
zog er nach Chartum.
8) Leute von Suakin fiel er an, nam inen die sklaven
and brachte diese und alle habe der Madina.
9) Ehemals war er ein bettler, als er aber Madina lieb
gewann, da brachte er nachts dieser alle habe zu, welche die
leute verloren oder die er erbeutet hatte.
7.
Mohammod*
1) Hdmmed Bombay ebs, aröb Mohammed Bombdy gdla, Sd
10 ihdy ibB, Sdnya, hay yVagdr yaddym jalabd kini, yam^gd iSi
iya, jalabd gähd yan,
2) B^kir Sugutrdb iya, häS Sugutrtyä akdn bddal yametd
ye'amadnÜ eMrsyän , ö-bhiri yan, gabdd bdrre-kö endd bähani
iDö-hüsay efiranit tin ehirsyän. ka yaybuluwin yan.
62
in. Abbsodlnng: Reiniseb.
3) HamaSdy: »ü-tin fln, ü-bhir
ün behir Sugutrdy^ ine,
4) Jeddäb iya^ wö-^aröh ne-
jdlya^ ibäbya,
5 5) 0-Sök imhdküel mersdy
ddsyay wö-'öröh ö-bhir egid, yi'-
« gigya,
6) Haüldb wü-^örüh ihäne-
dhäy, äro yakisya, Jeddäb eya,
10 aröb uwivj ibäbya.
7) 0-bdbay d^hdy iya, ü-bdba
yakydyt: *wü-'ar ün ö6?« ene.
8) :>Wö'örök€ en. Mdb ged-
yayj ismare ü-bdba.
Mohammed gänni: >il nand
bäd ka endd Sugutrd kini^ y€h
lehd yan,
Jeddd akdn bäiö güfdy iH ja-
labd adddd ak yand nuwd yi-
nizild, yeiseferd yan,
Saüdkin irö en^jld bädal ya-
metd yan, iH bdlä bddad *aydd,
iSe ak yaddy yan,
Egida m^ra-yindnkö tdli jor
labd kä gaytd y kä tuyqu'd,
Jeddal kä bäxtd yan, törke ja-
labd sirähdk sardl yaddy yan,
If dbbal yametd yan, dbbä
ogutd yan: *tay jalabd aji ja-
labdf* yalehd yan,
*Kn bdlä kln^ ak yalehdn
yan. lühd bddad 'aydd yan ay
ball, dbbä bddkö yasketd yan.
1) Mohammed reiste nach Bombay, er nam ein schiff und
reiste dahin; dort belud er wider das schiff und kerte zurück.
2) Er kam ins meer von Sokotra. Da zogen sie sand und
sclilamm aus dem meer und zeigten das im.
3) Der halbbUnde Mohammed sagte: »Dieser schlämm,
dieses meer das gehört zum meer von Sokotra.«
4) Er kam dann nach Dschedda, entlud das schiff und
reiste ab.
5) Im äusseren hafen von Suakin legte er dann wider an,
da warf er seinen son ins meer und für dann ab.
6) Nachdem sein son ein jar gebliben war, nam in ein
schiff auf, er kam nach Dschedda, erwarb sich da ein schiff
und für ab.
7) Er kam dann zu seinem vater; dieser erhob sich und
fragte: »wem gehört dieses schiff?«
8) »Dein son ist ja da« erwiderte man; da warf der son
die Stangen ins meer, der vater aber liess sie auflesen.
Die B«d»ii7e-Sprache in Nordost-Afrika. I.
68
8.
Der löwentötar.
1) E'Vd§e tö-rCäy edir, wu
änküdna dähd Bya, e-b'dSe edir^
ina.
2) Wu hdiia iya^ S-S'd gäl
5 ediry mihdy-t yina e-Sd* vm-än-
küäna ihdrOy wö-hd^^a imire,
derdt iribj mderdyna wö-ha4y
irraü edir ö-tdk.
3) Andüh iharün, dya ime-
10 rün. u)ö-hd44ay ehena^ iherun
ay-t yinay imerün, mderardyna
vDö-hd44<^j fo4^ tamün däb eddr,
gäl tdk iya; ün ü-tdk ngaldlay
wö-ha4'4^ edir.
Wakari läh yigdifd yan^ ta
wanni el yametd yan, wakari
ta yigdifd yan,
Lubäk inki sagd yigdifd yan^
adohd lala' ay sagd ta wanni
gäroniSd yan^ hibdk dkä gardy
yan, kä yagddfö tänd yan, ag-
ddfö yd-ged aki lubdk yigdifd
yan ay heyaütö,
Kä dik kä gäröni§dn yan, kä
bddenä tdnak sügd yan. ay Ivr
bdk kä ibad yaddyn yan kaünä
lald\ amdyk aardl tdna gardy
yan. Nagdaföna ydn-gld moro-
töm yingidifin yan, inki gähd
yan; ay inki heyaüti lubdk kä
yigdifd yan.
1) Der Schakal tötete eine zige, der eigentümer kam dazu
imd tötete den schakal.
2) Der löwe kam und tötete eine kuh, der eigentümer
suchte sie drei tage^ da traf er den löwen^ konnte in aber
nicht töten; denn als er daran war, denselben zu töten, da
tötete in selbst ein anderer löwe.
3) Seine leute suchten in, fanden in aber tot. Sie folgten
nun der fussspur des löwen fünf tage hindurch und fanden
dann den löwen. Wie sie aber daran waren den löwen zu er-
legen, wurden vierzig mann getötet, ein einziger entkam; dieser
nun tötete den löwen.
9.
Irrfieurten eines mannes.
^* 1) El-mirkab wü-angelisi cfe-
hdy ihdy, hay ibdbya; ü-dhdy
üy-H wa dsorrdma tamün ddba.
Will ingilud mdrkebil heyaü
kördn, yaseferdn yan; heyaü-kö
kaünä böl ka malehen tömän
kl yinin yan.
64
III. Abh&ndlang: Beinisob.
2) B^hir dulumdt hay ebin,
bäher dulumdt i ydkyän ban-el-
keldb hay eben, durndra hardila.
3) Sedb emmirkab Sändbe
6 ban-el-keldbi yVdgar^n Byäiiy ta-
gug haüldb ihe7iBdhäy b^ihir du-
lumdt iyän.
4) E-fa gedyän, d-fa enhad-
nidhay ö-dhdy tdk-kä sadtib
10 igidna, igednUy igidna-höb tiyöt
tiha.
5) Bak ü'dhdy enhddna^ asXm-
hdy tamün bdka^ ü-dhdy ü-
rdü enhddna.
15 6) Malydb asimhdy tamün
g^dyaiiy gäl tak engady ü-dhdy
ü-rdü enhddna,
7) 0-tdk wü-engad ö-ddgel
rewya, ö-termdni-ki i8d\ bähBr
20 Sugutrdte efir ene, ö-rebdb
amordm ine,
8) 0-tdk ün iyay täküiyay
ö-mirkab yi'U gigya,
9) Tägü ay hdüla sdkya, tä-
26 gü asaramdy Mdssir Bya, Mas-
sireb i8d\ Mdssir eydn-höb b§n-
töy is^ni,
10) Massireb haüel ihanidhäy
Suwis Bya.
30 11) Suwesi aröb yVdrn, wo-
aröy ^öräh ife^ wö-öröh ktkan;
en^äwayöh yakyanidhäy takdt
d'erdbe, Jiddäb iya.
12) O'Sök eya; ö-gaüöh §üm-
^ ydn-höb vm-örüh han Sümya,
malydb tö-takatöh , wö-'ördh
imire.
Magäribd bddal yadayn yan^
t&i'ke-kö ogutani kard bälöl ya-
dayn yan dahdb gäröniSöna.
Mdrkebil lä ardnik sardl ka-
rd bälökö gähdn yan, lammd
tdnnä egidä märdnik sardl mxi-
gäribd bddal yametin yan.
Lä bddal öbUdn yan, lä ba-
kitdk sardl heyaü öbiSdn yan^
ummdn sä* inki heyaütö öbisdn
yan. nabd 'azdytö kä bstd yan.
Ahe heyaü bakitdn yan bahdr
tömän hinim, aki heyaü inkö
bakitdn yan,
Ayk sardl bahdr tömän öbi-
Sdn yan, inki heyaüti rä'd
yan,
Ay rad heyaüti dakdl gähdy
tönndn bukdl dafdy yan, Sugu-
trd akdn bdd-kö baläk aldhöy
kömal addwo yalehd yan,
El yametdk sardl hälitd yan,
mdrkeb häbdy iSe ak yaddy yan,
Lammd tdnnä ka kaün egidä
yaseferd yan, lammd tdnnä ka
malehdn ya egida Mdser yametd,
dafdy ydn,
Törkel egidä märdk sardl Sü-
wes akdn dikil yametd yan,
Törkil jalabä gähd yan, ay
jalabd adddl kä bali sügd yan,
ay i§i bdlä söld yan; iH dik-kö
Qgutd-gBd mar*e§itd yan, ayk
sardl Jiddä akdn dikil yaddy
yan,
Saüdkin akdn dikil yametd
yan; iH *drld sdy-gBd kä ba^i
say yan, amd-gSd kä nümdy kä
bali dkä sügdn yan.
IHe B^dsaye-Sprecbe iD Nordc«t- Afrika. I. 60
13) Kassdh ferhäba; ü-tak Umbakähadendn yan; ayhey-
ün tö iaglydytib dumärdb ibire^ auti t«ff qößydtil dahdb bähd yan^
gdbyay hidäb ennifiy en. rohös yakd yan^ inkö niärdn yan.
1) Leute bestigen ein englisches schiflf und reisten ab,
fiinfhundert und sibenzig mann befanden sich auf dem schiffe.
2) Sie füren ins aWndländische meer und von da be-
gaben sie sich nach dem land der hunde, um dort gold zu
suchen.
3) Sie namen kühe an bord und iuren ins hundeland
und nachdem sie da zwanzig jare gebHben waren, kamen sie
wider ins abendländische meer.
4) [In gefar vor einem grossen tisch] warfen sie vih
ins meer und als dieses ausging, so warfen sie leute hinein,
jede stunde warfen sie einen mann hinein und diesen frass
der fisch.
5) So kamen die leute ums leben bis auf achtzig mann,
alle übrigen waren umgekommen.
6) Damach warf manf auch die achtzig mann hinein,
nur ein einziger blib noch zurück.
7) Dieser eine mann stig auf den mastbaum, setzte sich
auf die querstange und sprach: »bei Sokotra steige ich aus
und gehe dort auf den berg.«
8) Elr kam nun dort an, sprang ab, verUess das schiflF
and ging.
9) Fünf und zwanzig jare war er schon auf der reise,
im siben und zwanzigsten kam er nach Kairo und blib daselbst.
10) Als er sich in Kairo ein jar lang aufgehalten hatte,
kam er nach Suez.
11) In Suez bestig er ein schiflF und auf diesem befand
sich sein son, er aber kannte denselben nicht. Als er nemlich
seine reise antrat, da hatte er eben geheiratet und ging dann
nach Dschedda.
12) Er kam also endlich wider nach Suakin und wie er
sein haus betrat, da traf er da sein weib und seinen son.
13) Alle freuten sich nun; der mann hatte in seiner
kappe etwas gold, er war also reich und so bliben sie denn bei-
sammen.
Sitmigsb«r. d. pkiL-hist. CL CXXVm. Bd. S. Abb. 5
66
m. AbhaodlnDg: Beinisch.
10.
Drei reisende.^
1) Wö-'däo mhdy da d^hä
ehdyn e-garbi ydkyän e-sartk
iyariy m^hdy tamün aSodyt asö-
dyti d^hay-ka rti^hdy da ä/fe«,
5 e-garbi e-sarik iyän.
2) MaWik emdlhäva mdrkah
a§dy dör ma^ä§: y^näntay eh-
tän?^ ina.
3) -»Wö'harön i'ätäna!'< ina.
10 4) »Ndntay ydktäna?«^ 6na.
5) ^E-garbi ydkina, e-^arik
nibe ; ö-bhir ün yaksBt iniby
b^her dulumät neMöbe, e-dkäy,
e-dkäy n4rküe<c Bna.
15 6) E-merkab easi§ t'njydy:
T^insibua Äan, jinnibuahi ine.
7) Bai'üh yakydy: -»ingiba^
(nCy ^wü'hdber wö-hdri näy geb
BfS€ ine.
•20 8) E-betMb d^hdy iya: »7idn-
tay i'taf* ine.
9) *Wü-hdber wö-harindy geb
e/^« ine.
10) Wü-hdri ydkya: »?rö-
26 hdber ahdr ehl* ine.
Azäyti bukdk adöhd heyaüti
ak gähdiiy gdrib-kö Sdriqfän ya^
ddyn yav, sazzdm azatiyak um-
mdn azdyfö adöh adöh ak gäha-
nt y gdrib-kö Mriq fän yadayn
yan.
Maläykd tan dfad adi mar-
kab al-i^ä wdqtil dkä garaytd
yan: »aillakö tanietinif^ ak ya-
lehdn yan,
»EsBra Haratiya!< ak ydehdn
yan.
»Atllakö ogüttanf<i ak yale-
hdn yan.
»Ogünnd megdHbakö muSdri-
qal adi nana; tä bäd ni tänd-
ged bdher dtihimM fän adi na-
nd, heydwa tä azd tasiydnkö
maHnna^ yalehdn yan.
Mdrkab dkä garayta-ged : * in-
st kitini, ginsi kitinif^ t-a esertä
ydn.
Ay azd'k bukd yandti ogütdtl:
-»ginnt mdkiyö, inst kiyö, wärB
saratiyä esBrdnta.U yalehd yan.
Fantitiyä esBrdn: T>aülakö ta-
nietaf^ yani yalehdn yan.
-»Wäre saratiyä esBrä.U ak
yalehdn yan.
Sarati: »iü4n abayHmd^ ak
yalehd yan.
' Trotz weitem ausfragens gelang es mir nicht, zum genauen verständnias
dieses Stückes zu gelangen; der erzäler hatte keine andere antwort als:
»so war die geschichte, nun genug.«
Die Bad&nye-Spnche in Nordost-AAriln. I. 67
1) Auf einen fisch setzten sich drei mann, brachen auf im
Westen und füren gegen osten. Von dreissig fischen setzten sich
stets auf einen fisch die drei mann und kamen von west nach ost.
2) Engel zogen vor diesen dahin und denen begegnete bei
einbrach der nacht ein schiff und fragte sie: »woher kommt ir?«
3) »Fragt nur die hinter uns!« erwiderten sie.
4) »Von wo seid ir aufgebrochen?« fragte man sie.
5) Diese antworteten: »wir brachen auf im westen und
ziehen nach osten; dieses meer da will uns nicht aufkommen
lassen, wir geleiten die männer vom westmeer her und wir
furchten die menschen.«
6) Das begegnende schiff fragte dann: »seid ir menschen
oder dämonen?«
7) Da erhob sich einer und sprach: »menschen sind wir,
weitere auskunft erhält man bei dem hintermann.«
8) Der mittere mann kam heran und man fragte den-
selben: »woher kommst du?«
9) Dieser erwiderte: »auskunft erhält man bei dem
hintermann.«
10) Der hintermann erhob sich und sprach: »auskunft
^bt ein rückwärtiger.«
11.
Der schakal und der rabe.
1) BedSe wä kuiküay (kuiu- Wdkari ka käköyti inkö mä-
kay) hiddb esnin, en. rak yinin yan.
2) E-bedSe te-märe wö-'aüi Wakari zlbo (}üy hukdl häplä
dehd efif: >hideddb tdmi niydd< yan: *inkö bennö^ ak ta\ehd
5 yhie. yan käköytak.
3) O'küiküay bi-gadrayBk ü- Ay käköyti bitö tänd-ged, ay
be'dSe te-m^dre ibiye tdmya. wakari tä zlbö iSS betta yan,
4) Malydb o-küiküay dife ha'- Amdyk sardl ay käköyti fdhsö
iyaj wö-hdii d^hd efify tdma! bälöd häld yan: *tä bet,U ak
10 yine. yalehd yan.
5) E-be^dse bl-gadrayek ö-küi- Wakari ay bettö täntd-ged ay
küay te-dife ebiye tdmya. käköyti ay fdJisö Ub betd yan.
1) Ein schakal und ein rabe hausten beisammen.
2) Der schakal goss suppe über einen stein aus und sprach
zum raben: »wir werden nun die zusammen essen.«
6*
68
III. Abhaadloog: Beinisch.
3) Da der rabe (mit seinem Schnabel suppe vom stein)
nicht essen konnte, so ass der schakal die suppe selbst.
4) Hierauf brachte der rabe nun belila herbei, schüttete
dieselbe auf den sand aus und sprach: »da iss!«
f)) Da der schakal dies nicht vermochte, so ass der rabe
selbst die belila.
12.
Die mause.
1 ) Ü-guhh mandälät ^ ihire,
takati dha hya.
2) Deläh eflrikj dn^äxoa wo-
hdrro oghdr^ ü-delAy edi\
5 3) Guhh wSr ife, däwah og-
hdVy harröb hö ih^y, wü-hdrro
ö-raüi d^hdy Bya , malhoyäh
Sarik iha,
4) Takdt tife^ tü-takdt tun
10 düta, amasinga tö-takati dha
^y^} firfy^y ^-damM betik ^ürnya,
tdmya, yVU gigya.
5) Tü-takdt ü-mha mähydn-
höb wö'^adöh teisbib, wö-adöh
15 tdmama rhhita.
6) Wö'haünd ö-raü ü-gübb
iya, tü-takdt ö-takyöh geb düta.
7) Ü-gübb ö-tdki mid fufyäyt
tdmyay ü-mha mheydn-höb yVis
20 gigya,
8) Wö-haüäd ö-raü oguddna,
tü-takdt ü-tak toä oga^ddna, o-
güäyna.
Andäwd tind yan, will jawis
lik tind yan, ay andAioä nümnl
tametd yan.
Ay andäwn dik gar'itdy Hau
bodöd haytd yan.
AM andäwd find yan, lel dik
garitd yan, ay Hau iH kahan-
töli kln andäwAl bäxtd yan,
lammt Sirqd bd'il kl yinin yan.
Will nümd tind yan, ay nü-
md 4^ntd yan. bdrak abld ay
nümdl tametd yan, fuf ta, lam-
md Idki fdnad zaytd, ta bus
füf ta, bettd, taddy yan.
Ay nümd bälö mä^td-ged iSi
bus tubild yan, iäi btus betimtdm
i§^k tubild yan.
Malammi bar ay andäwd ta-
metd yan, ay nümä iH bä*eli
agdgal (}ina süktd yan.
Ay andäwd bä^eli dag&mä fuf
ak ta bettd yan, dahine isi ak
taddy yan.
Malammi bär tan bettdm ya-
lagöna andagulta hinim (}%ndn
yan, ilälani waynik sardl 4^ndn
yan.
^ Wörtlich: eine waclie; der sinn ist nur: eine vomeme maus (der als
solcher ein kawass zur verfU^ng stand).
Die fiedasye-Sprache in Nordost-AfHka. I.
69
9) KBrnmÄb d^hdy ü-gnhb eya,
tö-takdt 'ad tdmyaj yiU glgya^
ö-raü ibsj wö-hdber ihe.
10) Tö'fddtga titay dihay
5 iyäHj ü-ngäl^ t-ö-tdkati ragdd
fufyäy tdmyay ü-raü ö-tdki mid
Uimya.
11) O-mha mheyan-höh, er-
kiyän-höb an gübba ddbyän
10 ihina.
fSubhi wdqtl ussün cllndnik
sardl ay andäwd tametd yaUj
ay nümd ta bettdy isB ak taddy,
isi dobäytöl faddy, abtum ak
wärtS§d yan.
Mäfäri bar ay lammä andä-
wd nümd ka bd*elal yametin
yaUj wilityd nümd lokal fuf ta,
numd lak bettd yaUj wilUyd
bä'eli dagümä bettd yan.
Bälö mäxtd-gedy üssün yubi-
linin sardl ay dndäw küddn
yan.
1) Die maus hatte einen kawass und kam zu einer frau.
2) Diese maus grub auch eine grübe, stal dann getreide
von leuten und legte es in diese grübe.
3) Da war femer eine andere maus, auch sie bestal die
Ortschaft und nam von da geti'eide, dieses wanderte zu irem
freunde, denn sie beide waren verbündete.
4) Es war also eine frau, diese nun schlief. Bei nacht
kam nun die maus zur frau, blies sie an, schlüpfte dann zwischen
deren beine, frass da, verliess sie dann und ging von dannen.
5) Als es morgen geworden war, besichtigte die frau ire
blosse und fand sie angefressen.
6) In der zweiten nacht kam die maus abermajls und da
schlief die frau neben irem gatten.
7) Die maus blies nun des mannes blosse an und frass;
am morgen verliess sie denselben und ging fort.
8) In der folgenden nacht wachten sie, die frau und der
gatte, wurden aber dann ermüdet.
9) Gegen morgen kam die maus, frass die blosse der frau
an, ging dann fort zu irem genossen und brachte im künde.
10) In der vierten nacht kamen sie abermals dahin, die
eine maus blies das bein der frau an und frass davon, die
andere aber frass an des gatten blosse.
11) Als es morgen geworden und die beiden leute das
geschehene erschaut hatten, waren die mause schon fort.
70
III. Abbandlnag: Reinisch.
13.
Sätze zum nnmerale.
1) Bäbe tdmna-mhay ar ihi-
re; wö-äunveli Yagub eddna, ö-
rdü Yusüf eidnaj d-mhäija h-
TiicCil eednay ö-fd^lga Sultan
6 eidna^ voö-dya 'Omar eddruiy
wö-asägära oükrib eedna, wö-
dsardma Adam eedna, wö-asim-
ha Hissin e'^dnuy wö-aS$d4ig(i
Hümmad eMna, ö-tdmna Ha-
10 müd eedna^ ö-tamnd-gura 'Alib
e4dnay ö-tdrana-mälya Eddin
e'ednaj ö-tdmna-mhdya Jöha e-
edna; an tdmna-mhdy kassäh
sandba^ bäbye 'dra.
Beni-Amer.
1) Bdbu tdmlna ' mihdy 'ar
ibire: ö-sürkena Yd'küb iyddna,
ö-mdlya Yüsif iyddna, ö-mhdya
hmd'il iyddna j ö-fd^iga Sultan
iyddna, wö-dya 'Omdr iyddna,
wö-asdgura Sükri iyddna, wo-
dsa-rdma Addra iyddna, tcö-a-
sümha Hissin iyddna, wö-aSid-
4^iga Hüvimad iyddna, ö-tdmlna
Hamud iyddna, ö-idmind-gura
'Alib iyddna, ö'tdmtna-mdlya
Eddin iyddna, ö-tdminormhdya
Jaühdb iyddna; an tdmina-whdy
kassds sandba, bdbyo 'dra.
15 2) Tü-jima a^aramdt ylndt
ebdre: tü-äwweli sdbte, tü-rdü
hddde, tü-mkäya litnints, tü-fd-
(jttga talatdte, tü-dya erbaute, tü-
asägüra hamiste, tü-dsa-rdma
20 ginidte,
3) Tö-yin-tön gdl dör i'an-
hök,
Tö-yln-tön malö döra Van-
hök,
25 Ti-yln-tön m^hdy döra ian-
hök,
Tö-yln-iön fadig döra ian-
hök.
Tö-yln-tön ay d-öra i*an-kök.
2) TU'jma asaramdi ylndt
ebdre: ü-mb€ wü-dwweli sab, ü-
mbi ü-mdlya had, ü-mhdya et-
nin, ü-fddtga taldta, wü-dya
erbd\ wü-asdgura hamis, toü-
asardma jim'dt.
3) Tö-Hnt^ gär ragdd yVan-
höka.
Tö-Hntlb malö rdgada yfan-
höka.
I}}'Hntib mMhdy rdgada yi'an-
köka.
lo-Hntlb fällig rdgada yVan-
höka.
lo'Hnttb ay rdgada yVan-
höka.
Die Bedaoye-Spnche in Nordost-AfHks. I.
71
13.
Sätse snm nnmerale.
Saho.
Y^ dbhä adähän ka Uimmnn
däylo lik yina; eldl halt kä mi-
gd' Yaqöb ydiehany mnlarami kä
migd' Yösif ydlehaUj mädahlti
kä migd* Ismail ydlehan^ mäfä-
ri bali kä migd* JSultdn yan^ ma-
kaicänlti kä migd' 'Omar yan^
lUi yd baji Sükri kä migd* yauj
malehdn ya-ti kä migd* Adam
yan, bahdr ya-ti Hissin kä mi-
gd* yariy sagdl ya-H kä migd*
Hümad yaiiy tammdii ya-ti kä
migd' H. yan, inikdn ka tammdn
ya ball kä migä *A, yan, lam-
mdn ka tamtndn ya-ti kä migd'
E. yan^ adähdn ka tammdn ya-
ti kä migd* J. yan; täy inkö sd*-
ül Mjiön,
Bahürö lald*-kö malehdn la:
ddl lata' erufd sdmbat, malammi
lata' nabd sdmbat kiniy mädahi
kUd* sanij mäfäriti zalüs kini,
makawani lalä robib kini, lih
ya Udd* hamuSy malehdn ya-ti
gama'dt kini,
Kdfä anib inki-ged köl a-
meta,
Kdfä anü lammA ged köl a-
meta.
Kdfä anü adähd ged köl a-
mdta.
Kdfä anü afärd ged köl a-
fnita.
Kdfä anü kaünd g^d köl a-
inüa.
Deutsch.
Mein vatcr hatte dreizehn
söne: der älteste liiess Jakob,
der zweite hiess Josef, der drit-
te son hiess Isinael, den vierten
nannte man Sultan, den fünften
hiess man Omar, den sechsten
son nannte man Schukri, den
siebenten nannte man Adam,
den achten nannte man Hissen,
den neunten nannte man Mo-
hammed, den zehnten nannte
man Mahmud, den eilften aber
Ali, den zwölften nannte man
Eddin und den dreizehnten
Dschauha; alle diese dreizehn
waren brüder und die söne
meines vaters.
Die woche hat siben tage:
der erste tag ist der samstag,
der zweite ist der sonntag, der
dritte ist der montag, der vier-
te dienstag, der fünfte mitt-
woch, der sechste donnerstag,
und der sibente ist der freitag.
Ich kam heute einmal zu dir.
Ich kam heute zweimal zu
dir.
Ich kam heute dreimal zu
dir.
Ich kam heute viermal zu
dir.
Ich kam heute fünfmal zu
dir.
72
III. Abhandlung: Reiniscb.
Hadepd&wa.
Tö-yln-tön asägür döra Van-
hök.
Tö-yln-tön asardma döra i'an-
hök.
5 Tö-yln-tön as^mhi tcdkta Van-
hök,
Tö-yln-tön äSScuHg wdkta Van-
hök.
Tö-yln-tön tamin wdkta ian-
10 hök,
4) Barük mdssi Mesmcih te-
ßya%
5) Ane, mdssi hen-tön-i kd-ha.
6) Ane malö-ti rndsse Jidddy
15 iß,
7) Barük nidlya dar intöni
tefeya.
8) Barük mdssi Massirih i^fi)
Beni-Amer.
Tö-^intlh asagür rdgada yxan-
köka.
Tö-intib asardma rdgada yi-
an-höka.
I'ö-Hntlb asimhdy rdgada yf-
an-höka,
Tö-intih assa^ig rdgada yf-
an-höka.
Tö-intlb tamin rdgada yV an-
höka.
Barak mdssi Mesuwib tifiyaf
Ani massi bin-töy kd-ha.
Ani malö-t mdsse Jidddy iß.
ya.
Barük mdlya dör intöy tifi-
Barüs mdssi Massir ib ißf
9) BaHlh mehdy haiUdbj dy-
20 ti tergdtj tamin-t ylnät bintön
eß. ^
10) Ane engdt (engäl-t und
engdl-ti) massBt-wä terdb-toä ö-
Sökib asd\
•26 11) Bardhna (barähj fadig-t
mdsse, asäynr-ti terga, a^^adig-t
ylndt ö-Söki esnin.
12) Ane engäl kam, malö ha-
tdy, m4ihdy ^ä^a, fadig-t dno,
30 ay anö-t 'ar dbare.
Barüs mehdy-ti mdsse, ay ter-
gnt, tamdn-t ylndt bentöy iß.
Ani engdl haüldb-wä, terdb-
wä Ö-Söki asa (oder dseni).
Baräsna (bards) fadig haü-
Inb, asagur-t tergdt, assadig-t
ylndt ö-Sökib isnin.
Ani gäl kam, mulö hatdy,
mehdy ma, fadigt drgina, ay-t
rengenit dbare.
Dia Bedaojre-Sprache in Nordost-Afirika. I.
73
Saho.
Kafä anü lehd ged köl am4ta.
Käfä anü malehand ged köl
ameta.
Käfä anü bahärd ged köl
ameta,
Kafä anü sagalä ged köl a-
meta.
Kafä anü tainmänd ged köl
ameta,
Atü tüili wdqte Ma^uw'dl ki-
tö-hof
Anü ahadd törkil md-hiyö,
Anü lammd egida Jiddal
mdra.
Atü malammi ged tärkil ki-
nitö,
Üssük wili ged Mdsseril kini-
Ussük adohd egida, kaün dl-
zäy tammänd lala* törkel mdra.
Deutsch.
Ich kam heute sechsmal zu
dir.
Ich kam heute sibenmal zu
dir.
Ich kam heute achtmal zu
dir.
Ich kam heute neunmal zu
dir.
Ich kam heute zehnmal zu
dir.
Warst du jemals in Mas-
saua?
Ich war niemals dort.
Ich war zwei jare in Dsched-
da.
Du warst das zweite mal
schon hier.
War er jemals in Kairo?
Er war dort drei jare, fünf
monate und zehn tage.
Anü inki egidä ka egid abld Ich hielt mich auf in Suakin
tkucäkinil dafdy. ein und ein halbes jar.
'Ussün afärd egidä, lik' dlzä,
sagald lala' Sawäkinil dafäyna.
Anü inki gäldytö, lammd fa-
rdsy adohd sagd, afärd aydö,
kaänd aydö bald liyö.
Sie bliben vier jare, sechs
monate und neun tage in Sua-
kin.
Ich besitze ein kamel, zwei
pferde, drei kühe, vier schafe
und fünf lämmer.
74 111- Abh. : Beinisch. Die Bedauye-Spnche in Nordost-Afrika. I.
Inhaltsverzeiclmiss.
Seite
Vorrede 1
I. ErBälungen im Idiom der Beni-Amer in Barka 5
1) Ein reumütiger sUnder —
2) Der taube, der blinde, der lame und der kalk^pfige —
3) Ein feigllng 6
4) Unehlige kinder gedeihen nicht 7
5) Erlebnisse eines schech 8
6) Der son eines schech (Ursprung der Har|6ii<Jäwa) 11
7) List eines mädchens 13
8) Der esel und das kalb 19
9) Der schakal und das lamm 24
10) Der schakal und das zicklein —
11) Die maus, der frosch und die eidechse 25
12) Die eidechse und der schech 28
13) Die schlänge und der zigenhirt 29
14) Sätze und redensarten 30
II. Qespräche und satae im idiom der Halönga 44
m. Erzälungen im idiom der Hadönd&wa 55
1) Omar —
2) Zwei beiden —
3) Martad pascha 56
4) Die tochter des sultans 57
5) Die dummen eheleute 58
6) Saraf s son 60
7) Mohammed 61
8) Der löwentöter 63
9) Irrfarten eines mannes —
10) Drei reisende 66
11) Der schakal und der rabe 67
12) Die mause 68
13) Sätze zum numerale (der Ha(;)49(}&wa und der Beni-Amer) . . 70
IV. AbhandloDf : Tomaschek. Die alt«n Thraker. I. 1
IV.
Die alten Thraker.
Eine ethnologische Untersuchung
TOD
Wilhelm Tomasohek,
corresp. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
I.
üebersicht der Stämme.
Vom Pyrenäen wall bis zur Indusbeuge zieht sich ein
Berggürtel dahin ^ welchen die geologischen und tektonischen
Verhältnisse, sowie der mediterrane Charakter der Vegetation
zu einer Einheit gestalten; nordwärts breiten sich niedrige
Massengebirge, waldige und sumpfige Flächen, endlich Steppen
aus; gegen Süden lehnt sich an das Mittelmeer eine Reihe
regenarmer Wüstenstriche an, und nur das Nildelta, die syrische
Küste und Mesopotamien bieten alle Vorbedingungen zur Ent-
wickelung einer höheren Cultur. Zwischen diesen weiten
Räumen, worin Gleichförmigkeit herrscht, erhebt sich jener
eurasische Berggürtel , welcher eigenartige Entwickelung,
Mannigfaltigkeit und Abgeschlossenheit befördert — dies gilt
auch in ethnischer Hinsicht. Im Gegensatz zum Wüstengürtel,
welchen die aus einem Urstock entsprungene hamitische und
semitische Völkerwelt innehatte, und zur Nordseite, entlang
welcher sich einerseits Indogermanen, anderseits gleichartige
Mongoloiden gelagert hatten, bildete der Berg- und Hochlands-
gürtel das Erbe einer langen Reihe von Urvölkern, die zwar
in leiblicher Hinsicht durch die Eigenschaften der ,kauka8ischen^
Rasse zu einem Ganzen verknüpft waren, in der Sprechweise
jedoch die erstaunlichste Mannigfaltigkeit aufwiesen und in
eine grosse Zahl von isolirten Gruppen zei'fielen, denen Nichts
gemeinsam war als höchstens der Charakter flexi vischer Com-
plicirtheit.
Sitzungsbcr. d. phil.-hi8t. Cl. CXXVIII. Bd. 4. Abh. 1
2t lY. Abluuidliing: Tomas cbek.
Dieser langgestreckte VölkergUrtel ward zu verschiedenen
Zeiten durch die Wanderungen der Nordvölker durchbrochen
und bis auf spärliche Bruch theile zertrümmert: in der Gegenwart
besitzen nur noch die Pyrenäen im äussersten Westen, der hohe
Zug des Kaukasus in der Mitte, und das versteckte Hochthal
von Hunza-Nagir an der Grenze der monosyllabischen Sprach-
welt, die letzten schwachen Ueberreste jener Völkerreihe; die
drei südlichen Halbinseln Europa's, ferner Kleinasien sammt
dem armenischen Hochlande, der Alburz und Zagros, der Hin-
dukusch und das Pamirplateau, haben durchweg nordische
Volksthümer erhalten. Ja, bereits an der Schwelle der ge-
schichtlichen Zeit, haben die Arier, das östlichste Glied der
voreinst eine zusammenhängende und geschlossene Masse dar-
stellenden Indogermanen, den eurasischen Bergzug überschritten
und an der Seite der allophylen Südvölker eine neue Heimath
gefunden, welche viele Jahrhunderte später wiederum von
mongoloidischen Nordvölkern ständig bedroht werden sollte.
. Ausser Hellas, dem Sitze lelegischer und vom Orient bo-
einfiusster pelasgischer Völker, finden wir namentlich Kleinasien
von einer dichtgeschlossenen fremdartigen Völkermasse besetst
Wie im Kaukasus, so gab es hier zahlreiche mehr oder minder
rohe oder durch die Cultur Mesopotamiens und Aegyptens be-
einflusste Bergstämme, welche sich untereinander bekämpfen und
verschieben mochten, in die Geschicke der Nachbarländer jedoch
selten dauernd eingriffen; wenn sie sich ausnahmsweise zu grossen
Unternehmungen einigten, so geschah dies gegen Syrien, Cypem
und das reiche Nildelta, nicht gegen das europäische Nordland,
die Heimath physisch überlegener Völker, deren Rolle stets
eine active war. Die prähistorische und Unguistische Forschung
hat die Bedeutung Europa's, als einer Heimstätte urkräftiger
Völker, dargethan; mögen sich auch zur Bildung der Indo-
germanen oder, wie man sie jetzt nennen will, der Ario-Teuten,
verschiedene Rassentypeu aus Süd und Ost zusammengefunden
haben — die Sprachen selbst weisen mit Entschiedenheit auf
einen europäischen Ursprung. Hatte aber einmal ein nordischen
Volk den Weg in die allophyle kleinasiatische Region gefunden,
so blieb es daselbst und ward allmälig der Kraft verlustig,
Rückstösse in die alte Heimath auszuüben. Wanderzüge aus
Europa über den Bosporus oder über den kaspischen Uferaaum
Die alten Thraker, l. ö
nach Iran werden uns stets naturgemässer erseheinen müssen,
als solche in umgekehrter Richtung. Die späteren Invasionen
der arabischen Glaubenskämpfer bilden eine, aus dem Zu-
sammentreflfen überaus günstiger Zustände erklärliche Aus-
nahme; und, was die Türken betrifft, so gehören diese zu den
nordischen Völkern, und ihre Wanderung wird durch fort-
laufende Sporaden türkischer Stämme bis zum Altai bezeichnet,
während solche Spuren für die angebliche Auswanderung von
Indogermanen aus dem Süden gänzlich fehlen. Ein im kiU-
kischen Antitaurus gesprochener neugriechischer Mischdialekt
soll angeblich uralte indogermanische Sprachreste enthalten; die
betreflFenden Wörter sind aber aus den Nachbarsprachen ent-
lehnt und der Rest gar nicht indogermanisch, wie beispielsweise
die Zahlwörter lingir 6, tath 7, matli 8, danjar oder tsankar 9
— offenbare Ueberbleibsel der uralten kappadokischen Sprech-
weisel
Aber die Armenier und Phrygen sollen aus dem Osten
gekommen sein und in Kleinasien zurückgebliebene Reste der
indogermanischen Wandervölker darstellen! Sehen wir jedoch
genauer zu, so ergibt sich uns gerade das Gegentheil. Wenn
die armenische Nation zu der indogermanischen Familie ge-
rechnet wird, so geschieht dies auf Grund ihrer Sprache,
welche namentlich in der verbalen Flexion wichtige indo-
germanische Erbgüter, wie das Augment und den Aorist, be-
wahrt hat; auch im Wortvorrath findet sich trotz starker
Ueberwucherung durch fremde Elemente ein stattlicher Procent-
satz alten Gutes. Im Ganzen jedoch gehört das Armenische
zu den stärker entarteten Schwestern der Familie; das Laut-
system zeigt eine merkwürdige Mischung mitgebrachter ost-
europäischer Charaktere mit der Pronunciation, wie sie bei den
kleinasiatischen Urvölkern vorausgesetzt wird und thatsächUch
noch bei den südkaukasischen Aboriginern auftritt — jeder
armenische Text kann ebenso gut mit den Buchstaben des
georgischen Alphabets geschrieben werden! Offenbar haben
sich die Armenier auf ihrer schrittweisen Vorschiebung über
die nördUchen Striche Kleinasiens viel fremdes Sprachgut und
schUesslich auf alarodischem Boden die orale Disposition der
sUdkaukasiscben Ursassen angeeignet. Diese sprachliche Wand-
lung erfolgte gleichzeitig mit einer Umformung des leiblichen
1*
4 IV* Abhandlnng: Tomasehek.
Typus, der allgemach eine südlichere Färbung annahm. War
auch der Typus der indogermanischen Völker von Haus aus
ein gemischter — eine solche Uebereinstimmung und Gleichheit
des brünetten und durchweg brachykephalen Typus der Ar-
menier mit dem eingeborenen kleinasiatischen Typus findet
seine Erklärung doch nur in einer lang andauernden intensiven
Mischung beider Elemente. Der Gang der armenischen
Wanderung lässt sich ungefähr in folgender Weise bestimmen:
vom Bosporus aus bewegte sich der Zug langsam durch die
paphlagonischen Thalgebiete ostwärts zum Halys (armen. Ati
,der salzige^), dann über das nachmalige Oe[xa tcov ^Apiu^txmSrf
in das Längsth%l des Lykos oder Gail-get, von da über die
Klause von Satala zum obern Frät und endlich in die Ebene
Airarat der Alarodier. Die Besitznahme des alarodischen Landes
und der übrigen Hochcantone bis zum Van-see dürfte erst in
dem 7. Jahrhundert v. Chr. erfolgt sein, da die Keilin-
schriften bis zu dieser Zeit fast gar keine Spuren armenischer
Namengebung aufweisen, üeberhaupt gibt von dieser Besitz-
nahme kein geschichtliches Zeugniss Kunde, und es scheint,
dass die Stürme der kimmerischen und sakischen Wanderung
dieses wichtige Ereigniss verdunkelt haben — nicht mit Unrecht
reiht jedoch die semitische Völkertafel den Jafetiden Thogarma
an Gomer und Aäkenaz an. Die haikanischen Eroberer haben
sich im Laufe der Zeiten das alarodische Volkselement voll-
ständig assimilirt, nachdem sie von diesem selbst eine starke
Einwirkung in Typus und Sprache erfahren hatten.
Auch in den Phrygen haben wir ein indogermanisches
Volk zu erblicken, das aus den Strichen südHch von Haemus
über den Hellespont gezogen war und im Rücken der Ar-
menier, diese wahrscheinlich ostwärts schiebend, zunächst das
Flussgebiet des Sangarius einnahm, um sich von da fächer-
förmig in alle Thäler des Westens und Südens mitten unter
die Aboriginer einzuschieben; vielleicht hat auch die Insel
Kreta einmal phrygische Ansiedler erhalten, und das Gleiche
darf sogar für einige Alluvialgebiete und Winkel an der Ost-
küste von Hellas gelten. Diese Eroberer, welche bereits in
ihrer älteren Heimat am Hebrus und Strymon durch Boden-
wirthschaft und Metallurgie eine Art höherer Cultur erreicht
hatten, blieben auf dem neuen Boden fleissige Viehzüchter und
Die alten Thraker. 1.
Ackerliauer, sowie Pfleger orgiastischer Naturculte, und bildeten
überdies eine eigenartige Bauweise aus. Im Laufe der Zeiten
verweichlichten sie immer mehr, verloren ihre politische Führer-
rolle und erlagen den fremden Einflüssen; ihre Sprache, welche
schrittweise an die griechische Boden verlor, erhielt sich in
entarteten Spuren bis auf die römische Kaiserzeit. Aus Glossen
und Inschriften haben die Sprachforscher deren Zugehörigkeit
zur osteuropäischen Gruppe erschlossen, was auch für den Ur-
bestand des Armenischen gilt; schon den Alten war die Aehnlich-
keit des Phrygischen und Armenischen aufgefallen. — Haben
einst, wie wir vermuthen, die Phrygen alle Räume südlich
vom Haemus bis zur Küste ausgefüllt, so erklärt sich daraus
die Thatsache, dass die Griechen auf ihrer vorzeitlichen
Wanderung nach Süden sich als Ziel nicht den Hellespont und
Kleinasien erkoren hatten, sondern, mehr dem adria tischen
Westen zugekehrt, auf die pelasgischen und lelegischen Lande
losgiengen. Aus einer Zeit, wo etwa Griechen und Phrygen
nahe Nachbarn waren, stammt die griechische Form des Namens
l^pxfsc, stammt das Auftreten gemeinsamer Wörter wie vanakt-
,König^. Wir werden auf thrakischem und makedonischem
Boden mehrfache Spuren phrygischer Bevölkerung vorfinden,
oflFenbar zurückgebliebene oder bei Seite geschobene Reste der
Nation, deren Hauptmasse in sehr alter Zeit nach Kleinasien
abgezogen war. Die Griechen betrachteten die Phrygen als
ein seit Anbeginn in Kleinasien ansässiges Volk und hielten die
Sporaden auf europäischem Boden für Metanasten aus der Troas,
wobei sie von alten Eroberungszügen der Troer oder Teukrer
bis zum Axios, ja bis zum Peneios und bis zur Adria fabelten;
doch gab es auch eine Ansicht, welche die phrygischen und
mysischen Wanderungen aus Europa nach Asien für selbstver-
ständliche und ausgemachte Thatsachen ansah. Aus Kleinasien,
der Heimstätte durchaus fremdartiger Urvölker, kann das
phrygische Volk nicht hervorgegangen sein.
Westhch von den Phrygen des Sangariusthales, entlang
der hellespon tischen Küste, wo nur schwache phrygische Reste
zurückblieben, bis zum Caicus herab sass das stammverwandte
Volk der Mysen, dessen Schichtung zur Genüge beweist, dass
es den später nachgerückten Theil der phrygischen Nation
ausgemacht hat. Homer nennt sowohl die Phrygen wie die
(j IV. Abhandlang: Tomaschek.
Mysen als Bundesgenossen der Troer; er weiss aber auch von
kampfbereiten llysen des thrakischen Nordlandes in der Nach-
barschaft pontischcr Nomaden, — dem zurückgebliebenen Theilc
dieses Volkes. Die Ursitze des mysischen Stammes suchen
wir darum an der Nordseite des Haemus in unmittelbarem
Anschluss an die phrygischen Ursitze. Wir linden hier noch
in römischer Zeit die Moesac gentes arg zerplittert und vor-
wiegend nach Westen gedrängt: offenbar hat die Invasion
thrakischcr Stämme, zuletzt der Getcn, die Mysen in Theilc
aufgelöst oder bei Seite gedrängt. — In nachhomerischer Zeit,
zuerst bei dem ionischen Dicliter Kallinos, tritt an Stelle der
homerischen Troer der Name Tsüv-poi auf. Troer und Teukrer
waren jedenfalls kleinasiatische Aboriginer, wie die Namen
selbst kleinasiatische Herkunft verrathen; auf europäischem
Boden fehlt, wenn wir von den fabelhaften Sagencombinationen
Herodot's absehen, jede Spur von Teukrern. Die Namengebung
in der Troas erweist sich jedoch als eine vorwiegend mysische:
die homerischen Sänger haben die Zustände ihrer Zeit vor
Augen gehabt. Das voreinst mächtige und streitbare Volk der
Teukrer war, bis auf geringe Spuren, untergegangen; dauernd
erhielt sich dagegen das eingewanderte mysische Volksthum
bis in die Zeit der Hellenisirung.
Im Flachlande an der unteren Donau finden wir in
geschichtlicher Zeit nomadische Skythen und thrakische Geten.
Für eine sehr entlegene Epoche der ethnischen und sprach-
lichen Entwicklung jedoch dürfen wir hier und im pon tischen
Steppenstriche die noch ungetheilten arischen Nomaden als Be-
wohner voraussetzen: auf diesem Boden hatte die Rossezucht
eine ihrer ältesten Heimstätten gefunden, und hier erklang
zuerst die völlig ungemischte und grossartig klingende arische
Ursprache, aus welcher sich die verwandten Nachbarsippen mit
Ausdrücken des familiären und nomadischen Lebens bereichert
haben; zumal die unmittelbar anstossenden thrakischen Nach-
baren haben, wie wir erweisen werden. Ausdrücke für die
Hausthiere der Steppe aus dem Arischen entlehnt. Die arischen
Nomaden sind aber schliesslich in weite Ferne abgezogen;
sie haben als die ersten Metanasten unter den europäischen
Völkern, wie Jahrtausende später die Russen, asiatische Lande
erobert, und wir finden sie an der Schwelle der geschichtlichen
Die alten Thraker. I. 7
Zeit als Ansiedler am Indus und im iranischen Hochlande
mitten unter durchaus allophylen drawidischen und kuschitischen
Völkern, nachdem sie vorher die von der Indusbeugo bis zum
Alburz sich erstreckende ,kaukasische' Bergzone durchbrochen
hatten. Doch blieben entartete Reste dieser Metanasten allezeit
aber den pontischen Gestaden sitzen. Während bei den arischen
Rossezüchtern weite Wanderungen naturgemäss zu Tage treten,
war den europäischen Brudervölkern ruhigeres Beisammensitzen
und Haften an der ererbten Scholle von Haus aus eigen; ihre
späteren Wanderungen lassen sich mit der grossen arischen
Wanderung kaum vergleichen.
Nun steigen wir eine Stufe weiter gegen Norden hinauf
und gerathen in die karpatische Gebirgsurawallung, die Ur-
heimath des thrakischen Volksthums. Diese corona montium
barg noch während des ganzen Alterthums den echtesten Theil
der thrakischen Barbaren weit, sie war die vagina gentium
Thraciscarum , deren Sprache eine uniforme Einheit für sich
bildete und zugleich genetisch mit der südwärts gelagerten
mysisch-phrygischen Gruppe zu einer weiteren Spracheinheit
verbunden war, an die sich zuletzt das Armenische anschloss.
Weiter nordwärts jedoch, in dem Weichsellande, hatte das
äosserste grosse Glied der osteuropäischen Sprachgruppe, das
Slawische und Litauische, seine Ausbildung gefunden; in der
Gestaltung des Sprachschatzes musste sich dieses Glied vom
Thrakischen schon weit stärker entfernen, da die Natur des
nordischen Sumpflandes veränderte Lebensbedingungen und
BegriflFe hervorrief. Noch muss eines weitern Gliedes der ost-
europäischen Region gedaclit werden, deren Placenta an der
mittleren Donau, in Pannonien, lag: auch 'für das Illyrische,
dessen Stellung sich aus dem heutigen Albanischen ergeben
hat, muss eine ziemliche Abweichung von der Eigenart und
dem StoflFe der thrakischen Sprechweise angenommen werden,
was jedoch gelegentliche Berührungen nicht ausschliesst.
Den Thraken der karpatischen Bergregion ward im Laufe
der Zeit der Raum zu enge ; sie stiegen herab, durchzogen das
Flachland an der untern Donau und warfen sich mit aller
Macht in mehreren aufeinanderfolgenden Wellenschlägen auf
die verwandten mysisch-phrygischen Stämme, welche sie aller-
orten durchsetzten, nach links und rechts verschoben oder zer-
8 rV. Abhandlnni^: Tomaschek.
triimmerten. Als rohe Bergstämme, welche sich überdies die
Lebensweise der arischen Nomaden angeeignet hatten, fanden
sie weniger Gefallen an dem Boden der Alluvialebenen und
niedrigen Thalkessel, dessen Bearbeitung harte Mühe erforderte;
sie wandten sich mit Vorliebe den höheren Regionen des Süd-
landes zu, auf dessen Halden sie der Viehzucht obliegen und
von wo aus sie in räuberischer Weise die unterworfenen
Stämme, so weit dieselben nicht nach Asien ausgewandert
waren, im Zaume halten und ausbeuten konnten. Wurde
ihnen hier der Raum zu enge, so nahmen sie gelegentlich auch
von den Thalgebieten Besitz, wie am Hebrus und Strymon.
Giseke, welcher die Wahrnehmung gemacht zu haben glaubte,
dass alle Flussebenen und Passagen Thrakiens sich im Besitze
paionischer, d. i. mysisch-phrygischer Stämme befunden hätten,
während den thrakisch-,pelasgischen' Stämmen ausschliesslich
die Bergstriche eigen gewesen wären, betrachtet allerdings
gerade diese letzteren als die in die Berge zurückgedrängten
Ureinwohner, die Paioner dagegen als in späterer Zeit aus
Asien eingedrungene Eroberer, die sich naturgemäss der frucht-
barsten Striche und der wichtigsten Uebergänge bemächtigt
hätten. Aber die politische Führerrolle befand sich seit Beginn
der Geschichte in den Händen der echten Thraker und das
ganze Land bis zu den Küsten hinab führt bezeichnenderweise
den Namen Thrake; die mysisch-phrygischen Volksreste dagegen
waren politisch zur Ohnmacht verurtheilt und bildeten den
passiven Bestandtheil der Bevölkerung, mochte auch ihre Gultur-
stufe eine höhere gewesen sein. Die sprachliche oder dialektische
Scheidewand, welche die echten Thraker und die ebenfalls
Thraker genannten Myso-Phrygen von einander trennte, ver-
mögen wir nur dunkel, aus den schwachen Spuren der Eigen-
namen, zu erkennen; erkennbarer und schroffer tritt der
Gegensatz beider Volksthümer in der Lebensweise und im Cultur-
stande hervor: auf der einen Seite altansässige, aber in ihrer
Continuität unterbrochene und aufgelöste Sporaden, politisch
unwirksam, aber dem Landbau und G^werbfleiss in alther-
gebrachter Weise ergeben, geistig höher veranlagt und dem
Naturleben in orgiastischer Weise huldigend, dem griechischen
Wesen leicht zugänglich und schliesslich darin aufgehend; dort
hinwieder üppig wuchernde und numerisch überlegene Berg-
Die alteo Thraker, l. 9
Stämme, gewalttliätig und dem Kriegerleben ergeben, faul und
vom Fleisse der Untergebenen zehrend, dabei unter einander
stets uneinig, nur in Zeiten der Gefahr kräftig sich wehrend,
in späterer Zeit ein gefUrchtetes Soldaten- und 8öldnermaterial
abgebend, den Charakter der Rohheit und des Naturzustandes
weit über die Zeit der schliesslichen Romanisirung bewahrend
— so äussert sich in allgemeinen Zügen dieser Gegensatz.
Doch gingen im Laufe der Zeit auf die thrakischen Eroberer
die orgiastischen Culte der Ackerbauer über; der Noth folgend,
nicht dem eigenen Triebe, wandte sieh auch der Thraker
harten Arbeiten zu, namentlich dem Bergbau, der vorher eine
starke Seite der phrygischen Stämme gewesen war; die
Magnaten eigneten sich mitunter den hellenischen Cultur-
schliff an.
Dauernde Ruhe war dem thrakischen Volke niemals be-
schiedei). Im Norden drohten und drängten die skolotischen
und sarmatischen Steppennomaden, zuletzt auch die Galater
und Germanen; im Westen erforderten die Bewegungen der
illyrischen Völker Beachtung; aus dem Berglande des Haimos
selbst traten inuner neue Raubstämme hervor, welche dem
Zuge nach Süden folgten. Als ein unruhiges Volk lernen wir
die Trailer kennen, sowie die trerischen Nomaden, welche in
Kleinasien Alles drunter und drüber mengten; die von den
Paionen gedrängten Maido-Bithynen setzten gleichfalls über den
Bosporus und erwarben sich im Lande der Mysen und Phrygen
dauernde Wohnsitze. Die kimmerische und thynische Wande-
rung war das letzte grosse Ereigniss der älteren Zeit, das vom
thrakischen Lande ausgieng; erst der Galatersturm kann sich
mit demselben messen. Der folgende Zeitraum erhält durch
die Eroberungszüge der Perser, durch das Hervortreten der
Odrysen und Geten und durch die Ausbreitung der make-
donischen Grossmacht Abwechslung. Eine bedeutende culturelle
Rückwirkung üben die hellenischen Colonien an den Küsten
and die makedonischen Neugründungen im Inland aus; ganz
Thrake wäre vielleicht der hellenistischen Cultur zugefallen,
wenn nicht die Macht Rom's eine noch grössere Wandlung
herbeigeführt hätte.
Makedonien, Thrake und das moeso-getische Ufergelände
wurden römische Provinzen; nur das thrakische Stammland im
10 lY. Abhandlung: Toina5>cbc1c,
Norden, das die Dakeii inneliattcn, erhielt sich länger frei
und leistete dem Anstürme der römischen Legionen verzweifelten
Widerstand, bis endlich auch dieses letzte Bollwerk der thra-
kischen Barbarcnwelt fiel und mit Colonen aus den römischen
Provinzen neu bevölkert wurde. Unter dem Schutze der Le-
gionen hielt sich die traianischc Dacia bis auf Gallienus und
Aurelianus; der Gebirgswall wurde von den germanischeu
Völkern durchbrochen, die römischen Provincialen flüchteten
in eine neu geschaflene Dacia südlich vom Strome, und ihnen
nach zogen selbst die letzten Reste dakischer Bergstftmme, um
in der Römerwelt aufzugehen. Das karpathische Bergland
wurde schliesslich eine Beute der Slawen, der Hunno-Bulgaren
und Ungarcn. Das innere Thrakien jedoch war unter der
Herrschaft Rom's vollständig romanisirt worden; den Schluss-
stein dieser Wandlung bildete die Verbreitung des Christenthums
bei dem thrakischen Central volke der Bessen (400 n. Chr.);
das römische Wesen festigte sich innerhalb der folgenden zwei
Jahrhunderte; alsbald (600) drangen jedoch aus dem Nordlande
slowenische Stämme ein und nahmen vom Haemusgttrtel Besitz,
geriethen dann unter die Obmacht der Bulgaren, welche die
griechische Herrschaft auf Byzanz und den aegaeischen Küsten-
strich beschränkten, und wandten sich schliesslich ebenfalls dem
Christen thum zu. Die römischen Provincialen wurden durch
die slowenische Einwanderung zu politischer und ökonomischer
Ohnmacht verurtheilt; sie fristeten ein gedrücktes Dasein ent-
weder als Handwerker in den Städten oder als Frohnbauern
auf dem Lande, oder sie rotteten sich zu Schaaren zusammen,
um auf den Berghalden und Triften nach angestammter thra-
kischer Sitte ein freieres Naturleben zu führen. Das romanische
Element bewahrte im grossen Ganzen den überkommenen
Grundstock seiner romanischen Sprechweise; dieser Grundstock,
reich an Ausdrücken für das sociale und ökonomische Leben
der älteren Culturepoche, wurde jedoch naturgemäss über-
wuchert von dem sloweno-bulgarischen Sprachschatze; die starke
Mischung mit dem Altslowenischen, welche dem Ostromanischen
bis auf den heutigen Tag charakteristische Färbung verleiht, kam
in dem langen Zeitraum von 600 bis 1000 zustande. Dann
gelang es Byzanz, Bulgarien wieder unter seine Botmässigkeit
zu bringen, und von dieser Zeit an finden wir in den gleich-
Die alten Thraker. I. 11
zeitigen Schriftwerken zahlreiche Erwähnungen des über ganz
Bulgarien und tief nach Serbien hinein verbreiteten ,wlachi8chen'
Elementes^ das auch im Pindos wall festen Boden gefunden
hatte. Demselben Ijot sich endlich eine neue Heimat in dem
Flachlande über der Donau und in jenem Gebirgswall , den
wir far die Urstätte der thrakischen Nation ansehen: der un-
erträgliche Steuerdruck unter den Komnenen, die harten Mass-
nahmen der Regierung gegen die Bogomilen, sowie die Aussicht,
unter den Peöenegen und Kumanen, mit denen die unzufriedenen
Bulgaren und Wlachen gerne fratcrnisirten, einen leichteren
Modus vivendi zu finden — dies Alles bewog ohne Zweifel
seit dem eilften und zwölften Jahrhundert viele bulgarische
Bojaren mit ihrer wlachischen Gefolgeschaft über die Donau
zu setzen und nicht bloss im Flachland, sondern auch auf den
schwach besiedelten Halden des karpatischen Berglandes ein
neues Leben zu beginnen; so entstand in Siebenbürgen allmälig
neben Magyaren und Sachsen eine dritte Nation, die wlachische.
Anfänglich überwog bei derselben noch das bulgarische Knezen-
thum; mit der Zeit drang jedoch das numerisch stärkere roma-
nische Bauern- und Handwerkerelement durch.
Wer unbeirrt von landläufigen Ansichten und Vorur-
theilen sich streng an die geschichtlichen Urkunden hält und die
Völker bewegungen aller Jahrhunderte erwägt, und wer dabei
die sprachlichen und culturellen Thatsachen berücksichtigt,
wird in den heutigen Ostromanen das thrakische Volksthum
wiedererkennen, wie das illyrische in den heutigen Albanen.
Es wäre undenkbar, dass eine so grosse und wichtige Na-
tion wie die thrakische völlig und spurlos hätte untergehen
können.
Wir müssen noch einen Blick ins Alterthum zurück-
werfen. Der Name der Thraker hat durch die Griechen Ver-
breitung erlangt; ob er aus Eigenem gebildet wurde — , ob er
die veränderte und angepasste Gestalt einer phrygischen und
überhaupt fremdsprachigen Bezeichnung darstellt, lässt sich
nicht entscheiden; die thrakischen Stämme selbst haben
schwerlich diesen Gesammtnamen fUr sicli besessen, bei ihnen
waren unstreitig nur Sonderbezeichnungen im Schwange. Für
9prjx£;, 6pälx.£;, auch Öpelxec, worin die Silbe -1/. der Derivation
angehört wie in AiOiite^;, böte sich die Wurzel öpY) : öp«, indo-
12 ly. Abhandlung: Tomaschek.
germanisch dhre: dhre, Nebenform von dher, ^halten^ stützen;
schauen^ beachten*; von der Wurzel dhers- ^muthig sein, wagen'
war vielleicht der thrakische Stamm der Aipctci benannt. In-
folge des politischen Uebergcwichtes der thrakischen Eroberer
über die übrigen altansässigen Stämme wurde der Name auch
für diese unterschiedlos angewendet. Die Daker, denen aus-
drücklich thrakische Sprache beigelegt wird, heissen darum
niemals ausdrücklich Thraker, weil man sie von den Bewohnern
der römischen Provinz Thracia zu scheiden hatte. — Es bleibt
noch die Möglichkeit oflFen, dass es voreinst an der Nordgrrenze
von Hellas einen Stamm gegeben liabe, welcher sich so be-
nannte; Collectivnamen von Völkern sind ja meist aus irgend
einer Sonderbenennung hervorgegangen. Nannten sich so etwa
die ältesten Bewohner von Samothrake? Das, was wir über
die Einwohner dieser Insel wissen, spricht nicht sehr dafUr.
Bei attischen Scliriftstellern und Dichtem ist mitunter von
Thrakern die Rede, welche in Dauhs und andern Orten der
phokischen Landschaft gewohnt haben sollen; auch die Pieren
werden mitunter Thraker genannt. Neuere Forscher seit
C. (). Müller haben sogar doppelte Thraker angenommen, bar-
barische und hellenische. Es ist jedoch widersinnig, denselben
Namen auf zwei der Abkunft, Sprache und Cultur nach grund-
verschiedene Völker anzuwenden; überdies hat die Kritik jener
Nachrichten — wir erinnern an die bezüglichen Arbeiten von
AI. Riese und Hiller v. Gaertringen — deren Unhaltbarkeit
nachgewiesen. Wir halten die griechischen Thraker filr ab-
gethan.
Wir haben schliesslich noch ein Volksthum der bunten
Völkerwelt Thrake's anzuschliessen, das der Einreihung in
eine bestimmte ethnische Gruppe Schwierigkeiten entgegenstellt:
wir meinen die Paionen, über welchen die Dardaner hausten.
Da diese beiden Völker, welche von den Alten in Verbindung
mit Troia gebracht wurden, der Westseite Thrakiens vorge-
lagert waren, so wollen wir bei der Aufzählung der Einzel-
stämme mit ihnen den Anfang machen; denn es gilt eine
Cardinalfrage für die alte Ethnologie der Haemushalbinsel der
Lösung näher zu bringen.
Die alten Thraker. I. 13
I. Die paionisoh-dardanisohe Qruppe.
Ueber die Herkunft der Datovs^ waren schon die Alten
in Zweifel. Verschiedene Mythen knüpfen sie an das ,pela8-
psche' Volk der *AX|jL(»)7:e<; an, das in makedonischer Zeit
z¥ri8chen den Makedonen und Pelagonen in der heutigen Hoch-
landschaft Moglena hauste und die Orte "Opixa oder 'Opva,
£upaixo^ und "A^j/aXo; besass (PtoL). Denn flaiwv erscheint als
Sohn des Poseidon und der Helle (Hygin. astr. II, 20) und
ebenso heisst "AXiaük); ein Sohn des Poseidon und der Helle
(St. Byz.); dazu stimmt die Angabe (scliol. Ap. Rh. I, 230j,
dass Paion's Tochter ^avocjupa, mit dem Aioliden Mtvua; ver-
mählt, Mutter des Athamas und Orchomenos wurde. Ausser
dem berühmten Minyersitz Orchomenos am Kopaissee gab es
auch ein 'Opxoixevo; auf der Westseite des Olympos nahe dem
Haliakmon, vormals auch Mtvua und 'AXjxwvta geheissen (vgl.
C. O. Müller, Maked. 15). Wie dem auch sei, diese Ansicht
erklärt die Paionen für ein uraltes pelasgisches Volk; eine
ähnliche Genealogie (Paus. V 1, o) bringt die Paionen in
Verbindung mit den Aioliden und Aitolern, den Stammver-
wandten der Makedonen. Für diese Mythen könnte die geo-
graphische Nähe der Paionen und der Nordgriechen die Grund-
lage geboten haben.
Getheilter Meinung waren jene Schriftsteller, welche Strabo
(Vn fr. 38 vgl. Eust. ad B 848) vor Augen hatte: ot fxsv [laiova;
4>püYü)v aTC5txoü^, Ol Ik db/Yj^sTa? dic3©a{voüatv. Die zweite Ansicht,
welche die Paionen zu Archegeten macht, d. h. für eine eigene
Nation erklärt (denn hier ist nicht etwa 4>püYwv zu ergänzen),
gieng von bedächtigen Forschem aus, welche in den Paionen
nichts Phrygisches und Kleinasiatisches gefunden hatten.
Anderer Ansicht war Herodot, der die Paionen zwar nicht
direkt für Phryger, so doch für Troer erklärt.
In der Ilias steht Priamos an der Spitze eines Bundes,
der alle Völker vom Halys und Sangarios bis zum paionischen
Axios, darunter auch Phrygen, Maionen, Mysen, Thraker,
Kikonen und Paionen, umfasst; innige familiäre und hieratische
Beziehungen verbinden das Herrscherhaus mit all^ diesen
Völkern. So charakterisirt das Epos die troianische Vülkerwelt
im Gegensatz zur griechischen, üie Griechen erblickten in
14 rV. AbhuidloDi^: Tomftscbelc.
den dichterischen Schöpfungen ihrer Rhapsoden reine Geschichte,
in den Kämpen auf griechischer und trojanischer Seite leib-
haftige Wesen der Vergangenheit; sie wussten sich jenen
Völkerbund nicht anders zu erklären als durch Annahme von
Eroberungszügen aus lüos, die vor der Zeit der Zerstörung
stattgefunden haben sollen, — als ob erobernde Gewalt aUein
jene Zustände, wie sie die Dichtung schildert, herbeigeführt
haben musste; als ob nicht die geographische Lage der Stadt
an der Grenzscheide Kleinasiens und des Haemuslandes und der
Einfluss der gemeinsamen Cultur, welche in Dios ihr Centrum
und ihren Höhepunkt gefunden hatte, Alles zur Genüge erklärte.
Durch die griechischen Colonisten hat der troianische Sagen-
kreis weite Verbreitung gewonnen; allerorten wollte man
Spuren der homerischen Helden erkennen und selbst barbarische
Völker wollten ihre Ursprünge auf homerische Namen zurück-
führen. Troianischer Abkunft rühmten sich sogar die libyschen
Maxyer (Hdt. IV, 191; vgl. den Vers des Menander über die
AtßüTpwe^ 0paxc?, schol. Plat. Phaed. 72 c). Mit besserem
Grunde feierten die strymonischen Bithynen Rhesos als ihren
Nationalhelden, und die Paionen fanden sich in ihrem Astero-
paios gerühmt — sie durften ihre Ahnen für Bundesgenossen
der Troer halten, sich selbst für Stammverwandte dieses durch
die Poesie verherrlichten Volkes.
Jene zwei Brüder, welche 506 dem in Sardes weilenden
Dareios die Auskunft gegeben haben sollen, die Paionen vom
Strymon seien Teuxpöv töv i% TpoiT); «TroiTwi (Hdt. V 13), waren
Leute, welche mit dem troianischen Sagenkreise vertraut waren.
Auffallenderweise lieisst einer derselben [[i•^pr^Zy ein Name, der
sonst nur in Karien und Lykien (auch in den Formen flixpiQ^,
Pikhrä) auftritt. Herodot hätte die Anekdote richtiger so
gestalten können, dass er das Biüderpaar für karisch und nur
die emsige Jungfrau, die etwa deren Magd gewesen, für eine
Paionin ausgab. Die ganze Anekdote ist überhaupt erst ent-
standen, nachdem die Paionen bereits an der Grenze von
Karien und Phrygien angesiedelt waren — eine Erfindung ex
facto. Aus karischem Munde eriloss auch die Bezeichnung
Teuxfot für Tpu>£?; mit dem Namen der Teukrer war man in
Kleinasien vertraut, schwerUch jedoch in Paionien. Homer
weiss bekanntlich Nichts von troianischen und mvsischen
Die alten Thraker. I. 15
Teukrem^ er kennt nur den salaminischcn Bogenschützen
TeOxfo^y den von einer Troerin geborenen Sohn des Telamon,
den Repräsentanten des troischen oder teukrischen Volks-
elementes auf Kypros (vgl. H. D. Müller, Histor.-mythol. Unter-
suchungen, Göttingen 1892, S. 112 — 122), von dem die kyp-
rischen Könige von Salamis bis auf Euagoras ihr Geschlecht
ableiteten, weil neben dem achaisch -hellenischen Elemente auch
noch das einheimische teukrische Geltung besass. Ebenso
gehörten die Priester des Zeus zu Ülba im kilikischen Berg-
land der Familie Teukros an, d. h. den kiUkischen Ursassen,
welche die Uias auch in der Ebene von Thebe kennt. Wenn
bei Späteren Teukros als Sohn des Skamandros und der
Nymphe Idaia auftritt, so wird er damit als Autochthon des
troischen Landes gekennzeichnet; nach Kallinos (Strabo XIII,
p. 604) soll Teukros aus Kreta gekommen, sein , woher man
alle Völker räthselhaften Ursprungs, beispielsweise die Termilen
(Lykier), herleitete. Herodot weiss (V 122, vgl. VII 43), dass
die Bewohner von Gergithes Ueberreste der alten Teukrer
waren; dasselbe galt von den Fep^ivst auf Kypros (Klearch bei
Athen. VI p. 256, c). Wir werden kaum fehl gehen, wenn
wir die Teuxpst fUr ein uraltes Volk kilikischen Schlages an-
sehen und mit Brugsch den Tekri oder Tekkari der 19. Dynastie
Aegyptens gleichsetzen. Haben diese Autochthonen weite
Wanderungen unternommen (Strabo p. 61), so geschah dies
nach Süden zu, in das Land der Cheta am Orontes und weiter
hinab, schwerlich jedoch nach Thrake und bis zur Adria, wo
jede Spur des teukrischen Namens fehlt; die Paionen für
Teukrer zu halten, wäre zu abenteuerlich.
Herodot (VII 20) weiss allerdings von einem cioXo; M;j?d>v
xe Mcl Tcuxpcov 6 izpö tü)v Tpü>txu>v -)f^v6(JLevo{ * oi Siaßavte^ dq tyjv
Eüpii>xr|V xaxa B6<;7:opov tou^ t£ 6pr/ixa{ /.areorpetl/avT^ Tcavia; xai £:7i
xbv Tcviov icövTov xateßiQaav, \t-ixpi xs nrjveiou TzoTapioü xb izphq
(uoa;jißptVj<; iJiXa^av. Man höre und staune! Vor der Einnahme
Troia's (ca. 1184) sollen Teukrer und Mysen alle thrakischen
Völker besiegt haben und in alle Westlande vorgedrungen
»ein. Leider wissen die homerischen Lieder davon Nichts; auf
der ganzen europäischen Strecke rindet sich sonst nicht eine
einzige Spur des teukrischen Namens; von den Mysiern wird
das Umgekehrte, nämlich Wanderung aus Europa nach Klein-
16 IV. Abbandlung: Tomaschek.
asien, berichtet. Wir finden auch hier die aus den homerischen
Sagengeweben künstUch erschlossene Anschauung von uralten
Eroberungszügen der Troianer auf die Spitze getrieben: denn
Dos — lassen wir lieber Lykophion's Kassandia (1341 — 1345)
declamiren: 'icflbnuo; Ik OpTfjxY)^ ouixb? aicrtcdaa; tzkIoitml | x"^?^ '^^
"EopBuiv %ol\ raXa3paiü)v ordSov, | Spou; Itcyj^sv a(jt^i [It;v£iou icotoi^^ | ffieppov
xpoxT^iXo) JJeuyXav a[X9i6el^ xeBatq, | aXxi^ vdovSpo?, exicpeicdcraro^ Y^^^-
Leider hat uns die troianische Jungfrau, welche den Herodot
gelesen hat, anzuführen vergessen, ob da nicht Dos mit dem
mächtigen Pelasgos, König von Argos, zusammenstiess, der alle
Lande von der Brandung des ionischen Meeres bis zu den
Fluthen des Axios und Strymon beherrscht haben soll (Aesch.
Suppl. 238 &.). Solche Sagenklitterungen mögen den Griechen,
zumal ihren Dichtem, gestattet sein; wenn aber neuere Forscher
dieselben für bare Münze nehmen und darauf eine Pluth von
Verrauthungen häufen, so werden wir ihnen Halt zurufen. Am
weitesten hierin ist Giseke gegangen: Paionen sollen aus Asien
in das von griechischen Stämmen besetzte Pelasgerland einge-
drungen sein, die ,pelasgi8chen^ Thraker, darunter Dier und
Pieren, in die Gebirge getrieben und zuletzt die fortlaufenden
Wanderungen der Minyer, Kadmeionen, Abanten, Dryoper,
Boioter und Derer hervorgerufen haben.
Noch einmal spricht Herodot (VH 75) von seinen ständig
verbundenen Teukrern und Mysen bei der Sage der Bithynen
von dem Auszug aus ihrem strymonischen Stammlande: to i:p6-
xepov eKaXecvTO, w; auTol Xä-fOüai, STpüpioviot, oixesvxc^ iiA Stpufxövt .
s^ovaffTTJva'. H «paat i^ tqöewv utco TeüxpÄv xs %a\ Muauiv. Man muss
bezweifeln, ob die Bithynen selbst, obzwar in Asien sesshaft
und mit der Ausdrucks weise der Kleinasiaten vertraut, wirklich
von Teukrern und Mysen gesprochen haben; möglicherweise
hat Herodot, entsprechend seiner paionischen Anekdote (V 12),
diese Namen ohneweiters für llatcvc; eingesetzt: nur Paionen
können es gewesen sein, welche, von Westen vordringend, die
thrakischen Strymonier dem Osten zugetrieben haben. Wenn
Mysen und Teukrer aus der Troas kamen und zwar lange vor
Troia's Zerstörung, so wären ihnen die Strymonier geradezu
in die Arme gelaufen, und die Eroberer hätten es geduldet,
dass ihr eigenes Stammland von den Verjagten besetzt worden
wäre I Ueberdies filllt der Auszug der Bithynen in oder hinter
Die alten Thraker 1. 17
die trerisch-kimmerische Wanderung (750 — GOO), also lange
nach Troia's Einnahme. — Die troianische oder phrygische
Abkunft der Paionen müssen wir nach Allem dahingestellt sein
lassen; sehen wir zu, ob sich bei den Einzelstämmen etwas
Genaueres ergibt.
Homer nennt als Vater des vor Troia gefallenen paioni-
schen Heerführers Asteropaios, welcher gekommen war irjXoOcv s^
'A{Ai»8iüvo^ atx* 'A^fou eupü peovro?, den UtiXs^wv. Da an der Axios-
münde voreinst phrygische Mygdonen sassen, so braucht 'A|jiu8(ov
oder, wie die später von den Argeaden zerstörte Veste ursprüng-
lich hiess^ 'AßüBwv nicht gerade für eine paionische Gründung zu
gelten ; es vergleicht sich "AßuSo^, die Stadt des Asios am Helle-
spont und die Glosse dßuoov • ßaOu (Hesych.). Die von Pelegon
abgeleiteten Ilrj/vorfove? oder HeXoYCve^ sind entweder Bewohner
der ^schlammigen Ebene% vgl. die Glosse ':nQXaYO)v • ix icrfkou
fCY€vvT;jxEvo; und alb. pelg ,Moorgrund, Dümpel', oder Bewohner
eines ,Flachstriches' überhaupt , von Wurzel pela : pla ,breit-
schlagen, ausbreiten* (vgl. Tceka-^o^?). Eine Münze IleXoYt'fwv
stammt aus dem illyrisch-epirotischen Bergwerksorte Damastion;
in Sicilien gab es , in der Ebene am Palikensee , einen Ort
neXorfovCa (St. B.), das heutige Pallagonia. Die Hauptsitze der
Pelagonen waren später nicht am unteren Axios, sondern in
der Ebene am mittleren Erigon nördlich von den Lynkesten,
sowie im Bergland am unteren P>igon bis Stobi, nördlich von
den Almopen; hier erwähnt Livius wiederholt ,angustiae quae
ad Pelagoniam sunt^ Seit der Römerzeit bis in die bulgarische
Zeit hinein hiess 'HpaxXsia Ajyxou oder AufXTiffTt?, das heutige
Bitolia, und die benachbarte Ebene Uekor(o^ia. Abel hält die
Pelagonen schon ihres Namens wegen für Pelasger, die von
den Paionen unterworfen wurden; Giseke dagegen hält an der
von Strabo hingestellten Gleichung mit den Paionen fest. Zwar
heissen die Pelagones ,Paeoniae gens' (Plin.); aber es scheint,
dass sie ein älteres, wenn nicht illyrisches, so doch mit den
Almopen verwandtes Element darstellen, wobei wir an die
eingangs erwähnte Anknüpfung der Paionen an die Minyer
von Orchomenos erinnern. Es ist kein Zufall, dass wir nahe
dem zweiten Orchomenos südlich von Haliakmon eine Uzkocrfo^ia
TptxoXiTt^ iinden mit den drei Ortschaften Iluöiov, lokiyri und
'A^(i)po^. Nur die beiden ersten tragen griechische Namen;
Sitzoagsber. d. pbU.-bi»t. Cl. CXXVin. Bd. 4. Abb. 2
18 IV. Abhandlung: Tomascbek.
"A^wpo;, auch Aljwpeiov und Ta "A^tapa genannt, moss ans älterer
Zeit stammen, wie der Beiname der Landschaft selbst; filr
paionischen Urspining desselben spricht die Analogie von BüX-
di^iop am mittleren Axios; ftir brigisch darf gelten 'AXwpo? in
Bottiaia, für edonisch FaCwpo? am Pangaios.
Die na(ov£; scheinen ursprünglich vom oberen Axios und
aus dem illyrischen Westen ausgegangen zu sein; das Nach-
drängen der nördlichen Stammesgenossen schob sie der Meeres-
küste zu, wo die phrygischen Stämme sassen. Wenn wir femer
eine solche Vermuthung wagen dürfen, so waren, es bereits
in der entlegenen Vorzeit Paionen, welche die griechischen
und ,pcla9gischeu* Nordstämme einengten oder gegen Süden
drängten; doch iindcn wir zwischen beiden seit der geschicht-
lichen Zeit die Phrygen eingeschoben; schwer lässt sich ent-
scheiden, ob damals Dlyrier, oder ob Thraker stärkere Wir-
kungen erzielt haben. Jedenfalls waren die Paionen den
Griechen als ein fremdes Nachbarvolk seit alten Zeiten bekannt,
und als ein Erobcrervolk treten sie in die Geschichte ein. Vor
der Ausbreitung der makedonischen Hausmacht sollen sie
Herren von Bottiaia und ganz Emathia bis zur Grenze von
Pieria gewesen sein (Strabo VH fr. 38 ; Polyb. 24, 8 : H|juxOta
tb icaXaibv Ilaiovia). Homer weiss sie im Besitze der mygdonl-
schen Axios-ratinde; ganz Mu^SovCa sammt der KpTQcrwvnt/, war
ihnen vereinst unterworfen; als Xerxes vom unteren Strymon
am Halse der Chalkidike nach Therme marschierte, zog er 8ta
•rij^ Oatovtx^^ (Hdt. VH 124). Die thrakische Bisaltia vermochten
sie jedoch nicht zu unterwerfen. Aber das ganze Axiosthal
bis zum pelagonischen Stobi (vetus urbs Paeoniae, Liv. XXXIX
53, 14) hinauf hatten sie inne; weiter zeigt BuXal^cop, das heutige
Weles oder slawische Welica, [>.i'xi(jvfi ouaa x5Xt? t^? IIaiov(a^
(Polyb. V 97, 1), im Namen (mit ßuX- vgl. BuXXt^, Ausgang wie
in "A^wpo^) illyrisches Gepräge; noch weiter dürfen wir die
*'la)po' mit ihrer Burg "Iwpov (Ptol.) oder *'loupa (St. B.) für ein
Volk paionischen Schlages halten. Nach Strabo entspringt der
Axios £x vfi<; riajovia«;, und er nennt die im Oberlande an der
Grenze Dardania's streichenden Bergzüge ti hpri ilociovixi. Ost-
wärts vom Axios boten breite Flussthäler Zugänge zu den
strj'monischen Geländen : das Blachfeld Owöepole mit der Pöinja
und Kriwa, die Brcgälnica oder 'AoTtß6<; der Paionen mit der
Die ftlten Thraker. I. 19
Lukawica^ die Boemia und endlich die Strumica, im Alterthum
ücvio^ geheissen, führten von selbst in das seit Alters von
thrakischen Stämmen besetzte Strymonthal. Die nördlicheren
Thäler finden wir im Besitze der stammverwandten Agrianen,
die südlichen gehörten den eigens so benannten Paionen. Hier
lag 'AcTißo;, das heutige Istib oder ötip, ASTIBO der Itinerarien,
eine alte Veste dieses Volkes; mit dem Wasser des Flusses
salbten die Paionen ihre Könige. Weiter südwärts finden wir
die Burg Aißtjpo?, DOBERUS der Römer, in einem ^schaurigen
Thale', ^ptxaXdov vaxo«; (Addaeus in AP. IX 300), gelegen, dessen
Bewohner Aoßtjpe^ hiessen, — ungewiss, ob das heutige Doiran
oder das im Quellgebiete der Striimica gelegene Radowi§t^;
näher dem Axios zu, sei es an der Lukawica oder an der
Boemia, lag die Burg Aiorpatov, Sitz der AicxpaTot oder Aestrienses
(vgl. den Fluss Aatpa-o; bei Aelian). In den benachbarten
Bergstrichen finden wir zurückgedrängte thrakische Stämme,
Sinten und Maiden; entlang dem Strymon sassen voreinst die
thynischen Thraker oder MaiBoß^ÖJVo:. Wenn diese Herodot
(VII 75) uxb Teuxpöv ts xai Mügäv verjagt werden lässt, so
wissen wir, dass darunter nur die Paionen verstanden werden
dürfen und dass das Ereigniss lange nach Troia's Zerstörung
in die Zeit der kimmerischen Züge fällt. Die paionischen Er-
oberer verbreiteten sich immer weiter in das edonisch-phrygische
Flachland am unteren Strymon, und es gab seither eine natov{a
h\ TW Ltpü|jl6vi xoTafjLcj) TceicoXwpiivt; (Hdt. V 13).
Unter den Sondernamen begegnen hier üato^Xai (Hdt. V 15,
Vn 113), femer Stptoxaiove; (V 15) und ol h itj XiVv>) npaacaSc
xoTotxnr^ixevoi IfaCovei; (V 16). Zu den llaioTzkai könnte man die
TpicxXai vergleichen, nach Hecataeus ein ,thrakisches' Volk
(St. B.), wenn nicht vielmehr ,dreigetheilte' Paionen. Die
Iipto^Äiove^, auch -tppatot genannt (Theop. ap. St. B., C. I. Gr.
Iln^ 2007), Bewohner von llpiq rf^q naiov{r,(; (Hdt. VIH 115),
giengen später in den hier uransässigen Odomantcn auf (Liv.
XLV 4,2); das zugrunde liegende Wort ctpo; werden wir als
phrygisch erweisen. Die Anwohner des ,lauchgrünen* Sees
von Takliyno und Butkowo schildert Herodot als Pfahlbauer
und Fischer; so können wir uns auch die Bistonen am bisto-
nischen See, die Thynen am Derkos, und gemäss einem Relief
der Trajanssäule die Daken des Flachlandes vorstellen; falls
2*
20 rV. Abbandlnng: Tomasche k.
Moocuvo; (s. d. Glosse piojauv) der echte Name jener Pfahlbau-
ansiedlung war, so weist derselbe auf phrygische Ursassen, die
von den Paionen unterworfen waren. Man glaubt ein zweites
A6ßY)po^ am Fusse des Pangaios ansetzen zu dürfen, wegen der
im Pilgerbericht m. p. VII Amphipoli vik Philipp! erwähnten
mutatio DOMEROS, worin m aus b entstanden sein kann wie
in 'A|jLüOtov aus Wßu^wv. In der That wird dieser edonische Ort
eine Gründung der illyrischen Paionen gewesen sein: Asßtjpo?,
AofjLTjpoc ist abzuleiten von der Wurzel dhub- ,vertiefen'; vgl.
gall. dubno-, dumno- ,tief , lit. dauburk slaw. dtbrt ,Bergschlucht,
Tobel^ Aber die AoßYjps; bei Herodot (VII 113 in einer unbe-
stimmt gehaltenen Fassung, V 16 in einer eingeschobenen Stelle)
sind jedenfalls Bewohner des oben erwähnten Hochthaies.
Mehrere Burgen des Edonenlandes werden hie und da den
Paionen zugewiesen, deren Macht sich zeitweilig bis zum bi-
stonischen See erstreckt hatte, wie denn auch Ilaiwv als Bruder
des Ares-sohnes Bt(jTO)v auftritt (St. B.); darum brauchen aber
die Paionen noch nicht ftlr ein teukrisch-phrygisches Volk zu
gelten.
Ungefilhr vor dem Skythenzuge des Dareios hatten die
strymonischen Paionen einen Feldzug gegen die Perinthier am
Hellespont unternommen (Hdt. V 1); eine ähnliche Unter-
nehmung gegen Kardia ^ird den Bisalten zugeschrieben. Die
strymonischen Paionen sollte mit Weib und Kind 506 Mega-
bazos nach Asien überführen; es gelang dies mit den oberen
Stämmen, nicht jedoch mit jenen vom Pangaios; die Colonen
erhielten einen Strich in Phrygien zugewiesen, den meisten
glückte es über Chios Lesbos und Doriskos ihre Heimat
wiederzugewinnen. Dem Zuge des Xerxes schlössen sich
Haufen von Paionen an. Ihre Freiheit bewahrten sie im Ober-
lande bis auf Philipp und Alexander; zunächst unter ihren
eigenen Fürsten stehend leisteten sie den Makedonen Heeres-
folge, seit Vertreibung des Ariston durch Lysimach ca. 284
wurden sie reine Unterthanen, BsuXot (Hesych.); doch erhoben
die Dardaner Anspriiche auf Paionien. Wir hören dann be-
ständig von Einfilllen der Dardaner, Skordisker und der thra-
kischen Bergstämme, die sich zuletzt immer weiter auf Kosten
der Paionen ausbreiteten, so dass dieses Volksthum im Inland
völlig verschwindet; was den Thrakern nicht zugefallen war,
Die alten Thraker. I. 21
wurde hellcnisirt. Einmal noch erscheinen Paionen als Ansiedler
auf thrakischem Boden südlich vom Hacmus, nämlich in Bcroe,
wohin Traianus Tx£p::aiova<; gezogen hatte. — Appian hat die
Paionen, bloss wegen ihrer Namensähnlichkeit mit den Pan-
noniern, als cl xaTw [laicve; ohneweiters unter die Dlyrier ein-
gereiht. Aber auch sonst werden sie geni den südlichen illy-
rischen Stämmen als sövo; ßapßopixöv (Hesych.) beigezählt; z. B.
Cram. An. Ox. IV p. 258: w^ W(; "EXXiqai 'IXAupiot xai Uoiiove^ xal Tow-
XivTtoi y.al 'Ativtovc^ ßapßapfl^eiv SoxoOsi. Es scheint dies das Richtige
zu treffen; die alten Genealogien von llaiwv mögen sich bloss auf
die Pelagonen beziehen. Ueber Psyche, Sprache und Sitten
dieses Volkes wird nicht viel überliefert. Von den unterworfenen
phrygischen Stämmen haben sie den Cult des Dionysos (AjaXo;)
imd der edonischen Artemis (Hdt. IV 33) angenommen; auch
die Silenen (AsuaSai) stammen daher. Die Pelagonen vermittelten
ihnen den Apollo; ausserdem verehrten sie den Helios in Form
einer Scheibe. Ihr Land war reich an Gold; selbst an der
Bodenfläche wurde aurum talutium gefunden. Am Flusse
Pontos gab es Braunkohle (cxTvo;). Im Kesselthal von Doberos
und im waldreichen Orbelos wurde der Wisent (ßivaado;) erlegt;
aus den Hörnern tranken die Könige. Man trank Gerstenbier
und verschiedene Pflanzendecocte (ßpuio;, irapaßtir), tcTvov). Von
den Thrakern stammt wohl die Sitte, dass, wer einen Feind
erschlug, den Schädel zum Könige trug und dafUr mit einem
goldenen Becher belohnt wurde; illyrisch dagegen war der
Brauch der Blutrache. Gerühmt wird der Fleiss der paionischen
Weiber, wenn nicht vielmehr edonische von Strymon zu ver-
stehen sind (Hdt. V 12): die Jungfrau in Sardes tränkte das
Ross und führte es am Zügel, trug den Wasserkrug am Kopfe
und spann den Leinfaden, Alles zu gleicher Zeit.
Zu den Paionen werden ausdrücklich die 'Aypiave^ (sing.
Avptav^ wie 'Axt-zrav etc., makedonische Form) oder 'AYp^at (sing.
'Afptac) gerechnet; mitunter werden beide wie zwei verschiedene
Völker neben einander gestellt, so bei Arrian (I S, I. 14, 1.
II 7, 5) und Livius, von Neoptolemus (ap. St. B.: Datova; tqB'
A-]fp'.aya<;) und Strabo, welcher (VII fr. 41) berichtet, die Paionen
hätten auch das Land der Agrianen unterworfen. Wahrscheinlich
waren die Agrianen ein Brudervolk, aber zu bedeutend, um
fiir eine blosse Unterabtheilung zu gelten. Wir finden sie zuerst
22 IV. Abhandlung: Tomasch«» k.
bei Herodot (V 16), aber in einer sichtlich eingeschobenen
Stelle. Sicheres bietet Thucydides (II 96 fg.): ,Sitalkes rief
bei seinem Zuge gegen Perdikkas (429) die ihm unterworfenen
eövr, U<x(ovixa, nämlich die 'AYpiave; und die Aatoioi (vgl. St. B.
Aatatot • 20vo^ [laiovixöv,) zu den Waffen; der Strymon fliesst Ix
Tou Sxofjißpou 5pcu^ IC 'AYpifl^v(i)v (codd. FpoiaCwv) xal Aata{ü>v; von
Byzantion bis zu den AaiaToi und an den Strymon braucht ein
rüstiger Fussgänger 13 Tage'. Nach Strabo entspringt der
Strymon ex Iloeiovtat; 5 nach Stephanus sassen die 'A^ptat • f6vo^
OacovCaq fxeTa^l) AT[jloü y.at 'PoBötuyjc, also am oberen Skios und
Hebros. Der Skombros ist der heutige Ryla-stock; hier hausten
nach Sophokles (St. B. v. "Aßpot, Hcsych.) 2x6ixßpoi • öpoxtov gOvo;.
Die Aa'.aTs'. (vgl. die illyr. Eigennamen Lavius, f. Lavia) setzen
wir östlich vom Ryla, die Agrianen vom oberen Strymon west-
wärts bis zum Owße-pole am Axios, wo sie an die Dardaner
stiessen; südwärts umschlossen sie die thrakischen Maiden,
nordwärts die Dentheleten. Wahrscheinlich erklärt sich ihr
Name aus aYpc<;, agcr, als a^ptot ,auf dem Felde wohnende*;
vielleicht ist damit, trotz 6. Meyer's Einspruch, alb. 6gr^
,agre8tis, silvaticus' verwandt. Wie die übrigen Paionen, wurden
sie von Philipp und Alexander dem makedonischen Reiche
einverleibt, unter Belassung ihrer Stammeskönige; damals war
Ad^Y^apo; (Arr. I, 5, 2 ff.) Fürst — ein echt-illyrischer Name
(vgl. Longarus rex Dardanorum, Liv.). Als Bewohner der
Blachfelder, die in ständiger Fehde mit den thrakischen Berg-
stämmen lagen, waren sie zu leichtem Felddienste vorzüglich
geeignet; wir finden sie im makedonischen Heere als axovrioraf,
(jjevSovi^ai, u^racxiorai, bewaffnet mit der aov^^y) oder dem ax6vTiov;
vgl. Hesych. 'AYptove; • -ziXoc xt rr,^ xou^y;? cuvxa^sti);, ex tii; 'A^ptova^j^
*/(i>p(z^ Ilatovwv. Eine eigene Ta;'.c, aus Agrianen bestehend, hiess
'AYpiavtxbv dbt6vitov. Sie werden in allen Kämpfen der make-
donischen Zeit bis 160 v. Chr. erwähnt, und Appian (Illyr. 14)
rühmt von ihnen: 'AYpiave?, o\ t^t [ki-^icrza 0tX{7nco) xai 'AXe^avSpw
xaxepYÄ^^tfjievot, llaCove^ etat twv xaxo) Iloetövcjv, 'IXXupiOK; Ittoixo*.. Sie
fühlten sich den Autariaten weit überlegen: dieses gleichfalls
illyrische Volk, ursprünglich im Inlande zwischen der Narenta
und dem Drin sesshaft und hier seit 370 durch Kelten gedrängt^
hatte zwar die Triballer im Mora wagebiet unterworfen, wurde
jedoch zum Auszuge gezwungen; Langaros schlug sie 334 zurück;
Die alten Thraker. I. 23
Kassandros aber siedelte nachmals (ca. 300) 20,000 durch
Gralater verjagte Autariatenfamilien in Orbelos an. Die
überaus starke Heranziehung dieses Volkes zum Felddienst
und die Uebermacht der Bergthraker scheinen es erschöpft
und aufgerieben zu haben; seit 160 erscheinen nur mehr thra-
kische IVIaiden und Dentheleten an der Oberfläche. Nun müssen
wir uns einem Volke zuwenden, das einen hochberülimten
Namen trägt und lange Zeit eine mächtige Rolle gespielt hat.
Die Aopoavot, auch A2p$avET(; und AapBaviaiat genannt, wohnten
vom Oberlaufe des Axios entlang und zwischen den beiden
oberen Flussläufen der Morawa bis zu deren Vereinigung im
zelioy xb TpißaXXtxov. Die älteren Griechen kennen dieses Volk
noch nicht; zum erstenmale wird es ausdrücklich a. 284 genannt,
und mächtig tritt es seit den Galaterstümien hervor. Agathar-
chides von Knidos wusste zu berichten (Athen. VI p. 272, d),
dass unter den Dardanem eine zahlreiche leibeigene Bevölke-
rung lebe, gleich den zpooTceXötrai unter den Ardiaiern Illyriens;
es scheinen hier zwei illyrische Schichten, eine ältere und
jüngere, verkörpert durch adelige Grundbesitzer und hörige
Bauern, zusammengeflossen zu sein. Als Lysimachos den
Paionen Ariston des Thrones beraubte (284), entfloh dieser zu
den, wie es scheint, stammverwandten Dardanem (Polyaen. IV
12, 3). Dardani repetebant Paeoniam, quod et sua fuisset et
continens esset finibus suis (Liv. XLV 29, 12); sie fielen dess-
halb ständig in Makedonien ein, Dardani gens semper infestis-
sima Macedonibus (vgl. lustin. XXIX, 1, 10). Zur Zeit der
KelteneinfUlle unter Ptolemaeus Ceraunus (ca. 280) war Mevojvio«;,
Monunius (vgl. alb. menune ,minutus'?) König der Dardaner
(Trog. Pomp. prol. XXIV); er bot damals, obwohl verfeindet,
dem Makedonerkönig 20.000 Bewaflnete an, die dieser jedoch
zurückwies (Just. XXIV 4, 9). Später finden wir Antigonus
im Elampfe mit dem Dardanerkönig Mutiao(;. Um 239 fiel
A6yyapo<;, der sammt seinem Sohne Böctwv einen illyrischen Namen
trägt, in das Gebiet des Demetrius 11. ein. Wie die Personen-
namen, so verrathen auch die Ortsnamen illyrischen Charakter,
z. B. OuevSevi; (alb. wend pl. wend^na ,situ8, positio, domiciUum'),
Oi)6XXay{(;, 'Apptßovrtov (vgl. 'AppißaToc, Fürst der Lynkesten, und
'\pußßa<;, Fürst der Molossen). Der von Strabo vermerkte
Hauptstamm der Dardaner im Gebiete von Skupoi, nämlich
24 tV. Abhandlang: Tomasehe k.
die raXaßpio!, darf trotz der anlautenden Media ^ die auch im
Albanischen nicht immer scharf von der gutturalen Tenuis
unterschieden wird, mit den iapygischen KaXaßpot verglichen
werden; der Name der Bouvokai, welche den thrakischen Maiden
zunächst benachbart waren (Strabo VII, p. 316), Hesse sich
zwar aus alb. öüene-t^ ,fracti, rupti, conversi' deuten, es
kann aber auch die illyrische Form eines dort sitzengebliebenen
Restes der thynischen Thraker oder MatBoßiOuvoi darstellen.
Mit Mühe gelang es den Römern, dieses mit der make-
donischen Taktik wohlvertrauten Volkes, das gutgeordnete und
schwerbewaffnete Heere aufstellte (Liv. XXXI 43) und seit
der Einrichtung der makedonischen Provinz (147) unablässig
Einftllle machte, Herr zu werden. Gegen die Dardaner kämpften
mit wechselndem Glücke Vulso (07), C. Sentius (92 — 81) und
Sulla (85) ; Ap. Claudius (76) erbitterte sie durch harte
Erpressungen; C. Scribonius Curio (75 — 73) bewältigte sie mit
den grausamsten Mitteln: Dardanorum ferociam, in modum
Lernaeae serpentis aliquotions renascentem, hoc genere poenarum
exstinxit, ut primoribus raanus incideret residuosque supplicio
capitali multaret (Amm. Marc. XXIX 5, 22). Doch brachten
sie (62) den Consul C. Antonius so sehr ins Gedränge, dass er
ihr Land schleunigst räumen musstc, um sich bei den Moesen
ähnliche Schlappen zu holen. Ihre Einftllle wies L. Calpumius
Piso (57) erfolgreich zurück; wir finden dann (48) Dar-
daner als Hilfstruppen im Heere des Pompeius; später (39)
trieb sie Antonius zu Paaren, und unter Augustus (27) siegte
M. Crassus über alle Grenzvölker, namentlich die Bastamer,
welche bis Dardanien eingefallen waren. Sie bUeben seither
ruhige Provincialen , welche der Viehzucht, dem Berg- und
Ackerbau fleissig oblagen.
Von ihrer alpinen Wirthschaft legt der cascus Dardanicus
Zeugniss ab, der neben dem caseus Docleas Ruf genoss. Die
Gruben in den campi Dardanici (bei Janjewo und Kratowo)
sowie im Bergstock des Kopalnik standen schon damals im
Betriebe; Plinius (XXXIII 39) rühmt das aurum Dardanium,
und wir besitzen noch jetzt Münzen aus der Zeit Trajan's mit
der Legende DARDANICI. Auf diesen erscheint eine Frau
mit Aehren in der Rechten; ausser den Cercalien fand der
Hanf besondere Pflege, und es werden grobe dardanische Stoffe
Die alten Thraker. I, 25
erwähnt. — Von dardanischcn Göttern wird uns, rait Ausnahme
des deus Andcs (Inschr. v. Kaöanik; vgl. alb. jlnde ,Blume^ und
ände ,Lust, Freude*), Nichts überliefert; von ihrer Sprache sind
blos zwei Pflana^nnamen bekannt. Das Volk war als schmutzig
verrufen, von einem Schmutzfink hiess es sprichwörtlich xpi; tou
ßtoü XeXouToi ^oicep AapJaveu;. Sie sollen in Erdhöhlen gehaust
haben, die sie mit Dünger zudeckten — wie dies noch heut-
zutage hie und da an der unteren Donau der Fall. Doch wird
ihr Sinn für Musik hervorgehoben: sie hatten Flöten und
Saiteninstrumente (Strabo VII, p. 316). Plinius nennt sie eine
fera gens. Aus den latrones Dardaniae machte M. Aurelius
Soldaten und Häscher (SitoYiAiTat). Die illyricianischen Truppen,
darunter Schaaren von Dardani, nahmen in der s])äteren Kaiser-
zeit, namentlich seit Diocletianus, eine entscheidende Stellung
ein; das Christenthum hatte im Lande Wurzeln gefasst und
lange vor 400 war die Romanisirung vollendet. Der Landes-
name erhielt sich bis in die slowenische Zeit hinein; ca. 676
flohen die Provincialen der nördlichen Eparchien, zumal ex
AipB<nr(a^, vor den Fremdlingen nach Thessalonich (Acta S. De-
metrii § 169. 195); a. 602 wird nahe den Donau-xaToppdxiai ein
xXda? -rij? AapJarna^ erwähnt (Theophyl. Sim. VIII 5, p. 322)-
Gewiss waren auch Dardaner an der Bildung des ostromanischen
oder jwlachischen' Volksthums betheiligt; hatte sich doch das
thrakische Element mit dem illyrischen an der Grenze von
Dardanien gemischt, wie man z. B. aus dem Ortsnamen Aap5a-
xipa erkennt, worin thrak. -para mit dem dardischen Volksnamen
sich einigt. Ein altes illyrisches Volk im iapygischen Daunien
nannte sich DARDI (Plin. III 104); die Dardaner selbst hat
V. Hahn, vielleicht nicht ganz ohne Berechtigung, als ,Birnbaum-
pfleger, Landbauer' gedeutet (vgl. alb. därdh§ ,Birnbaum',
dardhän ,Bimbaumzüchter').
In der Dias erscheint Aap3avo<; als Ureinwohner des Ida-
gebirges und Gründer von Dardania, bevor es noch eine Ilios
gab; es scheinen demnach die troischen Dardaner, zu deren
Geschlecht Aineias gehörte, den iiltosten Theil der Bevölkerung
neben den Tpws; oder, wie man seit Kallinos sagte, den TsOxpe^
darzustellen. Lediglich wegen der Namensglcichheit haben
schon die Alten die illyrischen Dardaner für Trojaner erklärt.
Der römische Kaiser Claudius (268 — 270), vir Illyricianae gentis.
26 IV. Abhandlang: Tomasche k.
in Darclania geboren, fülirte seinen Stamuibaum auf Aus und
Dardanus zurück (Treb. Pollio 11, 3). Bei Solinus (11 51)
heissen die Dardani liomines ex Troiana prosapia in mores
barbaros efferati*. Aber, was die Namensgleichheit betrifft, so
kann diese trügen: so kennt Horodot (I 189) am Gyndes ein
Volk AapSovie^, wahrscheinlich kurdischer Abkunft; im west-
lichen Kaukasus, nahe dem Kuban, gab es AavSopiot, die wahr-
scheinlich zu den Kspxixai (Öerkessen) gehörten. Wie die
Teukrer, so waren auch die Dardaner Troias kleinasiatische
Aboriginer; sollte wirklich ein Zusammenhang der troischen
Dardaner mit dem illyrischen Volke stattgefunden haben, so
werden wir wenigstens annehmen müssen, dass sie aus Europa^
der Heimstätte der lllyrier wie aller Indogermanen, gekommen
waren, nicht umgekehrt.
Schon das Alterthum brachte bekanntlich die adriatischen
Veneter mit den homerischen Enetern Paphlagoniens , den
Nachbaren der Kaukonen, in Verbindung. Auch Neuere haben
sich dieser Ansicht mit Eifer angenommen und gemeint, dass
zuerst die Veneter, hinter diesen die Dardaner, zuletzt Mysen
und Teukrer (= Paionen) aus Kleinasien zogen und stufen-
weise zwischen der Adria und dem Hellespont sich lagesten.
Das Ganze sieht bestechend aus; aber auch bei den Venetem
spielt die blosse Namensähnlichkeit die Hauptrolle. Die paphla-
gonischen Eneter, will man sie nicht umgekehrt für uralte Meta-
nasten aus Illyrien halten, müssen für kleinasiatische Aboriginer
gelten; nach Hecataeus, welchen Zenodot citirte, stammten die
Eneter ex Asüxocupwv und soll 'Even^ der leukosyrische Name
für das spätere (aus armen, amis ,Mond' gut deutbare) *A|Ma6;
gewesen sein; ein Demos bei dem karischen Milet hiess 'Evviqto(
(Le Bas IH, Nr. 219) und selbst Bivvexo? wird als karischer
Name bezeugt (auf lasos Nr. 287). Die adriatischen VENETI,
welche schon Herodot als lllyrier hinstellt, dürfen wir keines-
falls aus Asien herleiten, da das illyrische Volksthum aus dem
mittleren Donaugebiet stammt; als Personenname tritt Venetus
allenthalben auf dalmatischem Boden auf. Es gab sogar an der
Nordgrenze Makedoniens, zu Seiten der Dardaner und Triballer,
'EvgTci, welche etwa die Metöhia von Pek' inne hatten und flir
eine nach Südost vorgedrungene Abtheilung der Dalmaten
gelten müssen. Als im Jahre 85 Sulla in Verein mit C. Sentius
Die alten Thraker. I, 27
gegen die Grenzvölker zu kämpfen hatte, unterwarf er (App.
Mithr. 55) 'E^nzyjq xal AopSavea^ xal ZtVTcbi;, rsptoixa MaxeBövcov
eOvtj, ouvexö? iq Maxe5ov{av eixßaXXovra ; Eutropius nennt an Stelle
der Eneter Delmatae. Plinius filhrt in der Reihe der illyrischen
Völker Enedi an. Nach einer alten Quelle gab auch der voll-
ständigere Text des Stephanus von diesem Volke Kunde; vgl.
Eust. ad. B 852: ^jv ^k %a\ lOvoc icapa TpißaXXoT<; 'EvetoC. Mit Un-
recht berufen sich die Anhänger der ,teukrischen' Abstammung
der Paionen und Dardaner auf diese dalmatischen Veneter. Alle
Völker der Haemushalbinsel gehören von Haus Europa an;
dies gilt auch von der paionisch-dardanischen Gruppe; Klein-
asien war die Urheimat allophyler Aboriginer — wenn es hier
indogermanische Intrusionen gab, so sind dieselben aus Europa
gekommen, nicht umgekehrt.
n. Die phrygifloh-mysisohe Gruppe.
Als Eugammon seine Telegonie, die Fortsetzung der
Odyssee, dichtete (ca. 565 v. Chr.), war noch die Erinnerung
an eine Zeit lebendig, in welcher Epirus von phrygischen
Nordstämmen bedroht war; der Dichter Hess Odysseus aus
Ithaka ausziehen und die Königin der Thesproter zur Frau
nehmen; iicstia tc6X6|xo? aüvCcjTarat xot^ ©eaicpanov? itpo^ BpO^ou;. Wie
in Troia, so standen auch hier auf Seiten der Barbaren Ares
und Apollon, und das Heer der Thesproten wurde trotz der
Beihilfe Atheners und Odysseus* Führung gänzlich aufgerieben
(Proclus, ehrest, gramm.). Auch die Argonautensage (Ap. Rh.
rV 330, 470) kennt dieses Volk auf zwei Ubumischen Inseln
(Kerkyra und Paxos? Apollonius dachte an die Absyrtiden,
welche zu weit nördlich liegen), Bpu^ritte? vi^oi, mit einem Tempel
der Artemis, den die Bpövot des Festlandes errichtet hatten. Es
haben sich also diese Brygen zwischen die Chaonen und Thes-
proter in das Alluvialland am Thyamis oder Kammos gewaltsam
eingeschoben. Den kyklischen Nöoroi zufolge soll "EXevo;, Sohn
des Priamos, über Kikonia und Makedonia nach dem Lande
Ka(&|iav(a • fjiotpa ßtoTzpioxiotc (benannt nach dem Flusse KapnjLo?,
nach Serv. ad Aen. V 333 nach dem Fürsten Kajjiro;) gekommen
sein und mit Keorpta, der Tochter des Kampos, den Kestrinos
erzeugt haben, nach welchem das Land den Namen Kecxplvr^
!^8 IV. Abhandlung: Tomaschek.
erhielt; Helcnos galt zugleich als Gründer von BoüOpwTS^, wo
auch ein Xc^o^ stand^ Tpcia xaXoufJievo^, u> tcots Tpioe^ arpaioxs^)
expT^iffavTo (Dion. Hai. I 51; vgl. St. B. Tpsi« • ic6Xt(; ev KeorpCa x^^
XoovCat;; Varro ap. Scrv. Aen. III 349), und als Gründer von
"IXtov am Flusse Thyamis (St. B. vgl. Liv. XXXI 27), etwa
in der Lage des heutigen Ortes Philiätes. Das können helle-
nische Neugründungen gewesen sein, nach dem Muster der
berühmten homerischen Namen; Anlass dazu bot das vormalige
Vorhandensein der Brygen, die man sich aus Troia gekommen
dachte; und dass man gerade Helenes zum Landesheros machte,
wurde durch die Namensähnlichkeit mit den "EXivot • l6vo? 0ea-
TCpwTtxov in der 'EXtvta tq /wpa (Rhianus ap. St. B.) verursacht.
Verfolgen wir die brygischen Spuren weiter hinauf ins
Inland. Ueber den Illyriern, zwischen dem Lychnitissee und
den EYxeXsict, hausten nach dem sogenannten Skymnos (v. 434,
437) BpuYOi ßfltpßapot, die also weder Ulyrier waren noch Hellenen.
Aber auch östlich vom Lychnitis, am Oberlauf des Erigon und
am Pylonpasse des Gebirges Bopvout;, zwischen den Lynkesten
und Deuriopen, gab es nach Strabo (VU, p. 327) Bp^you Hier
vermerkt der Pilgerbericht eine mutatio Brucida, m. p. XIII
Lychnido, XIX CÄStris Parembole, finis Epiri et Macedoniae,
worin bereits Wesseling BRUGIADA erkannt hat, d. i. BpuYti^
(St. B.); Stephanus kennt auch einen Vorort Bpi^iov (Ew. BpuYtot,
Bpu^ieT«;) des Volkes BpSyat * 2övo<; Max£Sov{a^ ^rpocex«^ IXXüpioiq, und
führt aus Herodian die Formen Bpu5, f. BpuY»';, an. Auf deurio-
pischem Gebiet lag nach Strabo die brygische Ortschaft KuBpai
(vgl. KjBpap«, Grenzort zwischen Lydien und Phrygicn bei
Herodot). Aber noch weiter ostwärts, in die Bergstriche von
Emathia, führen uns herodoteische Angaben. Als Mardonius
493 durch Thrakc und Makedonien zog, eriitt er zuletzt starke
Verluste durch die Bpu^oi 0pT^txs(;, welche sein Heer bei Nacht
überfallen hatten (VI 45); die Sitze dieses ,thrakischen' Volkes
ergeben sich aus der Reihenfolge der Stämme, welche sich 480
dem Xerxes anschlössen (VII 185): Boirtaiot xal Bp^yot xal iliepc^
xal Max£56v6(; xai iieppaißoi. — Wenden wir uns vom Lychnitis
weiter hinauf gegen Nordwest, so finden wir auch hier einen
Zweig der Brygen. Strabo p. 326 führt zwischen ApoUonia
und den Kcraunien und zwischen Epidamnos folgende Stämme
von Süd nach Nord an: BuXXiove; ts xal TaüXavTiot >wil nap6ivo(
Die alten Thnker. I. 29
xorj Bpu^oi, diese letzteren also ganz nahe an Dyrrachion. Dazu
stimmt sehr gut die Nachricht bei Appiau (B. civ. II 39): xpovo)
5s T^; T6 x*^?*^ ^*^ '^i*5 Auppoyiou ttsasw^; xoreor/ov Bpi-^eq^ i% <l>püYd)v
STcavsXöivre^, xat £•::' Ixsivoic TauXavTtot 'IXX'jpi/cv lOvoi; — nur dass
hier statt Bpirpt oder BpuYot die Form BptY£^ auftritt.
Nur in seltenen Fällen (Meyer, Gr. Gr. 91) setzt der
Grieche t ftir u ein; aber, wie dem Phrygischen (vgl. Bpuava und
Bptava), so muss, wenn es erlaubt ist, aus den heutigen alba-
nischen Dialekten einen Schluss für das Alterthum zu ziehen,
namentlich dem Illyrischen und wohl auch dem Makedonischen
der Uebergang von t/, ü zu i von Haus aus eigen gewesen
sein — gerade in solchen Kleinigkeiten erweist sich die orale
Disposition auf die längste Dauer beständig. Wir wissen, dass
das Griechische in Makedonien fremdartig ausgesprochen wurde,
indem theils die illyrische, theils die phrygische und thrakische
Sprachanlage der Untergebenen durchdrang; so erklärt sich
auch das Auftreten der makedonischen Form BpiY€<;. Die
Phrygen selbst haben sich in Kleinasien nicht anders als BpüYs?
oder Bp'Ysc benannt. Die Griechen jedoch haben seit Alters,
vielleicht schon zu jener entlegenen Zeit, als sie westlich vom
Axios hart neben phrygischen Stämmen sassen und als noch
die ursprüngliche Media -Aspirata hh deutlich gefühlt wurde,
zuerst Bhrug-, Bhrüg-, sodann gemäss der Lautverschiebung
Phrüg-, *l>puYEc, ausgesprochen; nur die epirotischen Stämme
haben flir die ihnen benachbarten Brygen dieselbe Form mit
i- Anlaut beibehalten, welche bei Phrygen und Makedonen,
welche die Media-Aspirata regelmässig in die einfache Media
umsetzten, üblich war. Der Name lässt sich mit aller Wahr-
scheinlichkeit als jhomines frugi' deuten, von Wurzel bhrüg :
bhrüg ,brauchen'; in Bp^oi, BpÖYai tritt langer, in <l>puY£?, BpuY«;
oder BpuYot, sowie in Bp^Y^;, kurzer Stammvocal hervor. Auf
kleinasiatisch-phrygischem Boden sind folgende Formen bezeugt:
EptY^a • V} TpwVxT^, i^ ^püY^a, aizh Bpt'YOU tou xaT0tx'i^(7avT0<; ev Maxs^ovia
(St. B.). Für <l»pj; wurde Bp'4 gesagt; vgl. Hesych. Bp^Ys? ' o'i
^h <^pÖY€^, ot 31 ßapßxpot, et ok coXoixtciai. Mißa^ Be uicb AuBtov axo-
9a(v6Tai ßpiY« X6YS<JÖat xbv eXe^Oepov. Dazu hatte man die Glossen:
3p6xoq * ßipßapo^y ßpix6v * ßipßapcv, Kdizpioi, ßpfxsXoi ' ßocpßapct; endlich
die BpiY6<; xal BpiYavtec, ot crTpaieuoiJLSvot oixeiat, im Heere des
Brutus (Plut. Brut. 45). Wenn die Brigen als ,unverständlich
30 I^« AbhaodloDg: Tomftschek.
sprechende' oder ,8cmibarbari' bezeichnet werden, so gilt dies
iUr die hellenische Zeit, als alle Kleinasiaten anfingen sich des
Griechischen in ihrer Weise zu bedienen. Wenn Juba das
Wort aus dem Lydischen d. h. Maionischen deuten will als
, Freie', so bezieht sich dies auf die maionisch-phrjgischen Frei-
sassen und Grundbesitzer, im Gegensatz zu den dienenden
Lelegem, Minyorn und Karern; ßpi^s? ist dann Eigenname,
keine echte Glosse, und am allerwenigsten darf man dabei an
got. frei-s ,frei' und frik-s ,frech' denken. Es bleibt also bei
der Deutung ,homine8 frugi'.
Die Gleichung Bp^fe? * ol ^püfe? wird von den Alten oft ver-
merkt; am gewichtigsten ist der Ausspruch Herodots (VH 73):
Ol Se <l>p6Y6^, w; MaxsB6ve^ XsYOüffi, exaXeovto Bpi^e^ /P^vov 5oov Eupcn-
7r/|(ot e6vT£{ ouvoixot v^ov MfiaeSöci, (JLSTaßavreq hk eq t^v 'Ao(v)v &{ia t^
XwpTfi xal Tb oüvojjL« iiL€T^ßaXov ^ ^p(jr{a<;. Aehnlich Strabo p. 296:
xal öWTol 3' 01 ^p6Ye(; Bpi^e; eiffi, Opdhttöv ii lOvo^; VII fr. 27: ib
Bsp;jLtov 6po^ xpÖTcpov xorreTxov BpC^s? öpaxwv lOvo^, &v xtvc^ Siaßivxe^
6t<; Tijv 'AcCav 4>puYg^ fjieTü)vo|iLac6Y)cav. Diese makedonischen Brigen
dürfen von jenen illyrischen Brygen in keiner Weise getrennt
werden; gebraucht doch Herodot, wie wir oben sahen, fUr diese
Brigen die synonyme Form Bp6Yot, wie umgekehrt Appian fllr
die Brygen von Dyrrachion die Form BptYs?. Wir sehen also
einen langen Gürtel phrygischer Intrusionen zwischen dem
thermäischen Gotte und der Adria, zwischen den griechischen
Stämmen von Epirus und Thessalien und den illyrischen Völkern
des Nordens. Von den Brigen des emathischen Landes aber
wusste die makedonische Sage Manches zu erzählen; es be-
gegnen hiebei die Silenen (XauaSai), Dämone der Springquellen,
ebenso Midas, Sohn des Gordios und der Göttermutter, der
Dämon des Natursegens und des Ueberschwangs in Feld und
Flur — Namen, welche, gleich jenen der metallurgischen Dak-
tylen, dem ältesten Volksglauben der Phrygen angehört haben
und nicht mit Nothwendigkeit gerade und einzig auf Asien hin-
zuweisen brauchen. Wenn diesen jedoch der Name des Orpheus
angefügt wird, so wäre dies bei der Nähe Pierias an und fUr
sich nicht aufiUlUg; wegen der späten Erwähnung jedoch wird
der Verdacht rege, dass hier eine Zuthat der Geschichtschreiber
Ephoros und Theopompos vorliegt, hervorgerufen durch die
Sagenklitterung der orphischen Mystiker. Das Auftreten des
Die alt«n Thimker. I. 31
Midas auf makedonischem Boden rausste jedoch bei Vielen die
Ansicht erzeugen, dass die Brigen aus Asien stammen, dem
Hauptsitz der Phrygen und der Midassage; folgerichtig Hessen
sie dann auch Lydier und Mysier mitwandern. So dichtete
Euphorien (schol. Clem. Alex. IV, p. 96 Kl.): wxäTto 8i xb waXatov
^ *£S€a9a xmo ^puYcov xai Au^ci^v xal tcov [uzol MiSou 3iaxo(Jiio6ivTCi>v
&.<; ttjv EüpuMOQv. Hellanikos nannte, wenn die Angabe (Const.
Porphyr, de them. II 2 nach dem vollständigeren Text des
Steph. Byz. v. MaxeBov^a) nicht etwa verkürzt lautet, überhaupt
nur die Mysier: MoxeSive^ fjiovot [kizk Mi>au)v TÖie oixoüvtc(;. Von
der Wanderung des Midas aus Asien über die edonischen Lande
spricht auch Nikandros (Athen. XV, p. 683 b): xpwT« (jlsv 'Q3o-
v(y]68 M{3i)q Sicep 'Aaido^ ^JT* I X^i^ciiv ev rX-^poiai avsTpe^ev 'Hf^aOiotaiv |
«i^ i^ l^xovxa 7c£pi5 KOjjLÖwvT« Tcen^Xot?. Diese p6Ba, welche die
Hakedonen mit einem phrygischen Worte aßa^va nannten
(Hesych.), hiessen auch IxoTovrd^jXXa, und sie gediehen prächtig
im edonischen Pangaios (Theophr. H. plant. VI 6, 4); die
Rosengärten des Midas begegnen schon in der Stammsage der
Argeaden (Hdt. VIII 138): wxridav TteXa? xöv xi^j^cov twv a6yo-
|jiv(i>v etvat M{$6(i> tou ToplUta, ev xoi^i ^sxat aeuT6|ii.aTa ^63a, Sv Sxaarov
l^ov ^|XO'/Ta ^aXo, i$(jLY) TS u::sp9ipovta xcjy d[XX(i)V. ev Touxdtai %a\ 6
StXTjvb^ T0i9t xVjTToiai ^X(i>, 0)^ XeYSTai urcb Maxs$6vü>v. \jn:kp Ik T(dv xi^iccjv
xierat to Bspfjiiov 5po(;. Konon lässt, in Uebereinstimmung mit
der makedonischen Sage (Hdt. VII, 73), Midas umgekehrt nach
Asien auswandern: Milaq Otjocscupoi TcepiTu/cov d6p6ov e^ tcXoutov iip^
xött, 'Opf€Ci>^ xaxa iltipetov xb 5po; dhcpooTY;? y^^^P'^^ö?? ^oXXat? tix^^ai^
Bpi^ciiW ßoaiXeuei, c^; (^xias (/ko xtd Bsppifa) 5p€(, 'TcoXuavOptoxotGhou; 5vTa^.
ZetXvjvb^ TCspl xb Bspfxiov 5po; c^^Or^. iTceixa Mt3a^, Tcstaa^; xb u^n^xoov
Äic' Eüp<i>xir)^ SiaßYjvac xbv 'EXXt^cxovtov, Cwtsp MuaCov (i)xiae, ^p\)^aq dvx:
Bprfcöv [i£xovo[Jiao6cVxa^.
Für uns hat die Frage, ob die Brigen aus Grossphrygien
stammen oder ob umgekehrt die asiatischen Phrygen aus Make-
donien ausgewandert waren, keinen Sinn, keine Bedeutung;
wir nehmen vielmehr an, dass es einst eine Zeit gab, wo die
phrygische Nation geschlossen die Räume südlich vom Haemus
imie hatte; von hier aus zog, entweder durch Nord Völker ge-
drängt oder dem Zuge nach dem wärmeren Süden folgend, die
Hauptmasse als Eroberervolk in das allophyle Kleinasien ein,
wie nachmals die Galater; die westlichen Stämme jedoch, welche
32 TV. Abhandlung: Tomaschek.
zurückgeblieben waren, wurden durch die Invasion der thra-
kischcn Völker, der Maidobithynen, lange vor der Ausbreitung
der Paionen über den Axios hinaus, dem emathischen Küsten-
lande und der Hochregion des Bermios zugetrieben, von wo
aus, infolge des Nachdrängens der Paionen und Thraker, be-
deutende Theile weiter ins illyrische Inland verschlagen wurden,
so dass wir Brygeu endlich an den Küsten der Adria und im
thesprotischen Lande vorfinden. Es wird nicht Zufall sein, dass
ausser den Paionen, welche Pelagonia und Emathia unterwarfen,
hart an den Fersen der Brygen, wie wir sehen werden, thra-
kiöche Kriege rstämrae auftauchen, Trailer und Treren, Vor-
läufer der kimmerischen Wanderung (li)0 — GOO): diesen vor
Allen müssen wir die spätere Zersplitterung der brygischen
Stämme zuschreiben. Die Brigen Emathia's aber waren aus
den strymonischen Landen gekommen. Die Sage von Midas
und Silen haftete nicht bloss am Bermios, sie fand sich auch
viel weiter nordwärts, hart an der Grenze der Paionen und
Thynen, an der Quelle "Ivva, [jl^otj MaiStov xal Ilai6vu>v, iflv hÄpaat
oivo) 6 ^pb^ MtSa^, 5t£ ^XeTv tov SetXr^vbv urcb (xeOr;; t^O^Xyigsv (Bion ap.
Athen. II 45 c). So weit im Norden mögen vormals Brigen gehaust
haben. Der Flussname Sxpuixwv gehörte der phrygischen Sprache
an: nicht nur im Sagenkreise der Troas erscheint eine Fluss-
nymphe -Tpüjxo), am Bermios selbst hiess der bei dem brigischen
Orte Mk^a (Ste})h. Byz. s. v.) vorbeifliessende Bach ZTpu|i^v
und der Ort darnach SipujjLoviov. In Bisaltia finden wir ein
phrygisches Castell BeBu. Nahe dem Bolbe-see lag ein anderes
Castell, BpiviCic mit Namen ; der Sänger Thamyris soll i$ 'HSwvwv
Tf^<; ev Bp^Y^'^; tcoXsw; nach Pieria gekommen sein. — Die Zeit,
wann die Brigen vom Bennios zuerst von den Paionen, dann
von den Makedonen, untei'worfcn wurden, lässt sich schwer
bestimmen. Schon waren die Thessaler aus Thesprotia in die
Alluvialebene am Peneios eingerückt (ca. 1000), die Magneten
hatten Piöria eingenommen, als auch das verwandte hellenische
Bergvolk der Oresten sich zu regen begann und einen Ausweg
nach dem Küstenlande Emathia zu gewinnen suchte; der
mythische Stammbaum der Argeaden rückt jedoch die Besitz-
nahme von Edessa, sei es durch Karanos (ca. 800), sei es durch
Perdikkas (ca. 700 — 650), wie es scheint in eine viel zu alte
Zeit; vielleicht gehört dieses Ereigniss in den Ausgang der
Die alten Tlirakor. I. 33
kimmerischen Wanderung (ca. 600). Vielleicht warenxdie ,kreto-
pelasgischen^ BomaToi ein Stamm brigischen Schlages, da sich
zunächst der Ort Borreietov im klcinasiatischen Phrygien ver-
gleicht; der Bergname "Oäuixtco«; war Phrygen und Hellenen
gemeinsam; über den pierischen 'Opfsu? werden wir im mytho-
logischen Anhang reden, wie über Öaptupi;. Wenn ,Thraker'
in '.4X(iiov (Steph. Byz.), also im Tempethale, auftreten, so kann
dabei ebenso an Brigen, wie an eine vereinzelt vorgedrungene
Schaar echter Thraker gedacht werden; dasselbe gilt von jenen
,Thrakem% welche einst Orchomenos bedroht haben sollen
(Hellanicus fr. 71) — sind doch selbst in der römischen Kaiser-
zeit einmal dakische Kostobokcn bis nach Phokis gekommen!
Die angeblichen Thraker von Phokis, am Helikon und Parnass,
sind reine Erfindung; wir halten sie für abgethan. Ein völliges
Unding sind aber die ,helleno-pelasgischen' Thraker neuerer
Forscher.
An die brygischen schUcssen sich ostwärts die edonischen
Stämme an, welche ursprünglich den ganzen Küstenstrich vom
unteren Axios bis zur Mündung des Hebros innehatten, durch
die Thraker und Paionen aber, sowie durch die Ansiedelungen
der Chalkidier, derartig zurückgedrängt wurden, dass ihnen
zuletzt nur das Land an der Strymonmünde und der Pangaios
übrig bheb, dessen Goldreichthum auch noch die Athener und
Makedonen ins Land brachte. Das edonische Volksthum besitzt
keine geringe Bedeutung ob der in seinem Schoosse ins Leben
getretenen orgiastischen Culte, welche es unbedingt der or-
giastisch veranlagten phrygischen Nation zuweisen; es kommt
hiezu die geographische Stellung an der Seite der Brygen und
das Vorhandensein von edonischen Sporaden auf kleinasiatisch-
phrygischem Boden.
Der erste edonische Stamm, den wir noch am Axios
finden, waren die Müy^öv6<;. Thucydides (U 99) nennt als
Bewohner des Landes zwischen Axios und Strymon nur die
Edonen: er setzt hier das Ganze für den Theil; auch Strabo
Vn, fr. 11 hält die Mygdonen für eine Unterabtheilung der
Edonen. In den Genealogien erscheint Mu-y^wv als Bruder des
'Hi(i)V9{ und des Biorhtv. Mygdonien umfasste das Alluvialland
am unteren Axios und den innersten Winkel des thermäischen
Sittnngnber. d. phil.-hist. Cl. CXXYni. Bd. 4. Abb. 3
34 IV. Abhandlung: Tomasehek.
Busens bis zum Bergstock des Kicjc; und bis zum Vorgebirge
der Ainier — es war also eine wahrhafte Mu/ösviä (St. B.);
weiter gehörte dazu die Thallandschaft *AvO£|jlo5; und das
Gelände am See B^Aßv;. Dieses ganze Gebiet gieng in sehr
alter Zeit an die Paionen verloren, und 'A;ji.uB(i)v erscheint bei
Homer bereits als paionische Veste; weil den Paionen unter-
worfen, galten die Mygdonen Einigen für ein paionischcs Volk,
llygdonia nennt noch in spätbyzantinischer Zeit der gelehrte
Kaiser Joannes Cantacuzenus, und zwar am Pangaios und der
benachbarten pierischen Küste; richtiger setzt er die Veste
ruvatxöxaarpsv (zwischen dem Vardar und Galikö, jetzt Awret-
hisär) in die ilygdonia. Ins mygdonische Oberland hatten die
Makedonen das Volk der 'Eopbzi gezogen, deren Vorort ^iaxo^
wurde (vgl. Zuaxo; • ::oTa|xb^ Moxe^ovia; bei Herodian, von Wz.
gheu- ,giessen' mit Derivat -<7x.o?).
Die Deutung des Namens MuyB-ov-e; vom Thema pty^J-
(gr. lAx/O-, [xx/c; ,Innenraum, Schooss, Meerbusen, Winkel,
Wz. smu|{h- ,schmiegen') ergibt sich aus dem Wohnsitz am
thermäischen Golfe und in den Binnenthälern; wir dürfen dieses
Thema auch für das Phrygische voraussetzen. Wir linden
(Amm. Marc. XXVI 7, 14) einen ,Mygdus locus, qui Sangario
alluitur flumine^ In den Mygdonen, welche die vom Odryses
durchflossene Thallandschaft zwischen der Steilküste von Das-
kyleion und Myrlea und den westlichen Vorbergen des mysischen
Olymp (xb TTs^isv MuY5ov{ac) bewohnten, vermuthet Strabo (p. 564)
,Thraker^ oder richtiger (p. 295) ein ,phrygisches Volk, welches
Europa verlassen habe'. Schon bei Homer erscheint Mygdon,
Vater des Koroibos, als phrygischer Heros; die Argonautensage
kennt einen Mygdon, Sohn des Akmon und Bruder des Amykos,
als Fürsten der Bißpuxs«;. Nach Ephorus (Diod. V 64), welcher
die Phrygen aus Asien herleitete, zog Mygdon mit den idäisehen
Dartylen aus der Troas über Samothrake nach Europa. Bi-
thynien hiess (Amm. Marc. XXII 8, 14) voreinst Mygdonia.
Wir finden ferner Mygdones in der iurisdictio Pergamena
(Plin.), im Thale des Hermos, ja sogar im Gebiete von Milet
(Ael. Var. bist. VIII 5) an der Maeandermünde. So erscheinen
denn Mygdonen an der Peripherie der phrygischen Nation, als
deren Vordermänner oder Nachzügler. Wenn Tzetzes (Chil. UI
812) für Perinthos als älteren Namen Mu^sovia anführt, so scheint
Dio alten Thralrer. I.
35
er das politische Herakleia mit Herakleia-Perinthos verwechselt
zu haben; in dichterischer Ausdrucksweise hiess selbst die
Rhodope mons Mygdonius (Mart. Cap. 655), wie auch Cybele
den Beinamen IMygdonia fiihrt (Val. Flaecus 11, 46).
Die nur auf asiatischer Seite genannten BsßpjXij; vorbindet
die Argonautensage mit den Mygdonen: sie sassen an der
Westseite der phrygischen Mariandynen bis zum Hypius und
Sangarius. Eine zweite Bsßpüx'« umfasste das Gebiet von Lamp-
sacus, und die Grlindungssage dieser Colonie meldet von
Kämpfen der Bebryken und ihres letzten Fürsten Miviptov mit
jPelasgern^ Auch werden Beßpuxs; Bi>avaioi erwähnt, mit ihrem
Fürsten Bjgvr;;, welchen Ilos getödtet haben soll (St. B., Conen 12).
EndUch finden wir diesen Stamm an der Westküste: Bsßpjxe^
xiTciy.Tjiav xal ztpi ttjV AjSiav £v toi; irATjabv 'E^saou T£ xal MaYVYjcta^
Tfirs-.? (schol. Ap. Rh. II 2) als Nachbaren der Mygdonen und
Maionen. Dem redupliciertcn Namen hegt vielleicht eine Wurzel
bhreuq: bhrüq- lit. brukti ,zwängen, drängen, stopfen' zugrunde,
die wir auch für die pannonischen BpiOy.ot sowie für die Bpuxat
oder Bpuxsi^ • eOvo^ 6paxY;; (St. B.) vermuthen.
Unter dem phrygischen Namen waren ferner einbegriflfen
die AoXiove^ oder AoXtet? der kyzikenischen Landschaft AoXtovt;,
welche sich westlich von der ,mygdonischen Aue' zwischen dem
Rhyndacuß und Aesepus erstreckte; auch sie hatten Fehden
mit den ,Pelasgern' zu bestehen (Apd. I 9, 18), wobei wir an
die herodoteischen Pelasger von Skylake und Plakia erinnert
werden; in der Dolionis lag der Ort 2x6p|jLo<; (St. B.); auch
Kü^ixo^ (von Wz. qeug: qug- ,hohl sein, sich wölben') war einst
ihr Besitz, wie die Insel Bscßixo;. Ihr Heros AcXtwv, Sohn des
Seilenos, soll am See Askania gehaust haben (Alex. Aet. ap.
Strab. XrV p. 681). Die Wurzel del: dol- begegnet auf phry-
gischem, wie auf thrakischem Sprachboden. Wir kehren zum
Axios zurück.
Der edonische Heros Mu^^wv war Vater des KpoOao; und
des rpacT6; (St. B.). Von letzterem stammen die Fpa^Taivs; ab
oder, wie Hecataeus sie nannte, die Kpr,aTU)ve^. Die fruchtbare
und gesegnete IlügcUaudschaft rpacrojvia (oder Fpr^cTwvia, auch
FpaKJTwvfa, Theop. ap. Athen. III, p. 77, d), bei den Griechen
KpaoTwvta, Kpr^Tcwvia und KpYjortovixr^ genannt, erstreckte sich von
den Quellen des Echeidoros (j. Galikö, byz. raXuK6;) bis zum
3»
36 IV. Abbandlnng: TomaRchek.
mygdonischen Bolbc-See, wo der Canton Süxtvr; lag (Arist. Hist.
aniin. 11 17, Mirab. ausc. 122); nordwärts über dem Kamm des
metallreichcn Dysoros sasscn die thrakischen Bisalten , dann
die Sinten und Maiden (ol xorcÖTcspOe KpYjffrwvaiwv Bpi^jtxeq, Hdt
V 5). Als Tochter des Grastos erscheint Tipca (== Tupaa?), zu-
gleich Name einer krestonischen Ortschaft. Anderseits heisst
die Nymphe KpYiarwvtj, Tochter des Ares und der Kyrene; als
Beiname des krestonischen Ares erscheint KavBiwv (Lyc. 937).
Dieser edonisch-mygdonische Stamm gcricth frühzeitig unter
die Herrschaft der Paionen (Strab.); vor den Perserkriegen
bemächtigten sich die thrakischen Bisalten ihres Gebietes (Hdt.
VIT 115: 6 Tu)v BiaaXTe(i)v ßaatXßu; -pj; le tyj; KpYjorcovixi^^ öp^"?),
bis endlich die Makedonen unter Philipp, -nach mehrfachen
älteren Versuchen, Alles unter sich brachten; schon früher
waren Krestonen mit Bisalten zur Akte gewandert, wo ,tyrrhe-
nische Pelasger^ sassen (vgl. xb KpiQffTwvtxov bei Thucyd. I 109).
Giseke und neuerdings Hesselmeyer haben in den Krestonen
Pelasger gesucht, welche aus Thessalien stammten. Aber, wie
Niebuhr und H. Kiepert (AGeogr. II § 348, c) erkannt haben,
der Wortlaut bei Herodot (I 57 : FIsXaaYol o\ inc^p TupoTjVöv Kpr,-
oTwva TcoXiv oix6ovTe<;, wo offenbar KpoTöva d. i. Cortona aus
Dionys. Halic. verbessert werden muss) spricht dagegen. Unter-
halb Kreston wohnten erstlich nicht Tyrsener, sondern Mygdonen;
zweitens versteht Herodot unter Tyrsenem stets die italischen
Etrusker; endlieh hatte auch Hellanicus (Fr. 1) die Sage be-
richtet, dass Pelasger unter ihrem Fürsten Nänas aus Thessalien
nach dem adriatischen Spina ausgezogen waren, worauf sie das
etruskische KpcT(I)v d. i. Cortona eroberten. — Den Namen Fpa-
aitovia deuten wir als ,Futterland^, von Wurzel gras ,fressen'
abweiden', (vgl. gr. aYpwTci<; ,Futterkraut% ypd<r:iq att. xpiaieg,
,grünes Futter, Gras' ^paCveiv • eaöieiv ^pä ' ^a^e, KuTcptoi TMi-^^pä^ •
xoTOKpaYa«;, iaXa|x(viot; alb. hä-ngra ,ich ass', n-gräne ,gege8sen,
abgeweidet', gränes ,manducans').
Der andere Sohn Kpouao; war Heros in der Landschaft
Kpouffi? • jjLotpa TYj^ Mu^Boviok; oder der Kpocaait; xwpiQ (Hdt. VH 123),
welche sich an der Küste von ATvEta über die Orte 2|x{Xa, Kd\t.^0L^
r{Y(«)VO(;, Aiaat, Kü>[JLßpeia, IxcjXo;, Afea^o? und S^wapxwXo^ bis "OXuvBo?
erstreckt hatte, im Süden jedoch die von den Makedonen ver-
triebenen Bottiaier zu Ansiedlern erhielt. Nach Hellanicus
Die alt«n Thnker. I. 37
waren die Kpouoaict oder Kpoooi&lq ein ,thraki6clies' Volk nnd
ßdpßopot; die Aineiassage hat hier Platz gegriffen, weil man in
ihnen Stammverwandte der Phrygen erkannte. Nach Conon (46)
hegt Aineia ev t»j BpouataJt y?); wofür KpouataJt zu lesen; ebenso
muss den x-Anlaut die ganze Reihe bei Steph. Byz. Bpoua£?,
Bpouaii^y Bpouaoi * t6 eOvo^ aizo Bpoujcu 'HfjiaOtou TQaiBö^^ erhalten.
Die KpoüffaTot deuten wir als ,Schreier% ähnlich wie die illyri-
schen XeXtBöve^, von der Wurzel krcuK : krük-, lit. kraukti, skr.
kru9, kr69ati (vgl. die dakische Glosse xpouarivri • /eXtSiviov).
Die Halbinsel Pallene südlich von Olynthos mit den
Küstenorten ^d^rrt^ M^vSt;, liXUöWi, STpajxßai 'A^utk; und AiffG?,
und mit der Veste Sixia, bewohnten die SiOwve^ oder Si'öwve^,
ein Stamm edonischer Abkunft. Stöwv, Sohn des Poseidon und
der Ossa, 6 itj; Opax'o^ y^tppovf^^o'j ßaaiXeu;, erzeugte mit der
Nymphe MevBiQu; die naXXi^jVt;, und nöthigte deren Freier zum
Zweikampfe. Ein anderer Fürst über das jthrakische^ Volk
der SithoneU; KXtxo^, soll den Phöniker Proteus aufgenommen
und in diesem einen tapferen Mitkämpfer gegen die Bisalten,
welche ins Land eingefallen waren und dann vertrieben wurden,
gewonnen haben; der bisaltischen Einftllle hatten sich noch
später die Chalkidier zu erwehren. Späten Ursprungs ist die
attische Sage vom Begleiter des Theseus, Mouvito?, den eine
giftige Schlange im Sithonenlande oder ev 'OXuvOu) lij; öpaxrj?
biss. — Auch die mittlere Halbinsel gehörte zum Stammgebiet
der Sithonen imd hiess darum StOwvC«; an ihrer Küste lagen
die Orte MY;x6ߣpva, SepfJiuXia, Takr^'^o^^ Topwvtj, SipTYj, Zi^fo^ nnd
n{Xü)pc^, femer in unbekannter Lage MiXxcopo?, 2y.dßaXa, Tiv8t),
MeXavSia, weiterhin "Affcr^pa und, schon am Halse der Akte ge-
legen, die zweite SivY). Alle diese Orte wurden frühzeitig
hellenisch. — Bei Plinius hören wir von pontischen Sitonii et
Moriseni, Orphei vatis genitores: diese Zi6<I)V(oi xal MopioTjvoC ge-
hören wohl in die Chalkidike.
Hauptsitz der 'HBcovoi war und blieb das Alluvialland am
unteren Strymon und der Bergzug des Pangaios bis zum Sym-
bolon bei Phihppi. Der Strom selbst hiess bei Dichtern 'HBwvc^,
ein Beiname, der auch dem Echeidoros zugewiesen wird (EM.
p. 404, 9); ebenso hiess der Pangaios ^'HSwv oder mons Edonus.
Unter den thrakischen Stämmen, welche das edonische Gebiet
seit Alters eingeschränkt hatten, stehen die Bisalten obenan;
38 IV. Abhandlung: Tomaschek.
dann sind die Bergstärame vom Orbelos und aus der Rhodope
zu nennen, namentlicli die Satren. Wir haben femer gesehen,
wie sich die vom oberen Axios eingedrungenen Paionen in den
Besitz der strj'monischen Gelände gesetzt haben. Gleichwohl
behielten die Edonen auf ihrem schmalen Räume, wie es scheint
bis auf Phihpp herab, ihre eigenen Stammesflirsten; auf alten
Münzen erscheint ein FeT«; ßasiXeu^ 'HBwvov oder ^HSwvewv, und
Thucydides (IV 107 a. 424) erwähnt den FIixTaxo? 6 töv *H^vc5v
ßaciAsu;. Hart trafen die Perserzilge das edonische und paioni-
sche Land; dem Zuge des Xerxes schlössen sich auch Edonen
an (Hdt. VII 110). Diese hegten vor dem Wege, den der
Grosskönig gezogen war, heilige Scheu — er durfte weder
besäet noch verschüttet werden (VII 115). — Die Geschichte
der edonischcn Bergwerke verliert sich in die ältesten Zeiten:
schon die Phoeniker, welche von Thasos herüber kamen, hatten
dieselben ausgebeutet; aus dem Pangaios bezogen femer die
Kolophonier viel Gold (vgl. Suid. u. die Paroemiogr. s. v. x?^^^
0 KoXo<pu)vio;), ebenso die parischen Colonen auf Thasos. Seit- ,
dem Kimon die Perser aus Eion vertrieben hatte (476), suchten
die Athener im edonischen Lande Boden zu gewinnen, erhielten
aber mehrmals bedeutende Niederlagen (z. B. 466 bei Dra-
beskos); zugleich erhoben die Thasier ihre Ansprüche auf die
Goldgruben. Mit der Gründung von Amphipolis (436) begannen
jene Verwicklungen, welche mit der Niederlage Kleon's durch
Brasidas (422) und mit der Besitznahme der Stadt durch Philipp
(346) endeten. Seither ist von den Edonen nicht mehr die Rede;
sie sind im Hellenismus aufgegangen. — Ausser 'Ava5pat(jio;
(=r-. 'Evvea 6Bo(, Amphipolis) erscheinen Mjpx'.vo;, TcaftXo; und
Apaßr^cxo; als edonische Vesten im Flachlande und an der von
den Pieren (ca. 500) besetzten Küste 'llip^2[Loq^ ^»vpt); und
Td^iopc^, femer die uralte Oicjujjir,, dann 'AvTtaapyj und Airo?. Die
Bergwerke von Datos hatten die edonischen Aorj-XeTrcot (vgl.
*'A-Xa:rra bei Stagira) inne; ein anderer Stamm am Südfuss des
Pangaios östlich von Amphipolis waren die Ilavatsi • lö^/o^ 'HBwvtxov
(St. B.), welche vielleicht dem hier in byz. Zeit oft genannten
Bache Flava;, acc. Ilavaxa, den Namen gaben. Ferner heisst
ItwXc; in der Chalkidike eine rcXt; ßapßapty.r; i% twv ^HJwvcSv (St. B.),
und auf der Halbinsel Akte hausten lISwvci in kleinen Burgen
und Dörfern neben zweisprachigen Bisalten, Krestoniern und
Die alten Thraker. I. 39
Tyrrhenen (Thuc. IV lUD). VVielitig ist noch die Notiz bei
Hesychius: X)cwv{q'if; öaao; to tzH/sT,: die Verbreitung des edo-
nischen Stammes über diese Insel, deren Metallsehätze einstmals
von den Phoenikem waren ausgebeutet worden (Hdt. VI 47;
Cult des Melqart II 44), wird dadurch erwiesen; auf den
thasischen Inschriften begegnen noch etwelche Eigennamen
edonisehen Ursprungs. In Kleinasien finden wir nur schwache
Spuren von Edonen, so in dem voreinst lelegischen Antandros
an der tro'isch-aiolischen Küste, welcher Ort den Namen 'HSiovi^;
erhielt Bia to Bpaxa; 'Hcwvob; cviac carjcai aüicOi (Aristot. ap. St. B.);
vielleicht waren sie, dem Vordringen der Paionen weichend,
dahin gekommen, jedenfalls aber noch vor der kinmierischen
Wanderung, da derselbe Ort sodann hundert Jahre hindurch
im Besitze der Kimmerier (= Treren) stand.
Neben 'HSwvot finden sich die Formen 'Höwvai, 'HSojve«;,
'H$(i)vi£Tc, 'HSwvtaiai, und mit Ablaut lioovc;, "OBwvs;. Die Deutung
des Namens könnte also von einer Wurzel ed: od: od-, welche
auch in '086-|jLavToi vorliegt, ausgehen; ob aber von cd- ,essen^
(vgl. armen, utan *udan ,lurco, crapulae deditus'), von 6d-
jriechen', von od- ,grollen, hassen*, oder von vedh : vodh- ,stossen,
schlagen', lässt sich nicht erkennen. 'HBwvc;. Sohn des Ares,
galt für einen Bruder des Mj^^wv und Bittwv. In der 'HSwvf^
lag die nysäische Aue, der Ausgangspunkt des dionysischen
Cultes und des orgiastischen Naturlebens; der mythische Lykur-
gos galt lür einen ßaatXeu; 'HSwvwv; die Mainaden hiessen 'HSwvtSs;,
und die bunten wallenden Gewänder derselben oder die ßa^ffapai
nannte man 'ilBwva liJLäTia; daher die "llSove«; eXxsciiicTrXot (Dionys.
ap. St. B.). Ferner war Kdrj; eine weibliche Naturgottheit der
Edonen, wie die "ApTejxt; Fa^wp'« und BXoupetTi; (s. d. mytholog.
Abschnitt). Der Sänger Thamysis stammte i^ 'HSwvwv tyj«; ev
ßp{YOt<; TCoXeü)^. Das Alles erweist die hohe Stellung dieses
phrygischen Stammes in der Mythengeschichte und im geistigen
Leben der Vorzeit. Das thrakische Eroberervolk der Bisalten
hat die edonische Cultur völlig in sich aufgenommen, so dass
es als das gesittetste unter allen thrakischen Völkern erscheint.
Wir schUcssen hier die 'OocfjiavTot an, nicht nur wegen
ihres lautlichen Zusammenhanges mit den "OSwve; (-[jlovto- ist
deutlich nominales Suffix), sondern auch wegen der geogra-
phischen Nähe und weil wir annehmen dürfen, dass auch diese
40 IV* Abhandlung: Tomaschelc.
/rhrakeii' zu der Gruppe der phrygischen Stämme gehört haben^
welche durch die nordischen Invasionen südwärts waren ge-
schoben worden. Wir finden sie eingereiht zwischen den Edonen
und Paionen, zwischen den thrakischen Bisalten^ Sinten und
Satren; ihre Hauptstätte war das Gebirge des hl. Menoikeos
(Meniki) und der Boz-dagh oberhalb Seres. Vielleicht waren
die Siptoxaiove; von Haus aus Odomanten, und die StppaTot hiessen
Paionen desshalb, weil sie den Paionen gehorchten. Megabazos
unterwarf sie auf kurze Zeit. Dem Zuge des Odrysen Sitalkas
schlössen sie sich freiwiUig an, als öpaxe; avrcovofjLot. Ihr Ftlrst
IloXXr^; stellte dem Kleon eine grosse Zahl Söldner bei (Thuc.
V 6); zu dieser Zeit (425) Hess Aristophanes (Acham. 157)
eine Odomantenschaar auf der Bühne auftreten und einen
Bürger fragen: 'dq twv '0$o[jLavT(i>v to ireo^ dxotedpfaxcvj — was
der Scholiast auf die Beschneidung bezieht: ^«^1 y^ outoü^
'Icu$a(ou; sTvai. Dem Machwerk wspl TworotfjLiDv zufolge soll der
Strymon einst IIaXaicTivc<; geheissen haben! Phoeniker haben
einst an der Pangarosküste Handel getrieben; trotzdem werden
wir uns die semitische Abkunft der Odomanten nicht einreden
lassen. Sie können den Brauch der Beschneidung von den semiti-
schen Colonen angenommen haben; besser wird man aber jene
Stelle auf die bei den Südstämmen heimische Knabenliebe oder
auf irgend ein tribadisches Laster beziehen. — Zur Zeit des Aemi-
lius Paulus wurde die Stadt Sirae (Seres) zur terra Odomantica
gerechnet (Liv. XLV 4, 2) ; in der Kaiserzeit bildete die 'OBojjlov-
Tixuj eine eigene Strategie an der Ostseite der Bisaltia (PtoL).
Wir finden einen Canton X)Bo[xavT(<; fern im kleinasiatischen
Osten, in Kleinarmenien (Strabo XI, p. 528) — eine lautliche
Uebereinstimmung, die schwerlich auf Zufall beruht. Vielleicht
war voreinst an der Spitze der phrygischen Stämme, welche
den Bosporus überschritten hatten, den Armeniern nachrückend,
eine unternehmende Schaar von Odomanten gezogen, die einem
Canton des Antitaurus den Namen gab (hier finden wir Namen
mit dem Suffixe — *manto, mando — z. B. Camando an der
Quelle des Zamantia-sü) ; oder es hatten sich Odomanten dem
Zuge der Treren und Trailer angeschlossen und wurden zur
Zeit des Kimmeriersturmes so weit nach Osten verschlagen.
Unmittelbar an der Ostseite der Edonen finden wir am
ägäischen Küstenrand die Bicrove?, deren ursprünglich von der
Die alten Thraker. I. 41
Nestosmilnde bis Xanthia reichendes Gebiet au der Westseite
durch die Abderiten geschmälert worden war. Abdera, wie der
Name lehrt, eine phönikische Colonie, welche den Herakles
(Melqart) hochhielt, wurde später von den Klazomeniem be-
zogen. In der Gründungssage der Stadt spielt als König der
ythrakischen* Bistonen Ato[jn^|8Y)^, Sohn des Ares und der Kyrene,
eine feindliche Rolle: er warf seinen wilden Stuten, welche am
Flusse Kossinites weideten und mit eisernen Ketten an eherne
Krippen gebunden wurden, die Fremden vor; der Knabe Ab-
deros, Sohn des Hermes und Liebling der Herakles IIsüxsik;,
ward von ihnen zerrissen; aber Herakles zog wider den Thraker
zu Felde und erschlug ihn, er soll auch dem Meere Zugang in
den niedrigen bistonischen See gebahnt haben. Noch spät
zeigte man den StaU und die Zwingburg des Diomedes Tyrida;
die Nachzucht der rasenden Rosse soll sich bis auf Alexander
erhalten haben. Ein geschichtlicher Kern liegt dieser Sage zu
Grunde; Rossezucht war die Hauptbeschäftigung der echten
Thraker, und ein Fürst dieses nordischen Eroberervolkes, wahr-
scheinlich vom Stamme der Idioi^ mag sich voreinst im Lande
der phrygischen Bistonen, denen orgiastischer Naturdienst eigen
war und die von den Thraken den barbarischen Brauch der
Tätowierung annahmen, festgesetzt haben. Aber die Abderiten
schränkten das Gebiet immer mehr ein, und selbst am Aus-
gange der fischreichen XtfxvY; ßi(7xov{^, an der Vereinigung der
Bäche Kossinites und Stravos, erhob sich eine griechische An-
siedlang Aixaia. Der Heros BtaTwv erscheint in den Genealogien
als Bruder des Edonos und Odomas, oder auch (was auf ein
zeitweiliges Vordringen der Paionen gegen Osten hinweist) als
Sohn des Paion; aber auch als Sohn des Kikon, oder als Sohn
des Ares und der Nymphe Kalirroe, einer Tochter des Nestos.
Q^gen Osten folgt an der Küste SovOeia, ein Ort der
Kikonen (Strabo VII, fr. 44). In der byzantinischen Zeit tritt
eine zweite Ortschaft Sav6{a hervor, welche im Quellgebiete des
Kossinites lag, das heutige Xanthi (türk. Isk^ti); in gleicher
Lage kennt Ptolemäus eine Burg IlspY^P^v — ein Name, welcher
der phrygischen Namengebung angehört und bei den lonem
80 viel wie dxp6icoXt^ bedeutet hat. Aber schon Hecatäus hatte
in seiner Europa Eavöoi als eOvo? Opoxtov vermerkt (St. B.), und
auch Strabo (XIH, p. 590) spricht, allerdings ohne nähere Be-
42 rv. Abhandlung: Tomaschek.
Stimmung der Lage, von einem ^thrakisclieu' Volke der Eav^.ot
oder iflivStot, die wir als eine zurückgebliebene Abtheilung der
phrygiaclien Nation betrachten dürfen, deren Vorort jenes Per-
gamon gewesen. Darauf legen wir weniger Gewicht, dass
Homer d(ui Skamander Xanthos nennt — Niese erblickt hierin
tnne mit dichterischer Freiheit in die Troas verlegte Copie des
Ivkischen Xanthos — und dass die Troas bei Dichtem Siv6i;
hiess (St. H., H(^sych.). (Jb die Xandier aus Wurzel sken-
, verletzen, vorwundtm, vernichten' (skr. käan-, gr. xtiwjji.'.,
xT«{vto) oder aus sken- ,schaben, abkratzen, schinden; reinigen'
(vgl. makod. ^avcixs; ,Reinigungsmonat, April', gr. Saivw) oder
gar aus dem etymologisch unklaren 5*^05;, ^o-jbzq ,blond' zu
deuten wiiren, bleibe unentschieden.
Die Kixovs; erscheinen bei Homer nicht nur als Bundes-
gi'nossen der Troer, sondern auch (Od. IX 37 — 61) als ein
streitlmres und sieghaftes \'olk, geübt von den Wagen (i^' fexwv)
oder zu Fuss mit dem Feinde zu kämpfen; wir tinden sie im
Besitze von Hornvieh, Schalen und Ziegen, aber auch von
Schützen, welche die Beutesucht anlocken (Talente Goldes, Silber-
pokale, llenkelkrügi\ 202 tf.); sie trieben emsig den Weinbau,
wie aus der Sage von Maron erhellt, dem Sohne des Euanthes
und Priester des in Ismaros waltenden ApoUon. Mapcaiv bedeutet
«glünzend« schimmernd': erst bei Hesiod erscheint derselbe als
Sohn des (Mnopion und Enkel des weinspendenden Dionysos —
80 fremdartig erschien dem homerischen Rhapsoden noch das
Wesen des tnlonischen Gottes, dass bei ihm Maron als Apolion-
priester auttritt. l>inopion tindet sich in der Sagengeschichte
der weiur^Mohen lns<4 Chios: auch die Insel Xaxos steht mit
der thrakischen Küste in sagenhafter Verbindung. Hoch im
Ruf stand der BvpX-.v:- c!^:^, den man l«ld von einem Bache
BipXs^ oder BipXivr,; auf Xaxos v^'?l- ^^»^^ Quelle BcpXi; oder Bü^Xi;
Ivi Milot\ Ivüld von dou Bi^Xiva Ip^ der Pangäusküste herieitete;
der Name mag wohl phouikisch seiu v^vgl. B.«pX:^ und ausserdem
B^Xi^ d. i, MeK^ . IWi Diodor V ÖO er^^heinen so^rar Bates
und Lykur^^s als FuhrvT thrakischor l^iraten auf Xaxos, ^
?:c«*Tc: HijoLi^ wxrra'» » ! ; die Ar: der divmysischen Feier aof dieser
lus^'l weis: ailerxun^ aul' Horkumt vvh; der thrakLschen Küste.
Wie de:u auch s<^i» der kju^^c^ :^c,; wirxi noch von Aivhiloohas
^^ rühmt, l^ die Kikoueu. wie aUe phrxgisciien Stimme, or-
Die HlteD Thraker. I. 43
giastische Naturdiener waren, konnte die (iestait des pierischen
Orpheus, welche im Edonenlande mit dem orgiastischen Wesen
verquickt wurde, bis zu ihnen wandern; schon Hipponax nannte
Orpheus einen Ktxwv. — Wir finden an der kikonischen Küste
hinter Xanthia die Orte Ssppstov, Zu)vr< und liXr, (Hdt. VII 59)
und die Colonien SipufAr; am Bache Aico; und Ms^afAßpir, (VII 108).
Dieser Landstrich hiess voreinst, wie Herodot berichtet, FaXXaVxT^,
und FaXaToi nennen hier noch die attischen Tributlisten (vgl.
raXr/J^j; an der sithonischen und edonischcn Küste, raXXr,(jtov
oder raXr|jiov 5po<; bei Ephesus). Aus dem Inlandc drang jedoch
ein zweiter (phrygischer) Stamm zur Küste vor, die ßpta^^at
(etwa ,die Wehrenden, Umschliessenden% von Wurzel vere-)
oder, wie Plinius schreibt PRIANTAE (d. i. , Freunde, Kame-
raden*, von Wurzel pri- ,Heben*), und gab dem bis über Maro-
neia reichenden westlichen Flachstrich den Namen Bpiaviixi^,
(Hdt.) oder PRIANTICUS campus (Liv. XL VIII 41, 8 a. 188).
Der Kikonenname verschwand darum frühzeitig aus der Ge-
schichte; Alles ging hier im Hellenismus auf. Ktxwv galt für
den Vater des Biorwv und für einen Sohn des Apoüon und der
Rhodope; vor Zeiten mochte dieser hochgesittete und kräftige
Stamm sich tiefer ins Gebirge hinein erstreckt haben. Der
Name könnte mit gr. xUü-; ,Stärke, Kraft' (skr. 9i-9U, 9i-9vi
jgedeihend, wachsend; Junges', von 9U- ,sch wellen') als ,die
Starken, Strotzenden' in Verbindung gebracht werden.
Idioi ' lövo^, Ol xpOTSpsv KCxovec;, o\ %o\i\jnoi., lautet eine Glosse
bei Hesychius. Es scheinen im Lande der Kikonen thrakische
Saier sich angesiedelt zu haben; sie werden in der Abderitis
erwähnt, wo auch ein Ort 2ai; stand. Als die Parier auf Thasos
und der benachbarten thrakischen Küste festen Fuss fassten,
hatten sie Kämpfe mit den Saiern zu bestehen; der Dichter
Archilochus ergriff im Kampfe mit den Saiern die Flucht und
Hess seinen Schild zurück: d(r7:{6a {xev Satwv ti<; aveiAeio (Strabo X,
p. 457; Xn, p. 549). Man suchte Saier oder Sa vier auch auf
Samothrake: hier könnte ein altansässiges phrygisches und ein
später eingedrungenes thrakisches Element, das der Insel Zi[xo^
(von semit. samä ,hoch sein', cifxot , Anhöhen') den Beinamen
6pr,Tx{t) verlieh, zwar angenommen werden — aber lange konnten
sich beide schwerlich erhalten haben; die Insel wurde, wie die
Culte zeigen, von orientaUschen, wie später von hellenischen.
44 rV- Abhandlong: Tomaschek.
Einilüssen überwuchert. Mit den mythischen ^ooq * '£p(A^( haben
die Saier wohl Nichts zu thun; und gar die ^oicatot, denen sie
Strabo gleichstellt^ müssen^ da x niemals in F tlbergeht, ganz
fernbleiben.
Die ethnischen Verhältnisse auf den Inseln des ^thraki-
schen^ Meeres bieten überhaupt unlösbare Räthsel. Auf Lemnos
(gleichfalls ein semitischer Name? Bochart verglich libhnah
,Glanz, weisse Farbe^) werden in der homerischen Hephaistos-
sage (A 594) ISivrte^ dcvSps; dtfpto^wvct erwähnt, welche die Späteren
bald als ouTcxöeve? ovre; ev Ai^^fjLvo), bald als Opaxwv xt '^ho^ ix x^q
dvTiT^epav -pi? ^^öv auffassen, wobei sie an die thrakischen Sinten
oberhalb Bisaltia dachten. Metallurgie war eine starke Seite
der alten Phrygen, und man wird versucht in den Sintiem
eher einen Stamm phrygischer Herkunft zu suchen, da Hellanicos
(öchol. 0 294) Stammesgenossen der Troer, die man flir Phrygen
hielt, den ,thrakischcn' Sintiern beimengt; er deutet den Namen
aus gr. civTt;; • b xoxoupYo;, ^XaKr:tx6;, da sie nicht blos das Feuer,
sondern auch die männermordenden Waffen erfunden hätten
i:pz^ To ffivEfföx TO'j; -XtiOiov xa: ßXobrcecv. Könnte da nicht eher
ein phrygisches Wort civti-^ ,Stecher, Schürfer, Schmied', von
Wurzel kcnt- (gr. xsvtsTv), zugrunde hegen, da der Wandel von
e zu i nicht ohne Analogie dasteht (vgl. armen, sin neben
gr. xevss; ,leerV? Aber Alles wird zweifelhaft, wenn wir mit
Thucydides (W 109) als Bewohner von Lemnos vielmehr tyr-
senischo Pelasger ansetzen müssen (vgl. schol. Ap. Rh. I 608:
A^jjLvsv Tt;v xai -tvTr^iSa TrpcoTsi wxrjsav Tupci;v5{). Diese sollen aUer-
dings der Sage nach aus Attika eingewandert sein und einen
Bostandtheil der ,pelasgischen' Urbevölkerung von Hellas ge-
bildet haben; selbst in der makedonischen Elymia spielen Tyr-
seuiT eine Kolle! Nun hat man auf der Insel eine ungefähr
aus dem Jahre iK>0 stammende Inschrift aufgefunden, derea
barltarisohor Lautcharakter einige Aehnlichkeiten mit dem
Etruskischen verräth (^vgl. 0. Pauh, Eine vorgrieehisehe In-
schrift von Lemnos, Leipzig 185^6 U so dass die alten Sagen-
gebilde von einem Zusanunenhange der italischen Tyrsener mit
den Tvrsoueru dos griechischen Archipels wieder zu Elhrea
gelangt sind — es können ja die Ktrusker« die man auch in
den Turusa der 10. Dynastie Aog\-ptens erkennen wilL voreinst
weite Kaubfahrten im Gebiete des Mittelmeeres ontemommea
Die alten Thnker. I. 45
und sich an verschiedenen Punkten des östlichen Beckens an-
gesiedelt haben (vgl. Hesselmeyer, Die Pelasgcrfragc und ihre
Lösbarkeit, Tübingen 1890). Die Sache ist noch nicht spruch-
reif; gegenüber den von Pauli erkannten etruskischcn Analo-
gien der Inschrift könnte man einige Formen anführen, welche
dem Lautcharakter des Phrygischen und Armenischen nicht
vollends widersprechen (z. B. zivai, zeronaiO, ziazi, eptezio,
morinail). — Auf Imbros und Tenedos spielen jedenfalls lele-
gisch-karische Erinnerungen die Hauptrolle. Wir kehren zur
Küste zurück.
Hier finden wir an der Ostseite der Kikonen in der
Doriskosebene und am Hebros die öatTot (Hdt. VII HO),
welche sich nachmals auf Kosten der Apsinthier ostwärts ver-
breitet haben; denn als Alexander nach Asien auszog, gelangte
er vom unteren Hebros Jt3c t^<; DatTixYjc; iiA xbv M^Xova xoTafjiöv
(Arr. I 11, 4). Ob diese Paiten phrygischen oder vielmehr
thrakischen Ursprungs gewesen seien, lässt sich nicht mehr er-
kennen. Der Armenier nennt sich bekanntlich Hai, pl. Hai-q,
was Fr. Müller mit skr. pati zd. paiti ,Herr^ deutet; im Arme-
nischen selbst findet sich ein Verbalstamm hai- (inf. hajil)
,aspicere, respicere, observare^, der zunächst auf ein Nomen
pati- und sodann auf die Wurzel pä : pa ,zu sich nehmen, er-
werben; essen (xopceofAat); weiden (pa-sco); schützen, hüten (skr.
pä); beobachten, schauen (alb. pä, part. pan§, pämun§)* zurück-
geht. Vielleicht Hegt den IlaTTot ein Verbalstamm von gleicher
Bedeutung zugrunde; sie wären dann die , Ansehnlichen, Be-
rühmten^; Herodian accentuierte IlatToC, ox; Taitoi (St. B.).
Die nun folgenden 'A^(v6toi, mit dem übUchen, darum noch
keineswegs echt-thrakische Abkunft erweisenden Zusatz 0pr/txe?
(Hdt. X 119), reihen wir den älteren Küstenstämmen schon
darum an, weil bei ihnen der Dionysos-Cult heimisch war (s. im
mytholog. Abschnitt unter nX6(oT(i)po?). Sie treten als Feinde der
thynischen Dolongker auf, welche im Chersonnes sassen; wider
ihre Einfälle schützte (um 550) Miltiades, Sohn des Kypselos,
die Halbinsel durch eine von Kardia bis Paktye gezogene
Mauer. Der Fluss "Ä^ivöo? oder "AcncivOo;, welcher die Grenze
zwischen den Dolongken und Apsinthiem bildete, ist wohl
derselbe, der sonst MeXa<; und jetzt Qavaq-öai heisst; von da
reichten die Apsinthier bis zur Stadt ATvo; oder noXTuo-ßp(a, dem
46 IV. Abhandlung: Tomascbek.
Sitz des Heros Poltys, und bis zum Bergstock Mtqpkto? (j. Catal*
tcp^) beim sarpedonischen Vorgebirge.
Auch die Stps; • sOvo; öpay.r;«; \fj:kp tsj; Bul^avTto'j; (St. B.)
dürfen wir in den Kreis der altansässigen Stämme ziehen; das
phrygische Wort oipoq ,Getreidegrube^ erkennen wir in dem
Orte SIRo-CF^LLAE, welcher dem heutigen Malgara (byz.
Ms^flcXr^ Kapua) entspricht. Jene Siren sassen wahrscheinlich am
Flusse Erginias (Erkenc-sü); Stephanus hatte über sie in dem
nicht mehr vollständig erhaltenen Artikel Ni^a * tuoXj? Bp».i3q
gehandelt; Ni'l/a, der Vorort der Ni'|;aioi, einer Unterabtheilung
der -tps;, lag wohl an Stelle des in byz. Zeit oft erwähnten
,Quellenortes^ Bpujt<;; ähnliche Bildung zeigt der zwischen Druzi-
para und Tzurulos gelegene Ort Ti'{>5;. Ueber den Nipsäem
hinaus, also gegen Norden, sassen die Tpa-vitj^at (Xen. An. VII
2, 32) oder Tpa-vnJ;ci • £Öv:; öpixiov (Hesych.), deren auch Theo-
pomp in Verbindung mit den Ladepsen gedacht hatte: AaSe^^l
xal Tpivit];oi • £Övr, 6uv(ov (St. B.) d. h. Stämme, welche mitten
unter den thrakischen Thynen sassen, als Reste einer älteren
Bevölkeningsschicht. Mit den benachbarten MeXavJirai (Xen.
An. VII 2, 32) vergleicht sich McXavBi«, eine Gegend auf der
Halbinsel Sithonia ( — auch MsXavtia; an der Mündung des
Athyras?). An den nördlichen Zuflüssen des Erginias und den
Bächen, welche sich in den Golf von Burgas ergiessen bis
ApoUonia und ^lesambria hinauf sassen ausser den bereits
erwähnten N'.'J/aTsi auch noch die KjpjjLir/at (Hdt. IV 93) oder
(nach cod. R) die SxupfjuiBai, an die sich nordwärts die thrakischen
Geten anschlössen; vgl. St. B.: -xu|jLvia5at • lövs; ouv FeTaiq, EMoJo«
TSTopTU) Ff,^ xspicsou wXU[jLvt2Bai xal FsTat*. Die Lesung SxupiniJoi
empfiehlt sich wegen des Anklanges an die -xjpixsoi des dolionisch-
plirygischen Ortes Sxjpfis^ bei Kyzikos. Die Sonderstellung
dieser mitten unter den thrakischen Th^>'nen, Asten, Odrysen
und Geten sporadisch erhaltenen Reste einer älteren, wahr-
scheinlich phrygischen, Bevölkerung hat auch Giseke erkannt,
nur dass er in ihnen ,paionische' Abtheilungen erblickt. Für
unumstösslich dart* uns jedoch diese auf Grund von Xamena^
anklängen erfolgte Abtrennung jener Sporaden von der thra-
kischen Masse nicht gelten, da sich scharfe Unterschiede zwischen
der thrakischen und der phrj'gisch-mvsischen Sprechweise nur
schwer ziehen lassen: man darf eben nur den Versuch wagen.
Die alten Tbimker. I. 47
So viel ist aber sicher, dass entlang dem ganzen ägäischen
Küstenrande altansässige oder aus dem Inland dahin ver-
schlagene Stämme sassen, welche eine höhere Culturstellung
einnahmen als die echten Thraker des Inlandes, und dass
dieselben grösstentheils zurückgebliebene Reste der phrygischen
Nation bildeten.
Das Volk der Muaoi, das bereits die homerischen Lieder
in seinen nachmaligen festen Wohnsitzen entlang der Ostseite
der Troas und als im Bunde mit Ilios stehend kennen, leiteten
die Alten namentlich seit der Zeit, als sie mit den Moesen des
Haerausgebictes bekannt wurden, also seit Poseidonios, aus
Europa ab; hier seien sie als Moiaot zurückgeblieben, als Muaoi
aber hätten sie ihr Stammland verlassen (Strabo VII, p. 295),
indem sie über den Bosporus setzten, der nach ihnen Müjio^
TOpO|jL6; genannt wurde; vgl. Plin. V 145: MOPSI ex Europa
in Asiam transierunt; VII 206: in Hellesponto rates excogita-
verunt. Sie drängten hierauf die phrygischen Mygdonen und
Bebryker auseinander, bemächtigten sich der Gelände am Ar-
ganthonios, des Landstriches am See und Fluss Askanios, und
des phrygischen Olympos; Muffob? toü; h vfi 'Aata 'OXüijl7:t;voü;
*App(avc( Xe-fst drotxou^; töv £up(i)?:a{o)v Mucrcov (Eust. ad Uion. per.
332). Sie nahmen zuletzt das Flussthal des Makestos, die ganze
Troas bis zum Kaikos und Teuthrania ein. Sonderbarerweise
liess Xanthos die Phrygen erst hinter den Mysen in Asien ein-
rücken; die gegenseitige Schichtung beweist jedoch, dass die
Phrygen weitaus früher eingezogen waren. Die Nameugebung
in der homerischen Troas erweist sich vornehmlich als mysisch;
die ionisch-aioUschen Rhapsoden haben die Zustände ihrer Zeit
vor Augen gehabt. Seit Kallinos (ca. 650) finden wir an Stelle
der homerischen Tpws; die TsOxpoi genannt; fUr diese haben
wir kleinasiatische (kilikische) Herkunft vermuthet. Nach der
Anschauung Herodot's waren Teukrer und Mysen Wafien-
genossen, welche einst weite Züge unternommen haben.
Während sich aber die Teukrer frühzeitig erschöpft hatten und
in ihrem Stammlande bis auf schwache Spuren (Hdt. V 120)
völlig eingiengen, haben die Mysen ihr Volksthum wenigstens
im Binnenlande bis in die Zeit des Hellenismus und darüber
hinaus bewahrt. Die karische Genealogie (Hdt. I 171) verbindet
48 rv> Abhandlung: Tomaschek.
zwar den Mysos mit Lydos und Kar; aber diese Anschaaung
erfloss nicht aus einer ethnischen Grundlage, sondern aus der
gemeinsamen Theilnahme der drei Völker an dem Heiligtbum
des karischen Zeus in Mylasa. Auch die Notiz bei Hesychios
V. Au8((i) v6(x(i) wiegt nicht schwer: Muaci eiatv AuSiSv dhcotxoc xal
fxavTtxwTaTot : das mysische Wesen stand dem maionischen in
Lydien und Phrygien nicht ganz fern, und die Mantik verbindet
sich gern mit der Orgiastik. Von der mysischen Sprache
urtheilte Xanthos also (Strabo XII, p. 572): ii xöv Muau)v JiotXexTo;
[jii^oXüSio; WO)? eoTiv xal (jLt^ofpuvto;. Der Grundstock war jedenfalls
osteuropäisch und dem Phrygischen nächstverwandt; wenn
lydische Elemente hinzukamen, so war dies bei der Nähe dieses
Volkes, das zuletzt auch die Troas erobert hatte, ganz nattlrlich;
wir dürfen sogar lelcgisch-karische und kilikisch-teukrische Bei-
mengungen voraussetzen, wie böi den Armeniern alarodische.
So erklärt sich beispielsweise das Vorkommen von Ortsnamen
ganz fremdartigen (teukrischen?) Klanges auf einer Inschrift
aus Gergithcs (Le Bas III, add. n® 1745). Um die Deutung
des Namens Muao^ war Xanthos nicht verlegen; er verglich das
Wort [Xüou; • TQ 55uTQ, AuSot (Strab. 1. c, St. B. ; 6 [l\j(j6^ und i% [um^j
Eust. ad Dion. 322), mit dem Zusatz: tcoXXyj 8' Vi b^ tjona fov
''OXu(jL9;ov. Es geht nicht an, einen Baunmamen ohne Hinzutritt
eines derivativen Elementes einem Volke gleichzusetzen, und
weiters, einen Namen, der schon in der europäischen Heimat
vorkommt (denn Moesus und Mujc; sind offenbar gleich; auf
thrakischem Sprachboden wechselt oi mit u, u, i), aus der
lydischen und überhaupt aus einer kleinasiatischen Aboriginer-
sprache (1yd. kar. jjluoö; vielleicht auch in MuaavBa, einem Orte
an der kilikischen Küste) zu erklären; erfordert wird eine
Deutung aus indogermanischen Sprachmitteln. Das albanische
Wort ftlr ,Maulthier muSk, f. muSk^ (venez. müsse) will
G. Meyer mit Rücksicht darauf, dass, ¥de die Eneter, so auch
die Mysen Maulthierzucht betrieben, aus Muoixo^ ableiten. Neben
Muco;, Müffixs; findet sich auch MucaSw;, Moesiacus, MESACUS
(C. r. VI n^ 2818. 2736) und MUSIATICUS (X n« 3640).
Homer (ü. XUI 5) kennt nicht bloss Mysen als Bandes-
genossen der Troer, er weiss auch von ,nahankämpfenden Mysen^,
im Rücken der rossetummelnden Thraker, in der Nachbarschaft
der pontisehon Stutenmelker und Abier. An diese Angabe
Die alten Thraker. I. 49
knüpfte Skytobrachion , der Bearbeiter oder Fälscher des
Xanthos, nach Herodot's Muster (V 13), die Anekdote, der
lydische König Alyattes habe sich von Kotys, dem Fürsten der
europäischen Mysen, ganze Schaaren dieses Volkes kommen
lassen (Const. Porph. de them. I 3). Aber erst in der Römer-
zeit erhielt die Welt genauere Kunde von dieser in der Heimat
zurückgebliebenen und westUch von den Geten sitzenden Nation.
Zuerst stiess C. Scribonius Curio, der Bezwinger der Dardaner
(a 75 V. Chr.), mit den Moesen zusammen; bald darauf (72)
drang M. Terentius Varro Lucullus, der Sieger über die Bessen
und Odrysen, aus den pontischen Küstenstädten ins moesische
Land ein; vgl. Serv. ad Verg. Aen. VII 604: Getae sunt
Moesi, quos Sallustius a LucuUo dicit esse superatos. Dann
(62) griffe. Antonius die Mysen an; diese riefen die Bastarnen
zu Hilfe und schlugen den Proconsul bei Histros, die erbeuteten
Feldzeichen legten sie in die öetenveste FsvouXa. Unter Caesar
Augustus (29) schlug der Proconsul M. Licinius Crassus die
Ein&lle der Bastamen zurück, unternahm dann eine Expedition
in die westUche Muai; und schlug die Moesen bei einer starken
Veste; die völlige Unterwerfung des Landes gelang ihm (28)
nach einem Feldzug gegen die Artakier im centralen Haemus.
Erst ein Jahrzehend später, so scheint es, wurde das eroberte
Land als römische Provinz eingerichtet und erhielt den Namen
Moesia, weil die Moesen darin den bedeutendsten und cultur-
fkhigsten Stamm ausmachten. Denn Geten sassen nur entlang
dem untersten Lauf der Donau; am unteren Margus gab es
nur schwache Reste der galatischen Skordisker; zwischen dem
Cebrus und Utus hatten die von den Skordiskern fast auf-
geriebenen Triballer Platz gefunden — alles Uebrige hatten die
Moesen inne (vgl. Cass. Dio LI 27). Plinius bemerkt: Moesicae
gentea et Triballi Dardanis laevo praetenduntur latere. Ovidius
(ex Pento rV 9, 79) rühmt von dem Statthalter Flaccus: lue
tenuit Moesas gentes in pace fidcli |, hie arcu fisos terruit ense
Gtetas. Unter Tiberius (C. I. V n^^ 1838) werden noch ,civi-
tates Moesiae et Triballiae^ unterschieden. Als Sonderstämme
erscheinen im Westen am Flusse Pincus PICENSES, ntvtn^vdiot,
und am Timacus TIMACENSES; angeblich in Moesia superior
hauBten (C. L VI n" 2831) cives COTINI (vgl. Koriivaiot im
dakischcn Ostlande); ostwärts schlössen sich an dio Triballer
Sitzanf^sber. d. phil.-hist. Cl. CXXVm. Bd. 4. Abh. 4
50 rv* Abhandlang: Tomaschek.
an OiT^voiot oder UTENSES, Uiapi^vcioi oder PIARENSES (vgl.
Appiaria), Aifjm^^vatc. oder DEVIENSES (vgl. Dimnm) und 'OßouXi^aiot
— topische Ethnika, welche keinen Schluss auf die Abkunft
zulassen; wir werden jedoch sogar Donau abwärts mitten unter
Geten Spuren mysischer Nomenclatur nachweisen.
Im Berglande des Haemus, gegen Philippopolis zu, mtlssen
wir die 'Apraxtoi suchen, ,eine uralte Abtheilung der moesischen
Nation, mit deren Unterwerfung M. Crassus den Krieg be-
schloss; sie waren niemals von irgend einem Eroberervolke
unterworfen worden und vertheidigten darum ihre Freiheit mit
wahrem Löweumuth und längere Zeit nicht ohne Erfolg* (Cass.
Dio LI 27). In diesem bellum Mysicum zeigen sich Sporen
des rohen Fanatismus; Florus erzählt, die Mysen hätten ge-
schworen, bei ihrem Pferdeopfer die Eingeweide der gefangenen
römischen Führer zu opfern und zu verzehren. 'AproxoC finden
wir bei Steph. Byz. nach alten Quellen als sOvs^ Bpdnuov ver-
merkt; in der Tab. Peut. wird in der regio Haemimontana
zwischen Nicopolis und Cabyle ein Landstrich ARIACTA ver-
zeichnet d. i. ARTACIA. "Aptoxo^ (s. d. Flussnamen unter
'Ap-cr^oxi;) war der moesische Name des Flusses, welchen die
Odrysen Tcv!;o; (j. Tundia, T^ia) nannten. Hera war die Haapt-
gottheit der moesischen Stämme ; wir finden darum einen Votiv-
stein aus Philippopolis (Dumont p. 16, n. 33) xup(a '^pci "AptaxTfvTi
gewidmet; selbstverständhch verehrten sie auch den Himmels-
gott; wir finden im Gebiet von Nicopolis einen Votivstein Att
AifjLspavw gesetzt. Formen des Thema art- (skr. ptä ,recht, ge-
recht, fromm^) fehlen dem kleinasiatischen Mysien nicht. Am
Rhyndacus sassen 'ApTaToi im 'Aptaiwv Tsr/c; (St. B.) nahe dem
,heiligen^ See 'ApTuviaj oberhalb dem doHonischen Kyzikos lag
der Berg- und Hafenort 'AptixT, (skr. ßtika) mit einer gleich-
namigen Quelle, woher 'Aptaxia • i^ 'AsppoSfTYj (Hesych.). Da vor
den Bithynen am Bosporus Mysen sassen, so scliliesst sich der
Name des Baches 'Apravy;^ an, noch von den Byzantinern in der
Form Wptava? vermerkt; bei dem Hafen ARTANE (TP. GR.)
stand ein Upbv 'A9po5('cri;. Ebenso finden wir im moesischen
Stammland neben den Fltlssen Athrys und Noes, mitten unter
den Geten, einen Fluss 'Apxavr^; (Hdt. IV 49). Aber noch mehr.
Wir finden Keßpi^vic!, mit dem herkömmlichen Epitheton
Spi^iz (Strabo XHI, p. 590, Eust. ad B 838), als binnenländi-
Die alten Tknker. I. 51
Bches Volk sesshaft Tpo^ 'Apcaßov xoTa{Ji6v siaßdXXovra ei; tov ''fißpov.
Beide Namen erweckten schon den Alten die Erinnenmg an
die homerische Troas; beide gehören der mysischen Nomen-
clatur an. 'AptoßY; hiess eine uralte Ortschaft bei Perkote, die
sich bis in die christliche Zeit erhielt (Arisba, Acta SS. Febr. 11,
p. 40), Sitz des homerischen ^Aaioq TpToxÄY;? (vgl. den mysischen
Kämpen Tprio; D. XIV 512). Ksßpuiv hiess der Hauptfluss der
Troas, dessen Quellen vom Ida kommen, mit einer gleich-
namigen Ortschaft an seinem gewundenen Mittellauf, die sonst
auch Keßp^vt) (Ew. Keßpi^viot) sich nannte. Nun finden wir auf
moesischem Boden einen im Thema vöUig entsprechenden und
nur des derivativen -njv ermangelnden Flussnamen Keßpo;, eine
Bildung wie "Eßpo?; es ist die heutige Cibra oder Cibrica.
M. Crassus schlug die in Moesien eingefallenen Bastamen 'icpb^
TCO Keßp(i> roTafxo) (Cass. Dio LI 24) ; Ptolemaeus schreibt Kioßpo;
oder KCftfxßpoq T:oxa[fjSq] das Castell an der Einmündung in die
Donau heisst Ki^po^ in den Itinerarien Cebro, Cambro, Ciambro,
und dazu halte man auch CAMBRE, eine Ortschaft im asiati-
schen Mysien (Plin.). Wir sind versucht, diesen Namen aus
der Wurzel k^p : ka(m)p — ,sich krümmen, winden* zu deuten;
vgL skr. kampra ,sich windend, gewunden^ unter Annahme
eines Uebergangs von p in b nach m, wie in kelt. kambos. —
Ausdrücklich finden wir die Keßpi^vioi des mysischen Landes
noch bei Polyaenus (VTI 22), der mitunter aus recht guten
und alten Quellen schöpft, vermerkt, und zwar in Verbindung
mit den gleich zu besprechenden Skaiem, allerdings wiederum
als Bpox'.a IOvtq : fUr moesische Herkunft spricht iodess der unter
beiden allherrschende Cult der Hera. Den Priester dieser
Göttin nennt Polyaenus Koc^yy^^; dazu halte man Gosingis, die
erste Q-emahlin des Nikomedes I., eine Frau von phrygischer
Abkunft — wie innig deckt sich da die phrygische und die
moesische Namengebung!
Sxaiöi oder Sxaiot finden wir — • ungewiss ob als phrygi-
Bches oder als mysisches — iövo? IxciaSu xtj; TpwaBo^ xai xij?
6pa)cv2(; in der Europa des Hecataeus (Steph. Byz.; 20vo; 0pa-
xwv, Hesych.), wahrscheinUch gelagert im Chersonnes, der
später in den Besitz der thynischen Dolongker überging. Aus
dieser Schichtung würde sich der homerische Ausdruck Sxatal
xüXai für das Westthor von Ilios (P 145) aufs beste erklären:
4*
52 rV. Abh&ndlaiif : Tomftschek.
es war das Thor, welches zum dardanischen Sund und zu den
Skai'em fUhrte; so gab es nachmals in Byzantion, in Abdera
und in AmphipoUs Opr/ixiai tzoKm. So ergibt sich ein neuer
Beleg für die Wanderung mysischer Stämme nach Asien: die
Hauptmasse der Mysen war über den Bosporus vorangezogen,
die skaische Abtheilung verblieb im Chersonnes. Den homeri-
schen Rhapsoden lag in der Troas die mysische Namengebung
fertig vor; von den alteinheimischen troisch-teukrischen Namen
hatten sich weit geringere Reste erhalten. Haben etwa die
Ska'ier einmal den Sund überschritten? Schwerlich! Strabo
(p. 586) nennt als ältere Bewohner der Gegend von Abydos
nur Dryopen, Bebryken, als spätere ,Thraken^; Abydos selbst
soll (p. 591) nach den troischen Zeiten von ,Thraken* bewohnt
gewesen sein. Wir erinnern noch an die Edonen von Antan-
dros, an die kimmerischen Treren. Strabo (p. 590) führt unter
den Analogien zwischen der troischen und ^thrakischen^ Namen-
gebung ausser den Zxaioi ^einem gewissen thrakischen Stamme,
auch noch den Flussnamen Ixaio^ an: er meint offenbar den
Snio?, Oiffxto;, OESCUS des moeso-getischen Landes. Wenn
Polyaenus mit den Eebreniern Ix^ißoae verbindet, so erkennen
wir darin die echte, einheimische für die moesischen Skaler,
d. i. 2xatF6at, vom Thema cxatfo-;, lat. scaevos ^uk^. Ob diese
gerade am Isker sassen, wissen wir nicht; der Name dieses
Flusses spricht nicht sehr dafür. An der unteren Donau fehlen
nicht Spuren des alten Daseins der Skaier mitten unter den
Goten. Zwischen dem latrus (Jantra) und dem Castell Tri-
mammium (an der Mündung des Lom) stand ein gotisches
CasteU SCAI-DAVA, SxaVaißa, d. i. ,Skaier-Siedelung^ Weiter
stromabwärts, zwischen Carsum und Bireum, finden wir einen
Ort K(o^ oder Cium, den nicht erst Lysimachus oder die Römer
werden erbaut haben ; es vergleicht sich die mysische Stadt KCo;
an der Mündung des phrygischen 'A(7xavio;. — Nicht darf jedoch,
wie dies von Giseke geschehen, die Tripolis SCAEA III m. p.
a Larisa super Peneum amneui (Liv. XLII 55, 6) für die
Wanderungen der Vorzeit verwerthet werden, eine Localität,
deren Name weder mit den mysischen Skaiern, noch mit der
pelagonisclien Tripolis von Azoros zusammenhängt.
Die alten Thraker. I. 53
in. Die thrakiflohen Völkerstämme.
a) Die südliche Gruppe.
Die bisher dargelegte Schichtung der phrygischen und
mysischen Stämme westlich und südlich um die centrale Haupt-
masse der eigentlichen Thraker beweist ^ dass diese Stämme
als Ursassen zu betrachten sind, welche zunächst und vor allem
durch die zu verschiedenen Zeiten erfolgte Invasion der nordi-
schen Thraken, für welche der Haemus nicht nur ein Durch-
zug^ebiet, sondern auch eine wahre Heimstätte wurde, zur
Seite geworfen oder in kleine Tlieile zersplittert oder gänzlich
verdrängt worden waren. Wohl war die Culturstufe der ein-
gedrungenen thrakischen Rossezüchter nicht zu vergleichen
mit der höheren Stufe, welche die Ursassen sowohl durch die
Gunst der Naturverhältnisse wie infolge vorzeitlicher Berüh-
rungen mit den Völkern des Südens eingenonunen hatten; aber
die Geschichte lehrt, dass es in der Vergangenheit wiederholt
geschehen ist, dass rohere Völker über gesittete obsiegt und
dieselben überschichtet haben. Was sich im Haemusgebiet im
Grossen abspielte, wiederholte sich nachmals in kleinerem Mass-
stabe auf kleinasiatischem Boden, wo wir thrakische Thynen
rings umgeben von älteren phrygischen und mysischen Stämmen
vorfinden; zu welcher Zeit aber auf diesem allophylen Boden
die Phrygen selbst, hierauf die Mysen, sich festgesetzt haben,
dafilr fehlt uns jede Berechnung. Die ältesten Vorstösse und
Wanderungen der Thraken, welche bewirkten, dass das ganze
Nordland bis zum Strymon und Bosporus den Namen Thrake
erhielt und dass die Reste altansässiger Völker in diesem Namen
aufgiengen, sind für uns in völliges Dunkel gehüllt. Von den
Andeutungen der homerischen Lieder abgesehen, welche vor-
zugsweise den ägäischen Rüstenstämmen phrygischer und paio-
nischer Abkunft gelten, bezeichnet erst die Periode des kim-
merischen Völkersturms und der thynischen Wanderung für
uns den Eintritt in die Geschichte; und selbst diese Zeit ver-
m{%en wir nur in dunklen Zügen zu erkennen.
Arktinos, der Dichter der Aithiopis, stellte die Amazone
Pentbesilea, die neue Bundesgenossin der Troer, als Tochter
des Ares und der 'OTpujpiQ und als QpaoQa to ^evo? hin. In Otrera
63 IV. Abluulümiif : Tomftsehek.
es war das Thor, welches zum dardanischen Sund
Skai'em fUhrte; so gab es nachmals in Byzantion,
und in Amphipolis Bpr^'txtac ^Xoi. So ergibt siel
Beleg für die Wanderung mysischer Stämme nacl
Hauptmasse der Mysen war über den Bosporus v(
die skaische Abtheilung verblieb im Chersonnes. ]
sehen Rhapsoden lag in der Troas die mysische N
fertig vor; von den alteinheimischen troisch-teukris
•
hatten sich weit geringere Reste erhalten. Habe
Skai'er einmal den Sund überschritten? Schwerl
(p. 586) nennt als ältere Bewohner der Gegend *
nur Dryopen, Bebryken, als spätere ,Thraken'; AI
soll (p. 591) nach den troischen Zeiten von ^Thrak
gewesen sein. Wir erinnern noch an die Edonen
drosy an die kimmerischen Treren. Strabo (p. 590)
den Analogien zwischen der troischen und ^thrakisc!
gebung ausser den Zxaioi ,einem gewissen thrakiscl
auch noch den Flussnamen l%ai6<; an: er meint c
Sufo^, Orffxto;, OESCUS des moeso-getischen Lan
Polyaenus mit den Kebreniem Lxaiß6a( verbindet, i
wir darin die echte, einheimische fUr die moesis(
d. i. SxaiF6ai, vom Thema oxatfc-q, lat. scaevos ,hnk
gerade am Isker sassen, wissen wir nicht; der I
Flusses spricht nicht sehr dafür. An der unteren I
nicht Spuren des alten Daseins der Skaier mittel
Geten. Zwischen dem latrus (Jantra) und dem
mammium (an der Mündung des Lom) stand e
CasteU SCAI-DAVA, Sxai^eßa, d. i. ,Skaier.Siedelu]
stromabwärts, zwischen Carsum und Bireum, finde
Ort K(o<; oder Cium, den nicht erst Lysimachus odc
werden erbaut haben ; es vergleicht sich die mysiscl
an der Mündung des phrygischen 'Acxavio;. — Nicht
wie dies von Giseke geschehen, die Tripolis SCAJ
a Larisa super Peneum amnem (Liv. XLH 55
Wanderungen der Vorzeit verwerthet werden, ei^
deren Name weder mit den mysischen Skai'ern, ^
pelagonischen TripoUs von Azoros zusammenhängt
IM
Die alten Thraker. I. 56
wie ihre Wildheit gekennzeichnet wird. Von Bithynien ,warfen
sie sieh bald auf die Paphlagonen, bald auf die Phrygen, deren
König Midas sich den Tod mit Ochsenblut gab' (Str. p. 61).
Im phrygisch-pisidischen Grenzort Suaoaö; sollen die Kimmerier
reiche Gtetreidegruben getroflFen und sich davon ernährt haben
(St. .B)- Die Hauptmasse überschritt den Halys (St. p. 552)
und setzte sich im Gebiete von Sinope fest (Hdt. IV 12);
weiter gegen Osten wandernde Haufen stiessen auf die aus
dem Zweistromland nach Mada eingefallenen Qak4. Diese
Völkerstlirme scheinen die bisher am Iris und Lykos sesshaften
Armenier oder Hai-q langsam dem oberen Frät und Araxes
zugeführt zu haben. Vielleicht wurden auch Theile der Treren
ostwärts verschlagen: im Grenzlande der Armenier und Iberen
nennt Plinius eine regio TRIAßE (vgl. Tpt^ps? des Arrian) d. i.
die heutige Landschaft Thrial^thi am Flusse Ktsia, welcher
südlich von Tiflis in den Kur fällt; hier wird in armenischen
Schriftwerken ein Volk Namens Threl-q erwähnt. Auf die
Nachricht des Strabo, dass es im Grenzlande der Armenier
ythrakische^ Kopfabschneider oder Saporcapai gebe, legen wir
dabei weniger Gewicht; in Assur aber finden wir einen Ort
CDfMIR (GR.). In den assyrischen KeiUnschriften aus der
Zeit des Assarhaddon und Assurbanipal werden die Einfälle
der Gimirrä nach Assur, Chilaku und in das Land Ludu, wo
König Gugu oder Gyges herrschte, erwähnt; Gyges griff die
übermüthigen Gimirrai an, welche sein Land verwüsteten, und
schlug sie; bei einem zweiten Einfall jedoch verlor er sein
Leben. Unter Ardys H. (= Alyattes III.) setzten die Kimmerier
ihre Raubzüge und Plünderungen fort; im Verein mit einer
wischen Bande unter Lygdamis eroberten die Treren unter
ikrem Fürsten Kwßo? die Unterstadt Sardes; dann zogen sie
S^en Magnesia am Maiandros und tödteten viele Leute.
I^ygdamis kam in Kilikien um, Kobos zog vor dem Sakenkönig
Madua, dem Sohne des Prätathiya, den Kürzeren. Die endliche
Vernichtung der Kimmerier, welche in BLleinasien Alles durch-
einander gebracht hatten, wird dem vierten Alyattes zuge-
schrieben (ca. 600).
Den Griechen lagen nicht zusammenhängende Berichte
^ber diese Wanderung vor, sondern nur einzelne Andeutungen
ier Dichter, zumal des Kallinos. Dieser erwähnte den Angriff
^
54 IV. Abhandlung: Tomaschek.
erkennen wir eine Anspielung auf das thrakische Volk der
Treren, welches bei der sogenannten ^kimmerischen^ Wanderung
die Hauptrolle spielte. Wann diese Wanderung begann^ lässt
sich nicht erkunden; dieselbe wurde vielleicht durch Ein&lle
pontischer Skoloten veranlasst, welche im Flachlande an der
unteren Donau und darüber hinaus sich auszubreiten suchten;
vielleicht drängten auch die Sigynnen, sarmatische Metanasten
die wir im Gebiete der Theiss suchen dürfen. Die Haemus-
Stämme wurden unruhig, voran die TpYjpsq oder Tpaps?. Reste
dieses thrakischen Nomadenvolkes kannte noch Thucydides
(II 96): ,die Grenze des Odryscnreiches nach der Seite der
Triballer zu bilden ol Tp^ps; xal ot TtXaTaToi; diese beiden Völker
wohnen nördlich vom Skorabros (Ryla) und reichen gegen
Westen bis zum Flusse "Ooxio; (Isker)'. Theopomp erwähnte
Tpt5po<; oder Tpapo; als /(opiov öpaxt); (St. B.); Plinius nennt
TRERES an den Grenzen der Provinz Macedonia, sei es im
Norden oder im illyrischen Westen, etwa in der Nachbarschaft
der Brygen und Trailer. Die Hauptmasse des Volkes hatte
sich jedoch am Schluss des 8. Jahrhunderts v. Chr. dem Helles-
pont zugewandt; es muss geraume Zeit verflossen sein, bis sich
die Treren hier sammelten, um mit Kind und Kegel, Karren
und Vieh, auf Flössen über den Sund zu setzen; Troas, Mysien
und das nachmalige Bithynien wurden von ihnen heimgesucht.
Strabo berichtet, wahrscheinlich nach Xanthos (I, p. 59): ,vom
bistonischen See sowie vom See Aphnitis (in Mysien) sollen
einige Ortschafken der Thraken oder nach Anderen der Tp^pe^,
welche Nachbaren der Thraken waren, hinweggeschwemmt
worden scin^ Ferner (p. 586): ,die Küste südlich von Abydos
bis Adramythion besetzten die Tp>jpc(;, ein Stamm der Thraken^
Tpapiov hicss eine Anhöhe in der Troas (Tz. ad Lyc. 1141. 1159),
ein Ort in Mysien (Str. XHI, p. 607) und an der bithynischen
Küste (Ptol. V 1, 2). Antandros, voreinst lelegisch, dann
edonisch, hiess ein Jahrhundert hindurch (700 — 600) KtpLjAept^ —
so lange hausten hier die Thraken; Kifxjxeptot aber hiessen im
Munde der kleinasiatischen Aboriginer und der Semiten die
Nordvölker überhaupt. Arrian fand in seinen ,bithynischen Ge-
schichten^ Gelegenheit, der Treren oder Tpti^pe; zu gedenken:
sie galten ihm für Nachkommen des TptYjpo<;, Sohnes des Riesen
'Oßpiipsw; und der OpoxYj, wodurch ihre thrakische Abkunft so
Dm alten Thrmk«r. I. 56
wie ihre Wildheit gekennzeichnet wird. Von Bith^-nien , warfen
sie sich bald auf die Paphlagonen, bald auf die Phrygen, deren
König Midas sich den Tod mit Ochsenblnt gab^ (Str. p, 61).
Im phrygiseh-pisidischen Grenzort Z-jodszo^ sollen die Kimmerier
reiche Getreidegmben getroffen und sich davon ernährt haben
(St. ,B.). Die Hauptmasse überschritt den Haljs (Hi. p. 552)
and setzte sich im Gebiete von Sinope fest (Hdt. IV 12);
weiter gegen Osten wandernde Hänfen stiessen auf die ans
dem Zweistromland nach Mada eingefallenen (^aka. Diese
Vdlkerstfirme scheinen die bisher am Iris und Lykos sessliaften
Armenier oder Hai-q langsam dem oWren Frat und Araxes
zogeftüirt zu haben. Vielleicht worden anch Theile der Treren
ostwärts verschlagen: im Grenzlande der Armenier und uferen
nennt Plinias eine regio TRIARE TvgL Tpcf.^ des Arrian; JL u
die heutige Landschaft Thrialethi am Flusse Ktsia, welcher
södfieh Ton Tiflis in den Kur ftUt: hier wird in armenischen
Schrifhrerken ein Volk Namen« Threi-q erwähnt- Auf die
Sachricht des Strabo. dass es im Grenzlande der Armenier
«thnkisdie^ KopCshsehneider oder la^zzifo: gebe, legen wir
dabei weniger Gewicht: in Assur aber finden wir einen (/rt
CDQQR f'GR.r. In den afi«Fvriscfaen Keilinscbriften aas der
Zeit des AsBarhaddon und Aseurbanipal werden die EinfäJk
der Giinirrä nach Assor. Chüaku und in ^biA Land Lada, wo
KSnif Gugu oder Gjge» herrsekte, erwähnt: Gjgea griff die
äbermStdiieen Giamrai an, wefefae $ein Land verwfUteten. und
ichbe «c: bei einem zweiten Einfall jedöeh verlor er sein
Leben. Umer Afdv* IL = Aiyan« IH, »etzten die Kimaxerier
ihre Radbowe uiMi PteMeriiuren tynz na Verein mit einer
karaehea Bande unter Lvg^iami* er>fc*:rv:n die Treren unvtr
Ftnces Eiijc^ die U=aer»ta/it .S»rdejf: dacn zr^«L iie
Ibrn«» *m M^^rAirji ^d v>i->^-er. viele Le:».
LjHbBiB kam in Kifikiea mi. K-kä* »^^^ ^'^ 'i^^ .S*keii^/öi^
Ibdz». d«i ivAttt d« Pfitadkiva. de:i K^-nerec tr> ewL>:«
der Kiiaai«:.cr. weUrfe i- K>.r.a««ii Ai«« durcL
harfciL. wird -i^ta v>r^:i Alj*«* Z4i^.
dsene WacÄ*rTa;r ^^-ir- ^r^^rri =.xr ^u-izeii^ Ai-Qe^ttui,^t^
Ö6 rV- Abhandlnngf: Tomaschek.
der Kimmerier auf die 'Hatovee«; (Str. p. 627) oder Maionen,
das Anrücken derselben gegen Sardes und Magnesia (p. 646)
,vuv 3' iirl Kifjifji,ep{(i)v otpaTo^ Ip/eTote ißpifAospY<i^v', sowie den KoboB
jTpTJpea? dcv8pa; dcYwv' (St. B.). Was mag aber der Name Tpopcg
bedeutet haben? Das Thema tr'slr, trär- ist aus träir entstanden,
und dieses, wie thrak. pair, armen, hair , Vater' aus pi^tdr-,
hinwiederum aus tr^t^r, d. i. ,Hüter, Viehhälter, Hirt^, Ton
der arischen Wurzel skr. tr&, zd. thrä ,hüten, nähren'; dazu
gehört auch armen. er6 (gen. er^j, er^oj) ,animal, pecus', ge-
bildet wie zd. thrslya ,nährend, Nahrung'; sogar in der Sprache
der finnischen Mordwa findet sich die Wurzel tr'a- ^nähren,
pflegen, halten' mit Derivaten wie tramo ,Unterhalt, Nahrung^
vgl. zd. thrima. Es wäre nicht unmöglich, dass sich mit den
Thraken eingedrungene skolotische Haufen gemischt hatten,
echte Nomaden, welche von den Thraken ,Viehzüchter' genannt
wurden; der im Haemus zurückgebliebene Theil war aber jeden-
falls rein thrakisch.
An diese Treren schliessen sich die Trallen an, welche
gleichfalls ausgedehnte Wanderungen unternommen haben. Sie
waren gleichzeitig oder kurze Zeit nach den Treren ausgezogen
und wandten sich dem illjTischen Westen zu, wo sie die phry-
gischen Stämme Emathia's auseinander warfen; denn wir finden
TpaXXet; oder TpaXXeTi;, TpiXXot oder TpolXXtot hart im Rücken
der Brygen — die Trallen als den treibenden, die Brygen als
den geschobenen Theil. Es gab an der Grenze des make-
donischen Stammlandes eine Landschaft TpaXXtxi^ oder TpaXXCa •
fxoTpa -rij; 'IXXupiac; (St. B.). Theopomp war in der Lage, trallische
Ortschaften anzuführen : Byjyi? * fxoipa xal 7t6Xi? xwv ev IXXupb
TpoXXewv, und B6Xoupo? • fxoTpa yjxi xöXt? töv h 'IXXopia TpaXXsuv
(St. B.). Wenn BöXoupo(; zugleich eine icoXi? Ö6CTtpü)T(a<; war, so
schliessen wir daraus, dass die Trallen in der Verfolgung der
Brygen bis nach Epirus gelangt waren. Wie eng das Thrakische
mit dem Armenischen zusammenhieng, ersehen wir daraus, dass
sich der Name B6Xoüpo; (aus BöXFopo;, gebildet wie ß6pßopo(;) aufs
beste aus armen, bolor ,rund; Runde, Umkreis' und blur (gen.
blroj) ,runde Anhöhe, tumulus' erklärt, von einer Wurzel bhel :
bhol ,8chwellen, sich ballen'; gr. ßoXßo^ ,Zwiebel' (aus ßoXPd?,
vgl. Ut. bulwis ,KartoflFel, Bolle') mag aus einem nördlichen
Dialekt stammen. Nur ihrer geographischen Stellung wegen
Die alten Thraker. I. 57
werden diese TraUen den ülyriem zugewiesen (Liv. XXVII
32, 4; XXXI 35, 1 TRALLES Dlyriomm genus); sie bUdeten
ein starkes Contingent im makedonischen Heere. Die thrakische
Abstammung ergibt sich aus der Namensform, einem Derivat
oder einer dialektischen Aussprache des Thema trär-; in echt
thrakischen Personennamen werden wir dem Element -TpiXr)!;,
-tralis ,nährend, züchtend^ häufig begegnen. — Eüne zweite Ab-
theilung der Trallen finden wir im Berggebiet zu beiden Seiten
des Nestos. Als Agesilaos aus Asien heimkehrte (394), stiess er
im Gebiete der Pässe auf TpaXXsi; (var. TpwaSei?), Plut. Ages. 16,
apophthegm. Lac. 42. Am Südabhang der Rhodope finden wir
noch in später Zeit eine Gegend und Veste BiXXoupo;, BöXepo;. —
Trallen waren endlich, als Nachzügler der Treren oder als
Waffengenossen der Thynen, nach Asien gewandert. Eine
ihrer Ansiedlungen am astakenischen Golf hiess TpdXXiov, deren
Bewohner TpaXXioi (St. B.). Auf lydischen Boden, zwischen
der Messogis und dem Maiandros lag die uralte ,pelasgi8che',
von Lelegem, Minyem und Karcm bewohnte Veste Aipiaot,
welche, seitdem sich dort thrakische Trallier angesiedelt hatten
(Strabo p. 649), den Namen TpoXXe^ oder TpiXXi? führte; mit
den Tralliem wanderte auch die thrakische Sage von den
,Fäustlingen^ (s. d. Glosse xairoüljot) und Kranichen zu den
Karem. Das benachbarte Niiaa braucht nicht als eine thrakische
Gründung angesehen zu werden, da der Name wie der Diony-
soscult den Maionen und Phrygen eigen war; der phrygische
Ort TpaXXYj; kann sowohl auf die Trallen wie auf die Amazone
TpdXXa zurückgehen. Auxai);6c, eine )ui{jiYj AuBia;; (St. B.), gebildet
wie r«XiQ(S*6{; oder AaBetVot, war wohl eine maionische Gründung;
dagegen dürfen wir auf die Trallen beziehen jene öpaxe; AoxoCtoi
oder Aoxo^Txott, deren Vorort A6xo^o(; in Phrygien von Gewässern
hinweggeschwemmt wurde (Xanthus ap. St. B.). Aus den alten
Berührungen der Maionen und Trallen erklärt sich die Glosse
*AöTp(xX{flr/ • Tov Bpaxa, Aü$o{ (Hesych.): der vocaJische Anlaut dient
zur Stütze des Lautcomplexes oxp- wie in dTcpaX6;-6 «j/apoi;, östraXot
(Hesych.) neben lat. stumos, ags. stearn ,Staar^; die Maionen
hatten gewiss ein ähnhches Wort für diesen geschwätzigen
Vogel und benannten damit die barbarischen Trallen, deren
Dialekt ihnen unverständlich vorkam, in volks etymologischer
Weise oder zum Spott. Zur Zeit der Epigonen finden wir die
58 IV. AbhADdlnng: Tomasehek.
Trauen an den Höfen als Söldner, Trabanten und Henkers-
knechte; TpaXXeiq * fjL'.oöofdpoi Bpaxs^, ol toc^ ^ovtxo^ XP^^ KXvjpoQvrec
Tzapk ToT; ßafftXsufftv (Hesych.). In dieselbe späte Zeit fallen
die Ansiedelungen thrakischer Veteranen mit Weib und Kind
auf pisidischem und lykischem Boden, z. B. in der ^ilyas.
Nun wollen wir die Gruppe der thynischen Völker be-
trachten, deren älteste nachweisbare Sitze am Strymon lagen;
man kann demnach diese Gruppe auch die ,strymonische' be-
nennen. Doch haben wir bereits auseinandergesetzt, warum
wir uns Brigen oder Brygen, sowie deren Stammesbrüder, die
phrygischen Edonen, als Ursassen an diesem Strome zu denken
haben: der Name STpu|jL(iv selbst d. h. ,Strom', von der Wurzel
srev : sru, welche sowohl im Germanischen, Lettischen und
Slavischen, als auch im Phrygischen in der Form stru auftritt,
muss zunächst für phrygisch gelten; vgl. Sipüjxü) * Towi, Tochter
des Skamandros, die kikonische ItpufAY) an der Mündung des
Atao^, und ZTpufxovicv, Beiname der brigischen Stadt Mieza am
Ostabhang des Bermios. Selbst der AIjao? trägt einen phrygischen
Namen. Die thrakischen Strymonier müssen also aus dem
höheren Norden eingewandert sein, in Zeiten, die sich der Be-
rechnung entziehen. Das erste thrakische Volk, das erobernd
in den Süden vordrang und den Strymon sogar überschritt,
waren die Bisalten.
ßtaaXTott, mit Ausgang wie in Hypsaltae, einem odrysischen
Stamme am unteren Hebrus, vom Thema Bta-, das im Thra-
kischen mehrfach auftritt, werden in den Genealogien von einem
Heros Bicakvrt(; • 6 'HXiou xat T^; (St. B.) abgeleitet, was auf ein
vorzeitliches Auftreten im Lande hinweist. Wenn hinzugefügt
wird: eor». xal TCOTafxb? BidofXiTj?, so darf dieser Name für ein
poetisches Synonym für den Strymon gelten, wie 'Htov£6<; und
'H5(i)v6(;. Als thrakisches Eroberervolk erweisen sie sich durch
ihre tiefe Einlagerung in die Gruppe der edonischen Stämme,
durch ihre vormaligen Einfalle in die sithonische Pallene (Conen
narr. 20), durch ihre Erwerbung der mygdonischen ILrestonike
(Hdt. Vin 116), durch ihren Widerstand gegen die paionische
Invasion. Sie setzten ihre Einftllle nach Süden und gegen die
chalkidischen Colonisten fort, jedoch ohne Erfolg, ja sie ver-
loren zahlreiche Ortschaften, zuletzt auch die Vcste Argilos.
Ihr Zusammenhang mit der Akte wurde dadurch unterbrochen;
Die alten Thraker. I. 59
hier erhoben sich ftlnf Colonien der Andrier; doch war, neben
Edon^]} Krestonen und Tyrsenen, ein SxXo^ ßapßapov hi'^'kiiixxiayf
BcoaXTtxuv zurückgeblieben — neben ihrem thrakisch-bisaltischen
Dialekt war also bei ihnen auch schon das Griechische durch-
gedrungen (Thuc. IV 109, Diod. XII 68). Dieser thrakische
Stamm ^ welcher einmal sogar eine Expedition gegen Kardia
unternommen hatte (Athen. XII, p. 520), zeigt sich überhaupt
sehr bildungsfähig: bei ihm drang das altansässige edonische
Element sowie der griechische Cultureinfluss erfolgreich durch;
doch zeigt sich einmal ein grausamer Zug im Herrscherhause
(Hdt. 1. c.) verbunden mit Freiheitsgefiihl. Die wenigen bisal-
tischen Orte, die wir kennen, stammen aus der edonischen
Vorzeit, so namentlich B^Bu;. Das Land war überaus fruchtbar;
Oel- und Feigenbäume gediehen vorzüglich (Theop. ap. Athen. III,
p. 77, d); den Hauptreichthum bildeten die Metalle im Gebirge
Au9Ci>po<;, welche vielleicht schon die Edonen ausgebeutet hatten;
der makedonische König Alexander I. bemächtigte sich der
Silbergruben bald nach der Schlacht bei Plataiai, und ihm gieng
daraus täglich ein Silbertalent ein (Hdt. V 17); prächtige Exem-
plare von Silbermünzen mit der Legende ßeaaXTtxöv und der
Darstellung des lanzenschwingenden thrakischen Reiters sind
noch vorhanden. Seit PhiUpp bUeb die makedonische Herr-
schaft unbestritten. Als die Römer das frei belassene Makedonien
in vier Districte theilten (167), wurden ßiaaXxfa uaaa |jL6T3t t^?
h TV] SivTcxi) 'HpoxXeCo^ zu Macedonia prima geschlagen; Livius
(XLV 30, 3) fügt hinzu: ,BISALTAE fortissimi viri eis Nessum
incolnnt et circa Strymonem', und einen Vorzug bildeten ,multae
frngum proprietates et metalla et opportunitas Amphipolis^
Doch wird der Bisaltenname seither nicht mehr erwähnt; über-
all drang der Hellenismus durch.
Oberhalb der Bisalten, zwischen dem paionischen Thal-
bezirk Doberos und den Odomanten, also in der Weleä-planina
oder Bdlasica (byz. BaXaa(tCa), am See Butkowo und bei der
Strumaklause Rüpel (byz. Toütc^Xwv), sass das thrakische Volk
der StvToL Auf diese Sinten, sowie die benachbarten Maiden,
muBS der Ausdruck bei Herodot (V 5) ol xoruTcepOe KpigaTwvatwv
6p4ae< bezogen werden, denen der barbarische Brauch der
Vielweiberei und Witwenschlachtung zugeschrieben wird. Nam-
haft macht beide Völker zuerst Thucydides (H 98) bei Gelegen-
60 IV. Abhandlnng:: Tomasehek.
heit des vom Odrysenflirsten Sitalkas gegen Makedonien unter-
nommenen Feldzuges (429): Sitalkas war vom oberen Hebms
in das Gebiet der ihm unterthänigen Laiaier und Agrianen am
oberen Strymon eingerückt und zog von da über das Gebirge
RepxivY), die heutige Maleäowa-planina, hinab in das paionische
Doberos. Er hatte schon einmal einen Zug gegen die fireioi
Paionen unternommen und sich durch Lichtung der Waldungen
durch das menschenleere Gebirge Bahn gebrochen. WähröOid
er hinabstieg, lag ihm das Land der Paionen zur Rechten, sor
Linken dagegen das der Maido(, weiter südwärts jenes der
2tvTo(. Diese müssen auch noch den Unterlauf der StrAmica
eingenommen haben, d. i. des Dovto? 7:oTa|jLb(; %ep\ tyjv twv Sivxiv
%a\ MatBöv y/J^pav t^<; öpoxY); (Mirab. ausc. 115): in diesem breiten
Thalgebiete lagen wohl die Orte napOixdrcoXe^ und TpCffndXoq,
welche Ptolemaeus der crcpomQvCa Sivtixt^, zuweist; in der Para-
strymonia lag dagegen 'HpaxXeia, eine Gründung der make-
donischen Könige, zubenannt STpufxvoö (Hier.) oder, als Vorort
der Sintcn, ^Iivtixt), SENTICA (C. L VI, Nr. 2645, 2767, was
auf eine Nebenform Ssvtoi für 2ivto( hinweist), d. i. die am west-
lichen Ufer der Struma gelegene Ruine Wfetrena, kaum aber,
wie SafaKk vermuthet hatte, das heutige Demir-feifdr (by».
SiSiQpoxacTpov) oder das bulgarische Walowista (byz. BaXaßicrwt);
diese Veste beherrschte die stryinonische Klause, den Zugang
in die Parorbelia und in das Thal der Strumica. Die von
Philipp unterworfenen Sinten leisteten den Makedonen unter
eigenen Führern Heeresfolge, so noch unter Perseus bei Pydna
(175): ab Heraclea ex SINTIS tria milia Threcum liberorum
suum ducom habebant (Liv. XLI 51, 7). Aemilius Paulus liess
durch P. Nasica das Sinterland verheeren; es wurde zu Maoe-
donia I. geschlagen ; doch scheinen die Sinten öfter den Versuch
gewagt zu haben, ihre Freiheit zu gewinnen, bis sie von Sulla
(85) zu Paaren getrieben wurden; in der römischen Kaiserzeit
bezeugen Soldateninschriften das ruhige Dasein dieser Pro-
vinzialen. Während diese Sinten als echte Thraken der ge-
schichtlichen Zeit dastehen, lässt sich dasselbe nicht mit gleicher
Sicherheit von den lemnischen Kvrie*; der homerischen Hephaistos-
sage behaupten; doch könnte die von uns versuchte Deutung
des Namens von Wurzel kent- ,stechen' für die thrakischen
Sinten immerhin gelten, da von Metallgruben auf sintischem
Dm ftlten Thnker. I. 61
Boden gesprochen wird. In der Stelle bei Liv. XXVI 25, 3:
PhilippuB Dardanorom orbem Sintiam, in Macedoniam transitum
Dardanis factoram^ cepit — wird wohl finitimam zu lesen sein.
Die MottSoi, MAEDI, die nördlichen Nachbaren der Sinten
in der grossen (jTpamjYWj MaiStxt;, MAEDICA, bewohnten die
heatigen Landschaften Male§owo und Pijanec bis zum Bergstock
der Osogow-planina hinauf und bis zur Grenze der Dardaner
bei Kmnanowo. Ungenau sind die Nachrichten^ welche ihre
Südgrenze bis zu den Bisalten, Odomanten und £donen aus-
dehnen; so hatte z. B. Dionysios in den Bassarika die dr^pta fOXa
Motdii^v neben die 'Q8ove; IXxeaiTweTwXoi gesetzt (St. B.); selbst
Plinius sagt: Maedi amnem Strymonem accolunt dextro latere
ad Bisaltas usque (richtiger wäre Sintos); introrsus Denseletis
yicini Dardanis a fronte iunguntur. Ihre Grenze gegen die
Paiooen von Doberos bildete nach Thucydides die Kerkine
oder nach Aristoteles (Hist. an. IX 45) to Msoaobciov 5po^; der
Fluss növTo^ durchfioss die Gelände der Paionen, Maiden und
Sinten; bei den Metallgruben von Bivai, wo Braunkohle gefunden
wurde (s. d. Glossen «j^tvo^ jjiapciieü?), hatte Phihpp eine <PiXtz-
icouxcXi; angelegt; seinem Beispiele folgte Alexander, welcher
17 Jahre alt (339) die barbarischen Maiden zurücktrieb und
eine 'AXe^ovSpowoXK; gründete (Plut. Alex. 9, St. B.). Livius
(XXYI 26^ 6) bemerkt: incursare ea gens in Macedoniam soUta
erat; jedenfalls haben die Maiden den paionischen Stamm der
Agrianen ausgerottet oder sich assimilirt. Im Jahre 212 er-
oberte Phihpp, Sohn des Demetrius, lamphoryna, caput arcem-
que Maedicae (Liv.; ^opoüv«, Polyb. IX.); später (180) belagerte
er auf der Rückkehr vom Haemus ihre Stadt Petra (Liv. XL
21, 22). Perseus entbot die Bastamen von der unteren Donau
EU einem Einfalle tu; Tt)v MatJixYJv (Diod. XXX, fr. 29); Baster-
nanim exercitus eonsedit in Maedica circa DESUDAVAM
(Liv.XLIV 26, 7); wichtig ist hier das Auftreten des thrakischen
and dakischen Elementes — dava ,Siedelung^ Echt thrakisch
sind auch die maidischen Eigennamen: so wird den Maiden
Leu^TQ? und T(i)vaxY)(; die Erfindung der Hirtenflöte zugeschrieben
(Athen. IV, p. 184, a). Nachdem Makedonien römisch geworden
war (147), wiederholten sich die Raubzüge der noch frei ge-
Uüebenen Maiden, im Verein mit den Denseleten, Dardanem
und Skordiskern. In der Inschrift von Lete (117) ist die Rede
62 IT. Abhandlung: Tomftieliek.
von einem grossen Einfalle der Skordisker^ auvciceXO^yro^ lut*
ouToiv TCicot Tou T(üv Morficov SuvioTou (Aer' 5xXou xXe(ovo( (Rot. arcli.
1875, p. 65 ff.). In den folgenden Jahren werden meist nur
Skordisker als Feinde genannt, so unter C. Porcins CSato,
C. Caecilius Metellus, M. Minucius Rufus; Vulso (97) soll jedoch
Maiden und Dardaner bewältigt haben. Wiederum stachelte
Mithradates die thrakischen Bergstämme zu Einfällen nach
Makedonien an, deren sich der Statthalter C. Sentius nicht zu
erwehren vermochte ; nur die Denseleten hielten damals zu
Korn. Die Maiden dagegen verwüsteten unter ihrem Fürsten
£u>Tifxo; und im Verein mit den Dardanern und Skordiskem
Makedonien, drangen in Hellas ein, plünderten und verbrannten
die Tempel von Dodona und Delphi; L. Scipio rieb die Skor-
disker auf, die Maiden und Dardaner bewog er unter Belassung
ihres Raubes zum Rückzug, auf welchem Sotimus eine Nieder-
lage durch Sentius erlitt (85 vgl. Oros. V 18, App. ülyr. 5,
Plut. Num. 9, Cass. Dio etc.); gleichzeitig drang L. Cornelius
Sulla mit seinem Legaten Hortensius brandschatzend in das
sintische und maidische Land ein, beruhigte die Denseleten und
Dardaner, schlug die Skordisker und die dalmatischen Eneter
(Granius 35, Eutr. V 7, Plut. Sulla 53, App. Mithr. 55 etc.) und
gieng dann (84) nach Asien über. Bald darauf (78) schlug
App. Claudius die Maiden und fllgte sie, nebst einigen Stämmen
der Rhodope, definitiv in die makedonische Provinz ein. Spätere
Zeugnisse über dieses voreinst mächtige Volk fehlen, nicht
einmal Soldateninschriften nennen den maidischen Namen. Als
gebändigte Provinzialen, welche im Bereich der wenigen Städte
griechisch, im ausgedehnten Berglande, wo sie Viehzucht und
Köhlerei trieben, romanisch sprachen, waren sie jedenfalls mit-
betheiligt an der Bildung des makedo-wlachischen Volksthums,
das sich später im Pindus eine neue Heimat schuf, oder sie
giengen in den Slowenen, welche das Thal der Struma und
Brßgälnica in Besitz nahmen, spurlos auf. Bevor wir uns ihren
Stammesbrüdern, den Bithynen, zuwenden, sei noch ihrer Nach-
baren, der Denseleten, gedacht.
AavOocXijTott * S6vo^ 6pax(x6v (St. B.) nannte zuerst Theopomp;
doch fallen wahrscheinlich mit ihnen die bereits von Hecataeus
erwähnten AeaiXoC* Idvo; Opoxixöv (St. B.) zusammen; auch meint
sie Herodot mit den Worten (VIII 115): ol (Jvw Opi^ixs^ ol ittpl
Dia alten Thnk«r. I. 63
xaq fPtrx^ Tou SltpufAovo^ olxYjfjkdvoi, da er die Agrianen kaum wird
als Thraker hingestellt haben. Sie bewohnten das obere Struma-
thal von der Osogow-planina und vom Uujen aufwärts bis znm
Witoda and Znepolje; ihren Mittelpunkt bildete das Becken
von KOstendil oderPautaUa; Ptolemaeus verzeichnet die aTpaTif;^^*''
davOyjXrjTtxi^ zwischen MaiJixif), Beadtxi^, SepBixi^ und AapSovia. Auf
einer Inschrift (von Swrlyg, Arch. epigr. Mitth. X, p. 240, Nr. 4)
erscheint ein Strateg AevOeXrjTix^j*; iceBtacCo^, wozu wir uns eine
op^trfi als Gegensatz denken müssen, wie denn gleichzeitig eine
SijXtjttx^ ipetvij vermerkt wird. — PhiUpp ü. zog (183) et? '0Sp6aa?,
B^OTou^ 7ta\ AevOYjXi^toü? zu Felde (Polyb. XXIII 8, 4); zwei Jahre
später besuchte er den Hochgipfel des Haemus (WitoSa) und
das Land der DENTHELETI: socii erant, sed propter inopiam
band secus quam hostium fines Macedoniae populati sunt; ra-
piendo passim villas primum, deinde quosdam etiam vicos eva-
stanint; frumento inde sublato in Maedicam regressus urbem
Petram oppugnare est adortus (Liv. XL 22). Granius 35: Sulla
Dardanos et DENSELETAS ceterosque, qui Macedoniam vexa-
bant, in deditionem recepit. Im Jahre 30 v. Chr. hatten die
Bastamen das Land der Moesen, Triballer und Dardaner ge-
pltkndert; xoriJpafjLOv xae ttjv QpaY.Tt'^ ttjv AevOeAiQTcöv, IvotcovSov 'Pw-
(Mtioe; oSooev. Der römische Statthalter von Makedonien leistete
sowohl damals (29) dem blinden Dentheletenkönig Stra; Hilfe,
als auch im folgenden Jahre (28) bei einem neuen Einfalle der
Bastamen (Cass. Dio LI 23, 25). Geraume Zeit später (id.
LIV 20) hören wir jedoch von einem Raubzuge der Dentheleten
und der Skordisker; seither bUeben sie ruhige Provinzialen.
Wir finden Denseleten unter den Legionssoldaten an der Rhein-
grenze (vgl. Brambach Nr. 980: Sese Venulae f. DANSALA;
Nr. 1290: C. Tutius Manii f. DANS. eq. ex coh. IH. Thrac;
als Personenname begegnet DENSOLA Drulentis f., Mitth. 1891,
p. 147, Nr. 13). War DANSALA die echte Singularform zu
Aav6otX'Y]Ta(, so deuten wir diesen Namen als ,Beisser, Bissige^
oder ,Reisser*, von Wurzel dak : dak, skr. da9, daft9 (ahd. zangar
ybeissend, scharf*). Ueber das denseletische Wort midne ,vicus^
werden wir bei den Glossen handeln.
Mai5oß(euvoi erwähnt Strabo VII 3, 2, p. 295 als thrakisches
Volk neben BtOuvot und OjvoCj vgl. Steph. Byz. v. Mai5o( • ,ix
ToÖTttiv |jLeT0(ßavT6^ tive; €{<; (xa pi^pY] ta dvrticipav x6((A6va tyJ^ BpoxT;;
64 IV. Abhaadlang: Tomaschek.
*
xai) MaxsSovia^ MaiBoßiÖJvsi exATjÖYjaav^ Die tbynischen Stämme
waren also vormals Nachbaren der Maiden, ein strymonisches
Volk, dessen urälteste Heimat über dem Haimos gelegen hatte.
Die bythinischen Thraken schildert uns zuerst Herodot (VII 7Ö)
mit dem Beifügen: ouTot ^k 3iaßavTe<; [kh iq lifjv *Afftr|V iytXiffiiqacci
BiOuvoi, Tb §e TcpsTspcv exaXeovTO, u)^ auTol Xe^ouct, ZTpu{Ji6viot, oixcovra^
e*;?! 2iTpu(JL6v'.. e^avaarr^vae 8i ^aai e^ i^6e(i)v uzb Teuxpcov T£ icai Mu9ü&v.
Ueber diese Teukren und Mysen haben wir bereits gehandelt;
für diese Namen müssen wir unbedingt die Paionen einsetzen,
jenes illyrische Volk, das vom Westen herandrängend der
weiteren Ausbreitung der thrakischen Eroberer Grenzen gesetst
hatte; erst als das Volksthum der Paionen im Schwinden be-
griffen war, konnten die Maiden wiederum hervortreten. A113
Herodot zog Hesychius seine Glosse: STpüixövwi • ol BiOuvoi tö «pi-
Tepov. Als ein strymonisches Volk durften die Bithynen mit
einigem Recht den homerischen Helden 'Pijao; als ihren National-
heros feiern. Nach Plinius war SipüfjLovt^ ein alter Name von
Bithynien; schwerer zu erklären sind die angeblich noch älteren
Beinamen Kpov(a und OecraaXi; — sollen sich etwa den Trallen
thessalische Dryopen angeschlossen haben, die wir bei Abydos
fanden? Ueber die von Plinius vermerkte Benennung
MALLANDA, worin kaum Melandia stecken dürfte, wagen wir
eine Vermuthung: das Wort sieht aus wie eine dialektische
Nebenform von Marianda, mit der Bedeutung ,Uferland' (vgl
sur. marya-dä ,Merkzeichen* ags. msere engl, mere ,Landesgrenze,
Mark', von Wurzel m^r: mar); damit hängt wohl der Name
der phrygischen MaptavSüvoi zusammen, welche die Küste vom
Sangarius und Hypius bis zum paphlagonischen Callichoros
bewohnten und am Lycus Leibeigene der Herakleoten waren
— der orgiastische Naturdienst, der sich in der Sage vom
OpibXa; und im threnetischen ßwppLCj; ausspricht, sowie die vor-
malige Nachbarschaft der Mygdonen und Bebryken weist ihnen
phrygische Abkunft zu, obwohl sie Einige mit den thrakischen
Thynen (schol. Ap. Rh. H 140), Andere mit den Bammeriern
(ibid. I 1186) verwechselten; allerdings wurden Kimmerier
einmal vor Herakleia ein Opfer des Genusses von axcvixov
(Eust. ad Dion. per. 791, nach Arrian). Dass die tbynischen
Völker hinter den Kimmeriern oder Treren in Asien einzogen
und mit diesen nicht verwediselt werden dürfen, ergibt sich
Die alten Thraker. I. 65
ans der Nachricht des Bithynen Arrian, welcher mit der
Geschichte seines Landes wohl vertraut war (Eust. ad Dion.
per. 322): 6paxs<; e^ Euptoinr]^ §(^ßT)9av si; Aa{av fASta liccTcepou iivb^
i;Y6|a6vo^, 5t6 ol RtfxfASpiot ttjv 'Aa(av xaTSTps/oy, oIjc; exßaXdvTS*; ex
BiOuvCo; Ol 6paxe? wxYjaav outoi. Dieser Pataros drang durch das
Land der Mariandynen bis nach Paphlagonien vor, wie Demo-
sthenes in seinen bithynischen Geschichten berichtet hatte (St.
B.): nirapo^ eXwv Da^XoYoviav Ti'ov Ixxiaev xal £x toO ttjjiav ibv Ma
Ttov icpooTTYopeixjcv. Tloq wird jedoch eher eine Giündung der
Mariandynen gewesen sein, welche den Heros TtT(a(; verehrten
und bei denen ein Ort TtTo6a hiess. Weiter verbreiteten sich
die Bithynen tiefer im Inlande, namentlich in der Thalebene
SaX(i>v, wo ihr Hauptort ßiöuviov (j. Boli) stand, und in der
Uoiacyla des BiXXato;, wo sie Kporceta oder KpYjaaa und CEIPORA
gründeten. Thynen und Bithynen geriethen wie die Mysen
Phrygen und Mariandynen unter die Herrschaft des Kroisos
(Hdt. I 28), sodann der Perser. Zur Zeit des Artaxerxes H.
scheint sich der bithynische Häuptling AotBaXcn;; von den Persern
freigemacht zu haben; nach ihm folgten Bo-cetpa; und Ba;, dann
ZtiwtTrj?, welcher (298/7) den Titel ßaaiXsu; annahm, zuletzt
Nikomedes I. — Viehzucht und Ackerbau waren die Haupt-
beschäftigung der Bithynen; der Einfluss der phrygischen Nation
äussert sich namentlich im Göttercult; seit Nikomedes wirkte
das öriechenthum ein, so dass endlich das thrakisch phrygische
Element im Hellenismus aufgieng.
Mit den Bithynen waren auch Thynen in Asien einge-
zogen. Wir finden ein Inselchen nahe den ,Scheeren' (XirjXai),
genannt OüvigE; oder Öjvyji? (St. B.), die spätere Aa(pvoüau, Fenosia
der italienischen Seekarten, die heutige Kirp^-adassi ; das gegen-
überliegende Festland vom Flusse 'PT^^ßaq an bis zur Münde
des Sangarius (Scymn. 977) hiess 6üv(a, ÖüvkJ oder 0uv{(;; es
war die 6uvtaxTj öpaxiQ der bithynischen Herrschaft, in welche
zur Zeit des Zipoites die Herakleoten EinfUlle machten
(Memnon 17. 18); in der byz. Zeit wurde sie MsaoOuvta genannt
(vgl. Meffo^pu^w, Meae/aXBiot). Hier gab es nur kleine Ortschaften,
aber die Felder und Wälder waren ausgedehnt und ergiebig.
Zurückgebliebene Reste der BiOuvot xal öuvol öpYJVxs; finden
wir auch auf der europäischen Seite. Strabo XH, p. 541
berichtet ausdrücklich, dass es noch zu seiner Zeit in Thrake
Sitsongsber. d. phU.-hist. Gl. CXXVm. Bd. .i. Abh. 5
66 IV. Abhandlung : Tom »ich ok.
einen gewissen Stamm Namens BiOuvo( gegeben habe; eine Stadt
Bt6üv{; nennt Pomponius Mela im Flussgebiet des Erginos; vgl.
BITHENAS (TP., Bithena GR.) m. p. XIII Apris, XIH Moca-
sura. Phylarchus berichtete (Athen. VI, p. 271,6): Bu^^ivrioe
ouTti) BiOuvöv eS^o^oaav wq AaxsBa'.jjLÖvioi twv eIXcütcov. Die BtOuvfa i^
eivt tt;<; 6paxr^<; izepi SaXiAuBr^acdv (sehol. Ap. Rh. II 177) beruht
wohl auf einer Verwechslung mit der Thynias. Oberhalb
Perinthos und Selymbria kennt Xenophon (An. VII 4, 2) xb
0üvo)v x£8t(jv. Die Gehöfte dieser Thynen und ihre Schafhürden
waren rings mit Pfahlwerk verschanzt; ständig waren sie von
den Odrysen bedroht, welche hier als Herren schalteten; doch
wehrten sich die Thynen mit aller List. Xenophon nennt die
6üvo( ,die allergefilhrhchsten Feinde, besonders zur Nachtzeit;
sie sollen einstmals den Teres überfallen, viele Odrysen er-
schlagen und deren Gepäck erbeutet haben^; damals jedoch, als
sie die Griechen im Auftrage des Seuthes zu züchtigen hatten,
waren sie ins Gebirge entflohen; sie trugen, wie die Bithynen,
aX(*)Tw£xit5 ezl Tai; xs^aXai;. Die eigentUche öuvta; war jedoch
das Ufergebiet zwischen Salmydessos und ApoUonia, wo wir
allerdings auch ältere phrygische Reste gefunden haben, z. B.
die MeXavSiTat. Ein thy nischer Stamm, die MeX'.vo^aYOi, hatte
vom Anbau der Hirse seinen Namen. Der Strand bei Salmy-
dessos, für die Schiffer gefährlich wegen der Untiefen und
Saiiddünen (xa a-n^ÖY] tou IIcvtoü), war verrufen wegen der Raub-
sucht seiner thynischen Anwohner, welche die Gestrandeten
ausplünderten und erschlugen; einer Angabe zufolge sollen sie
nur die fremden Krämer, welche dort der Geschäfte wegen
anlegten, bestraft, zufällig Gestrandete jedoch gut behandelt
haben. An die Thynias erinnert noch jetzt der Ort Iniädha,
\ lav 0uvia5a. Die Bürger von Byzantion, welche eine weite
Strecke Landes erworben und die thynischen Bauern leibeigen
gemacht hatten, litten oft schwer infolge der Raubsucht der
Odrysen; etwa vier Dynasten übten an der Grenze ihre
^Gerechtsame^ aus: so oft die Feldfrucht reif war, kamen die
Barbaren heran und rafften Alles mit sich. Aber noch weit
ärger trieben es später die Galater des tylenischen Raubstaates
(Polyb. IV 46). Biöuvc(; und 6'jv6; heissen mit Recht Brüder;
wenn diese jedoch Arrian als ^aiSs; 'OSpuaou hinstellt, so ist
daran nur die räumliche Nähe Schuld. Mit den Bithynen bringt
Die ftlt«n Tbnkw. I. 67
Äppian (Mithr. 1) den Flussnamen B.öja; in Zusammenhang;
Bc6u2t werden auch als 2övo; 6paxY)? vermerkt (St. B.). Der
thrakische Eigennamen Bi'Oy; oder Bi'Ou; kann nur dann ver-
glichen werden, wenn man BiOGv (wie üoXtuv, Kd:ruv etc.) zu-
grunde legt; wegen der öü/ot muss Bi-Oüvof abgctheilt werden;
leider lässt sich die echte Aussprache von 0 nicht ermitteln.
Ob 0tve6^ der Argonautensage mit Öjvs; zusammenhängt, etwa
infolge einer minyischen oder karischen Aussprache, lassen wir
dahingestellt; über die Herkunft der Sage hat Hiller von
Gaertringen Nachweise gehefert. — Die thynische Wanderung
hat in Europa noch ein bemcrkenswerthes Glied zurückgelassen,
dort, wo vormals die Skaier sassen.
Es sind die AcXo-ptct oder AoXc-ptiot, DOLONGAE, in dem
Landstriche loXo^xti^, d. i. im Innern des thrakischen Chersonnes
bis zum Flusse Melas oder Apsinthos. Der Heros AdXofxo;,
Sohn des Zeus oder des Kronos und der Nymphe Thrake, galt
für einen Bruder des Btöuvdq (St. B.). Der Bithyne Arrian
(Eust. ad Dion. per. 322) venneldet die Sage, Dolongkos
habe als Herrscher von Thrake viele Frauen gehabt und mit
diesen viele Kinder gezeugt, und seither bestehe unter den
Thraken die Sitte, icoXXa^ Ixetv ifuvatxaq, ux; av ex xoXXwv roXXou^
E^ctev iraTJot;. Die Sitte der Vielweiberei herrschte bei allen
strymonischen Stämmen. In der Geschichte werden die
Dolongken nur einmal erwähnt (Hdt. VI 34): um das Jahr
550 hatten die löXo^xot öpiJVxe? TciecjOevTS^ tcoX^Ijlo) 'j-nb *A^tvöiu)v
durch Abgesandte das delphische Orakel befragt; als diese über
Athen heimkehrten, fanden sie im Hause des Miltiades, Sohnes
des Kypselos, gastliche Aufnahme; Miltiades schiffte mit ihnen
zum Chersonnes, unterstützte die Barbaren mit Rath und That,
verschanzte die Landenge von Kardia bis Paktye und gewann
bei ihnen Macht und Grundbesitz. Auch den jüngeren Miltiades,
Sohn des Kimon, finden wir zur Zeit des Skytheneinfalls im
Chersonnes; er hatte zur Frau Hegesipyle, die Tochter des
Thrakerkönigs Oloros; erst 493 kehrte er nach Athen zurück. —
An jenen Abgesandten waren ausser der Barbaren tracht die
Äiyjxoi, welche sie trugen, auffJiUig. Sollte das Wort AcXo^xo;
mit Xc>Yx^< zusammenhängen, d. i. BoXcS^x^ y^ongsi^ von der Wurzel
dolongh: delegh, gr. lokix^c: (£v)BeX£XT^<<;? Es gibt auch eine Wurzel
del: dol ,8palten', woraus die AoXiove*; erklärt werden können. —
5»
68 IV. Abhandlung: Tomaschek.
Nun gehen wir zu den Bergstämmen des Orbelos und der
Rhodope über, welche ihrer centralen Lage nach und wegen
ihrer Erstreckung bis hart an die ögäische Küste fllr den
ältesten Theil der gegen Süden vorgerückten thrakischen Völker-
weit gelten müssen.
Saipai • eövoi; Öpobwr;; nannte zuerst Hecataeus (St. B.), ebenso
die zu ihnen gehörigen Sarpo-x^vra' (in Meineke's Ausgabe aus-
gefallen; fr. 129 bei C. Müller), ein Vollname, der sich gut
deuten Hesse als ,nach der Herrschaft Strebende, der Herr-
schaft sich Erfreunde'; vgl. arisch käatra ,der herrschende Theil
des Volkes, Herrschaft' (wie kara ,der handelnde Theil, das
Heer'). Es können ja die Satren das wehrhafte und kriegerische
Element unter den duschen Thraken gebildet haben, während
die Bossen oder ,Dorfbewohner' die eigentliche Volksmasse
darstellten; man halte dazu die 21iVoi östlich von der Mündung
des Nestos. Leider steht diese Etymologie nicht felsenfest da:
käatra ist eine specifisch-arisehe Bildung, auch würden wir im
Thrakischen eher aar erwarten (vgl. aar ,König' im gorischen
Dialekt von Harö). Herodot (VH 1 10) führt in der Reihe der
Völker, welche dem Zuge des Xerxes folgten, neben Sapaiem
und Edonen die Saipat an, mit dem Beisatz, dass sie tiefer im
Binnenlande wohnten, obwohl sie zeitweilig, neben Pieren
und Odomanten, im Besitze der Bergwerke am Pangaios
standen (112). Sie waren überhaupt ein grosses und starkes
Volk (111), das seit Menschengedenken seine Freiheit bewahrt
hatte: ,denn sie bewohnen hohe Gebirge, mit allerlei Waldungen
und Schnee überdeckt, und sind gewaltig im Kriege; sie be-
sitzen auch das Orakel des Dionysos, welches auf den höchsten
Bergen liegt'. Und doch vci*schwindet in der Folgezeit der
Name der Satrcn gänzlich, nur Dior und Bessen werden genannt.
Sobald einmal das Bergland makedonisch und römisch geworden
war, konnte es auch keine »Herrschenden' mehr geben; man
erkennt, dass es kein echter Volksname war, sondern nur
Bezeichnung des kriegerischen Adels unter jenen Völkern. —
Die Aapaioi • eOvo; 0px/.tov, 'ExaTaToq Eupo)-;?/) (St. B.), dürfen wohl
mit den Aspcaict verglichen werden, welche Herodot (VH 110)
und Thucydides (H 101) als freie Thraken neben Odomanten,
Satren und Edonen anführen; die AsppaTci oder Itipaioi der
Abderitis (St. B.) dagegen scheinen Bewohner der Ortschaft
Die alten Tbruker. I. 69
AstpiJ gewesen zu sein. Neben den Dersaiern kennt Thucydides
sonst nirgend erwähnte Apwoi. Im Akontisma-Passe fanden wir
TpaXXst^ (cod. TpwaBeT;). Tiefer in der Rhodope, zwischen den
Sapaiern und Bessen, sass der Stamm der Apiaot, welche der
«rrpaTTjYC« Apoorixii (Ptol.) den Namen gaben.
laxaioi, bei Hecataeus Saxat • i^oq öpaxtov (St. B., Hesych.),
hausten nach Plinius ,ad Mestum amnem et ima Rhodopae',
von den Odomanten und Satren an bis zu den Korpilen. Wir
finden sie unter den Völkern, welche dem Zuge des Xerxes
folgten (Hdt. VII 110). Zur Zeit des Perseus tritt 'AßpouxoXi?
5 loxaicov ßaaiXeO; als Freund der Römer und Gegner des Make-
donen, dessen Land er bis zum Strymon hin verwüstete, hervor;
vielleicht war auch Bapaa^ä^ 6 twv QpctiM!)'* ßaaiXeOi;, zu welchem
Andriskos geflohen war (Diod. fr. H. Gr. 11, p. XV), ein Sapaier.
Im Bürgerkrieg zwischen Brutus -Cassius und Antonius -Octa-
vianas stand 'PacjxouzoXK; 6 twv SaTratwv ßaaiXeu; auf Seiten der
Republikaner, sein Bruder Taaxo; auf Seiten der Gegner (App.
B. civ. rV 87), deren Feldherren den korpilischen Pass und
•ci 22xa{ü)v dtsva besetzt hielten; das Heer der Republikaner
umgieng jedoch die südliche Rhodope (Qarlygh-dagh und Qyälaq-
dagh) oder tb twv 2aTca{o)v 6po<; und erreichte, nachdem jene die
Pässe aufgegeben hatten, die Ebene von Philippi. Die römische
(TcpaTYjfta ^cwcaVxT^ verzeichnet Ptolemaeus in den Vorbergen der
Rhodope vom Nestos an bis zum bistonischen See, an der West-
seite der Korpilen. Ovidius Fast. I 389 sagt: exta canum vidi
Triviae libare Säpaeos; er meint das Hundeopfer der Hekate
Zripuv6{a. In einem Epigramm aus der Tundra-Region heisst es
(Ephemeris, Athen 1884, p. 263 fg.): e5 KeXsiwv xaTpwo; avi
SäKratxtjv ip(ßü)Xcv; man könnte daftir 22ji.aV)w^v lesen. Auf den
lat. Inschriften werden Sapaier nicht erwähnt; die oben er-
wähnten Eigennamen sind echt-thrakisch. Der Volksname Saxat,
laexaioi Hesse sich etwa aus der Wurzel skr. 9ap ,schwören,
fluchen^ deuten.
KopxtXsi, Kop^iXoi oder KopTcCXXot, CORPILLI, sassen an der
Ostseite der Sapaier in der oTpaTtj-fCa KopxiXixij, (Ptol.) KopxtXXixi},
welche vom bistonischen See bis zur Mündung des Hebrus und
in die 'A'^'tvOi; (St. B.) hineinreichte und die isolierten östlichen
Vorberge der Rhodope (z. B. den Öabb-khäne-dagh) und die
Bergenge Tempyra (am Bodama-(?ai* oberhalb Ded^-aghaö) oder
70 rv. Abhandlnng: Tomascbek.
10L T(ov KopxiXwv Gxeva umfasste. Längst waren hier die Kikonen
nnd Paiter verschwunden oder in der griechischen Küsten-
bevülkerung aufgegangen; die thrakischen Korpilen aber waren
aus dem inneren Bergland der Khodopc zur Küste vorgedrungen.
Im Jahre 188 v. Chr. griffen in der Enge zwischen Kjpsela
und dem Ilebrus 10.000 Thraker aus vier Stämmen den römi-
schen Feldhemi ManHus an (Liv. XXXVHI 40, 8): Astii et
Caeni et Maduateni et CORPILl (cod. coreli). Die MADUATENI
werden sonst nirgend erwähnt; MaBuTeiq oder Ma^uTtot der Qrie-
chenstadt MdSuToq (i. Maito) im Chersonnes werden es nicht
gewesen sein, sondern irgend ein thrakischer Bergstamm aus
der Rhodope. Als Eigenname findet sich KopxtXo^ auf einer
Inschrift aus Imbros (Syllogos XIII, Anhang S. U, n^ 19);
vielleicht waren die von Stephanus (v. "Avxupa) erwähnten litepicoi
oder Sxopwoi Thraken. Letztere deuten wir vom Thema skerp-,
kerp- ,scheeren, schneiden, schlachten, pflücken', die KopicTXot
von Wurzel qerp- ,wendcn, drehen, sich umdrehend
Auch die Tpaucc( gehörten ohne Zweifel zu den centralen
Stämmen der Rhodope. Livius erwähnt sie als einen zur Küste
vorgedrungenen Stamm beim Zuge des ManUus (XXXVIII 41,6):
aliae angustiae circa Tempyra excipiunt; huc ad spem praedae
TRAUSI, gens et ipsa Thraecum, convenere. Nach deren Be-
wältigung schlugen die Römer ihr Lager bei XiXt) auf. Von
diesen Montagnards erzählte sich das Alterthum einen auf-
fallenden Brauch (Hdt. V 3. 4; Hesych. v. TpoOffo^, N. c. Damasc.
de moribus v. Tpaixjiavoi) : ,den Neugeborenen bejammern die
Verwandten wegen aller jener Übel, die er von nun an zu er-
dulden hat, wobei sie alle menschlichen Leiden aufzählen; den
Hingeschiedenen aber begraben sie mit Jubel und Freude,
wobei sie anfüliren, wie er nun, von all den Übeln erlöst, in
voller Seügkeit lebe'. Ausser der Vorstellung von einem Jen-
seits finden wir hier den Ausdruck der vollen Energielosigkeit
und Faulheit, welche das Loswerden von angestrengter Arbeit
für das höchste Glück hält (vgl. Lobeck Aglaoph. 801 ff.); gewiss
waren diese Trausen weder fleissige Landleute noch strebsame
Handwerker, sondern armselige xaXüßTxaC tivs^ vjxI Xuicpoßioi, wie
Strabo von den Bessen bemerkt. Hesychius bezeichnet die
Trausen als lövo^ SkuOixöv, was nicht viel bedeuten will; wenn
wir jedoch bei ^Stephanus die Notiz finden: Tpauaoi • lOvo^ o\ki cl
Die alten Thraker. I. 71
'E/vXyjVc; 'AvaO-jpacu; JvcfjiaCöy^i, so erkennen wir darin den echten
nationalen Namen jenes nordischen Volkes, das die Skoloten
mit einem skoptischen Vorsehlag 'Afi-Öjp^oi benannten; wie alle
Thraken, so waren auch die Trausen aus dem Karpatenwall
gekommen. Mit dem Flussnamen STpaOo; (von Wurzel streu:
stru p§to)) des Biston enland es, dem heutigen Quru-c^ai, haben
die Trausen nichts gemein; ihr Name erklärt sich vielmehr
von einem Thema tröu-9, trau-k (vgl. xpö/o), trucido, xpaö-ixa)
und aus der Wurzel teru : tru (TpO) ,aufreiben, durchbrechen,
entzweireissen, verwundend
Die AXoi, d. h. die ,Göttlichen, die Gottesdiener', erscheinen
als eines der ursprünglichsten und namhaftesten Völker- der
Rhodope. Als Sitalkas gegen die Makedonen auszog (429), ent-
bot er ausser den Geten viele von den unabhängigen Thraken,
welche grösstentheils die Rhodope bewohnen und Ab», genannt
werden, zu den Waflfen; die Einen gewann er durch Gold,
Andere schlössen sich ihm freiwillig in Hoffnung auf reiche
Beute an' (Thucyd. II 96). An anderer Stelle (VII 27) spricht
Thucydides von Spoxe; tou Aiay.cu y£vou^, woraus Cassius Dio
(LXVII 6) Toj Aaxtxoü ^^ou; und Vorväter der Daken gemacht
hat: ,im Sommer des 19. Jahres (412) kamen von den mit
Schwertern bewaffneten (ixa/aipccöpci) Thraken des duschen
Stammes 1300 Peltasten nach Athen ; jeder erhielt täglich
eine Drachme als Sold. Da sie zu spät anlangten, wurden
sie zurückgeschickt; auf der Fahrt durch den Euripos über-
rumpelten sie den boiotischen Mykalessos, plünderten und mor-
deten und schlachteten sogar die Kinder in der Schule, wie
denn die Thraken keinem Barbarenvolke an Blutgier nach-
stehen; der thebanischen Reiterei gegenüber vertheidigten sie
sich nicht übel, indem sie nach ihrem heimatlichen Brauche
aus Reih und Glied vorgiengen und sich wiederum in Ord-
nung sammelten.' Der Besitz von eisernen Schwertern er-
weist metallurgische Technik, wie sie die Bessen seit Alters
übten. Noch einmal erscheinen DU neben Odrysen und Koila-
leten als Vertheidiger der nationalen Freiheit wider die Römer
unter Kaiser Tiberius (Tac. Ann. IV 46 — 51) in den Jahren
21 — 26; der Aufstand wurde lihitiir unterdrückt, die Rebellcn-
fuhrcr Tarsas, Turcsis und Dini^i stürzten sich todesnmthig in
ihre Schwerter.
72 IV. Abhandlung: Tomascbek.
DIOBESSI nennt Plinius unter den hessischen Stämmen
am Mestus und in der Rhodope; dieses \hezeichnende Compo-
situm, gehildet wie die hessischen Eigennamen Dio-scuthes, Dia-
zenus (= Aiov^vr^;), Deo-spor (auch das Simplex Aic^ und Moq
findet sich öfter bezeugt), erweist die innige Verbindung des
hessischen Stammes mit den Diern, welche die Stelle der hero-
doteischen Satren einnehmen. Wir fügen hier die übrigen
Stämme an, welche zur bessischen Nation oder zum duschen
Stamme zu gehören scheinen. Der Apoaot haben wir bereits
gedacht. Aiaopai vermerkte Ilecataeus als eövo^ öpaxtcv (St. B.):
sie gehörten kaum in das bisaltische 5po<; Ajawpov, sondern zu
den Bessen, bei denen wir Aefoopo«; als Eigennamen vorfinden
(Inschr. v. Batkun, Dumont p. 13, n^ 23). Bpwat, BRISAE,
führt Plinius unter den bessischen Sonderstämmen an; vgl. den
bessischen Eigennamen Dentu-brisa. Oberhalb der Sapaier
Sassen ferner die 'AXy)to(, HALETI (Plin.); an die Diobessen
schlössen sich ostwärts die CARBILESI an, und bis zum Hebrus
reichten die den Coelaletae minores benachbarten CARBILETAE
(Plin.); diese bewohnten vielleicht ein entholztes Hügelgebiet,
da sich der Name auf die Wurzel (s)krebh : krbh ,dörren, ver-
trocknen lassen^ zurückführen lässt. Plinius setzt femer in die
nördliche Rhodope SIALETAE an; als unter Kaiser Augustos
der Dionysospriester Vologaises den bessischen Aufstand an-
zettelte (13 — 11 V. Chr.), schlössen sich den nach Makedonien
eingefallenen Bessen auch ol SiaXetai an; Bessen und Sialeten
wurden sodann von dem Statthalter Moesiens L. Calpurnius
Piso unterworfen (Cass. Dio LIV 34). Nun wollen wir die Ge-
schicke der Bessen selbst ausflihrUcher betrachten, weil gerade
dieses thrakische Centralvolk an der Bildung des ostromanischen
oder ,wlachischen' Volksthums in hervorragendster Weise be-
theiligt war.
Btjaaoi waren nach Herodot (VII 111) ein Stamm oder
eine Volksabtheilung der Satren, welche die heiligen Handlungen
im Dionysosorakel versah ; eine Weissagepriesterin, wie in Delphi,
gab die bunten Sprüche. Dürfen wir die Bessen darum als
blosse Tempcldiener fassen? Ist's nicht vielmehr wahrschein-
licher, dass sie im Gegensatze zu dem rein-thrakischen Klriegs-
adel der Satren Angehörige der grossen Volksmasse darstellen,
welche sich mit den im Orbelos und in der Rhodope altansässigen
Die alten Thraker. I. 73
und alle Culturarbeiten verrichtenden phrygischen Stämmen
gemischt hatte? Von diesen phrygischen oder edonischen Ueber-
resten war auch der Dionysoscult auf die Thraken überge-
gangen ; eben darum verrichteten gerade hessische Priester den
Tempeldienst. Neben Btjoaoi (so nach Herodian) oder, wie auch
betont wird (zuletzt bei Eust. zu B 532), Byjaaoi finden sich
später die Formen Biaoot (vgl. Becxao«; 6 fla'wv Plut. Mor. p. 669)
und Becot (in byz. Zeit) ; auf lat. Inschriften ausser dem üblichen
Bessus auch BESUS (C. I. UI n^ 558. 6109 VI n« 26D9) und
VESÜS (XIV n« 234, wie Vitus neben Bitus, BMü;). Im Ein-
klang zu der oben vermutheten Deutung der SäTpai könnten
wir, unter der Annahme, dass Byjaaot aus BeTaaoi, Betaioi, d. i.
Hiaiot entstanden, den Namen mit ,Orts- oder Dorfbewohner,
Clangenossen, oixeToi' oder ,Gefolgemänner, Dienstleute, Hörige'
übersetzen, von der Wurzel veik, vei9: vi9 ,eintreten, sich
niederlassen'; vgl. skr. ve9jis ,Nachbar, Clangenosse, Dienstmann',
ve9ia ,Nachbarschaft, Hörigkeit', lit. we§-pats ,Gauvorstand,
Hausherr' etc. Dabei bemerken wir aber ausdrücklich, dass
wir nicht an jenen strengen Kastenunterschied denken, wie er
sich bei den indischen Ariern zwischen den Käatriya und
Vai9ya herausgebildet hat (Zimmer, Altindisches Leben S. 187,
193. 213). Auch an und für sich, ohne Hinzutritt einer altan-
sässigen Volksschicht, konnten sich thrakische Stämme ,Clan-
genossen' benennen, namentUch in der Nachbarschaft fremd-
sprachiger Völker; wir finden darum Bessen oder, wie die ent-
sprechende Form im dakischen Dialekt lautet, Bicajoi schon in
der Urheimat der Thraken, im Karpatenwall, wo sie Ptole-
maeus zwischen den Quellen der Theiss und der Weichsel an-
setzt, nachdem sie von den lazygen aus der Ebene ins Gebirge
waren verdrängt worden. Als Volk hatte sich die Bessen jeden-
falls Hippokrates gedacht, wenn er von einer Heilpflanze ßr^aaiaxi^
sprach; vgl. Galeni Lex. (XIX, p. 88): it iiio Brj^aüiv tojv ev öpaxYj.
Ihre Bedeutung als Volk tritt in der Geschichte immer stärker
hervor.
Bessen waren jene 'OpßijXtoi, welche Philipp mit Anwendung
barbarischer Mittel unterworfen hat (Polyaen. IV 2, 16), ferner
jene öpajce; ol aux^vo|xoi, welche sich dem Alexander auf seinem
TribaUerzuge am Eingange zur Haemuspassage innerhalb einer
Wagenburg verschanzt entgegenstellten (Arr. An. I 1, 16).
74 IV. Abhandlang: Tomaschek.
Oft ist die Rede von ,Bes8en der vier Cantone', Tizpac/tüpizai o\
Bijaffoc oder TexoaxwfjLoi (St. B.); Strabo (VII, p. 318) schildert
die Bsacoi, ot to xX^ov toü 5pou; v£[jLo^;Ta'. tcu Atpiou, die aber
ausserdem (fr. 48) im Bergland am Oberlauf des Hebrus sassen,
als das wildeste unter allen thrakischen- Völkern, als xaXußiTaC
Tive; xai Xiwpoßtot, als Leute, die sogar von den benachbarten
Raubstämmen den Titel ,Räuber' erhielten. Philipp, Sohn des
Demetrius, zog (183) mitten durch die Rhodope si<; 'O^puca^,
Be^aou; xat AevÖTQXiQTou; und erreichte Philippopolis (Polyb. XXIII
8, 4 Liv. XXXIX 53, 12); die daselbst zurückgelassene Be-
satzung wurde jedoch von den Thrakern verjagt. Sie beun-
ruhigten wiederholt die makedonische Provinz; die römischen
Truppen kämpften nicht immer mit Erfolg. Erst M. Terentius
Varro LucuUus, der Bruder des L. Licinius Lucnllus, dem
Makedonien durchs Loos zugefallen war (73), drang erfolgreich
in das hessische Bergland ein, wahrscheinlich unterstützt von
den Odrysen, deren Gebiet die Bessen besetzt hatten; er schlug
die Bessen in einer grossen Schlacht im Haemus und veijagte
sie aus Uscudama (Hadrianopolis) und Cabyle (Eutr. VI 10;
vgl. Amm. Marc. XXVU 4, 11: Lucullus cum durissima gente
Bessorum conflixit omnium primus); dann wandte er sich gegen
die Geten und Moesen. Wir finden dann (60) den C. Octavius,
Vater des Augustus, im Kampfe mit Bessen und Thraken
(Suet. Oct. 3); derselbe besuchte auch das dionysische Orakel
(id. 54). Der Statthalter L. Calpurnius Piso (57. 56) begünstigte
die Odrysen auf jede Weise zum Nachtheil der Bessen, deren
Häuptling RABOCENTUS von ihm ohne Verhör getödtet wurde
(Cicero in Pis. 34, 84). Im Bürgerkriege (48) stellten die Bessen
dem Pompeius Hilfstruppen, theils auf Befehl und Bitten, theils
gegen Sold (Caes., B. civ. IH 4). Nach Caesar's Ermordung
schaltete Brutus (43) mit voller Autorität in Makedonien und
züchtigte die BTjaao^ für ihre Räubereien (Cass. Dio XLVII 25).
Unter Augustus (28) unterwarf M. Licinius Crassus die Grenz-
vülker Makedoniens, unterstützt von den Odrysen, denen er
zum Lohne den Tempelbezirk des Dionysos zuwies, ai^sX6ii.t'fo^
Br^aaoy^ tou; XÄTe/ovTa^ ttjv x^P^j ^^ 7) **• "^^'^ ^^®^ ar^dWoDoi (Cass.
Dio LI 25). Zur Zeit des pannonisch-delmatischen Aufstandes
erhob sich (13) OüoXofaicTj; öpaj Bf^aao;, Upsü; toj izap* auTOt; Atoyjcou,
wider die Odrysen, tödtete den Rhcskuporis, Sohn des Kotys IV.,
Die alten Thraker. I. 75
und vertrieb den Regenten Rhoimetalkas ; M. LoUius brachte
ihm zwar eine Schlappe bei, doch der Aufstand verbreitete
sich immer weiter, und die Bessen wurden immer übermüthiger.
Da erhielt der Statthalter von Moesien, L. Calpurnius Piso,
von Augustus mit geheimen Mandaten betraut (Scneca ep. XII
1, 14), das Commando und setzte sich, wie ein Dichter sagt,
die makedonische xauaia auf (Antipater, AP. VI 335); er schlug
die von einem Raubzug heimkehrenden Bessen aufs Haupt und
warf die Sialeten nieder (Cass. Dio LIV 34); nach vielen
Kämpfen wurde (11) der Aufstand bewältigt und dem Piso der
Triumph zuerkannt. Damals feierte der Dichter Antipatros
TrjV xaTanwj'.v twv Bsaacljv (AP. IX 428): aei^u) B* i/no aot JeSjAYifxevov
WpeT, Beaawv etc. Florus erzählt: Thraces a L. Pisone perdomiti
in ipsa captivitate rabiem ostendere, catenas morsibus tempta-
bant! Bei Appian (Illyr. 16) sind die Beaaoi irrthümlich unter
die dalmatischen Völker gerathen.
Die Bscjffixij wurde als grosse Strategie eingerichtet, die
wahrscheinlich mehrere Unter-Strategien ümfasste ; ringsum lagen
die MaiBtx/|, AovÖeXrjTtxii, SspSixi^, OuaBtxt;aiXT^^, SsXXtqtixt^, KotXaXyjTix^
DBpüdixi^, Bsvvixii, LanuaVxTQ und ApoatxiiJ. Hauptmarkt der Bessen
war der Ort BESSA PARA, Ousao67;apov bei Prokop, am oberen
Hebrus, die heutige Eisenbahnstation Beäikara südlich von
Bazardiik; von BESSA datieren Schreiben römischer Kaiser
a. 330 (cod. lust. HI 93, 3 VIII 4, 5) und a. 340 (X 32, 21
cod. Theod. XII 1, 30). Schon bei Ovidius erscheinen die
Bessen als thrakisches Hauptvolk neben den Qeten (Trist. IH
10, 5 IV 1, 67). Als römische Legionssoldaten erscheinen Bessen
überaus häufig auf den Inschriftsteinen, sowohl mit nationalen
wie mit römischen Namen (vgl. Mommsen, Hermes XIX 33 flf.
und die Abhandlung von E. Keil, De Thracum auxiliis,
Berlin 1885). Obwohl die Thraken dem Seewesen abhold waren,
wurden Bessen stark zum Flottendienst herangezogen, wie die
Inschriften von Ravenna und Misenum bezeugen. BESSICA
wird in der Eintheilung der Erde in Khmate namentlich hervor-
gehoben (Plin.); selbst das Compendium des lul. Honorius ver-
gisst nicht auf die Bessi, ebenso wenig lul. Africanus, welcher
Qpaneq MucioC Beccoi und AapBavoi anführt, und Isidorus (Etym. IX
2, 89), welcher Daci Bessi Sarmatae und Gipedes als Haupt-
völker nennt. Noch im 13. Jahrhundert hebt Niketas, Bischof
76 IV. Abhandlaug: Tomasche k.
von Seres, nach älterer Vorlage FsTai und Beaaot hervor (Jahrb.
f. class. Philol. 133 Bd. S. 660). Wir sehen, wie der hessische
Name das ganze einheimische Volkselement Thrake's nmfasst
hat. In der nationalen Sprache hiess HadrianopoUs USCÜDAMA,
PhilippopoUs PULPUDEVA; lordanes erkundete, dass der
Stromname HISTER eigentlich der lingua Bessorum angehöre.
Ausser Viehzucht, Ackerbau und Weinbau war eine
Hauptbeschäftigung der Bossen die Ausbeute der metallischen
Bodenschätze (Gold, Silber, Kupfer und besonders Eisen) ; über
den thrakischen Bergbau hat Const. Jireöek (Arch. epigr.
Mitth. X. Bd. S. 75—85) gründlich gehandelt. Die Geschick-
lichkeit der Bossen im Graben von Stollen wurde militärisch
verwerthet (Veget. II 11, IV 24); überaus häufig ist vom Gold
die Rede, das die fahlen Bessen aus den Adern der Erde her-
vorholen (Claudianus XVII 39, Pacati Drepanii Panegyricus
Theodosio dictus a. 391 28; Paulinus Nol. a. 398); den Goten,
welche den Haemus überschritten hatten und (376) bei Hadria-
nopel lagerten, zeigten einheimische Grubenarbeiter, sequendamm
auri venarum periti non pauci, die Wege durchs Gebirge (Amm.
Marc. XXXI 6, 6), wie dies Jahrhunderte später die Wlachen
thaten, als Pe6en6gen und Rumänen ins Land einfielen. Die
hessischen auri leguli und metallarii banden sich indess nicht
an ihre heimatliche Scholle, sondern wanderten unstet, wie noch
jetzt die Zinzaren und Zigeuner in der Türkei, überallhin, wo
sie Waschgold und metaUische Adern vermutheten; um dieses
Vagantenthum hintanzuhalten , erUessen die Kaiser mitunter
strenge Bestimmungen, z. B. (370) Valentinianus (cod. Theod.
X 19, 15) ad universos per lUyricum et dioecesim Macedonicam
provineiales, ,ut nemo quemquam THRACEM ultra in possessione
propria putet esse celandum sed ut singulos potius regredi ad
solum genitale compellant'. Gerne wanderte der hessische
Vagant nach Dardania und in die erzreichen Striche von Prae-
valis, Dalmatia und Moesia; diese Strömung des thrakischen
Elementes nach dem Westen ist beachtcnswerth.
Ein wichtiges Ereigniss war die Bekehrung der hessischen
Montagnards zur Lehre Christi; während alle grösseren Orte
der thrakisch-moesischen Diöcese christlich waren, hieng die
Landbevölkerung noch immer an iliren heidnischen Vorstel-
lungen. Da unterzog sich Niketas, Bischof von Remessiana^ der
Die ftlUn Thraker. I. 77
schweren Aufgabe ^ in die Bergthäler einzudringen und den
Be8sen in der ihnen bereits durch die Gerichte und den Militär-
dienst geläufig gewordenen, wenn auch zur Ungua rustica ent-
arteten Sprache Roms die Lehre zu predigen; vgl. Hieronymus
ep. 60 (a. 396) ad HeHodorum: BESSORUM feritas et pelli-
torum turba populorum, qui mortuorum quondam inferiis homines
inmolabant, stridorem suum in dulce crucis fregerunt melos.
Belehrend flir die Culturstufe dieses Volkes ist namentlich das
schöne Gedicht, welches der heil. PauKnus von Nola dem Bischöfe
Niketas widmete (a. 398): die BESSI erhalten da folgende
Epitheta: semper a hello indomiti, simul terris animisque duri
et sua nive duriores, more ferarum viventes, latrones, rapaces,
in antris viventes et in inviis montibus et cruentis, aurileguli.
Die Lehre wurde von dem rohen Bergvolke mit Feuereifer
ei^rifFen. Wir finden seither hessische Mönche in den Klöstern
des west- und oströmischen Reiches. Eine Inschrift aus Vercellae
(C. I. V n^ 6733) rühmt dem daselbst (ca. 460) verstorbenen
presbyter Marcellinus nach: is rectis castum gessit sub moribus
aevum, religione pius, BESSORUM in partibus ortus. In der
von Theodoinis aus Petra (ca. 536) verfassten Lebensbeschreibung
des Mönches Theodosius (f 529) heisst es: ,dieser erbaute am
Ostufer des Jordan nahe dem todten Meere ein Kloster toö
KouTiXi und darin vier Capellen, eine f\ir die Griechen, ^Tepav
Ik Iv6a xottoi TTjv ctxe^ov •^Xöffaov yi^o^ Beaaü)V tü> ikI(9T(i) iol^ eo/i;
flhro${8«7tv, die dritte flir die Armenier, die vierte fiir Besessene'
(Acta SS. lan. I p. 692, a; Symeon Metaphr. ed. Migne vol.
114, p. 505, e). In den Concilacten a. 536 (ed. Hard. IL
p. 1277, Mansi VII p. 987) findet sich ein 'AvBpsou; iQYOüji.6vo^ vf^^
pwvTj^ Twv BiaGcov unterschrieben. Nach Jo. Moschus (§ 157, Cotelier
Mon. U 425) und der Vita S. Sabae (§ 86, ibid. lU 367, Acta SS.
29. Sept. VIII, p. 146) gab es ein kathoUsches Jordankloster Soußtßa
iwv Bi99a)v. Als der Pilger Antoninus von Placentia den Sinai be-
suchte, fand er am Fusse des Berges ein Kloster und darin
,tres abbates, scientes linguas, hoc est Latinam (in der Zeile
darunter steht richtiger BESSAM) et Graecam, Syriacam et
Aegyptiacam, vel multos interpretes singularum ünguarum' (Itin.
ed Gildemeister cap. 37). Die thrakische Sprache war damals
längst verschollen; die Bossen sprachen bereits die limba Ru-
mandsca; ftir ihre Pilger gab es selbst am Sinai Dolmetsche.
78 IV. Abhandlung: Tomascbek.
Die seit Theodosius IL schrankenlos überhandnehmende
Sucht, sich dem beschaulichen Leben zu widmen, zog viele
kräftige Leute, welche dem allzeit bedrohten Lande als Krieger
hätten dienen sollen, von dieser Pflicht ab. Als die Slowenen-
schaaren fast ganz Illyricum und das Haemusgebiet plünderten,
erliess Kaiser Mauricius ein strenges Verbot gegen den Eintritt
wehrpflichtiger Leute in die Klöster, was den Unmnth des
römischen Bischofs Gregorius I. (ep. III 66, VIII 5) erregte.
Das oströmische Reich in Europa war vorzugsweise auf die
thrakischen Milizen angewiesen ; noch war die Kraft der Landes-
söhnc nicht völlig geschwunden. Kaiser Marcianus, der Zeit-
genosse des Attila, war ein Thrax von Geburt; sein Nachfolger
Leo I. (457 — 474) führte den Beinamen 6 BYjacio; (Malala p. 368;
vgl. lordanes de success.: Leo, Bessica ortus progenie). Der
Kaiser Anastasi us, ein lUyrier, schickte (492) wider die re-
bellischen Isaurcr Generäle aus fxsxi ttatiJOou^ Sy.u6(ov xai FoTOoiij? xäI
BsjcTtx^^ y^v-p6q (Malala p. 393) und später (502) gegen die Perser
orpaTiav FötOwv te %ol\ Beaatov %a}. Ixspwv 6pax(ü)v eOvälv. Unter dem
Dardaner lustinian I. begegnen unter den Milizsoldaten wieder-
holt eingeborene Thraken und Bessen, und Prokop gibt uns
die letzten Belege für echt-bessische Eigennamen, z. B. KourCXa;,
MapxsvTio;, (a. 539) BoupxdvTtoq Tw[jLa(u)v tk;, Bsaab(; "{hoq. Unter
Mauricius aber führen alle Führer römische Eigennamen, z. B.
Priscus, Castus, Martinus, Commentiolus, Salvianus, obwohl der
Kaiser selbst ,primus ex Graecorum genere^ (Paul. Diac. III 15)
den Thron bestiegen hatte. Das gesammte oströmische Staats-
wesen trug durchaus noch römischen Charakter in Recht und
Gericht, im Heerwesen und in den kirchhchen Einrichtungen;
erst seit Heraclius tritt der griechische Charakter hervor.
Schrieb doch unter lustinian der Grammatiker Priscianus seine
Institutiones grammaticae, redigierte Trebonianus die berühmten
Digesta (530 — 533), und erhielten neu angelegte Castelle römische
Namen! Zwar hatte der Kappadoke Joannes (ca. 540) den
Versuch gewagt, die griechische Sprache ins Amt einzuführen,
aber ohne Erfolg, und zwar, wie der Lydier Joannes bemerkt
(de magistr. III 68 p. 262), Jd io tou<; ttj? Eüpwwrj; oixi^,Topa(; TfJ
Tü)v 'ItäXäv (pöeffe^iöat ^wvfj — ein schlagender Beweis wider alle
Jene, welche meinen, die thrakischen Provinzialen hätten
griechisch gesprochen. In der Rhodope und im Haemus erklang
Die alteo Thraker. I. 70
bis auf Heraclius noch überall die lingna rustica Romanisca —
ein Musterbeispiel hiefür bieten die bekannten Worte torna,
retoma, fratre! welche (587) ein Soldat auf der Flucht durch
den Haemuspass seinem Cameraden zurief. Die Milizen und
Trossknechte bestanden aus Leuten hessischer Abkunft; vgl.
Laurentius Lydus (de magistr. I 47 p. 109 a. 545) : die Römer
nennen Tipcova^ tou(; TaTcstvoü^, 6xo(o'j^ eTvai ouiJLßÄivEt xaO' f|(xa; tou?
XsvoiJLSvoü^ Bi(jo\}qy 0^? 'Appiavb^ ev toi;; irepi 'AXs^avBpoü -jrpoaYjvopeuae
TpißaXXoj;. Mit Stolz aber nannten sich diese Dessen Romani,
so wie ihre Nachkommen von heute, die Wlachen.
Einige Forscher legen auf die Thatsache grosses Gewicht,
dass die byz. Annalen für die Zeit 600 — 1000 nicht ein einziges
Zeugniss fiir das Dasein des ostromanischen Volkselementes
auf der Haemushalbinsel enthalten. Das kann aber Niemanden
befremden, der mit der Geschichte jener Zeit vertraut ist:
damals war die griechische Herrschaft in Europa auf den
ägäischen Küstenstrich beschränkt, im Inland treten nur die zu
politischer Obmacht gelangten oder die feindlichen Völker hervor,
also die Bulgaren, Slowenen, Serben, Ungarn und die pontischen
Steppennomaden ; es war niemals Anlass geboten, auf die
romanischen Hörigen des Inlandes Bezug zu nehmen. Erst
seit der Niederwerfung des sloweno-bulgarischen Reiches durch
Basilius II. (1019) stellt sich wiederum eine genauere Kenntniss
ein, und sofort beginnen auch die Zeugnisse über das sporadische
Vorhandensein des zu politischer und ökonomischer Ohnmacht
verurtheilten ostromanischen oder ,wlachischen^ Volkselementes
im Pindus, in Makedonien, in der Rhodope, im Haemus, und
in der serbischen Rasa. Aber weit mehr Gewicht als zufällig
überlieferte Chrysobullien und Schriftwerke besitzen die wla-
ehischen Dialekte, welche die innige Durchdringung der ro-
manischen lingua rustica mit dem slowenischen Sprachschatz
erweisen und aus deren romanischem Grundstock wir die socialen
und ökonomischen Zustände der vergangenen Culturepoche er-
kennen. Sogar Ausdrücke für das kirchliche Leben aus der
Zeit des Theodosius IL sind darin enthalten. Ausdrücke für
Steuerabgaben, für Hantierungen aller Art und für ökonomische
Zustände, wie sie nur südlich von der Donau, niemals aber in
der trajanischen Dacia, möglich waren, so dass, wer die wla-
chische Frage von Grund aus lösen 'will, gerade den roma-
80 r7. Abhandlang: Tomaschek.
nischen Grundstock der Dialekte zum Angelpunkt der Unter-
suchung machen muss. Im Centrum der Halbinsel war die
Heim- und Bildungsstätte der wlachischen Nation; sie hat sich
von hier aus in strahlenförmigen Zügen nach drei Haupt-
richtungen verbreitet.
Der byzantinische Stratege niatiker Joannes aus der Familie
Kekaumönos, welcher um die Mitte des 11. Jahrhunderts seine
Erlebnisse und Erinnerungen aufzeichnete, handelt an mehreren
Stellen seines mit Anekdoten und soldatischen Kunstgriffen aus-
gefüllten Buches von den Pinduswlachen. Er schildert sie,
ähnlich wie der Reisende Benjamin von Tudela (f 1173), als
räuberische Wanderhirten, als verschlagene und treulose Leute,
denen der Grieche niemals trauen solle. Dann gibt er seine
Ansicht über den Ursprung dieses Volkes kund (ed. Weselowski,
St. Petersb. 1881, S. 106 fg.). Er erinnert an die Kriege
Trajan's gegen Dekebalos, von denen er offenbar aus Xiphilinos
Kunde erhielt, und fügt hinzu, dass die Aaxat ihre Sitze in den
unzugänglichen Bergstrichen an der Donau und Sawe hatten,
wo zu seiner Zeit die Serben sässen; von dort sollen sie sich
allmälig über Makedonien, Epeiros und Hellas ergossen haben.
Man sieht, der Stratege hat keine rechte Vorstellung von der
Lage der trajanischen Dacia, gerade so wie schon lange zuvor
der Chronist Malala, dem zufolge Trajan die Provinz AaxCav x^v
wapaxoTafAiav (Daciam ripensem) geschaffen haben soll. Völlig
richtig ist aber seine Bemerkung, so seien denn die Wlachen
von Abstammung die ehemahgen Aaxai xat Bäaoi, also die Ro-
manen der Dacia Aureliana und des Haemus- und Rhodope-
gebietes. Die Bessen waren zu seiner Zeit bereits verschollen;
der Stratege muss also aus einer älteren, vertrauenswürdigen
Schrift, worin die Provinzialen der aurelianischen Dacia, sowie
das alte Central volk der Bessen als Vorväter der Wlachen
■
bezeichnet waren, seine überaus wichtige und richtige Kunde
geschöpft haben. Doch, kehren wir in das Alterthum zurück!
An der Ostseite der hessischen Stämme, an den Wasser-
läufen des Hebrus, Tonzus und Erginias, wohnten die *05p6<y«:.
Diese hatten offenbar viel später als die Rhodopestämme ihre
nordische Heimat verlassen und waren über die leicht gangbaren
östHchen Hacmuspassagen zunächst in das von moesischen Ar-
takiern besetzte Thal des 'ApTr;(jx6(; oder, wie der Fluss odrysisch
Die ftlUn Tbnker. I. 81
hiessy des T6vCo^ (j. Tundia, T§ia) eingedrungen; .nach Herodot
(IV 92) fliesst der Arteskos Jti 'OBpoaiwv. An der günstig
gelegenen Stelle, wo sich dieser Fluss mit dem Hebrus vereinigt,
gründeten sie eine Veste, deren hessischer Name Uscudama
lautete und die 2sur Zeit der makedonischen Oberherrschaft eine
Colonie von Oresten und Magneten erhielt; daher ihr Name
*OpeoT(a oder 'Opsonin, mit der Vorstadt F^wot (St. B.), das
spätere Hadrianopolis. Das war die eigentliche 'OJpucr(a oder
"Odpuaoc • xöAu; 'OBpüawv (St. B.). Als Nebenform für 'OJpuaat
finden wir 'O8p6atot und *OJpüaiTat, und es gibt Münzen 'OJpilJtTwv.
Die mygdonische Aue südlich von Daskyleion war durchflössen
von dem Flusse '05p6aoT)^, der von Osten her in den Rhyndakos
einmündete (Strabo XII, p. 550); leider steht die Lesart nicht
fest, indem daflb* auch 6 *POjj.o^ überliefert steht — der nahe
liegende Schluss, dass Odrysen einst über den Hellespont gesetzt,
wie die Treren und Bithynen, muss daher fUr unsicher gelten.
Im Slawischen begegnet der Flussname Odra, unsicheren Ety-
mons; auch *'03puaa lässt sich schwer deuten: im Inlande von
Dacia ripensis erwähnt Prokop ein Castell 'OJp(oü!^o. Weiters
haben sich die Odrysen den Hebrus aufwärts, wo Philipp
4>tXtincouicoXi< gründete, wie entlang dem Erginias ausgebreitet,
bis nahe an Byzantion; in der Gründungssage dieser Stadt er-
scheint 'OJp6oTQ(; als König der Skythen (Hesych. Miles.); auch
wird '08p6oTQ^ von Arrian als Vater des Thynos und Bithynos
hingestellt, nicht nur wegen der geographischen Nähe, sondern
auch weil die thynischen Stämme von den Odrysen unterjocht
wurden. Im Becken des Erginias war offenbar DRUZI-PARA
oder Drizipara ein alter Vorort der Odrysen; ferner müssen
wir die "Aorai, deren Königsburg BtCut; hiess, fllr einen odrysischen
Hauptstamm halten. In der Tab. Peut. fijiden wir am Hebrus
Brusdorciani verzeichnet, d. i. (O)DRUS(AE) DORCIANI (vgl.
den See Aepxo^, oder nach einem Orte A6pxiov, wie es noch jetzt
ein Dorkowo selo an der C^pina gibt?); oder ist BORCIANI
zu lesen (vgl. die Göttin Bopxtjtöia bei Kanitz, Donaubulgarien
ni, n^ 36)? — Erst seit den Perserzügen tritt der Odrysen -Stamm
deutlicher hervor: bisher waren die thrakischen Stämme unge-
eint gewesen; durch den Skythenzug des Darius wurden sie
aufgerüttelt, und im Hebrusbecken, das eine natürhche Einheit
darstellt, erhielten die Odrysen die Obmacht über alle Stämme;
Sitxongsber. d. phU-Mst. Cl. CXXVm. Bd. 4. Abh. 6
82 IV. Abhandlung: Tomischek.
ihr FUrst heisst fortan 0piQ<xü)v ßaiiXe6^ (Hdt. VIII 137), innige
FamiKenbande verknüpften ihn mit dem skythischen Herrscher-
hause (IV 80).
Das Gefüge dieses Staatswesens lernen wir ans dem Be-
richt des Thucydides (11 29, 97) kennen: ,Die Herrschaft der
Odrysen hat zuerst Ti^ptj? über einen grösseren Theil des übrigen
Thrakiens ausgedehnt. Sein Sohn ItTaXxiQ^ (431 — 424) ver-
grösserte die Macht nach allen Seiten. (Er unternahm Züge gegen
die Paionen und Triballer, sowie jene grosse Ebcpedition gegen
Perdikkas von Makedonien, die wir bereits mehrfach berührt
haben.) Sein Sohn S66ÖY3; beherrschte ein Gebiet, das sich von Ab-
dera bis zur Istrosmündung, von Byzantion bis zu den Quellen
des Strymon erstreckte. Die Einnahmen in Gold und Silber
betrugen gegen 400 attische Silbertalente; ausserdem giengen
viele freiwillige Gaben ein, Gold und Silber, gestickte und
einfache Zeuge, Hausgeräthe aller Art. Diese Gaben waren nicht
blos fUr den König bestimmt, auch die Edelinge wurden damit
bedacht. Denn am Hofe der Odrysen lässt sich nur mit Gte-
schenken etwas erreichen; hier gilt der Grundsatz: Nehmen ist
seliger als Geben, und wer mehr gibt, erhält mehr. So war
denn damals das Odrysenreich das grösste an baren EinktLnften
und an sonstigem Wohlstand; auch die Wehrkraft war be-
deutend : Sitalkes brachte ein Heer von 150.000 Mann auf, davon
ein Drittel Reiter; nur die Skythen standen in dieser Hinsicht
über.* Nach Seuthes Tode verfiel das Reich in mehrere Theil-
gebiete; wir finden drei, vier, einmal sogar fünf Herrschaften
neben einander. Wir haben nicht vor, die verwickelten Ver-
hältnisse dieser Fürstenthümer und die Beziehungen derselben
zu den Griechen und Makedonen, deren König Philipp endlich
Alles unter sich brachte, genau darzulegen; die Werke über
die demosthenische Zeit geben darüber Auskunft, und die
Reihenfolge der odrysischen Fürsten hat Ad. Hock (Hermes
1891, Bd. 26, S. 76—117) genau festgestellt. Xenophon wirft
interessante Streiflichter auf das raubsüchtige Gebahren der
odrysischen Fürsten; so wenig waren diese noch vom Griechen-
thum beeinflusst, dass beispielsweise Seuthes in seinem Verkehr
mit Xenophon stets eines Dolmetschen sich bediente. Wenn
die griechischen Schriftsteller von Thraken im Allgemeinen
reden, haben sie meist die Odrysen, das nächste und best be-
Die alten Thnker. I. 83
kannte Volk^ vor Augen. Auf Alles^ was fUr dieses Voiksthnm
charakteristisch ist; werden wir in dem Artikel ^Thraken' zurück-
kommen.
Nach Alexander's Tode gerieth die makedonische Herr-
schaft über Thrake ins Schwanken; es bildete sich ein neues
odrysisches Reich heraus. Schon unter Lysimachus sehen wir
den VasallenfUrsten Seuthes eine zweideutige Rolle spielen,
indem er es versuchte (314/13), den gegen die Geten kämpfenden
Makedonen die Haemuspassage zu sperren. Wider die Odrysen
zog noch Philipp, des Demetrius Sohn, zu Felde, ohne dauernde
Erfolge zu erzielen. Zu den Römern stellte sich das odrysische
Reich auf den besten Fuss: galt es doch für beide Seiten, die
rohen Bergstämme in Zaum zu halten; wiederholt suchten die
Odrysen ihren Todfeinden, den Bossen, den Vereinigungspunkt
der gesammten thrakischen Völkerwelt, das dionysische Orakel,
zu entreissen, und dies gelang ihnen auch mit Hilfe der Römer,
welche hinwieder in dem odrysischen Fürstenhause eine kräftige
Stütze für die Sicherung der makedonischen und mysischen
Provinz erhielten. Bei einigen OdrysenfÜrsten gewahren wir
den EinfiuBS hellenischer Bildung; tief ins Hebrusgebiet drang
die griechische Sprache und Götterwelt ein. Doch reichte der
Eanfluss der von Rom bevormundeten Dynasten nicht immer
aus, um die Freiheits- und Raubgelüste der Bergstämme zu
dämpfen. Von der Zeit an, als die mächtig gewordenen Daken
ständig Einfälle über die Donau machten, fieng es unter diesen
zu gähren an; und ab gar der Zwang zum Legionendienst
hinzutrat, und als die Landessöhne in alle Welt verschleppt
wurden, brach der Aufstand im Bergland los und wurde erst
unter Strömen von Blut unterdrückt. Thracia wurde endlich
römische Provinz (46 n. Chr.), und die Odrysen als herrschendes
Volk verschwinden von der Bildfläche. — Wir führen nun jene
Stämme an, welche nicht nur räumlich, sondern auch verwandt-
schaftlich den Odrysen nahe standen.
Binoi oder Bivoe, (Plin.) BENI, finden wir in der Nach-
barschaft der Korpilen und Odrysen am Unterlauf des Hebrus
an beiden Ufern und im Flachgebiet des untern Erginias sess-
haft; wenn sie etwa bis zur Meeresküste reichten, wo einst
Apsinthier sassen, so konnte 6 ßewixb; x6Xwo; (St. B.) den Melas-
busen bezeichnet haben; es gab jedoch, wie man meint, eine
6»
84 r7. AbhandloDf : Tomas ob« 1c.
von Thraken, die auch in Erythrai erscheinen, besiedelte, füXij
'E^eadov, Namens B6^a oder BsTva, (Ew. Beevatot); vielleicht liegt
ein Thema ves-no, f. ves-na, zugi'unde, von ves- ^wesen, weilen,
wohnen'; an das gallische Wort benna ,Wagensitz^, woher con-
bennones, ist nicht zn denken. Ptolemaeos kennt eine thrakische
oTpoTTjY^a BevvtxT^. Herodian nannte Biwa oder B^« • xoXi^ OpoxvK
und deren Einwohner Bewiatot; vermuthlich war es derselbe Ort,
der seit Hadrian Plotinopolis hiess, das byzantinische AiSupioTiTxoc.
— In ihrem Gebiet, nahe dem Hebrus, erscheint eine x«cotx(a
ep<iyiT^<;, Namens Ti|/r;XtTat (St. B.), HYPSALTAE (Plin.), ge-
bildet wie Bisaltae; wahrscheinlich zu sondern von Ku^^sXo, Bpatra
7c6Xi<; (Polyaen. IV 16), dem heutigen Ipsala.
Katvoi • IOvo<; epaxtov (Apollodorus ap. St. B.), CAENICI
(Plin.), Sassen südöstlich von den Odrysen, an den südlichen
Zuflüssen des Erginias bis zur Propontis. Unter den thrakischen
Stämmen, welche den Manlius (188) zwischen Kypsela und dem
Hebrus überfielen, nennt Livius (XXXVIII 40, 8) auch die
CAENI. Einen echt-thrakischen Namen führt An^^uXi? 6 Rocvdv
ßaaiX66<; (Strabo XIII, p. 624, 6 tÖv epoxwv ßaaiX66<; Diod. XXXIII,
fr. 17 App. Mithr. 6; Diogyris Val. Max. IX 2 ext. 4), ein
Zeitgenosse des Attalus 11. (159 — 139) und bekannt ob seiner
Grausamkeit; er überfiel die Griechenstädte an der Propontis
und zerstörte Lysimacheia durch Brand; von diesen iiK8po|Aal
handelt eine Inschrift aus Sestos (Wiener Studien I 32 ff.,
Dittenberger's Sylloge n® 246), wobei der Thaten des Strategen
im Chersonnes Straton gedacht wird. Attalus Asiae rex subegit
CAENOS (Trog. Pomp. prol. XXXVI). Die Römer machten
die KatvwT^, regio CAENICA, zu einer arpoTYjY^a vf^q BponiQ^;
Ptolemaeus verzeichnet sie östlich von der Bevvtxif bis gegen
Perinthos. In ihrem Gebiete lag die colonia *A7cpo>^. Ihr Name
könnte die ,Jungen, Frischen' (gr. xatvo{ vgl. skr. kanyä ,virgo')
oder auch die ,am Anfang, an der Küste sesshafben' (vgl. slaw.
konü , Anfang'), von Wurzel ken- ,anfangen, frisch sein', be-
deuten; sie fUr tylenische Galater zu halten (vgl. Katvb^ icoroqjiö^
Fluss in Gallia Narbonensis) wäre verfehlt.
'AiTa{, ASTAE oder ASTII, was vielleicht ,die Ansässigen'
bedeutet, gehörten zu den odrysischen Stämmen; ihr Vorort
war Bit^üY) • ib twv 'Aotwv ßaciXetov, arx regum Thraciae, das heutige
Wizöh. Der Istrand2a-dagh, welcher den Byzantinern das Bau-
Die alten Tbnker. I. 85
holz für die Flotte lieferte, benannt nach der im Quellgebiet
des Erginias gelegenen Ortschaft Sep^evr^tov (= 'EpYt<Jxr< des
Alterthums) , hiess zur Römerzeit MONS ASTICUS (TP.).
'AoTixi^ wird neben der Thynias als x^^ Bul^avTiwv erwähnt
(St. B.). Die römische Strategie ASTICA war wahrscheinlich
eingetheilt in eine ,obere', welche den Bergzug umfasste, und
eine ,untere^, 'Aotixtj t^ zepl DepivOov; letztere findet sich auf zwei
Inschriften erwähnt. Neben den ASTII, welche Livius beim Zug
des Manlius vermerkt, gab es PEHASTII (TP.): es sind die
Uidaxai • lOvo? 'Kpb^ tw U6^w (St. B.), östlich vom Bergzug; denn
auch die Thynias wird zur 'AaitxY) BpoxiQ gerechnet (Scymn. 759);
die thrakische Vorsilbe pi- vertritt die Praeposition £ic{, skr. dpi,
neupers. pi-, fi- ,zu, bei, an' (vgl. die Glosse ici-tut)). Zum
letztenmale erscheint der Name Astica, al likai t^^ 'Aotixt)^, bei
Theophylactus Simocatta a. 584 flf.
SofJLatot, obwohl nicht ausdrücklich als Volk bezeugt, waren
die Insassen der von Ptolemaeus ans mittlere Tundra-Gebiet,
wo RaßuXt] Vorort war, angesetzten orpocTTjYia "fl SaptaiVti^. Als
von den Sapaiem der Rhodope gehandelt wurde, fanden wir
eine Inschrift mit av3s SäxaVxtjv lp(ßü)Xov, mit der Variante
£ä|Aacx-)^v. Die Samaier Hessen sich gut deuten als ,die Ge-
zähmten, Ruhigen, Friedfertigen'; vgl. skr. 9äma ,gezähmt', von
Wurzel Kem : kam (gr. xajxvw) ,sich mühen , müde werden,
ausruhen'; allein wer bürgt daftlr, ob das Wort im Thra-
kischen nicht etwa mit ö angelautet hat? Von den alten
Skyrmiaden, Nipsaiem, Siren etc. ist in späterer Zeit nicht
mehr die Rede.
KotXaXriXai, ein den Odrysen nahe stehendes Volk, nicht
zu verwechseln mit den K^paXXoi im getischen Haemus, waren
zur Römerzeit in zwei Abtheilungen geschieden: COELALETAE
MAIORES Haemo subditi, MINORES Rhodopae (Plin.). Es
gab also zwei Strategien dieses Namens: Ptolemaeus fUhrt nur
die eine, im Arda-Thal der Rhodope, zwischen den Bessen,
Bennen und Odrysen gelegene KotX(aX)rjTtxT^ an; die Tab. Peut.
dagegen setzt an den Südabhang des Haemus, neben die moe-
sische Artacia am Fluss Tonzus, PETE • CoLoLETICA d. i.
das Gebiet der ,grossen' Coelaletae. Das Element pete wird
nicht auf die Uavzoi der Hebrusmünde bezogen werden dürfen;
auch die dem Haemus benachbarten Qetae werden kaum darin
86 rV. AblumdloDf : Tomatchelc.
Stecken; ich glaube, es ist das thrakische Wort für den Begriff
ygross, ausgedehnt' lat. patulus, von Wurzel peta- ^ausbreiten'
(icetovvüfjit). Zur Zeit des Tiberius (26) empörten sich wider
den Römerfreund Rhoemetalcas^ welcher die Landessöhne zum
Dienst in den römischen Legionen zwang, ausser den Dii und
Odrysae namentUch die COELALETAE (Tac. Ann. IV 46);
der Fürst selbst kam dabei in Lebensgefahr; vgl. die Inschrift
bei Dumont p. 31 n® 62, e: urcep t^; 'PotjxiQTaXxoü xai nuOoBcdptSo^
ex Tou %axk tov RoiXaXrjTtxbv xoXefjLov xiv^uvou ocoTTipCa^. Allgemach
fanden sich die gebändigten Koilaleten in ihr Schicksal; ja sie
zeichneten sich im Kriegsdienst aus. So verlieh Kaiser Domi-
tianus (86) ein MUitärdiplom (C. L III n« XIV p. 857)
SEUTHAE TRAIBITHI CoLoLETICO equiti coh. H. Thracum.
Der Singular lautete COELALA, COLOLA, gebildet wie
DANSALA; zum Thema Coela, Cola vergleicht sich der Ort
im Chersonnes Coela, Cuila, Cuela, Culla (so die Varianten auf
röm. Münzen); man denkt hiebei zunächst an xotXo^ (xcfiXoq)
,hohP; möglich wäre auch eine Herleitung von Wurzel qel: qol
,drehen, bewegen; sich bewegen, bewohnen, weidend
SeXXriTsq, die Insassen der weiter westwärts sich an-
schliessenden crpaiTQYta ^eXXtqtixtq im mittleren Haemus, deren
Vorort KaprojSatjxov (Ptol.) gewesen zu sein scheint, werden
wahrscheinlich schon unter Augustus erwähnt, als M. Licinius
Crassus gegen die Grenzvölker Makedonien's zu kämpfen hatte
(28 V. Chr.); nachdem er die Bastarnen verjagt hatte, beschloss
er die moesischen Stämme im westlichen Haemus zu unter*
werfen; er fiel zuerst in Sey^tixt^ ein, hierauf in die Mjai? (Cass.
Dio LI 23); Th. Mommsen denkt hiebei an die 2€p2txi{,
Mtülenhoff verbessert SeXercxi^. Bei barbarischen Wörtern stand
die Schreibung nicht immer fest. Auch die ^XXiQTtx')^ war in
zwei Theile geschieden: ii ipsivi^, welche den Bergzug und das
Einfallsthor in die Moesia, wo die Station Monte Emno lag, und
in später Zeit die Tpatavou Tp(ßo^ vermerkt ¥rird (an der Quelle
der Gjopsa), umfasste, und r« iceStaoia im Flachland (an den
Bächen Sspfjiio^ und ^Ap^oq?) ; in einer Inschrift von Swrlyg
(Arch. epigr. Mitth. 1886 X p. 240 n^ 4) erscheint ein Stratege
StiXt^tcxy;; opetvfjc;. Ob die Selleten thrakischer oder moesischer
Abkunft waren (vgl. SeXXi^e^ TZixa\i.6(; bei Arisbe in der Troas)^
lässt sich nicht ermitteln.
Die alten Thraker. I. 87
Wir reihen mehrere Stämme an, denen das Element -gero-
(ytjpo, gerro) anhaftet; dieses hängt wohl mit der Wurzel ger-
,sich einander nähern, sich schaaren, hewohnen' zusammen;
vgl. drxeipta, «T^P«, skr. grftma ,Schaar, Dorf*, gael. ger ,nahe*
etc. — Zwischen Bergule und Hadrianopolis verzeichnet die
Tab. Peut. BETTE-GERRI. Weiters erwähnt am mittleren
Hebras neben den Odrysen DRU-GERI, d. i. ,Bewohner der
Gehölze', wie die slawischen Drewljani, von dru, 8pü^, ,Holz^
Nördlicher von den hessischen Carbiletae sassen nach Plinius
PYRO-GERI, etwa im Gebiet von PhilippopoHs oder Trimon-
tium; die Tab. Peut. setzt die Pyrogen an das Nordufer des
Hebrus, zwischen den Bächen "Ap^o(; und Sepjjwo;, also in das
vortrefflich angebaute, getreidereiche Gebiet von Cirpan. Schon
Theophrast (de causis plant. IV 11, 5) erwähnt den thrakischen
Weizen oder Spelt, SpAaioq ic^po^-^ gewiss hat es in der thra-
kischen Sprache ein dem gr. iz'iipoq^ slaw. pyro, lit. pura ent-
sprechendes Wort gegeben, so dass wir die Pyro-geri als ,Be-
wohner der Getreidefelder* fassen dürfen. Ein nördlich von
PhilippopoHs gelegener vicus (C. I. VI n« 2799 a. 227) hiess
Cuntie-gerum; eine mutatio am oberen Hebrus m. p. IX Bessa-
pars, Xn Philippopoli hiess Tugu-gerum (IH.); bei Germane,
dem Geburtsort des Belisar, lag ein Castell 'PoXki^epoii; ebendort,
an der Ostseite des oberen Strymon, zwischen den Bossen und
Dantheleten, hauste nach Plinius das Volk der DI-GERRI, also
nordwärts vom Ryla; von den £iiyripoi • Idvo^ Opoxäv hatte bereits
Polybius im 13. Buch berichtet (St. B.). Nördlicher, zwischen
Dardanem, Triballern und Moesen sassen nach Plinius CEILE-
GERI, vielleicht ,Höhlen- oder Hüttenbewohner' (vgl. lat. cella,
und thrak. Siro-cellae, im Gebiete der Siren), von Wurzel qel:
qol ,bergen, sich bergen, hausen'.
Endlich müssen wir der TptßaXXoC gedenken, deren ältere
Sitze Herodot (IV 49) angibt: weJCov to Tptß«XXtx6v, an der Ver^
dnigung der Flüsse ^Arffpo^ und ßp6f)fo<;, d. i. der serbischen
Morawa (sammt Ibar und Sitnica) mit der Binöa-Morawa, also
die Ebene von Niä und das Feld Dobriö; nicht das Kosowo-
polje^ wo illyrische Dardaner sassen. Nordwärts, entlang der
Morawa, reichten sie wohl bis zum Istros; ostwärts schlössen
sich die Tilataier und Treren an (Thuc. II 96). Während
diese dem Sitalkas unterthan waren, waren die Triballer unab-
B8 nr. Abhandlnng: Tomas chek.
liäDgig; sie hatten die Angriffe der Odrysen glücklich zurück-
gewiesen (IV 101); der Teiievhtj^ X690<; cv tyj Opoxt) bildete die
Grenzmarke %phi; xij TpcßaXXcov (St. B.). Dieses Volk, das vor-
einst an • der Auflösung der moesischen Nation am stärksten
betheiligt war, stand lange mächtig und wehrhaft da. Heraclides
Ponticus berichtet: die Triballer ziehen in vier Schlachtreihen
ins Feld; im ersten Treffen stellen sie die Schwächeren auf,
dann folgen die Stärksten und Tapfersten, hinter diesen bildet
die Reiterei die dritte Reihe, zu allerletzt lagern beim Tross
die Weiber, welche (wie bei Kelten und Germanen) die Männer,
falls diese den Rücken wenden, mit Zurufen zu erneuter Gegen-
wehr anstacheln. Ihre Sitten waren roh; die Redner, zumal
Isocrates (Panegyr. 89), schildern die Triballer als wahre Wilde,
cu^ ^cavTe^ ^ajiv diuoXXuvai ou pLovov xou^ b^tapoM^ xat xwq xXi^vCov
oixouvra^, aXXa x.ai tou;; oXXou;; 3a(«>v Sy e^ix^oOot Buvcdvrai. Aristophanes
(Av. 1565 — 1693) lässt einen ungeschlachten TptßaXXo^ auftreten,
in der Maske eines Barbarengottes und als Prototyp eines thra-
kischen Sclaven oder Häschers, welcher das Griechische in
seiner Weise verhunzte; er sagt z. B. vaßaCaa Tp£u ftir devaßi^ott)
u{jia^ 'TpeT;;, oder aau vixa ßocxxapt xpo6aa für aol voexo^ ßaxTv^pCci»
xpouact), und xaXavt xipauva xal [LV^iXa ßactXtvau für xoXi^v x^piQV xai
|jL6YiXiQv ßa(jiX6(av — man glaubt einen Skythen oder Perser zu
hören. Aber den illyrischen Stämmen war dieses Barbarenvolk
weder gewachsen noch ebenbürtig, ebei^o wenig den Galatem.
Zuerst waren es die Autariaten, welche über ihre nächsten
Stammesgenossen, Eneter und Dardaner, sodann über die Tri-
baller, die sich von den Agrianen bis zum Istros fünfzehn
Tagereisen weit erstreckten, die Oberherrschaft errangen
(Strabo VII p. 318); dieses Drängen der Illyrier steht mit der
Ausbreitung der Galater in den Ostalpen und an der Adria im
Zusammenhang (400 — 300). Schon im Jahre 376 erschien eine
flüchtige Raubschaar von mehr als 30.000 Triballen mit Weib
und Kind im Gebiet des Nestos und drang bis Abdera vor
(Diod. XV 36, Aen. Poliorc. 15); die Abderiten standen damals
im Kampfe mit den Bürgern von Maroneia, welche sich der
Beihilfe der Triballer bedienten; vgl. schol. Aristid. III p. 275:
'AßSrjp(tat(; eßuK^^jGS Xa^piaq €v 6paxY} xoXE(jiou[jt.ivo(^ uro Mapii»v€iTd>v
xat TptßaXXwv, wv l^pye. XaXr<?; Chabrias brachte einen günstigen
Vertrag zustande. Aber auch am Haemus und Istros ver-
Die alten Thraker. I. 89
breiteten sich die gedrängten Triballer immer weiter; wir hören
sogar von Kämpfen zwischen dem Skythenkönig 'Axeac; und
Schaaren von Triballem (Frontin. 11 4, 20 Polyaen. VII 44, 1).
Als Philipp von seiner Expedition gegen Ateas zurückkehrte
(339) y verlegten ihm die Triballer die Haemuspassage und
forderten die skythische Beute fUr sich; im Gefecht wurde
Philipp schwer verwundet, und die Beute gieng an die Barbaren
verloren (lust. IX 3). Da die Raubzüge der Triballer nicht
aufhörten, zog Alexander (334) zur Haemuspassage und schlug
die verbündeten Thraken; er verfolgte die Triballer, deren
König £6p|jL0<; war, bis zur Einmündung des Baches Au-ftvo^
(Cema-woda) in den Istros; Syrmos fand Schutz auf der Donau-
insel Peuke; nachdem jedoch Alexander die mit den Triballem
verbtkndeten Qeten jenseits des Stromes heimgesucht hatte,
huldigte ihm Syrmos (Arr. An. I 3. 4, Aen. 15); es hiess
damals in Athen, Alexander sei im Kampfe mit den Triballem
gefallen. Als Alexander nach Asien zog, standen in seinem
Heere Dlyrier, Odrysen und Triballer, 5000 Mann (Diod.
XVII 17). Nach seinem Tode erhielten Krateros und Antipater
Makedonien, dazu 'A^ptovo^ %ai TpißaXXoo^ (Arr. ap. Phot. bibl.).
Die Macht der Autariaten wurde von den Galatem ge-
brochen. Schon um das Jahr 300 kämpfte Kassander im
Haemus gegen die Galater (Seneca, Nat. quaest. III 11); er
siedelte zugleich 20.000 flüchtige Autariatenfamilien als Grenz-
wacht im Orbelos an (Diod. XX 19). Immer häufiger wurden
die Einfalle nach Makedonien; die Dardaner, welche damals
eine starke Macht bildeten, zählten leider ebenfalls zu den
Feinden. Eäne grosse Galaterschaar unter Kerethrios wandte
sieh (280) iwl Opoxo? xit tö eövo^ twv TpißaXXoiv (Paus. X
19, 4) und zog, fugatis Getarum Triballorumque copiis (lust.
XXV 1, 2) zum Nestos und Strymon, wo sie Antigonus Gonatas
(277) fast aufrieb; er nahm 9000 Galater unter Bid^rios in
Sold (Polyaen. IV 17). Galater wurden im Bermios angesiedelt;
es waren VETTH, gens GalUca beUicosa (Liv. XLV 30, 5).
An der Morawa hatten sich neue galatische Schaaren unter
BoOccvato^ festgesetzt; diese treten später unter dem Namen
(illyr. maked.) SxopJCaxat, (thrak.) 2xop8ujxoi auf; der Weg, den
sie auf ihren Raubzügen nach Süden nahmen, führte entlang
der Morawa (slaw. put Morawskyj) und hiess noch lange
90 TV. Abhandlung: Ton a 8 che 1c.
BaOavoersia 686<; (Athen. VI p. 234, b). Sie bedrängten aufs
äusserste die hier ansässigen Tri baller ; schaarenweise verliesaen
diese ihr Land und flüchteten ins Donaagebiet, wo sie schon
lange heimisch waren; vgl. App. Illyr. 3: SxopJCoxot xaJ TptßaXXot
£? ToaoüTov aXXi^Xou; xoXepio) Bt^fOeipov, ü^ Tp(ßsXXa>v el Tt incoXoncov
ijv iq Vexa^ uwep ''lorpov ^irfetv xal y^^o? touto oxfAseerav \ki/jpi 4>(X(irxou
TS xal ^AXeJavBpoü vöv Iprjfxov xal ovtovufjiov toi? lij^e eTv«. So wurden
auch die Skordisker geschwächt; doch waren sie noch im Stande,
geeint mit den Resten der Triballer, die römische Provin«
Macedonia ständig zu beunruhigen (135 — 84), obwohl sie oft
tüchtig geschlagen wurden, z. B. im Jahre 110: a M. Minncio
Rufo in Macedonia Scordisci et Triballi victi sunt (Eutr. IV 27).
Als unter Augustus Moesia als Provinz eingerichtet wurde, gab
es hier noch Reste der Triballer, an der Seite der Dardaner
und Moesen (PUnius; Cass. Dio LI 23. 27); bei Ptolemaeos
finden wir sie beschränkt auf den Strich zwischen den Flüssen
Kiabros und Utos, und als ihr Vorort erscheint OToxo? TptßatXXt&v.
Unter Tiberius wird in der Moesia noch eine TREBALLIA
unterschieden. Der Kaiser Maximinus (236 — 237), ein Thra-
ciscus, war früher Hauptmann einer ala Triballorum ; Diocletianns
datierte ein Schreiben (294, cod. lust. VHI 48, 5) TRIBALLIS.
Das sind die letzten Spuren ihres Namens; die Byzantiner, die
sich gerne verschollener Namen anstatt der gleichzeitigen be-
dienten, durften schon wegen der theilweisen Uebereinstimmang
der Wohnsitze wie des Namens die slawischen Srbljane oder
ZepßXoi Triballer benennen. In diesem unstreitig thrakischen
Volk wollte V. Hahn vielmehr Illyrier erkennen; tri-bÜl^ konnte
nämlich im Elyrischen ,dreigipfelig' oder ein Volk bedeuten,
dessen Front nach drei Seiten gekehrt war. Doch sind auch
andere Deutungen möglich; z. B. aus tri-bala ,8ehr mächtig,
überschwenglich', von Wurzel bhel: bhal (vgl. fiXXo? gaeh baH
,penis, membrum*). Wir wollen noch Einiges über die gala-
tischen Intrusionen anfügen.
An der Donau, an der Morawa und NiSawa finden wir
Spuren der keltischen Namengebung: erinnern wir uns an Orte
wie Singi-dunum, Taliata, Gerulata; an den Namen Navissus
flir die Niäawa; ferner an die civitas Remesiana und die mansio
Meldia, welche in das Gebiet der Serder führten. Denn
Remesiana, das heutige Aq-palanka, hatte seinen Namen von
Die alten Thraker. I. 91
den gallischen 'Ptiixot, Remi, obgleich die Bewohner den Anklang
an Roma bevorzugten und ihren Vorort Romansiana oder Ro-
matiana benannten; eine Landschaft RIMESICA setzt die Tab.
Peat. an den östlichen Haemus^ also in das Galaterreich von
Tylos. Meldia hinwieder, etwa bei Sliwnica gelegen, erhielt
diesen Namen von den Nachbaren der Remer, den MeXBst oder
MdXdat; diese erscheinen thatsächlich im Norden des Beckens
von Sofia zur Zeit der Heereszüge des M. Licinius Crassus:
toi ofcov MeXBsu^ (cod. (xspSou;) [jt.£v xal Zep8ou^ V^'/o^^i xaTaxpaTu>v
fXtipbiQaxo (Cass. Dio LI 25, 4). Die Zeploi dagegen, welche
die thrakische Strategie SepBixiQ bewohnten und deren Vorort
££pScdv 7r6Xt<;, dann auch 2ep8ixTQ und SapSixij (das heutige Sofia,
slaw. Sr^ec, byz. TptaBixCa) hiess, werden wir den thrakischen
Stämmen zuweisen müssen, da gallische Namensanalogien fehlen ;
der Name könnte etwa ,die Trotzigen, Ragenden' bedeutet
haben, von der Wurzel ker + dh, skr. 9ardh-. Die Galater,
welche in starken Banden die Haemushalbinsel bis Delphi und
Dodona hinab durchzogen, haben sich auch südlich vom Haemus
eine Heimstätte bereitet; es waren die TuXTxat oder TüXr^voi, so
benannt nach ihrem Vororte T6Xiq oder TuXtc; • ic6Xt<; Opaxrj^ tou
AEjjwü icXt)<j{ov (St. B., Suid.). Diesen Raubstaat hatte (278)
Kommontorios, ein Grenosse des Brennos, gegründet, nachdem
Leonorios und Lutarios mit ihren Schaaren über den Hellespont
gesetzt hatten, um Kleinasien zu beunruhigen; derselbe bestand
bis auf Kavaros, welcher (um 213), von den Thraken vertrieben,
gleichfalls nach Asien auswanderte. Die Tyliten hatten ihr
Gebiet bis vor die Mauern von Byzantion ausgedehnt, dessen
Bdi^er hiedurch weit ärgere Feinde erhielten, als es bisher die
thynischen und odrysischen Thraken waren; sie mussten den
Galatem Jahrgelder entrichten, zuerst 3000, dann 5000 und
10.000 Goldstücke, zuletzt sogar 80 Talente (Polyb. IV 46).
üeber das ßaaCXetov TuXy) hat Jireöek eine ansprechende Ver-
muthang vorgebracht: er vei^leicht das Dorf Tulowo im Tu-
lowsko-polä (provincia de TuHa e Zagora, Urkunde a. 1595)
am Oberlauf der Tundra östlich von Qazanlyq; hier gibt es
zahlreiche Tumuli, in denen Waffen aus Bronze und Eisen
gefimden werden; das. gut angebaute Hochthal besitzt an der
Tundia-Beuge ein Ausfallsthor nach Süden. In dieser Gegend
hat Ptolemaeus einen Ort 'OpxcXXaC, d. i. Vercellae; das spät
92 !▼• Abhuxdlang: Tomaschelc.
erwähnte Castell roX6tj (Zon. Said, etc.) hat einen Namens*
genossen in dem x<*>P^o^ roX6t) (juxpo^ Takaxiaq (C. I. Gr. n® 9764,
christl. Inschr. aus Rom).
Schliesslich seien noch einige Stämme erwähnt, deren
Lage und Herkunft unbekannt ist: 'EvrpißaC • l6vo? ^pA^T^,
Hecataeus (St. B.); BavTtot • 60vo<; öpaxr,^, Hecataeus (St. B.);
Boacxvtaai oder Baviooi, Herodianus (St. B.); Bußat • l6vo« Bpoxtxov
(St. B.); üoBap^oLi • eOvo? epAnriq (St. B.); IpteXat • lOvo; epobucv,
Hecataeus (St. B.). Femer Baaaapoi, ein Menschen opferndes und
verzehrendes Volk in Thrake; ebenso Oös? (Porphyr.) —
wahrscheinlich pure Erfindungen der Orphiker.
b) Die nördliche oder getische Gruppe.
Den letzten Theil der thrakischen Völkerwelt, der aus
dem Nordland auszog und über dem Haemus sich lagerte, wo
sich noch Reste moesischer Völker erhalten hatten, bilden die
Fexat oder, wie sie Arrian gelegentUch nannte (St. B.), Fctijvoi;
diese dürfen von der grösseren Masse der Karpatenstämme in
keiner Weise getrennt werden, wenn auch erst in römischer
Zeit die Gleichheit der Geten und Daken hervortrat. — Um
gleich mit dem Namen zu beginnen, so lässt sich derselbe,
gleichwie jener des edonischen Königs FeTo^, nur schwer deuten:
am besten als ,Gänger, Schreiter, Hirten', von der Wurzel g'Ä:
g'e ,gehen'; vgl. griech. ßoii-ßijTe^ lit. getis, gatwis, gatwe ,Vieh-
trift, Weidet FiQTi-orpdou; hiess ein Castell in Haemimontus; eine
reduplicierte Form finden wir im dakischen (Sarmi-) ze-gete,
zegetusa, vgl. skr. ^-gat, gr. ßt-ßi<;. — Die Geten fUhrt Herodot
in die Geschichte ein, mit dem ehrenden Beisatz: ol F^at 6pi}&iwt
iovxt^ div2pY](6TaToi xat ^nMi6':axoi, Die griechischen Colonisten,
welche an den pontischen Gestaden einen günstigen Boden Air
ihre Handelsgeschäfte und sogar fUr dauernde Niederlassungen
gefunden hatten, erkannten in den ,Stutenmelkem und Milch-
essern' des Homer, den Nachbaren der Mysen, ,sehr gerechte
Leute'; ein Redner gieng nachmals so weit, zu behaupten
(lord. 5): Getae paene omnibus barbaris sapientiores semper
extiterunt Graecisque paene consimiles. Das einfache Leben
der Barbaren, die ,noch nicht vom entnervenden Hauche der
Civilisation angekränkelt' waren, mochte moralisch angelegten
Die alt«n Tbnker. I. 93
Naturen als etwas Hohes erscheinen — so pries im sittenver-
dorbenen Rom, in einer Anwandlang moralischer Extase^ Horaz
den G^tennamen und die im dakischen Gemeinwesen wuchernde
Natorkraft. Tapfer waren die Geten unstreitig; doch entsprach
der Erfolg nicht immer ihrem Heldenmuth: mitten durch ihr
Land hatten die Skythen Raubzüge bis zur Propontis unter-
nommen; unschwer bezwang Darius die Geten; dem Odrysen
Sitalkas leisteten diese und die übrigen zwischen Haemus und
Hister gelagerten Stämme Heeresfolge. Sie stellten Bogen-
schützen zu Ross, lincoTo56Tat (Thuc. H 96), von gleicher Tracht
und Bewaffnung wie bei den Skythen. Unter Seuthes I., dessen
Reich sich bis zur Donaumündung erstreckte, stand der Geten-
häuptling offenbar noch im Vasallenverhältniss zu dem Odrysen-
reiche. Gerne hätten wir erfahren, wie jener Getenherrscher
geheissen habe, der dem persischen Heere nach kurzem Kampfe
unterlegen war; vielleicht hilft da eine Vermuthung aus.
Sophokles hatte in seinem Triptolemos als Gegner des Demeter-
dienstes einen barbarischen Getenflirsten vorgeführt (Hygin.
Astr. II 14), und aus diesem Stück citiert Herodianus den Vers
,xa: Xapvaßc5vTo^, 8; FeToJv äpr/ti -zk vuv^ Aus dem Beisatz t3i vuv,
sowie aus der echtthrakischen Namensform Xapvotßojv (vgl. armen,
cham-a-ban ,einer, der die Worte durcheinander mengt', z. B.
in unbesonnener oder prahlender Rede), könnten wir schliessen,
dass der Dichter einen Namen aus der unmittelbaren Ver-
gangenheit seinen Zuhörern in Erinnerung gebracht hat, eine
Freiheit, die sich die Tragiker manchmal gestatteten.
Das, was den Griechen seit Hecataeus bei den Geten-
stämmen am meisten auffiel, war der ihnen in Fleisch und Blut
übergegangene Unsterblichkeitsglaube und die Verehrung des
Naturgottes 2iX(jio§t(;, den die pontischen Colonisten in euheme-
ristischer Weise zum Schüler des Pythagoras machten. Das
hat auch neuere Forscher bewogen, den Geten und ihrem Gotte
Beachtung zu widmen; hiezu kommt die Aehnlichkeit der
Namen Tixai und röx^oi, welche bereits den Cassiodorius ver-
anlasst hatte, die Geschichte der Goten mit jener der Geten
EU verquicken; Jakob Grimmas Versuch, diese Theorie ernstlich
zu begründen, musste sich jedoch alsbald als nichtig erweisen,
üeber den Zalmoxisdienst werden wir bei den mythologischen
Namen handeln; hier sei nur erwähnt, dass die G^ten stets
94 IV. Ablumdlnng: Tom»tohe1c.
das bezeichnende Prädicat ol dOavaxiXovre^ (Hdt. V 4) behalten
haben; Plato spricht von thrakischen Aerzten des Zahnoxis, ot
XefovTat x«t dtTcoOavarilJeiv; ebenso Diodor (I 94), Arrian, Kaiser
Julian und Origenes, von Tizai ol aTCaOavatiT^ovTe?, Julian leitet
die Tapferkeit des Volkes von diesem Glauben ab: Fetai twv
^(iyi70T£ (jLOXtfiKdTaTO'. Y^Y^^^^'^) ^ ^ devdpeix^ [jt.6vov tou Qii^iunoQf
Was die weiteren Geschicke der Geten betrifft^ so hat
darüber Müllenhoff (vgl. DA. III 125 ff.) ausführlich gehandelt;
wir beschränken uns auf die wichtigsten Thatsachen. Als
Philipp das Odrysenreich bewältigt hatte, erhob er Ansprüche
auf das Getenland. KcOt^Xa; 6 twv FeTöv ßactXe6^, drfwv Mi^Bov t^
OüYaTepa xat Soipa tcoXXöE (Theop. ap. Athen. XIU, p. 557, c;
Meda, Gudilae regis Gothorum filia, lord. Get. 10), zog
ihm entgegen, und es kam ein Vergleich zustande: Kothelas
gelobte Heeresfolge zu leisten, und Philipp nahm die Tire? zur
Frau. Theopomp benutzte dieses Ereigniss zu einem Excurse
über die getischen Sitten; wir erfahren von ihm: Ti-cai xcOapa;
Ixovte? %ol\ xiOap(CovT£^ xa^ exixY;pux6{a? icotouvrat (Athen. XIV
p. 627, c); ferner vofxoq Ih retwv ib STnc^a^eiv tJ)v Tuvoctsut xw ctvjpt
(St. B.): so sehen wir einen aus der Urzeit vererbten grausamen
Brauch, dem auch die strymonischen Thraken folgten, vereint mit
der herzgewinnenden Gabe der Musen. Als später (339) Philipp,
um seine Kriegscasse zu füllen, Odessos angriff, welche Stadt
zum Bereich der Getia gehörte, erschienen wiederum getische
Priester ,cum citharis et vestibus candidis, patriis diis voce
supplici modulantes' vor ihm: Odessos wurde geschont, der
getische Freundschaftsbund erneuert; denn Philipp mochte in
den Geten eine Schutzwehr gegen die Skythen, Triballer und
andere Bergstämme Thrake's erkennen. Das Vasallenverhfiltniss
bestand noch in den ersten Jahren Alexander's; als dieser
(335) die Geten heimsuchte, waren es nicht die Haemus-G^ten^
sondern Fixat ol wdpav toQ lorpou (dxta{i.ivoi (Arr. I 3, 5), welche
4000 Reiter und über 10.000 Fussgänger aufgestellt hatten;
geschlagen, flohen sie zuerst in eine schwach verschanzte Stadt
an der Donau, dann in die weite ipiQjxCa (4, 4) nördUch vom
Delta oder die sogenannte reT{a i^ lpt)|jio^. Unter den Truppen
Alexander's in Asien werden Geten nicht genannt; völlig miss-
lang ein Feldzug des Zopyrion (327/26) ins Flachland über die
Die alt«n Tbnker. I. 95
Donau gegen Geten und Skythen. Die Geten südlich vom
Strome scheinen sich damals der pontischen nevTobcoXi^ ange-
schlossen zu haben ; welche Lysimachus (seit 313) zu unter-
werfen versuchte; gegen die Geten entbot er seinen Sohn
Agathokles, welcher von ihnen gefangen und mit Geschenken
zurückgeschickt wurde; ob hierauf Lysimachus die pontischen
Städte und die benachbarten Geten wirklich bezwang, wird
nicht überliefert; es ist dies jedoch sehr wahrscheinHch , weil
Lysimachus seine Schätze in der getischen Veste TCpt^t; barg.
Nachdem er mit Demetrius von Macedonieif EVieden geschlossen,
erneuerte er den Krieg gegen die noch freien Geten jenseits
der Donau, ,kriegskundige und an Zahl weit überlegene Streiter'
(Paus. I 9, 5), und deren König Apo|jLixai'nQ; (Strabo VII, p. 302);
ein G^te, Namens 'AeOt]^, spielte damab die Rolle des Zopyrus
(Polyaen. VII, 25); Lysimachus gerieth mit seiner Armee,
100.000 Mann, in die wasserlose FexcLv £pY;(/.{a, die Noth stieg
aufs höchste, und er musste capitulieren. Dromichaites kam,
nannte ihn Vater und flihrte ihn in die Veste ''HXt<;, wo er
ein Mahl bereiten Hess, köstUch ftlr die Makedonen, ärmlich
für die Geten — mit dem Hinweis auf die Armuth und Bar-
barei seines Volkes wollte der Fürst die Eroberungssucht des
Makedonen dämpfen. Es kam ein Vertrag zustande: Lysimachus
verzichtete ,auf den jenseits der Donau gelegenen Theil seiner
Herrschaft' (Paus.). Wir sehen hier, trotz der Siege der Geten,
die Herrschaft des Dromichaites auf die Striche über der Donau
beschränkt. Nach Lysimachus' Tode (281) hören wir wenig
von Geten; ihr Land wurde ein Durchgangsgebiet der Galater-
schaaren sowie der Bastamen ; die Herrschaft des Dromichaites
musste sich^ in der Folgezeit in mehrere schwache Theile auf-
gelöst haben, und südlich vom Strome traten mehr die Moesen
hervor, mit denen zuerst C. Curio von Westen her (74),
M. Lucullus (71) von der pontischen Küste aus Bekanntschaft
machte. Zur Zeit des Boeribista stand das rechte Ufer der
Donau bis zum Ostende des Haemus unter der dakischen Bot-
mässigkeit, und selbst nach seinem Tode hörten die Einfalle
der Daken über den Strom nicht auf; zwischen Geten und
Daken lässt sich überhaupt kein Unterschied mehr ziehen. Für
Daken müssen wir auch jene Fürsten halten, welche zur Zeit
des Augustus unter M. Crassus (27) am Donaustrom sassen:
96 IV. Abbandlang: Tomasebelc.
den römerfreundlichen T(iXt)? und seinen Ghegner AchcoS, sowie
den Zupi^^, dessen Veste FevouxXa an der Donaubeuge vor dem
Delta lag (Cass. Dio LI 26); Crassus triumphierte ex Thraecia
et GETEIS. Geten hiessen im Munde der Griechen, wegen
der Gleichheit der Sprache und Sitten, auch die nördlich vom
Slrome gelagerten Stämme, die Daken; diesem Sprachgebrauche
folgten mitunter auch die Römer (z. B. Antonius bei Sueton.
Oct. 63 jCotiso rex GetarumO, vor allem die Dichter. Für
die Haemus-Geten, welche im Bereiche der pontischen Griechen-
Städte standen, wurde häufig, gemäss der politischen Ein-
theilung, der Name Moesi verwendet.
Die Griechen der pontischen Küste fanden sich mit den
Geten stets gut ab; nicht selten fanden Wechselheiraten statt
Die Krämer Ueferten den Binnenstämmen Fabrikate aller Art,
Ocl und Wein und das unentbehrliche Salz; dafür erhielten sie
Getreide, Bauholz und vor allem Sklaven. Bei den Dichtem
der neuattiscl^pn Komödie spielen T^tyjc; und Aio^ (G^ta, Daves)
eine ständige Rolle. Ein charakteristischer Zug ftlr die Geten,
wie flir alle Thraken, war die Ungebundenheit der Sitten, femer
die Vielweiberei, wie der getische Sklave bei Menander (Strabo
VII, p. 297) sie schildert — schon dieser Zug hätte unseren
J. Grimm von seiner Theorie abhalten sollen. Bei Natursöhnen,
welche ihrer Sinnlichkeit keine Zügel anlegen, stehen hinwieder
Asketen, Männer des Heiligenscheins, in hohem Ansehen; darum
genossen bei Moesen und Geten nach dem Zeugniss des Posi-
donius gerade die weiberlosen xaTcvoßatai und die asketischen
xTtcrca'. (s. d. Glossen) Verehrung und Einfluss. — Die Geten
bei Tomi, die man ebenso gut Daken nennen könnte, lernen
wir aus der Schilderung Ovid's kennen: sie erhalten bei ihm
die Epitheta Marticolae, crudi, rigidi, truculenti, hirsuti, intonsi,
pelliti, braccati; Menschenopfer waren ihnen nicht fremd; sie
trugen stets das Messer im Gurt» und waren bewehrt mit Bogen
und vergifteten Pfeilen. In Tomi wurde griechisch und getisch
gesprochen; Ovid erlernte die getische Sprache und schrieb in
derselben ein Gedicht über die pontischen Fische. — Wenn
wir uns überdies den Geten tätowiert denken, wie er wenigstens
in älterer Zeit geschildert wird, so haben wir den echten Typus
des Barbaren vor uns. Mit Unwissenheit verbindet sich oft lächer-
liche Gewichtigkeit und Grosssprecherei; ßopu^^Tat hiessen den
Die alten Thmker. 1. 97
Komikern ^ipo^ iJtiv l^ovre;, xal aAa2^ove<;, Yixai 8e Svte; (Hes.).
Ungeachtet ihres Unsterblichkeitsglaubens und ihres Kriegs-
muthes waren die Geten Barbaren, wie die übrigen Thraken,
und wir dürfen uns ihre Zustände nicht ideal ausmalen.
Von Sonderstämmen des gotischen Inlandes erfahren wir
wenig; Plinius flihrt an: AODES ('AwBeT^, etwa ,Zustösser,
Schläger', von vedh: vodh wOeiv), CAUGDAE (etwa ,Hügel-
bewohner' oder ,Holländer' von Wurzel keug- ,wölben', lit. kügis
,Haufe' etc.) und ülariae (Var. Claneac, Dareae). Mitten in
den Haemus setzt Strabo (VII, p. 318) KopaXXoi, während sie
bei Ovid (ex Ponto IV 2, 37. 8, 83) als ,flavi' und ,pelliti'
Coralli am Hister erscheinen (vgl. App. Mithr. 69, wo sie neben
li^uYe? stehen): wahrscheinUch eine sarmatische Horde, die
zum Theil in den Haemus eingedrungen war, etwa als ,Thätige,
Kriegerische' zu deuten (altpers. k.ira ,Heer% skyth. KoXi-^aV^
,Heereskönig'). Ebenso waren sarmatische AKKAEI oder
AREATAE (Plin.) ins Gctenland eingewandert, und die heutige
Dobrudi^a führte zuletzt den Namen Scythia minor. Die Küsten-
stämmc waren den Griechen genauer bekannt.
Die TiptH^oK nannte bereits Hecataeus, nach ihm Hellanicus
(EM. p. 408, Phot. Lex., Suid. v. TeptCoi, ZaixoXStq): aOavatiCoiiat
li tat Tipi^oi xal Kpoßu^oi xal tou<; aicoOavovxa; a>{ ZaX(Jio^iv faaiM
o^e^at, l^eev Ik auOtc;. Sie wohnten an dem Landvorsprung
Tipel^t^ oder Ttptl^a (ebenso hiess ein Küstenpunkt Paphlagoniens;
vgl. Tecpisraoi^ zwischen Ganos und Bisanthe an der Propontis,
von Wurzel ter- ,eindringen'), der späteren KäXyj oxpa (j. Celigrö-
borun). — Hecataeus nannte femer die Kpößul^oi • SOvo; ^cpb^ v6tov
aye{Aov TOü 'löTpoü (St. B.). Nach Herodot (IV 49) flössen die
zum Istros gehörigen Bäche östlich vom Athrys (Jantra) $t^
Bpijdudv Tcüv Kpoßul^cov — so weit erstreckte sich die Kpoßul^ixifj ins
Inland! Nach Scymnus (745. 750. 756) wohnten sie rings um
Odessos und am Ostende des Haimos, sowie bei Dionysopolis,
wo sie an die Skythen stiessen. Auch Ptolemaeus setzt sie
zwischen Odessos und Kallatis (j. MangaUa). Einer ihrer
Häuptlinge, Namens 'iaovBtj^, tü>v xaXoupiEvcov KpoßOCcov ßaatXeu^
(Phylarchus ap. Athen. XU p. 536, a), zeichnete sich durch
Schönheit, Reichthum und Wohlleben aus. Plinius setzt Cro-
bigni nördlich über das Donaudelta, also in die epiQpiia. Ob der
Name von Wurzel kreu- ,verletzen^, lat. crü-du-s ,roh, blutig* etc.,
SitxiinffBber. d. phil.-hist. Cl. CXXVUl. Bd. 4. Abb. 7
98 IV. Abhandlnag: Tomsüchek.
hergeleitet werden könnte? zd. Krvighni ^greulich'? — Tpa>YXo-
86Tat oder Tp<i)YoB>>Tai wohnten in Kleinscythien nahe dem Hal-
myris (Ptol. Plin.), oder auch ^repl xou Tr,v TpißaXXcov yijv (Eost. ad
Dion. 180). Noch jetzt finden sich an der unteren Donau^ so-
wie in Armenien, Erdwohnungen, die mit Rohr und Dünger
zugedeckt sind; es können auch Grotten im Fels gemeint sein.
Öpt^t^iv [JLiYaBe; SxuOai werden an der unteren Donau bei
Ap. Rh. IV 320 erwähnt; nach Herodot hatten die Skoloten
das ganze Flachland etwa bis zur Einmündung des Alt inne.
Kallistratos wusste von Kämpfen zwischen Skythen und Thraken
zu erzählen, wobei letztere den Kürzeren zogen; die skythischen
Weiber sollen die ihnen dienstbaren Thrakinnen, t3e? Bpoxiov
Tälv i:po^ l(7zipav xa; depxtav ^uepioixcov ~^vaix2;, als Zeichen der
Schmach tätowiert haben, woraus dann später ein k6<j|jlo^ wurde
(Athen. XII, p. 524). An der Westgrenze der Skythen finden
wir in der That unterworfene thrakische Stämme, z. B. die
ackerbautreibenden 'AXa^ove; und die später zu besprechenden
Kapx{5at. Die über den Stromschnellen des Borysthenes hau-
senden 'A(xa3ox9i jedoch waren, obgleich sich 'AfxaSoxo^ als Eigen-
name bei den Odrysen findet, keine Thraken, sondern Jäger-
stämme finnischer Herkunft, ,Rohäeischesser' (skr. ämAdaka),
wie sie bei den Skythen hicssen.
Nach dem Sturze der Skythenmacht — der letzte mächtige
skolotische Herrscher war jener 'ÄTsa;, gegen welchen Philipp
einen Zug unternahm — erhielt sich -zwar noch ein Rest der
,königUchen^ Skythen oder Saist (zd. khsaya) im Gebiet von
Olbia, die eigentlichen HeiTcn des pontischen Steppengebietes
wurden jedoch die Sarmaten vom Tanais; ausser kleineren
Stämmen waren es zunächst die lazygcn (zd. yazuka ,gros8,
mächtig'), welche zur unteren Donau vorrückten; sie scheinen
bereits nach Boerebista^s Tode (ca. 43 v. Chr.) den karpatischen
Grenzwall und das dakische Reich bedroht zu haben; Strabo
setzt sie neben die Tyrigeten, Ovid spricht von ihren Einfällen
über die Donau. Wann sie in das Land zwischen der Donau
und Theiss eingerückt waren, lässt sich nicht genau bestimmen;
jedenfalls sassen sie hier in den späteren Jahren des Tiberios
(27 — 37), und Vannius (ca. 50) fand in ihnen Bundesgenossen.
In die bisherigen Sitze der lazygen rückten die sarmatischen
Rhoxolani vor; für einen rhoxolanischen Häuptling dürfen wir
Die alten Thnker. 1. 99
jenen Susagus halten, den Pliniuä d. J. in einem Schreiben
an den Kaiser erwähnt. Dasselbe gilt von jenem SardoniuB,
den Aorelius Victor als Verbündeten des Dekebalos und, wie
es scheint, als rex Sacorom anfUhrt (vgl. oset. Sürdon, Name
eines Narten oder nrtd). Noch zur Zeit des Kaisers Valens
(367) erscheinen auf den Vorhügeln des südlichen Karpaten-
walles sarmatische SEKRI (Amm. Marc. XXVII 5, 3), in
welchen einige Forscher haben Serben erblicken wollen. Auch
diese sarmatischen Abtheilungen sind endlich unter den Slawen
verschwunden.
Im Norden des Karpaten walles, wo sich ursprüngUch an
die thrakische Völker weit die slawische anschloss, war eine
grosse Wandlung durch das Eindringen volkischer Galater-
stämme (3(X) — 200), denen sich Schaaren von Ostgermanen
(Skiren u. A.) anschlössen, zustande gekommen; dieses ,Bastard-
Volk', bei dem erst später das germanische Element stärker her-
vortrat, verbreitete sich (200 — 100) entlang dem östlichen Berg-
abhang (Alpes Bastarnicae, TP.) und auf den Platten zu beiden
Seiten des Tyras bis Olbia und zu den Donaumündungen, auf
der Nord- und Ostscite wie mit eisernen Armen das Stammland
der Thraken umklammernd. Sie erbauten am Tyras die Burgen
Kapp68ouvov, Maixa>viov, Oüißavrauapiov, ^'HpaxTov und an der unteren
Donau, im Gebiete der BpiToXa^at, 'AXioßpt? und iNoouiöSoüvovj von
hier aus unternahmen sie wiederholt weite Fahrten und Raub-
züge in die südlichen Striche; so reichten sie den Skordiskem
and den übrigen Keltenstämmen der Ostalpen die Uände.
Zu Beginn der geschichtUchen Zeit linden wir im karpa-
tischen Bergwall als Ursasseu die ^ÄYi-Ojpaoi, d. h. im skythischcn
Munde die ,bösen, quälenden^ (zd. agha) Tliyrsen. Bupaot aber,
skythiscli etwa Thurso oder Thwarso (vgl. 'IvSa-Oupac;), erscheint
wie eine dem Skythischcn angepasste Umformung eines thra-
kischen Völkernamens, nämlich IpoeuaoC. Nun linden wir in der
aus Schriften des Uerodianus zusammengesetzten Uüstkammer
des Stephanus von Byzanz folgenden Artikel: Tpauao{ * tuöXk
K^Xtou; (offenbar verderbt; A. v. Gutschmid, Lit. Cb. 1864
S. 1200 schlägt vor icXv)(7ioy KeXiotq; vielleicht blosse Dittographie :
xoXi^ xai eOvo;, oüc;), ^Övoc;, olic; oi "KXXtjve^; ovoiAä^ouat 'AYaOupaou?.
Irgend ein kundiger Schriftsteller hatte die Agathyrsen der
Skythen und der pontischen Colonisten ausdrücklich den Trausen
100 rV. AbhAadUng: Tomsichek.
gleichgesetzt; der Stamm also, der seit Alters das karpatische
Bergland innehatte, nannte sich selbst TpocucroC; die armseligen
Trausen, die wir in der Rhodope fanden, waren nur ein kleiner
losgerissener Theil des in der Heimat verbliebenen grossen
Stammes. Wenn es heisst: 'ÄYaOupaoi * lOvo; Iv^oT^po» toO AI(aou
(St. B.), so müssen wir uns erinnern, dass der Name Haimos
in älterer Zeit auch den Karpates eingeschlossen hat; die drei
grossen Ströme "AtX«; Aüpa<;, und T{ßtffi<; (Hdt. IV 49), ,welche
von den Höhen des Haimos herablaufen', gehören dem Nord-
lande an, wie der Hauptstrom MapK;, welcher dem Istros eu-
strömt. Die Agathyrsen wohnen (Hdt. IV 100) oicb ^orpoü ia
xaTikepOs £i^ ty;v pieaoYaiav, und der Maris äiesst mitten durch ihr
Land. Die vorgeschichtUche Cultur des agathyrsischen Landes
lässt sich aus zahlreichen Fundstücken, welche der neolitbischen,
der Kupfer- und der Bronzezeit angehören, annähernd erkennen;
vgl. darüber Carl Gooss (Archiv d. V. f. siebenbürg. Landes-
kunde Xm. Bd. 1877 S. 409 ff. 466 ff. 529 ff.). Im Lande
selbst wurde jedenfalls Grold und Kupfer gewonnen; beide
Metalle waren schon den Indogermanen bekannt, und die erz-
und goldreichen Gebiete der ungarischen Länder haben ohne
Zweifel einen Theil der indogermanischen Heimstätte gebildet
— Sitten und Bräuche der Agathyrsen waren thrakisch; ak
eigenthümlich wird nur die Ueppigkeit und das Geschlechts-
leben dieses Volkes hervorgehoben (Hdt. IV 104). Es herrschte
bei ihnen Weibergemeinschaft (exixotvov xöv -^uvaMtöv tijv jaT^iv
TcoieuvTot), unter dem Verwände, sie würden dadurch ,ein einig
Volk von Brüdern^ frei von Neid und Feindschaft. Der Bericht
lautet übertrieben, und die Motivierung legt Zeugniss ab von
der humoristischen Ader der Olbiopoliten; es werden im Gefolge
der Ueppigkeit die ehelichen Bande sich etwas gelockert haben;
auch mochte es vorgekommen sein, dass ein Agathyrse eine
oder die andere seiner Frauen dem Gastfreunde überliess, um
ein andermal die gleiche Gunst von diesem zu beanspruchen;
bei den Thraken war namentlich den Jungfrauen volle Freiheit
im Umgange mit den Männern gestattet. Weiter heisst es:
ißpötoTot äv3pü>v ebi xal XP^^^P^^ "^^ pidXtoia. Noch jetzt ist
Siebenbürgen an Gold ergiebig; es wird daselbst von Zigeunern
und Wlachen aus dem Sand der Bäche ausgewaschen. Als
begehrtes Tauschobject brachte das Gold den Agathyrsen die
Die alten Thraker. 1. 101
Fabrikate des Südens sowie die Gaben entfernter Länder,
Perlen, Bei*nstein und Zinn, ein; zuletzt kamen Münzen ins
Land, von Kerkyra, Apollonia und Dyrrhachion, von Thasos,
Erythrai und Lysimacheia.
Einen Beitrag zur Charakteristik des Volkes lernen wir
durch Aristoteles kennen (Problem. 19, 28): die Agathyrsen
hatten den Brauch (wie die gallischen Druiden), die Summe
ihrer Gesetze in Gesangsform dem Gedächtnisse ihrer Nach-
kommen zu überliefern. Der jüngere Pisander hatte der Aga-
thyrsen gedacht mit Anspielung auf den dionysischen ö6pao5
(St. B.); Valerius Flaccus gebraucht die Form Thyrsagetae.
Etwas Weinbau war im Lande vorhanden, das überhaupt ver-
möge seiner alpinen Natur für Mythenbildung wie geschaffen
ist; eine dem Zalmoxis entsprechende Naturgottheit wurde dort
seit Alters verehrt. Sonst wird den Agathyrsen noch die Be-
malung des Leibes zugeschrieben; auf das Vorhandensein
eines Geschlechtsadels weist der Beisatz: je dichter und grösser
die farbigen Zeichen der Haut eingeprägt waren, einen desto
höheren Rang der Person zeigte dies an. — Später hat man
das Volk nicht mehr vorgefunden, es wurde immer weiter in
den Norden hinausgeschoben; denn als die Römer in den Donau-
ländem auftraten, hörten sie nicht mehr von Agathyrsen; ein
ganz anderer Name war im Karpat üblich geworden, der
dakische.
DACI (sing. Däcus, C. L VI n« 3236 Daqus), Aoxci oder
Aaxot, auch Aöbuxi und Aixe^, in der Tab. Peut. DA GAE (wie
Sagae für Sacae), nannten sich die vormaligen Trausen, die
Brüder und Nachbaren der Geten; völlig unbekannt ist uns
die Veranlassung zum Aufkommen dieses schwer deutbaren
Namens. Strabo (p. 304, St. B.) erinnerte an die Aaoi; Cassius
Dio an die ATot und -das Aiaxcv y^^^?? ^^^ c ohneweiters in
loxtxiv änderte. In neuerer Zeit hat Leo skr. dhavaka ,Läufer,
Renner' verglichen; näher hegt das dakisch-thrakische Wort
dava : deva ,Siedelung', von der Wurzel dh6 : dhe ,setzen', und
die Daken wären dann ,Sassen^ Sonst liesse sich noch die Wurzel
das ,zeigen' heranziehen (vgl. Bs-Sadx; ,kundig'; also Leute,
welche sich verstehen). Strabo, welcher die Daken nach
griechischem Brauche stets Geten nennt, bezeichnet sie aus-
drücklich (VII p. 303. 305) als 6[jL6YXcdTTov toi? 9pa§iv lövo?. Dies
102 IV- Abhandlung: Tomsschek.
ergibt sich auch aus den geringen Sprachresten, z. B. aus den
Personennamen auf -porus (thrak. bithjm. -icopi?, von Wurzel
per : per ^durchbohren, stechen, schlachten') und den Ortsnamen
auf -dava (vgl. Desu-dava im Lande der strymonischen Maiden);
doch müssen dialektische Abweichungen für das Dakische natur-
gemäss zugegeben werden.
Der erste dakische König, den die Geschichte zu nennen
weiss (lust. XXXII 3, 16), war OROLES (vgl. den Thraken
"OXopo?, "OpoXo;): lange kämpfte er unglücklich gegen die Ba-
starnen, welche um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf
dem Gipfel ihrer M«acht standen; endlich gelang es ihm, den
Muth seiner Mannen dadurch anzustacheln, dass er sie nöthigte,
alle weiblichen Dienstleistungen zu verrichten, wie es Memmen
geziemt. Die Daken fassten ein Herz und schlugen die Ba-
starnen. Wir finden frühzeitig (HO) Daken als Waffenbrüder
der Skordisker im Kampf mit den Römern (Frontin. II 4, 3):
Minucius Rufus imperator a Scordiscis Dacisque premebatur,
quibus impar erat numcro. Als C. Curio die Dardaner be-
zwungen hatte (74), rückte er bis zu den Stromschnellen der
Donau (>taiappaxTai Strab. p. 304) vor, willens, ins Dakenland
einzudringen ; doch schreckten ihn, wie Florus bemerkt, die un-
erforschten Waldberge und Thäler ab. Vielleicht hatte schon
damals Boirebista zu regieren begonnen.
Dieser dakische Herrscher führte im Verein mit den
Priestern, an deren Spitze Aexaivso^ (Strabo nennt ihn einen
dEvvjp ^6r,q' ob er aus Aegyptcn gekommen war, darf bezweifelt
werden) stand, ein grosses Reformwerk durch, die sittliche
Hebung der Nation. Mitten im Lande, in einer unzugänglichen
Höhlengegend, erhob sich bei einem Flusse der Berg KwYafwvo?,
zubenannt der ,hcilige% weil man ihn f\ir den Sitz des Natur-
gottes (Zalmoxis) hielt; hier hatte auch der jeweilige Ober-
priester, ,der Nachfolger des Gottes', seinen Aufenthalt; selten
verkehrte er mit der Aussenwclt, nur der König und seine
Diener erholten sich bei ihm Rathes. Seine Rathschlttge wurden
als ,göttliche Befehle' verkündet, und das Volk gehorchte dem
Könige um so williger, weil es in seinen Befehlen den gött-
lichen Willen ersah. Stets hatte der Pontifex Antheil an der
Regierung. Boirebista wusste mit Hilfe des Dekaineos sein
Volk zu bereden, den Weinstock auszurotten und ohne Wein
Die alten Thraker, l. 103
ZU leben; die Hecresdisciplin wurde mit allen Mitteln straff
gehalten. Durch häufige und unglückliche Kriege hatten sich
die Daken sehr geschwächt; durch Nüchternheit und Folgsam-
keit,, wie durch das theokratische Regimen erstarkt, erwehrten
sie sich in wenigen Jahren der Grenzfeinde und unterwarfen
sich sogar die meisten Nachbarvölker. Gegen die Germanen
bildete das hercynische Bergland die Grenze, wo die ANARTES
Sassen (Caes. B. Gall. VI 25, 2; ein Collectivname für keltische
Stämme; vgl. ir. anart ,sago indutus^ von kelt. an = pan
,weben* gr. wjvo^ etc.?). Die Bastarnen scheinen damals nicht
mehr Feinde, sondern WaflFengenossen des Boirebista gewesen
zu sein; so konnte er denn auch nach dieser Seite Erfolge er-
ringen: eTXov xt;v 'OXß(av FeTai %ol\ t«; «XXa; toc; £v to:^ opiarspoT?
Toö növTOü zoXet^ l^XP' 'A7:oXXa)via(; (Dio Chrys. or. 36 U, p. 75 R.);
diese TsXeuTaia xa». yLS-^hvfi aXwai; von Olbia fällt etwa in das
Jahr 50 v. Chr. — Boirebista überschritt mehrmals die Donau
und verheerte alles Land bis Makedonien und Illyrien; mit den
galatischen Skordiskern verbunden, deren Gebiet am Saus und
Margus er bereits früher verheert hatte, warf er sich (ca. 44.
43) auf die Teurisker (Noriker) und Boier, deren König
Kritasiros war, und vernichtete die letzteren gänzlich; schwache
Reste der Boier verblieben in den ,Einöden^ südöstlich vom
Neusiedlersee. Die Daken unter Boirebista vermochten ein
Heer von 200.000 Mann aufzustellen; so erschienen sie den
Römern furchtbar, ein aucrTr,pbv %a\ ^iXoiccXefJi.ov xat ^eiibv £0vo(; (App.
B. civ. n 110), gegen welches Caesar eine grosse Expedition
auszurüsten begann, bevor ihn der Tod ereilte (15. März 44).
Aber auch sein Zeitgenosse Boirebista wurde zuletzt von einigen
Empörern entthront, welche das theokratische Regimen satt
bekommen hatten: sein Reich schied sich in vier Theile.
Nach Dio Chrysostomus (lord. 11 fg.) soll nach Dicineus
als rex et pontifex COMOSICUS höchst gerecht regiert und
nach diesem CORYLLUS den Thron durch 40 Jahre einge-
nommen haben; die übrigen Berichte wissen davon Nichts.
Von jenen vier Theilherrschern werden zur Zeit des zweiten
Triumvirates (40 — 31) zwei namhaft gemacht, Acxciatj; (Plut.
Ant. 63) und Koxiawv (Suet. Oct. 63); einen dritten, SxopuXwv
(vgl. Coryllas des lord.) lernen wir aus einer Anekdote bei
Frontinus I 10, 4 kennen. Als M. Crassus gegen die Bastamen
104 I^- Abhandlung: Tomsschok.
kämpfte, sassen am rechten Donauufer drei Fürsten der Geten
oder richtiger (vgl. Cass. Dio LI 53) Daken, 'PwXt)?, Aöbcü? und
Züpa5Y;(;. Am linken Ufer muss aber noch die Macht des Cotiso
bestanden haben, da wir wiederholt von dessen Einfällen .über
die Donau (nach Pannonien?) hören; auch sarmatische Horden
waren dabei betheiligt. Um endlich Ordnung zu schaffen,
schickte Kaiser Augustus nach Beendigung des pannonisch.
delmatischen Krieges den Gnaeus Lentulus aus, um das schwer
zugängliche Dakenvolk vom Donaulimes zu entfernen; dieser
setzte über die Donau und schlug nachdrücklich die Daken,
deren Reich damals sogar in fünf Theile geschieden war (Strabo
p. 304); so wurden die ,gente8 DACORUM^ gezwungen, die
Befehle des römischen Volkes über sich ergehen zu lassen
(Mon. Ancyr. V 47 — 49). Damals wurden, wie Strabo bezeugt,
50.000 gefangene Daken von Aelius Catus am rechten Ufer
unter den Moesen angesiedelt. — Unter Tiberius herrschte Ruhe;
aber es scheinen damals in das Flachland zwischen der Donau
und Theiss die sarmatischen lazygen eingedrungen zu sein —
ein Ereignis, welches die Macht der Daken an der Westseite
schwächte: DACI, pulsi ab lazygibus montes et saltus tenent
usque ad Pathissum amnem (Plin.). Gleichwohl hören wir von
einem Einfalle der Daken und Sarmaten in Moesien (ca. 35,
Suet. Tib. 41). — Unter Nero finden wir den Einfluss der
römischen Macht sehr gefestigt, wie die Inschrift des Ti. Plautius
Aelianus lehrt (C. I. XIV n'> 3608 a. 56/57): 100.000 trans-
danuvianische Familien mit ihren Stammeshäuptern wurden ans
rechte Ufer gebracht und zur Steucrleistung gezwungen; durch
das Eingreifen der Legionen erhielten die Könige der Bastamen
und Rhoxolanen ihre Söhne, die Könige der Daken ihre Brüder
aus Feindesland wieder zurück. Die Wirren nach Nero's Tode
wurden jedoch von den Rhoxolanen, lazygen und Daken zu
neuen EinfUllen ausgenützt. Die grossen Kriege der Daken
unter Dekebalos, dem Nachfolger des Duras, und die Unter-
werfung des dakischen Landes durch Traianus (107) dürfen
wir übergehen, da hierüber vortreffliche Arbeiten vorliegen^
ebenso die Zustände dieser Provinz bis auf Gallienus und Aure-
lianus; Alles, was sich an Namen knüpft, wird in der 2. Ab-
handlung zur Sprache kommen. Nur Folgendes sei hervor-
gehoben.
Die alten Thraker. I. 105
Traianuß hatte den Beschluss gefasst und ansgefiihrt, die
dakische Nation auszurotten ; das Loos der Vernichtung wider-
fuhr nicht nur dem königlichen Hause und allen Eldelingen,
die nicht rechtzeitig zu den freien Bergstämmen entkommen
waren; auch von den Wehrhaften, die der lange Krieg etwa
verschont hatte, wurde der grösste Theil nach römischem Brauch
in die Sklaverei verkauft. Was sonst übrig blieb (erwähnt
werden dakische Reiter ausser Landes unter Hadrian, denen
erlaubt war, ihre einheimischen Schlachtrufe zu gebrauchen, Arr.
Tact. 44), verfiel in der zweiten Generation der Roman isierung.
Aus der römischen Dacia ist uns nicht eine einzige dakische
Gottheit, nicht ein einziger dakischer Personenname bekannt
geworden ! Die ins Land gezogenen Colonen kamen vorwiegend
aus Kleinasien, Thracien, Macedonien, Dalmatien und Pannonien
— das dakische Element war ganz verdrängt, und Alles sprach
römisch. Die Namengebung der Ortschaften, Berge und Flüsse
lässt sich aber nicht so leicht verdrängen. Der Pinax des
Ptolemaeus, der uns die Dacia Traiana darstellt, zeigt uns
neben neuen römischen Castellanlagen eine Reihe offener Orte
(dava) aus der dakischen Zeit, sowie einige Reste der dakischen
Stämme: wenn wir nämlich aus den drei Reihen von ,Völker-
schaften^, welche Ptolemaeus verzeichnet, zuerst die nach Ort-
schaften benannten herausnehmen (Burridavenses, Potulatenses,
Albocenses, Saldenses, Ratacenses, Sienses, Cotenses, Caucoenses),
femer die fremden "AvapTot und Tsupicxct, welche durch den Ein-
bruch der lazygen ins dakische Nordland waren verschlagen
worden, so bleiben nur noch drei Stämme übrig: Bdrj^o', Keiorfswoi
und Dti^eiYot. Die erstgenannten sassen nördlich vom Temesch-
fluss am Westrand der Bergumwallung; die beiden anderen am
linken Donauufer östlich vom Altfluss; auf beiden Gebieten
fehlen römische Inschriften, die Namen selbst sind echt dakisch;
also haben sich hier am längsten dakische Volksreste erhalten.
Nach löOjährigem Bestände wurde die Provinz von den
Römern aufgegeben — zu mächtig erwies sich der Ansturm
der germanischen Völker, der Vandalen und Tervingen. Doch
gieng die Räumung in voller Ordnung vor sich, die Legionen
und Provinzialen wurden südlich von der Donau geborgen,
wo eine neue Dacia erstand. Doch darf eingeräumt werden,
dass nicht Alles über den Strom gezogen wurde, und dass ein
106 IV. Abhandluug: Tomaftchek.
Theil der minderen Bevölkerung im Lande zorilckblieb —
Krämer, Handwerker, Bauern und Hirten — ein Element, von
dem sich Reste der dakischen und römischen Namengebung
(z. B. Ampeluni, slaw. Omplö, magy. Orapoly, Ompoy) auf die
späteren Insassen vererben konnte. Die Besitznahme der Dacia
durch die Germanen trägt mehr einen tumultuarischen, vorüber-
gehenden Charakter; dauernder erwiesen sich die Spuren der
slawischen Besiedlung in allen Ortsnamen; dann folgt die
ungarische Einwanderung, die sächsische und zuletzt die wla-
chische. Jene inferioren römischen Ueberbleibsel haben sich
gegenüber der slawischen Einwanderung nicht halten können,
sowie im Laufe der Zeiten selbst das slawische Element ein-
gieng. Der römische Grundstock der wlachischen Dialekte
weist mit Nothwendigkeit auf eine südlich von der Donau ge-
legene Heimstätte hin und auf den sermo rusticus, wie er sich
von 400 bis GOO in der illyrisch-thrakischen Diöcese ent-
wickelt hat.
Ausserhalb der römischen Provinz Dacia gab es im kar-
patischen Waldgebirge neben den Bastarnen und Transiugitanen
(Amra. XVII 12; Transmontani, Ptol.) unabhängige Stämme
dakischcr Abkunft, Aaxol o'. Trpocopo'., ol bizkp t/jv Aax{<r/ ßapßapot
auTovofjLot. Wir betrachten zuerst die westlichen Stämme, welche
von der oberen Theiss an bis zu den Quellen der Weichsel
Sassen und in diese Sitze durch den Einbruch der lazygen
waren verdrängt worden, gleich den 'Avapxo^ppaxTot, die wir
weit von den übrigen "AvapTci an den Weichselquellen finden;
an diese schliessen sich die 'Apci^Tai an, mit dem Orte *Apaöviov;
lag auch noch SsTi-^aua in ihrem Gebiete, so dürften wir die
Arsieten mit einigem Rechte ftir einen dakischen Stamm halten.
Sicher gilt dies von den Saßoixot, deren dakische Herkunft durch
das Element -ß^xo». (vgl. KcTTo-ßaixoi) erwiesen wird. Sie werden
als Theilnehmer am Markomannenkrieg erwähnt (lul. Capitolinus,
M. Aur. 22, 1 : Bessi, Cobotes, d. i., nach MüllcnhoflF, SABOCES).
Weiter ostwärts sassen die lIisY^hat, vielleicht Anwohner irgend
eines, Pienga genannten, Flusses. Südlich von beiden, mitten im
Karpates, verzeichnet der Pinax Bis^ac, deren Name eine dem
dakischen Dialekt entsprechende Nebenform von Bfjcaot — jenem
grossen thrakischen Central volke — darstellt; wie erwähnt,
werden sie im Markomannenkriege neben den Saboken erwähnt,
Die alten Thraker. I. 107
V
und zwar in der classischen Form BESSI. Safafik und Lelewel
haben auf diese dakischen Besäen den Namen des Ortes Besko
und des Bergzuges der Beskyden zurtickftihren wollen, was
natürlich sehr unsicher ist; sie sassen jedenfalls südlich vom
Dukla-Passe, dem Einfallsthore der vandalischen Stämme, und
östlich von den germanischen Boupoi, den Nachbaren der lazygen;
diese Buren treten schon unter Dekebalos als Verbündete der
Daken auf.
Unmittelbar an der Nordgrenze der Provinz Dacia sassen,
neben Anarten und Teuriskern, dakische Kocrroßtoxoi 5 an diese
schlössen sich die Bastamen vom Tyras und weiter südlich die
Rarpen an. Die von Ptolemaeus vermerkten Orte Kapat-Bowa
und KXYjm-Sowa dürfen wohl für kostobokische Ansiedelungen
gelten. Das Element xocto- (mit den Varianten xoitco, xtoro-)
wird uns auch in d«r tlirakischen Nomenclatur begegnen;
-ßü)xo^ sonst nur in Sa-ßwxo». erhalten, erinnert an gael. bocc(ot)
,BuckeP (z. B. am Schilde) und an slaw. boktt ,Seite, Bergab-
hang^ Ein dakischer Provinziale (Ephem. epigr. V n^ 496)
erhielt das Cognomen COSTOBOCUS, ,quod inter Costobocos
nutritus sit^ Es gibt sogar Münzen dieses Volkes (Eckhel, DN.
VI 330). COSTOBOCI erscheinen in der Reihe der Völker,
welche sich zur Zeit des markomannischen Krieges an den
römischen Grenzen drohend erhoben hatten (Capitol., M. Aur. 22),
neben den Bastamen; in der That finden wir die traianische
Provinz unter dem tapferen Statthalter M. Claudius Fronte
(ca. 170) von den Barbaren ernstlich bedroht; unter seinem
Nachfolger Cornelius Clemens fielen die vandalischen Azdingen
mit aller Macht über die Kostoboken her (Cass. Dio LXXI 12):
'ri;v Xüjv Ko9TCuß(üX(i)V yju>pccf zoXq otcXok; XTT;a6[X£vot, vwi^^avTec; Ik €>t6{vou?.
xai TY)v AaxCov ob^h ySttov eXuxouv. Dieser dakische Stamm gerieth
also damals unter die Herrschaft der Vandalen; grosse Schaaren
zogen es jedoch vor, Reissaus zu nehmen, den Durchzug durch
Dacien und Moesien zu erkämpfen und in Raubbanden auf-
gelöst nach Macedonien vorzudringen. Eine stadtrömische In-
schrift (Arch.-epigr. Mitth. 1890 XIII 189) nennt einen L. lulius
Vehihus Gratus lulianus, der als praep. vexillationis per Achaiam
et Macedoniam ,adversus CASTABOCAS' kämpfte. Eine Raub-
schaar drang bis Phokis vor, wo sie Mnesibulos aufrieb (165),
wie Paosanias (X 34, 5 vgl. Suid. Xy)crTai) berichtet: tb ^k
108 IV. Abbuddlang : Tomaschek.
Ko9Toßa)xü>v Tü)v XY]cmyai5v ib xai iyik ty^v 'EXXaSa ^(dpa|Abv afweto
xal iizi TTjV 'EXiTeiav. In die Zeit des Kaisers Pins oder auch
des M. Aurelius Mt wohl jener PIEPORUS REX COISSTa
BOCENSIS, dessen Enkel Natopoms und Drilgisa zu Rom ihrer
Grossmutter Ziais^ Tochter des dakischen Magnaten Tiatus^
einen Inschriftstein setzten (C. I. VI n^ 1801); diese Enkel
waren wohl als Geiseln nach Rom gekommen^ und Pieporus
(vgl. IIi£-9£tY0' und die thrak. Eigennamen auf -poris) war ent-
weder ein Grenzfeind oder ein unzuverlässiger Bundesgenosse
der Römer gewesen. Noch später hat Antonius Caracalla den
freien Daken Geiseln abgenöthigt; sie wollten unter MacrinoB
(208) in die Provinz einfallen, standen jedoch davon ab, als sie
die Geiseln zurückerhielten (Cass. Dio LXXVIII 27). Die
Kostoboken verschwinden seit dem Einbruch der Vandalen
völlig von der Bildflächc.
DAC(i) • PETOPORIANI werden in der Tab. Peut an
der Grenze von Dacien neben den Bastarnen vermerkt: es
waren wohl Kostoboken oder auch Karpen, welche zur Zeit der
Antoninen unter einem Fürsten, Namens PETO-PORUS (vgl.
Pie-porus) standen — ob als Grenzfeindc, ob als Verbündete
Roms, lässt sich nicht entscheiden. Die Tabula verzeichnet
ferner neben DAGAE oder den freien Daken über den Donau-
mündungen PITI-GETAE (GR. Geto-Githi): es sind vieUeicht
,picti Getae' d. h. Daken, welche ihren Leib bemalen (vgL
Plin. XXII 2: apud Dacos mares quoque corpora inscribunt;
Vn 50).
Kaprco-Sixat erwähnt Zosimus IV 34 (a. 380) als Bundes-
genossen der Hunnen und germanischen Skiren; diese mit
Aoxai zusammengesetzte Form erweist den innigen Zusammen-
hang der Kapicoi mit der dakischen und thrakischen Nation
(vgl. Kap7:ou5at(ji.ov , Ort im Haemus; und KapicornQ? 5po?). Als
KaXXiTCxiSat — mit gemächlich gedehnter skythischer Aussprache
— treten sie schon bei Herodot (IV 17) in der Nähe von Olbia
auf: aiTOv xal G7:e{psuai y.7\ ctTeovrat, xsl xp6[x{jLua xal ax6po3a xal fcoLoh^
xal xsYxpoü; ; unter dem Einfluss der Städter hatten sie sich in
"EXXiQvsq Sx'jOai verwandelt. In der echteren Grundform Kaprdiai
verzeichnet sie Scymnus 'S41 als Barbaren zwischen den Donau-
mündungen und den IxjOai apoTYJpsc. Westwärts mochten sie
sich an den Seret {TidpxKoq^ *Hpacoq, byz. ^otporo?, Sepeto^) an-
Die alten Thraker. I. 109
lehnen: in dieser Lage kennt Ptolemaeus das Volk der "ApTuto'.,
d. i. eine dialektische Nebenform von KopTctot, mit dem Vororte
'Apict? über dem Sumpfe Qi<r(oka und den peukinisch-keltischen
BpcToXi^oa; zahlreiche Ortschaften auf -dava entlang dem Seret
erweisen die dakische Herkunft der Harpier, so wie der weiter
nordwärts aus einem römischen Bericht eingesetzten Kapiriavoi.
Diese Karpianen mögen an der Quelle des Prut den Kostoboken
die Hand gereicht haben. Seit dem Markomannenkriege traten
auch die CAßPI als Qrenzfeinde auf; sie verbreiteten bei ihren
ESnfkllen in den Umes Dacicus Schrecken und Flucht; gar
mancher Provinziale mochte ; wenn er ihren Händen entgieng,
den Göttern danken (vgl. C. I. IH n^ 1054 ,a Carpis liberatus,
pro Salute sua et suorum'). Von den Donaumündungen her
fielen sie meist in das benachbarte Moesien ein. Unter Maximus
und Balbinus (237/38) begann der gothische Krieg mit der Ein-
nahme von Histropolis durch die Barbaren; schon damals wurde
^ Carpis contra Moesos' gekämpft (CapitoL, 16); Dexippus schil-
derte weitläufig, ä Kiprcoi xal Ta irspa ßapßapa sövyj £7:pa5av (Euagr.
BQst. eccl. V 24). Unter Gordianus HI. war in Moesien Statthalter
Tullios Menophilus (240 — 242, Priscus fr. 8); da der Kaiser
den Gothen Jahrgeldcr bewilligt hatte, forderten solche auch
die Karpen: ifjfAsT^ y^P xpetirove^ twv r6T0ü>v sopLgv — ohne jedoch
etwas zu erreichen. Sie verbanden sich, 3000 Mann stark, mit
den Schaaren der Ostrogotha; lordanes (Get. IG) schildert die
Garpi ab ,genus hominum ad bclla nimis expeditum, qui saepe
fitere Romanis infesti^ Kaiser Philippus schlug jedoch (245)
ihre AngriflFe zurück (Zosimus I 20: outs; eicl Kip^ouq ri^ti xa xepl
tbv "Jorpov Xr/tffaix^oü^ eoxpaTeüae). Die nördlichsten Castelle von
Dacia waren damals schon aufgegeben. Unter Decius wurde
zwar Dacien noch gut vertheidigt; aber Moesien und das Haemus-
gebiet wurde von den Gothenschaaren des Cniva, denen sich
wiederum Karpen angeschlossen hatten, verheert; im Kampfe
mit diesen fiel Decius bei Abryttus. Unter Gallus und Gallienus
wurden die pon tischen und ägäischen Gestade von germanischen
Piraten beunruhigt; die Haemüsproviiizen Utten durch die £in-
fiüle der Gothen und Karpen; die Provinz Dacia gicng ver-
loren (257). Der tüchtige Kaiser Claudius regierte zu kurz,
als dass seine Heeresreform Dacien hätte retten können. Da
selbst alle Haemusläudcr von den Barbaren durchzogen und
110 IV. Abhaadlang: Tomsschek.
verwüstet wurden, gab Aurelian diese Proviuz endgiltig auf
(271); als er aus dem Orient zurückkehrte (274)^ schlug er in
Tliracien die Grothen, Karpen und Sarmaten; unter seinen
Titeln begegnet daher auch Carpicus — er selbst pflegte gering-
schätzig Carpisculus zu sagen. Unter Diocletianus und Galerius
(ca. 295) wurden die äarmaten, die Karpen und die Bastamen
in zahlreichen Schlachten gesciilagen und bedeutende Reste
dieser Völker in den Donauprovinzen, Pannonien und Moesien,
angesiedelt (vgl. Aur. Vict. Caes. 34: Carporum natio translata
omnis in nostrum solum). Wir sehen also, dass selbst das nörd-
lichste Grenzvolk des trajanischen Daciens, die Bastamen, aus
dem solum Barbaricum vertrieben, in der Romania Aufnahme fand;
und da soll eine die römische Oultur ruhig weiter fortpflianzende
Masse römischer Provinzialen im Karpatenland sich weit über
die Zeit der Völkerwanderung hinaus erhalten haben? Alle in
die Romania aufgenommenen Nationen verwandelten sich bald
in lateinisch sprechende Provinzialen; so auch die Karpen und
Bastarnen. Ein Römer karpischer Abkunft war der in Sopianae
geborene Staatsmann Maximinus (Amm. Marc. XXVU 1, ö:
ortus a posteritatc Carporum, quos antiquis excitos sedibus
Diocletianus transtulcrat in Pannoniam). Als Valens (376) an
der unteren Donau gegen die Gothen kämpfte, lagerte er ,prope
Carporum vicum* am moesischen Ufer (id. XXVIU 5, 5). Jene
Kapi:oBixat, welche noch unter Theodosius I. als Genossen der
Hunnobulgarcn und Skiren auftreten, werden bald unter diesen
Völkern verschwunden sein. Wiis die Bastarnen betrifft, so
finden wir ihre letzten Spuren im Uaemns: hier fiihrt noch
Prokop ein moesisches, im Gebiet von Nikopoiis gelegenes
Castell B37;£pv2: an: ein zweites Ciustell BiTiefvai gab es noch in
spätbyzantinischor Zeit zwischen Iteroe und Lardea an der Beuge
der Tund2a. Mit den Karpon ist der Kreis der thrakischcn Kar-
paten Völker geschlossen; AHo^, was mit dem Namen der römi-
schen Provinz l^acia zus^immenhängt, die barbarischen 8t&mme
sowohl wie die riunisohen Pri>vinzialen. hatte südlich von der*
Donau, in der 1 >acia dos Auivlianus und im Uaemns, eine neue
Heimstätte gefunden: hier hat sich auch die ostromanische oder*
,wlachisohe* Nation hemusirobildet. An dieser Bildung haben die
ver^»hietiensten Völker und ^>ti&mme tbotigvnomiuen: der llteast^
Grundstock jedoch gehört unstreitig der thmkisohen Nation an«
Die alteu Tbr&kor. I. 111
Damit Nichts fehle, sei hier noch an den Ursprung des
Namens ,Wlache' erinnert. Die galatischen VOLCAE (vgl.
gael. folc ,celer, alacer'), welche entlang dem hercynischen und
karpatischen Bergzuge* Nachbaren der Germanen geworden
waren und von diesen Valhos genannt wurden, standen den
germanischen Stämmen als ein fremdes und anderssprachiges
Volk entgegen; da schliesslich alle volkischen Stämme der Ro-
manisierung anheimfielen, erhielt jene Bezeichnung den Begriff
,Romanen^ Name und Begriff fanden im Slawischen Eingang:
dieses bezeichnet mit Vlahü (pl. Vlaäi) jeden ,Welschen^, vor
allem jedoch den Ostromanen; der Nebenbegriff ,Wanderhirte'
ergibt sich aus der Thatsache, dass der Ostromane im Mittel-
alter vorzugsweise als Viehzüchter und Wanderhirte auftrat.
Sowohl jene Hirten, welche von der unteren Donau seit dem
11. and 12. Jahrhundert in das Karpatenland einwanderten,
als auch jene, welche im späteren Mittelalter dem Zuge des
Karpat folgend bis nach Mähren kamen, wurden Wlachen
genannt.
IV. Allgemeines über die Thraken.
Das Volk der Thraken hatte seine Heimat in der kühlen
Hochregion des karpatischen Bergzuges, auf dessen Halden es
der Viehzucht oblag. In der thrakischen Namengebung spielt,
wie sich zeigen wird, ähnHch wie bei den Ariern und Griechen
das Ross eine hervorragende Rolle; die Jagd zu Ross bildete
das Hauptvergnügen des Nordländers. Als lange nach dem
Abzüge der arischen Nachbaren die Thraken als Eroberer über
den Haemusgürtel hinabstiegen, fanden sie da in den moesischen
und phrygischen Stämmen leiblich und sprachlich verwandte
Ursassen vor, die sie theils bewältigten, thcils bei Seite schoben
und zur ägäischen Küste drängten; der Thrakenname — un-
gewiss, wie zu deuten — wurde vom Bosporus bis zum Strymon
allherrschend; selbst die ,hohe' Samos erhielt den Beinamen
Opii'txfri, und der nördliche Theil des ägäischen Beckens hiess
' Beachtung venlient eiue von R. Mucb (in Sievor's Beiträgen z. Gesch.
d. d. Spr. XVll. Bd., S. 12) vorgebrachte Ansicht, wonach die Wohn-
ritze der Volken auf das Marchland beschränkt und volkische Händler
die Träger des Handelsverkehrs zwischen 8üd und Nord waren — daher
die allgemeine Bekanntschaft ihres Namens bei den Deutscheu.
112 IV. Abhandlung: Tomaschek.
fortan 9pifjt)Wo<; tcövto?, xb TceXorfo^ Vo 6piQfx(ov, Bponua 'OiXoovz.
Sogar als Piraten mögen die Thraken einst aufgetreten sein;
an Schiffsbauholz war ihr Bergland reich, und es wird von
einer ,thrakischen Thalassokratie* gesprochen, wie von Piraten-
ziigen nach Naxos. Aber den Seevölkern des Südens waren
hierin die thrakischen Noraaden doch nicht gewachsen, und in
historischer Zeit blieb die Thätigkcit derselben durchaus auf
das Festland beschränkt. Während die Eroberer als Vieh-
züchter, Jäger und Krieger in der Cultur eine primitive Stufe
einnahmen — die Geschichte bietet Beispiele genug von No-
madenstämmen, welche höher stehende Völker überfiuthet
haben — , standen die Untergebenen thcils infolge eigener
Thätigkcit auf dem milderen und culturfreundUcheren Böden,
theils infolge inniger Berührungen mit der vom Orient stark
beeinflussten lelegisch-pelasgischen Völkerwelt, bereits auf einer
relativ höher entwickelten Stufe; man kann sagen: Boden-
wirthschaft, Bergbau, Handwerk und Verkehr lagen in den
Händen der älteren Landesbewohncr. Der Gegensatz zwischen
den beiden Bevölkerungsschichten Thrakcs spricht sich am
dcutUchstcn in den mythologischen Gebilden aus: während die
ägäischen Küstenstämme mit ihren orgiastischen Culten sich
innig an die nach Kleinasien ausgewanderten Brudersippen an-
schUessen, zeigt die Sagenwelt der Thraken grössere Verwandt-
schaft mit jener der nordischen Völker, namentlich der Ger-
manen; doch lässt sich eine endliche Ausgleichung auch auf
diesem Gebiete an der Geschichte des dionysischen Cultes ver-
folgen, wobei sich die Thraken als der empfangende Theil
zeigen.
Vielen Forschern, zumal W. Heibig (Das homerische Epos
aus den Denkmälern erläutert, 1884, S. 4 ff.), war es aufgefallen,
dass das Epos die Thraken in Hinsicht auf Bewa£Ehung und
materielle Cultur als den Acliaicrn ebenbürtig behandelt. Wiö
die Achaier, so kämpfen die ,thrakisehen^ Bundesgenossen der
Troer auf Streitwagen, sie tragen die gleiche eherne und reich-
verzierte Rüstung, die gleichen Helme, sowie lange auf Hiel^
und Stich berechnete Schwerter; selbst von einem herrlicheim
thrakischen Becher ist die Rede; von der musischen Begabung
legt der Thrakc Thauiyras Zeugniss ab. Die Phoeniker hattea
einst die Metallschätze des Pangaios und von Thasos ans'
Die alt«D Thnker t.« 113
gebeutet; vielleicht gieng ihre Metalltechnik auf die Thraken über,
and konnteD phoenikische Fabrikate als thrakische in Umlauf
kommen; zwischen der thrakischen Küste und den klein-
asiatischen Griechenstädten fand bereits im homerischen Zeit-
alter ein reger Verkehr statt. Unmöglich konnten daher die
Sänger die Zustände der wohlbekannten Thraken dichterisch
idealisirt haben! Wie verschieden von diesem älteren Cultur-
stande zeigen sich später die ökonomischen Zustände und die
Gesittung der rohen, der Trunksucht völlig ergebenen thrakischen
Stämme! Offenbar war, meint Heibig (S. 9), die alte ,thrakische^
Cultur eine ,kurzlebige Treibhauspflanze' gewesen, welche die
orientalische CiviUsation der Phocniker, die bloss friedUchen
Tauschhandel getrieben hatten, ins Leben rief; dieses Gewächs
wurde aber in seiner Entwicklung gehemmt, als die Phoeniker
ausblieben, und erstickt von der aufschiessenden Macht der
Griechen, welche auf der thrakischen Küste Ackerbaucolonien
gründeten und unter Kämpfen stetig an Boden gewannen. So
verfielen die Thraken wiederum in einen barbarischen Zustand,
ähnlich wie die Irländer, die einst Culturträger waren, später
aber zu Heloten herabsanken. Wir müssen von unserem Stand-
punkt aus Folgendes bemerken. Die Cultur der binnenländischen
Thraken war sich vom Anbeginn bis in die hellenistische Zeit
gleich geblieben; sie trug stets den Charakter der Rohheit der
altindogermanischen Zustände; nur der knegerische Sinn und
die kräftige Phyäis zeichneten den echten Thraken allezeit aus
und befähigten jhn zur Rolle eines Eroberers. Der höhere
Stand der Civilisatiou der homerischen Thraken gilt einzig und
allein ftlr die höher gesitteten Küstenstämme phrygischer Ab-
kunft; es war eben die höhere geistige Begabung und der
bessere Culturstand, was diese Stämme schliesslich dem
Hellenismus zuführte, der hier nicht bloss eine auflösende,
sondern auch eine befruchtende Thätigkeit entfaltet hat.
Der Thrake blieb allezeit angestrengter schaffender Thätig-
keit abhold; seine Losung war der Krieg, seine Lust die Jagd,
seine Sorge das Ross; Bodenanbau, Gewerbe und niedere Han-
thierungen überliess er den Untergebenen; ft\r edelgeboren
{frfynot, thrak. i;tßüO{S£(;) galten ihm nur die Söhne des Mars,
das Handwerk verachtete er (Hdt. H 167); oder, wie Herodot
an anderer Stelle (V 6) sich ausdrückt, ,sein Liebstes ist, von
SUxaii«sb«r. d. phil.-hist. Cl. CXXVIU. Bd. 4. Abh. S
114 [V. Abhandlung: Toinaschek.
Krieg und Raub leben; nichts zu arbeiten gilt ihm für hoch-
anständig, Feld bauen für ehrlos (ap^bv sivai xiXXiorov, •fiq Ik
spYaTYjv dcTijxcTaTov)^ — hierin glich er also dem Bastarnen, auch
wohl dem kriegerischen Germanen. Auf Ausbeutung der Unter-
gebenen beruhte das Wesen der odrvsischen Fürsten ; offenherzig
gestand Seuthes: ,Ich lebe von dem, was ich mit meinem Kriegs-
volk auf dem mir vom Vater hinterlassenen Gebiete erbeute.'
Dass voreinst auf dem Boden Thrakes grosse innere Reibungen
stattgefunden haben, Verschiebungen von Stämmen, ja völlige
Vernichtungskämpfe — das bezeugen die wiederholten Auszüge
von Stummen und Völkern nach dem kleinasiatischen Süden.
Auf dem Tummelplatz des Ares gab es keine Einigkeit der
Völker; wo sich Staatswesen bildeten, wie bei den Odrysen und
Daken, wurden sie mit Gewalt zusammengehalten, und sie haben
niemals die ganze Nation umfasst. Und doch wurde die Grösse
und Ausdehnung dieser Nation gefühlt und erkannt: Manchem
erschien Thrake als eigener Erdtheil neben Europa, als ein
Viertel der Erde; Herodot (V 3) gibt seine Meinung folgender-
massen kund: ,Das Volk der Thraken ist nach den Indiern
unter allen Völkern das grösste; wenn es zusammenhielte oder
einen Herrn hätte, so wäre es unbekämpfbar und bei weitem
das mächtigste — aber, weil es ihnen dahin zu kommen un-
möglich ist, so sind sie demgemäss auch schwach. Ihre Bräuche
sind aber so ziemlich dieselben, obwohl sie in eine grosse
Anzahl von Stämmen zerfallen.* Aehnlich spricht sich Pau-
sanias aus (19,5): ,Die Thraken zusanmiengenommen sind das
zaldreichste aller Völker, mit Ausnalime der Kelten, wenn man
sie als Nation den anderen Nationen gegenüberstellt; deshalb
hat wohl vor den Römern Niemand die gesammten Thraken
unterworfen: den Römern aber ist jetzt ganz Thrake unterthan.'
Die Odrysen hatten unter Sitalkas ein Heer von 150.000 Mann
aufgestellt, davon ein Drittel Reiter (Thuc. II 98); die Daken
unter Boirebistas stellten eine Armee von 200.000 Mann auf.
Nach Strabo bestand das Thrakenland südlich von der Donau
aus 22 Völkerschaften und vermochte, wenngleich ausser-
ordentlich erschöpft, 200.000 Fussgänger und 15.000 Reiter zu
stellen. Auch Plinius reclmet die Tliraken ,inter validissimas
Europae gentes' und spricht von 50 Strategien oder Volks-
bezirken.
Die alten Thraker. I. 115
Unbestritten blieb allezeit der kriegerische Sinn der
Thraken und ihre Verwendbarkeit zum Heeresdienst. Die Dier
der Rhodope fochten in geschlossenen Reihen und wussten sich
bei Reiterangriflfen regelrecht zu vertheidigen ; von den Skythen
sollen die nördHchen Thraken (Geten) die keilförmige Schlacht-
ordnung gelernt haben (Arr. Tact. 16, 6). Thrakische Söldner
kämpften in den Heeren der Epigonen: und wie stark die
Römer die Thrakenstämme, zumal die Bossen, zum Legionen-
dienst herangezogen haben, davon legen die Inschriftsteine in
allen Reichsprovinzen Zeugniss ab. In einer Beschreibung des
römischen Reiches heisst es: Thracia provincia, dives in fructi-
bus et maximos habens viros et fortcs in hello, propter quod
et frequentes in de milites tolluntur. Noch K«üser Justinian er-
geht sich darüber in rühmenden Worten (Nov. 26 a. 635):
ex£;vo Toiv av(i)|/.oXoYiQ(JL£V(i)v ecriv, oii i:e.p iX ti? Ttjv 6paxü)V ovofAötceis
X(i>pav, euöu^ ouveiaepy^STat to) X^y*!* ^^^ '^^^ avBp£{a(; xxl aTportwTtxou
xAi^doü^ xal TCoXe|jui)v xal j^a/r^; svvotot. Wir fügen hier eine pane-
gyrische Schilderung des thrakischen Lebens aus dem Gedichte
des Sidonius an den Thraken Anthemius an: Rhodopam quae
portat et Haemum, | Thracum terra tua est, hcroum fertilis ora.
I excipit hie natos glaeies et matris ab alvo | artus infantum
molles nix civica durat; | pcctore vix alitur quisquam, sed ab
ubere tractus | plus potat per vulnus equum: sie lacte reUcto |
virtutem gens tota tibit; crcvcrc parumper, | mox pugnam ludunt
iaculis; hos suggerit illis | nutrix plaga iocos; pueri venatibus
apti I lustra feris vacuant; rapto ditata iuvcntus | iura colit
gladii; cosummatamque senectam { non ferro tinire pudet: tali
ordine vitae ( cives Martis agunt! — Wir wollen uns dieses
Leben etwas näher betrachten.
Die griechischen Aerzte und Physioguomiker reihen die
Thraken in Bezug auf Haut und Haar den nordischen Völkern,
Skythen und Kelten, au. Die Nordvölker gelten seit Aristoteles
flir ixaXotyi-, eüOü-, Xsttcc- und -^lüppo-Tpi^s? j bei Dichtern finden
wir auch die Praedicato ^avOot, flavi; so heisscn z. B. die bi-
stonischen Frauen AP. VH 10 5avOa(, die gotischen Coralli bei
Ov. ex Ponte IV 2, 37 flavi. Was die Haartracht bctriflft, so
kämmten die Thraken ihr langes Haar nach rückwärts und
banden es entweder am Scheitel zu einem Schöpfe zusammen
oder Hessen den Haarbusch herabwallen; ohne alle Ordnung
8*
116 IV. Ablumdlaog: Tomaschek.
Hessen die Geten ihr struppiges Haar hängen. Auf der Bühne
erschienen die Tliraken als öbtpoxcjxat (Pollux H 28) und oÄXP^ijpc-
xofjwit (Anaxandrides ap. Athen. IV p. 131); in dieser Tracht
erscheinen bereits die homerischen Abanten auf Euboia^ was
die Alten seit Aristoteles veranlasst haben mag; in ihnen ein
thrakisches Volk zu erblicken, Iiol to xopifv toc 2hna6sv t^ QpcpJxä
vofxci) (Eust. ad Dion. per. 520). — Was die Haut betrifft, so
schreibt Galenus (I p. 627) den Kelten und Germanen xal icovr«)
Bpaxio) xe xal ^xuOixo) "^hei <]n;xpov %a\ uyph^ Tb iip[ka xal 8ia xouto
(jiaXaxöv te xal Xeuxbv xal tj/cXcv Tpi/o^v zu; ihre Haut neigt zum
Fettansatz, als 7ut(jLsAa)§£(; erscheinen nicht bloss alle Kelten und
die kleinasiatischen Galater, sondern auch QpänLtq xal BtOuvoC
(XI p. 513). Als Gegensatz zu den dunkelhäutigen Aethiopen
stellte die lichtgefärbten Thraken bereits Xenophanes hin, als
er darauf hinwies, dass jedes Volk seine Götter nach seiner
eigenen Leibesbeschaffenheit sich bilde, AJMozi^ te (asXovjc^ oijiou^
T6, 9paxe^ T£ Tcuppolx; xal •{>^(xm%o()^ (Clem. Alex. Strom. VII p. 302
Sylb., Theodoret. IH p. 519) — wobei irupp6<; sowohl auf die
röthhche Hautfarbe wie auf das röthUche Haar bezogen werden
darf. Ebenso wirft lul. Firmicus I 1 die Frage auf: cur omnes
in Aethiopia nigri, in Thracia rubri procreantur? Die Griechen
nahmen eine Mittelstellung ein, der nordländische Typus war
bei ihnen bereits stark verwischt. Auf die Schädelform haben
die Alten bekanntlich noch nicht Rücksicht genommen; den
heutigen Ostromanen ist im Durchschnitt die Mittelform, der
mesokephale Typus, eigen; die Armenier sind brachykephal,
wie alle Kleinasiaten, was als Folge einer langandauemden und
durchgreifenden Mischung mit dem Aboriginerelemente betrachtet
werden darf. Ucbcr die Schädelform der Thraken werden wir
erst urtheilen können, wenn sich einmal in einem Tumulus so-
matische Uebcrreste vorfinden werden.
Der uralte barbarische Brauch, die Haut mit Farben zu
ätzen, war den meisten thrakischen Stämmen eigen, etwa bis
in die römische Zeit hinein, wo die Nachrichten hierüber fast
aufhören. Ihm huldigten im thrakischen Stammland die Aga-
thyrsen. Mela berichtet: Agathyrsi ora artusque pingunt, ut
quisque maioribus praestat, ita magis aut minus, ceterum iisdem
omnes notis et sie, ut ablui nequeant; ebenso Amm. Marc.
XXII 8, 30: interstincti colore caeruleo corpora simul et crinesy
Die alten Thraker. I. 117
et humiles qaidem minutis atque raris, nobiles vero latis fucatis
et densioribus notis. Sie heissen darum bei Verg. Aen. IV 146
picti (vgl. TP. PITI • GETAE), was von den Erklärern meist auf
das Haar bezogen wird: cyanea coma placentes (Serv.), caeru-
leo capillo Agathyrsi (Plin.), caeruleo picti colore^ fucatis in
caeruleum crinibus (Solin.). Die angeborene Blondheit des
Haares scheint, weil im Volke allgemein verbreitet, flir gemein
und unedel gegolten zu haben; die Edelinge färbten sich darum
ihr Haar stahlblau. Die Leibesbemalung gieng auf die Daken
über: apud Dacos mares quoque corpora inscribunt (Plin. XXn2):
quarto partu Dacorum originis nota in bracchio redditur (VH
50). Noch im vorigen Jahrhunderte wusste der Türke Had2i-
Chalfa (Sitzungsber. d. kais. Akad. XL S. 570), dass die Woj-
woden der Moldau ihren Söhnen eine eigene Marke einätzen
liessen, um sie als ,Herrensöhne' (bej-zäde) für immer kenntlich
zu machen. — Callistratus (ap. Athen. XH p. 524) hat wiU-
kürlich pragmatisiert, wenn er die Tätowierung der Thrakerinnen
als einen von den Skythen ausgehenden Brauch hinstellt, der
ftir ein Zeichen der Knechtschaft gegolten habe und erst später
zu einem >t6ajxO(; geworden sei. Allerdings waren die aus den
pontischen Colonien bezogenen getischen Sklaven tätowiert, weil
auch Kinder von Edelingen in die Sklaverei verkauft wurden;
die Tätowierung aber galt als ein Vorrecht des Adels. So lassen
sich die Nachrichten vereinigen: soril^ovTo irapa loT; 0pa$lv ol eu^eveT^
^caTSe^, xapa 8s tcT; Yixau; ol SoöXot (Artemidorus Onirocr. I 9);
ol xapa TW 'IffTpü) oiXÄÖvTei; aT'XovTat (Hesych. v. Icrcptova (xeTtoxa);
vor allem gilt aber Herodot's Zeugniss (V 6): xb [x^v daxt^Oat
^TfVikq xixptTat, t^ Ik aaTtxTov ÄYevvd^. Vornehmlich die Weiber
Hebten das Bemaltsein, wie der Rhetor Dio Chrysostomus angibt:
kü^pocMi^ oi5v ^v OpaxY) Ta<; Y^vaixa? Ta(; iXsuÖEpai; ortYlAa^wv jxeora^ xal
tojouTü) icXefova lyp'na^ GrCYM^axa x.at xoixtX^Tspa, Saw äv ßsXtiou^ xal
ex ßsXTtivwv Jcxoöai; Nach Phanokles soll die Zerreissung des
Orpheus durch thrakische Bakchantinnen die Thraken veran-
lasst haben, dass sie fi; aXö^ou; loriljov, Tv' iv /pol aY^iAor'
^Xouaai I xüovea oiuYspou |jlyj XeXaöoivro fovou. Das oriljetv geschah,
wie Callistratus angibt, mit Nadeln: £i:o(xiXXov za awfjLata, 7cep6vai^
YpofJjv evstaai; nach dem Epigramm der AP. VH 10 haben die
bistonischen Frauen den Tod des Orpheus beweint und aus
Leid sich die Arme tätowiert, indem sie durch die Haut Nadeln
118 IV. Abhandlung: Tomascbek.
zogen, deren Fäden mit Russ imprilgniert waren: otixtou? 5'
i^jfxa^ovTo ^poi'/io'^aq^ apL^tpieÄatvY) { SeuöfjLevat oiro^iY] 6pT]t)ciov zX6xa{i.ov.
So ätzen sich noch jetzt die Weiber der Tungusen die Haut
ihrer Stime, ihrer Wangen, des Kinns und der Arme mit Boss.
Die Kleidung bestand vorwiegend aus grobem Hanfzeug
und darüber geworfenen Fellen. Der Hanfanbau wurde sehr
gepflegt, und xöcvvaßtc scheint urspriingKch ein thrakisches Wort
gewesen zu sein (s. d. Glossen); Hcrodot berichtet (IV 74 vgl.
Hesych.): £a xavvaßtoc Bpi^ixe^ |X£V xai eTixot« xotsuvtat, ToTat Xtv^ot«
ojxoi^iaTa etc. Diese feineren Hanfzeuge, mit Hilfe eines primi-
tiven Webstuhles gewoben, wurden mit Pflanzenfarben allerart
bunt gefärbt oder mit bunter Stickerei ausgenäht: ol Bpcos;
7C0tx(Xai; i'i^fjtQi xpwviai (Hesych.); die lang herabwallenden
ßaaaipai der Bakchen waren bunt, nicht selten auch mit kleinen
Goldflinsen belegt — solche Gewänder tragen in antiken Dar-
stellungen Orpheus, Thamyris und Dionysos selbst; es waren
Fabrikate der Siidstämmo, zumal der Edonen, IBwva \[ukv.2.
Witzig sagte Aeschylus vom bunten Wiedehopf, er habe einen
thrakischen Waff*enrock an. In missduftende Schafpelze waren
die nördlicheren Thraken, z. B. die Bossen und Geten, gehüUt;
sie heissen darum pelliti. Langärmel ige Kittel tragen die Daken
auf den Standbildern, ebenso weite Hosen, laxae braccae, gleich
den Geten. Der Filzhut gehörte zur Tracht der dakischen
Priester und Edelinge (s. d. Glosse tarabostei, 7:tÄOf6pot). Den
Fuss schlitzten Ledersandalen oder dicke Filzsohlen, d[j.ßa5e? •
svrceXI^ [xev to U7:65r<|xa, Bpaxiov Be tb £jpY;|xa, tyjv 5s llioa xo06pv9i(
TaiuetvoT; eotxev (Pollux II 85). Entsprechend dem kühleren Klima
und den rauhen Temperatursprüngen kleidete man sich warm,
selbst in Bithynien. Xenophon sagt: ,l)ie Thraken hüllen um
Kopf und Ohren Fuchspelze; ihre Leibröcke bedecken auch die
Schenkel; der Kälte wegen tragen sie zu Pferde statt kurzer
Wamse Reitermäntel (l^eipaq), welche bis auf die Füsse herab-
reichen.^ Schon Herodot beschreibt uns die Tracht der bithy-
nischen Thraken im Heere des Xerxes (VII 75): exl jjl^v ttJ«
xe^aXi^Gi aXdüTztyLiaq l^ovieq eorpaTeiovro, Tuspl Bs Tb (7(o|xa xi0c5va^, ewt 8^
^etpai; ireptßsßXrjfjisvoi xoixiXa^, rspl Be to*j(; 7:5oa; t£ xal t«^ xvi^{jLa^
Tzi^ikoL veßpwv (vgl. die Glossen eßyjvot und ^eipä). Weit leichter
war die Sommertracht der dakischen Krieger: ein gegürtetes
Wams mit einem über die Schulter geworfenen Mantel, den
Pio alten Thraker. I. 119
eine Fibel festhält. Erinnert sei noch an den ständigen Typus
des thrakischen Reiters und Jägers in Wams, flatternder Chlamys,
Pelzmütze und Ledersehuhen, den Jagdspiess in der Rechten,
den Pferdezügel in der Linken, und den Hund hinterher.
In der Bewaffnung waren, wie bereits erwähnt, schon zu
Homer's Zeiten die Thraken den Achaiern ebenbürtig; schon
damals stand das thrakische Schwert (;i<po; D. XXIII 808,
(pisYovov XIII 577) in gutem Rufe. Sollen die Phöniker den
Thraken alle Waffenstücke geliefert haben? Dürfen wir nicht
vielmehr an Erzeugnisse einheimischer Schmiede denken? In
der phrygischen Sage treten die metallurgischen Daktylen KeXfjits
oder ilxeX[xt<; (,Schürfer, Gräber*), Aa{i.vai^.£vs'j<; (,Bläser*) und
"AxfjLwv (,Ambos' aus Kiesel, dann aus Stahl) nebst AsXXa; (dem
ySpalter, Schmelzer') bedeutungsvoll hervor, und die Anfiinge
der Erzbearbeitung wird die phrygische Nation schon in ihrer
erzreichen europäischen Htnmat sich eigen gemacht haben ; von
den thrakischen Stämmen liaben namentlich die Dessen Erze
aller Art zutage gefördert und verarbeitet ; so konnten denn noch
zu Thukydides' Zeit die Dier der Rhodope als jjiaj^aipo^opot auf-
treten; als thrakischer Ausdruck für die [Aa^aipa wird axaX[ji.Y;
überliefert. Die Thraken kannten auch schon den , Krummsäbel*,
apTOQ • \}.i'/jxiz% xaixTCuXr^, Bpaxwv eupscTK; (Clem. Alex. Strom. I p. 307)
oder sica * 0pax.txbv ^{^s^ £7:iy,a|x7:£; (Gloss. Labb.), die falx supina
(luv.) der dakischen Sichel träger. Speer, Spiess und Lanze
gehörten gleichfalls zur thrakischen Bewaffnung (vgl. die Glossen
Xo^x^Q; ffopiasa und besonders popi^ata); die d%:vTta werden
namentUch den Bithynen und den illyrischen Agrianen beigelegt,
den ersteren auch Dolche (i^xeipiSta [xixpa, SoXwve;). Dass daneben
Bogen (mit Pferdesehnen) und Pfeile ihre uralte Rolle nicht
verloren hatten, versteht sich von selbst; als Bogenschützen zu
Fuss (To^i^Tai) wie zu Pferde (k^roTö^oTai) treten die Odrysen,
Geten und Daken auf; diesen war auch der Brauch eigen, die
Pfeilspitzen zu vergiften — sie sollen dazu den Saft von Alant
(inula helenium, Galen. XIV p. 244) verwendet haben. Ausser
Bogenschützen, Sichelträgern und Speerwerfern zeigt uns die
Trajanssäule auch Steinschleuderer. Die odrysischcn und ge-
tischen Reiter im Heere des Sitalkas, die dakischen im Heere
des Dekebalos, waren gepanzert — es waren entweder Platten-
oder, wie bei den Sarmaten, Schuppenpanzer. Auch Helme
120 IV. Abhandlung: Tomaschek.
und Schilde (galeae ac scuta, Plin. XVI 144) fehlten nicht;
namentlich werden die thrakischen "X^ppo^, wapjAat und wdXTat er-
wähnt, und die iceXta galt flir ein eüpr^iAa 6paxc5v (s. d. Gl.);
wenn die Thraken flohen, warfen sie den Schild auf den Rücken
(Xen.). Die Daken brachten es sogar zu einem eigenen Feld-
zeichen, der Drachenfahne, deren Aussehen uns sowohl aus der
Abbildung der Trajanssäule wie aus alten Schilderungen (Suid.
V. oTifAsTa SxuOixa * ufaaixaTa ßo^YJ TSTcoixiXjx^va; Arr. Tact. 36, 3:
ext xovTöv 5piAovT6(; axatpoujxsvct etc.; Amm. Marc. XVI 10: pur-
pureis subteminibus texti dracones, hastarum summitatibus illi-
gati, hiatu vasto pcrflabiles et ideo velut ira perciti sibilantes
caudarumque volumina reUnqucntes in ventum) genugsam be-
kannt ist; Hadrian gestattete dieses nationale Abzeichen den
ausser Landes verwendeten dakischen Schwadronen. Der
homerische Kriegswagen, auf dem noch der Thrake Rhesos fiihr
und dessen sich die Kikoncn auf ihrem ebenen Boden wohl
bedienen konnten, kam nachmals ausser Gebrauch. Erwähnt
sei noch die geschätzte eiserne Axt der Thraken (su^oaCplei icsXsxu;
9paxt>t6(;, Pollux I 149), wiederum ein Beweis für die Metall-
technik des Rhodopelandes, welche mit jener der Lakonen vom
Taygetus rivahsieren durfte. Mit der Bewaffnung der thrakischen
Eroberer stand es demnach auch in historischer Zeit nicht schlecht
Die Wohnorte der Thraken waren sehr verschieden; wir
finden alle Formen, von der Hühlenwohnung des Troglodyten
bis zur gut verschanzten Vestc, vom Viehgehöfte des Senners
und vom Fischerpfahldorf bis zur offenen Stadt, dem Knoten-
punkt des Verkehrs. Die Sitze der Troglodyten an der unteren
Donau haben wir bereits erwähnt, ebenso die paionischen Pfahl-
bauten am Prasias — vielleicht hal)en hier eigentUch edonische
Leute gehaust, da [xocctjv (s. d. Gl.) phrygischen Ursprung ver-
räth. Herodot's Zeugniss über jene Fischerwohnungen (V 16)
ist allen Forschern zu sehr bekannt, als dass wir es wörtlich
anflihren und erläutern sollten; erwähnt sei nur, dass man dort
sogar Rindern und Schafen Fische zur Nahrung gab; die am
unteren Strymon gesäete Gerste war ob ihres schlechten Ge-
schmacks und Geruchs berüchtigt — Pferde und Rinder,
Schweine und Hunde verschmähten sie, nicht aber der Mensch
(Mirab. ausc. 116), der in Zeiten der Noth sogar mit einem
Brote aus den Nüssen des TpißoXo? (trapa natans) verlieb nahm
Die alten Thraker. I. 121
— dieselbe Verwendung der Wassernuss finden wir bei den
Urinsassen des Laibacher Moors. Das dakischc Pfahldorf
mitten im (See- oder Fluss-) Wasser hat, wie die Trajanssäulc
zeigt, runde Holzhütten mit spitzigem Dach. Xenophon schildert
uns die Weiler und Viehgehöfte der Tliynen (Anab. VII 4, 14):
an die Wohnhlitte (xaXußri) schlössen sich Stall und Schafpferch
an, und das Ganze war mit Holzpßlhlen (oroupoi?) verschanzt.
Eß gab natürUch auch offene Dörfer und Märkte (para, dava
oder deva ,SiedelungO, verschanzte und mit Dämmen umgebene
Orte (xsXtuv), Umfriedigungen auf erhölitem Boden (ßpta oder
ßpca) und regelrecht theils mit Holzpfahlwerk, theils mit thurm-
besetzten Steinmauern, die den Sturmböcken Widerstand ent-
gegensetzten, versehene Vesten (Bt^a oder Be^t) sowohl in der
südlichen Thrake wie im Dakenlande und bei den Geten —
leider kennen wir nicht das dakische Wort flir solche Vesten,
da diese alle von den Römern geschleift worden waren, so dass
nur die offenen Dörfer (dava) übrig blieben. Leider wissen
wir auch Nichts von der inneren Einrichtung und den Geräth-
schaften des thrakischen Hauses; die wenigen Tumuli, welche
bisher auf thrakischem Boden aufgedeckt wurden, enthielten
ausser Thon- und Glasscherben kupferne und bronzene Lanzen-
spitzen; die weitere Durchforschung derselben wird wohl einmal
bestimmtere Resultate ergeben. Ueber die von Skorpil be-
schriebenen Steindenkmäler getrauen wir uns kein Urtheil zu.
Nach Diodor (I 55 vgl. Hdt. II 103) soll es an vielen Stellen
Thrakes Standsäulen gegeben haben, welche Sesostris als End-
ziel seiner Eroberungen beim Skythenzuge aufgestellt hatte.
Die Küsten- und Seeanwohner nährten sich hauptsächUch
von Fischen, von denen die Alten mehrere besondere Arten
aufzählen (vgl. d. Gl. TCöncpa?, tiXoiv, TueirpiBtXo^, X40pa5, 8eXxav6^,
femer ^pd^/P^^ ^^^^ xtöapa). Bei den phrygischen Küstenbewohnem
wurden die Früchte der Demeter, Weizen und Gerste, Roggen
imd ßpK«, fleissig angebaut; das Getreide wurde in Erdgruben
(ffipoi) aufbewahrt. In dem Namen der Pyro-geri am mittleren
Hebrus haben wir ,Siedler des Weizengebietes* erkannt; die
thynischen MsXivo9aYot bauten vornehmlich Hirse an, eine Gattung,
die auch den Sarmaten und Pannoniern die Hauptnahrung
lieferte. Die KopxtBat im heutigen Bessarabien bauten ausser
Weizen und Hirse auch noch Zwiebeln, Knoblauch und Linsen
122 IV. Abhandlung: Tomas che k.
au; allen Thraken diente Knoblauch als Würze zum Mahle
(vgl. schol. ad Aristoph. Acharn. 165 £axopo5tc[X6vO(; 5 Hesjch.:
crAcpocc^oYsSjiv cl 0pax£;). Salz jedoch war rar, nur das dakische
Land besass davon (vgl. Salinae, Ort bei dem heutigen Thorda);
die pontischen Griechen gewannen Salz aus Lagunen, bei An-
chialos und Mesembria, Tyras und Olbia. Dieses Salz wurde
vortheilhaft an die binnenlilndischen Thraken verhandelt, gegen
Sklaven: twv 0pa:cü)v o\ [kzco-^zioi aXwv a'/TaaxriXXaTovTO tou^ sixets^
(PoU.; vgl. Hesych. v. aXü)^nr;To; • tsu; äXa^ XafAßovovTs«; c\ Bpaxe;
avBpazoBa eMSoaov). So geriethen selbst Kinder von Edelingen
in die Sklaverei, und spöttisch hiess es: 0pa; suysv/j; et; Tzpz:;
aXa^ wvr^fjLsvs;! — Die echten Thraken, Viehzüchter von Haas
aus, zogen allezeit die animalische Nahrung vor. Schon die
Säuglinge erhielten mitunter frisch abgezapftes und mit Rahm
gemischtes Pferdeljlut. Fleisch aller Art wurde theils roh (vgl.
den Eigennamen '\\):r,lo%oz ,Rolifleische8ser*), theils gebraten ge-
gessen, in schmale Stücke zerschnitten (s. d. Gl. •^vna). Milch-
nahrung war aUgemein und Butter sehr beliebt — '^jkont.'zoTKxai
und ßouTupo^aY^i werden die Thraken öfter genannt; ein flacher
Brotkuchen, Bienenhonig und Gemüse bildeten die Zukost. Mit
der Käsebereitung waren Thraken und Ulyrier gleich vertraut.
— Der thrakische Wein stand seit den homerischen Gesängen
im besten Kufe; wir werden die schrittweise Verbreitung des
Weinbaues in Thrake im Artikel At(i)vu7o; verfolgen. Die harte
Arbeit des Winzers überliess der faule Thrake seinen Unter-
gebenen, desto tapferer sprach er sell)st der dionysischen Gabe
zu. p]s war wohl eine harte Aufgabe für Boirebistas und seinen
Pontifex, dem dakischen Volke den Weiiigenuss abzugewöhnen
und die Rebenstöckc auszurotten! Bei allen thrakischen Stämmen
finden wir Unmiissigkeit im Trinken; szteixü); 8* sict xivTsg o\
6pa)^£? xoXuxotat (Theop. ap. Athen. X p. 242). Sie tranken den
Wein stets ungemischt (Athen. XI p. 781, d nach den Versen
des Callmachus X j). 242, f); eine Ausnahme machte König
Kotys IV., welcher stets vii^rry]; bliel) (Suid.). Die Troren büsstea
ihre Trunksucht vor Herakleia am Pontus, wo ihnen der Weia
mit axcv'.Tov vergiftet wurde; die Thraken pflegten angetrunkea
zur Schlacht auszuziehen (Paus. IX 31, 5). Wie die Paionen,
so tranken auch die Odrysen, Geten und Daken bei ihren Ge-
lagen aus Stierhörnern (vgl. d. Gl. ßovaccoj;), und wir finden bei
Die alten Thraker. I. 123
ihnen die Sitte des Zutrinkens und des Weingusses. Wie es
bei diesen Gelagen zugieng, ersehen wir aus den Versen des
Anaxandrides über die Hochzeit des Ipliikrates zur Zeit des
Kotys und aus Xenophon's Schilderung vom Gastmahle des
Seuthes, die wir hersetzen: ,Die Geladenen setzten sich im
Kreise herum nieder; darauf wurden für Alle dreifüssige Tische
hereingebracht, bedeckt mit Fleisch schnitten und gesäuerten
Broten. Seuthes nahm die Brote, brach sie in Stücke und
vertheilte sie, ebenso die Fleischstücke; dasselbe thaten die
Anderen. Es wurden dann Hörner mit Wein herumgereicht,
und Alle sprachen zu. Seuthes erhob sich, umarmte Xenophon
und dessen Begleiter, wobei sie einander nach thrakischer Sitte
zutranken. Während des Trinkgelages kam ein Thraker mit
einem weissen Pferde, ergriff ein volles Trinkhorn und sprach:
ich trinke dir zu, Seuthes, und schenke dir dieses schnelle Ross.
Ein Anderer brachte einen Knaben und schenkte ihn, unter
Zutrinken, dem Fürsten; ein Dritter brachte fiir dessen Gemahlin
Kleider, u. s. w. Seuthes trank zuletzt mit Xenophon das Hörn
aus und goss den Rest über dessen Genossen hin.^ Wir kennen
noch das thrakische Wort für ,Wein^, nämlich (^etXa oder ^'Xot.
Zu Heilzwecken wurden auch Säfte von anderen Pflanzen z. B.
a']^tvOo; abgezogen und zu weinähnlichen Getränken verarbeitet.
Endlich müssen wir noch des Gerstenl)ieres Erwähnung thun,
das Phrygen und Thraken, sowie Paionen und Illyrier zu
brauen verstanden (vgl. d. Gl. ßpuio; oder ßpokoc ,Gebräu'):
schon Archilochus hatte dies bezeugt (Athen. X p. 447, b):
^OTcep ?:ap' aüXw ßpOiov 9^ Spr^q avY)p | Yj ^Pp'J? sßp^^Ce, x6ß5a 3' 9jv
xovEujjiivt). Die Trunksucht der Thraken war ein Erbe aus der
indogermanischen Vorzeit und nicht, wie Heibig meint, eine
Folge ökonomischer und geistiger Decadenz, wie etwa bei den
Schnaps trinkenden Wandern. Wissen wir doch, dass auch
die Arier am oberen Indus, wenn nicht dem Weine, der dort
erst später bekannt wurde, so doch dem berauschenden Soma-
tranke bis zum P>brechen huldigten, und dass alle Naturvölker
energischer Natur ihre Lebenskraft mit berauschenden Ge-
tränken aufzufrischen suchen; eine nähere und innigere Ver-
wandtschaft der Thraken mit den Germanen hieraus abzu-
leiten, erscheint unnöthig. — Von den Skythen stammt wohl
der thrakische Brauch, sich mit dem Dampfe der auf heisse
124 rv. Abhandlang: Tomaschek.
Steinplatten geworfenen Hanfkörner in Schweiss und schlaf-
ähnliche Betäubung zu versetzen (Plut. de flum. 3; 3; Tocilescu's
Dacia p. 758).
Wenn die Odrysen assen und tranken , durfte dabei der
auX6; nicht fehlen; zuletzt schmetterten die Trompeten, und Alles
sprang auf zum Waffentanze. Xenophon schliesst seine Schilde-
rung des Mahles bei Seuthes mit den Worten: ^Hierauf traten
Leute ein, die aus Hörnern und Trompeten nach dem Takte
und gleichsam in der Oktave bUesen; Seuthes stand auf, stiess
einen Kriegsruf aus und machte sehr behend einen Luft-
sprung.* Andernorts (An. VI 1, 5) schildert er den thrakischen
Waffentanz (s. d. Gl. xaXaßpta[x6<;): ,Die Thraken ftihrten zur
Flöte den Tanz auf, wobei sie mit Leichtigkeit hohe Sprünge
machten und ihre Schwerter schwangen und gegen einander
zückten; zuletzt hieb einer auf den anderen los, der Getroffene
fiel zum Scheine um, der Sieger zog ihm die Rüstung ab und
gieng den Sitalkas singend davon, während der Getroffene fort-
getragen wurde.* Nicht immer verliefen solche Erlustigungen
unblutig: so war bei einem Kampfspiele ein scharfgeschliffenes
Breitschwert aufgestellt, das denjenigen sofort tödtlich verletzte,
der beim Luftsprunge das Ziel verfehlte — und die Anderen
lachten ob seines tödtlichen Falles (Seleucus ap. Athen. IV
p. 155, e)! Die Odrysen konnten ein Gelage nicht schöner ab-
schliessen, als dass sie zuletzt über einander herfielen und sich
selbst wie die Anderen im Rausche zerfleischten (Amm. Marc.
XXVII 4, 9). Ueberhaupt hatte das Leben des Einzelnen in
Thrake geringen Werth; grausam waren die Spiele, lebens-
geftlhrlich die Leibesübungen — man wird förmlich an die Blut^
abzapfungen der Indianer gemahnt, die uns Catlin in seinen
Aquarellen so drastisch hingeworfen hat, — grausam und
summarisch die Rechtspflege: ohneweiters und schonungslos
stiess z. B. Seuthes die ihm vorgeführten Gefangenen mit dem
Wurfspiesse nieder. Henkersknechte wurden mit Vorliebe aus
Thraken gewählt; noch in christlichen Legenden spielt der
Mucapor ständig seine Rolle als Schlächter. Ein solches Volk
war wie geschaffen zu blutigem Zweikampf in der Arena; der
Threx, mit allen Mitteln der Disciplin für das Gladiatorenhand-
werk abgerichtet, bot in seinem Blute schwimmend Neronen
und Messalincn ein ergötzliches Schauspiel.
Die alten Thraker. I. 125
Daneben fehlte es nicht an edleren Regungen; auch dem
Thraken war die sänftigende Wirkung der Musik nicht unbe-
kannt. Wenn die Geten um Frieden baten, so zogen ihre
Priester in weissen Gewanden unter Cither- und Flötenspiel
heran. Wenn freilich schon bei Homer der Kitharöde Tliamyris
um die Palme des Sieges ringt, so ist zu beachten, dass dieser
,Thrake^ doch eher dem Volke der Edonen oder Brigen ange-
hört hat; auch die apollinische Gestalt des Orpheus war ur-
spriingUch dem thrakischen Boden fremd; erst seit der Blüthe-
zeit der orphischen Mystik treibt die Bpaxta jjLOüfftxTQ, der 0paxto^
vojio^, die Öp^oaa xiOipa bei Dichtern ihr Wesen. Die Anfänge
der musischen Kunst sind von den phrygischen und griechischen
Stämmen ausgegangen, nicht von den rohen Thraken. Eine
Art Op^vog wurde dem verstorbenen Thraker unter Flötenbe-
gleitung und mit dem Refrain -zopzXKri nachgesungen, sowie selbst
dem Nadowessen ein solcher Nachruf zutheil ward — das will
nicht viel bedeuten. — Zu einem eigenen Schrift wesen haben
es die Thraken selbstverständHch niemals gebracht; Inschriften
finden sich nur in griechischer und lateinischer Sprache; Münzen
mit griechischer Legende haben zuerst die Edonen und Bisalten
geschlagen. Wie verschieden die Culturstufen der thrakischen
Stämme gewesen sein mochte, erkennen wir beispielsweise aus
der Notiz des Aristoteles (Problem. XV 3), wonach einer der
Stämme nicht weiter als bis vier gezählt haben soll — so be-
schränkt war dessen Gesichtskreis, so stark von allem Welt-
verkehr abgelenkt! Denn schwerüch wird man annehmen dürfen,
dass es richtiger heissen sollte ,bis vierhundert^, entsprechend
dem Vigesimalsystem, dessen Endzahl 20mal 20 lautet; dem
indogermanischen Sprachgebiete war diese Zählmethode fremd.
Bemerkt sei noch, dass die öp^^aaat aav{5e;, worauf Orpheus Heil-
mittel verzeichnet hatte (Eurip. Ale. 967), Erfindung der Or-
phiker sind. Ihre Gesetzbücher haben Goten und Daken in
Gtesangsform mündlich überliefert, wie die gallischen Druiden.
Bei den Thraken war den Jungfrauen, denen offenbar
Gelegenheit geboten war, sich mehr in der freien Natur herum-
zutummeln, volle Freiheit im Umgange mit der männlichen
Jugend gestattet; die Frauen dagegen, durch ihren Beruf ans
Haus gefesselt, durften die Treue niemals verletzen (Hdt. V 6).
Hatte ein Junggeselle seine Wahl getroffen oder hatten sich
124 rV. Abhandlang : Tomaschek.
Steinplatten geworfenen Hanfkörner in Schweiss und sehlaf-
ähnliche Betäubung zu versetzen (Plut. de flum. 3, 3; Tocilescu's
Daeia p. 758).
Wenn die Odrysen assen und tranken, durfte dabei der
auX6; nicht fehlen; zuletzt schmetterten die Trompeten, und Alles
sprang auf zum Waffentanze. Xenophon schliesst seine Schilde-
rung des Mahles bei Seuthes mit den Worten: ,Hierauf traten
Leute ein, die aus Hörnern und Trompeten nach dem Takte
und gleichsam in der Oktave bliesen; Seuthes stand auf, stiess
einen Kriegsruf aus und machte sehr behend einen Luft-
sprung.^ Andernorts (An. VI 1, 5) schildert er den thrakischen
Waffentanz (s. d. Gl. xaXaßpta|x6^): ,Die Thraken fUhrten zur
Flöte den Tanz auf, wobei sie mit Leichtigkeit hohe Sprünge
machten und ihre Schwerter schwangen und gegen einander
zückten; zuletzt hieb einer auf den anderen los, der Getroffene
fiel zum Scheine um, der Sieger zog ihm die Rüstung ab und
gieng den Sitalkas singend davon, während der Getroffene fort-
getragen wurde.' Nicht immer verliefen solche Erlustigungen
unblutig: so war bei einem Kampfspielc ein scharfgeschliffenes
Breitschwert aufgestellt, das denjenigen sofort tödtlich verletzte,
der beim Luftsprunge das Ziel verfehlte — und die Anderen
lachten ob seines tödtlichen Falles (Seleucus ap. Athen. IV
p. 155, e)! Die Odrysen konnten ein Gelage nicht schöner ab-
schliessen, als dass sie zuletzt über einander herfielen und sich
selbst wie die Anderen im Rausche zerfleischten (Amm. Marc.
XXVn 4, 9). Ueberhaupt hatte das Leben des Einzelnen in
Thrake geringen Werth; grausam waren die Spiele, lebens-
geftlhrlich die Leibesübungen — man wird förmlich an die Blut-
abzapfungen der Indianer gemahnt, die uns Catlin in seinen
Aquarellen so drastisch hingeworfen hat, — grausam und
summarisch die Rechtspflege: ohnewciters und schonungslos
stiess z. B. Seuthes die ihm vorgeführten Gefangenen mit dem
Wurfspiesse nieder. Henkersknechte wurden mit Vorliebe aus
Thraken gewählt; noch in christlichen Legenden spielt der
Mucapor ständig seine Rolle als Schlächter. Ein solches Volk
war wie geschaffen zu blutigem Zweikampf in der Arena; der
Threx, mit allen Mitteln der Disciplin für das Gladiatorenhand-
werk abgerichtet, bot in seinem Blute schwimmend Neronen
und Messalinen ein ergötzliches Schauspiel.
Die altoD Thraker. I. 125
Daneben fehlte es nicht an edleren Regungen; auch dem
Thraken war die sänftigende Wirkung der Musik nicht unbe-
kannt. Wenn die Geten um Frieden baten, so zogen ihre
Priester in weissen Gewanden unter Cither- und Flötenspiel
heran. Wenn freilich schon bei Homer der Kitharöde Thamyris
um die Pahne des Sieges ringt, so ist zu beachten, dass dieser
,Thrake' doch eher dem Volke der Edonen oder Brigen ange-
hört hat; auch die apollinische Gestalt des Orpheus war ur-
sprüngUch dem thrakischen Boden fremd; erst seit der Blüthe-
zeit der orphischen Mystik treibt die 0pax(a jjwucjix^ der öpoxto^
vöjAo?, die 0pf|Gaa xiOipa bei Dichtern ihr Wesen. Die An&nge
der musischen Kunst sind von den phrygischen und griechischen
Stämmen ausgegangen, nicht von den rohen Thraken. Eine
Art Opijvo(; wurde dem verstorbenen Thraker unter Flötenbe-
gleitung und mit dem Refrain TopsXX^ nachgesungen, sowie selbst
dem Nadowessen ein solcher Nachruf zutheil ward — das will
nicht viel bedeuten. — Zu einem eigenen Schriftwesen haben
es die Thraken selbstverständlich niemals gebracht; Inschriften
finden sich nur in griechischer und lateinischer Sprache; Münzen
mit griechischer Legende haben zuerst die Edonen und Bisalten
geschlagen. Wie verschieden die Culturstufcn der thrakischen
Stämme gewesen sein mochte, erkennen wir beispielsweise aus
der Notiz des Aristoteles (Problem. XV 3), wonach einer der
Stämme nicht weiter als bis vier gezählt haben soll — so be-
schränkt war dessen Gesichtskreis, so stark von allem Welt-
verkehr abgelenkt! Denn schwerhch wird man annehmen dürfen,
dass es richtiger heissen sollte ,bis vierhundert^, entsprechend
dem Vigesimalsystem, dessen Endzahl 20mal 20 lautet; dem
indogermanischen Sprachgebiete war diese Zählmethode fremd.
Bemerkt sei noch, dass die Opf^acjat aaviSe;, worauf Orpheus Heil-
mittel verzeichnet hatte (Eurip. Ale. 967), Erfindung der Or-
phiker sind. Ihre Gesetzbücher haben Geten und Daken in
(Jesangsform mündlich überliefert, wie die gallischen Druiden.
Bei den Thraken war den Jungfrauen, denen offenbar
Gelegenheit geboten war, sich mehr in der freien Natur herum-
zutummeln, volle Freiheit im Umgange mit der männlichen
Jugend gestattet; die Frauen dagegen, durch ihren Beruf ans
Haus gefesselt, durften die Treue niemals verletzen (Hdt. V 6).
Hatte ein Junggeselle seine Wahl getroffen oder hatten sich
126 IV. Abhaadlaog: Tumaschek.
die Eltern gegenseitig verständigt, so wurde fiir die Braut der
Kaufpreis in Geld und Gut erlegt, und sie gieng dann in das
Eigenthum des Mannes über. So stellte auch Seuthes dem
Xenophon das Anbot: ,Wenn du eine Tochter hast, so will ich
sie dir nach thrakischer Sitte abkaufen und ihr Bisanthe zum
Wohnsitz vermachen/ Bei den meisten Stämmen herrschte
Vielweiberei: je reicher ein Mann war, desto mehr Frauen
konnte er sich kaufen und halten: honoris loco iudicatur multi-
plex matrimonium (Sohn.). HeracUdes Ponticus berichtet: ^ Jeder
heiratet drei, vier und mehr Frauen ; ja es gibt Keiche, welche
bis dreissig Frauen besitzen; diese nehmen die Stellung von
Dienerinnen ein. Wenn der Herr der Keihe nach einer solchen
beiwohnt, so muss sie ihn waschen und auf jede Weise pflegen;
führt sie sich schlecht auf, so wird sie heimgeschickt und vom
Kaufpreis muss dann ein bestimmter Theil zurückgezahlt werden.
Stirbt der Gemahl, so gehen die Frauen, wie jedes andere Gut,
in den Besitz des Erben über.' Humorvoll spricht sich über
die Vielweiberei der gotische Sklave in einem Lustspiel des
Menandcr aus (Strabo VII, p. 21)7): ,Stirbt einer, dessen Weiber-
zahl nur vier beträgt | oder fünf, so heisst er bei uns zu Land
ein armer Wicht, | der ohne Brautlust, ohne Hochzeittanz ver-
schied;^ er lügt hinzu: ,Die Thraken alle, wir jedoch zu aller-
meist, I wir Getcn sind in Sittlichkeit | nicht eben Muster.'
Das war auch bei den Agathyrsen der Fall, bei denen als Folge
der Ucppigkeit die Bande der Ehe locker waren, so dass die
böse Welt von Weibergemeinschaft sprach. Die Sitte der Viel-
weiberei fanden wii* namentlich bei den Stämmen oberhalb
Krcstone, bei Maiden und Sinten (Hdt. V ö).
Die Stellung des Weibes war überall eine untergeordnete.
Im Orient und in allen subtropischen Strichen, wo die Frauen
in Harems eingesperrt sind und wo überdies das Klima sinn-
Uche Verirrungeu befordert, bildet sich das Laster der Knaben-
üebe aus — wir meinen nicht jene ideale Form derselben, wie
sie in Sparta gepflegt wurde, oder jenes poetische Verhältniss,
wie es etwa zwischen Anakreon und dem lakonischen Jüngling
Smerdies bestand — sondern die entartete Form, wie sie in
der südlichen Thrake und bei den Persern bezeugt erscheint;
darauf bezieht sich wohl auch jene Anspielung des Aristophanes
ül)er die Odomantcn, die man gewöhnlich mit der Beschneidung
Die altCQ Tliraker. I. 127
in Zusamineuhang bringt. Die Thraken wurden mit dem Epi-
theton y.a^pü}v-£(; beehrt, d. i. ol 5p[xr|Tiy,a); l/o'^zeq 'izpo^ cuvousiav
(Hesych. vgl. -Aiizpo^ * Tb aiBoTov tou avBpi;). Um so grösserer
Scheu und Verehrung erfreuten sich bei den nördlicheren
Stämmen Asketen, welche Entsagung von allen sinnlichen Lüsten
predigten, wie die Zalmoxispriester und die moesischen xTiorat
und xairvoßiiat. — Bei der grossen Zahl der Weiber und der
sinnlichen Naturanlage der Thraken, sowie bei der leichten
Beschaffung des Lebensunterhaltes infolge der Viehwirthschaft
finden wir es begreiflich, dass sich die thrakische Nation trotz
stärkster Heranziehung zum Kriegsdienst sehr lange forterhielt
und allezeit einen Ueberschuss an Population aufwies; so konnten
die politischen Händler thrakische Burschen und Mädchen nach
Hellas auf den Markt bringen (Hdt. V 6); in Athen wurde die
6parca mit Vorliebe als Dienstmagd und Amme verwendet; die
römische Arena bezog aus Thrakc ihre taugUchsten Kräfte.
Eine solche populationskräftige Nation konnte niemals völlig ver-
schwinden, gerade so, wie sich ihre Tochter, die wlachische
Nation, seit Jahrhunderten einer steigenden Prosperität erfreut:
noch heutzutage steigt in Siebenbürgen die bedürfnisslose
Menschenzahl der Wlachen, während Sachsen und Magyaren
im Status verbleiben.
Die Art und Weise, wie die alten Völker ihre Todten be-
statteten, bildet ein wichtiges Merkmal ihres Daseins; gerade
in dieser Hinsicht m.angelt es sehr an zuverlässigen Nachrichten.
Die Lebensdauer des Thraken war — wenn wir von den römi-
schen Legionären absehen, für welche sich aus den Inschriften
eine mittlere Lebenszeit von nur 28 bis 30 Jahren ergibt —
eine verhältnissmässig lange: nicht nur am Athos linden wir
iwtxpößtot, auch die Landleute in der Rhodope und im Haemus
wurden gewöhnlich sehr alt, dank ihrer einfachen Lebensweise
(Amm. Marc. XX VII 4, 14). — Starb ein thrakischer EdeUng,
80 blieb sein Leichnam durch drei Tage aufgebahrt, während
die Angehörigen allerlei Opferthierc schlachteten; nachdem sie
den Verstorbenen genugsam beweint hatten, hielten sie den
Schmaus ab; darauf bestatteten sie ihn, indem sie den Leich-
nam entweder verbrannten oder auch bloss in der Erde ver-
gruben (xaTa3ca63avT£(; y^, aXXw; yjj xp j'{/avi£;) ; in jedem Falle warfen
sie einen Tumulus auf (yw;^« yM"^'^^^)^ worin entweder die Aschen-
128 IV. Abhandlung: Tomaschek.
urne oder der Leichnam beigesetzt wurde, und zuletzt stellten
sie mannigfaltige Kampfspiele an, wobei sie werthvolle Kampf-
preise für die Zweikämpfer aussetzten. So lautet Herodofs
Bericht (V 8) über die Ta^aC. Beide Arten, Verbrennung des
Leichnams oder dessen einfache Beerdigung, finden wir zu
freier Wahl in den ältesten Veden; auch die dreitägige Auf-
bahrung ist den meisten indogermanischen Stämmen gemein-
sam. Den nach dem Opijvoi; folgenden Leichenschmaus bezeugt
auch Xenophon (Hell. III 2, 5): man sprach hiebei dem Weine
nach Kräften zu, bis zur völligen Trunkenheit.
Aus der entlegensten Epoche der Menschheit hat sich in
die geschichtliche Zeit des thrakischen Volkes der Brauch ver-
erbt, am Grabe des Herrn dessen Lieblingsfrau zu schlachten.
Man könnte die Bewahrung dieses barbarischen Brauches der
Nähe der pon tischen Skythen zuschreiben, bei denen die
Schlachtung der Weiber beim Tode eines Fürsten in üebung
war; vom Nachbarvolke der Skythen, den Geten, berichtet
Theopomp: vojjloi; FsTaiv to l^ria^a^siv Ttjv YwvaXxa tw avSpt. Herodot
(V 5) legt jedoch die Witwenschlachtung gerade den südlichsten
Stämmen am Strymon bei, den Sinteu und Maiden: ,Wenn einer
von ihnen stirbt, so kommen die Frauen und deren Anver-
wandte in ernstlichen Eifer und Streit darüber, welche von
ihnen am meisten von dem Manne geliebt worden sei. Jene,
welche schliesshch den Vorzug vor allen erhält, wird unter
Lobpreisungen der Männer und Frauen von ihren nächsten
Verwandten über dem Grabe des Mannes geschlachtet und
alsdann mitbegraben. Die anderen Frauen aber zeigen grossen
Kummer; denn ihnen ist grosser Schimpf widerfahren.' Mela
dehnt diesen Brauch auf alle Thraken aus; er hat jedoch deutlich
Herodot vor Augen, nur dass er mehr Worte macht. Da sich
diese Sitte auch bei den Ariern am Ganges und selbst bei
einigen alten Völkern Europas vorfand, so werden wir der-
selben ein hohes Alter beimessen müssen. — Die Anschauung
der Trausen über Geburt und Tod haben wir bereits kennen
gelernt und zugleich bemerkt, dass dieselbe nur von der nie-
drigen geistigen und ökonomischen Stellung dieses Volkes Zeug-
niss gibt.
Der edelgeborenc Thraker war bereit, wenn Alles fehl
schlug, muthig dem Tode ins Auge zu blicken; selbst stürzten
Die alten Thraker. I. 129
sich in ihre Schwerter die Häupter der Odryscn, Koilaleten
und Dier, die Vertheidiger der nationalen Selbständigkeit wider
die Römer; ebenso schloss Dekebalos sein thatenreiches Leben;
die dakischen Edelinge sehen wir auf der Trajanssäule um
den Kessel sitzen und einen nach dem andern den Giftbecher
leeren; bei Geten und Daken mochte der Glaube an die Un-
sterblichkeit des Individuums diesen letzten Schritt erleichtern.
Die Alten wollten überhaupt in der Psyche des Thraken Todes-
verachtung und den Hang zum Selbstmord erkennen : £Tot|x6T6pov
Övi^/Txouai (Eust. ad Dion. per. 304); Thracibus barbaris inest
contemptus vitae et ex quadam naturalis sapientiae disciplina
concordant omnes ad interitum voluntarium (Solin.); habent
appetitum maximum mortis (Mart. Cap.). Dieser Hang wurde
jedenfalls durch die grausamen Spiele und die ständigen
Kaufereien gefördert; der Thrake war gewöhnt, bei jeder Ge-
legenheit Blut zu vergiessen. Schon Thucydides sagt von den
Diem, einem sonst geachteten Stamme: sie stehen keinem
Barbarenvolke an Mordgier nach. Die Grausamkeit der da-
kischen Weiber hat die Trajanssäule verewigt. — Sonst wird
den Thraken der Hang zu Meineid und Treubruch zuge-
schrieben; die 6pax{a icapeupeci; war zum Sprichwort geworden,
und seit Menander galt der Satz: öpofxe;; 5p>tta oux exiatovrat.
In gleichem Rufe standen im Mittelalter die Pinduswlachen.
So finden wir im Wesen des thrakischen Volkes, wie bei allen
halbbarbarischen Völkern, Erhabenes und minder Gutes ver-
einigt; die Triebfedern zu Allem hat aber die Natur gegeben;
nur die fortschreitende Civilisation vermag die Naturwüchsigkeit
zu mildem und auf gute Bahnen zu lenken.
Die Psyche eines Volkes lernen wir übrigens am besten
aus dessen Sagengebilden und aus der Sprache kennen; über
diese Dinge wird der folgende Theil handeln.
Sitningsber. d. phil.-hist. Cl. CXXYin. Bd. 4. Abh. 9
130 IV. Abhandlung: Tomaschek. Die alten Thraker. I.
Inhalt.
Seite
Eiuleitung 1 — 12
I. Die paionisch-dardaniBohe Gruppe 13 — 27
Tenkrernnd Mysen S. 13. Pelag^nen S. 17. Paionen S. 18.
Agrianen S. 21. Dardaner S. 23—26. Veneter S. 26.
II. Die phrygisoh-mysische Gruppe 27 — 52
1. Phrygen oder Brigen S. 27—33.
Edoniscbe Stämme S. 33—39. Mygdoneu S. 33—35 (Be-
bryker und Dolionen 8. 35), Krestonen und Krusaier
S. 85. Sithonen S. 37. Edonen 8. 37—39.
Odomanten 8. 39. Bistonen 8. 40. Xanthier 8. 41. Ki-
konen 8. 42. 8a¥er 8. 43. Siutier 8. 44. Paiten und
Apsinthier 8. 45.
2. Mysen und Moesen 8. 47. Artakier, Kebrenier und 8kaXer
8. 50-52.
III. Die thrakischen Völkerstamme 53—111
a) Die südlicbe Gruppe S. 53—92.
Treren 8. 53. Trallen 8. 56.
8try monier oder Maidobitbynen 8. 58—68. Bisalten S. 68.
8inten 8. 59. Maiden 8. Cl. Denseleten 8. 62. Bi-
tbynen und Tbynen 8. 62—67. Dolongken 8. 67.
8atren 8. 68. Dier 8. 71. Diobessen 8. 72. Bessen
8. 72—80. 8apaier 8. 69. Korpilen 8. 69. Trausen
8. 70.
Odrysen 8. 80. Bennen, Rainen, Asten 8. 83. Samaier,
Koilaleten, 8ialeten 8. 85. Namen auf -geri 8. 87.
Triballen 8. 87. (keltische Intrusionen, Reich von Tylis
8. 90).
b) Die nördliche oder getisch-dakische Gruppe 8. 92 — 111.
Geten, Terizen, Krobyzen 8. 92 — 98.
Agathyrsen und Trausen 8. 99. Daken 8. 101. Dakische
Bergstämme, 8aboken, Bessen, Kostoboken, Karpodaken
8. 106—111.
IV. Allg^emeines über die Thraken 111—129
Culturunterschiede 8. 112. Leiblicher Typus 8.115. Täto-
wierung 8. 116. Kleidung und Bewaffnung 8. 118. Be-
hausung 8. 120. Nahrung und Getränke 8. 121. Waffen-
tänze und Spiele S. 124. Musik 8. 125. Schriftwesen
8. 125. Sittlichkeit und Ehe 8. 125. Todtenbestattung
8. 127. Witwenschlachtung 8. 128. Todesverachtung
8. 129.
Y. AbhftDdlang: Zingerle. Zoi vierten Decade des Livins.
V.
Zur vierten Decade des Livius.
Von
Prof. Dr. Anton Zingerle,
coiresp. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
,j3ei der unsicheren und zum Theil lückenhaften Kennt-
niss, die wir von der handschriftlichen Ueberlieferung der
vierten Decade haben, ist die Texteskritik gerade hier mit
bedeutenden Schwierigkeiten verbunden/ sagt mit Recht H. J.
Müller im Jahresbericht des philologischen Vereines 1891, 166.
Die hier folgende Abhandlung möchte nun einige Partien und
Fragen beleuchten, die mir bei der eingehenden kritischen Be-
handlung der Bücher XXXVI— XXX VIÜ fiir den 6. Theil
meiner Livius -Ausgabe noch immer in der einen oder anderen
Beziehung zu erneuten Versuchen oder Auseinandersetzungen
einzuladen schienen. Der Inhalt ist so trotz der angestrebten
Kürze ^ ein ziemlich mannigfaltiger geworden, da bei der Be-
sprechung einzelner, bis zum heutigen Tage recht zweifel-
hafter Stellen natürlich auch die von bewährten Forschern
zwar fleissig gepflegten, aber dennoch nicht überall abge-
schlossenen Untersuchungen über Detailverhältnisse der zum
Theile verlorenen Handschriften hie und da wiederholten Er-
wägungen zu unterziehen waren und die durch die Güte des
Herrn Director Dr. H. J. Müller in BerUn mir zur Verfügung
gestellte Collation des Bambergensis im Vereine mit genauer
Prüfung der alten Ausgaben und Durcharbeitung der Drakeu-
borch'schen Fundgruben bis zur Verfolgung paläographischer
Veraehen herab manchmal, wie ich hoffen möchte, wohl noch
beachtenswerthe Ausbeute bot. Auch fiir Sprachgebrauch und
für Parallelstellen ergab sich in Punkten, wofür Fügner's ver-
Sitsnngvber. d. phil.-hist. Cl. CXXVIII. Bd. 5. Abb. 1
2 V. Abhandlangr : Zingerle.
dienstvolles Buch noch nicht vorliegt, gelegentlich im Rahmen
einer Begründung aus meinen Sammlungen einige Vermehrung
des Materials.
Bei der Eintheilung glaubte ich nun aber nach reiflicher
Ueberlegung am besten so vorgehen zu sollen, dass ich zu-
nächst die Erörterungen über einzelne Stellen, die mir in erster
Linie bcachtenswcrth schienen und für die ich darum mehr-
fach im Apparat der Ausgabe nach Angabe des kritischen Ma-
terials auf diese Abhandlung verwiesen habe, mit allen mir zu
Gebote stehenden Erfahrungen vorführe, wobei ich jedoch stets
mir wahrscheinliche Verbesserungen von blossen Andeutungen
eines etwa einzuschlagenden neuen Weges schon durch den
Ausdruck schied, und dann erst, nachdem bei solchen Einzel-
untersuchungen Manches auch über die Handschriftenverhält-
nisse erneut zur Sprache gekommen, ein paar zusammen-
fassende Nachträge über Beobachtungen anreihe, die mir auf
diesem schwierigen Gebiete theilweise vielleicht noch zu der
einen oder anderen Ergänzung zu führen scheinen.
I.
XXXVI, 9, 12 revocati (feinde castigationibus prin-
eipum* so wird nun seit Aldus mit Berufung auf den ver-
lorenen M gelesen. Die ältesten Ausgaben bieten castigationef
was durch die cod. rec, darunter Lov. 2, bestätigt wird; B hat
catftigationes. Fehlerhafte Zusetzung oder Auslassung eines
8 im Wortschlusse spielt, wie ich erprobt, in den bekanntlich
so reichen Reihen zufälliger Versehen des cod. B eine besondere
Rolle und scheint im Ursprünge theilweise auf ähnliche alte
Veranlassungen hinzuweisen, wie ich sie für manche Hilarius-
handschriften in den Studien zu Hilar. Pict. S. 32 [898] ange-
deutet.^ So hat z. B. B im § 11 desselben Capitels multis statt
multi] XXXVI, 11, 6 Apollinis st. Apollini*^ 14, 4 maiestatis st.
maie8tati\ 24, 6 Aetolis st. Aetoliy 24, 11 inhellis st. inhelli^
28, 9 condicionis st. condicioni] 35, 11 missis st. miMi; 36, 2
senatus st. senatu (woraus sich das weitere Verderbniss erklärt);
* Für dio Fortdauer vgl. jetzt z. B. auch Paoli, Abkürznng^n in der
lateinischen Schrift des M.-A. § 21 (übersetzt von Lohmeyer 1892).
Zur rierten Decade des Livius. o
37, 4 Cereris st. Cereri; umgekehrt 27, 8 Uli st. illis', 28, 8 quo st.
qtLOSy ipsi st. ipsis*, 44, 1 Polyxenida st. Polyxenidas. Diese zugleich
für die betreflfende Charakteristik der Handschrift nur aus dem
36. Buche ohne Wahl herausgegriffenen Beispiele^ dürften wohl
schon so ziemlich wahrscheinlich machen, dass das obige casti-
gationes in unserer Handschrift auch näherliegend auf ein
Verderbniss aus castigatione , als auf ein sonst freiUch auch
belegbares aus cctstigationibus weist; wenigstens würde man
aber im letzteren Falle hier eher das Versehen castigatianis
erwarten, wie denn B umgekehrt XXXI, 46, 11 wirkUch ein
coHigationis in ca^tigationihus corrumpirt hat. Vgl. auch
Drakenborch zu XXH, 8, 7. Die Stellen, welche ich für den
Gebrauch dieses Wortes bei Livius sonst notirt, scheinen,
wenn Ftigner's Lexikon nicht etwa noch übersehene Nach-
träge liefert, auch für den Singular zu sprechen ; z. B. XXVH,
10, 10 tacita castigatio] 15, 2 cum verhorum tantum castiga-
iioiie'^ XXX, 37, 1 revocatis legatis et cum multa castigatione
perfidiae monitis; XXVIH, 26, 3 ad multitudinem castiga-
tionejn satis esse] XXXI, 46, 11 castigationis regis me-
Tnores'y ebenso fand ich den Singular vorwiegend bei anderen
Schriftstellern, und wenn man in der besprochenen Liviusstelle
den Plural etwa wegen des da folgenden principum für noth-
lirendig oder passender halten wollte, so könnte Curtius Ruf.
X, 2, 13 als bezeichnend entgegengehalten werden: nee aut
praefectorum castigatione aut verecumlia regis deterriti}
Stehen die Sachen so, dann scheint mir der im Grunde wahr-
scheinliche Consens B 4> dem Berichte über M vorzuziehen.
XXXVI, 10, 1 : Intra decimum diem^ quam Pheras venerat j
Kii perfectis Crannonem profectv^ cum toto exercitti primo
adventu cepit — profectus fehlt in B 4> und in den ältesten
Ausgaben, es wurde von den Moguntini aus M beigefügt.
Weissenborn vermuthete in der praefatio der Teubner'schen
Ausgabe p. XVII, dass das Wort ursprünglich hinter perfectis
* XXXVII, 37, 3 liat diis Versehen profectin st. profecti in B* dann zur
Fehlerentwicklung profectus in den meisten Handschriften geführt.
' Vgl. auch Justin. I, 6, 16 hoc represai conti ff atiane in prodium redeunt,
wo die yCastigatio* ebenfalls von einer Mehrzahl, den matres et uxores,
ausging.
1*
4 V. Abhandlung: Zingerle.
stand, wodurch sich auch der Ausfall um so leichter erklären
würde; wie ich aber sehe, hat Livius dasselbe meist der An-
gabe der Begleitung nachgestellt. Vgl. II, 16, 6 infesto
exercitu in agrum Sabinum profecti] 19, 3 magnis copiis pe-
ditum equitumque profecti] 62, 1 cum exercitu in Aequos pro-
feciu9\ IV, 46, 12 novo exercitu profectua*^ VDI, 6, 8 duobuB
scriptis exercitibus per Marsos Paelignosque profecti; 30, 4 exer-
citu instructo paratoque profectus] XXI, 48, 4 tadto agmine
profectus'^ XXIII, 17, 3 cum exercitu omni profectU8\ 40, 3 cum
his equitum pedituinque copiis profectus in agrum hoHium^
XXIV, 30, 1 cum omni exercitu profectus in Leontinos ^ 35, 1
cum tertia fere parte exercitus ad recipiendas urbes profectus'y
35, 8 cum decem milibus peditum^ quingentis equitibu^ nocte
per intermissa ctistodiis loca profectus*^ 41, 6 P. Scipio cum
expeditis dam profectus'^ 41, 9 Cn, Scipio cum legione ex-
pedita profectus] XXV, 25, 12 cum triginta quinqvs navibus
ex poi'tu SyracHiiaiw profectus '^ 27, 2 cum classe profectus
Carthaginem* XXVIII, 7, 16 cum expedito agmine profectus;
8, 8 inde quinqueremibus septsm profectus',^ doch genug der
Beispiele, welche nach meinen Sammlungen die abweichenden
weit ül>ersteigen und schliesslich nur noch die Bemerkung,
dass selbst an der in Rede stehenden Stelle im unmittelbar
Folgenden gleich derselbe Gebrauch wiederkehrt: XXXVI, 10,5
cum tribus milibus peditum Aetolorum et ducentis equitibus in
Perrhaebiam profectus MaUoeam et Cyretias vi cepit. Vgl. auch
XXXVI, 30, 3 inde toto exercitu profectus: 42, 1 cum quinqua-
ginta navibus tectis profectus', 43, 8; 13 u. o. Ich möchte mit
Rücksicht auf Derartiges und auf den Umstand, dass oben § 1
auch Anderes bei wiederholter Leetüre den Verdacht einer
Verstellung des Wortes profectus entweder in M oder in der
Angabe der Moguntini erweckt, vorschlagen: Crantionem cum
toto exercitu profectus primo adventu cepit. Zudem ist der
Ausfall des Wortes in B ^ so bei dem folgenden primo immerhin
auch leichter erklärlich als bei der Lesart der Moguntini.
XXVI, 21, 5 Host man noch immer ad Hydruntum, und
diese Liviusstelle erscheint bei Neue Formenlehre I, 326, Georges
Wortf. S. 327, Georges Lex." I, 2'>69 unter den wenigen
Belesren tur die Nebenform. B stützt aber, wie ich aus der
CoUation orsoho, vielmehr durch sein ad hidrunt^m die von
Zur rierten Decade des Livins.
alten Ausgaben (Camp., Rom. 1472, Parm. 1480) überlieferte
und von Cicero ausnahmslos gebrauchte Form ad Hydruntem,^
XXXVI, 28, 4 wird in neuester Zeit einfach prope dicen-
iem interfatus Romanum gelesen, und Weissenborn bemerkte
dazu: ,das8 Phaeneas gemeint sei, zeigt der Zusammenhangt
Ich mnss gestehen, dass ich hier, je öfter ich die Stelle lese
und alle Umstände überlege, vielmehr mit früheren Heraus-
gebern einschhesslich Bekker^s den Ausfall jenes Namens in B
und dem grössten Theile der 4>-Classe für wahrscheinlich halte.
Dass die Ergänzung des Subjectes consul im vorangehenden § 3,
worauf sich Weissenborn in der praefatio der cd. Teubn. p. XVTII
und in der genannten Anmerkung der Weidmännischen Aus-
gabe berief, denn doch gewiss viel leichter ist als die hier
weiter geforderte des Subjectes Phaeneas, zeigt Jedem ein Ueber-
blick über diese Satzreihe sofort; bekannt ist ferner die häu-
fige Versehenreihe eines Wortausfalles in B, wie uns gerade
früher ein sicheres Beispiel begegnet ist;^ und wie dort das
in B <l> ausgefallene Wort durch eine Notiz aus M angedeutet
war, so findet sich an unserer Stelle eine Andeutung des Aus-
falles in Elrmangelung einer Bemerkung über M wenigstens in
zwei Vertretern der 4>-Classe, deren mehrfach beachten swerthe
Verhältnisse wir in dieser Abhandlung wiederholt zu berühren
haben. Der cod. Voss, bietet prope dicentem interfatus Pha-
neos (sie!) Romanorum, Lov. 2 prope dicentem interfatus legatus
Romanorum. Die häufige Corruptel Romanorum statt Romanum,
die sich in der ganzen 4>-Classe findet, konnte vielleicht theil-
weise auch zum Ausfalle von Phaeneas beitragen, erklärt aber
jedesfalls die Entstehung des weiteren Verderbnisses im Lov. 2
leicht; legatus, das vielleicht doch auch schon vor jener Corrum-
pirung des Romanum in 4> hier und dort entweder zur Ergän-
zung des ausgefallenen Phaeneas oder vielleicht einst zur
Erklärung desselben dem Rande beigeschrieben war (vgl. § 1
Phaeneas legationis princeps), wurde dann bei gedankenloser
* XXXVI, 10, 8 alüs nunc vires urhis nequaquam Pheris conferendae me-
muMrantUma, B liest hier phaereU, und das weist zunächst doch auf Phe-
raeis, wie ich es in alten Ausgaben (ed. Parm. 1480, Par. 1510) fand.
Ich sehe darüber bisher nirgends etwas notirt, aber auch kaum einen
ganz zwingenden Grund, diese Herstellung nach B zu verlassen,
» Vgl. oben S. 3.
4 V. Abhandlung: Zingerle.
stand, wodurch sich auch der Ausfall um so leichter erklären
würde; wie ich aber sehe, hat Livius dasselbe meist der An-
gabe der Begleitung nachgestellt. Vgl. II, 16, 6 infesto
exercitu in agrum Sabinum profecti] 19, 3 magnis copiis pe-
ditum equitwnque profecti] 62, 1 cum exercitu in Aequos pro-
fectus] IV, 46, 12 navo exercitu profectus] VTII, 6, 8 du6bu$
scriptis exercitihus per Afarsos Paeligyiosque profecti'^ 30, 4 exer-
citu instructo paratoque profectus' XXI, 48, 4 tacito agmine
profectus] XXIII, 17, 3 cum exercitu omni profectus] 40, 3 cum
his equitum peditumque copiis profectus in agrum hostium^
XXIV, 30, 1 cum omni exercitu profectus in Leontinos ] 35, 1
cum tertia fere parte exercitus ad recipiendas v^rbes profectus]
35, 8 cum decem milibus peditum^ quingentis equitihus nocU
per intermissa custodiis loca profectus'^ 41, 6 P. Scipio cum
eocpeditis dam profectus '^ 41, 9 Cn. Scipio cum legione ex-
pedita profectus 'j XXV, 25, 12 cu77i triginta quinque navibus
ex portu Syraciisano profectus'^ 21 j 2 cum classe profectus
Carthaginem] XXVIII, 7, 16 cum expedito a^ine profectus^
8, 8 hide quinqueremibus Septem profectus ', doch genug der
Beispiele, welche nach meinen Sammlungen die abweichenden
weit übersteigen und schliesslich nur noch die Bemerkung,
dass selbst an der in Rede stehenden Stelle im unmittelbar
Folgenden gleich derselbe Gebrauch wiederkehrt: XXXVI, 10, 5
cum tribus milibus peditum Aetolorum et ducentis equitihus in
Perrhaebiam profectus Malloeam et Cyretias vi cepit. Vgl. auch
XXXVI, 30, 3 inde toto exercitu profectus* 42, 1 cum quinqua-
ginta navibus tectis profectus] 43, 8; 13 u. ö. Ich möchte mit
Rücksicht auf Derartiges und auf den Umstand, dass oben § 1
auch Anderes bei wiederholter Leetüre den Verdacht einer
Verstellung des Wortes profectus entweder in M oder in der
Angabe der Moguntini erweckt, vorschlagen: Crannonem cum
toto exercitu profectus primo adventu cepit. Zudem ist der
Ausfall des Wortes in B ^ so bei dem folgenden primo immerhin
auch leichter erklärlich als bei der Lesart der Moguntini.
XXVI, 21, 5 Hest man noch immer ad Hydruntum, und
diese Liviusstelle erscheint bei Neue Formenlehre I, 326, Georges
Wortf. S. 327, Georges Lex." I, 2869 unter den wenigen
Belegen für die Nebenform. B stützt aber, wie ich aus der
Collatiou ersehe, vielmehr durch sein ad hidruntem die von
Zv Tierten Dccide 4es Lmi
ahen Ausgaben (Camp., Rom. 1472, Parm. 1480) überlieferte
nnd von Cicero aosnahmslos gebrauchte Form ad Hydruntem^
XXXVI, 28, 4 wird in neuester Zeit einfach prope dicen-
tem interfatus Romanum gelesen, und Weissenbom bemerkte
dasa: ,das8 Phaeneas gemeint sei, reigt der Zusammenhang'.
Ich muss gestehen, dass ich hier, je öfter ich die Stelle lese
and alle Umstände überlege, Tielmehr mit früheren Heraus-
gebern einschliesslich Bekker's den Ausfall jenes Namens in B
und dem grössten Theile der <1>-Classe fiir wahrscheinlich halte.
Dass die Ei^nzung des Subjectes consul im vorangehenden § 3,
worauf sich Weissenborn in der praefatio der ed. Teubn. p. XVUI
und in der genannten Anmerkung der Weidmännischen Aus-
gabe berief, denn doch gewiss viel leichter ist als die hier
weiter geforderte des Subjectes Phaeneas^ zeigt Jedem ein Ueber-
blick über diese Satzreihe sofort; bekannt ist femer die häu-
fige Versehenreihe eines Wortausfalles in B, wie uns gerade
früher ein sicheres Beispiel begegnet ist;* und wie dort das
in B <l> ausgefallene Wort durch eine Notiz aus M angedeutet
war, so findet sich an unserer Stelle eine Andeutung des Aus-
falles in Elrmangelung einer Bemerkung über M wenigstens in
zwei Vertretern der ^-Classe, deren mehrfach beachten swerthe
Verhältnisse wir in dieser Abhandlung wiederholt zu berühren
haben. Der cod. Voss, bietet prope dicentem interfatus Pha-
neos (sie!) Romanorumy Lov. 2 prope dicentem interfatus legatus
Romanoram, Die häufige Corruptel Romanorum statt Romanum^
die sich in der ganzen 4>-Classe findet, konnte vielleicht theil-
weise auch zum Ausfalle von Phaeneas beitragen, erklärt aber
jedesfalls die Entstehung des weiteren Verderbnisses im Lov. 2
leicht; legaiuSy das vielleicht doch auch schon vor jener Corrum-
pirung des Romanum in 4> hier und dort entweder zur Ergän-
zung des ausgefallenen Phaeneas oder vielleicht einst zur
Erklärung desselben dem Rande beigeschrieben war (vgl. § 1
Phaeneas legationis princeps), wurde dann bei gedankenloser
* XXXVI, 10, 8 aliU nunc vire» urhi» nequcujuam Pheri» conferendae nie-
morantibu». B liest hier phaereisy und das weist zunächst doch auf Phe-
raeisj wie ich es in alten Ausgaben (ed. Parm. 1480, Par. 1510) fand.
Ich sehe darüber bisher nirgends etwas notirt, aber auch kaum einen
ganz zwingenden Orund, diese Herstellung nach B zu verlassen,
• Vgl. oben S. 3.
6 V. Abbandlang: Zingerle.
Abschreibung dem verdorbenen Romanorum im Texte beigefligt!
Ich möchte aber bei dem sichtlich frühen Ausfalle von PÄa€-
nects^ nach manchen Erfahrungen in diesen Partien auf die
Stellung im Voss, nicht zu grossen Werth legen, auch die bei
den früheren Herausgebern beliebte Stellung des Sigonius prope
dicentem interfatus Romanum Phaeneas nicht zu hoch halten,
sondern im Anschlüsse an die nächst liegenden unverdorbenen
livianischen Stellen (XXXII, 34, 2 orsum ev/m dicere . . . violenter
Phaeneas interfatus '^ XXXVI, 27, 3 qu^s dicere exorsos consul
interfatus) schreiben: prope dicentem Phaeneas interfatus Ro-
manum.
XXXVI, 41, 3 Hannihal magis mirari se
aiehaty quod non iam in Asia essent Romaniy quam, venturos
duhitare; propius esse ex Graecia in Asiam quam ex Italia in
Graeciam traicerey et multo maiorem causam Antiochum quam
Aetolos esse; neque enim mari minus quam terra poliere Ro-
mana arma.
Das handschriftlich einstimmig überlieferte nequ^ enim
(eni) hat bereits J. F. Gronovius mit Recht beanstandet, daftür
aber ein hier recht zweifelhaftes neque etiam vorgeschlagen.
Man hilft jetzt der Stelle nach dem Vorgange der ed. Camp.
meist durch einfache Streichung des enim auf, was ja auch
paläographisch noch begründet werden kann. Denkt man aber
an die bereits von den älteren Kritikern gut hervorgehobene
Dreitheilung der Gründe, so könnte an dieser letzten Stelle
der Gedanke an ein nee denique nicht zu ferne hegen.* Die
vielen Verwirrungen, welche die que respective q; gerade
auch in der Liviusüberlieferung anrichteten, sind bekannt;
sollte hier etwa bei aller sonstigen Leichtigkeit der palAo-
graphischen Erklärung der Ausfall des Buchstabens d Bedenken
erregen, so könnte bemerkt werden, dass derartiges nach ein-
mal angerichteter Verwirrung auch sonst nicht selten ist; ent-
stand ja, um nur ein örtlich recht naheliegendes Beispiel dieser
' Oder sollte Jemand im legattu das Ursprüngliche sehen wollen, welches
Wort allerdings in der Nähe eines interfatu» besonders leicht ausfallen
konnte?
' Ich hatte zuerst iiec denique oder non (nj denique vermuthet; ich theilte
letzteres, da ich dair erstere ilir Livius nicht so belegt hatte, H. J. Müller
mit, der, obwohl selbst für ed. Camp., nee denique für möglich hält.
Zv Tiert«D Decade des Lirint. 7
PjLTtie m citiren, XXXVII, 37, 1 in B aus deinde Rhoeteum
ein de indro & eum\
XXX\TI, 4, 8 möchte ich fast ohne Bedenken necopitiat^m
statt inopinatam vorschlagen. Letzteres ist nur Lesart mehrerer
jüngerer Handschriften und der alten Ausgaben, während B und
die ihm oft besonders nahe stehenden *^- Vertreter Lov. 2 und
Voss, opinatam überliefern. Beachtet man nun einerseits die
Vorliebe des Livius für necopinatuSy die bereits Drakenborch
zu TVy 27, 8 durch Keihen von Beispielen beleuchtet hat, wie
dieselbe auch aus den bisherigen Indices, z. B. bei Emesti-
Blreyssig, sich ergibt, anderseits auch wieder die häufigen Ver-
wirrungen, welche diese beiden Formen in den Manuscripten
selbst bis zur Vereinigung necinopiuatus veranlassten (so z. B.
cod. Voss. XXXVII, 11, 7 und dazu die weiteren Beispiele
Drakenborch's), so liegt es wohl auch an unserer Stelle näher,
das opinatam der besseren Ueberlieferung zu einem necopinatam
zu ergänzen.^
XXX\T[I, 13, 8: Postquam nemo adversug ibnty elasst divisa
pars in salo ad ostium portiis in ancoris stetity pars in terram
milites exposuit, in tos iam inrftntem praedam laU depopulato
agro agentis Androniciis MacedOj qui in praesidio Ephesi tratj
iam moenibus appropinqiiantis eruptioneni fecit Schon Crevier
dachte an Tilgung des ersteren /am, und ihm folgten in neuester
Zeit Madvig und M. Müller; Weissenborn berief sich filr die
nahe Wiederholung dieses Wortes auf XXXVI, 34, 2, zu welcher
Stelle er aber selbst wieder bemerkte: ,doch ist vielleicht das
eine iam unächt^ Im obigen Passus des 37. Buches scheinen
mir die Ueberlieferungsverhältnisse einer zusammenfassenden
Erwähnung werth, da Erscheinungen in B, il und <l> hier viel-
leicht auf eine ziendich früh entstandene Verwirrung hindeuten
könnten. BezügUch des im eos iam scheint Uebereinstimmung
der Ueberlieferung anzunehmen mit Ausnahme des Harl., wel-
cher ind^ eos iam bietet; das zweite iam (vor moenibus) fehlt
in B, dem grösseren Theile der 4> Classe, sowie in den ältesten
Ausgaben, und es wurde erst von Aldus aus M aufgenommen;
' XXXVni, 30, S findet sich allerdings inopinata re, aber dort ist es ein-
stimmig überliefert; andererseits aber vgl. für dieselbe Verbindung 11, 14,6
res necopinata; 111, 3,2 necopinaia etiam re«, XXX VII, 11, 7 inre necopinata.
8 y. Abhandlung: Zingerle.
dagegen haben vier <l>-Codices, darunter der Voss., für dieses
zweite iam ein in (in moenibus). Derartiges könnte auf die
Vermuthung fUhren, dass eine Verwechslung zwischen inde (ifl),
in (vgl. darüber flir Livius z. B. die Sammlung bei Drakenborch
zu X, 20, 6) und dann iam (iö) zu allen diesen Wirrnissen
und Erscheinungen Anlass gab. Ein in eos inde ingeniem
praedam u. s. w. am ersteren Platze würde zudem ähnlichem,
auch sonst bei Livius begegnendem Wortklange entsprechen;
vgl. z. B. V, 17, 1 ingen^ inde haberi captivus vates coepttu]
VI, 6, 8 ingena inde ait onus a populo Romano sibi in-
iungi.
XXXVII, 16, 9: Hiy dum missilibus primo et adversus
paucoa levibtcs excursionibus lacessebatur magis q^iKim conr
serebatv/r pugna cet. Diese Fassung datirt seit der ed. BasiL
1535, M hatte leuibus et excursionibus, B ^ überliefern nur
leuibus, Weissenborn vermuthete in der praef. zur Teubner-
schen Aasgabe p. XIX levibus annis und ftigte in der Weid-
männischen S. 184 dem beibehaltenen Basler Texte die An-
merkung bei: ,levibus excursionibus ist nicht sicher, da excur-
sionibus nur die Mz. Hs. und davor et hat, und wohl parvae
excursion^s, tumultuosae u. ä. sich findet, aber mehr levia cer-
tamina, proelia oder levia per excursiones proelia^. Mir scheint
diese Bemerkung beachtenswerth, und ich denke an die Her-
stellung levis armaturae excursionibus mit Vergleichung der
nahen Stelle XXXVII, 18, 4 excursionibus equitum levisque
armaturae magis lacessebat quam sustinebat hostem] vgl. zur
Sache auch XXXXIIII, 4, 2 et hostes levis ai'matura erai,
promptissimum genus ad lacessendum certamen] XXIII, 26, 7
praemissa igitur levi ai*matura, quae eliceret hostes ad ceHamen,
In B <1> sind in der in Rede stehenden Stelle des 37. Buches
gleich dann nach lacessebatur auch die Worte magis quam con-
serebatur durch aberratio ausgefallen.
XXXVII, 18, 7: Plurimum terroris in Gallorum mercede
conductis qn-attuor milibus erat, hos p au eis admixtis od
pervastandum passim Pergamenum agrum [milites] emisit, Daa
in allen erhaltenen Handschriften überlieferte, nun aber in
den Ausgaben mit Recht eingeklammerte milites hatte schon
Gelenius als fehlerhaft erkannt; ob mit Hilfe einer seiner Hand-
schriften, muss bei seinem diesmaligen Ausdrucke {,redund(it^
Zur rierten Decade des Lirins. v
freilich zweifelhaft bleiben. Am einfachen paucis admixtia (B
mit den meisten Handschriften paucis admixtos) haben aber erst
Neuere Anstoss genommen. Weissenbom erwartete statt paucis
eine genauere Bezeichnung, vielleicht Dahis ; M. Müller bemerkt
praef. p. VI ,nomen gentis aut excidit post paucis aut latet in
paucis.^ Fast möchte man in diesem Zusammenhange die er-
stere Annahme Jf. Müller's für wahrscheinlicher halten, namentlich
wenn man in einer bald folgenden Partie unseres Buches cap.
38, 3 liest niaxima pars Gallograeci erant et Dahae quidam . . . •
intermia^i. Nicht unpassend schiene etwa noch und im Aus-
fall paläographisch nicht schwer zu erklären paucis Syris ad-
mixtis'^ vgl. cap. 40, 12 Syri plerique erant Phrygibus et Lydis
immixti.
XXX Vn, 24, 7: Consurrexere omnes, contemplatique
irepidationem fuganique hostium ac prope una voce omneSy
ut sequerentury exclamaverunt. So lautet die hier überein-
stimmende Ueberlieferung B M; in den Ausgaben wird jetzt
gewöhnlich mit den jüngeren Handschriften das ac gestrichen,
doch machen sich mit Rücksicht auf jene auffallende Ueber-
einstimmung der Hauptvertreter mit Recht noch immer Zweifel
geltend. Weissenborn dachte in der Weidmännischen Ausgabe,
nachdem er die früher in der Teubner' sehen angedeutete Er-
klärung des ac durch Ergänzung eines sunt zu contemplatique
aufgegeben, an einen Ausfall, und auf diesem Wege dürfte nach
manchen Erfahrungen in solchen Fällen wohl am ehesten vor-
zugehen sein. Vielleicht ist (alacrt) ac prope una voce zu
schreiben; vgl. z. B. Liv. VI, 24, 8 et adhortatio in vicem totam
alacH clamore perva^it aciern; XXIV, l(i, 10 ad quam vocem
cum clamor ingeiiti alacritate suhlatus esset; Curt. IX, 4, 23
non alias tarn alacer clamor ah exercitu est redditus iuhentiumj
duceret dis secundis cet. Dieser Ausfall würde sich auch paläo-
graphisch ziemlich leicht erklären.
XXXVII, 34, 6:^ cum turma Fregellana missiim explo-
ratum ad regia castra, effuso ohmam equitatu cum reciperet
tw«, in eo tumultu delapsum ex equo cet. Dies die ge-
wöhnliche Fassung seit Kreyssig, die bei den letzten Worten
* lieber die Stelle im Allgemeinen und über die wahrscheinliche Quelle
vgl. Mommsen, Rom. Forschungen II, 517.
10 V. Abhandlung: Zingerle.
die Wortstellung der Lesart der cod. rec. und ed. vet. (in
eo tumulto delapso equo) beibehielt. M, welcher hier die Her-
stellung erleichterte; bot in eo delapsum tvmiuUu ex equOy
B überliefert nur delapsum equOj zeigt also wie so oft einen
Ausfall. Beachten wir nun aber diese Erscheinungen in den
zwei Hauptvertretern, so muss sich uns wohl die Wortstellung
delapsum in eo tumultu ex equo als die ursprüngliche fast auf-
drängen. Nicht nur wird so der Ausfall in B paläographisch
plausibler, sondern auch die unhaltbar gezwungene Wortstellung
in M durch frühen Ausfall und dann Eindringen eines Rand-
nachtrages an die falsche Stelle des Textes erklärUch — ein
Fall, den ich in den Hilariusstudien so oft in besonders be-
zeichnender Weise nachweisen konnte. Ein Zweifel, den auch
Weissenborn in der Anmerkung andeutet, könnte etwa noch
wegen des ex bestehen, welches durch M allein überUefert ist
Doch scheint, abgesehen von den oben dargestellten Verhält-
nissen, die auch diesen Ausfall in B <P noch unschwer erklären
lassen, der vorwiegende Uvianische Sprachgebi'auch ziemlich
deuthch dafUr zu zeugen. Trotz sonstiger Schwankungen finde
ich in meinen Sammlungen lahi und dessen Composita gerade
in Verbindung mit equus bei Livius mit ex construirt; vgl. II,
6, 9 ea? equis lapsi* X, 36, 4 dslapsi ex equis] XXI, 46, 6 muüia
labentibus ex equis'^ XXV, 34, 11 labentem ex eqiLO] XXVII,
27, 7 prolabentem ex equo] XXXV, 11, 9 labi ex equis (IX,
22, 7 hat H. J. Müller in der 5. Aufl. 1890 nach Indicien man-
cher Handschriften nun auch (ex) equo praecipitaret vermuthet),
XXX VII, 38, 1 wird äd Hyrcanium campum in den
Text zu setzen sein. Hertz bezeichnete Hyrcanium st. Hyr-
canum nur als Conjectur Drakenborch's ; nach Alschefski's CJol-
lation steht aber im cod. B selbst hyrcaniri; in einigen cod. rec.
findet sich hyrcamum und hyrcaneum, was auf dasselbe weist,
und dazu vergleiche man Strab. XIII, 4, 13 xb Tpxaviov r^ilion,
— Nur nebenbei sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass cap.
36, 2 das in neuester Zeit von M. Müller wieder erkannte
und durch den Hvianischen Sprachgebrauch schön begründete
est pollicitus^ bereits bei Aldus begegnet.
* Cf. Liv. ed. Weissenboru — M. Mttller, Pars IV, Fase. I, praef. p. HI;
Fase. II, p. VIII, dazu H. J. Mililer, Jahresber. des Berl. phil. Vereins
Zar Tierteo Decade des LiyioB. 1 1
XXX Vn, 41, 2: Nebula rtuitutina, crescente die levata in
nubeSy ccdigiiiem dedit; umor inde ab austro velut perfudit
omnia. Der neneste Herausgeber, M. Müller, schliesst sich
nach der Bemerkung praef. p. VlLL ,coniecturae propositae non
satisfacinnt^ im Texte an Weissenbom's Lückenzeichen nach
vdut an. Weissenborn neigte sich nämlich in der Weidmann-
schen Ausgabe, in welcher er seine früher in der Teubner' sehen
praef. p. XXI angedeutete Conjectur selbst nicht mehr erwähnt,
sur Annahme, dass nach velut das Verglichene ausgefallen und
vielleicht imber zu ergänzen sei, wofür er die Stellen aus Florus,
Frontin und Aurelius Victor (bei letzterem 53 aber pluvia) an-
ftLhrt. Nachdem hier selbst Madvig auf seine frühere Conjectur
nicht mehr Werth legte und weiter M. Müller auch die Be-
ziehung des velut auf perfudit gewiss mit Recht bestritt, dürfte
diese Ansicht Weissenbom*s den richtigen Punkt in der
Hauptsache getroffen haben. Auch der sonst öfter in dieser
Beschreibung wiederkehrende Gebrauch des velut mit Ver-
gleichungen scheint mir dafür zu sprechen; vgl. z. B. 41, 10
haec velut procella; repente velut effrenati; 43, 9 velut caeci.
Ich habe mir auch bezügliche Stellen griechischer Schriftsteller
zur Ergänzung der bisherigen Sammlungen angesehen und fand
da bei Appian und Zonaras auch die, wie es scheint, in allen
Beschreibungen dieser Schlacht fast stereotype Hervorhebung
der Dunkelheit und Feuchtigkeit. Des späten Zonaras Be-
merkung über den letzteren, uns hier interessirenden Punkt
ähnelt in der allgemeinen Auffassung sichtlich der in nach-
livianischen römischen Schriftstellern kurz sich vorfindenden;^
etwas interessanter für unseren Zweck könnte vielleicht die
Fassung bei Appian Syr. 33 erscheinen: d/XuwSou^ Be xal C^^spac
T^^ TilkipoLq YevopievTf;; ij xe öi|;iq eaßsaro xi;^ e7:i8e(^e<i>; vm xa TO^euixata
'xarzoL apißXuTepa ^/, w? ev ddpi u^pw xal ay.0T£iv(7>. Wenn nicht
Alles täuscht, so standen sich in diesen Beschreibungen, wie
öfter auch sonst, zwei Varianten gegenüber, einerseits der
1888 S. 101, 1891 S. 168 und meine Bern, in der Berl. phil. Wochen-
schrift 1891 S. 1038.
^ Zon. IX, 20 (II, p. 308 Dind.): t^v 8e ro^eCov xai d^v a^EvdovTjaiv ofißpo^
icoXuf &ciYevd(i£vo^ aoÖsv^ iTCoiTjoev; vgl. Flor. II, 8: imbre, qui subito super-
fiuus mira feUcUtUe. Persicos arcus corruperal, Aur. Vict. 53 : cum arcus
hostium pluvia hefjetati fuissent.
12 V. Abhuidlang: Zingerle.
dunkle ; regnerisch-feuchte Tag, anderseits der niederfallende
starke Platzregen.^ In der ersteren Anschauung scheinen sich
aber Livius und Appian, wenn man die Ausdrücke prüft (vgl
z. B. wiederholt uvwr bei Livius mit ev depi u^pw bei Appian)
ziemlich nahe zu stehen. Sollte daraus bei Livius vielleicht
noch auf eine Ergänzung umor inde ab austro velut (jplumalü)
perfudit omnia zu schliessen sein, zumal da selbst Aur. Victor
bei seiner Darstellung wenigstens noch das Wort pluvia er-
halten hat?^ Allerdings kann man pluvialis in den uns aus
dem grossen Werke des Livius erhaltenen Partien nicht nach-
weisen; aber da wir das Wort in der augusteischen Dichter-
sprache, der gegenüber sich bekanntlich Livius nicht immer
ablehnend verhielt, bereits geläufig und öfter in bezeichnenden
Verbindungen treffen (z. B. Verg. Georg. lH, 429 vere madent
vdo terrae ac pluvialibus austris'^ Ov. Met. ViU, 335 pluvicdes
fungi [,durch Regen erzeugt^]), da es anderseits auch bald in
der Prosa, z. B. bei Colum. 11, 13, 9 und hier nicht uninteressant,
durch plumalis dies belegbar ist, könnte die Annahme eines
U7nor ab austro velut pluvialisj namentUch mit gleichzeitiger
Beachtung der Darstellung Appians immerhin nicht gar zu ge-
wagt erscheinen.
XXX VII, 44, 4: legati ab Thyatira et Magnesia ab Si-
pylo ad dedendas urbes venerunt. Obwohl nun diese auch
durch B bestätigte Ueberlieferung in den neuesten Ausgaben
durchweg in den Text gesetzt wurde, kann man sich doch
gewisser Zweifel nie enthalten. Ich brauche hier nicht auf die
bekannten Erklärungsversuche einzugehen und bemerke nur
kurz, dass die von Weissenbom, welcher sich gegenüber Madvig
mehr zur Auffassung des ab Sipylo als einer attributiven Be-
stimmung von Magnesia hinneigt, beigebrachten Beispiele ftlr
eine solche Verbindung bei Livius wenig beweisen, wie denn
der gewissenhafte Gelehrte am Schlüsse seiner Anmerkung
selbst den sonstigen diesbezüglichen Gebrauch des Livius durch
^ Am stärksten hat diesen Standpunkt wolil Frontin zur Geltung gebracht
IV, 7, 30: ciim die ac nocte imhre continuo vexeUum exercitnm ArUiochi
videret, nee hominejt tanttim aut er^w« deficere, verum arcw» quoque madenr
tifrtu nrrvU inhahUe^ factos.
* Vgl. zur Wortbedeutung nun z. B. auch Schmidt, Latein.-griech. Sy-
nonymik S. 233.
Zar rierten Decade des Liyias. 13
Beispiele klarlegt; letzteren wären noch Stellen beizufügen, wie
XXX Vn, 45, 19 Magnesiam ad Maeandrum; 56, 2 Maffnesiam
ad Sipylum;^ XXX VII, 11, 3, wo nur Magnesia am Mäander
gemeint sein kann, zeigt die einstimmige Ueberlieferung Magne-
riam ad Sipylum wenigstens auch noch, wie sehr der gewöhn-
liche Sprachgebrauch immer nachklang. Dennoch würde es
fast unnütz sein, diesen Punkt nochmals zu berühren, wenn
nicht die genauer geprüften paläographischen Verhältnisse des
cod. B und zum Theile auch der <1>-Classe noch einen weiteren
Anhaltspunkt zu bieten schienen. Da zeigte sich, dass Ver-
wechslung von ad und ab auch hier ziemlich ausgedehnt auf-
tritt. Schon zufkllig herausgegriffene Beispiele können dies zur
Genüge beweisen. XXXVI, 14, 6 ad cieria B statt ab Cierio;
19, 1 ab ea castella B statt ad ea ca^tella; 44, 7 ad tHbus
B statt ab tribus; XXX VU, 14, 3 ad hellespanto B statt ab
Hellesponto; 23, 3 ad aspendiis B und zum Theil <I> statt
ab ÄBpendiis; 32, 10 ab rege B <P statt ad regem; 34, 6 ab
regia caMra B statt ad regia castra; 54, 17 ist das in B nach
ab servitio regio folgende fehlerhafte ad sichtlich auch nur
durch dieses Versehen und durch Dittographie zu erklären;
XXXVni, 14, 1 ab tabusian B statt ad Thabusion; 38, 5 uaq;
ab itiga B statt usque ad iuga; 40, 5 ad lysimachiam B statt
ab Lysimachia; 41, 9 adderitarum B statt Abderitarum; was
aber wohl das Interessanteste ist, es findet sich selbst in dem
in Rede stehenden Passus XXXVII, 44, 4 unmittelbar vor dem
verdächtigen Magnesia ab Sipylo in B das Versehen ad tyatira
statt oJ Thyatira! Unter solchen Verhältnissen, wo sprachliche
und paläographische Beobachtungen so auffallend zusammen-
stimmen, kann man doch kaum mehr daran zweifeln, dass das
ah Sipylo sich nur successive in Folge jener Verwechslung
entwickelt hat, wie ich gerade auch solche Beispiele in den
Hilariusstudien^ auffallend belegen konnte (hier: ad sipylü, ab
fipylüy ab sipylo).
^ Diese hier seit der ed. Basil. 1631 natürlich überall aufgenommene Les-
art ist in den Handschriften auch verdorben; mag^nemam & asypüum B,
und so oder magnesiam asipylium die jüngeren Codices, Magnesiam et
Sipylum die alten Ausgaben.
* Vgl. 8. 24 [890], 38 [904] ; für Livius auch die oben citirte Stelle
XXXVII, 32, 10.
14 V. Abhandlang: Zingerle.
XXX VIT, 51, 9: desierant enim victum in Aetolia metuere.
Da jüngst M. Müller in seiner Ausgabe p. IX die Vermuthimg
äusserte, es sei mit Umstellung der Madvig'schen Ergänzung
(regem) zu lesen victum in Aetolia metuere regem^ H. J. Müller
aber im Jahresbericht des philologischen Vereines 1891, S. 169
dieselbe schwer glaublich fand, darf bei den neuangeregten
Zweifeln hier wohl in aller Kürze darauf aufmerksam gemacht
werden, dass die von Madvig Em. L. p. 534 an zweiter Stelle
angedeutete Ergänzung in der Form victum in Aetolia An-
tiochum metuere paläographisch doch am meisten Wahrschein-
lichkeit für sich hat; ich kann dafUr nun auch auf ein treffendes
Beispiel in meinem Bericht über die Innsbrucker Fragment-
blätter der Historia rom. des Paulus (Phil. Abhandl. IV, S. 54)
verweisen, wo das dort sonst überlieferte Antiochu^m durch
Versehen in ähnlicher Weise ausgefallen ist, wie femer auch im
cod. B des Livius an den Stellen XXXVI, 20, 3; XXXVIII,
38, 2.1
XXX Vn, 54, 18: Non^ qiiae in solo modo antiqtw sunt^
Graecae magis urbes suntj quam colonias earum, illinc quan-
dam profectae in Asiam, Am modo hat schon Crevier Anstoss
genommen und es wird nun in den Ausgaben meist einfach
getilgt; paläographisch ist diese Streichung sicher nicht sehr
leicht, da an eine etwaige Entstehung durch Dittographie hier
doch kaum gedacht werden kann. Es würde die Entzifferung
eines Wortes, aus dem jenes modo corrumpirt sein könnte,
jedenfalls ein einfacheres Mittel sein. Bedenken wir nun, wie
wenig weit die uns flir diese Partie des Livianischon Werkes
erhaltene Ueberlieferung hinaufreicht und dass uns das be-
treffende Wort da oft in der Abkürzung md begegnet, wie ich
es auch in den älteren Ausgaben durchweg noch fand, so dürfte
die Entwicklung dieses mö aus einem undeutUch geschriebenen
illo (luo) in einer Vorlage nicht unwahrscheinlich sein: in wh
illo antiquo schiene wohl auch für den Sinn gut zu passen, und
nicht ganz uninteressant ist bei den bekannten Fehlerverhält-
nissen des cod. B auch der Umstand, dass dort das folgende
* Da an diesen beiden Stellen regitt Antiochiy resp. regi Antiocho gelesen
wird und ähnlich auch sonflt öfter (z. B. XXXVIII, 58, 8 cum AnUocho
rege), so läjje aufh an der unserig-en Ajitiocktim regeni nicht ferne.
Zur Ticrten Dccade des Livioa. 15
illinc mit leer stehendem Räume ausgelassen ist, was naeh
manchen Erfahrungen auf eine alte Verwirrung an dieser Stelle
zu weisen scheint.
XXXVn, 56, 2: Lycaoniam omnem et Phrygiam utramque
et Mysiam^ regia 8 Silvas y et Lydiae loniaeque cet. So die
Handschriften, nur mit der Abweichung, dass Mysiam blos
durch M nach ed. Mogunt. belegt ist, während die anderen
Codices Mysias {mi»ias B) oder Myssias bieten. Die mehr-
fachen Bedenken gegen diesen Wortlaut haben Madvig Em. L.
S. 535ff. und Weissenborn im achten Bande der Weidmännischen
Ausgabe S. 258 auseinandergesetzt mit Benützung der bereits
von Drakenborch verglichenen Stelle XXX VDI, 39, 15: Phry-
giarti utramque et Mysianiy quam Piiisia rex ademerat^
et restituerunt et Lycaoniam et Milyada et Lydiam cet. An
dem auf dieser Vergleichung beruhenden Herstellungsversuche
Madvig's an unserer Stelle des 37. Buches: et Mysiam regiam
et Milyas et Lydiae est. muss der richtige Blick bezüglich des
et Milyas wohl so ziemlich einleuchten; Anstoss erregen kann
regiamy wie nach Harant Em. S. 190 auch M. Müller in der
praefatio seiner Ausgabe S. X wieder betonte. Weissenborn
1. c. dachte zweifelnd an Mysiam regi ademptam^ M. Müller,
welcher an einer solchen Stelle die Nothwendigkeit stärkerer
Heilmittel hervorhebt, schrieb dieselbe im möglichst engen An-
schlüsse an die genannte des 38. Buches so: et Mysiam, quam
Prusia rex ademerat, restituit regi et Milyas et Lydiam cet.
Dagegen bemerkt H. J. Müller, Jahresbericht des Berliner
philologischen Vereines 1891, S. 169: ,Ganz unsicher^ Wenn
an einer solchen Stelle auch weitere Versuche wenig lohnend
scheinen, wird die Mittheiluug eines Gedankens, der vielleicht
wenigstens auf einen noch möglichen Weg hinweisen könnte,
immerhin auf Nachsicht rechnen dürfen. Unter den geltend
gemachten Zweifeln ragt immer besonders der hervor, dass zu
Mysiam auch hier eine nähere Bestimmung erwartet werde;
schon Drakenborch berührte leise diesen Punkt mit den Worten:
,non dubito, quin indicetur, quae vulgo Mysia minor vocatur;
haec enim Straboni XII, 571 ouveyr;; tt^ Biöuvia dicitur.* Und
Bekker berief sich in der Anmerkung seiner Ausgabe auf diese
Aeusserung, welche, wenn man Alles beachtet, der Bestimmung
im 38. Buche quam Prusia rex ademerat etwa doch am nächsten
16 V* Abhuidlnog: Zingerle.
liegen könute.^ Und sollte dann an dieser sichtlich schwer
verderbten Stelle vielleicht noch an eine Entstellung eines geo-
graphischen Namens, etwa des in jener Gegend eine Rolle
spielenden Flussnamens Rhyndacus^ zu denken sein? Jeder
Erfahrene weiss, wozu Corrumpirung von Namen und nament-
lich geographischen in Handschriften allmäUg flLhrte, und
Herausgebern kommen solche Beispiele bei Eintragung des
kritischen Apparates besonders oft vor Augen.* Darnach könnte
' auch noch eine ähnHchc Herstellung, wie et Mysiam ad Rhyn^
dacum sitam et Milyas et Lydiae cet, nicht undenkbar scheinen.
War aus mysiäad einmal das gewöhnlich überlieferte mysieu
entstanden, so lag in solchen Dingen im Folgenden weitere
Corrumpirung nicht zu ferne, et MilyaSy das Madvig in den
Schriftzeichen siluas zu sehen glaubte, könnte ja ebenso vor
et Lydiae ausgefallen sein.
XXXVn, 58, 8 schreibt jetzt M. MüUer ab Ultimi»
Or lentis ßnihuSy welche Lesart aber nicht auf codd. dett. und
Gronovius zurückzuführen, sondern als Conjectur Weissenbom'ß
zu bezeichnen war. Ich möchte an dieser vielbesprochenen
Stelle* bei Beachtung der Schriftzeichen B ab ultimis otnentii
in und der allerdings nach Gelenius nur unsicher vermutheten
Lesart M ab ultimis orientis Heber noch an die Herstellung ab
ultimis Orientis t er mini 8 denken, wie wir in der verhältniss-
mässig nahen Partie XXXV, 48, 8 wirkUch auf Grund ein-
^ Vgl. auch Madvig I. c. 8. 535. Bei Polybios 21, 4S wird jetzt bekannt-
licli auch die einst schon von Drakenborch angedeutete Einsetzung des
Namens üpoudCa^ für Conjecturen verwerthet. Vgl. Hultsch IV, p. 1086.
* Vgl. z. B. Kiepert, Lehrbach der alt. Googr. S. 106 oder Forbiger in
Pauly's K. E. V, 307 («Mysia minor, wozu auch die von Strabo er^
wähnten Landschaften Morena und Abrettena am Fusse des Olympiu
und längs des Khyndacus, also an der Grenze Bithyniens, zu rechnen
sind'). Zur nahen Zusammenstellung des Rhyndacus und des Myser-
landes vgl. Apollon, Rhod. I, 1164; Plinius, N. H. V, 32, 40 nennt ihn
,Asiani Bithyniamque disterminans\
' Ein derartiges Beispiel haben wir schon oben S. 7 gelegentlich ge-
troffen (de indro & cum st. deinde RhoeteumJ; vgl. auch XX2CVIII, 12, 9,
wo das erst dur^h ed. Bas. hergestellte ad Hieran Oomen in M ad phi-
leram conicn lautete, in B coviejien, im Voss, ad aynienaes , im Lov. 3
ad canuniern, im Lov. 6 ad eunieneni u. dgl.
* Vgl. auch meine Bemerkungen in der Berl. philolog. Wochennchrift 1891»
S. 1Ü39.
Zar TiertoD Deoade des LiTius. 17
stiinmiger Ueberlieferung lesen: quamquam ab ultimis Orientis
terminis ad liberandam Graeciam oeniat
XXXVin, 7, 13 inde non solum magna vis fumi sed
acrior etiam foedo quodam odore ex adusta pluma cum totum
cuniculum complesset cet. Die Aufrechthaltang des odore gegen-
über dem bestechenden, von Hertz und Weissenborn bevorzugten
nidore der ed. vet. scheint doch ein paar Worte der Begründung
sa fordern. Die handschriftliche Ueberlieferung weist deutlich
auf odore: in B ist quodam odore aus quodam modore corrigirt,
wobei die Entstehung des getilgten m aus fehlerhafter Wieder-
holung des Schlussbuchstabens des vorhergehenden Wortes —
ein in B auch häufiges Versehen — Jedem klar sein muss; die
meisten Vertreter der «l^-Classe, darunter Lov. 2, geben quodam
odorcy wenige (Voss.) qv^dam more, was neben dem Fehler
jener Dittographie eben auch noch den einer ebenso geläufigen
Silbenauslassung ^ involvirt und so gewiss eher aus odore als
aus nidore verdorben ist. Aber auch die Verbindung mit foedu^
scheint mehr ftir ersteres Wort zu sprechen. Vgl. z. B. Cic.
d. n, d. n, 50, 127 insectantis odoris intolerabili foeditate;
Sali. Cat. 55, 4 sed incultu, tenebrisj odore foeda . . eius fades
est; auch in ähnlichen Verbindungen findet man odor häufiger
als nidor, vgl. Caes. b. c. III, 49, 3 odore taetro^ ex multi-
iudine cadaverum; Verg. Georg. IV, 49 odor caeni gravis;
Petron. 117 Buch, et strepitu obsceno simul atque odore viam
impUhai. u. dgl. Hält man alles Derartige zusammen, so kann
die bei Drakenborch ftir das nidore der alten Ausgaben haupt-
sächlich ins Feld geführte Stelle Verg. Aen. XH, 300 (olU ingens
barba relvacit Nidoremque ambusta dedit) mit der aus Colum.
de r. r. VI, 18 gegenüber der Ueberlieferung an der unserigen
doch nicht als ausschlaggebend betrachtet werden. Das in
einigen Vertretern der «l^-Gruppe schliesslich überlieferte ad-
implesset (adimplesstt Voss.) statt complesset könnte möglicher-
weise den Gedanken an ein ursprüngliches implesset (iplesset
statt cplesset)^ wecken, wie wir dies Wort auch in ähnlicher
^ Vgl. s. B. auch meine ililariiisstudien S. 31 [897]. Im cod. B des Liv.
finden wir in der nächsten Nähe XXXVIII, IG, G trahendo st. tracehendo,
* Diese Verbindung ist bekanntlich auch aus Lucrez so wohl belegt.
* Die Zugabe des ad in diesen Handschriften würde sich durch ein aus
dem vorhergehenden adusta entwickeltes Versehen erklären lassen.
SttnufBber. d. phii.-hist. Cl. CXXVIII. Bd. 5. Alth. 2
18 V. Abhaadlirag: Zingerle.
Verbindung bei Petronius getroffen, doeh dllrfte Derartiges erst
nach der ganz vollständigen Sammlung über den Gebrauch
beider Composita bei Livius im Lexikon Flign. eventuell in
Betracht gezogen werden.
XXX VUI, 13, 9: parva disceptatio de Attali auxiliaribu$
orta est, quod Roviano tantum militi pactum Antiochum ut
daretur frunientum Seleucus dicehat; discuBsa ea quoque €9t
constantia coiisulis y qui misso tribuno edixit cet Das alte
Bedenken Crevier's bezüglich des quoqvs an dieser Stelle (,ei
hie locus non est, cum de nulla aUa disceptatione superius
mentio facta sit^) fand auch Weissenborn in seinem Commentar
der Erwähnung werth, obwohl er das Wort durch Hinweis auf
zwei Stellen, wo dasselbe sich auch nur auf etwas Qedachtes,
nicht bestimmt Ausgesprochenes beziehe, noch zu retten suchte.
Bei näherem Nachsehen stehen aber jene Stellen mit der
unserigcn doch wohl nicht auf ganz gleicher Linie, wie dies
gut auch durch die nunmehrige Fassung des Commentars
Weissenborn — H. J. Müller' zu II, 22, 4 beleuchtet wird.*
In unserem Falle handelt es sich eben nicht blos um die
freiere Stellung des Wortes oder um Beziehung auf eine ent-
ferntere, resp. allgemeine Andeutung, sondern um die einmalige
Erwähnung einer disceptatio, von der dann gleich gesagt werden
soll disciissa ea quoque est. Das Bedenken dürfte darum
immerhin hier und dort von Neuem auftauchen, aber statt der
etwas gewaltsamen Streichung von quoque könnte dann vielleicht
die nicht zu schwere Acnderung in utique vorgeschlagen werden.
Letzteres Wort ist bei Livius ohnehin in mehrfachen Nüanci*
rungen bekanntlich sehr beliebt. Bezüglich der Partien, wo es
auch schon in die Bedeutung ,zumaP, wie der Ausdruck bei
Fabri — Hcerwagcn deutsch wiedergegeben ist, oder in die von
praesertim, wie Kreyssig mit lateinischen Commentaren parar
phnisirte, hinüberspielt, genügt es hier, auf die Sammlungen
bei Fabri — Ilecrwagen zu XXI, 54, 9 und bei Kreyssig im
Index zu verweisen. Allerdings wird das Lexikon in einzelnen
^ ,quoqti€ reiht au das bellum parare das legatos dimiUere, als wenn L.
oline leyalo« goMigt hätte: mUtunt quoqiie, qui itoUieitenV'. Weissenborn
oiiiHt: jquot/ue kauii auf das durch die neuen Rüstungen gegebene Bei-
spiel bezogen werden, oder es gehOrt zu Latiuniy wie bei L. qwtque bis-
weilen freier gestellt wird'.
Zur Tierten Deeade de» Lirins. 19
üebergängen, die sich auch dem fleissigen Beobachter bisher
schon mehr und mehr nach den verschiedenen Satzformen auf-
drängen mussten, genauer zu unterscheiden haben, aber die
Sache an sich steht fest und Stellen, wie z. B. XXII, 7,11 oder
XXXXn, 19, 7 könnten jedes Falls auch fllr die unserige heran-
gezogen werden.^
XXXVIII, 37, 11 dato tempore ad eam diem praesidio
decessum est. So wird nun stets nach der ed. Basil. 1535
gelesen. B 4> bieten einmüthig decessit praesidio et, beztigHch
M haben wir die Notiz der Mogunt. praesidio decessum ^ von
der wir nicht wissen, ob sie genau und vollständig ist. Ich
möchte nach meinen wiederholt auch in der Ausgabe der
Bücher 31 — 35, namentlich für solche Fälle, entwickelten Grund-
sätzen lieber im möglichsten Anschlüsse an die Schriftzeichen
B ^ decessfi praesidio est herstellen. Vgl. z. B. auch IV, 29, 5
deeesserit praesidio; XXXVI, 14, 4 decedenti praesidio,^
XXXVin, 58, 8 L. Sdpionem con-
sulem et ab senatu dignum visum^ cui extra sortem Asia pro-
vincia et bellum cum Antiocho rege decerneretury et a fratre, cui
cet. Der überlieferte Ausdruck msum wurde in solcher Ver-
bindung von Weissenborn wiederholt und auch von Madvig
bezweifelt; M. Müller stellte jüngst daftlr habitum in den Text
mit der Bemerkung in der praefatio crit. p. XV: ^habitum dedi
ex incerta coni. Weiss, et Madv. Codd. visum, quod ferri
nequit^ In Weissenbom's Commentar der Weidmännischen
Ausgabe liest man: ,Man erwartet habitum^ iudicatum oder ein
ähnliches Wort^ Vom paläographischcn Standpunkte läge
wohl noch am nächsten ductum. In Folge Ausfalles des d nach
dem vorhergehenden dignum — ein in unserer Ueberlieferung
öfter notirter Fehler — konnte aus dem übrig gebliebenen
uctum am leichtesten uisum sich entwickeln; sonst dürfte viel-
leicht auch die Verwechslung zwischen uictiis und ductus, uictor
* Vgl. auch die Erklärer zu Curtius Ruf. V, 6, 17.
' XXXVIII, 39, 17 machte ich für das ergänzte rea diese Stellung em-
pfehlen: quia pars eitis citra, pars ultra Taurnni est, res integra ad se-
natum reicüur» Vgl. XX VIT, 25, 2 res integra postea referretur\ XXXIX,
38, 6 rem inlegram r^erri iusserurU und meine Bemerkungen in der
Berl. philolog. Wochenschrift 1891, S. 1038. (Aehnlich XXXIX, 4, 4
discepUUio irUegra] XXX X, 17, 6 causam irUegram u. dgl.)
2*
20 V. Abhandlung: Zingcrle.
und ductal' nicht ganz uninteressant sein, vgl. z. B. Drakenborch
zu Liv. V, 26, 8; VH, 3, 9 und zu Sil IX, 199. Und ducere
findet sich gerade in Zusammenstellungen mit dignuSy idoneui
u. dgl. nicht ungeme; z. B. Liv. XXTTT, 42, 13 qiMSy ut socios
hahei'es, dignos duxisti.
Durch verschiedene Arten der aberratio, Dittographie eder
Haplographie hervorgerufene Versehen finden sich in B über-
haupt recht gerne auch in den hier nächstliegenden Partien,
und es sei gestattet, Einiges von diesem Qesichtspunkte noch
in tibersichtlich knapper Weise vorzuführen, um dann im An-
schlüsse, wenn es sich da auch nicht um neue Conjecturen
handelt, wenigstens die bei ein paar noch immer mehr oder
weniger zweifelhaften Stellen bevorzugte Gestaltung kurz in
rechtfertigen.
XXXVI, 28, 7 et qui adaint aetolorum scire aetolarum B^
während die übrigen Handschriften von der fehlerhaften Wieder
holung frei sind; 34, 0 ist nondum tot B ^ (st. iiondum dwu
M) durch Abirrung wegen des vorhergehenden und folgenden
tot entstanden, und die ältesten Ausgaben suchten dann dieses
Versehen in ihrer Weise zu corrigiren (vgl. darüber meinen
Apparat); XXXVII, 5, 1 in muros ingererent B (st. in mwro$
gererent M 4>) ; 6, 7 perfecta virtutis videhatwr res B, wo virtuti$
aus der vorhergehenden Zeile wiederholt ist; 11, 6 ea; utraque
classe B <^ (st. ex utraque parte M) wieder wegen cUuMe in
der früheren Zeile; 16, 11 navalium remigum turham B (st
remigum turham M <1>) durch das gerade voranstchende navolei
etiam hervorgerufen; 18, 11 agendi de pace esse B ^ (st. agendi
de pace Mogunt.) mit Abirrung auf das vorangehende esse und
essent (auch hier ist auf die Herstellungsversuche einiger O- Ver-
treter zu Beibehaltung des esse nicht zu achten, und es steckt
nichts Weiteres dahinter, wie Weissenborn einst meinte);
20, 2 9; tii biduü B (st. qui hidiium); 20, 2 8tationihu9qu€ B 4>
(st. temporiljHsqtbe M) in Folge des nahen stationes, ^ Es mögen
solche in so kurzen Zwischenräumen sich drängende Beispiele^
wobei ich schon von Anderen besprochene wegliess, genttgen,
^ 23, 3 erklärt, sich die Verstiimmelnng des auf ah AspendiU fol^nden ad
Sidam in iam ß <l> zieinlicli einfach , wenn man sich erinnert, daas ab
AxpendiU auch hier in ad aspendÜM corrumpirt ist; vgl. oben S. 13.
Zur Tierten Decade de» Lirim. 21
um zu zeigen, dass u. A. auch XXXVII, o, 2 im et qiiidem
cibo et quiete B, <^ plerique (st. et tunc cibo et qniete M, et
dbo et quiete Lov. 2) nichts Weiteres zu suchen sein dürfte
als ein Heilungsversuch einer ursprünglichen Abirrung auf
quiete (Weissenbom hatte einst an eine Combination et tunc
quidem cibo et quiete gedacht), oder dass selbst XXXVÜ, 10, 7
das an sich noch haltbare facturum esse B (st. facturum M ^)
doch auch nur aus dem unmittelbar vorhergehenden esset er-
wachsen sei. XXXVn, 6, 2 halte ich es nach ähnlichen Er-
fahrungen nicht für zu gewagt, Weissenborn's nur in der An-
merkung mitgetheilte Conjectur iam enim in sinu Maliaco erat^
in Form einer Parenthese in den Text zu setzen; das venerat
in B <^ ist wohl auch nur unter dem Einflüsse des gerade vor-
anstehenden veniebat entstanden, und im Uebrigen kann auf
diese Weise die Ueberlieferung B (iam enim in sinumaliaco)
vollständig gehalten werden, während die hier immerhin
besonders auffallende Wiederholung verschwindet und Pa-
renthesen solcher Art gerade in diesen Partien so häufig sind
(z. B. gleich im nämUchen Capitel § 3 iam enim magna ex
parte moenibu^ nudata erat; § 7 nihil enim u. s. w.; 13, 5
ita enim placuit; 7, 11 inde enim est dimissus; 14, 4 u) enim
ett primus rogattis sententiam^ oder gar die diesbezügliche
Häufang 21, 7!).
Schliesslich mögen in diesem Zusammenhange noch einige
Lesarten des Lov. 2 beispielshalber übersichtlich vorgeführt
werden, die zur Beurtheilung dieser im Vorhergehenden schon
mehrfach berührten und auch im Folgenden noch heranzu
siehenden Handschrift Beiträge liefern könnten. Zu XXXVHI,
17, 13 bemerkte Madvig Em. L. p. 543: ,vix dubium est, quin
Livios in sua quidque se.de scripserit, non hoc uno loco quid-
quid pro quidque^; bereits Florebellus hatte sich für quidque
ausgesprochen, ihm stimmten dann Sigonius und J. F. Gronovius
bei, und Drakenborch fügte hinzu: ,ita in uno Lov. 2 iuvenil
Wir werden bei solcher Bestätigung durch einen bei genauerer
Beobachtung öfter sich beraerkHch machenden Codex und bei
der ohnehin leichten Verwechslung der beiden Wörter, trotz
* Für die Wortverbindung vgl. ss. B. 18, 10 audivU conmdeni cum fixe.rcitu
iam in Macedonia atm.
Za V. Abhandlung: Zingerle.
dos quicq^d des hier noch vorhandenen B, diese leichtere Her
stellang der schon etwas gewaltsameren , von M. Müller auf-
genommenen Wescnberg's um so eher vorziehen dürfen. Der-
artiges scheint dann nach Erfahrungen verschiedener Art
namentlich auch dort einiger Beachtung würdig, wo B aufhört
(nach XXXVni, 4i\ 4) und über M, S keine näheren Mit-
theilungen der Einzelheiten vorliegen. Wenn z. B. XXXVIII,
47, 6 Lov. 2 mit Lov. 1 und Harl. cepi auf cecidi bietet
statt der Vulgata repi auf oecidi und gleich 49, 11 eeei-
deriint et cepe.runt nach Lov. 2 und der Mehrzahl (mit Aus-
nahme von Lov. 1 und 4) von allen Herausgebern anerkannt
wird, so kann nun wohl auch bezüglich der ersteren SteUe
berechtigter Zweifel entstehen: vgl. auch IV, 61, 7 infra arcem
caen! capfique mHlfi mtniales; XXXVI, 36, 6 exereitumque
eins vevuHf (rnecidif B) B mit den meisten codd., nur Voss,
und Lov. 6 ocnilif^ wozu die Sammlung bei Drakenborch n
vergleichen. XXXVIII, 52, 10 hat Lov. 2 mit Harl. und
Mead. die Wortstellung morbitm cauitae esse; man vergleicbe
damit dieselbe Stellung oben v^ 3 desselben Capitels, wo sie
durch (iclcnius lH?zeugt und von allen neueren Herausgebern
gebilligt ist. XXX VÜI, 08, 6 Lov. 2 mit allen •!>, wie es
scheint, morte ovcubui*<se^ was auch Drakenborch, selbst Bekker
und Hertz noch hielten, während Weissenboni und M. Müller
mit ed. Tarvis. und ein paar Folgenden mortem accubuisse in
den Text setzten: man vergleiche Weissenbom-II. J. Müller s«
I, 7, 7, wo übrigens auch M. Müller morte occuhuit aufnahm
und in der Anmerkung seiner erklän^nden Ausgabe auf XXIX,
18, 6 sich berief. XX XVI IL i^\ 9, wo die neuesten Ausgaben
einschliesslich der M. XlüUer's noch immer a cognatis lesen, hat
nun Fügner im Lexikon Liv. S. 12 richtig ab cognatis notirt;
es ist dies die Lesart des Lov, 2 und der Mehrzahl der <I>- Ver-
treter. Erwähnt wenlen kann nach derlei Erfahrungen Tielleicht
auch noch XXX VUL 4>^, 15 das at pr*» yWicifa*« mea des Lov. 8
^ Düker hatte l>emerkt« dass zu dem sonst überlieferten dn-
fachen />r») uliritatf im#»/i ein .W zu ei^inxen sei, Crevier
und Ussing' setzton davor ein ft ein, Hertz dachte an immo,
M. Müller an die l>«»pjvIoin>ohicbung j*/ pn» ftUritate tantum
* Vpl. daru Mä-Ivii: Em L. p. &o'».
Zar Tiertea Decado des Livios. 2o
mea\ und der Umstand, dass XXXVIII, 49, 9, Lov. 2, Hari.,
Mead. darch ihr in hoc quo casu infeliciter incidit ut allerdings
der Hertz'schen Vermuthung in hoc, quod casu infeliciter in-
cidit, ut günstig wären. ^
IL
Vieles ist Air Aufhellung und Lösung der besonderen
Schwierigkeiten, auf welche Handschriftenforschung und Kritik
bei der vierten Decade des Livius in Folge der bekannten
Verhältnisse und Verluste stossen, in neuerer Zeit geleistet
worden, namentlich durch übersichtliche Untersuchungen, wie
sie Weissenborn, Madvig und Luchs lieferten.
Im Grossen und Ganzen stellt sich trotz mancher Ab-
weichungen im Einzelnen, respective in der Werthschätzung,
das Resultat der zwei Classen heraus, von denen die eine durch
den verlorenen, aber durch mehrseitige Mittheilungen und £x-
cerpte charakterisirten Moguntinus, die andere durch den für
den grösseren Theil erhaltenen Bambergensis und die jüngeren
Codices, sowie durch den zwar auch verschollenen, aber von
Gtelenius benützten Spirensis vortreten werde. Bezüglich des
letzteren hatte Weissenborn bereits in seiner Besprechung der
Kreyssig'schen Ausgabe des 33. Buches in den N. Jahrbüchern
f. Phil. 1840, S. 183 die in vieler Hinsicht wahrscheinliche Ver-
wandtschaft mit dem Bambergensis hervorgehoben; derselbe
Gelehrte betonte dann in den Commentationes Mommsen. 1877,
8. 311 wieder dessen nahe Berührung mit dem Bambergensis
und den jüngeren Handschriften; Madvig in den Emendationes
Liv.* S. 460 charakterisirte ihn als ,Bambcrgensi per omnia
simillimum'; Luchs im Progr. Univ. Erlang. 1890* stellt ihn
auch zu derselben Classe, hält ihn aber den jüngeren Hand-
schriften (<^) näherstehend als dem Bambergensis (B) und ist
der Ansicht, dass Spirensis (8) und <1> nicht aus derselben
Vorlage stammen wie B, wohl aber auf denselben Archetypus
* Für die Verbindung könnte ausser XXX XV, 8, 5 auch das öfter (1,46,5;
XXVI, 28,2; XXVIII, 17, 13) begegnende /orte ita incidU, ut oder (III,
40, 9) fato incidit f ut theil weise verglichen werden.
' De Gelenii codice Liviano Spirensi commentatio.
24 V. Abluuidlaiif : Zingerle.
zurückgehen (8. 12). Trotz dieses wenigstens in der Haupt-
eintheilung der zwei Classen im Wesentlichen übereinstimmenden
Resultates werden sich aber bei immer genauerer Darcharbeitung
des kritischen Apparates aller Bücher der genannten Decade
und namentlich derjenigen, in welchen Gelenius wohl beide
verlorenen Handschriften benützte, in Folge der Vergleichung
seiner, allerdings vielfach recht dunkeln, Angaben mit den
besser controlirbaren Apparaten aus B ^ und theilweise aus M
im Einzelnen unwillkürlich noch manche Zweifel aufdrängen.
Und überschaut man dieselben auf Grund der gemachten No-
tizen unbefangen, so scheint bei aller Achtung vor der von so
erprobten Liviusforschem im Ganzen richtig erkannten Haupt-
eintheilung doch der Gedanke nicht ferne zu liegen, dass man
beim hier allerdings doppelt noth wendigen Streben nach einer
endlichen genaueren wissenschaftlichen Sonderung und bei den
oft so zweifelhaften Angaben über die verlorenen Handschriften
bisweilen in das selbst bei viel günstigeren Verhältnissen an-
derer Autoren wiederholt vorgekommene Verfahren gerathen
kann, etwaige Verbindungslinien zwischen zwei Handschriften-
classen theilweise zu übersehen. Ich gebe zunächst einige hier
und dort aus meinem Apparat herausgegriflFene Beispiele ftlr
doch auch zwischen M und *1> belegbare Berührungen, da hier
das Vergleichungsmaterial mehrfach immerhin hinreichend ge-
sichert ist und daraus dann vielleicht der eine oder andere
Schluss über Einzelheiten in S und über Angaben des Gelenius
(G) sich ergeben könnte.
XXXVI, 6, 4 ist das richtige, zuerst von Aldus aus M
aufgenommene per legatos nach Drakenborch auch Lesart des
Lov. 2 gegenüber dem ad legatos von B, <I^ pl.;* 10, 11 findet
sich das dem M zugeschriebene, in B ^P fehlende metatus längst
vor der Moguntina und Aldina bereits in ältesten Ausgaben;
35, 7 weisen alle •!>- Vertreter selbst noch in orthographischen
Abirrungen auf die Lesart M Eleisy während zum Aetolü B
sich hier nur die alten Ausgaben vor der Mogunt. bekennen;
40, 7 stellte G mit Berufung auf seine ,exemplaria^ spem pro
re ferentes her gegenüber dem durch B und 4> pl. überlieferten
ispem pro re ferentibus'^ mit der obigen Verbesserung des Ge-
^ Ich bozeichue mit 4> pl. kurz die Mehrzahl der Vertreter der «P-CUsse.
Znr Tlert«D Decade des Lirias. 25
lenioSy die man nun meist kurz auch auf jVI allein zurückführt^
berührt sich aber doch ein Glied der ^»-Classe nahe, und zwar
wieder Lov. 2 mit seinem spem praeferenteSy das offenbar nur
aus einem spem p rae^ ferentes weiter leicht verdorben wurde;
XXX Vn, 1, 1, wo B richtig institerunt hat, stimmen mit dem
insigtere des M auch 3 <^ überein (darunter Voss., Gaertn.);
l, 7 coeptum agi est B und ^ pl., coeptum est agi M und 3 <^
(Lov. 2, Harl., Mead. 1); 3, l halten die meisten <1> (darunter
Lov. 2, Voss., Gaertn.) mit M in promncias, nur vier mit B
in provinciamy 33, 3 triflft Lov. 2 in der Wortstellung ut impedi-
menta aegrique consequerentur mit M zusammen ; 49, 5 perdoman-
dosque richtig B und <^ pl., perdomandos M, 3 <1> (darunter
Lov. 2, HarL); XXXVHI, 14, 14 u. 15, 11 Tnedimnum B und ^
pL, modium M, 2 <I> (Harl. und Gaertn.); 16, 14 ahsisterent B
und 4> pl., abstinerent M, 2 ^ (darunter Lov. 3 nicht uninter-
essant zwischen der Zeile!) und die ältesten Ausgaben; 20, 1
oppugnandis richtig M und Lov. 2, expugnandis B, <1> pl. ; 52, 7
tribunum (st. tribunos) M, Lov. 2, Harl. Durch solche Bei-
spiele, die sich leicht mehren Hessen, dürfte der oben berührte
Gedanke an manche Verbindungslinien, die denn doch auch
zwischen M und gewissen Vertretern der 4>-Classe hie und da
noch durchblicken, bestätigt worden sein; reihen wir daran
zwei weitere Erfahrungen, erstens die, dass einerseits Gelenius
selbst wenigstens XXXVI, 22, 8 auch einen Consens von M
und S ausdrücklich betont,* zweitens den Luchs'schen Nach-
weis, dass S zwar zur zweiten Classe (B ^) gehörte, im Ganzen
aber den O näher stand als dem 6,^ so könnte sich aus Allem
zusammen vielleicht nicht allzuschwer ergeben, dass, wie un-
leugbar manche 4>- Vertreter, so wohl auch S öfter doch noch
Verbindungsfkden mit der ersten, d. h. mit der M-Classe,
aufweisen konnte, und dass demnach Gelenius selbst dort, wo
er allgemeine Ausdrücke wie ,exemplaria nostra', ,archetypa*,
* Vgl. über Derartiges meine Hilariusstudien S. 13 [879]. urbae st. urhe
hat unser B XXXVl, 3, 3.
' »Maguntinus et Spirensis Codices aliter habent, hoc modo : a ainu MatiticOf
qu€bß^\ vgl. übrigens über diese Stelle auch Weissenborn, Comment.
Momms. p. 310, Luchs 1. c. p. 3.
' Vgl. auch H. J. Müller, Jahro-sber, dos Berl. phil. Vereins 1801, S. 186.
26 V. Abhandlung : Z i n g e r 1 e.
,vetU8 lectio' u. dgl. gebrauchte, wirklich manchmal^ auch die-
selbe Lesart in M und S gefunden hatte.
Wenn er z. B. XXXVI, 7, 7 für das richtige qui dubitare
gegenüber dem quid (qd B) dubitare auf seine ,archetypa' sich
beruft und mit letzteren auch wieder Lov. 2 und die alten
Ausgaben seit 1482 sich decken, so können wir wohl glauben,
dass hier auch M S dieselbe Uebereinstimmung hatten, dass
also die Lesart in den Apparaten doch nicht einfach mit M zu
bezeichnen sein dürfte. Oder nehmen wir wieder ein zu
Wichtigerem aufsteigendes Beispiel. XXXVI, 35, 7 quia BucLe
gratiae reservari eam Achaei, Elei per se ipsi quam per Ro-
manos maluerunt Achaico contribui concilio^ so Gelenius mit
Berufung auf seine ,exemplaria'; quia suae gratiae resertiari ea
Achaei per se ipsi quam per Romanos maluerunt Achaico con-
tribui concilio <I>, <Ja suore graeciae reseruari eä achaei p malue-
runt achaico contribui consilio B. Beachten wir, wie nahe hier
auch <1> der ersten Lesart stehen, während B mit seinem be-
sonders starken Ausfalle sich allein findet, so können wir
Madvig nur beistimmen, wenn er Em. L. p. 526 ausdrücklich
annimmt, dass die ,exemplaria^ da wirklich auf M S zu beziehen
seien; denn wenn selbst bei Betonung naher Verwandtschaft
zwischen S und 4> doch zugegeben werden muss, dass letztere
im Verlaufe mehrere Fehler entwickelten, so ist es sehr
glaubUch, dass im alten S das leichte Versehen ea, welches ja
auch B nicht hat, und der Ausfall des Elei nach Achaei noch
nicht platzgegriffen hatte. XXXVI, 38, 7 corrigirte Gelenius
wieder mit Hinweis auf seine ,exemplaria' ubi ut; da hier die
^ Freilich wird hier immer genauer ge8ondei*t werden müssen, und bis-
weilen wird allerdings auch die schon öfter aufgestellte Annahme galten,
dass er auch das nur in einem seiner beiden Codices Gefundene mit
einem allgemeinen Ausdrucke empfahl. So wird z. B. XXXVII, 11, 13
,vetus lectio* cum duabiis Coia wohl am ehesten auf S zurückgehen, der
den Fehler copiis B <t> bei der sonst gleichen Wortstellung noch ver-
mieden hatte, während M test. Mogunt. die verschiedene Wortstellung
cum Cois duabua hatte; ähnlich wohl auch XXXYI, 17, 4 UU et ,ex
vetustis codd.S was mit B 4> sich deckt, während M test Mogunt. muUo et
bot; wenn G XXXVllI, 55, 4 Fnrii Äciileonis corrig^rt, so stammt dies
auch wahrscheinlich aus S, da die meisten 4>, darunter Lov. 2, durch
ihr furiacii leonia nach Heilung der falschen Worttrennung auf dasselbe
fuhren, während M test. Mod. Furii CktUeoni» las
Zar rierten Decade des LiTiiu. 27
Mogantini diese Lesart ausdrücklich für M bezeugen^ könnte
es scheinen, es sei sicher an letzteren Codex allein zu denken;
sieht man aber, wie B *l> ubi überliefern, alle ältesten Ausgaben
vor Aldus aber ut, so ergibt sich, dass die auf ubi ut führenden
Verbindungslinien auch ausserhalb M nicht fehlen, S also das
Richtige wohl auch noch haben konnte. XXXVII, 53, 4, wo
ipsi auiem von Gelenius durch ,lege' empfohlen ist, haben wir
nach Drakenborch dieselbe Lesart wahrscheinlich auch in Lov. 2
und Lov. 1 anzunehmen, B und 4> pl. bieten sibi autem, Lov. 6
bezeichnend si autem; überblicken wir diese in ihrer Entstehung
gewiss sehr durchsichtige Mischreihe, so werden wir hier Madvig
weniger beipflichten, wenn er Em. L. p. 444 ipsi autem geradezu
nur auf M zurückführen zu müssen glaubt. Wir haben im Laufe
dieser Abhandlung wiederholt bei verschiedenen Gelegenheiten
den Lov. 2 durch gewisse Erscheinungen hervortreten gesehen,
welche diesem Codex unter den jüngeren eine besondere Auf-
merksamkeit zuwenden und theilweise vielleicht auch zur etwas
besseren Aufhellung mancher Fragen beitragen könnten. Es
ist übrigens nach den bisherigen Auseinandersetzungen kaum
nöthig, noch ausdrücklich hervorzuheben, dass derselbe, wie
wir ihn einerseits hie und da in gewisser auffallenderer Be-
rührung mit richtigen oder unrichtigen Lesarten M getroffen,
anderseits auch mit B das Richtige schützt.^ Nur noch ein
Beispiel. Wenn XXXVU, 51, 9 Madvig Em. L. p. 535 die von
Gelenius fälschlich durch ein ,legendum' bevorzugte Lesart
mctam Aetoliam (statt victurn in Aetolia) dem Cod. M zuweist,
was allerdings nicht unwahrscheinlich ist, so hat derselbe auch
hier 4>-Genossen im Lov. 3 und theilweise im Voss.; Lov. 2
aber stimmt hier im Wahren mit B überein, was wohl auch
in S stand.
Fast möchte man, wenn man alle derartigen Beobachtungen,
die an dieser Stelle, wie gesagt, nur durch mehrere Beispiel-
reihen beleuchtet werden konnten, zusammen überbUckt, zur
Meinung gelangen, dass etwa doch schon ziemlich frühe ge-
wisser gegenseitiger Einfluss der zwei Classen in theilweise
^ Aach Unrichtiges, so z. B. das von Hertz za gewisseuliaft gehaltene in-
dftxU 8t. induit XXXVI, tl, 3, wo sichtlich nur das vorhergehende tra-
duxU einwirkte.
28 ▼• Abbivndlang: Zingerle. Znr Tiert«]i Decftde des Livins.
durchcorrigirten Exemplaren stattfand, und dass auch S viel-
leicht mehrfach solche Spuren zeigte. Durch eine solche kaum
zu gewagte Annahme könnten manche trotz der richtig nach-
gewiesenen Haupteintheilung noch bestehende Schwierigkeiten
und Zweifel im Einzelnen am einfachsten sich lösen, vielleicht
zum Theile auch die über einige Stellen, wo S im 31. und 32.
Buche nicht mit B <t> übereinstimmt. Indem ich schliesslich
den Wunsch nicht unterdrücken kann, es möchte A. Luchs,
der ja auch neue CoUationen jüngerer Codices sich zu besorgen
in der Lage ist, diesen Untersuchungen im ganzen Umfange
der Decade erneute Aufmerksamkeit in solcher Beziehuug
zuwenden, glaube ich es vorderhand auch gerechtfertigt zu
haben, warum ich nun im Apparate des 6. Theiles meiner
Liviusausgabe auch die Lesarten mancher jüngerer Hand-
schriften, namentlich des Lov. 2, nach nochmaliger wohlüber-
legter Durchmusterung der Speicher Drakenborch's öfter na-
mentlich aufführe, als dies in neuerer Zeit sonst geschehen ist.
YI. Abb.: t. Zelstberg. Belgien anter Erzherzog CmtI (1798, 1794).
VI.
Belgien unter der Generalstatthalterschaft
Erzherzog Carls (1793, 1794).
Von
H. B. V. Zeissberg,
wirbl. Hi^liede der kau. Akademie der Wissenschaften.
I. TheU.
I. Traattmansdorff und Metternfch. — Die Brflsseler
Conferenz.
Der Kaiser hatte sieh nach der Katastrophe des Jah-
res 1792 anfangs mit der Absicht getragen, das niederländische
Gouvernement gänzlich aufzulösen, stand jedoch von diesem
Vorhaben nachträglich, als man die Wiedergewinnung Belgiens
ernstlich ins Auge fasste, ab und ermächtigte Metternich, wie
dies auch in den Jahren 1789 und 1790 der Fall gewesen war,
ein Comit^ beizubehalten, dessen Mitgliederzahl sich nach den
vorhandenen Bedürfnissen richten sollte. In dem Masse, in wel-
chem der Feind gezwungen sein würde, die Niederlande zu
räumen, sollte Metternich der Armee mit jenem Comit^ folgen
und letzteres im Verhältnisse zu den sich mehrenden Geschäf-
ten verstärken.
Zugleich wurde Metternich der Entwurf einer Proclama-
tion zugesendet, die, von Coburg unterzeichnet und in einer
grossen Anzahl von Exemplaren gedruckt, allenthalben erst
nach erfolgtem Einmärsche der kaiserlichen Truppen in dem
von dem Feinde occupirten Gebiete veröffentlicht werden sollte.
Man stellte es dem Zufall anheim, inwiefern dies etwa bereits
zuvor geschehe, keineswegs aber sollte Letzteres officiell ver-
Sitznogsber. d. phiL-hist. Ol. CXXVUI. Bd. 6. Abh. 1
2 VI. Abhandlung: v. Zeissberg.
anlasst werden, um nicht das Manifest muthwilliger Behandlung
auszusetzen und dadurch compromittirt zu werden.^
Die Proclamation ' eröffnete vor Allem die Aussicht auf
die Wiederherstellung der von den Franzosen umgestürzten
constitutionellen Rechte und jener Grundsätze, welche, von den
Franzosen angefochten, Jahrhunderte lang den Provinzen zum
Segen gereicht hätten. Dies sei der einzige Zweck aller An-
strengungen jener Armee, welche der Kaiser seinen treuen
Unterthanen zu Hilfe gesendet habe. Er erwarte, dass sie sich
beeilen werden, ihrerseits zu diesem heilsamen Zwecke beizu-
tragen, während diejenigen, welche es wider alles Erwarten
wagen würden, sich diesen Absichten zu widersetzen^ der
vollen Strenge des Gesetzes verfallen sollten.
Es war dies die letzte Weisung, welche Philipp Cobenzl
an Mettemich erliess. In eben diesen Tagen bereitete sich
sein Sturz vor. Am 27. Februar wurde er der Leitung des
niederländischen Departements enthoben und dieses dem Grafen
Trauttmansdorff mit dem Titel eines belgischen Kanzlers über-
tragen,' eine Massregel, die, abgesehen von dem Charakter
der betreffenden Personen, insofeme nicht unzweckmässig war,
als dadurch das belgische Departement aus den Agenden der
Hof- und Staatskanzlei ausschied und eine besondere Ver-
tretung erhielt, welche seiner in Folge der letzten Ereignisse
gesteigerten Bedeutung entsprach.
Cobenzl selbst* behauptet, durch diese Verfügung über-
rascht worden zu sein, während sie nach der Behauptung
Anderer von seiner Seite eifrig bekämpft worden war.* Ec
betrachtete sich ab das Opfer einer Cabale, die von dem Ca-
^ Ph. Cobenzl an Mettemich. Vienne, le 20 fövrier 1793. Orig.
* Vergl. Wiener Zeitung, 1163.
* Ameth v.: Graf Philipp Cobenzl und seine Memoiren (Archiv f. (taterr.
Gesch. LXVU, 43).
* Ph. Cobenzl an Mettemich. Vienne, le 1*' mars 1793. Orig. (abgedruckt
bei Gachard, Analectes II, 105), In einem eigenhändigen vortraulichen
Schreiben vom selben Datum an Mettemich fügt Ph. Cobenzl dieaer
Mittheilung bei: ,V. E. n*aura pas ^t^ peu surpris d*apprendre de mm
lettre d'office de ce jour que c^est la demi^re que j*ai Thonneur de vous
adresser sur les affaires provinciales des Pays-Bas. H n*y a que vingt-
qnatre heures que j*ai eu la mSme surprise.'
^ Araeth, a. a. O. 43.
Belfien tinter der Oeneralstatthaltenchaft Enchcnog Carls (1708, 1794). 3
binetsminister CoUoredo und dem Oberstkämmerer Rosenberg
ausgegangen und die auf die Erhebung TrauttmansdorfiTs und
Thugut's gerichtet gewesen sei, welche beide damals unbe-
schäftigt waren und eine Wiederansteliung im Staatsdienste an-
strebten.* In der That vergingen seit jenem ersten Schlage
nur vier Wochen, und Cobenzl wurde auch seiner Stellung als
Staats- Vicekanzler enthoben, mit der neu geschaffenen Würde
eines Kanzlers der italienischen Provinzen bekleidet, dem Frei-
herm von Thugut aber zunächst als Director des auswärtigen
Amtes die mit demselben verbundenen Geschäfte übertragen.*
Trauttmansdorff war kein Neuling in den niederländischen
Geschäftien. Unter Maria Theresia 1770 in den Staatsdienst ein-
geftlhrt, blickte derselbe auf eine ebenso rasche als glänzende
Beamtenlaufbahn zurück. 1780 wurde er kurböhmischer Ge-
sandter beim Reichstag zu Regensburg, 1783 von Josef II.
gleichzeitig im fränkischen Kreise accreditirt. Während des ,Für-
stenbundes' (1785) wurde er in wichtigen Geschäften nach Mainz,
in den oberrheinischen und in den fränkischen Kreis entsendet,
1787 in schwierigster Zeit trotz seiner Gegenvorstellungen zum
bevollmächtigten Minister der Niederlande ernannt, in welcher
Stellung er sich durch sein Eingehen auf dessen Ideen das Ver-
trauen des Kaisers im höchsten Masse erwarb. Von demselben
ftlr den Posten eines Reichs -Vicekanzlers, ja zum Nachfolger
Kaunitz' ausersehen, wurde er, da sich beides nicht bewerk-
stelligen Hess, durch die Verleihung des goldenen Vliesses aus-
gezeichnet. '
Die Leitung der Niederlande wurde Mettemich und Trautt-
mansdorff zu einer Zeit anvertraut, in der die Lösung der bald
wieder hervortretenden Spannung der inneren Verhältnisse weni-
ger von Persönlichkeiten als von der Entscheidung der äusseren
Frage, von dem Ausgange des Krieges mit Frankreich abhing.
Immerhin war es ftir Belgien kein Glück, dass es fortan von
zwei so verschieden veranlagten Staatsmännern geleitet werden
sollte; jedenfalls war vorauszusehen, dass es der inneren Politik
» Arneth, a. a, O. 164—155.
* Ebenda. 43.
' Nach einer undatirten, durch seine spätere Enthebang von dem Amte
eines Kanzlers der Niederlande veranlassten Eingabe desselben an Kaiser
Frans.
1*
4 VI. AbhAndlang: t. Zelstberf.
auch fernerhin an Festigkeit und Beständigkeit fehlen werde,
da dem Minister, diesem ausgesprochenen Anwalte der ständi-
schen Wünsche, in dem Kanzler eine Persönlichkeit gegenüber-
stand, die bei aller, selbst von Leuten wie Baillet anerkannten
Mässigung ihre Vergangenheit nicht verleugnen konnte. Metter-
nich wurde denn auch durch den Personenwechsel von vorne-
herein auf das Unangenehmste berührt; auf Cobenzl's Mittheilong
erwiderte er: ,Eucre Excellenz bemerken ganz richtige dass der
Wille des Souveräns für mich stets ein Befehl ist und sein wird.
Doch ist es nicht minder gewiss, dass ich äusserst erstaunt war,
als ich von dieser neuen Ordnung der Dinge vernahm,'* Und
in der That gestaltete sich das Verhältniss Mettemich's zu Trautt-
mansdorff binnen kürzester Zeit so unerquicklich, dass es wieder-
holt des unmittelbaren Eingreifens des Kaisers bedurfte, um dem
Federkriege beider ein Ziel zu setzen. Letzterer blieb nicht lange
ein Geheimniss * und wurde von den Ständen gar bald zu ihrem
Vortheile ausgebeutet.
Gleichzeitig mit CobenzFs Entfernung von der Leitung des
niederländischen Departements wurde die Jointe in Wien, die
man wohl als seine Schöpfung bezeichnen darf, und deren Un-
Zweckmässigkeit sich während der kurzen Zeit ihres Bestandes
erwiesen haben mochte, aufgelöst. * Statt dessen wurden in Brüs-
sel selbst die sogenannten Conferenzen eingeführt. In Nachbil-
dung einer Einrichtung nämlich, die der verstorbene Kaiser für
die Lombardie getroflFen hatte, sollte der Generalgouvemeur der
Niederlande sich fortan zur Erledigung der Geschäfte und der
Berichte an den Kaiser nicht blos wie bisher der Beihilfe des be-
vollmächtigten Ministers und des Staatssecretärs, sondern ausser-
dem noch der Mitwirkung zweier eigens hiezu ersehener Räthe
(conseillers assesseurs) bedienen. Während bisher die Angelegen-
heiten in Conferenzen, die nicht an einen bestimmten Tag und
an eine bestimmte Stunde gebunden waren, zwischen Statthalter
und Minister erörtert zu werden pflegten, sollten in Zukunft
wöchentlich drei regelmässige Sitzungen und im Falle des Be-
dürfnisses auch mehrere unter Intervention jener zwei Räthe
^ Mettennoh an Cobenzl. Coblence, le 20 mars 1793. Copie. ,Confidentielle
autogfraphe/
' Mercy an Thugut. BruxelleB, le 28 juin 1793. eig.
' Trauttmansdorff an Mottemich. Vienne, le 1*' mars 1793.
Belgien unter der Oenerftlstatthalterscbaft Erzherzog Carls (179S, 1794). 5
Stattfinden. Den beiden Käthen und dem Staatsseeretär fällt die
Berichterstattung, jenen in allen inneren, diesem in allen äus-
seren Angelegenheiten, zu. Der Generalgouvemeur, oder in sei-
ner Abwesenheit der Minister, fasst das Conclusum nach der
Stimmenmehrheit zusammen, ausser wenn gewichtige Gründe
dagegen sprechen, die in diesem FaUe im ProtokoUe zu vei-
merken sind. Auf diese Weise hat die Verleihung aller Aemter
und Beneficien^ über die das Generalgouvernement verfügt, sowie
die Anweisung der Gagen, Pensionen und Gratificationen, endlich
die Erstattung der Anträge bezüglich jener Stellen, deren Be-
setzung sich der Kaiser vorbehält, zu geschehen. Bei Meinungs-
verschiedenheit hat jeder Votant seine Ansicht zu Protokoll zu
bringen und in demselben zu motiviren, und ist es eine Sache,
deren Entscheidung dem Souverän unterbreitet wird, so steht
es überdies jedem Beisitzenden frei^ seine Ansicht unmittelbar,
und zwar versiegelt, Sr. Majestät zu übersenden. Mit Ueber-
gehung jener Anordnungen, welche sich auf die Anlegung und
die wöchentliche Einsendung der Protokolle nach Wien, die
Vertheilung der Referate, die Wahrung des Amtsgeheimnisses,
Beschleunigung der Erledigungen u. dergl., kurz auf die Ge-
schäftsordnung, beziehen, sei hier noch hervorgehoben, dass
keine Weisung des Generalstatthalters, weder an die Conseils
collatöraux, noch an die Justiztribunale, noch endlich an die
Stände ergehen sollte, ohne dass sie zuvor den Gegenstand
eines Berichtes in jener Conferenz gebildet habe. Alles, was
zur Kenntniss des Souveräns zu gelangen hatte, sollte ent-
weder, und zwar in wichtigen Fällen durch einen Bericht des
(Jeneralgouvemeurs, oder, in minder wichtigen, durch einen
Auszug aus dem Protokolle, im ersten Falle unter der Signatur
des Erzherzogs, im zweiten unter jener des Staatssecretärs, unter-
breitet werden. Umgekehrt sollten alle Anordnungen Sr. Ma-
jestät dem Gouvernement entweder durch vom Kaiser gezeich-
nete, an den Generalstatthalter gerichtete Depeschen oder durch
Schreiben des Hofkanzlers an den Minister erfolgen, in beiden
Fällen aber die gleiche Geltung haben. Endlich sollte es dem
Generalstatthalter zustehen, wenn es sich um Gegenstände von
grosser Tragweite handle, ausser den gewöhnlichen Beisitzern
auch andere Staatsräthe oder königliche Beamte zu jenen Con-
ferenzen beizuziehen, wie dies auch bisher unter dem Namen
6 VI. Abhandlung: y. Zeissberg.
einer Joiute geäcliefaen sei. Doch sollte vou dem Generalstatt-
halter der Landescommandirende in all den FäDen in die Cton-
ferenz berufen werden, in denen es sich um einen wichtigen
Fall handle, bei welchem die Civilregierung militärischer Assi-
stenz bedürfe oder das Umgekehrte der Fall sei. In all diesen
Fällen sei die Ansicht des Generalcommandanten dem Proto-
kolle beizuschliessen. ^
Am 1. März setzte Trauttmansdorff den bevollmächtigten
Minister von seiner Fmennung in Kenntniss. Während er ihn
im Allgemeinen auf die Instruction verwies, welche binnen
Kurzem für den Fall des Einmarsches der österreichischen
Truppen in Belgien nachfolgen werde, forderte er ihn bereits
jetzt auf, flir die Neubesetzung der verschiedenen Conseils cd-
latöraux Sorge zu tragen. ,£uere Excellenz kennen,' bemerkte er,
,die Intention des Kaisers, die dahin geht, dass an der seit je-
her bestehenden Ordnung dieser Conseils nichts geändert werde,
da bisher jede Aenderung von üblen Folgen begleitet gewesen
ist. Se. Majestät beabsichtigt nicht, den Launen ii^end einer
Partei der Nation in Bezug auf seine Beamten blindlings zn
folgen, aber sie ist zugleich entschlossen, der öffentlichen Mei-
nung nicht vor den Kopf zu stossen.' Die Mitglieder der auf-
gelösten Wiener Jointe Müller, Lannoj und Du Rieux sollte
Metternich in seine Vorschläge einbeziehen, da denselben der
Kaiser eine entsprechende Verwendung in Belgien zugedacht
habe, obgleich Trauttmansdorff selbst wünschte, dass denselben
noch ein längeres Verweilen in Wien gestattet werde, weil er
sich ihrer Unterstützung bei den bevorstehenden Arbeiten be-
dienen wolle.* In einem vertraulichen Schreiben fügt er hinzu,
dass der Kaiser nur deshalb bisher Alles im Status quo belassen
und die bereits damals (s. unten) überreichte Demission des Chef-
Präsidenten Crumpipen und des Staatssecretärs Feltz nicht an-
genommen habe, weil die Absicht bestehe, das ganze Gouverne-
ment aufzulösen und man sich daher nicht auf eine vereinzelte
VeH\igung beschränken wolle.*
^ Ordre k saivre daus les conförences que le ser^niasime ^UTemeur g^
ii^ral tiendra avec le ministre plenipotentiaire, le secr^taire d'Etat et
les conseillers assesseurs. A.-A.
' Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le l*' mars 1793. Orig.
' Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 1*' mars 1793. Orig. eig.
Belfien nnt«r der Oenenlatmttbaltencbaft Erzbenof Carls (1798, 1794). 7
Am 2. März sandte Trauttmansdorff durch La Valette
dem Minister eine neue Proclamation zu, die fllr alle Pro-
vinzen gelten und an Stelle des früheren Entwurfes treten
sollte. Die Publication derselben sollte weder zu früh, noch zu
spät erfolgen, denn im ersteren Falle würde man die Procla-
mation der Gefahr der Verspottung aussetzen, im zweiten die-
selbe ihren Hauptzweck verfehlen. Für die Verbreitung des Auf-
rufes könne theils durch die Generale Sorge getragen werden,
welche denselben jedoch erst in dem Augenblicke feierHch zu
verkündigen hätten, in welchem sie sicher wären, dass sie sofort
die betreffende Provinz besetzen würden, theils könne dies durch
vertraute Personen unter der Hand geschehen. Trauttmansdorff
billigte zugleich, dass Mettemich zunächst in Coblenz seinen
Sitz zu nehmen gedenke, nur sollten dahin auch die Mitglie-
der des geheimen Rathes beschieden werden, um die Geschäfte
an einem Orte zu concentriren. '
Die neue kaiserliche Proclamation war im Wesentlichen
desselben Inhaltes wie die frühere; nur stellte sie auch eine all-
gemeine Amnestie, die sich selbst auf die Deserteurs der Armee
erstrecken sollte, in Aussicht.* Doch wurde, wie wir vorgrei-
fend bemerken wollen, in Wirklichkeit nicht diese zweite Procla-
mation (vom 2. März), sondern die erste, mit dem Datum 1. März
versehen, von Coburg zu Aldenhofen und später (25. März) auch
zu Brüssel publicirt.
Es ist falsch, wenn behauptet wird,' Mettemich habe im
Februar von Wesel aus an seinen Hof die Anfrage gerichtet,
ob das vielverbreitete Gerücht von dem bairisch - belgischen
Tauschprojeete der Wahrheit entspreche, und füi' diesen Fall
um die Enthebung von seinem Posten gebeten, da unter dieser
Voraussetzung die Wiederherstellung der alten Verfassung nur
Verlegenheiten bereiten würde, und es vorzuziehen sei, das
Land nach dem Wiedereinmarsche der österreichischen Trup-
pen vorläufig unter militärische Verwaltung zu stellen, es sei
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 2* mars 1793. Orig.
' Das Manifest datirte vom 2. März und trug Siegel und Unterschrift des
Kaisers. Beilage zu Trauttmansdorff*s Weisung an Mettemich, ddo. Vienne,
le 9 man 1793.
' M. Craofurd an Lord Auckland. Brüssels, April 29^ 1793, im Journal
UI, 41.
8 VI. Abliftndlang; r. Z«i8sb«rf.
ilim aber bedeutet worden^ dass der Kaiser uicht daran denke,
sich Belgiens zu begeben, dass derselbe gesonnen sei, die alt-
hergebrachte Verfassung aufrecht zu erhalten, und dass num
in dieser Hinsieht den Bewohnern des Landes jeden Zweifel
benehmen möge. Eine derartige Anfrage Metternich's liegt in
den Acten nicht vor, wie sich denn auch sonst nachweisen
lässt, dass der Minister schon längst von den constitutionellen
Absichten des Kaisers wohl unterrichtet war. Nur so viel ist
richtig, dass es am Hofe allerdings eine Partei gab, die hierin
anderer Ansicht war.
Trauttmansdorff wusste dies wohl, als er im Gegensatze
zu seinem Vorgänger Cobenzl, der die Geschäfte seiner De-
partements direct mit dem Kaiser zu behandeln pflegte,^ den
Entwurf der Instruction fUr Mettemich der Begutachtung der
Conferenz-Minister unterzog. Er wusste, dass unter den Rath-
gebern des Kaisers Meinungsverschiedenheit darüber bestand,
ob man die günstige Stimmung der belgischen Nation und Eng^
lands benützen sollte, um bei dem Wiedereinmarsche ins Land,
auf Waffengewalt gestützt, den Streitigkeiten ein Ziel zu setzen,
die zu den inneren Unruhen den Anlass gegeben, oder ob es
sich vielmehr empfehle, auf dem verfassungsmässigen Stand-
punkte zu verharren. Trauttmansdorff war der letzteren An-
sicht. Er hoffte nicht nur, dass sieh auch die Conferenz in
diesem Sinne äussern werde, sondern war seiner Sache bei
dem Kaiser so sicher, dass er, noch ehe jene sich geäussert
hatte, bereits am 3. März, Mettemich in diesem Sinne infor-
mirte: ,Se. Majestät werde nie erlauben, dass die Fundamental-
gesetze des Landes, die stets zur Richtschnur dienen müssen,
verletzt, abec auch nicht gestatten, dass unter diesem Ver-
wände oder mittelst falscher Interpretationen Ihre Rechte ver-
kümmert werden.'*
Die Instruction fUr Mettemich' datirte vom 27. Februar
1793 und wurde demselben ebenfalls durch La Valette über^
sendet ;'^ sie bezog sich theils auf gewisse Verfassungsconfliete,
* Archiv f. Qsterr. Gesch. LXVII, lö4.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 3 mars 1793. Orig.
* Geilnickt bei Gachani, Analectes V, 148—153. Doch sind die der In-
struction bei^fii|rten Erläuterungen in diesem Abdrucke nicht entludten.
* Mettemich an Eraheraog Carl, 13 mars 1793. A.-A. Copie.
Belgien imter der QeneraUtattbaltorsebaft Enlienog Cerli (1798, 1794). 9
welche, wie die Besetzung des Conseüs von Brabaut ^ und jenes
von Flandern,* oder der Streit über den Conseii von Limburg,'
unter der letzten Statthalterschaft entbrannt, aber nicht zum
Austrage gebracht worden waren, theils fasste sie die Wieder-
herstellung der alten Ordnung der Dinge, die Beruhigung der
G^müther, aber auch die Ueberwachung der Malcontenten ins
Auge. Daher sollten zunächst alle höheren und niederen Ge-
richtstribunale mit Ausnahme der Conseils von Brabant und
Limburg, für welche besondere Verfügungen in Aussicht stan-
den, alle Magistrate, Fiscal-, Justiz- und PoUzeibeamten und
alle legalen Corporationen aufgefordert werden, ihre Functionen
wie vor der französischen Occupation wieder zu beginnen, und
nur da, wo dies nicht mögUch sei, provisorischer Ersatz ge-
schaffen und soweit die Ernennung dem Gouvernement zustehe,
so bald wie möglich zu einer Neubesetzung der Magistrate in ver-
trauenerweckendem Sinne geschritten werden, da die getroffene
Verfügung nur dem Uebelstande begegnen wollte, dass nicht
etwa in der ersten Zeit Justiz und Polizei in völligen Stillstand
geriethen. Wurde einerseits dem Minister, sobald Brabant be-
setzt sei, die Verkündigung einer allgemeinen Amnestie aufge-
tragen, so sollten dagegen Clubs und illegale Gesellschafiten
nicht geduldet werden, und wurde die Bestrafung der Bethu-
nisten und die gerichüiche Verfolgung der Personen, welche
zur Zeit der Fremdherrschaft eine besondere Hinneigung zu
dem französischen System gezeigt hätten, in Aussicht genom-
men. Auch die Ueberwachung, eventuell Ausweisung der fran-
zösischen Emigranten wurde dem Minister zur Pflicht gemacht.
Vor Allem aber sollten die Stände der Provinzen baldigst ein-
berufen und zur Entrichtung der bereits bewilligten, aber noch
nicht bezahlten Subsides, jene von Brabant überdies zur Be-
willigung der Entschädigung des königlichen Schatzes und der
durch den Aufstand von 1789 und 1790 geschädigten Personen
veranlasst werden. Auch die Beilegung der Differenzen bezüg-
lich der aufgehobenen Convente wurde als wünschenswerth be-
zeichnet. Von vorneherein erklärte sich der Kaiser einverstan-
^ Vergl. den Aufsatz: Zwei Jahre belgischer Geschichte (Sitzungsberichte
Bd. CXXm und Bd. CXXIV).
> Ebenda, Bd. CXXIV, 162 ff.
' Ebenda, Bd. CXXm, 151 ff.
10 VI. Abhandlnng : v. Zeissberg.
den mit der Wiederherstellung aller Convente^ bei denen dies
möglich sei; nur sollte daraus keine Belastung für den könig-
lichen Schatz erwachsen^ auch sollte von den früheren Con-
ventualen Niemand zum Wiedereintritt gezwungen und die Pen-
sionen Derer, die nicht wieder eintreten wollten, sichergestellt
werden. Endlich wurde Mettemich eingeschärft, in allen Edicten
und Declarationen, deren Verkündigung sich bei dem Einmärsche
der Truppen und der Rückkehr des Gouvernements als noth-
wendig herausstellen würde, eine einfache, bestimmte, der Würde
des Kaisers angemessene Sprache zu fUhren und durch die That
zu beweisen, dass die Absicht des Kaisers auf die Aufrechthaltung
der Verfassung, wie dieselbe in den letzten Regiemngsjahren
Maria Theresias bestanden habe, gerichtet sei, sich aber über
dieselbe in keine Discussion einzulassen.
Mettemich wurde beauftragt, diese Instruction auch dem
Prinzen von Coburg mitzutheilen, so wie andererseits ihm ein
Exemplar der Instruction Coburg's mitgetheilt wurde. In dieser
— sie datirt gleichfalls vom 27. Februar — wurde dem Prin-
zen die grösste Mässigung ans Herz gelegt. Die Truppen soll-
ten strenge Mannszucht halten und den Bewohnern nicht über
Gebühr zur Last fallen. Coburg sollte die friedlichen Bürger seines
Schutzes versichern, zwar keine Clubs und poUtischen GeseU-
schaften dulden, doch der Civilgerichtsbarkeit volle Wirksam-
keit gewähren; gefangene Franzosen sollten als Kriegsgefangene
gelten, Belgier, sowie Bewohner von Lüttich und die Bethoni-
sten, di^ mit Waffen betreten würden, als Rebellen standrecht-
lich behandelt werden.^
Die Instruction fUr Mettemich wurde am 4. März durch
die Bemerkung ergänzt, dass er stets die Haupteache im Auge
behalten und diese nicht etwa accessorischen Gesichtspunkten
unterordnen möge. Vor Allem sollte er sich die Gunst des
AugenbUckes und den Eindruck, den die Anwesenheit einer
* S. Witzleben a. a. O., 85—86, der jedoch mit Unrecht Ton der Vorau'
setznng ausgeht, dass diese Instruction bereits vor Eröffnung des Feld-
zuges zur Kenntniss des Prinzen gelaugt sei. Die Abschrift im Wiener
Staatsarchiv ist ausdrücklich bezeichnet: ,Copie du projet, faitiVienne,
27 fevrier 1793S Auch eine Copie derselben in A.-A. (Beilage sn einem
Briefe Mettemich's an Erzherzog Carl, ddo. 13. Mfirz 1793) ist ebenso
datirt.
Belgien unter der Oeneralstatthalterschaft Enherxog Carli (179S, 1794). 11
siegreiciicu Armee^ sowie die Proclamation des Kaiser» auf die
Gemüther ausüben werde^ nicht entgehen lassen. Sollte sich
der Zusammentritt der Ständeversammlungen verzögern ^ so
möge er sich vorläufig in jeder vom Feinde geräumten Provinz
drei Deputirte zugesellen und im Einvernehmen mit diesen zu-
nächst jene Anordnungen treffen, die der Augenblick, nament-
lich die Sorge ftir die öffentHche Ruhe und Sicherheit gebiete.
In Anbetracht der Anhänglichkeit der Belgier an die Religion
und des mächtigen Einflusses der Priesterschafit auf das Volk
möge er an die Prälaten des Landes ein Rundschreiben rich-
ten, das ohne Affeetation auch zu pubUciren, und in dem ge-
schickt, zugleich aber in würdiger Weise die Interessengemein-
schaft des Clerus und Thrones hervorzuheben sei. Mettemich
sollte die öffentUchen Gelder, die nicht dem Feinde zur Beute
geworden seien, in Sicherheit bringen, namentlich aber, da der
gegenwärtige Krieg mit grossen Kosten verbunden sei, darauf
bedacht sein, die Hilfsquellen Belgiens dem Kaiser dienstbar
zu machen. Als die wichtigsten dieser Quellen werden bezeich-
net: die rückständigen Subsides, Abkürzung der für die Ent-
schädigung von 7,700.000 Gulden festgesetzten Zahlungstermine,
neue Dons gratuits, ein später flir Rechnung des Kaisers,
nöthigenfalls unter der Garantie der Stände zu eröffnendes
Anlehen, specielle Heranziehung des Clerus zu Opfern ftir den
Staat unter gleichzeitiger Ermächtigung desselben zur Veräus-
serung seiner weniger werthvoUen Besitzungen, theilweise Ver-
äussemng von Domänen, deren Verwaltung kostspielig sei,
u. dergl. m. ,Wenn man,^ so schUesst Trauttmansdorff, ,die
Gelegenheit ergreift, welche die Kundgebung der gerechten
und wohlwollenden Absichten Sr. Majestät gegen Ihre belgi-
schen Provinzen gewährt, so wird man Hilfsquellen genug bei
einer Nation finden, die in der Liebe wie im Hasse ihre Ge-
fühle bis zum Extreme zu äussern pflegt.'^
,Sie werden,^ heisst es in einem anderen Schreiben, ,ge-
wiss einsehen, dass in diesem Augenblicke die Geldmittel uns
am meisten am Herzen liegen, und dass daher dies die Aufgabe
ist, mit der Sie sich vor Allem beschäftigen müssen, denn in
Wirklichkeit hängt Alles davon ab. Zeichnen sich die Nieder-
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 17 mars 1793. Orig.
10 VI. Abhandlung: v. Zeissberg.
den mit der Wiederherstellung aller Convente^ bei denen dies
mögUch sei; nur sollte daraus keine Belastung für den könig-
lichen Schatz erwachsen^ auch sollte von den früheren Con-
ventualen Niemand zum Wiedereintiitt gezwungen und die Pen-
sionen Derer, die nicht wieder eintreten wollten, sichei^estellt
werden. Endlich wurde Mettemich eingeschärft, in allen Edicten
und Declarationen, deren Verkündigung sich bei dem Einmärsche
der Truppen und der Rückkehr des Grouvemements als noth-
wendig herausstellen würde, eine einfache, bestimmte, der Würde
des Kaisers angemessene Sprache zu fahren und durch die That
zu beweisen, dass die Absicht des Kaisers auf die Aufrechthaltung
der Verfassung, wie dieselbe in den letzten Regiemngsjahren
Maria Theresias bestanden habe, gerichtet sei, sich aber über
dieselbe in keine Discussion einzulassen.
Mettemich wurde beauftragt, diese Instruction auch dem
Prinzen von Cobui^ mitzutheilen, so wie andererseits ihm ein
Exemplar der Instruction Coburg's mitgetheilt wurde. In dieser
— sie datirt gleichfalls vom 27. Februar — wurde dem Prin-
zen die grösste Mässigung ans Herz gelegt. Die Truppen soll-
ten strenge Mannszucht halten und den Bewohnern nicht über
Gebühr zur Last fallen. Coburg sollte die friedlichen Bürger seines
Schutzes versichern, zwar keine Clubs und politischen Gesell-
schaften dulden, doch der Civilgerichtsbarkeit volle Wirksam-
keit gewähren; gefangene Franzosen sollten als Kriegsgefangene
gelten, Belgier, sowie Bewohner von Lüttich und die Bethuni-
sten, di^ mit Waffen betreten würden, als Rebellen standrecht-
lich behandelt werden.^
Die Instruction fUr Metternich wurde am 4. März durch
die Bemerkung ergänzt, dass er stets die Hauptsache im Auge
behalten und diese nicht etwa accessorischen Gesichtspunkten
unterordnen möge. Vor Allem sollte er sich die Gunst des
Augenblickes und den Eindruck, den die Anwesenheit einer
* S. Witzleben a. a. O., 85—86, der jedoch mit Unrecht Ton der VoraiU'
Setzung aasgeht, dass diese Instruction bereits vor Eröffnung des Feld-
zuges zur Kenntniss des Prinzen gelaugt sei. Die Abschrift im Wiener
Staatsarchiv ist ausdrücklich bezeichnet: ,Copie du projet, Uäi k Yienne,
27 f^vrier 1793S Auch eine Copie derselben in A.-A. (Beilage su einem
Briefe Mettemich's an Erzherzog Carl, ddo. 13. März 1793) ist ebenso
datirt.
B«lfi«ii oBtar dar CteneraUtaUhaltencluift Enhenof Carli (179S, 1794). 11
siegreiclieu Armee^ sowie die Proclamation des Kaisers &\x£ die
Gemüther ausüben werde, nicht entgehen lassen. Sollte sich
der Zusammentritt der Ständeversammlungen verzögern, so
möge er sich vorläufig in jeder vom Feinde geräumten Provinz
drei Deputirte zugesellen und im Einvernehmen mit diesen zu-
nächst jene Anordnungen treffen, die der Augenblick, nament-
hch die Sorge für die öffentHche Ruhe und Sicherheit gebiete.
In Anbetracht der Anhänglichkeit der Belgier an die Religion
und des mächtigen Einflusses der Priesterschafit auf das Volk
möge er an die Prälaten des Landes ein Rundschreiben rich-
ten, das ohne Affeetation auch zu publiciren, und in dem ge-
schickt, zugleich aber in würdiger Weise die Interessengemein-
schaft des Clerus und Thrones hervorzuheben sei. Mettemich
sollte die öffentUchen Gelder, die nicht dem Feinde zur Beute
geworden seien, in Sicherheit bringen, namentlich aber, da der
gegenwärtige Krieg mit grossen Kosten verbunden sei, darauf
bedacht sein, die Hilfsquellen Belgiens dem Kaiser dienstbar
zu machen. Als die wichtigsten dieser Quellen werden bezeich-
net: die rückständigen Subsides, Abkürzung der fUr die Ent-
schädigung von 7,700.000 Gulden festgesetzten Zahlungstermine,
neue Dons gratuits, ein später für Rechnung des Kaisers,
nöthigenfalls unter der Garantie der Stände zu eröffnendes
Anlehen, specielle Heranziehung des Clerus zu Opfern ftlr den
Staat unter gleichzeitiger Ermächtigung desselben zur Veräus-
serung seiner weniger werthvollen Besitzungen, theilweise Ver-
äusaerong von Domänen, deren Verwaltung kostspielig sei,
a. dergl. m. ,Wenn man,^ so schliesst Trauttmansdorff, ,die
Gelegenheit ergreift, welche die Kundgebung der gerechten
und wohlwollenden Absichten Sr. Majestät gegen Ihre belgi-
schen Provinzen gewährt, so wird man Hilfsquellen genug bei
einer Nation finden, die in der Liebe wie im Hasse ihre Ge-
flihle bis zum Extreme zu äussern pflegt.' ^
,Sie werden,' heisst es in einem anderen Schreiben, ,ge-
wiss einsehen, dass in diesem Augenblicke die Geldmittel uns
am meisten am Herzen liegen, und dass daher dies die Aufgabe
ist, mit der Sie sich vor Allem beschäftigen müssen, denn in
WirkHchkeit hängt Alles davon ab. Zeichnen sich die Nieder-
* Traattmansdorff an Metteruich. Vienne, le 17 mars 1793. Orig.
12 VI. Abhandlung: v. Zeisgberg.
laude nicht durch besonderen Eifer aus und bieten sie in diesem
Augenblicke der Monarchie nicht wesentliche Vortheile dar^ so
kann man fast nichts mehr Denen erwidern, die — und sie
sind in der Mehrheit — mehr als je und um jeden Preis sich
von denselben losmachen wollen. Vielleicht finden Sie Gelegen-
heit, diese Bemerkung, als käme dieselbe von Ihnen, gegen-
über Personen fallen zu lassen, von denen zu erwarten steht,
dass sie einen guten Gebrauch davon machen werden/^
,Ein anderer Gegenstand Ihrer Aufmerksamkeit,^ fHhrt
Trauttmansdorff fort, ,wird die Entschädigimg sein, welche die
SUlnde den Mitgliedern des Gouvernements leisten müssen, deren
Entfernung sie wünschen, da dieselbe sonst den königlichen
Finanzen sehr zur Last fallen würde. Es wäre dies wenigstens
ein Mittel, um Jene zum Schweigen zu bringen, welche den
gewünschten Aenderungen eine allzugrosse Ausdehnung geben
möchten. Sobald Eure Excellenz in Brüssel angelangt sein und
die volle Freiheit der Action erlangt haben werden, werden Sie
auch ohne Zweifel die Nothwendigkeit des Festhaltens an einem
bestimmten System erkennen. Ebendies ist es, woran es nach
meiner Meinung stets sowohl hier wie in Brüssel gefehlt hat
Man darf fortan nicht mehr zwischen zwei Wässern schwim-
men und es gleichzeitig Allen recht machen wollen. Man mnss
sich fUr eine Partei entscheiden, die andere aber ausrotten
(Fräser). Man muss, im Vertrauen bemerkt, von der Lection
profitiren, die uns das Benehmen der Stände ertheilt hat, die
ihr wirklichem Unrecht vergessen und aus einer anfangs schlech-
ten eine gute Sache gemacht haben.^^
II. Erzherzog Carl wird zum Generftlstattludter ernamit.
Sein Einzug als solcher In Brüssel.
Der Kaiser hatte das belgische Statthalterpaar — Erz-
herzogin Maria Christine und ihren Gemahl, den Herzog Albeit
zu Saohsen-Tesohen — unmittelbar nach ihrer Ankunft in Wien
\^^Iitte Februar 1793) von ihrem Posten enthoben. Schon seit
* Traattmaiudortf «n Metlernich. Vienne, le 19 nuurs 1793. Orig.
* EbendMelbat
BdflMi vntor d«r Oenenlttittlmlterechaft Enhenof CtfU (1T98, 1T94). 18
längerer Zeit hegte er die Absicht, diese Stelle seinem Bruder,
dem Elrzherzog Carl, zu verleihen, doch behielt er sich vor, die
Ernennung desselben erst ,nach Erledigung des Kriegs und
hergestellter Ruhe in Niederland' eintreten zu lassen; ,da', wie
er an ihn schrieb, ,ich bis dahin hoffe, Dich mit ehrlichen und
wohldenkenden Leuten umgeben zu können, die Dir, wo es
Dir an Erfahrung fehlet, gern an die Hand gehen werden: denn
von Deinem Herzen und Deinen Fähigkeiten bin ich über-
zeugt*^
Dem Erzherzog kam dies äusserst erwünscht. An sich ent-
sprach der militärische Dienst unendlich mehr als die ihm zu-
gedachte Stellung seiner Neigung; * ausserdem glaubte er aber
auch, dass es im Interesse der Sache liege, wenn er sich
nicht in die erste Einrichtung des Landes, bei der es vor-
aussichtlich nicht ohne ,An8tände und Difficultäten' abgehen
werde, menge. Er bezeichnete es daher geradezu als ,eine
recht grosse Gnade', wenn ihn der Kaiser während der Dauer
des Ejrieges bei der Armee belasse.'
Doch änderte der Kaiser bald seine Ansicht; vermuthlich
wurde er hiezu durch den unerwartet raschen Wechsel der
Dinge auf dem Kriegsschauplatze bestimmt Die gix)ssen Waffen-
erfolge, an denen dem Sieger von Aldenhofen der rühmlichste
Antheil gebührte, und welche den baldigen Einmarsch der kai-
serlichen Truppen in Brüssel gewärtigen Hessen, namentlich aber
die Kunde von der freudigen Stimmung, mit der man allenir
halben die Befreier von dem französischen Joche begrüsste,
mochten die früheren Bedenken des Kaisers zerstreuen; ja, es
mochte sich jetzt an die Ernennung des Erzherzogs die Hoff-
nung knüpfen, dass es gerade ihm geUngen werde, die ersten
Schwierigkeiten zu besiegen und die Opferwilligkeit der belgi-
schen Nation zu entflammen. Den Ausschlag aber gab der
Wunsch des Landes selbst; denn dass dieser auf die sofortige
Ernennung des Erzherzogs zum Generalstatthalter gerichtet war
und auf irgend eine Weise, vielleicht durch jene heimliche Ge-
sandtschaft, die zu Beginn des Jahres (Februar) sich in Wien
^ Kaifler Franz an Enhensogf Carl. Wien, den 16. Homong 1793.
' Erzherzog Carl an den KaUer. KOln, den 21. Homong 1793. Orig. ;
6rofl»-£ldem, den 11. März 1793. Orig. eig.
14 VI. Abhandlnng: v. Zeissberg.
eingefunden hatte,' zur Eenntniss des Kaisers gelangte, geht
aus der Erklärung des Letzteren ebenso bestimmt hervor, als
es anderseits keinem Zweifel unterliegt, dass man in Belgien
dem jugendlichen Helden von Aldenhofen und Neerwinden die
lebhafteste Zuneigung entgegenbrachte.* So wurde denn Erz-
herzog Carl schon jetzt von dem Kaiser zum Gheneralgouvei^
neur und Generalcapitän der Niederlande ernannt. Am 18. März
setzte er selbst seinen Bruder yon dieser Emennimg in Kennt-
niss. ,Da8 Land wünscht es,' schreibt er an ihn, ,und Du hast
Dir um einen Titel mehr hiezu erworben, weil Du zur Räumung
und Eroberung desselben beigetragen. . . . Ich bekenne, dass
Du eine grosse Bürde auf Dir hast; allein der Dienst erfordert
es und Du kannst gleich viel Gutes wirken. Sobald Niederland
geräumt ist, komme ich dann selbst, um mit eigenen Augen
das Land und jene Einrichtungen zu sehen, welche noch zu
machen wären.' Er weist den Bruder an Mettemich; an ihm
habe er einen rechtschaffenen Mann zur Seite, der ihn gut
unterstützen werde; auch den neuen Staatssecretär Müller
empfiehlt er ihm als einen ,ehrlichen Mann', flr bittet den Ei*z-
herzog übrigens, ihm ausser den ofüciellen auch vertrauliche
Briefe zukommen zu lassen, denn es sei zu wünschen, dass
diesmal das Land ,in Ordnung reoccupirt werde und man nicht
aus Mangel an Instructionen und Benehmungsart in eine Con-
fusion verfalle, wie es unter ihrem gottsehgen Vater geschehen'.
Uebrigens sollte die Publication der Ernennung Carls zum Ge-
neralgouvemeur durch Mettemich erst dann erfolgen, wenn so-
wohl Brüssel als auch der grösste Theil der Niederlande sich
im Besitze der Kaiserlichen befinden würde. Erzherzog Carl
sollte daher die Sache vorläufig für sich behalten imd auf sei-
nem Posten verbleiben.* Doch wurde bereits jetzt (17. März)
das kaiserUche Patent ausgefertigt, durch welches seine Er-
nennung den verschiedenen Provinzen der Niederlande bekannt-
* Vergl. den Aufsatz: Aldenhofen, Neerwinden und LOwen 8 (Sitsongs-
bericht Bd. CXXVH).
* Starhemberg an Thng^t, k la Haye, le 16 avril 1793: ,Je ne suis qne
r^cho de Tarm^e et de toute la nation belgiqae, en parlant k V. E. de
renthoQBiaBme que S. A. R. inspire par ses vertus militaires et civilee k
tous ceux qni ont Thonneur de Tapprocher.*
3 Franz II. an Erzherzog Carl. Wien, den 18. März 1793. Orig. eig. A.-A.
B«lgi«n noter der OeneralMtatthaltcn<chaft Erzherzog Carls (1798. 1794). 15
gegeben werden sollte/ desgleichen (18. März) eine Zuschrift,
welche sich auf die Einführung der Conferenz bezog. * Die Er-
nennung des Erzherzogs wurde übrigens so schleunig vollzogen,
dass man nicht Zeit fand, um an dem betreffenden Patente die
Blechbüchse^ in der sich das Siegel befand, in herkömmUcher
Weise vergolden zu lassen, und dass dies daher, falls man
daran in Belgien Anstoss nähme, erst nachträglich geschehen
sollte.'
Es war bisher nicht Sitte gewesen, den Generalstatthalter
mit einer speciellen Instruction zu versehen. Auch diesmal sah
man davon ab. Gleichwohl schlug Trauttmansdorff dem Kaiser
vor, den Erzherzog durch eine besondere Depesche, die der
Staatssecretär Müller an seinen neuen Bestimmungsort bringen
könnte, von seinen Intentionen in Eenntniss zu setzen. Und
zwar unterschied Trauttmansdorff selbst zwischen allgemeinen
Directiven und solchen, die sich auf besondere Gegenstände
bezogen.
Im Allgemeinen bezeichnete es der Hofkanzler als von
besonderer Wichtigkeit, dass der Generalgouvemeur selbst-
thätig eingreife oder, falls er dies entweder nicht wolle oder
nicht könne, sich wenigstens den Anschein gebe, da er sonst
von vornherein die Liebe und das Vertrauen der Nation ein-
büssen und bald ganz und gar bei Seite geschoben werden
würde. Der Minister habe ihn im Detail der Geschäfte und in
der Ueberwachung der verschiedenen Departements zu unter-
stützen; seine wahren Rathgeber aber müssten die Conseils col-
Ut^raux sein, zumal wenn sie, wie man dies gegenwärtig an-
strebe, gut zusammengesetzt seien. Eben indem man sich von
diesem Principe entfernte, haben die Minister und noch mehr
die Staatssecretäre einen ftir den Dienst so schädlichen Einfluss
gewonnen. Der Minister kenne als Fremdling in der Regel die
Administration zu wenig und sei daher auf den Staatssecretär
angewiesen, durch den er sich, so wie dieser, da er mit Ge-
schäften überbürdet sei, sich von seinen Creaturen leiten lasse.
* Qachard, Lettres ^rites par les souveraines des Pajs-Bas 287. Moniteor
Nr. 123, pag. 539 ff.
' Gachard 289. Monitenr Nr. 742, pag. 511 ff. Ein ähnliches Schreiben er-
ging an den Erzherzog.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 17 mars 1793. Orig.
16 VI. Abhandlung: ▼. Zeissberg.
Dies habe zu Verfügungen Anläse gegeben^ die Missvergnügen
erzeugten und den Prineipien der betreffenden Departements
zuwiderliefen. Auch schleiche sich auf diesem Wege Nepotis-
mus in den Aemtem ein. Diesem Uebelstande solle eben die
Einrichtung jener Conferenz begegnen, die es sich jedoch^ um
ihrem Zwecke zu entsprechen, zum Grundsatze machen müsse,
den Conseils collat^raux Credit im Publicum zu verschaffen, dies
umsomehr, als die Eigenliebe imd das Ansehen jener Körper-
schaften durch die neue Einrichtung einigermassen beeinträch-
tigt würden. Am besten werde man dies dadurch erzielen, dass
man die Chefs häufig zu jenen Conferenzen heranziehe und
ihnen die Prineipien Sr. Majestät einpräge. Vor Allem aber sei
es erforderlich, dass die Mitglieder der Conferenz selbst sich
jedes persönlichen Interesses entäussem und nur das Öffentliche
im Auge haben. ^
Zur Ausfertigung einer Directive für den Ek'zherzog be-
züglich specieller Punkte scheint es indess nicht gekommen zu
sein; ohnedies war in dieser Hinsicht die Instruction für Metter-
nich erschöpfend genug. Die Depesche aber, in welcher der
Kaiser die allgemeinen Gesichtspunkte, die ihm zur Richtschnur
zu dienen hätten, seinem Bruder mittheilen liess und die er
demselben durch La Valette übersandte,* war folgenden In-
halts: Art. 1. Als oberstes Princip hat in allen Provinzen die
Wiederherstellung imd Erhaltung der Verfassung auf dem Fusse
zu gelten, auf welchem sie zu Ende der Regierung der Kaiserin
Maria Theresia beobachtet worden ist. Daraus folgt (Art. 2),
dass in allen auf die Constitution bezüglichen, zur Zeit der
französischen Invasion strittigen und seither noch nicht durch
ein Uebereinkommen mit den Ständen ausgetragenen Fragen
der Stand der Dinge zu Ende der Regierung Maria Theresias
als Richtschnur zu dienen hat und Alles rundweg zurückzu-
weisen ist, was zu jener Zeit nicht vorhanden war. Aus diesem
Principe folgt: 1. (Art. 3) dass, was während der letzten Un-
ruhen geschah, ganz und gar vergessen werden muss. Daher
hat man, namentlich anfangs, den Willen zu offenbaren, nicht
mehr davon sprechen zu hören, denjenigen, die während der
^ Trauttmansdorff an den Kaiser, 18. März 1793. A.-A. Copie.
' Mettomich an Erzherzog Carl, 13 mars 1793. A.-A. Copie.
BelftMi unter der Qenertlstattlialtertohaft Erzhersog Carls (1798, 1794). 17
Unrahen Anhänger der Stände gewesen, öffentlich wie privat,
freundlich zu begegnen und das gleiche Benehmen den Chefs
und Mitgliedern der Conseils collatöraux, der Justiztribunale,
kurz allen Beamten zur Pflicht zu machen, zugleich denen,
die dem Souverän treu geblieben sind, zu erklären, dass eines
der sichersten Mittel, um Gnade und Gunst, auf die sie An-
spruch hätten, zu erlangen, darin bestehe, das Ihrige mit bei-
zutragen, um alle Gemüther zur alten Anhänglichkeit an den
legitimeti Herrscher und zur Achtung gegen die Gesetze und
constitutionellen Autoritäten zurückzuführen; 2. (Art. 4) dass
das Militär nicht gegen die Bürger und Landbewohner ver-
wendet werden darf, ausser auf Requisition der Richter und
Magistrate und in flagranti, und dass man nöthigenfalls alle
militärischen Proclamationen, die den Titel: ,Loi martiale' füh-
ren, widerrufen muss; 3. (Art. 5) dass das Gouvernement in
den Provinzen, wo der dritte Stand in seine Versammlungen
herkömmlicher Weise keine Militärpersonen zulässt, es vermei-
det, derartige Personen zu MitgHedern des dritten Standes zu
ernennen; dass, wenn 4. (Art. 6) Schwierigkeiten bezüglich des
Unterrichtes in den Schulen und CoUegien sich ergeben, man
sich darüber mit den Ständen einigt, um die Unruhen beizulegen,
welche durch die Depesche vom 21. December 1791 hervoi^e-
rofen wurden, indem man aber zugleich den Zweck derselben
zu erreichen sucht. 5. (Art. 7) Da gute Sitten so wichtig wie die
Gesetze sind, so hat man von denen, die sich um Civilämter,
Gterichtsstellen, Würden u. dergl. bewerben, als wesentliche Be-
dingung zu fordern, dass ihr Ruf unbescholten sei und sie sich
allgemeinen Ansehens erfreuen. 6. (Art. 8) Da die Religion der
mächtigste Zügel für die Menschen und der festeste Halt für
die Sitten ist, muss man derselben ihren alten Glanz wiedergeben.
Sie muss als Barriere gegen das jeder socialen Ordnung und
jedem politischen Bande verderbliche System dienen. Man muss
demnach den Clerus begünstigen und ihm empfehlen, die kirch-
liche Disciplin wieder in Kraft zu setzen in all den Punkten,
die nicht den Gesetzen und Privilegien des Landes zuwider-
laufen, und den Cult in seinem Glänze zu erhalten. 7. (Art. 8)
Ein Hauptgegenstand, auf den von Anfang an sich die Auf-
merksamkeit vor Allem zu richten hat, ist, dass jene Magistra-
turen, deren Verleihung dem Gouvernement zusteht, gut zu-
Sitsongsber. d. phil.-hist. Cl. CXXVni. Bd. G. Abb. 2
13 VI. Abhandlung: t. Zcissberg.
sammengesetzt werden. Dieser Punkt ist sehr wichtig für das
Volky welches glauben würde^ dass man nichts fUr dasselbe
gethan habe^ dass die zugestandene Verzeihung nicht vollkom-
men, und dass die Absicht, die Verfassung zu beobachten, nicht
aufrichtig sei, wenn die Magistrate und Polizeibeamten, welche
über das Schicksal und das Leben der Einzelnen zu entschei-
den haben, nicht der Verfassung zugethan wären oder in die-
ser Hinsicht nicht das öffentHche Vertrauen genössen. Um dies
zu erreichen, wird man die Personen in ihr Amt wieder ein-
setzen oder anderweitig befriedigen müssen, welche anlässlich
der Unruhen derselben illegal beraubt worden sind, aber auch
keine Schwierigkeiten der Wiedereinsetzung solcher Personen zu
bereiten haben, welche in Folge ihrer Anhänglichkeit an die Ver-
fassung das Vertrauen des Publicums genossen haben. 8. (Art 10)
Der Lauf der Justiz und die Vollstreckung der Urtheile (juge-
ments), Sentenzen und Arr^ts dürfen in keiner Weise und unter
keinem Vorwande unterbrochen, gehindert oder suspendirt wer-
den, vorbehaltHch des Begnadigungsrechtes. 9. (Art. 11) Vor-
schläge, welche auf eine Neuerung in der Organisation der
Stände, der Art der Ernennung und Zusammensetzung der
Magistrate, sowie der Gerichtsordnung abzielen, sind ebenso zu
verwerfen wie jede Bitte, welche auf eine Minderung der Aus-
dehnung und Ausübung der Rechte der souveränen Autorität,
der administrativen Gewalt der Stände und der legalen Körper-
schaften, sowie der Autorität der Justiztribunale gerichtet ist,
da deren Existenz auf den constitutionellen Gesetzen, Gewohn-
heiten und Privilegien des Landes beruht, so wie diese zu Ende
der Regierung Maria Theresias in Kraft waren, und eine Aen-
derung überhaupt nicht stattfinden kann, ehe die Geister hin-
länglich beruhigt sind.^
Die Ernennung des Erzherzogs zum Generalgouvemeur
war, wie schon bemerkt, in aller Eile erfolgt, und auch Metter-
^ Am 13. August 1793 wurde der Erzherzog beauftragt, diese Depesche
auch den Mitgliedern der Conferenz und der Conseils collat^raux als
Richtschnur mitzutheilen. Nochmals wurde dem Gouvernement einge-
schärft, an dem Status quo zu Ende der Regierung Maria Theresias
nichts zu ändern, und wo sich dennoch eine Aenderung als im Interesse
der Sache wUnschenswerth darstellen sollte, zuvor den Kaiser davon in
Kenntniss zu setzen.
BelgieD iiDt«r der 0«neralstatthalterschaft Ersherzog (arls (1793, 1794). 19
nich wurde nunmehr Eile zur Pflicht gemacht.^ Aber gerade
in diesem AugenbUcke trat die schlimmste Eigenschaft Metter-
nich's^ die Langsamkeit seiner Geschäftsführung^ zum grössten
Nachtheile der Sache zu Tage. Denn statt, wie ihm früher be-
deutet worden war, sich der siegreich vordringenden Armee
anzuschliessen, weilte er fast den ganzen Monat März in Cob-
lenz, wohin er sich am 14. Februar von Wesel begeben hatte,
und brach erst am 25. März nach Maestricht auf. In Tirlemont
freundlich empfangen, zu Löwen von MitgUedern der Stände
begrtisst, hielt er am 29. seinen Einzug in Brüssel, der sich
ebenfalls recht herzUch gestaltete.^
Durch diese Verzögerung gerieth aber der Erzherzog in
eine ziemUch peinliche Lage. Das Gerücht seiner bevorstehen-
den Ernennung war ihm vorangeeilt, so dass man sich schon
bei seinem ersten Einzüge in Brüssel (25. März) an ihn mit
den verschiedensten Anfragen wendete, die er aber, ohne die
Intentionen des Kaisers zu kennen, nicht beantworten konnte.
Erst am folgenden Tage (26. März) langte Graf Wratislaw mit
dem Ernennungsschreiben des Erzherzogs in Brüssel an. Da
' Mettemich noch immer nicht eingetroffen war und auch sonst
sich Niemand von den Beamten des Gouvernements in Brüssel
befand, beschloss Carl, vorläufig bei der Armee zu verbleiben,
dies umsomehr, als die Franzosen den Palast in Brüssel voll-
ständig ausgeplündert hatten.
Auch der Kaiser war über das Zaudern Mettemich's un-
gehahen, zumal, wie er meinte, jetzt ,Activität' mehr als je
nöthig sei, um von dem Eifer und guten Willen der Nation zu
profitiren.* Daher bat er seinen Bruder, sofort nach erfolgter
Proclamation das Gouvernement zu übernehmen, um durch
seine ^Activität' die Langsamkeit Metternichs zu ersetzen, den
er in einem anderen Schreiben* als einen ,Phlegmaticu8' be-
zeichnet. Er ersucht den Erzherzog, bestimmte Auskünfte über
alle VorMle zu geben, und wenn etwas Wichtiges geschehe,
^ Tranttmansdorff an Metternich. Vienne, le 19 mars 1793.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Coblence, ce 25 mars, le 31 mai 1793.
Henne et Wauters, Histoire de la ville de Bruxelles, 1. c. II, 433.
' Franz 11. an Erzherzog Carl. Wien, den 1. April 1793. Orig. eig. A.-A.
* Franz II. an Erzherzog Carl. Wien, den .... April 1793.
2*
20 ^- Abhandlang: v. Zelssberg.
weder Couriere noch Stafetten zu sparen^ da Mettemich kern
Freund des Schreibens sei. ,Denke, dass Du in diesem Augen-
blicke der Monarchie Dienste leisten kannst^ welche Du zu
leisten vielleicht nie mehr in die Lage kommen wirst/
Erzherzog Carl begab sich von Brüssel nach Mons^ wo
man ihn^ als er an der Spitze der Avantgarde (29. März) sei-
nen Einzug hielt; so wie irüher in Brüssel mit aufrichtigem
Jubel empfing. Zu Boussu (8. April) wurden ihm die Insignien
des Maria Theresien-Ordens überbracht. Von da begab er sich
in das Hauptquartier, welches Coburg mittlerweile von Mona
nach Qui^vrain verlegt hatte. ^ Der Erzherzog weilte nun einige
Tage auf dem benachbarten Schlosse Qui^vrechin, in dessen
Nähe die Avantgarde lag, während die Plauptarmee zwischen
Cond^ und Valenciennes bei Quaroublc stand. ' Man beschränkte
sich vorläufig bis zur Ankunft der zu Antwerpen in Aussicht
gestellten Verstärkungen auf die Beobachtung von Valencien»
nes und die Einschliessung von Cond^. Erzherzog Carl begab
sich einmal bis unter die Kanonen der letzteren Festung, so
dass er die Umfassungsmauern wahrnehmen und die Unifor-
men der französischen Soldaten, welche in den Forts vor der
Stadt lagen, unterscheiden konnte.* Sein Gesundheitszustand
war damals vortrefflich; ,trotz aller Strapazen, trotzdem, dass
er nur wenig schläft, und trotz der ungeregelten Lebensweise,
die es mit sich bringt, dass er bald um 10 Uhr Morgens, bald
um 8 Uhr Abends, bald kalt, bald warm speist, erfreut sich
mein Herr des besten Wohlbefindens,* konnte Delmotte an
Carls besorgte Tante schreiben. "*
Stündlich sah der Erzherzog der Ankunft Mettemich's ent-
gegen. Auch Prinz Coburg erwartete den Minister ,wie die
Juden den Messias^ ,Man erwartet ihn,' schreibt Delmotte am
16. April, ,fur morgen, und so geht es von einem Tage zum
andern. Mein Herr (Erzherzog Carl) hat ihn noch nicht ge-
» Witzleben II, 181.
" Delmotte an Maria Christine, s. d. Orig. eig. A.-A.
' Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert, s. d. Orig. eig. A.-A.
Vergl. Aackland an Grenville. Hague, April 23, 1793; in AuckUnd,
Journal III, 31.
* Delmotte an dieselben. Mons, le 6 avril 1793. Orig. eig. A.-A.
BelgieD ant«r der OeoeralBtattbalierscbaft Enherxof Carls (1798, 1794). 21
seheiiy seit er im Lande ist; es sind miudesteus vierzehn Tage,
dass er zu kommen verspricht/^
Endlich langte Mettemich im Hauptquartier an, und da-
mit trat zugleich der Zeitpunkt ein, in welchem der Erzherzog
das Generalgouvernement übernehmen sollte. Aber obgleich er
bisher diesen Augenblick kaum erwarten zu können schien, so
versetzte ihn doch jetzt die Nothwendigkeit, die Armee zu ver-
lassen, in die missUchste Stimmung, da, wie er seinem Oheim,
Herzog Albert, gegenüber bemerkt, das Kriegshandwerk, ,der
Gegenstand aller seiner Wünsche, seine einzige Leidenschaft*
sei. ,Und nun werde ich,^ fügt er hinzu, ,zu einer Aufgabe er-
sehen, von der ich nichts oder nur wenig verstehe, und das in
einem der kritischesten Momente und mit einem Minister wie
Mettemich. Ich bin trostlos darüber und fühle mehr denn je
das Unglück, von Ihnen getrennt zu sein. Wenigstens hoffe
ich, dass, wenn es mir nicht gehngt, Sie mich bedauern und
nicht verurtheilen werden . . . Seien Sie versichert, lieber
Onkel, dass es mich ungemein schmerzt, Ihnen auf einem
Posten folgen zu müssen, auf den Sie nicht verzichtet haben,
und dass ich Alles, was in meiner Macht steht, dafür geben
würde, wenn es anders wäre.*^
Dieselben Klagen ergiessen sich in einem Briefe an den
Erzherzog Josef: ,Mit den grössten Schmerzen und mit Thrä-
nen in den Augen werde ich diese Armee verlassen, und ohne
mir zu schmeicheln, werde ich bei selber bedauert werden.
Schon jetzt geben sie mir Beweise davon, und die Nachricht
meiner Abreise hat Alle verdrossen, Alle geschmerzt.'^ Und
auch dem Kaiser gegenüber machte Erzherzog Carl aus dieser
Stimmung kein Hehl. ,Wie hart es mir geschähe/ schreibt er,
,die Armee eben in dem AugenbHcke zu verlassen, wo sie so
glorreiche und wichtige Unternehmungen vor sich hat, kannst
Du Dir einbilden. Nur der Wunsch, Deine Zufriedenheit zu
erwerben, und die Hoffnung, vielleicht dem Staate nützen zu
• Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert Qoi^vrain, le IC avril
1793. Orig. eig. A.-A.
• Erzherzog Carl an Herzog Albert von Sachsen- Teschen. Qui^vreehin,
le 20 avril 1793. Orig. eig. A.-A.
• Erzherzog Carl an Erzherzog Josef. Qui^vrechin, den 19. April 1793. Orig-
eig. A.-A.
22 VI. AbhandloDg: t. Zeissberg.
können, lindert in etwas meinen Schmerz. Ich habe Ursache,
mich zu schmeichehi, dass die Armee mich ungern von hier
weggehen sieht/ ^
Wenn übrigens Erzherzog Carl von seiner völligen Un-
kenntniss der niederländischen Geschäfte spricht, deren oberste
Leitimg er nunmehr übernehmen sollte, so ist dies der Aus-
druck einer zu weitgehenden Bescheidenheit, die den übrigens
nicht verhehlten Verdruss, dem seinen Neigimgen und seinen
Fähigkeiten so sehr entsprechenden militärischen Berufe wenig-
stens ftlr einige Zeit entsagen zu müssen, nur leicht zu ver-
schleiern vermag. Darum bittet er in jenem Briefe den Kaiser,
da er sich während dieses Krieges doch einige militärische
Kenntnisse gesammelt und die Hoffnung, seinem Bruder mit
der Zeit in diesem Fache Dienste leisten zu können, nicht auf-
gegeben habe, ihm zu gestatten, im Falle, dass es im Felde
zu einer wichtigen Operation kommen sollte, sich auf einen
oder zwei Tage zur Armee begeben zu dürfen, zumal die Ent-
fernung des gegenwärtigen Kriegsschauplatzes — Valenciennes
— von Brüssel nur neun Stunden betrage und er daher jeder-
zeit sofort auf seinen Posten zurückkehren könne.*
Gleich ihrem Liebling wurde auch Maria Christine durch
die Nachricht, dass Carl die Armee verlassen müsse, peinlich
berührt. Sie erblickte in diesem Auftrage nichts als eine Intri-
gue der ,Mini8ter^, d. i. Mettemich's und Thugut's, welche, so
meinte sie, befiirchteten, dass der Prinz bei längerem Verwei-
len in der Armee seine Gelehrigkeit einbüssen und die ihm so
noth wendige Energie finden könnte.* Richtiger, jedenfalls ruhi-
ger, urtheilte ihr Gemahl, der vielmehr den Erzherzog zu trö-
sten versuchte. Es handle sich, meinte er, wohl nur um eine
momentane Verfligung, um eine einfache Besitzergreifting, und
er werde voraussichtlich noch genug Gelegenheit finden, um
seinem gerechten Ehrgeize, der ihn zum Waffenhandwerke
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Qui^vrechin, den 19. April 1793. Orig.
eig. Auch Delmotte schreibt am 26. April (Orig. eig. A.-A.): «Unser
gnädigster Herr ist trostlos, dass er die Armee verlassen musste, wo er
angebetet und der er selbst zugethan war.'
» Ebenda.
' Maria Christine an den Kurfürsten von KGln, le 6 mai 1793. Orig.
A.-A. ä
B«lffi«D nnter der Qeneralstetthaltonichaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 23
ziehe. Genüge zu leisten. Auch werde, da man ja den Wün-
schen der Belgier bereits zuvorgekommen sei, seine Aufgabe
eine angenehme und leichte sein. Der Erzherzog, ftigte er nicht
ohne Bitterkeit hinzu, werde nur Beifall zu ernten und Blumen
zu pflücken haben, wo Andere Kummer empfanden und Dor-
nen ernteten.^
Mit um so grösserer Genugthuung empfand der Kaiser
die Resignation, mit der sich sein Bruder schliesslich in seinen
Wunsch fUgte. Er bezeichnete dessen Entschluss als einen
Dienst, den er dem Vaterlande erwiesen habe. ,Ich begreife
gar wohl,^ bemerkte er, ,dass Du ungern die Armee verlassest,
wo Du Dir gewiss noch mehr Ehre gemacht hättest. Indessen
Du mosst Deine Privatwünsche dem Dienste aufopfern, zumalen
da es Dich nicht hindert, bei wichtigen Unternehmungen, die
ohnehin immer von kurzer Dauer sind, wie Du es wünschest,
gegenwärtig zu sein. . . . Ich kann Dich übrigens nur an Alles
hier erinnern, was ich Dir in den vorhergehenden Briefen ge-
schrieben, und recommandire Thätigkeit und genaue Folge-
leistung meiner Befehle oder Vorstellungen dagegen, wenn sie
nicht ausführbar sind. Endlich nehme von Allem Einsicht und
handle durch Dich selbst und nicht durch Impulsion der An-
deren, sonst würdest Du in Kurzem alle Liebe und Achtung
des Landes verlieren.** Und wie wenig der Kaiser wünschte,
dass sein Bruder sich etwa blos von Mettemich als Vorwand
seiner Massregeln gebrauchen lasse, geht aus einem anderen
Schreiben hervor, in welchem es heisst: ,Mache, dass Dir
nichts unbekannt bleibe von Allem, was geschieht, und handle
soviel möglich durch Dich selbst, da mir viel an Deiner Repu-
tation und an dem Besten des Dienstes lieget.*^
Carls Pflichtgefiihl war jetzt so rege, dass er, als Metter-
nich die Veröffentlichung der Ernennung des Erzherzogs zum
Qeneralgouverneur und der oft erwähnten Proclamation, welche
dieser gleichsam zum Präludium dienen sollte, neuerdings hinaus-
^ Herzog Albert an Erzherzog C&rl. Dresde, ce 2 mai 1793. Copie.
A.-A.
> Franz II. an Erzherzog Carl. Wien, den 16. oder 26. Mai 1793. Orig.
eig. A.-A. (Das Datum ist undeutlich corrigirt).
* Franz II. an Erzherzog Carl. Wien, den 12. Mai 1793. Orig. eig.
A.-A.
24 VI. Abhandlung: t. Zeissberg.
schieben wollte, unter Berufung auf den directen Wunsch des
Kaisers auf ein beschleunigtes Tempo drang. ^
Am 21. April wurde im Hauptquartier Coburg's (Quiövrain)
durch Armeebefehl bekanntgegeben, dass Erzherzog Carl zum
Generalgouverneur und Capitän ernannt worden sei, deshalb
die Armee verlassen müsse und das Commando der Avant-
garde, die er bis dahin befehligt hatte, an FML. Benjowskj
übergebe. Am 23. kam der Erzherzog nach Brüssel; da aber
die Vorbereitungen des glänzenden Empfanges, den man ihm
daselbst bereiten wollte, einige Tage in Anspruch nahmen, be-
gab er sich zunächst nach Laeken, das die Franzosen fireilich
in einem kläglichen Zustande zurückgelassen hatten. Da nicht
einmal eine Equipage zur Verfügung stand, schlug Mettemich
dem Erzherzog vor, auf seinem Schlachtross in Brüssel einzu-
ziehen, was, wie er meinte, im Publicum Sensation machen
werde. Doch dass es eines solchen Theatereffectes nicht be-
durfte, dafür hatten die Bürger von Brüssel gesorgt. Als Tag
des Einzuges war anfangs der 25. April bestimmt, doch wurde
auf Bitten der Stadt die Ceremonie auf den 28. verschoben.
Der Empfang des jungen Generalgouvemeurs, dessen Brost
bereits die Insignien des Maria Theresien-Ordens schmückten,
war ebenso glänzend als herzlich. Der Einzug fand um 4 Uhr
Nachmittags statt. Als Triumphwagen diente ein Phaäton, der
ihn am Thore von Laeken erwartete und auf dessen Sitze ein
Amor angebracht war. Statt der Pferde spannten sich drei-
hundert Bürger selbst vor den Wagen und brachten den Ge-
feierten unter dem Jubel der Bevölkerung in sein Palais, nach*
dem er zuvor bei St. Gudule angehalten und dem Te Deum,
das der Nuntius anstimmte, bei*i:e wohnt hatte. Es war eine
durchaus spontane, echt bürgerliche Huldigimg; blos die be-
waffneten Serments bourgeois empfingen ihn am Stadtthore, and
sie, nicht eine militärische Bedeckung, geleiteten ihn in das
Palais Royal, wo ihn ausser den Comit^s des Gouvernements,
^ Erzherzog Carl an deu Kaiser. Qui^vrechain, 19. April 1793. Ori^. eig.
Noch am 3. April war die bevorstehende Proclamation des Erzherzogs
weitereu Kreisen ein Geheimniss; in England meinte man damala noch,
dass Coburg für diesen Posten ausersehen seL Lord Laughboroiigfa an
Auckland in The Journal and correspondence of William Lord Anckland
m, 8.
Bel^n unter 4er GeneraUtatthalterscbaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 25
der Conseil von Brabant, der Magistrat von Brüssel, der Adel,
die Stände und die Notabein der Bürgerschaft erwarteten.
,Es wäre unmöglich,' schreibt Mettemich, ,die Freude zu
schildern, die das Volk während des Zuges des Erzherzogs
durch die Stadt an den Tag legte. Alle Häuser waren decorirt
und die Devisen fiir Se. königl. Hoheit äusserst schmeichel-
haft. Bei Hof war grosser Cercle. Die ganze Welt drängte
sich um den Prinzen, um ihm ihre allgemeine und lebhaft
empfundene Freude auszudrücken. In dem Augenblicke, in
dem ich dies schreibe, begibt sich Se. königl. Hoheit ins
Theater, worauf ein Souper und Ball in dem Maison du Roi^
stattfindet, auf Kosten der Stadt, die an diesem Abende allge-
mein illuminirt sein wird. Es ist eine merkwürdige Anekdote
in Umlauf, auf die man grosses Gewicht legt, dass Se. königl.
Hoheit weiland Prinz Carl von Lothringen ebenfalls seinen Einzug
durch das Thor von Lacken, denselben Tag, denselben Monat
und zur selben Stunde gehalten habe.'^
Namentlich war das Theater in Brüssel in diesen Tagen
der Schauplatz rauschender Ovationen, in denen der Wechsel
der politischen Stimmung augenfälligen Ausdruck fand. Wäh-
rend der firanzösischen Zwischenherrschaft hatten sich die Schau-
spieler dieses Theaters den Titel: ,Les com^diens belgiques' bei-
gelegt. Seit dem 8. Januar 1793 hi essen sie: ,Comödiens r^unis
de la räpublique fran9aise et belgique^, zwei Tage darnach : ,Les
com^diens de la r^publique fran9aise sous la direction de la
citoyenne Montassier, reunis aux com^diens de la r^publique
belgique^, nach jener berüchtigten Montassier — eigentlich Mar-
garite Brunet — die nach einem abenteuerlichen Leben und
anfänglichen Misserfolgen an der Comedie fran9aise die Leitung
des Theaters zu Nantes und später anderer Bühnen übernahm,
bis sie sich zuletzt trotz der Ghinst, die ihr Marie Antoinette
^ Eine Abbildnngf des Maison du Roy oder Broodhnjs bei Wauters m, 61.
* Metternich an Tranttmansdorff. Bmxelles, le 28 avril 1793. Ver^l. auch
Qachard, Analectes U, 105 — 106; den officiellen Bericht des Erzherzogs
an den Kaiser. Brnxelles, le 1*' mai 1793; Klinkowström, Le comte de
Fersen II, 71. Denkmünze: V. Carl. Lud. arch. Austr. Belg. praef. Brust-
bild im Kürass mit goldenem Yliess. R. Sechszeilig: Fusis fugatis. que Gallis
Belgarom cum principe suo fortuna redux. MDCCXCIII. Lorbeer und Palme,
bei Ameth, Katalog Nr. 469. Die Schilderung bei Duller *, 142 beruht auf
derSchrtft : ,Leben Sr.kOu. Hoheit Karl Ludwig u.s.f.' Nürnberg 1801. S.25ff.
26 VT. Abhsndlnng: t. Zeissberg.
erwies^ der Revolution mit leidenschaftlicher Gluth in die Arme
warf und an der Spitze einer Schauspielertruppe im Gefolge
der Armee nach Brüssel kam, wo sie die damals in Paris be-
liebten Stücke aufführen Hess. Mit dem Einzüge der Oester-
reicher verschwand natürlich ihre Gestalt von der Bühne. Die
Truppe nannte sich jetzt: ,Com^diens de Son Altesse Royale/
Aber auch das Publicum war jetzt ein anderes geworden. Hatten
zuvor die revolutionären Stücke so elektrisirend gewirkt, dass
ein Theil der Zuschauer auf die Bühne sprang, um die Carma-
gnole zu tanzen und die Marseillaise zu singen, so fand jetzt,
am 30. April, in Gegenwart des Erzherzogs eine Vorstellung des
,Hommage de Bruxelles, scfene lyrique de De Beaunoir, musique
de Duquesnoy^ statt, welche der leichtbeweglichen Menge zu
neuen Huldigungsbezeigungen Anlass gab.
Vermuthhch ist es diese ,lyrische Scene*, von der Metter-
nich bemerkt, dass man dieselbe zu BrtLssel dreimal und jedes-
mal mit grösstem Erfolge aufgeführt habe. ,Ich bemerke,*
schliesst Mettemich, ,dass dergleichen zu anderen Zeiten gleich-
giltig wäre, es aber in diesem AugenbUcke nicht ist, wo alle
Völker sozusagen unter dem Eindrucke des wahnsinnigen Rau-
sches stehen, der Frankreich bethört und der grösstentheils auf
jene Gesänge zurückzufahren ist, wie seine grossen Verbrechen
auf die Marseillaise.*^
Der Erzherzog nahm derartige Huldigimgen mit einer Be-
scheidenheit entgegen, die ihm zu um so grösserer Zierde ge-
reichte, je leichter sich sonst das jugendliche Herz, besonders
wenn sich damit der Glanz tUrstlicher Stellung verbindet^
Schmeicheleien zugänglich zeigt. ,Gestern Nachmittag,* schreibt
der Erzherzog am Tage nach seiner Ankunft in Brüssel, wie
gewöhnlich das, was ihm an Ehren zu Theil geworden war,
mit Stillschweigen übergehend, ,habe ich meinen Einzug hier
gehalten, und heute habe ich das Gouvernement übernommen.
Gott gebe, dass Alles gut gehe und dass Du Ursache habest^
mit mir zufrieden zu sein; wenigstens wird es gewiss nicht an
gutem Willen von meiner Seite fehlen, und ich werde keine
Mühe sparen, um Deine Zufriedenheit zu erreichen.**
* Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 21 avril 1798. Copie.
3 Erzherzog^ Carl an Kaiser Franz. Brüssel, den 28. April 1798. Orig. eig.
Belgien nnter der Generalstat thAlterscbaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 27
Wenn man sich die Huldigungen Brüssels gerne gefallen
liess, ja unter den gegebenen Verhältnissen denselben sogar
einen gewissen Werth beilegen zu mllssen glaubte, so sah man
dagegen von ähnlichen Festen, wie sie sonst bei derartigen An-
lässen auch in den übrigen Städten abgehalten zu werden
pflegten, ab, um den Bewohnern, die durch die feindhche In-
vasion harte Einbussen erlitten hatten, die mit solchen Veran-
staltungen verbundenen Kosten zu ersparen.^ Es fiel daher
Mettemich nicht schwer, die Stände von Brabant in diesem
Falle gegen den Vorwurf* knauserischer Sparsamkeit, die ihrer
Opferwilligkeit ein schlimmes Prognostiken stelle, in Schutz zu
nehmen, da ja er selbst es gewesen war, der mit Zustimmung
des Erzherzogs die Stände zur Ersparung von 50.000 Gulden
veranlasst hatte.^
m. Der Hofhält Erzherzog Carls In BrOssel.
Durch die Ernennung des Erzherzogs Carl zum General-
statthalter der österreichischen Niederlande wurde die Bildung
eines neuen Hofstaates fUr denselben bedingt. Aus früherer Zeit
gehörten seiner Umgebung vor Allem WarnsdorflF und Maldeghem
an. Auf Wamsdorff's Rath und mit Zustimmung des Kaisers
nahm, da Wratislaw damals eine Reise nach Wien unternom-
men hatte, der Erzherzog den jungen Hauptmann Graf Collo-
redo (von Wenckheim-Infanterie), Sohn des Conferenzministers,
in seinen Dienst.* Dem Haushalte des Erzherzogs gehörte auch
der Hauptmann Delmotte an, der Vertrauensmann der Erzher-
zogin Maria Christine, mit welcher er in eifrigem Briefwech-
sel stand.
Der Erzherzog wünschte, diesen Kreis alter Bekannter
auch fernerhin beibehalten zu dürfen, ,da es gar zu traurig
wäre, wenn ich Niemand um mich hätte oder Leute zu mir
^ Mettemicli an TrauttmansdorflT, le 23 avril 1793. Copie.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 3 mai 1793. Orig.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Braxelles, le 13 mai 1793. Entw.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser Bierbeck, den 23. März 1793. Orig. eig.
Derselbe an Albert von Sachsen-Teschen. Louvain, ce 24 mars 1793. Orig.
eig. A.-A. Franz ü. an Erzherzog Carl. Wien, den 1. April 1793. A.-A.
Orig. eig.
28 VI. Abhandlung: v. Zeissberg.
nehmen und mit Leuten leben müsste^ so ich nicht kenne und
deren ich nicht sicher wäre/^
Soweit es sich um den Haushalt des Erzherzogs handelte,
fand sich auch der Kaiser bereit, dessen Wünschen Rechnung
zu tragen. Was aber die vier belgischen HofUmter* betraf^ so
musste nach altem Herkommen bei deren Besetzung auf die
eingeborenen Niederländer Rücksicht genommen werden. Wams-
dorflF, entschied der Kaiser, könne fortan nicht mehr als Oberst-
hofmeister fungiren, noch eine andere Hofcharge bekleiden, da
er kein Niederländer und im Lande nicht beliebt sei. ,Du
wirst,' fügte der Kaiser scherzend hinzu, ,den Prinzen von
Gavre,^ der es schon ist (nämhch Grand -mi^tre), speisen
müssen/ Als Grand- marechal fasste der Kaiser den Duc de
Beaufort-Spontin* ins Auge; bezüglich des Amtes eines Oberst-
stallmeisters überliess er Carl die Wahl zwischen Maldeghem
und dem Grafen d' Arberg: ,Ersterer war immer bei Dir; letz-
terer ist nicht ganz im Rufe der Heiligkeit.' Auch bezüglich
der Stelle eines Oberstjägermeisters stellte er die Entscheidung
Carl anheim. ^
Dieser erklärte sich einverstanden mit der eventuellen Er-
nennung Gavre's und Beaufort's. Dagegen berührte es ihn nahe,
dass sein bisheriger Obersthofmeister Wamsdorff für keines jener
Hof ämter in Betracht kommen sollte. Er bat den Kaiser, diesem
die Würde eines Oberststallmeisters, die Maldeghem zugedacht
war, die aber nicht unbedingt mit einem Niederländer besetzt
^ Erzherzog Carl an den Kaiser. Qni^vrecbain, den 19. April 1793. Orig. eig.
* Jenes des Grand-maitre, des Grand-mardchal, des Grand-^uyer und des
Grand -veneur.
' Fran^ois Joseph Prince de Gavre, Comte du S. E. R., Marquis d'Aiseau,
Chevalier de Tordre de la Toison d'or, Chanibellan, Conseiller d^Etat
intime actuel , Gouverneur - capitaine g^nöral , Administrateur g^n^ral,
Souverain - bailli de la ville et comt6 de Namur, G^n^ral-migor au Ser-
vice de S. M. TEmpereur et Roi.
* Fr^döric Auguste Alexandre (Marquis seit 1782) Duc de Beaufort-SponÜn,
Comte de Beauraing et du St. Empire Romaine, Marquis de Florennes,
Vicomte d^Esclaye, Chambellau actnell de S. M. (Biogp-aphie nationale
sub b. V., Yio aber seine Ernennung zum Grossmarscball ÜUschlich in
das Jahr 1794 verlegt ist.)
^ Franz U. an Erzherzog Carl. Wien, den 8. März 1793. Orig. eig.
A.-A.
Balgitn unter der GenenUtattbalterseliaft Erzherxog Carls (1708, 1704). 29
werden müsse^ zn verleihen und dafür Maldegheni; der ohne-
dies Grand -veneur von Brabant sei, zum Oberstjägermeister
zu ernennen. Sollte dies unmöglich sein, so würde er, erklärte
Carl, immer noch Maldeghem dem Grafen d' Arberg vorziehen
und im Einvernehmen mit Mettemich eine geeignete Persönlich-
keit für die Würde eines Oberstjägermeisters in Vorschlag
bringen. In letzterem Falle bat er zugleich, dass Wamsdorff
zum Generalmajor und Generaladjutanten mit der Anstellung
bei ihm ernannt werden möge. '
Der Kaiser verlieh indess zunächst, und zwar ,um^, wie
er sich ausdrückte, ,die Nation noch mehr zu obligiren^, blos
Maldeghem die Würde eines Oberststallmeisters, während Wams-
dorff nach wie vor Adjutant bei dem Erzherzog verbleiben
soUte.* Dieser fühlte sich durch die getroffene Entscheidung
sehr verletzt; er erklärte, seine Stelle niederlegen zu wollen.
Mit Mühe hielt ihn Erzherzog Carl davon zurück; neuerdings
verwendete sich dieser ftlr ihn bei dem Kaiser, den er bat,
Maldeghem zum Oberstkämmerer zu befördern, Wamsdorff zum
Oberststallmeister zu ernennen. ,Solltest Du,' bemerkte er, ,diesen
Antrag genehmigen, so würdest Du mir eine wahre Gnade er-
weisen und mir dadurch einen alten Freund erhalten. Diese
sind unschätzbar, wie Du es selbst aus Erfahrung weisst.'* In
einem Postscript hebt er die Verdienste Wamsdorff's in der
Schlacht bei Neerwinden hervor.* , Anfangs war seine Idee,
deswegen das Kreuz* zu verlangen, allein hernach verhinderte
ihn seine Modestie daran.'
Dass sich die Entscheidung längere Zeit verzögerte, gab
zu mancherlei Gerüchten und Intriguen den Anlass. Die Stände
suchten Merode und Beaufort in den Hofstaat des Erzherzogs
zu bringen, dagegen standen ihnen der Prinz von Gavre imd
Maldeghem nicht zu Gesichte. In demselben Sinne arbeitete
La Valette in Wien. Wamsdorff wieder suchte, so behauptet
' Erzherzog Carl an den Kaiser. Hai, den 26. März 1793. Orig. eig.
' Der Kaiser an Erzherzog Carl. Wien, den April 1793. A.-A. In fran-
zösischer Uebersetzung bei Mortimer-Temaux VI, 538.
' Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 28. April 1793. Orig. eig.
* Siehe den Aufsatz: ,Aldenhofen, Neerwinden, LOwen' (Sitzungsberichte
Bd. CXXVU, 70).
' Das Maria Theresien - Ordenskreuz.
30 VI. Abhaiidluni; : v. Zcissberg.
wcmigstons Dolmotte^ durch den Minister und dessen Frau,
sowie durch den jungen Colloredo, den er ins Haus des Erzher-
xogH gebracht hatte, den Wiener Hof, namentlich den Cabinets-
minister sich günstig zu stimmen. Als er vernahm, dass die
SUindo Duras, d'Overchies und den Bischof von Antwerpen
nach Wien senden wollten, machte er sich an diese, ja selbst
au La Valette und dessen Geführten, den jungen Lalaing und
Van Schorell vor ihrer Reise nach Wien heran.*
Wenn es sich wirklich so verhält, so hatte sich Wams-
dorflf wenigstens in den zuletzt genannten Personen gründlich
goUluscht. La Valette und Lalaing arbeiteten ihm in Wien ent-
gt'gon.* Dagegen war es nicht richtig, wenn man behauptete,
Mottornich begünstige d' Arberg und d'Overchies;' ziemlich con-
form mit dem Erzherzog brachte er vielmehr (javre, Beaofbit
und WarnsdorflP in Vorschlag. Besonders eifrig nahm er sich
dos Lotzten^n an. Auf eine ausdrückliche Anfirage des Kaisers^
erklärte or. dass Wamsdorff's Ernennung im Lande keinen
Ublon Eindruck machen und auf die Geschäfte keinen nack-
Uioiligen Einfluss nehmen werde, während er von Maldegkon
behauptete« dass derselbe geringes Ansehen im Lande geniease
und zurückzutreten gedenke. Bei dieser Gel^enheit brmdile
MotUTuich die Ein(\lhrung von Hofconferenzen in Vorschlag,
in denen joder Chef über die Angelegenheiten seines Departe-
ments Borathungon pflegen und deren Protokolle dem Eniker-
s\^^ zur Entscheidung vor^^^legt werden sollten, um Ordnoap
und iVkononiio in den Hotlialt zu bringen.*
IWh der Kaiser wies diesen Vorschlag zurück und ncser-
saglo OS überhaupt den Departements, sich in die hinsBclMm
Attg^logvnhoitou seines Bruders zu mengen.^ Andererseis Ees
er sich aber auch nicht durch die Wünsche der üim sa ach
wenig svmjvithischen Stände von Brabant beim^n^ iiid<m er
v:}«. Juui^ den IMnzen von Gavre zum Grand-maitre« der
Belgien unter der GenerftUtatthaUcn^cliaft Erzherzog Carls (17US, 1794). 31
gleich die Dienste eines Grand- chambellan leistete, den Herzog
von Beaufort zum Qrand-mar^chal ernannte/ einige Zeit dar-
nach aber die Würde eines Grossstallmeisters Wamsdorff,* die
eines Oberstjägermeisters Maldeghem verlieh.
Damit war der Hofhalt des Erzherzogs im Wesentlichen
gebildet. Den bisherigen Grand-maitre de cuisine, den Comte
de Lalaing^ Vicomte d'Oudenarde, behielt der Erzherzog bei,
ebenso die Capitäne der beiden Leibgarden, jenen der Archers
den Grafen von Woestenraedt und jene der Hallebardiers
Gomignies und Baron CoUns de Ham.'
Es geschah nun aber, was Mettemich vorausgesagt hatte.
Hatte firUher Wamsdorff den Beleidigten gespielt, so fühlte sich
jetzt Maldeghem tief verletzt, und dies mit viel grösserem
Rechte, da ihm bereits die Würde eines Oberststallmeisters zu-
gedacht war und er sich jetzt mit dem der Reihe nach vierten
Hofamte, eines Oberstjägermeisters, begnügen sollte. Mochte man
auch vielleicht zu Gunsten dieser Verftlgung geltend machen,
dass er bereits die ähhUche Würde eines Grand -veneur von
Brabant bekleide, so lehnte er doch die ihm zugedachte Hof-
würde (19. JuU) ab und bat auch um seine Enthebung von der
Stelle eines Grand -veneur von Brabant. Er verreiste auf einige
Zeit nach Flandern und hielt sich fortan vom Hofe ferne, zum
grossen Leidwesen Delmotte's, der hierin nichts als eine Intrigue
des ,Dicken^ (d. i. Wamsdorff) erblickte. ,Mich und den Kleinen
(d. i. Wratislaw)^, schreibt er an die Erzherzogin Maria Christine,
,hat dies sehr betrübt; er war ein anständiger Mensch.'*
Am 19. August wurden der Prinz von Gavre, der Herzog
von Beaufort und Baron Wamsdorff zum Erzherzog beschieden.
^ Ebenda. Delmotte an Maria Christine. Bnixelles, le 10 juillet 1793. Orig.
A..A.
' Im Calendrier de la conr von 1794 wird dieser auch als ,aide-de-camp
g^n^ral an senrice de S. M. rEmpereor et Roi* bezeichnet. Uebrigens
ist der Calendrier von 1794 (vergl. Mettemich an Trauttmansdorff.
Bruzelles, le 8 fävrier 1794) auch sonst im Einzelnen unzuverlässig. 8o
werden S. 164 Erzherzog Carl und Marie Louise als Kinder Kaiser
Franz n. aufgeführt.
' Vergl. Guillaume, Histoire des r^iments nationaux des Pays-Bas 400 — 402.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 24 juillet 1793. Copie. Del-
motte an Maria Christine und Herzog Albert Bruxelles, le 19 juillet, le
16 aoüt, le 27 d^cembre 1793. A.-A. Orig. eig.
32 VI. Abbandlnng: t. Zeissberg.
und es fand deren Prociamation statt; am nächsten Mittwoch er-
folgte in Beisein des Staats- und Kriegssecretftrs die Eides-
leistung.* Bei dieser Gelegenheit kam auch eine Vereinbarung
über das frühere Hofpersonale zustande, das einst von dem
Prinzen Carl von Lothringen auf die Erzherzogin Maria Christine
übergegangen war. Bisher hatte die Letztere die Pensionen dieser
Hofleute (20.000 Gidden) bezahlt. Jetzt wurde sie natürlich von
dieser Verpflichtung entbunden und die Bezahlung von den
belgischen Finanzen übernommen. Um aber auch diese wo-
möglich zu entlasten, fand sich der Erzherzog bereit, die irgend-
wie taughchen Personen in seinen Hofstaat aufzunehmen. ' Doch
ging man hierin wie in allen Dingen mit grosser Sparsamkeit
zu Werke; man beschränkte das Hofpersonale auf das Noth-
wendigste; auch sollte die Compagnie de Thötel allmäÜg von
300 Mann auf die Hälfte reducirt werden. ' Denn die jährliche
Revenue des (jcneralgouvemeurs belief sich zwar auf 385.000
Gulden; aber es verging längere Zeit, bis diese Summen, die
erst von den Ständen bewilligt werden inussten, flüssig gemacht
werden konnten. Vorerst half der Kaiser mit VorschfLssen am
dem TWsor royal aus.
Kaiser Josef H. hatte einstens gegen Uebemahme jener
Pensionen dem Statthalterpaar die beiden aus der Hinteriasseih
Schaft des Prinzen Carl von Lothringen stammenden Schldes^
Marimont (^im Hennegau) ^ und Tervueren zum Nutzgenosse
überlassen. Jetzt hätten dieselben an den Tresor royal zorüct
fallen sollen. Doch beantragte Mettemich, ausser dem Palais
* Delmotte jld Maria Chri5tine nnd Henop An>erL BnixeUc«. ce 19 aoit
1793. Ori^. A.-A. Enhenop Cjirl an den Kaiser. Brosiel. den 21. Angvii
1793. Ori|r. eip.
' Mettemich an Tranttmanfdorff. BnueH«»« le 11 join 1793. Copie. En-
heixop Carl an den Kaüer. Brü»«!. dem 10. Jnni 1793. Ori|r. cogr. TVantt-
manMorff an Men^mich. Vienne« le ^ jnin 1793. Oriir. Enkeraofr Cari
an den Kaijier. BriiMel. den tU Aurast nnd 3. September 1793. Orif.
es|r. Frans IL an Enbenc^ Caii. Laxenbm^. den 24. Aniroj« 1793. Orif.
eif. A.-A.
* Moneniich an TTaT:ninAr.s«^orff. Brr*xelle*. le 7 jnillet 1793. Entw.
* l'ebrr den einsnrvTi Znftanxl t^mi MariTOvni renrl- Le^enne, Le pajv et
le» iardin» de la maÜK>n de plaisance de Marimc'iit sons le« airliidnci
Albert et Iftabelle. 159$ — 1650. In drn Annale» du c««r)e aKhÄOc^qne
de MiMW^ t XVI, 534 ff.
B(Plfien unter der GenerBlstmtthalterschafl Erzherzog Curls (1798, 1794). 33
royal in Brüssel aach jene beiden Schlösser^ deren Besitz dem-
selben besonders wegen der damit verbundenen herrlichen Jagd-
reviere manche Annehmlichkeiten bereiten mochte, dem Erz-
herzog unter derselben Bedingung wie seinen Vorgängern,
nämlich gegen die Verpflichtung, fUr deren Erhaltung Sorge
zutragen, einzuräumen.^ Der Kaiser genehmigte diesen Antrag;
nur sollte Tervueren vorläufig in seinem Stande verbleiben und
dessen beabsichtigter Umbau in ein Jagdschloss auf günstigere
Zeiten verschoben werden.* Zur Uebernahme des Palais royal
und der genannten Schlösser wurde von dem Erzherzog Warns-
dorff ermächtigt.' Am 3. Januar 1794 fand die Uebergabe des
Palais royal, am 23. Januar jene des Schlosses Tervueren, am
27. Januar jene des Schlosses Marimont statt. ^
Der Erzherzog übernahm diese Besitzungen im traurigsten
Zustande, namentlich galt dies von Tervueren, wo das Schloss
während der Unruhen von 1790 aller Eisen- und Bleibestand-
theile beraubt worden war, und wo es im Parke, der noch die
deutlichen Spuren der Verwüstung an sich trug, kein Wild
mehr gab, da man die Umzäunungen gegen den Sonierwald
hin niedergerissen hatte.^ Aber auch das Palais royal hatten die
Franzosen vollständig ausgeplündert. Die Conventscommissäre
hatten Alles verkauft. Kein Tisch, kein Sessel, kein Spiegel war
vorhanden. Die kostbaren Bronzen, der Kamin, der Thron im
Audienzsaale waren gestohlen und verschleppt worden, sogar
die Tapeten hatte man von den Wänden gerissen und die
Fensterscheiben zertrümmert. Die einst von den dankbaren
^ Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 11 juin 1793. Copie. Erz-
herzog Carl an den Kaiser, den 10. Juni 1793. Orig. eig. Mettemich an
Tranttmansdorff. Bmxelles, le 17 aoüt 1793. Entw.
' Tranttmansdorff an Mettemich, 31 aoüt, 13 septembre 1794. Orig.
* Delmotte an Müller, le 28 novembre 1793. Orig. eig. A.-A. Die Voll-
macht datirt vom 20. December 1793.
* Beeogne et Proc^ verbal de Textradition du Palais de Bruxelles, ainsi
que des chftteaux Marimont et de Tervueren avec leurs d^pendances,
meubles et effets k S. A. R. Tarchiduc Charles Louis d' Antriebe, gouver-
nenr-g^n^ral des Pays-Bas Autrichiens. A.-A. Datirt ist dieser für die
damalige innere Einrichtung des Palais royal, sowie der beiden Schlösser
sehr instructive Notariatsact vom 22. Februar 1794.
* Delmotte an Maria Christine. Bmxelles, le 6 septembre 1793. Orig.
eig. A.-A.
Sitnngsber. d. pbil.-hist. Cl. CXXVm. Bd. 6. Abh. 3
34 YI- Abhundinng: v. Zeisaberg.
Belgiern errichtete Statue des Prinzen Carl von Lothringen hatte
man umgestürzt^ und den schönen ^Parc^ hatten die französischen
OfHcicre als Man^e für ihre Pferde benutzt.^ Anfangs fehlte
es an Allem: an Möbeln, Silbergeschirr und Pferden. Das
Te Deum anlässlich der Geburt des Kronprinzen (Ferdinand)
konnte nicht, wie es sonst üblich war, zu St. Gudula abgehalten
werden, da es dem Erzherzog an den zu einem derartigen Auf-
zuge erforderlichen Gala wagen und Galapferden fehlte; die
kirchhche Feier fand daher in der Hofkapelle statt, wo der
Nuntius das Te Deum anstimmte. ^ Aus demselben Grunde nahm
der Erzherzog, der überdies damals unwohl war, auch nicht an
der sonst so prunkvollen Frohnleichnamsprocession theil.' ,Wir
sind,' schreibt Delmotte an die Erzherzogin am 12. Juni, ,80
wie wir ins Feld gezogen sind, im Gegentheil noch schlimmer
als damals besteUt. Se. königl. Hoheit speist noch mit eisernen
Gabeln, da er kein Silbergeräth hat.'^ Am 19. kam der Mar-
stall aus Wien; Wratislaw war es, der die Pferde filr den Era-
herzog zuritt.^ Noch anfangs Juli heisst es: ,Wir sind nun zwei
Monate hier und noch konnte Niemand zu Tisch geladen werden^
denn wir haben nicht einen SilberlöfPel, wir sind, so wie wir
im Feld gewesen.**
Da sonach das Palais roval erst wieder eingerichtet werden
musste« so nahm der Erzherzog hier blos tagsüber sein ,Ab6teig-
quartier* und liielt sieh vorläufig meist in Lacken (Schoenen-
borgh") auf, das Privateigenthum des Herzogs Albert war, von
diesem jedoch ihm zur Verfügung gestellt wurde.*
* Henne und Wauter». 1. o. III, 339.
* Menemieh an Trauttniaustlorff. BruxeUe«. le 7 nuü 1793.
' Delmotte an Maria Christine, Schoenenberiph, le 29 mai a 8 bearm da
skur J793\ Orig. A.-A.
^ Delmotte an Maria Christine und Herzog^ Albert. BmxelleB» ce 13 jmn
1793, i>riy. A.-A.
* Derselbe an dieiselben. Srhoenenber^h, le 22 jnin 1703. Der boUiadifcke
General Warteusleben. der sich mehrere Jahre in Brfisvel aii%elialieB
hatte« sandte damals dem Enheraog ein kleine« türkische Pieni xn, tär
das ihm I2i^ Lui»d\^r anp^U^ten freweä^^en sein sollten. Delmotse aa dcr
snb 6 citirten Su»Ue.
* Delmotte an Albert und Maria Christine. Schoenenbereh, le 1*', 2«. 3 jvillcC
I7i^3- OriiT.
Enhersv"^ Carl an Mener.üoh s. d. A. -A.
* Hort. VC .Vibor: aa Erihen-TC Carl Dpt>»:e, oo 2« t::ai 17*3.
B«lfi«D anter der Oenrralst itthalterficbaft Erzherzog Carls (17»8, 1791). 85
In die Kosten der Wiederherstellung des Palais royal
theilten sich der Kaiser und der Erzherzog.^ Es gelang, eine
Anzahl von Möbeln des Palastes um denselben Preis zurück-
zukaufen, um den sie von den Franzosen veräussert worden
waren. Die Kosten des Ameublements überhaupt, 28.000 Gulden,
trug der Kaiser allein. ^ Da es dem Erzherzog an einer silbernen
VaisseUe gebrach, eine solche aber unter 80.000 Gulden nicht
zu beschaffen war, bat er den Kaiser, ihm gelegentlich einen
Service von Wiener Porzellan zu schicken.* Wie es scheint,
willfahrte der Kaiser der Bitte und versorgte den KeUer des
Erzherzogs auch mit Tokayer, der in Brüssel nicht zu be-
kommen war.*
Die WiederhersteUungsarbeiten an dem Palais gingen je-
doch anfangs äusserst langsam von statten.^ Erst die vertrau-
liche Mittheilung des Kaisers, dass er im November nach Bel-
gien zu kommen gedenke, gab den Arbeiten einen kräftigen
Impuls,^ so dass der Erzherzog am 1. November seine Appar-
tements zum ersten Male eröffnen konnte. ,Das Palais,^ meldete
Mettemich, ,ist wieder hergestellt, in anständiger, wenn auch be-
scheidener Weise. Am 4., d. i. am Namenstag des Prinzen,
wird Gala sein, Morgens Cercle, Abends Appartement. Man wird
in Trauer erscheinen. Der folgende Tag (5.) ist zur Wieder-
aufiichtung der Statue des Prinzen Carl bestimmt.^ ^
Der Erzherzog brachte den Winter in Brüssel zu. Nur
fanden wöchentlich zwei- oder dreimal Fuchsjagden in dem
kleinen Parke von Tervueren statt. Der Oberst Brady, ein
passionirter Jäger, der Marquis de Gavre, Traizignies und
^ Erzherzog Carl au den Kaiser. Brüssel, den 21. August und den 3. Sep-
tember 1793. Orig. eig.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 24 jnillet 1793.
' Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 3. September 1793. Orig. eig.
^ ESrzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 26. September 1793. Copie.
A.-A. Franz II. an Erzherzog Carl. Wien, den 11. October 1793. Orig.
eig. A.-A.
* Delmotte*8 Briefe an Maria Christine vom 22. Juli, 16. Angfust, 8. und
10. September 1793. A.-A.
* Delmotte an dieselbe. Bruxelles, le 10 octobre 1793. Orig. A.-A. Franz II.
an Erzherzog Carl. Laxenbnrg, den 22. September 1793. Orig. A.-A.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 1*' novembre 1793. Copie.
3*
36 VI. Abtaandlung: t. Zeissberg.
D'OcttiDghem waren die gewöhDlichen Jagdgefkhrten des Prinzen,
der sich auf diese Art, sowie durch längere Spazierritte körper-
lich zu stählen suchte.^
Auch trat jetzt der Erzherzog im gesellschaftlichen Leben
häufiger hervor. Zwischen Mens, dem Winterquartiere Coburg'«,
und der Hauptstadt Brüssel herrschte ein reger Verkehr. Gäste
reisten ab und zu, denn Coburg pflegte grosse Tafel zu halten,
und die Besuche, die er gelegentlich von dem Erzherzog (Ende
Docember), dem Herzog von York und dem Ek'bprinzen von
Uranien erhielt, gaben zu Bällen und Festen Anlass,* die, wenn
hinwiederum Coburg und seine Gäste nach Brüssel kamen, von
dem Erzherzog und dem Minister erwiedert wurden. Besonders
im Februar 1794 herrschte in Brüssel ein lebhaftes Faschings-
trciben. Coburg und York, der englische Prinz Adolf und der
Erbprinz von Oranien kamen wiederholt nach Brüssel Am
1. März trafen die Prinzessin-Mutter von Oranien, der Erb-
prinz von Oranien sammt Gemahlin, sowie der Erbprinz von
Braunschweig, ebenfalls mit seiner Frau, ein.' Der E^henog
gab zu Ehren seiner Gäste grosse Cercles, der Minister ver
anstaltete Bälle und der sonst so ernste Mercy Maskeraden.^
Besonderer Glanz wurde bei diesen Anlässen fireilich nicht
entfaltet, wie denn unter Anderem die von Coburg veranstalte-
ten Gelage neben der Unterhaltung der jugendlichen Heer-
ftlhrer den Zweck verfolgten, die Stimmung der Trappen za
heben. Sonst floss das Leben des Erzherzogs ziemlich ein&ch
und gleichmässig dahin. Es war dies umsomehr der Fall, ab
auch die Physiognomie der Stadt Brüssel den Wechsel der
Zeiten nicht verkennen Hess. Selbst der einst so lärmende
Haufe der Emigranten war stiller geworden, seitdem Marquis
Caraman seine Diners nicht mehr bezahlen konnte und die
Prinzessin von Montmorency dem Prinzen von Ligne gestehen
musste, dass sie nur 12 Louis in ihrem Vermögen besitze und
sich einem Modehämllor der Stadt zu Nachtarbeit vei
^ Delmotte an Maria ChristiDe, le tl dec^mbre ^lidS"^. Oiip. cig-. A.-A.
' Mettemicli an Trauttmausdorfr. BnueUets« le 1*^ aiax«, le 4 man IT
Ori^.
• Witzleben Orig. A.-A.
Belgien vnter der Qenonktatthaltorscbaft Frzberzog Csrls (179S, 17M). 37
wolle, und so manches von den Ahnen ererbte Kleinod in den
Sfont de piet^ von Brüssel wanderte.*
Nur das CeremonieU des Hofes und das diplomatische
Corps erinnerten noch an die glänzendere Vergangenheit. Seit-
dem sich Belgien in österreichischem Besitze befand, war es
das erste Mal, dass ein Erzherzog als Generalstatthalter an die
Spitze der Niederlande trat. Es ergaben sich daraus verschie-
dene Fragen der Etiquette, in Bezug auf die sich Mettemich
Weisungen erbat.* Von Wien aus wurde auf* die am Hofe des
Erzherzogs Ferdinand zu Mailand übUchen Formen verwiesen;*
doch konnte Mettemich flLgUch geltend machen, dass die Stellung
des Generalstatthalters der Niederlande jener des Statthalters
der Lombardei nicht vollständig analog sei, dass jener gewisse
£3irenrechte geniesse, die diesem nicht zukämen, insbesondere
dass am BrUsseler Hofe verschiedene Gesandte, ja sogar ein
päpstlicher Nuntius accreditirt sei.* Den päpstUchen Stuhl ver-
trat in Brüssel (seit Februar 1793*) der Nuntius Conte Cesare
de Brancadoro,* der sich indess in der Folge, wenn auch
nicht bei Mettemich, so doch bei der Wiener Regierung,^ wie
zuvor bei Maria Christine® durch seine Hinneigung zu den
Ständen discreditirte. Auch die übrigen Gesandten, die mit der
Osterreichischen Armee das Land verlassen hatten, kehrten jetzt
nach Brüssel zurück; so Lord Elgin, der schon im letzten Jahre
die Functionen eines ,bevollmächtigten Ministers und ausser-
ordentlichen Gesandten' des Königs von England bekleidet hatte
und im August 1793 dem Erzherzoge seine neuen Creditive
überreichte,* durch sein intrigantes Wesen aber bald Anstoss
erregte. Auch der G^nerallieutenant Graf Tauentzien, der bis
^ Briefwechsel des Grafen MontvaUat. Erinnerangen an die französische
Emigration von 1792—1797. Herausg. von W. M. Zürich 1868. 8. 146.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 29 janyier 1794. Orig.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 11 f^vrier 1794. Ong.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 23 f^vrier 1794. Orig.
* Ph. Cobenzl an Mettemich. Yienne, le 13 fSvrier 1793.
* Im Calendrier de la cour von 1794: Brauerdoro.
* Thugnt an Colloredo, le 22 juillet 1796; Vivenot, Vertrauliche Briefe
I, 246.
■ Maria Christine an den Kurfürsten von COln, ce 22 aoüt 1796. Orig.
eig. A.-A.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 6 aoüt 1793.
38 VI. Abhandlung: v. Zeissberg.
(laLiu prcussischer jVlilitärbevollmächtigtcr bei der Armee Cobarg's
gewesen und dem später eine so glänzende militärische Lauf-
bahn besehieden war, wurde als preussischer Gesandter zu
Brüssel beglaubigt, indess bereits zu Anfang 1794 wieder ab-
berufen und durch den Grafen Dönhoff, Rittmeister und Flügel-
adjutanten des Königs, ersetzt, der bisher Gesandter bei der Eid-
genossenschaft gewesen war und in Brüssel nun gleich seinem
Vorgänger zugleich als MiUtärbevollmächtigter fungirte. Als sol-
cher fand er bei dem damahgen Chef des General-Quartier-
meisterstabes, Mack, freundliches Entgegenkommen; die bitte-
ren Klagen über die Abgeschlossenheit, zu der man ihn zwinge,
stammen erst aus späterer Zeit.^ Bevollmächtigter Minister
HoUands war Baron de Hop, den Kurfürsten von der Pfalz
vertrat Graf Vieregg, den Maltheserorden der Bailli Chevalier
Texien d'Hautefeuille, den Fürstbischof von Lttttich dessen
Geheimrath und Geschäf^träger Dotrenge.
In der Besetzung der grossen Hofkmter trat unter der
kurzen Statthalterschaf); des Erzherzogs Carl keine Aenderung
mehr ein. Die Stelle eines Grand-veneur bUeb auch weiterhin
unbesetzt. Als sich das Gerücht verbreitete, der Herzog von
Beaufort wolle sich bewerben, dass ihm ausser seiner Würde
eines Hofmarschalls auch die Functionen eines Oberstkämmerers
übertragen würden, die seit den Tagen des Prinzen Carl von
Lothringen der Prinz von Gavre versehen hatte, sprach sich
der Erzherzog gegen die Berücksichtigung eines derartigen An-
suchens entschieden aus, nicht nur, weil Gavre, der ,alte, ehr-
Uche, brave Mann' es als ein Zeichen unverdienter Ungnade
betrachten müsse, wenn man ihn einer Stellung entkleiden
wolle, die er seit langer Zeit in zufriedenstellender Weise aus-
geflült habe, sondern auch, weil bereits die Ernennung Bean-
fort's zum Grossmarschall in Anbetracht seines höchst anstössi-
gen Benehmens während der Revolution unangenehmes Ao&ehen
gemacht habe und weil, falb man ihm auch die Functionen
eines Obristkämmerers übertrage, zu besorgen stehe, dass es
zwischen ihm und den Kammerherren, besonders den WaUonen-
OfHeieren, die Hitzköpfe und Zeugen seines unwürdigen Ver-
^ Mettemieh an Tntuttmaiisdorff. Broxelles, le 27 janvier 1794. Witaleben
a. a. O. n, 36.
Belfi«! unter der GeneralitftttliaUorRcliaft Erzherzog Carls (1799, 1794). 39
haltens gewesen seien, zu peinlichen Scenen kommen könnte.^
Doch erwies sich das Ganze als leeres Gerede. ,Was Deine
Hofchargen anbelangt/ schrieb der Kaiser, ,so habe ich nie an
eine Aenderung gedacht, ohne darüber eher Dich zu ver-
nehmen/ *
Traten die Hofwtirdenträger nur bei feierlichen Anlässen
hervor, so wurde das häusliche Leben des Erzherzogs durch
seine nächste Umgebung bestimmt. Es waren noch immer die-
selben Männer, die schon zuvor in seinen Diensten gestanden
hatten. Leider herrschte unter denselben nicht jene Eintracht,
die allein geeignet gewesen wäre, dem jungen, vereinsamten
Erzherzoge wenigstens einigen Ersatz für den gänzlichen Mangel
eines FamiUenlebens zu bieten. Namentlich war es Wamsdorff,
dessen Ehrgeiz und Unverträglichkeit bereits Maldeghem seine
Stellung verleidet hatte und nun auch den übrigen Herren lästig
fiel. Delmotte, auf dem fast ausschliesslich die Last der Geschäfte
ruhte,' sehnte sich aus dieser Stellimg heraus; er war entschlos-
sen, wenn sich die Verhältnisse nicht bald ändern würden, zu
seinem Regimente zurückzukehren.* Auch Wratislaw wollte nicht
länger bleiben, trotz aller Vorstellungen des Erzherzogs, der
ihn umsomehr schätzte, als er sich bei Aldenhofen hervorge-
than hatte. ^
Der Erzherzog zeigte sich stets gleich gütig gegen seine
Umgebung; er schien nichts zu merken von dem, was um ihn
vorging. Mit Besorgniss glaubte Delmotte wahrzunehmen, dass
er sich von Wamsdorff leiten lasse; er befürchtete, dass der
Einfluss des harten, jähzornigen Mannes den Erzherzog selbst
um die Neigung des Landes bringen werde. ^ Aber wir werden
wohl nicht irregehen, wenn wir den Grund seiner Nachsicht
in diesem Falle nicht blos auf die Macht der Gewohnheit imd
auf allzugrosse Nachgiebigkeit, sondern auf die Rücksichten
> Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 21. December 1793. Orig. eig.
' Der Kaiser an Erzherzog Carl. Wien, den 11. Jänner 1794. Orig. eig. A.-A.
* Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert, s. d. Orig. eig. A.-A.
* Derselbe an dieselben, le l•^ 2«, 3 juillet 1793. Orig. eig. A.-A.
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Kolduc, den 2. Martii 1793. Orig. eig.
Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert Bruxelles, le 16 aoüt
1793. Orig. eig. A.-A.
* Delmotte an dieselben, le 1«', 2«, 3 juillet 1793. Orig. eig. A.-A.
40 VI. Abhandlnni^: t. Zeitsberg.
zui*llckilllu*eu^ welche derselbe einem Maune tragen zu sollen
glaubte^ dem er nicht nur als einstigem Erzieher zu Dank ve^
pflichtet war, sondern der sich erst jüngst im Felde in einer
Weise hervorgethan hatte, die ihm in der Folge (1794) das
Maria Theresienkreuz eintrug.
Man fUldte sich übrigens erst etwas behaglich, als Wams-
dorfF sich in einem anderen Hause einlogirte. Namentlich galt
dies von Delmotte, der nun nicht mehr zu Airchten brauchte,
spät Abends von diesem auf seiner vertraulichen Correspondenz
mit der Erzherzogin ertappt zu werden. ,Wir sind jetzt häufiger
allein mit unserem guten Herrn und können tmgenirt mit ihm
sprechen. Wamsdoff kommt Meißens vor der Messe, dann zur
Zeit, da der Erzherzog ausreitet, was täglich der Fall und sehr
nothwendig fUr seine Gesundheit ist, und zwar Montag, Mittwoch
und Freitag wegen der Audienzen von 11 — 1^', ühr, Dienstag,
Donnerstag und Samstag von 9 — 11 Uhr, um sodann zur Con-
ferenz zurück zu sein. Nach dieser Promenade kehrt der Baron
nach Hause zurück oder begibt sich zu Mettemich, sein Lieb-
lingshaus, und wir sehen ihn erst beim Diner wieder, worauf
er bis zur Theaterstunde bei uns bleibt. Manchmal geht er ins
Theater. Doch geschieht dies nicht regelmässig. Nach dem
Theater wünscht er ims an der Treppe ,6ute Nacht' und ent-
fernt sich. Er ist jetzt weniger herrisch tmd ftngt an zu merken,
dass sein Herr Oberwasser gewinnt. Freilich wohl nicht genug.' ^
Erfreulich war es, dass sich auch der junge CoUoredo im All-
gemeinen an Wratislaw und Delmotte anschloss. Letzterer konnte
nicht umhin, ihn als einen, wenn auch vielleicht beschränkten,
so doch gutmüthigen tmd höchst anständigen jungen Mann n
bezeichnen.*
Hatten sich so die Verhältnisse im Hanse des Erzhenogs
fUr den AugenbUck etwas leidlicher gestaltet, so blickte der
treue Delmotte doch nicht ohne neue Sorge in die nächste
Zukunft. l>enn der ,Kleine\ wie er scherzhaft Wratislaw numte,
fühlte sich in seiner SteUung dauernd unbehaglich nnd dachte
daher ernstlich daran, im nächsten Frühling wieder bei der
* IVlmott« «u Maria Christine oimI Hermof Alben. Bnixell«^ \t IC
vwubn? I7t3^ OrijT, A.-A.
' Der^^lbe an dieselben. Broxelles. le 7 join, le 17 decembre ITfS. On^.
A..A.
Belgien unter der Generalstatthaltorschaft Erzherzog Carls (179S, 1794). 41
Truppe einzurücken. Für diesen Fall hatte Warnsdorff die er-
ledigte Stelle seinem Bruder, Major im Regimente Würzburg,
einem Manne, wie es heisst, ohne jede höhere Bildung, zugedacht,
der übrigens auch selbst durch Beaufort, Merode und den
Minister, dessen Haus er eifrig besuchte, ans Ziel zu kommen
trachtete. Ein anderer nicht minder geftlhrlicher Bewerber war
der Vicomte de Nieidant, der trotz ihrer gegenseitigen Ent-
zweiung mit Wamsdorflf und Maldeghem auf gutem Fusse stand
und sich auf jede Weise bei dem Erzherzog einzuschmeicheln
sachte. Unter diesen Umständen legte es Delmotte dem Erz-
herzog nahe, Wratislaw dauernd an sich zu fesseln, seine Stelle
vorläufig unbesetzt und ihm, während er im Felde stehe, seine
Zulage zu belassen. Sollte aber der Erzherzog trotzdem ent-
schlossen sein, den dritten Kämmererposten in seinem Hause
wieder zu besetzen, so wies Delmotte auf D'Oettinghem hin:
,Er stammt aus dem Lande, ist ein äusserst anständiger und
sanfter Mensch, hat eine gute Conduite und ist ganz und gar
flir diesen Platz geeignet. Ausserdem liebt ihn der Erzherzog
bereits in hohem Masse.' ^
Gütig und dankbar wie immer, verwendete sich der Erz-
herzog ftlr Wratislaw bei dem Kaiser, indem er ihn bat, den-
selben bei einem Freicorps oder bei irgend einem anderen vor
dem Feinde dienenden Eegimente als Major anzustellen. ,Sollten
wir dann wieder Frieden bekommen,' setzt er hinzu, ,so werde
ich suchen, ihn dahin zu bringen, wieder zu mir zu kommen,
da es mir hart fallen müsste, einen so ehrlichen, braven Mann,
der nun schon zwei Jahre bei mir war, entbehren zu müssen.'*
Uebrigens kam es nicht dazu; vermuthlich war es der sinkende
Einfluss Wamsdorfifs, der Wratislaw bewog, von seinem Vor-
baben abzustehen. ,Die zwei Chinesen,' wie sie der Erzherzog
im Scherze zu nennen pflegte, Colloredo und Wratislaw, blieben
im Hause und schmiegten sich immer enger ihrem geliebten
Herrn an.
Leibarzt Carls war ein gewisser Dr. Wolf, bis derselbe
jacobinischer Gesinnung verdächtigt und von dem Kaiser eine
^ Delmotte an Maria Christine. Bruxelles, le 16 aoüt, le 27 novembre, le
17 d^cembre (1793). Orig. eig. A.-A. Erzherzog Carl an den Kaiser.
Tirlemont, den 21. März 1793. Orig. eig.
' Erzherzog Carl an Ii^anz II. Brüssel, den 6. December 1798. Orig. eig.
42 VI. Abhandlnng: ▼. Zeissberg.
Uutersucliuug wider ihn augeordnet wurde. ^ Natürlich büsste
er darüber seine Stellung ein. Im Calendrier de la cour von
1794 wird er nicht mehr genannt. Die Stelle eines Leibarztes
war jetzt überhaupt nicht besetzt. Als ^Leibchirurg' des Erz-
herzogs erscheint Hubertus, ein Zögling des Josefinums in Wien,
der zuvor als Bataillonschirurg bei dem Militär gedient hatte,
und dem auf Wunsch Carls der Charakter und die Uniform
eines Stabschirurgen, doch ohne Gehalt, zugestanden wurde.'
Indess erwies sich gleich so manchen ähnlichen Verdäch-
tigungen jener Zeit auch die gegen Wolf ausgestreute als völlig
unbegründet. Denn nur unter dieser Voraussetzung konnte es
geschehen, dass sich derselbe zu Anfang des Jahres 1795 um
seine Wiederanstellung bei dem Erzherzog bewarb. Zwar wollte
ihn der Kaiser vielmehr mit Belassung seiner Bezüge ins Wiener
allgemeine Krankenhaus versetzen.' In der Folge finden wir
ihn aber doch auf Empfehlung des berühmten Arztes Lfagusios
bei dem Erzherzog wieder angestellt,^ ja bestimmt, denselben
zur Armee zu begleiten,^ während Hubertus zur Truppe ein-
rücken sollte,^ wovon man aber bald wieder abkam.
lY. Aas dem Privatleben des Erzherzogs.
Unter den geschilderten Verhältnissen mochte das häus-
liche Leben des Erzherzogs wohl wenig Erfreuhches bieten.
Von den Personen getrennt, die ihn zärthch liebten, und denen
auch er in der Verehrung und Liebe eines Sohnes ergeben
war, sah er sich von Männern umgeben, die zwar, woran nicht
zu zweifeln ist, ihm insgesammt zugethan, die aber unter sich
uneinig und zum Theile mit ihren Stellungen unzufrieden waren,
und imter denen, von ihrem meist noch jugendlichen Alter ab-
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 17 döcembre 1793. eig. En-
herzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 80. December 1793. Orig. eig.
Der Kaiser an Erxherxog Carl. Wien, den 11. Jänner 1794. Orig. eig.
' Vortrag Lac/s vom 11. Februar 1794 und kaxserl. Resolution. Kr.-A.
' Erzherzog Carl an Delmotte. Vienne, ce 3 fSvrier 1796. Orig. A.-A.
* Maria Christine an Delmotte. Angsboorg, ce 24 avril 1795. Orig. A.-A.
^ Dieselbe an denselben, ce 4 mai 1795. Orig. A.-A.
" Lacy an den Kaiser. Neuwaldegg, den 21. Juli 1795. Kr.-A.
Belgien inker der GenenlsUtthalterschaft Enbenog Cu-lt (179S. 17M). 43
gesehen, sich keiner befand, der etwa durch hervorragende
Begabung einen tieferen Einfluss auf die geistige und moraliBche
Entwicklung Cark zu üben vermochte, wie er selbst in einem
späteren Rückblicke auf diese Zeit bedauernd hervorhebt. Im
Ghrunde auf sich selbst angewiesen, stählte sich dieser in der Er-
füllung der ihm übertragenen harten Pflicht und suchte tmd
fand fast nur in jenen Ausflügen Erholung, die er mit Erlaub-
niss des Kaisers zu seiner militärischen Ausbildung in das Haupt-
quartier des Prinzen Coburg unternahm. Gewöhnlich fand er
sich ein, wenn irgend ein grösseres Unternehmen im Werke
war, kehrte aber*nach wenigen Tagen immer wieder zu seinen
Amtsgeschäften nach Brüssel zurück.
Es heisst, dass er auf einem der ersten dieser Ausflüge in
die Gefahr gerieth, von den Franzosen gefangengenommen zu
werden. ,Seine königl. Hoheit der Erzherzog Carl,' schreibt der
,heimliche Botschafter', eine sonst allerdings mit vieler Vorsicht
zu gebrauchende Quelle,^ unter dem 14. Mai 1793, ,werden
nicht mehr zur Armee gehen, da Höchstdieselben ihr kostbares
Leben zu sehr der Gefahr aussetzen; bei Valenciennes wäre
der Erzherzog, da er sich zu weit vorwärts wagte, beinahe ge-
fiwgen worden. Der Erzherzog war schon vom Feinde umrungen
und nur durch die Tapferkeit des Mourray'schen Regiments wurde
er gerettet, da dies Regiment ein Quarrt um den Prinzen schloss
und so unter beständigem Gefechte ihn bis zu seinem Corps,
das er commandirte, zurückbrachte.' Und imter dem 21. Mai
heisst es in derselben Quelle: ,Seine königl. Hoheit der EIrz-
herzog Carl gehen nicht mehr zur Armee und haben den Bitten
der niederländischen Stände, sein kostbares Leben nicht mehr
aufe Spiel zu setzen, nachgegeben, und werden künftighin das
Gouvemeurspalais in Brüssel immer bewohnen.'^ Freilich steht
es im Widerspruche damit, wenn es in derselben Quelle unter
dem 7. Juni heisst, dass der Erzherzog der Belagerung von
Condö beiwohnen werde und deswegen bereits von Brüssel zur
Armee abgegangen sei.^
1 Kaniiscr. der Hofbibliothek in Wien; über den Autor: Standinger vergeh
Warzbach s. h. v.
* Ebenda, S. 82 b.
' Ebenda, S. 92 a.
44 VI. Abh&ndliing : v. Zeissberg.
Ist nun aber auch in dieser Fassung die Angabe zu ver-
werfen, da die betreffende Quelle sich selbst und den nachfol-
genden Thatsachen widerspricht, so scheint sie doch nicht ganz
gegenstandslos gewesen zu sein, wie man aus dem Schreiben
ersieht, das Dumouriez ebenfalls am 14. Mai von Mei^entheim
aus an den Erzherzog richtete und das mit den Worten beginnt:
,Ich habe erfahren, dass Eure königl. Hoheit Gefahr gelaufen
sind, gefangen genommen zu werden. Ich war entsetzt darüber.
In was für Hände wäre ein Ftlrst gefallen, der für das Wohl
des Volkes nöthig ist. Diese Meinung, welche ich mir über Sie
gebildet habe, ist es, die mir das grösste Interesse an Ihrer
Erhaltung und Ihrem Euhme einflösst. Eure Hoheit müssen es
über sich gewinnen, jenen, den man mit den Waffen gewinnt,
dem zu opfern, der die Frucht der Bürgertugenden ist. Ge-
statten Sie diesen Kath einem alten Kriegsmanne, der den mili-
tärischen Ruhm nicht höher anschlägt, als er es werth ist'^
Die allerdings sehr fömüiche Antwort des Erzherzogs* auf
diesen Brief geht über die in letzterem enthaltene Anspielung
schweigend hinweg, und auch sonst findet sich — namentlich
auch in der sonst in solchen Dingen sehr gesprächigen Corre-
spondenz Delmotte's — keine Andeutung dieser Art. Aber gerade
der Umstand, dass der Erzherzog über die Sache schweigt,
scheint sie zuzugeben. Undenkbar wäre es gewiss nicht, dass
schon damals französischerseits versucht worden wäre, sich des
Erzherzogs zu bemächtigen, wie denn im späteren Verlaufe des
Jahres 1793 noch einmal sich das Gerücht von einem Complot
der Jacobiner verbreitete, das dahin zielen sollte, über Charleroy
ein Cavalleriecorps nach Brüssel zu senden, um den Erzherzog,
Mercy und Mettemich als Geiseln fiir die verhafteten Convents-
commissäre aufzuheben, ein Gerücht, das damals Coburg sogar
den Anlass zu einigen Gegenvorkehrungen gab.' Thatsache
ist übrigens blos, dass sich Erzherzog Carl am 4. Mai ins
^ Dumouriez an Erzherzog Carl. Mergentheim, le 14 mai 1798. Orig. eig.
St.-A. Abgedruckt bei Mortimer-Temaux, 1. c. VI, 589, wo aber der
Anfang verstümmelt ist.
> Erzherzog Carl an Dumouriez. Bruxellee, le 21 mal 1792. Entw. Metter-
nich*s.
' Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert Bruxelles, le 81 octobre
1793. Orig. A.-A.
B«lgi«n unter der G«n«ralsUtthalter8chaft Enbenog Carls (1798, 1704). 45
Hauptquartier begab, um der Einladung Coburg's zufolge dem
Te Daum beizuwohnen, das am 5. ftlr den Sieg vom 1. Mai
über Dampierre gesungen wurde.*
Am 22. Mai wohnte der Erzherzog der Eröffnung der
Trancheen vor Cond^ bei.* Am 23. kam es zur Schlacht bei
Famars, deren nächste Folge die Einschliessung von Valen-
ciennes war. Am 24. kehrte Carl nach Brlissel zurück,' wo er
unmittelbar darnach an einem Fieber erkrankte.* Doch erholte
er sich rasch wieder und begab sich (12. Juni) nach Valcn-
ciennes, um die dort eröffneten Trancheen zu besichtigen.^ Es
war ein buntes, ungemein fesselndes Bild, das sich dem auf-
merksamen Beobachter vor Valenciennes darbot, wo bei Etris
rechts von der Strasse das englische Lager, reinlicher als das
Ankleidezimmer einer deutschen Modedame, stand, während
links das kaiserliche vielfach an die Zustände an der türkischen
und croatischen Grenze erinnerte. Aber dem Erzherzog mochten
auch die Unterschiede der Nationalcharaktere nicht entgehen,
wenn er wahrnahm, wie der Ungar oder Slovenier, immer genüg-
sam und thätig, in Mussestunden die Gelegenheit wahrnahm,
eine Kegelbahn anzulegen, oder sich im Laufen und Springen
zu üben, während der Hesse die Ruhepausen verschlief, der
Engländer spazieren ging oder sich und die Zelte putzte, der
Hannoveraner kochte und ass. Einen eigenthümlichen AnbUck
mochte ihm auch eine Wanderung durch die Trancheen ge-
währen: die fast unheimUche Stille, mit der hier jeder, was
ihm zukam, ohne dass ein Befehl nöthig war, verrichtete, und
selbst der jüngste österreichische Bombardier über den Hergang
* Mettemich an Trauttmansdoff, 4 mal 1793. Erzherzog Carl an den Kaiser.
Brüssel, den 6. Mai 1793.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 22 mai 1793. Vergl. Erz-
herzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 18. Mai 1793. Orig. eig. Nach
dem Moniteur Nr. 156, p. 669 erfolgte die Abreise Carls ins Haupt-
quartier am 21. Mai.
' Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 26. Mai 1793. Orig. eig.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 26 Mai 1793. Briefe Del-
motte's an Maria Christine vom 26., 27., 28. und 30. Mai und vom 2. Juni.
Orig. A.-A. Vergl. auch Trauttmansdorff au Colloredo. Orig. eig. ohne
Datum (pres. 6 juin 1793).
' Delmotte an Maria Christine. Bmxelles, le 12 juin, le 16 juin. Orig. eig.
A.-A. Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 18 juin 1793.
46 VI. Abhandlang: v. ZeisHberg.
der Belagerung Bescheid zu geben wusste^ indess die Engländer
in den Laufgräben wie in einer Wachtstube bei Ramflasche
oder Punschbowle sich gütlich thaten, der Hesse aber sein
Pfeifchen schmauchte und, wenn es nicht anders ging, im
Stehen schlief. ^
Uebrigens verband mit diesem Ausfluge nach Valenciennes
der Erzherzog noch eine andere Absicht. Es verlautete nämlich,
dass sich der Prinz von Wales bei der Armee einfinden werde.
Carl wollte sich die Qelegenheit nicht entgehen lassen, um sich
mit demselben zu befreimden. Er meinte, dass dies, da man
sich mit England enger verbinden wolle, nicht ganz werthlos
sei, zumal der König zu altem beginne. Wohl erwies sich jenes
Gerücht als falsch, hingegen suchte sich jetzt der Erzherzog
aus demselben Grunde dem Herzog von York zu nähern,* der
den Oberbefehl über die engHschen Truppen fllhrte und gleich
seinen Brüdern, den Herzogen von Kent und Cumberland,
durch manche kühne Waffenthat glänzte. Es hing wol mit dem
fortan ziemlich lebhaften Verkehr Carls mit diesem Prinzen zu-
sammen, dass sich das übrigens völlig unbegründete Gerücht
der bevorstehenden Vermählung des Erzherzogs mit einer eng-
Uschen Prinzessin verbreiten konnte.'
Am 16. Juni kehrte der Erzherzog nach Brüssel zurück.
Am 18. treffen wir ihn zu Schoenenbergh, wo man im Parke,
wenn kein widriger Wind blies, jeden Kanonenschuss von
Valenciennes hören konnte.* Wie Delmotte versichert, war sein
Herr trostlos, der Belagerung nicht beiwohnen zu können, son-
dern an Conferenzen theilnehmen zu müssen, in denen der
Minister keinen Schritt vorwärts kam.^ Carl selbst schrieb an
seinen Oheim: ,Sobald alle Batterien errichtet sein werden,
gehe ich zur Armee, um sie spielen zu sehen, das wird ein
Heidenlärm sein.'^*
Zuvor aber ging es nach Cond^, denn am 11. Juli Mor-
gens traf der Kürassierrittmeister Graf Rosenberg, den gegen
^ Girtanner, Politische Annalen III, 1793, S. 480 ff.
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 8. Juni 1793. Orig. eig.
» »Der lieimliche Botschafter* 166 a zum 16. October 1793. Moniteur Nr. 88.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert, lo 16 et 18 juin 1793.
» Delmotte an Maria Christine, le 1«', 2«, 3 juillet 1793. Orig. A.-A.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert, le 18 juin 1703. Orig. eig. A.-A.
Belgien nntcr der Gonenil»tatthaltcrscbaft Krzherzog Carls (17!h1, I7!M). 47
den Wunsch des Erzherzogs* Mcttemich mit zwölf Postillons
in die Stadt einreiten liess, mit der Nachricht in Brüssel ein,
dass Cond^ capitulirt habe.* In Folge dessen reiste der Erz-
herzog am folgenden Tag nach dieser Festung.*
,Am 13./ erzählt Delmotte, ,kam er um 2 Uhr Morgens
in der Eremitage an, wo er bei dem Prinzen von Würtemberg'
(dem Eroberer von Condö) ,sich einlogirte. Um 7 Uhr begaben
wir uns nach Cocq, um die 4008 Mann starke Garnison^ ab-
ziehen zu sehen, die sehr gut aussah, trotz der Hungersnoth,
unter der sie durch einige Zeit gelitten hatte. Sie zogen mit
allen kriegerischen Ehren ab, mit ihrer Artillerie und ihren
Pulverwagen (caissons). Als sie in Cocq anlangten, streckten
sie die Waffen und marschirten nach Peruwels, wo sie die
Nacht zubrachten. Das ganze Corps des Prinzen von Würtem-
berg bildete längs der Strasse Spalier, vom Stadtthore an. Auch
Ihre Division Chevauxlegers befand sich dabei; sie ist süperb,
man kann nichts Schöneres sehen. Se. königl. Hoheit sprach in
gütiger Weise mit Chancel, dem Commandanten von Condö.
Als sich der Erzherzog entfernte, rief jener aus: „Ach Gott!
hätten wir doch in Frankreich königliche Prinzen wie diesen
gehabt, es wäre nie zu einer Kevolution in tmserem armen
Lande gekommen, wir hätten sie angebetet; wie glücklich sind
Sie^ meine Herren!^' Um 11 Uhr begaben wir uns in die Stadt,
besichtigten die Werke, die noch unversehrt sind, imd fanden
über 105 Feuerschlünde vor. Die Municipalität der Stadt trug
noch die tricolore Schärpe; Graf Mercy befahl ihnen, dieselbe
sofort abzulegen, tmd cassirte anigleich diese Behörde. General-
major Czemezy wurde Platzeommandant, der Civilcommissär
Maco de Toumy Chef der Stadt, um Alles zu regeln. Wir
speisten sodann bei dem Prinzen von Würtemberg in der
Heremitage; der Tafel wohnten bei: der Herz<^ von York, die
Prinzen Ernst und Adolf von England, der Sohn des Herzogs
von Braunschweig, Prinz Coburg, FZM. Clerfayt und alle ihre
Adjutanten. Man brachte nur einen Toast aus, und zwar auf die
Sieger von Conde. Es ging dabei ebenso heiter als anständig
* Metteniich an Erzherxog Carl, le 11 jnillet 1793, Ori^. eig. A.-A.
' Debnoftte an Maria Christine, le 11 joillet, an moment dn d^part. (frig^. A.-A.
' Metternich an Tnuttmanadorff. Bruxüilen, le 12 jnillet 1793. Copie,
* Nach Witzleben IL 220 waren en 277 ^'^fficiere nnd -Ußff.i Mann
46 VI. Abbandlang: v. Zeissberg.
der Belagerung Bescheid zu geben wusste^ indess die Engländer
in den Laufgräben wie in einer Wachtstube bei Rumflasche
oder Punschbowle sich gütlich thaten^ der Hesse aber sein
Pfeifchen schmauchte und^ wenn es nicht anders ging, im
Stehen schlief. ^
Uebrigens verband mit diesem Ausfluge nach Valencienne«
der Erzherzog noch eine andere Absicht. Es verlautete nämlich^
dass sich der Prinz von Wales bei der Armee einfinden werde.
Carl wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, um sich
mit demselben zu befreimden. Er meinte, dass dies, da man
sich mit England enger verbinden wolle, nicht ganz werthlos
sei, zumal der König zu altem beginne. Wohl erwies sich jenes
Gerücht als falsch, hingegen suchte sich jetzt der Erzherzog
aus demselben Grunde dem Herzog von York zu nähern,* der
den Oberbefehl über die englischen Truppen fllhrte und gleich
seinen Brüdern, den Herzogen von Kent und • Cumberland,
durch manche kühne Waffenthat glänzte. Es hing wol mit dem
fortan ziemlich lebhaften Verkehr Carls mit diesem Prinzen zu-
sammen, dass sich das übrigens völlig unbegründete Gerücht
der bevorstehenden Vermählung des Erzherzogs mit einer eng-
lischen Prinzessin verbreiten konnte.'
Am 16. Juni kehrte der Erzherzog nach Brüssel zurück.
Am 18. treffen wir ihn zu Schoenenbergh, wo man im Parke,
wenn kein widriger Wind blies, jeden Kanonenschuss von
Valenciennes hören konnte.* Wie Delmotte versichert, war sein
Herr trostlos, der Belagerung nicht beiwohnen zu können, son-
dern an Conferenzen theilnehmen zu müssen, in denen der
Minister keinen Schritt vorwärts kam.^ Carl selbst schrieb an
seinen Oheim: ,Sobald alle Batterien errichtet sein werden,
gehe ich zur Armee, um sie spielen zu sehen, das wird ein
Heidenlärm sein.'®
Zuvor aber ging es nach Cond^, denn am 11. Juli Mor-
gens traf der Kürassierrittmeister Graf Rosenberg, den gegen
^ Qirtanner, Politische Annalen III, 1793, S. 480 ff.
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 8. Juni 1793. Orig. eig.
* ,Der heimliche Botschafter* 166 a zum 16. October 1793. Moniteur Nr. 88.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert, le 16 et 18 jnin 1793.
» Delmotte an Maria Christine, le 1«% 2«, 3 juillet 1793. Orig. A.-A.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert, le 18 jiiin 1793. Orig. eig. A.-A.
Belfpen nnt^r der G«iieraUUttbaltenchAft Enherzng Carls (1793, 1794). 47
den Wunsch des Enherzogs^ Mettemich mit zwölf Postillons
in die Stadt einreiten liess, mit der Nachricht in Brüssel ein,
dass Cond^ capitulirt habe. ^ In Folge dessen reiste der Erz-
herzog am folgenden Tag nach dieser Festung.^
,Am 13./ erzählt Delmotte, ^kam er um 2 Uhr Morgens
in der Eremitage an, wo er bei dem Prinzen von Würtembcrg'
(dem Eroberer von Condö) ,8ich einlogirte. Um 7 Uhr begaben
wir uns nach Cocq, um die 4008 Mann starke Garnison^ ab-
ziehen zu sehen, die sehr gut aussah, trotz der Hungersnoth,
unter der sie durch einige Zeit gelitten hatte. Sic zogen mit
allen kriegerischen Ehren ab, mit ihrer Artillerie imd ihren
Pulverwagen (caissons). Als sie in Cocq anlangten, streckten
sie die Waflfen und marschirten nach Peruwels, wo sie die
Nacht zubrachten. Das ganze Corps des Prinzen von Würtcm-
berg bildete längs der Strasse Spalier, vom Stadtthore an. Auch
Ihre Division Chevauxlegers befand sich dabei; sie ist süperb,
man kann nichts Schöneres sehen. Se. königl. Hoheit sprach in
gütiger Weise mit Chancel, dem Commandanten von Cond^.
Als sich der Erzherzog entfernte, rief jener aus: „Ach Gott!
hätten wir doch in Frankreich königliche Prinzen wie diesen
gehabt, es wäre nie zu einer Kevolution in unserem armen
Lande gekommen, wir hätten sie angebetet; wie glücklich sind
Sie, meine Herren!^' Um 11 Uhr begaben wir uns in die Stadt,
besichtigten die Werke, die noch unversehrt sind, und fanden
über 105 Feuerschlünde vor. Die Mimicipalität der Stadt trug
noch die tricolore Schärpe; Graf Mercy befahl ihnen, dieselbe
sofort abzulegen, und cassirte zugleich diese Behörde. General-
major Czemezy wurde Platzcommandant, der Civilcommissär
Maco de Toumy Chef der Stadt, um Alles zu regeln. Wir
speisten sodann bei dem Prinzen von Würtemberg in der
Heremitage; der Tafel wohnten bei: der Herzog von York, die
Prinzen Ernst und Adolf von England, der Sohn des Herzogs
von Braunschweig, Prinz Coburg, FZM. Clerfayt und alle ihre
Adjutanten. Man brachte nur einen Toast aus, und zwar auf die
Sieger von Cond^. Es ging dabei ebenso heiter als anständig
» Metternich an Erzherzog Carl, le 11 juillet 1793. Orig. eig. A.-A.
* Delmotte an Maria Christine, le 11 juillet, au moment du d6part. Orig. A.-A.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 12 juillet 1793. Copie.
* Nach Witzleben II, 220 waren es 277 Officiere und 4009 Mann.
4o VI. Abhandlung: v. Zcittberg.
ZU. Nach Tisch gingen wir nach Aubry (bei Valenciennes), wo
wir in einem kleinen Schlosse mit drei Zimmern einquartirt sind.
Die dritte Parallele war fertig, und wir wurden durch den
Donner der Kanonen belästigt, der unaufhörlich wiederhallte.
Heute Morgens war das Feuer excessiv. Wir gehen um 7 Uhr
nach Herin^ (dem Hauptquartiere Coburg's), ,um dem Te Deum
beizuwohnen, das vor dem Lager der Grenadiere abgehalten
und von der Observations-, der Belagerungsarmee, allen Corps
zu Cond^ wiederholt werden soll. Wir speisen bei dem Prin-
zen Coburg.^ ^
Auch dem FZM. Ferraris stattete bei dieser Gelegenheit
Erzherzog Carl einen Besuch ab.* In der Nacht vom 18. bis
19. Juli kehrte dieser nach Brüssel zurück.*
Interessant ist, was Erzherzog Carl selbst über diesen
kurzen Ausflug zu erzählen weiss. ,Ich habe am 13. d.,' schreibt
er an seinen Oheim Herzog Albert, ,um 10 Uhr Morgens die
Garnison von Condä abziehen gesehen. Sie belief sich auf
4009 Mann. Man hatte ein Späher gebildet von der Festung
bis Cocq mit den Truppen der Blokade, nämUch 2 Bataillone
Josef Colloredo, 1 Bataillon Wartensleben, 1 Bataillon d' Alton,
den Chevauxlegers Ihres Regiments, die sich süperb ausnahmen,
und den Regimentern Saxe, Berchiny imd Royal Allemand.
Die Garnison, Chancel an der Spitze, rückte aus unter Trommel-
schlag und mit fliegenden Fahnen in bester Ordnung. Zu Cocq
streckten sie die Waffen; sie thaten dies schweigend, aber man
sah den Schmerz auf ihren Gesichtern; sodann ftLhrte man sie
nach Peruwels, von wo sie nach Cöln durch 1 Bataillon d' Alton
und 2 Peletons Blankenstein escortirt werden. An der Spitze
der Garnison marschii^te eine Compagnie Grenadiere, Linien-
truppe, die sehr schön war, die übrigen Linientruppen war^i
passable, die Nationalgarde aber sah erbärmlich aus. Es war
nichts als Canaille, Kinder, insgesammt zerlumpt und zerfetzt^
von unglaubUcher Unsauberkeit (saloperie). Darunter befanden
sich auch zwei junge Mädchen, die bitteriich weinten; sie trugen
^ Delmotte an Maria Christine und Herzog Albert. Aubry, le 14 (julUet) k
öVs heures de matin 1793. Orig. A.-A.
' Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 18. Juli 1793. Orig.
^ Delmotte an Herzog Albert und Maria Christine. Bruxelles, le 19 juillet
1793. Orig. A.-A.
Belgien nnter der Genenlstattbalter-siliaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 49
die Uniform der Nationalgarde, aber ohne Gewehr. Chancel
macht einen sehr respectablen Eindruck. Man fand Cond^ in
ziemlich gutem Zustande: 95 Kanonen und Mörser, zahlreiche
Munition, aber keine Lebensmittel. Wir wurden mit Schweigen
und ohne ein Zeichen der Freude empfangen, was ganz natür-
lich ist^i
Am 28. Juli capitulirte Valeneiennes ; am 29. Abends eilte
der Erzherzog wieder dahin. ^ Dem Umstände, dass auch Graf
Fersen sich damals nach Valeneiennes begab und über diesen
Ausflug Mancherlei in seinem Tagebuch vermerkte, verdanken
wir auch einige Details über die Reise des Erzherzogs.
So erfahren wir, dass sich dieser am 31. Juh zu Kaismes
befand, wo sich damals der Armeeintendant Bartenstein auf-
hielt, der ein Diner zu Ehren des Erzherzogs und des Prinzen
Coburg gab, dem auch Mercy beigezogen wurde. Am 1. August
traf Fersen den Erzherzog früh Morgens zu Aubry und be-
gleitete denselben in Coburg' s Hauptquartier nach Hörin. Im
Gefolge des Erzherzogs wird bei dieser Gelegenheit Wamsdorff
genannt Die ganze Gesellschaft brach von hier um 7 Uhr Mor-
gens auf, um zunächst auf einem der drei Dämme, die man
errichtet hatte, das Inundationsgebiet zu Fri in Augenschein
zu nehmen. ,Um 8 Uhr,' föhrt Fersen zu erzählen fort, ,kamen
wir nach La Briguette; die englischen, österreichischen imd
hannoverischen Truppen waren bereits angelangt und formirten
sich zu einem Spalier, das die Franzosen passiren sollten. Diese
Versammlung der schönsten Truppen Europas bot ein ebenso
einziges als seltenes Schaustück dar. Die engUschen Truppen
waren ztmächst der Stadt postirt. Die Formation währte sehr
lange, und es schien mir, als ob sie nicht gerade sehr gut ge-
troffen seL Um 9 Uhr, zur Stunde, in der die Garnison abziehen
sollte, benachrichtigte man den Herzog von York, dass die
(Convent8-)Commissäre' den Anspruch erhöben, an der Spitze
der Garnison auszurücken. Der Herzog von York liess ihnen
sagen, dass er Commissäre nicht kenne, und dass, wenn sie ab-
ziehen wollten, sie dies entweder in Uniform thun oder sich unter
^ Erzherzog Carl an Herzog Albert. Schoenenbergh, ce 21 juillet 1793. Orig.
A.-A.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 29 juillet 1793. Copie.
' Jean de Brie und Cochon. Wiener Zeitung 2438.
Sitznngsber. d. phil.-bist. Cl. CXXVIII. Bd. 6. Abb. 4
50 ^- AbhandlQDg: ▼. Zeissberg.
den Tross mischen müssten. Coburg stimmte ihm bei, Mercy
dagegen schien anderer Ansicht. Doch der Herzog von York
blieb dabei und sandte Saint-Löger ab, um ihnen dies zu sagen.
Man hätte gewünscht, dass sie das Volk in Valenciennes ver-
haftete, und man würde dies in jeder Weise erleichtert haben.
Am Abende zuvor hiess es auch, dass dies geschehen werde,
aber man hatte sich getäuscht.'^
Statt indess der Erzählung Fersen's weiter zu folgen,*
ziehen wir es vor, den anschaulichen Bericht mitzutheilen, den
Erzherzog Carl seinem Oheim Herzog Albert über den Auszug
der französischen Garnison aus Valenciennes erstattete und der
die Erzählung des schwedischen Diplomaten in willkommener
Weise ergänzt.
,Der Auszug der Garnison,' erzählt Erzherzog Carl, ,fand
am 2. August^ Morgens statt. Den Zug eröffnete Madame
Cochon, die Gattin des (Convent8-)Commi8Särs, begleitet von
einer Anzahl hübscher Mädchen und Frauen von Paris und
einigen Bürgern von Valenciennes. Die Garnison bestand aus
6000 Mann, theils Linientruppen, theils Nationalgardisten, und
aus 1000 Kanonieren. General Ferrand befand sich an der
Spitze, desgleichen General Boileau und Tholoze, der Chef der
Ingenieurs. Sie benahmen sich äusserst artig. Dagegen zog
General Beauregard, einst Komödiant, nicht einmal den Säbel
und lüftete nicht den Hut vor dem Herzoge von York und dem
Prinzen von Coburg. Die Commissäre marschirten nach ihrem
Range; sie hatten den Gesichtsausdruck grosser Schurke (sce-
lörats). Da man nicht wusste, was man mit ihnen anfangen
sollte, hatte man ihrer in der Capitulation nicht ausdrücklich
gedacht, sondern blos gesagt, dass es jedem Bürger nach Be-
lieben gestattet sein solle, mit der französischen Armee Valen-
ciennes zu verlassen. Die französische Besatzimg marschirte in
geringer Ordnimg, defilirte vor der englischen und hannoverischen
und einem Theile unserer Armee und wurde zu den Vorposten
der französischen Armee geflüirt, nachdem sie die WaflFen nieder-
* Klinkowström, Le comte de Femen II, 77 ff.
' Vergl. auch den interessanten Brief bei Girtanner, Politische Annalen IV,
1793, S. 8 ff.
^ Das ist ein Irrthum; vielmehr muss es heissen: 1. August.
Belgien nnter der OeneraUtuttbalt^^rscbaft Erzherzug CarU (l7{tS, 1794). 51
gelegt hatte. Sechs Deserteurs, die man unter den Franzosen
entdeckte^ wurden ohne Gnade und Erbarmen gehenkt. Nach-
dem die Garnison ausgerückt war, begaben wir uns in die Stadt.
Die Municipalität kam uns zum Empfange entgegen und über-
reichte die Schlüssel dem Prinzen von Coburg. Wir wurden mit
vielen Zeichen der Freude empfangen.^ Ich eilte durch die Stadt,
begierig, zu sehen, welche Wirkung unsere Artillerie daselbst
hervorgerufen habe, und ich kann Sie versichern, dass ich mir
eine solche Wirkung nicht vorgestellt hätte. Der ganze an der
Frontseite gelegene Stadttheil existirt sozusagen nicht mehr.
Alle Häuser sind zusammengestürzt, und die Strassen sind mit
Trümmern so erfüllt, dass man kaum Einer hinter dem Andern
vorwärts kommt Zwei grosse Kirchen, der grösste Thurm von
Valenciennes sind fast eingestürzt, und man sieht nur noch zwei
Mauern von dem grössten Thurme der Stadt, der dem Feinde
als Observatorium diente. Und all' dies ohne eine Spur von
Feuer, denn wir haben nie die Stadt mit glühenden Kugeln
beschossen. Man wird Jahre bedürfen, um dem abzuhelfen.
Was die Werke des Platzes betriflft, so sind ihre Mauern so
zu Grunde gerichtet und eingestürzt, dass man die Aussen-
werke erstürmen konnte, ohne Breschenbatterien angelegt zu
haben, und die Innenwerke so schadhaft, dass sich in weniger als
zwölf Stunden eine prakticable Bresche hätte herstellen lassen.' *
Am 2. August um 7 Uhr Morgens fand sich der Erz-
herzog zu Hörin im Hauptquartiere Coburg's ein ; von da begab
man sich zur Observationsarmee, weichein zwei Linien auf den
Höhen vor Denain lag. Die Truppen, durchaus Oesterreicher,
gewährten einen prächtigen Anblick; namentlich die Hussaren,
die vor acht Tagen aus Kaschau eingetroffen waren und aus-
sahen, als wären sie eben erst aus ihren Quartieren gekommen.
£b fand ein Te Deum statt, welches sowohl der Einnahme von
Valenciennes, als jener der Stadt und Festung Mainz galt. Als
man sich sodann Mittags zu einem Diner, das in der Kirche
^ Im Gegensatze hieza heisst es in dem officiellen Berichte der ,Wiener
Zeitang': «B^i dein Einrücken der k. k. Truppen herrschte in der Stadt
tiefe Stille; nar einige auf dem Platze versammelte Personen weiblichen
Geschlechts klatschten in die Hände/ Wiener Zeitung 2437.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert zu Sachsen-Teschen. Bruxelles, ce 7 aoüt
1793. Orig. A.-A.
4*
52 VI. Abhandlnng: t. Zeissberg.
stattfand, versammelte, traf die Nachricht ein, dass Wunnser
die Franzosen bei Weissen bürg zurückgeworfen habe.^
Am 4. August befand sich der Erzherzog wieder in Brüs-
sel,* wo aus demselben Anlasse zu St. Gudule ein feierlicher
Gottesdienst stattfand und Abends die Stadt beleuchtet war. Im
September besuchte der Erzherzog die Festung Le Quesnoy,
wozu deren Capitulation den Anlass gab.' Am 15. September
kehrte er wieder nach Brüssel zurück,* um sich am 26. neuer-
dings zur Armee zu begeben, da am 28. und 29. der AngriflP
auf das verschanzte Lager von Maubeuge stattfinden sollte.^
Es wurde bereits bemerkt, dass der Erzherzog bis in den
Spätherbst meist auf dem Lande zu Laeken weilte. Hier fand
der bekannte Augeard öfters Gelegenheit, den Erzherzog za
sprechen. Auf dessen Wunsch fand er sich jeden Sonntag
Mittags bei ihm ein, um ihm Vortrag über die Ursachen und
Folgen der französischen Revolution zu halten. ,Ich habe nie,'
bemerkt Augeard, ,ich will nicht sagen einen jungen Prinzen,
nein, einen jungen Mann gefunden, der mehr Eifer für das
Gute und mehr Ruhmbegierde gezeigt hätte als Erzherzog Carl
Ich sagte ihm damals voraus, dass er sich die höchste Achtung
in Europa erwerben werde. Niemand kennt besser als er die
Unfähigkeit und die Thorheit der Minister des unglücklichen
Ludwig XVI. Er schien stets auf das Aeusserste der Königin
zugethan und gerührt über ihre traurige Lage und trug mir
auf, dem Grafen Mercy Alles mitzutheilen, was ich aus Ver-
sailles erfahren könnte.*^ Auch auf Malmesbury, der den Er«-
herzog am 5. December sprach, machte derselbe den günstigsten
Eindruck : , Well mannered and speaking to the purpose,^ ver-
merkt er über ihn in sein Tagebuch.'
Am 31. October wurde der Sejour in Laeken aufgehoben,
und der Erzherzog bezog das wiederhei^esteUte Palais royal
* Fersen II, 81. Wiener Zeitung, Beilage Nr. 64.
« Wiener Zeitung 2437.
' Delmotte an Maria Christine. Bruxelles, le 12 septembre 1798. Orig.
eig. A.-A.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert, le 16 septembre 1798. Orig. eig. A.-A.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 26. September 1798. Orig.
eig. Delmotte an Maria Christine. Bruxelles, le 2 octobre 1798. Orig. A.-A.
* Augeard 808.
' Maline.sbury, Diaries and corresp. lU, 15.
BolfiMi unter der Oeoeralstatthalterschaft Erzherzog Carls (1793, 17M). 53
in Brüssel.^ Vielleicht hing es mit der veränderten Lebens-
weise, vielleicht auch mit dem tiefen Eindrucke, den auf ihn der
tragische Ausgang der Königin von Frankreich machte,' zu-
sammen, dass der Erzherzog bald darnach (Anfangs November)
fieberkrank wurde, so dass er genöthigt war, einige Tage das
Bett zu hüten. In dem betreffenden Briefe an den Kaiser geht
nämlich zwar der Erzherzog, der es überhaupt nicht liebte, die
Regungen seiner Seele zu erschlicssen, mit wenigen Worten
über die erschütternde Katastrophe seiner königlichen Tante
hinweg, indem er blos bemerkt, dass er die übliche Hoftrauer
angeordnet habe 5^ dass aber das Ereigniss ihn heftig bew^egte,
da^ ist wohl Augeard ein zuverlässiger Zeuge, so ungerecht
auch sein Urtheil über Mercy lautet, mit dem er sich auf Carls
Wunsch zur Rettung der Königin in Verbindung gesetzt hatte,
der ihn aber ziemhch trocken abgefertigt haben soll.*
Zwar erholte sich auch diesmal Carl bald wieder — schon
am 5. November verliess er zum ersten Male das Bett ^ — und
seine Genesung rief in Brüssel die grösste Freude hervor.^
Man beging sein Namensfest nachträglich, am 12. November,
mit einem Hochamte, einer Illumination und einem Festspiele
im Theater du Parc, betitelt: ,L' Hommage de Bruxelles', dem
ein anderes Stück: ,Les yeux de l'amour et du hazard^ folgte.''
Auch wurde aus diesem Anlasse die Statue des Prinzen Carl
wieder aufgerichtet. Aber von den gewöhnlichen Ausflügen zur
Armee war wohl in Anbetracht des Gesundheitszustandes Carls
und der bereits vorgerückten Jahreszeit nicht mehr die Rede.
1 Delmotte an Maria Christine. Bruxelles, le 31 octobre 1793. Orig. A.-A.
' Mettemich an Trauttmanfldorff, le 4 novembre 1793. Copie.
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 20. Octobre. Orig. eig.
* Augeard 208. Vergl. aber Vivenot-Zeissberg UI, 275, Nr. 177 und 330,
Nr. 202. Bacourt II, 418 ff. 426 ff.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 11 novembre 1793. Orig.
Delmotte an Maria Christine. Bnixelles, le 6 novembre 1793. Orig. A.-A.
* Delmotte an Maria Christine, le 14 (novembre) k 10 heures du soir. Orig.
A.-A.
^ Das Festspiel ist gedruckt (A.-A.) und betitelt: ^a, nouvelle Dibutade,
Bouquet pour le jour de St. Charles, fete de S. A. R. Tarchiduc Charles,
gouvemeur des Pays-Bas. Ex^cut^ dans la salle du Parc, devant 8. A. R.,
le mardi 12 novembre 1792. Par Mr. de Beaunoir, a Bruxelles. Chez
J. L. de Bonbers, imprimeur libraire 1793. 8^*
54 ^I- Abhandlung : t. Zeissberg.
y. Die Stellung des Erzherzogs als Generalstatthalter
im Allgemeinen. — Sein Yerhältniss zu den Ständen
und zu Metternich.
Wir kennen bereits die Stimmung, in der Erzherzog Carl
die Statthalterschaft der Niederlande übernahm; wir wissen^
wie ungern er seinem mihtärisehen Berufe entsagte, um sich
einer Thätigkeit zu widmen, der er sich nicht gewachsen wähnte,
und die ihm durch die Voraussicht, dass es zu neuen unfirucht-
baren Kämpfen mit den Ständen von Brabant kommen werde,
von vorneherein verleidet wurde. Und diese Stimmung beherrschte
ihn auch in der Folge. Beweis dessen sind zahlreiche Briefe
desselben an vertraute Freunde, namentlich aber an den Kaiser,
in denen er sich mit einer für sein Alter bemerkenswerthen
Klarheit und Klugheit über die Vorgänge in dem ihm anver-
trauten Lande aussprach, aber auch deutUch zu erkennen gab,
dass er sich ebensowenig als in seinem häuslichen Leben in
dem ihm übertragenen pohtischen Wirkungskreise glücklich
fiihlte, ja dass er schon durch die erste Berührung mit jenen
unerquicklichen Verhältnissen angewidert und entmuthigt wurde,
und daher den Wunsch, seiner Aufgabe so bald wie möglich
wieder enthoben zu werden, durchschimmern Hess.
TieferbKekenden entging diese Stimmung nicht. ,Ich glaube
wohl,' schrieb am 22. Juni Feltz, der frühere Staats- und Kriegs-
secretär, an ihn, ,dass in gewisser Beziehung zu dem, was gegen-
wärtig geschieht, das General-Gouvernement wenig Anziehungs-
kraft für Eure königl. Hoheit haben dürfte. Ihre Seele ist zu
gross, Ihr Genie zu erhaben, Ihr Urtheil zu gesund, um nicht
so manche der Verfügungen zu beklagen, die in Ihrem Namen
erflossen sind, gegen die Würde und gegen die wahren Inter-
essen der Krönet ^
Besonders bemerkcnswerth aber fUr die anfängliche Stim-
mung des Erzherzogs ist ein Brief, den er ungefkhr einen
Monat nach seinem Amtsantritte an den Kaiser richtete. Der
Brief Uegt uns nicht blos in dem an den Letzteren abgesandten
Originale in deutscher Sprache vor; ausnahujsweise hat ihn der
1 Feltz an Erzherzog Carl. Mastricht, lo 22 juin 1793. Orig. eig. A.-A.
Belgien anter der Generalstatthalterscbaft Erzherzog Carls (1793, 17M). 55
Erzherzog zuerst in französischer Sprache concipirt und diesen
Entwurf dem Grafen Mercy vorgelegt, der denselben mit eini-
gen Bemerkungen in Bleifederschrift versah, die eine spätere
Hand vor der Gefahr des Verwischens dadurch bewahrte, dass
sie dieselbe nachträglich mit Tinte nachzog.^
Das Schreiben ist, wie gesagt, wenige Wochen, nachdem
der Erzherzog die Statthalterschaft angetreten hatte, verfasst. Es
könnte daher auf den ersten Blick wohl befremden, dass er,
ohne zuvor Erfahrungen auf diesem Gebiete gesammelt zu haben,
sich bereits anheischig machte, sein Urtheil über die innere
Lage Belgiens abzugeben. Allein wir dürfen nicht übersehen,
dass Carl nun schon seit längerer Zeit in Belgien weilte, und
dass er sich daselbst keine Gelegenheit, seinen politischen Blick
zu schärfen, entschlüpfen Hess. Wenn er nun überdies den Ent-
wurf jenes Schreibens einem so erfahrenen und kundigen Manne
wie Mercy zur Prüfung vorlegte, so zeigt dies, mit welcher
Vorsicht und Bescheidenheit er auch in diesem Falle zu
Werke ging.
,Du hast von mir verlangt,' so lautet der merkwürdige
Brief, ,dass ich Dir die Wahrheit und meine Art, über die
Affairen dieses Landes [zu denken], schreiben solle. Erlaube
mir einige Bemerkungen, so ich in dem kurzen Zeiträume eines
Monats, so ich erst hier bin, gemacht habe. Das Land war
in drei Parteien getheilt: die der Stände, der RoyaHsten und
[der] Demokraten. Die erste war die beträchtlichste, und man
hat sich vorgenommen, selbe zu gewinnen. Man hat den Ständen
in den strittigen Punkten nachgegeben, und ich glaube, dass
dies nöthig war, um die Ruhe in dem Lande wieder herzu-
stellen; alle Verbrechen, so während der Revolution begangen
worden, hast Du verziehen, und dies macht Deinem Herzen
und Deiner Grossmuth Ehre; endhch hat man alle Diejenigen
vom Gouvernement entfernt, so der ganzen Nation verhasst
waren. Dies Opfer war flir das öflfentliche Wohl nöthig, und
bisher, glaube ich, wird Niemand Ursache haben, sich zu be-
klagen oder die Operationen des Gouvernements zu tadeln.
^ Erzherzog Carl an Franz ü. Brüssel, den 18. Mai 1793. Orig. in deutscher
Sprache im 8t.-A. Der ebenfalls eigenhändige französische Entwarf im
A.-A. Die Randbemerkungen Mercy^s werden nachstehend in den Anmer-
kungen mitgetheilt.
56 VI. Abhandlang : t. Zeissberg.
Allein hier sollte man sich aufhalten und nie einer Partei er-
lauben, sich zu rühren oder den Kopf zu heben. Die vergan-
genen Verbrechen hätte ich verziehen, aber nie die Dienste
vergessen, welche Diejenigen geleistet, so dem Souverän zuge-
than waren, flir den sie ihr Glück, ihr Hab und Gut au%e-
opfert haben. Dem Publicum musste man Gleichgiltigkeit für
alle Parteien zeigen; allein durch die Erfahrung unterrichtet^
wer ehrliche Leute und wer Spitzbuben^ sind, sich deren be-
dienen, ohne diese zu Verstössen. Da die Departements sozu-
sagen directe dem Souverän zugehören und in seinen Diensten
stehen, so sollte man diese mit ehrUchen, dem Souverän zuge-
thanen Leuten besetzen, und denen wenigen Intriguanten, so
nicht den Wunsch der Nation ausdrücken, und welche so lange
schreien werden, bis nicht der Souverän lauter ihrige Creaturen
in seine Dienste genommen haben wird, sollte man ewiges Still-
schweigen auferlegen. Die Magistrate^ sollten aus Personen
von allen drei Parteien zusammengesetzt werden, um sich gegen-
seitig im Gleichgewichte zu erhalten, und gewiss hätten sie dann
dem Souverän und dem Lande gut gedient [und wären ihm]
nützUch gewesen. Die Pensionärs der Stände, welche diese
leiten, müssen geschmeichelt, ihnen Gnaden und Belohnungen
hoffen gemacht w^erden, dann und wann [muss man] etwas f&r
sie thun, sie immer anhören, sich aber nie in ihre Arme werfen,
nie [sollten] sie um Alles zu Rathe gefragt werden, in Allem
gefolgt werden. Dies war nach meiner Meinung der Weg, wel-
chen man einschlagen sollte, gewiss wäre er von Statten ge-
gangen, wenn man zu gleicher Zeit durch eine noble Stand-
hailigkeit den Ständen über alle übrigen Forderungen, so sie
hätten machen* können, den Mund gesperrt hätte. Zufrieden,
die Constitution und über die strittigen Punkte eine ihren Wün-
schen gemässe Entscheidung erhalten zu haben, steht es ihnen
nicht an, dem Souverän vorzuschreiben, was er thun, wen er
in seine Dienste nehmen oder nicht nehmen solle o. s. w. Allem
wer wird sich jemals trauen, standhaft femer mit den Ständen
zu reden und zu handeln, wenn man nicht sicher ist, von Wien
^ Im fT«Qid«u5che& Eutwnrfe: tripous.
* Dain Mercy jun Rjuide de« t'nuii(!s«UcheD Entwurfes: «aecur« iBfiBimcBt
juste et la :$eule qne 1«» Prvvinces ;üeut demauiiee « U f— tig^ 4e t TSlX.'
Belgitn unter der Generalstattb alterschaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 57
aus unterstützt zu werden? Anstatt nach denen Grundsätzen zu
Iiandeln, so ich hier angeführt habe, hat man gerade das Gegen-
theil gethan. Nachdem die Constitution hergestellt/ denen vorigen
Klagen der Stände war genug gethan worden, hat man weiteren
unschicksamen Forderungen Gehör gegeben, so man gar nicht
aufkommen lassen sollte. Denn seit wann soll es Unterthanen
erlaubt sein, dem Souverän den Weg vorzuschreiben, den er
einschlagen solle, ihnen Gesetze zu geben? Man hat vielen
Personen ihre Anstellung weggenommen, weil die Stände ohne
gegründeter Ursache sagten, diese missfielen der Nation, und
dies, weil sie zwei oder drei Personen missfielen, so die Stände
leiteten. Man hat Ungerechtigkeiten begangen, um ihnen zu ge-
fiällen, und erst kürzlich hat das Conseil de Brabant einen Ein-
bruch in die Constitution gemacht,* indem es den Procureur
göneral seiner Anstellung entsetzt hat, so vermöge der ersten
Artikel der Joyeuse entröe nicht ohne einen Process und einen
darauf erfolgten Rechtsspruch geschehen kann. EndUch hat man
bei den Aenderungen der Magistrate, so eben vor sich ge-
gangen sind, nur die Pensionärs, die wüthigsten Anhänger der
Stände zu Rathe gezogen, und die Magistrate sind, anstatt ge-
mischt zu sein, blos aus Leuten besetzt, so den Ständen er-
geben sind, und so sich während der Revolution der schauer-
lichsten Verbrechen schuldig gemacht haben. Da man sich
dadurch ganz in die Arme der Stände geworfen hat, hat man
seinen Endzweck verfehlt. Man wollte sie gewinnen, man hat
sich blos ihre Verachtung zugezogen, und Royalisten und Demo-
kraten sind nun noch aufgebrachter wider den Souverän und
das Gouvernement, als es je die Anhänger der Stände waren,
so dass, wenn heute eine Revolution vorgeht, der Souverän
Niemand mehr finden wird, der es mit ihm wird halten wollen.
Was ich Dir hier schreibe, sind nicht pure Worte oder Ideen,
ich habe Beweise davon neulich gehabt, als ich zu G^nt war,
wo ich einige wüthige Anhänger der Stände triumphirend, alle
^ Franzöaischer Text: la Constitution comme eile 6toit sous le r^ne de
Marie Tb^rcse.
* Hiezu bemerkt Mercy am Rande des französischen Entwurfes: ,obser-
vation d^autant plus importante qu^elle prouve avec quelle impudence
on pr^nd astreindre le souverain k une Constitution que Ton n'b^site
pas de violer manifestement, quand cela convient aux Etats/
Öo VI. AbhandluDg: v. Zeissberg.
Uebrigen aber traurig und abgeschlagen gefunden habe. Lasse
Dich nicht über die Absichten der Stände in Irrthum führen.
Sie waren einmal Souveräns^ können sich an den Gedanken
nicht gewöhnen, keine Macht mehr zu haben, und arbeiten be-
ständig daran, so viel als möglich an sich zu ziehen, es mag
nun directe oder indirecte sein, indem sie die Operationen des
Gouvernements leiten und sich unterwerfen wollen.^
jDies ist die Lage, in welcher ich die Affairen in diesem
Lande gefunden habe. Wir sind nun schon zu weit gegangen,
um uns zurückzuziehen, wir werden dem Systeme folgen müssen,
so wir angefangen haben zu folgen, und nur nach und nach
und sehr langsam uns zurücke zu ziehen [vermögen]. Schon
hat man sich bei einem guten Drittel der Nation verhasst ge-
macht; schon schreien alle Demokraten, Röyalisten, alle Die-
jenigen, so ihre Emplois Creaturen der Stände haben abtreten
müssen, über die Ungerechtigkeit; man wird ihnen müssen
nach und nach das Maul sperren, sie wieder anstellen, ihnen
Entschädigungen flir den für den Dienst erlittenen Verlust ver-
schaffen u. s. w. Allein das grosse Uebel ist schon geschehen.
Vielleicht wird es glücklich gehen, vielleicht werden die Stände
endlich filhlen, dass ihr Wohlsein von dem des Souveräns nicht
zu trennen ist. Allein das Uebel, sich bei zwei Parteien ver-
hasst gemacht zu haben, ohne eine dritte zu gewinnen, das
Uebel, währenddem man allen Parteien ein Ende machen woUte,
der einen so viel Consistcnz gegeben zu haben, dass sie alle
übrigen unterdrückt und dadurch der Parteigeist immer er-
halten wird, dies Uebel, sage ich, ist schon geschehen.*
,Zum Glücke für Deinen Dienst und für mich schreibt
man mir Alles, was geschehen ist und was so viele Leute
schreien macht, nicht zu. Man bedauert mich im publice. Dies
ist ein junger Mensch, sagt man, der weder die Menschen,
noch die Aflfairen kennt, der den Räthen, so man ihm gibt,
folgen muss, und dem man übel rathet. Zum Glücke lieben
mich noch alle Parteien. Allein wenn die Sachen fortdauern so zu
gehen, wie sie gehen, so wird das auch aufhören, und was soll
ich thun, da ich weder die Affairen noch die Menschen kenne,
als den Räthen folgen, so man mir gibt, und wenn man sich in
der Nothwendigkeit befindet, eine Partei zu ergreifen, so den
Hass eines grossen Theiles der Nation nach sich zieht^ wäre
Belgien unter der Oenenüstatthalterschaft Krxtaenog CerU (1799, 1794). 59
es nicht besser, wenn ich davon befreit wäre; ist es wohl fllr
Deine Dienste nützlich, dass der, so dieses Land zu gouvemiren
bestimmt ist, von einem Theile der Nation verhasst sei? In
dieser Absicht,* und da ich voraussah, wie nlltzHch es wäre,
dass ich nicht daö Opfer der ersten Einrichtungen und Ent-
schlüsse, so man hier nehmen muss und zu nehmen müssen
glaubt, sei, hatte ich Dich gebeten, mir zu erlauben, so lange
bei der Ai*mee zu bleiben, bis eine Einrichtung wäre gemacht
gewesen. Wegen dem Namen Carl, den ich fUhre, beliebt,
hätte ich dann kommen und alle Parteien vereinigen können.
Niemand wäre wider mich aufgebracht gewesen, weil ich an
Allem, was geschehen wäre, keinen Theil gehabt hätte, und
vielleicht hätte ich die geschehenen Fehler verbessern oder ihnen
abhelfen können. Nun wird es aber bald oder spät heissen, dass
ich daran Theil hatte, da, wie ich Dir geschrieben habe, man
nun den eingeschlagenen Weg nicht ändern kann. Ein Theil
der Nation wird mich hassen, und ich werde nie im Stande
sein, das Gute zu stiften, was ich hätte thun können, wenn ich
an allem Vergangenen keinen Theil gehabt hätte. Um diesem
abzuhelfen, sehe ich nur zwei Mittel: entweder dass Du mir
erlaubst, zu der Armee zurückzugehen oder eine Keise zu
machen, oder wenigstens mich so passiv als möglich zu halten.
Alles, was man mir sagt, anzuhören, den Wunsch zu zeigen,
dass Alles gut gehe, sich alle Parteien um das Wohl des Landes
zu machen u. s. w., aber nie in keine Details von AflFairen
einzugehen. Denjenigen, so etwas Bestimmtes wissen wollen, zu
sagen, dass ich von den Sachen nicht genug unterrichtet bin,
hören werde, was mir die Jointe, so übermorgen ihre Sitzungen
anfangen wird, und der Minister vorschlagen werden und der-
gleichen mehrere nichtsbedeutende Ausdrücke. Dadurch werde
ich immer neutral [bleiben], und in einem schweren und wichtigen
Falle wird man zu mir seine Zuflucht nehmen, und ich werde
im Stande sein, einen Entschluss zu fassen, ohne verdächtig zu
sein, vom Parteigeist dazu gebracht zu werden. Ich bitte Dich,
bester Bruder, alle diese Betrachtungen wohl zu überlegen und
^ Zu den folgenden Sätzen bemerkt Mercy am Rande des französischen
Entwurfes eigenhändig: ,tout ceci est d'unej astesse de raisonnement sans
repliqae.*
60 VI. Abhandlung: t. Zeissberg.
mir dann Deine Befehle zukommen zu lassen. . • . Da die Erz-
herzogin und der Herzog am Ende des Monats nach Bonn za
kommen gedenken^ so hoffe ich, wirst Du mir erlauben, auf
einige Tage zu ihnen en visite zu gehen/
Von derselben Gesinnung erfüllt zeigt sich ein Brief des
Erzherzogs an den Kaiser vom 1. Juni, in dem es unter Be-
rufung auf den soeben mitgetheilten Bericht und ein, wie es
scheint, nicht mehr erhaltenes Schreiben des Kaisers vom 22. Mai
heisst: ,Graf Rosenberg hat mir einen Brief von Dir vom 22. Mai
gestern überreicht. Aus dessen Inhalt ersehe ich, dass Du selbst
eingesehen hast, dass bei uns der Parteigeist wieder auflebet
und neue Wurzeln zu fassen scheinet Allein, wie kann dies
wohl anders sein, wenn man von einer Seite in Deiner Kanzlei
zu Wien Intriguanten, so von einer oder der andern Partei
dahin geschickt werden. Gehör gibt und sich von der andern
Seite einer Partei, nämlich der ständischen, ganz in die Arme
wirft und sich durch sie leiten lässt. Man muss sich über die
Absichten der Stände nicht betrügen; sie herrschten einmal in
diesem Lande und wollen noch immer regieren, sei es nun
geradewegs oder indem sie die Operationen des Gouvernements
leiten. Das Opfer von einigen Milhonen selbst wird ihnen nichts
kosten, wenn sie dadurch ihre Absicht erreichen und uns so
in der Schhnge tlihren, dass wir uns ihrer Leitung unterwerfen
müssen.* ^
Kaiser Franz beantwortete den Brief seines Bruders in
einem Schreiben, das die Auffassung, als sei es darauf abge-
sehen, die Partei der Stände principiell zu ergreifen, widerlegen
sollte und zugleich in eindringlichen Worten den jungen Statt-
halter ermahnte, nicht über die ersten Schwierigkeiten, die sich
seinem Wirken entgegensetzten, den Muth zu verlieren, sondern
standhaft auf dem ihm anvertrauten Posten auszuharren. ,Die
Bemerkungen,' schreibt der Kaiser, ,die Du mir in Deinem
letzten Briefe gemacht, sind alle wohl gegründet, und ich bin
mit Dir der Meinung, auch ganz überzeugt, dass das Land in
mehrere Parteien getheilet war. Da die Partei der Stände die
stärkste war. so musste selber, um die Ruhe herzustellen, etwas
mehr nachgegeben werden. Da aber, wie ich wünsche ond ver-
^ Enhen«^ CatI jui deu Kaiser. Brüssel, den 1. Juni 1793. Qri^. eig.
Belgien unter der Oeneralstatthaltersrtaaft Krzhorz«>g Carls (1798, 1794). 61
laDge, selbe bei ihren Fondamentalgesetzcn, bei der Joyeuse
entröe zu erhalten, so bin ich jedoch nicht gesinnt, von meinen
Rechten als Souverän zu weichen, und ich müsste sehr verübeln,
wenn nicht hierauf aller Bedacht getragen und auf mein An-
gehen und Bestes gesehen würde.' Der Kaiser berührt auch
die ertheilte Amnestie. Es sei durchaus nicht seine Meinung
gewesen, dass die Uebelgesinnten in Bezug auf Bedienstungen
denen, die ihm und ihrem Dienste treu geblieben, vorgezogen
werden sollten. Er habe nur jene nicht ganz auf die Seite ge-
setzt wissen und dadurch zu erkennen geben wollen, dass er
vergangene Fehler und ihm zugefügte Beleidigungen vergebe.
Bei allen Gelegenheiten aber werde er es sich angelegen sein
lassen, denen, die ihm stets treu geblieben seien. Beweise seiner
ErkenntUchkeit zu geben und sie vor Anderen nach Verdienst
zu belohnen. ,Du meldest mir,* fUhrt er fort, ,dass die Unzu-
friedenheit und noch wenig hergestellte Ordnung weder mir
noch Dir zugemuthet, dass Du geliebet, aber zugleich bedauert
bist; weiters, dass es viel filrträglicher gewesen wäre, erst das
Gouvernement anzutreten, wenn die Ordnung ganz hergestellet
und in Gang gebracht worden. Du äusserst den Wunsch, Dich
zu der Armee zu verfügen oder eine Reise zu machen. Auf
alles dieses werde ich Dir frei meine Willensmeinung sagen.
Ich finde dermalen Deine Gegenwart an Deinem Platze iment-
behrlicb. Ich trage Dir auf, bei allen Gelegenheiten auf mein
Bestes zu sehen; ich setze mein ganzes Vertrauen auf Dich,
versehe mich auch, Du wirst wissen, durch Deine Klugheit,
gute Art sowohl mir als Dir selbst die Liebe und das erforder-
liche Zutrauen zu gewinnen. Alle Deine Aufmerksamkeit
muss dahin gerichtet sein, die Stimmung der Gemüther
wohl auszunehmen, die etwaigen Factionen zu ergrün-
den;^ trachte eine Wahl einiger treu und gut Denkenden zu
machen, Dich mit selben zu unterreden und zu bcrathschlagen.
Ertheile mir von Allem, so meinen Dienst und das all-
gemeine Beste betrifft, genaue Auskunft,* handle mit
mir aufrichtig und in dem besten Vertrauen, versichere Dich,
' Zaerst mit Bleifeder, dann mit Tinte unterstrichen. Am Rande von an-
derer Hand: k observer.
* Ebenso. Am Bande von anderer Hand: a avertir.
()2 VI. Abhandlnog: t. Zeissberg.
class ich Dir bei allen Gelegenheiten mit Rath und That an die
Hände gehen und sicher von hier aus unterstützen werde. Lasse
nicht den Muth sinken und wende alles Mögliche an zu dem
Besten meines Dienstes, ja des Landes selbst. Ich muss Dir
noch einmal wiederholen, dass ich nicht zugeben kann, dass
Du Dich weiters von dem Gouvernement entfernest, und ich
ertheile Dir blos die Erlaubniss, höchstens auf 24 Stunden zu
der Erzherzogin Marie Dich zu verfügen.^*
Auch Erzherzog Leopold richtete an Carl damals ein Schrei-
ben, das in herzlichem Tone und wahrhaft brüderlicher Weise dem
Zagenden Muth oinzuflössen suchte. ,Ich bedauere,^ heisst es in
demselben, ,Euere Lage der Geschäfte ; wenn ich Dir aber meine
Meinung als Dein bester Freund sagen soll, so erheischt eben
diese Lage Deine Gegenwart und Deine soi^ältigste Arbeit
Man Hess Dich in dem Lande, weil man weiss, dass Du es gut
meinst, und dass Du die Nation wieder liebest. Alle Parteien
sind mit Dir zufrieden, weil sie wissen, dass Du von keiner
bist. Erhalte Dich darin, sei von keiner Partei und gehe den
geraden Weg fort. Freilich ist dies nicht leicht, aber eben diese
AuÖHUurung, dieses Bestreben, das Beste des Landes zu wollen,
muss Dir die Liebe Deines Souveräns und des Landes gewinnen
und befestigen. Wenn auch gleich nicht Alles beiderseits gehet,
wie es sollte, so musst Du Geduld haben, es den Umständen
zuschreiben. Wirbelköpfe, unruhige Leute kann man nur mit
der Zeit curiren. Fehler, die von hier gemacht werden, muss
man der Entfernung, etwa auch der Uner&hrenheit zuschreiben,
überhaupt aber sich trösten, wenn man seine Schuldigkeit ab
ein ehrlicher Kerl gemacht und für alle Parteien gleich den ge-
raden Weg gewandert [sie] hat Darum glaube ich, dass, da in
einem Lande, wo so viele Parteien sind, ein Chef nothwendig
ist auf welchen sie ihr Vertrauen haben, da sie sicher sind, dass
er sich nicht von einer gegen die andere gebrauchen wird, son-
dern das Land nach Gerechtigkeit regieren werde, Se. Majetstit
Dir unmöglich erlauben könnte, eine Reise zu machen und jetil
die Geschäfte liegen zu lassen, wo es meiner Meinung die här
ligste Ptlieht ist. Dir alle Mühe zu geben, die Sachen zu re-
dressiren. Verzeihe mir meine Offenherzigkeit, wenn ich Dich
^ Fraiiz II. an Enhenog CarL Laxenbarp, den {l)t. Joni 179S. Ori|^. A.-A.
Belgien unter der Gener&lstatthaltprscbaft Erzherzog Carls (1799, 1794). 63
nicht 80 herzlich liebte, schriebe ich Dir nichts von allem diesem.
Ich kann Dir sagen, dass mein Bruder gar nicht dasjenige, was
Du ihm geschrieben, übel genommen hat. Er liebt, schätzt und
bedauert Dich, aber sieht auch so wie ich ein, dass er Dich
jetzt unmögHch von Deinem Amte dispensiren kann.'^
Erzherzog Carl fügte sich zwar fortan in das Unvermeid-
liche, aber seine Ansichten blieben dieselben, und ebenso auch
die Stellung, die er den Vorgängen im Innern Belgiens gegen-
über einnehmen zu müssen glaubte. ,In meinem Briefe vom
18. Mai,' heisst es in einem Berichte vom 28. Juni 1793, ,habe
ich Dir geschrieben, dass die Factionen anstatt vermindert oder
ganz verschwunden zu sein, noch immer dieses Land theilen.
Dies bestätigt sich von Tag zu Tag. . . . Jede Provinz enthält
zwei oder drei Personen voll Geist und mit einem besonderen
G^ist von Intrigue begabt Diese formiren mitsamm eine geheime
G^ellschaft, correspondiren miteinander und arbeiten alle zu
dem nämlichen Zwecke, alle Autorität an sich zu ziehen. Sie
sind es, welche das Gouvernement zu Brüssel überUefen, sich
anmassten, zu entscheiden, welche Personen dem Volke ange-
nehm oder unangenehm seien, vorgaben, unterrichtet zu sein,
was das Volk wünsche, und in alledem blos dem Triebe ihrer
Leidenschaften folgten, dasjenige als Wünsche des Volkes dar-
stellten, so ihrem Interesse gemäss war und in ihr System ein-
schlug, kurz, welche es dahin brachten, dass ihre Creaturen zu
allen Magistratsstellen ernannt wurden, sich dadurch einen thäti-
gen Einfiuss in alle Aflfairen verschafften und das Gouvernement
zugleich so zu locken und zu gewinnen gewusst haben, dass man
glaubt, nichts ohne ihnen thun zu können. Dies sind die näm-
lichen Leute, welche sich seit der Regierung des Kaisers Josef
allem demjenigen widersetzen, so das Gouvernement machen
wOl, so unter Kaiser Leopold so viele Anstände gemacht hatten,
weil man ihrem Systeme und ihrem Plane nicht folgen wollte, so
mm eine Menge Anstände gehoben [sie] haben oder wenigstens
zu heben schienen, und deren man sich bedienen musste, ohne
sich ganz in ihre Arme zu werfen, ohne ihnen blindlings zu
folgen. Sie haben ihren Endzweck erreicht und werden uns für
^ Erzherzog Leopold an Erzherzog Carl. Laxenhurg, den 8. Juni 1873.
Orig. eig.
64 VI. Abhandlung: y. Zeissberg.
den Augenblick keine Difficultäten machen^ allein^ wenn wir
einmal werden etwas Anderes thun wollen oder werden ge-
zwungen werden, etwas zu thun, was nicht in ihren Plan ein-
schlagen wird, dann werden wir entsetzliche Difficultäten, An-
stände von allen Seiten zu überwinden haben, und alle Parteien
werden missvergnügt sein, sowohl die, welche es zuvor waren,
als die, welchen man bis dahin wird geschmeichelt haben, und
denen man nun auf einmal wird vor den Kopf stossen müssen.'
,Dies ist,* so schliesst der Erzherzog, ,die Art zu denken und
zu handeln von der Gesellschaft, welche sich Alles unterwerfen,
Alles leiten will. Ich will nicht sagen, dass man sie gänzlich
auf die Seite setzen soll; man sollte sich ihrer bedienen. Viel-
leicht hätte man alle diese Leute ganz gewinnen und Dein
Interesse mit dem ihrigen verbinden können, wenn man die
vornehmsten directe in Deine Dienste genommen hätte. Ich
glaube sogar, dass sie gedacht haben, dass dies der Plan des
Gouvernements sei, und glaube, dass dies die Ursache ist, warum
Kapsaet, welcher einer von den ersten unter ihnen ist, die Stelle
von Conseiller priv^ nicht angenommen hat, so ihm angetragen
worden. Ihre Hauptintrigue geht jetzt dahin, dass die Vornehm-
sten von dieser Gesellschaft zu Pensionären der Stände in denen
verschiedenen Provinzen erwählet werden, und dass sie dadurch
sich von allen Schritten, so die Stände machen werden, ver-
sichern und selbe so leiten, wie sie es mit dem Gouvernement
schon machen. Gelingt ihnen, ihren Plan auszuftihren, so wir
nicht verhindern können, da die Wahl der Pensionärs blos von
den Ständen abhängt, so haben sie dadurch alle Autorität in
Händen und werden bald unter dem Namen des Gouverne-
ments, bald unter dem der Stände^ regieren.' Erzherzog Cail
kommt unter diesen Verhältnissen zu seinem anfänglichen Vor-
satze zurück. ,Was mich betrifft, bester Bruder,' sagt er, ,glaube
ich bis jetzt ftir das Wohl Deines Dienstes nichts Anderes thun
zu können, als bei Allem, was geschieht, passiv zu bleiben, um
mir den Hass weder von einer noch von der anderen Partei
zuzuziehen und nicht zu scheinen, an Sachen und Einrichtungen
Theil zu haben, so vielleicht bald oder spät werden geändert
werden müssen, und mich immer, wenn zu grosse Inconvenients
1 Im Originale: ,des Gouvernements*.
Belgien unter der Oenenlstatthaltcrüchaft Enhenog C&rb (1793, 1794). 65
daraus entstehen sollten, als ein neutraler Mensch ins Mittel
legen zu können. Man hat ein System genommen, man kann
es jetzt nicht ändern, nur mit der Zeit und nach und nach,
oder wenn zu grosse Anstände entstehen sollten, wird man viel-
leicht über verschiedene Sachen zurückkommen müssen. Ich
werde indessen suchen, mir die Liebe und das Vertrauen des
Landes zu gewinnen, um im sich ergebenden Falle Dir wich-
tige Dienste leisten zu können, auf welches ich verzichten
müBste, wenn ich jetzt zu viel AnhängUchkeit fUr eine oder die
andere Partei zeigen imd zu viel Antheil an Operationen nehmen
würde, so durch eine Partei allein geleitet werden.**
Anlässlich der Brabanter Kanzlerfrage kommt der Erzherzog
auf seine Voraussagungen zurück. ,Nun zeigt sich,^ schreibt er,
was ich Dir schon einmal die Elire gehabt habe zu schreiben,
dass Alles gut gehen wird, so lange man den Ständen in Allem
nachgeben wird, dass aber Alles wird rebelUsch werden, wenn
man in etwas ihrem Willen nicht folgen wird. Sie haben sich
von ersterem geschmeichelt. Nun verweigern sie oder machen
wenigstens die grössten Anstände mit den Lieferungen für die
Armee, so dass es neuUch bei selber bald an Stroh gefehlt
hätte, weil sie keines hefern wollten. Nun wollen sie nichts
mehr von Inauguration reden hören; kurz, nun sind wir wie-
der wie zuvor. Alles in Unordnung. Wenn je Standhaftigkeit
nöthig war, so ist es nun mehr als jemals. Sei versichert, dass
ich Alles thun werde, was von mir abhängen wird. Deinen
Dienst zu befördern. Sollte ich aber jemals das Unglück haben,
meinen Zweck nicht zu erreichen, oder sollte es Dir scheinen,
dass ein Anderer besser als ich und besser für das Wohl des
Staates diese SteUe bekleiden könne, so bitte ich Dich durch
die Freundschaft, die Du immer für mich gehabt hast, mir es
zu schreiben. Ich werde zu glückUch sein. Dir in etwas eine
Probe geben zu können, dass mir nur die Beförderung Deines
Dienstes und das Wohl des Staates am Herzen hegt, und dass
ich bereit bin, demselben alles Privatinteresse aufzuopfern.^^
Nicht minder interessant ist ein Brief, den damals Erz-
herzog Carl an seinen einstigen Lehrer, den Bisehof Hohen-
^ Erzhersog Carl an deu Kaiser. Brüssel, den 28. Juni 1793. Orig. oig.
* Derselbe an denselben. Brüssel, den 27. Juli 1793. Orig. eig.
Sitraugsber. d. phil.-hist. Ol. CXXVUl. M. 6. Abb. 5
66 VI. Abhaadlung: v. Zeissberg.
wart, richtete, da er die Schwierigkeiten seiner Stellung noch
von einer anderen Seite als den bisher berührten beleuchtet
,Sie beurtheilen,' schreibt er, ,meine Lage recht gut, bester
Freund, sie ist sehr beschwcrUch. Ein Land leiten zu müssen,
welches, noch voll vom Geiste verschiedener Revolutionen, in
Parteien getheilt ist, und in welchem noch ein stilles Feuer
unter der Asche glimmt, welches besonders durch unsere Nach-
barn erhalten wird, ist sehr schwer. Und was mir auch oft
sehr hart fidlt, ist. Befehle aus der Entfernung von 200 Meilen
aus einem Lande, wo man weder mit der hiesigen Lage, noch
mit der Verfassung dieser Provinzen bekannt ist, zu erhalten
und mich oft gezwungen zu sehen, diese Befehle nicht aus-
üben zu können, aber sie doch manchmal ohngeachtet wieder-
holter Vorstellungen ausüben zu müssen, obwohl ich von dem
Schaden überzeugt bin, der daraus entstehen muss. Nur mit
der Zeit und mit vieler Geduld darf ich mir schmeicheln, dass
es mir von Statten gehen wird, die Ruhe vollkommen herzu-
stellen. Der Ausschlag des französischen Krieges kann, wenn
er glückhch ist, am meisten dazu beitragen.**
Mit der Brabanter Kanzlerfrage, meinte Erzherzog Carl,
werde die Hauptsache geschehen sein. ,Aber,' fügt er voraus-
Ijlickend hinzu, ,das Detail wird noch viele Klugheit und
Festigkeit erheischen, allen Paii;eiungen ein Ziel zu setzen,
den Geist derselben zu ersticken, zu belohnen oder doch Ge-
rechtigkeit zu üben gegen so Viele, die man nicht, wie sie es
verdienten, behandelt, die souveräne Autorität wieder herzu-
stellen, die man manchmal nur zu sehr erniedrigt hat; mit
einem Worte, wir werden noch auf lange Zeit hinaus viel zu
thun haben. Nehmen die Dinge in Frankreich ein gutes EInde,
so zweifle ich nicht, dass sich hier Alles beruhigen wird, aber
im entgegengesetzten Falle wird Alles umgestürzt werden, hier
und in allen Monarchien und Staaten Europas.*^
Es wäre indess durchaus verfehlt, wenn man aus der
Stimmung des Erzherzogs auf den Grad des Eifers schliessen
wollte, mit dem er sich den Ptiichten seines Amtes widmete.
* Erzhensog Carl an Hoben wart. Brüssel, dou 30. October 1793. A.-A.
' Erzherzog Carl an Herzog: Albert von Sacbson-Teschen. Bmxelles, le
26 (novembre) 1793. Orig. eig. A.-A. Da» Schreiben erwähnt die soeben
erfolgte Eiuualime von Fort Loais.
Belgien unter der GenerftUtatthaltorschaft Erzherzog Carls (17*J3, 171M). 67
Wie geschickt er vielmehr sich in seiner schwierigen Stellung
zu benehmen wusste, geht aus der unfreiwilligen Anerkennung
hervor, die ihm selbst der Feind zu zollen sich gezwungen
sah. ,Der junge Erzherzog/ heisst es im ,Mouiteur^, ,spielt die
ihm zugewiesene Rolle mit Vollendung. Er behandelt mit Klug-
heit alle Parteien, er schmeichelt dem Aberglauben des Volkes
und sucht den Despotismus liebenswürdig zu machen. Mehrere
Personen haben patriotische Spenden dargebracht; der Prinz
hat sie in einer Weise angenommen, die zur Nachahmung an-
spornt. Als eine Commune ihm jüngst ein Don gratuit anbot,
nahm er die Abgesandten dei*selben so freundlich auf, dass sie
mit Thränen in den Augen fortgingen. Schon vergleicht man
ihn mit dem „edlen Carl von Lothringen, dem Vater des Vol-
kes", ein Ausdruck, der freiHch auf das Alter des Erzherzogs
noch nicht passt. . . .' ^
Man wird dies um so williger anerkennen, als dem Erz-
herzog in Metternich nicht blos nach dem Urtheile des immer-
hin befangenen Delmotte, der ihn geradezu als einen schwa-
chen Mann, der nach der Pfeife der Stände tanze, bezeichnete,*
sondern auch nach der übereinstimmenden Ansicht aller ein-
sichtsvollen und wohlmeinenden Augenzeugen ^ ein Minister zur
Seite stand, der neben manchen vortrefflichen ügenschaften
gerade diejenige, deren er vor Allem bedurft hätte, ziel-
bewusste Festigkeit, nicht besass.
,Ich fiirchte, dass der bevollmächtigte Minister, begabt
mit den schätzbarsten moralischen Eigenschaften ^ einer Auf-
gabe, die über seine Kräfte geht, unterUcgen wird. Er wird
von Trauttmansdorff gequält, der ihn sehr hart behandelt; man
setzt ihn unter die Vormundschaft eines sehr kleinen Areopags,
der aus einigen aus Wien gesandten Personen besteht, welche
den Ständen sehr ergeben sind. Diese gewinnen an Raum auf
Kosten der souveränen Autorität, die sich bald auf nichts re-
ducirt sehen wird. Der Erzherzog sieht entweder selbst ein
oder Andere zeigen ihm, dass man ihm die Statthalterschaft
> Moniteur, le 22 mal 1793, Nr. U2, pag. 611.
* Delmotte au Marie Christine, le !•', 2% 3 juillet 1793. Orig. A.-A.
Vergl. auch dessen Brief an dieselbe vom 7. Juui ebenda.
' Vergl. das äusserst sitharfe Urtheil Erzherzog Johanns über ihn bei
Krones, Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren, S. 141.
5*
68 VI. Abhandlung: ▼. Zeissberg.
verleidet; er sucht sich also fernzuhalten von AUenu was ge-
schieht, und das wird einen Zustand herbeiflihren, den man
sehr schwer zu heilen im Stande sein wird/ ^
Aber auch in Wien war man über die Thätigkeit Metter-
nich's nichts woniger als entzückt. Wenn schon ein Fremder
wie Craufort^ zunächst allerdings nur von den Ständen von
Brabanty bemerkte^ sie seien so unempfänglich ftir die Gefahr,
als wäre Frankreich 100 Meilen entfernt von ihnen,* so ist es
begreiflich, dass man in Wien den Mangel an Enthusiasmus
ftlr die Sache des Kaisers auf das Tiefete beklagte. Man war
geneigt, einen Theil der Schuld daran auf den Minister su
wälzen, und tadelte vor Allem dessen fortgesetzte Nachgiebig-
keit gegen die Stände, die doch nicht die gehofften Früchte
bringe. Aber auch die Rückstände, die sich Mettemich in
seiner Amtsgebahrung zu Schulden kommen liess, sowie die
Eigenmächtigkeit, mit der er häufig in directem Widerspruch
zu den Intentionen des Kaisers zu Werke ging, gaben za den
bittersten Vorwürfen Anlass.
Umsomehr verdient es betont zu werden, dass zwar der
Erzherzog sich die Unabhängigkeit von dem Minister zu wah-
ren wusste, wie es denn- überhaupt aufmerksamen Beobachten!
nicht entging, dass derselbe sich nicht mehr so nachgiebig wie
früher zeigte,^ dass er aber nicht etwa gleich seiner Tante ein
principieller (icgner Mettcniich^s war. Wenn auch mit Vielem
von dem, was geschehen war, nicht einverstanden, suchte er
doch auch den unverkennbaren Verdiensten seines Berathen
gerecht zu werden. ,Er besitzt/ schreibt Carl, ,das Vertrauen
von allen denen Leuten, so die Stände dirigiren, er eriiält vid
dadurch, was wir sonst nicht erhalten würden, und man kann
ihn in der jetzigen Lage der Sachen nicht genug souteniren/^
«Gewiss ist er/ heisst es ein anderes Mal, ,ein grundehrlicher,
diensteifriger und unermüdeter Mann, arbeitet Tag und Nacht
imd opfert sieh ganz dem Dienste auf.*^ ,Gewis8 ist er/ hdaBt
* Merv'V an Thusriit, HnixolK\H. le :i^ inai 1793. bei Vivenot-]
UI, 83.
* Aucklauil lU, 137.
' IVlmottt' an Mario Christine. Bnixelle«, le 26 uoveinbre 179a. Orip. A.-A.
* Enherzt^ Carl au Franc II. BrfiMel, den 1. Juli 179S. Orif. «ip.
^ Erzhenog Carl an den Kaiser. BrüsseL den 1. Juni 179S. Orif. «if.
Belgien unter der Oeneralstatthaltentchaft Erzherzog Carls (1793, 17M). 69
es bei einer dritten Gelegenheit, bei der ihn der Erzherzog
geradezu wider Vorwürfe des Kaisers in Schutz nimmt, ,der
ehrlichste Mann von der Welt, und ich bitte Dich flir das
Beste des Dienstes, ihn in diesem Augenblicke zu schonen.
Er besitzt das Vertrauen des grössten Theiles der Nation und
besonders der Stände, und er ist dadurch in diesem Augen-
blicke der Einzige, welcher uns aus der Verwicklung heraus-
ziehen kann, in der wir uns befinden, weil er der Einzige ist,
in welchen die Stände Vertrauen haben. Wenn man ihn de-
goutirt und verliert, so werde ich und das ganze Gouverne-
ment in einem erschrecklichen Embarras sein, aus welchem
sich weder ich, noch was immer ftlr ein Nachfolger, den Du
mir geben wirst, wird herausziehen können.^ *
Besonders der rauhe Ton, den der Hofkanzler in seinen
Weisungen an den Minister anschlug, war dem Erzherzog in
tie&ter Seele zuwider. Wiederholt bat er den Kaiser, Trautt-
mansdorff aufzutragen, den Grafen Mettcrnich in seinen Briefen
etwas mehr zu schonen. ,Man hat ihm in zwei oder drei
Briefen hintereinander auf das Härteste mit so unangenehmen
Ausdrücken begegnet und ihm so starke Sachen gesagt, dass
ich an seiner Statt den nämUchen Tag meine Stelle (Dir) zu
Füssen gelegt hätte. Dies thut Deinem Dienste den grössten Scha-
den, verursacht ein Missverständniss zwischen denen Departe-
ments, einen Federkrieg zwischen Deinem hiesigen und dem
Wiener Ministerium, gibt einen öffentHchen Scandal und trägt
viel bei, den Gang der Affairen zu verzögern. .'. . Graf Met-
iemich hat gewiss Fehler, und grosse Fehler begangen, allein
in diesem Augenblicke wäre es der grösste, ihn zu entfernen,
man würde glauben, dass man dadurch Alles, was bis jetzt
geschehen ist, desavouirt, Aenderungen machen will: Misstrauen,
Murren und Unordnungen würden daraus entstehen, und nie
wtlrden wir mit den Ständen ein Ende machen, so in ihn
allein ihr Vertrauen setzen. Der Brief, den Graf Trauttmans-
dorflF auf Deinen Befehl an Metternich geschrieben, ist vortreff-
lich, man macht darin den ewigen Nachgiebigkeiten, so man
bis jetzt für die Stände gehabt hat, ein Ende und bestimmt
Grundsätze, auf welchen man festhalten soll. Man wird sich
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 20. Juli 1793. Orig. eig.
70 VI. Abhandlung: v. Zeicsberg.
g(^wisH daran halten, nur bitte ich Dich inständigst, immer dar-
auf Uileksicht zu nehmen, dass man nur nach und nach und
nicht auf einmal von dem einmal angenommenen System, in
dem man schon so weit vorgegangen ist, zurückkommen kann.' '
Auch in dem gereizten Briefwechsel, der sich zwischen Metter-
nicli und TrauttmansdorfF über Dumouriez entspann, ergriff der
Krzherzog fi\r jenen das Wort* und erreichte auch, dass zwar
der Kaiser über Metternich's Benehmen in diesem Falle noch-
mals seine Missbilligung aussprach, aber zugleich versprach,
dass Invectiven und Beleidigungen wider Mettemich fortan ver-
mieden werden würden, sofeni auch er derselben sich enthalte.'
Noch spilter, zur Zeit der Anwesenheit des Kaisers in Belgien,
ergab sieh ein iihnlieher ZwischenfaD, in dem auf die Inter-
vention des Krzhei*zog9 der Kaiser neuerdings und diesmal auf
das Strengste den Federkrieg seiner beiden Minister untersagte.*
niese wiederholten Beweise gütiger Gesinnmig blieben
nicht ohne Eindruck auf Mettemich. Zu Anfang des Jahres 1 iM
wollte dieser seine Stelle niederlegen, wohl ans Verstimmong
über die Angriffe, denen er neuenlings in der Brabanier
Kan/.lertrage ausgesetzt gewesen war: nur die VorsleDnngeii
des Entherzi^ bewogen ihn damals, wie er selbst bemerkt.
von diesem VorhaWn abzustehen.*^ Er mochte wohl all dessen
eingedenk sein, als er in dem Augenblicke, da er Brüssel Ar
immer verliest, an den Erzherzog schrieb: ^ien Sie aber
zeugt, das* ich als den schönsten Augenblick meines
jenen Moment erachte, in welchem mich glücklichere
wie\ler zu Eurvr köniirl. Hoheit tubren werden: denn icb bin
ont^chKvsisen, in der schwierigen Beamtenlanfbahn. die ick seit
äS J,^hr\^n vertelirt», nur unter der Betlimnmsr ausznbarren. i^»
dies unter lhr\T Leitung: der Fall ist."^ Und die sieieifee Ter-
» ErBh^rivy Carl w d^c KA£<«r. RrtÄwI. den 2»>. JoU ITML O
A A
^v,^ ^uJT A -A
\ \
Belgi«D unter der GeneraUtstthaltorHchaft Erzherzog CarU (1793, 1794). 71
Sicherung kehrt auch in einem Schreiben wieder, das er, bereits
auf der Reise nach Wien be^fFen, an den Erzherzog richtete. ^
Erzherzog Carl hatte, obgleich ihn sein Beruf als General-
statthalter an Brüssel kettete und er nur ab und zu sich in das
Hauptquartier begeben durfte, auch die Vorgänge auf dem
Kriegsschauplatze nie aus dem Auge verloren, und seine Briefe
an den Kaiser sowohl, als an den Herzog Albert beweisen, dass
er ein scharfer Beobachter und Beurtheiler dereelben schon in
jungen Jahren war. In Folge dieses Umstandes und der meist
zutreffenden kritischen Bemerkungen, mit denen der Erzherzog
die Vorgänge im Felde begleitete, erheben sich jene Briefe zu
Geschichtsquellen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. So
glaubt man das Urtheil eines modernen Kriegsschriftstellers * zu
vernehmen, wenn sich Carl über den Angriff auf das Cäsar-
lager folgendermassen äussert: ,Die Operation gegen das Cäsar-
lager war an sich gut, doch glaube ich, dass, wenn wir ihn
mit grösserem Nachdrucke (rapidit^) unternommen, wenn wir
die französische Armee sofort verfolgt hätten, als sie sich aus
ihrer Position zurückzog, wir sie hätten schlagen und ft\r das
ganze Jahr ausser Stand setzen können, sich im Felde zu be-
haupten, was ja der Zweck dieser Operation war. Indem wir
dies nicht vermochten, haben wir einen Monat mit Märschen
und Gegenmärschen verloren, und der Feind kann heute, wenn
er will, seine alte Position wieder einnehmen. Das war die Ur-
sache der Zerwürfnisse, zu denen es zwischen dem Prinzen von
Hohenlohe und dem Herzog von York kam. Letzterer wollte
den Feind verfolgen, da aber Ersterer es nicht wollte, blieb
dem Herzog von York nichts übrig, als die Verfolgung mit
einiger englischer und hannoverischer Cavallerie auszuführen.
Unsere Truppen blieben auf ihrem Platze, ohne jenen zu fol-
gen und ohne sie zu unterstützen, obgleich der Herzog von
York dem Namen nach die ganze Colonne commandirte. Dies
imd ausserdem das rauhe Wesen des Prinzen von Hohenlohe,
der, obschon der rechtschaffenste Mann der Welt, nicht auch
der höflichste ist, verbunden mit dem grossen Unterschiede,
den man in Allem zwischen ihm und Mack findet, gab Anlass
* Mettemich an Erzherzog Carl. Beurath (Bayreuth?), le 26 aoftt 1794,
Orig. eig^. A.-A.
' Vergl. Witzleben, Prinz Fri«Mlrich Josias von Coburg II, 263 ff.
72 VI. Abbasdlnng: v. Zeissberg.
ZU Klagen und wird ihm, wie ich fürchte, Unannehmlichkeiten
bereiten/ ^
Nicht minder interessant ist, was Erzherzog Carl über die
bevorstehende Belagerung von Maubeuge, die bekanntlich fehl-
schlug, bemerkt. Man sieht es seinen Worten deutlich an, dass
er zur Ansicht Clerfayt's,* Hohenlohe's und Tauentzien's neigte,
welche vielmehr die Belagerung von Landrecies empfahlen.
Letztere thaten dies, weil sie die Belagerung von Maubeuge
für schwieriger erachteten. ^ Anders der Erzherzog. ,Landrecies,'
bemerkt er, ,wäre für uns und die gemeine Sache der wich-
tigste Punkt. Es ist ein Platz der zweiten Linie, wir wären
dadurch im Stande, in weitem Umkreise zu fouragiren und das
Land in Contribution zu setzen. Landrecies würde ab Vor-
posten für Maubeuge und Lo Quesnoy dienen, doch ftirchte ich,
dass die Engländer, denen ihr Interesse mehr als das gemein-
same am Herzen Hegt, von der Belagerung von Dünkirchen
nicht ablassen^ und dass wir uns dazu werden entschliessen und
dies schwierige Unternehmen noch vor den Winterquartieren
ins Werk setzen müssen. Dann werden wir einen Cordon von
Plätzen haben, um unsere belgischen Provinzen vor feindlicher
Invasion zu decken; wenn wir aber fortfahren, auf dieser Seite
zu agiren, so werden wir noch zwei Linien von Festungen vor
uns finden, alle Schwierigkeiten, die wir bisher hatten, werdeo
sich von Neuem zeigen, und wir werden weniger Mittel be-
sitzen, sie zu besiegen, als wir in diesem Jahre hatten. Diese
Revolution und dieser Krieg sind von allem Andern ganz ver
schieden; man kann nichts vorhersagen und das Ende nicht
voraussehen. Kommt der Kaiser, so wird er Vieles selbst sehen,
was er nicht weiss oder was man ihm unter einem falschen
Gesichtspunkte darstellt.' *
Um so tiefer beklagte er den Ausgang der Belagerung
von Maubeuge. ,Oott gebe!' ruft er aus, ,das8 wir bald durch
^ Ersherzogr Carl an Herzog Albert. Bnixelles, ce 8 septembre 179S. Orig.
eig:. A.-A. Vergl. Witzleben, a. a. O. 11, 264, dessen Angaben hiedvrch
eine willkommene Ergänzang oder vielmehr Widerlegung erfahren.
' Vergl. Fersen II, 97. Nach diesem war aber auch Hohenlohe dagegen.
• Vergl. Witzleben a. a. O.
* Erzherzog Carl an Herzog Albert. Bmxelle.s, ce 10 octobre 1793. Orig.
eig. A.-A.
B«lfMn unter der Gtnenlttatthaltenichaft Enheraof Carls (1793, 17M). 73
einen Sieg diesen Schandflecken auswetzen. Ich glaube gewiss,
wir können nichts Besseres thun, als den Feind aufzusuchen
und uns alle MtLhe zu geben, ihn mit Vortheil anzugreifen, wo
wir dann ihn ohne Zweifel schlagen werden/ ^ ,Man weiss/
klagt er ein anderes Mal, ,gewöhnlich nicht, wo sich die feind-
lichen Streitkräfte befinden; sie werden plötzlich erscheinen da,
wo wir sie am wenigsten erwarten, und das kann uns recht
übel bekommen/^
Erzherzog Carls Bemerkungen beschränkten sich übri-
gens nicht auf den belgischen Kriegsschauplatz; auch die Vor-
gänge am Oberrhein zieht er in Betracht. Er bezeichnet es als
einen grossen Fehler, dass Wurmser den König von Preussen
an dem Angriffe auf Saarlouis gehindert habe. ,Die Einnahme
dieses Platzes hätte das Trier'sche und Luxemburgische ge-
deckt, unsere Verbindung mit Deutschland abgekürzt und ge-
sichert, und die preussische Armee würde gute Winterquartiere
an der Saar gewonnen haben. Statt dessen theilen wir unsere
Kräfte, wenn wir sie hätten vereinigen können, und statt der
reeUen und sicheren Vortheile, die wir uns hier verschaffen
konnten, suchen wir sehr wenig sichere an den Ufern des
Rheins. Das ist meine Ansicht, wenn ich auch hier nur wenig
in der Lage bin, darüber zu urtheilen.^^ Ebenso tadelte er
Wurmser's Absicht, Strassburg zu belagern. ,Ich halte das fiir
eine schlechte Speculation, auch ist die Jahreszeit bereits zu
weit vorgerückt und seine Armee nicht stark genug zur Be-
lagerung dieses Platzes. Saarlouis ist fiir . uns der wichtigste
Punkt, und man vernachlässigt diesen über eine Chimäre.^*
Ueber Frankreich befindet sich in den Briefen des Erz-
herzogs aus jener Zeit folgende bemerkenswerthe Aeusserung:
,In Frankreich wird die Confusion immer ärger, und Gaston
scheint das Uebergewicht zu bekommen. So glücklich das für
ans ist, und so sehr es wahr ist, dass das das einzige Mittel
ist, um einen König wieder auf den Thron zu bringen, so
wenig muss man sich doch darüber betrügen. Was immer fiir
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 20. October 1793. Orij^. eig.
' Erzherzog Carl an Herzoge Albert. Bmxelles, ce 11 novembre 1793. Orig.
eig. A.-A.
' Derselbe an denselben. Braxelles, ce 8 septembre 1793. Orig. eig. A.-A.
* Derselbe an denselben, le 5 octobre 1793. Orig. eig. A.-A.
74 VI. Abhandlung: ▼. Zeissberg.
eine Partei die Oberhand erhalten wird, so wird sie uns gewiss
immer feind sein, keine wird leiden wollen, dass wir Eroberun-
gen über Frankreich machen, und soUten sie sich auch fbr den
Augenblick diu'ch eine grosse Uebermacht gezwungen sehen,
ruhig zu bleiben, so werden sie doch immer wieder suchen,
was man ihnen wird abgenommen haben, mit Frankreich .wie-
der zu vereinigen/^
Unermüdlich war der Erzherzog, soweit sein Einfluss
reichte, in der Theilnahme für die Armee. ,Es wäre überflüs-
sig,' schreibt gelegentlich Mettemich, ,dem durchlauchtigsten
Generalgouvemeur zu empfehlen, sich der Witwen und Waisen
der braven Soldaten zu erinnern, die in diesem Kriege sterben,
da dieser Prinz auf das Eifrigste beflissen ist, dass die Gnaden-
bezeigungen am rechten Platze ertheilt werden, namentlich, wie
es recht und billig ist, so viel als möglich an Personen dieser
Kategorie/ *
Unter Anderem gab die mangelhafte Verpflegung der
Verwundeten zu mancherlei Klagen Anlass. Nicht selten blieben
sie in Brüssel stundenlang auf den Wagen liegen, allen Unbilden
der Wittoning ausgesetzt. In den Hospitälern mussten oft xw«
Verwundete in einem Bette untergebracht oder auf den Fo8S>
boden oder auf Stroh gelagert wenlen, und Sttmden vergingen,
bevor sie einen Verband erhielten.^ Es war eine Folge davon,
dass im Spital zu Brüssel allein von iiOOO Mann täglich 28 bb
30 Mann starben, was bei der aUerdings auffallend grossen
Gesammtzahl von 14.(XX) — 15.000 Blessirten und Ejranken im
Lande eine proportionelle t'lgKche Verlustziffer von 150 Mann
ergab. * Der Zustand der Spitäler hatte daher schon seit länge-
rer Zeit die Aufmerksamkeit des Erzherzogs auf sich gelenkt
Gehörte sie auch nicht in sein Ressort, sondern in jenes des
Generalcommandos, so wendete er ihr doch den regsten Eifer
zii. Ein Hauptübolstand war die geringe Anzahl von Militir
Chirurgen. Er luit daher den Kaiser, Chirurgen ans Wien la
senden, und richtete an das Generalcommando die Anfinge« ob
es zidässig sei. den Militär- Ci\*ilchiru!^n zuzugesellen, sofeni
^ EIniheni>|!r Cat\ an den Kniser. Bnlssel. den 21. Jnli 1793. Orir. op.
* Metteniioh «n TniuttmÄnisd»^rtf. le ?> n«">vembre 1793. P.-S.
' Tniamnanstiortr an Menemich. Vienne, le 3 novembi« 1793. Orifr.
^ KrEhen^Y Carl an den KaL<er. BrÜ5wl. den 15. Norember 1793. Ori|r* ^-
B«lgieii unter der Otneralstatthalterschaft Erzherzog Carl» (1793, 17M). 75
diese aus der Civilcasse bezahlt werden würden. Freilich hatte
bei der Eifersucht der Älilitärchirurgen, welche trotz der notori-
schen Uebelstände und trotz ihrer ebenso notorisch ungenügen-
den Anzahl behaupteten, dass die Kranken ganz gut versorgt
und sie selbst für den Bedarf ausreichend seien, diese Mass-
regel nicht den gehofften Erfolg.
Ein besseres Verständniss für seine Intentionen fand der
Erzherzog diesmal bei den Ständen, namentlich jenen von Bra-
banty die unter dem Eindrucke der Depesche vom 15. November^
einen Theil des Zuchthauses von Vilvorde auf eigene Kosten
zu einem Militärhospital fllr etwa 1200 Kranke adaptirten und
überdies für dessen Erweiterung eine freiwillige Subscription
veranstalteten, die einen günstigen Fortgang nahm, nachdem
sich der Erzherzog für zehn Plätze an die Spitze gestellt hatte.
Ueberdies that sich eine Anzahl von Brüsseler Büi^em unter
dem Brauer Van den Esse zusammen, um den bürgerhchen
Concertsaal als Krankendepöt einzurichten, während auch die
Beggarde (Bogards) in Brüssel,* deren Zahl sehr zusammen-
geschmolzen war, einen Theil ihres Conventes zu einem Hospital
für 600 Personen zur Verfugung stellten.^
Das Beispiel von Brüssel, wo bald drei angesehene Btlr-
ger als Opfer ihrer Nächstenliebe am Spitalfieber starben,* fand
Nachahmung an anderen Orten. ^ Auch zu Namur veranstal-
tete man Subscriptionen für die Militärhospitäler der Stadt. ^
Antwerpen erbot sich, 1000 Kranke zu übernehmen. Nur in
Löwen sträubte sich die Universität, drei ihrer Collegien'' zu
dem gleichen Zwecke zu überlassen, indem sie die Gefahr vor-
schützte, die sich daraus für die Gesundheit der studirenden
Jagend ergeben würde, ein Argument, dessen Gewicht selbst
Mettemich zugestand. Anders der Erzherzog, welcher der An-
' S. unten.
• Ueber deren Convent, Wauters III, 478.
• Delmotte an Maria Christine. Bmxelles, le 26 novembre 1793. Orig. eig.
A.-A. — Metternich an Trauttmansdorif. Bmxelles, le 25 novembre 1793.
^ Mettemich an Trauttmansdorif. Bmxelles, le 12 mars 1794.
* Schon früher (31. März 1793) hatte man den Kapuzinerconvent zu Ath
in ein Militärhospital verwandelt. Annales du cercle archSol. de Mons
XV, 628.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 18 janvier 1794. Orig.
^ Die Colleges de Bay, de Winckel und des Veterans.
76 VI. Abhasdlnng: v. Zeissberg.
sieht war, dass in diesem Falle der Humanität jede andere
Rücksicht weichen müsse und daher unnachsichtig auf die
Räumung der Gebäude drang. ^ Er handelte hierin unter voller
Billigung der Bürgerschaft und der Stände. Dass die Proviso-
ren der in Betracht kommenden CoUegien der ihnen drohenden
Gefahr durch die rasche Vornahme von Bauten zu begegnen
suchten, die deren Werth von 12.000 auf 40.000 fl. erhöhte,
deren Fassungsraum aber beträchtlich minderte, hatte zur Folge,
dass das Gouvernement an dem Entschlüsse, die Collegien in
Hospitäler zu verwandeln nur noch entschiedener festhielt.'
Freilich vermochte bei dem besten Willen der Erzherzog
nicht allen Uebelständen zu begegnen, denen durch die Be-
schafiung geeigneterer RäumHchkeiten nur zum Theile abge-
holfen wurde, denn es traten noch manche andere und noch
viel betrübendere Erscheinungen zu Tage. So fiel der Nach-
lass der in den Militärhospitälern Verstorbenen gewöhnlich deD
Krankenwärtern zu, woraus sich die Härte und Nachlässigkeit
erklärte, mit welcher die Kranken von diesen behandelt wur
den. Es gab Chirurgen, die nicht einmal von den Elementen
ihrer Wissenschaft Kenntniss hatten. Mit Thränen in den Augen
sprachen die Aerzte davon; einer derselben, Dr. van Leenpoel,
überreichte jNIetternich eine darauf bezügliche Denkschrift. Es
waren das, wie Mettemich mit Recht bemerkt, Uebelstände,
denen nicht das Gt)uvemement, sondern nur die Militärverwal-
tung begegnen konnte.
Der Erzherzog unterliess es nie, sich verdienter Officiere
anzunehmen. Die betreffenden Briefe an den Kaiser sind aach
insofern von historischem Interesse, als in denselben hie und
da von Waffenthaten der Empfohlenen die Rede ist, die sidi
unter seinen Augen zugetragen hatten. So heisst es von dem
Grenadierhauptmann Grafen Gyulay: ,Ich war Augenzeuge, da
er von meiner Brigade war. Er hat sich so brav au^efthrt,
dass Keiner braver thun kann. Den 22. (März), als sein Batail-
lon gesprengt war, hat er 40 Mann, und das ohne Befehl von
Niemand, gesammelt, den Feind freiwillig attaquirt, reponssiit,
alle gesprengte Mannschaft zusammengerafft, auf den Feind
^ Mettemich au Traottmaiisdoiff. BnixeUe:^ le it fevrier 1794. Otig,
• Tnnittmanstlortf an Metteruioh. Vieime, le 20 man 1794. Ori|r.
Belgien unter der Oenenüsiatthalterschaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 77
noch einmal losgegangen, ihn bis in Löwen und aus Löwen
herausgejagt. Den 19. vertrieb er auch freiwillig, ohne Befehl
von Niemand den Feind um Tirlemont und nahm ihm eine
Kanone ab. Kurz, er hat sich so distinguirt, dass er, wenn er
um das Commandeurkreuz einkommt — denn er hat schon das
kleine Elreuz — es ohne Zweifel erhalten wird.* . . . Und in-
dem ihn der Erzherzog zur Beförderung empfiehlt, fügt er bei :
,Gyulai ist selbst so modest, dass er mich gar nicht darum an-
gegangen und den Schritt, den ich gemacht habe, gar nicht
weiss.' ^ Auch ftir den Oberst Mylius und den Obristwacht-
meister Branowaczki, die Anspruch auf Auszeichnung zu haben
glaubten, legte er sein mächtiges Fürwort ein. ,Ich kann Ihnen
die Gerechtigkeit leisten, dass beide, besonders aber der Oberst
Mylius, so lange sie unter meinem Commando standen, sich
überall hervorgethan und dieser beständig ein detachirtes Corps
zur allgemeinen Zufriedenheit commandirt hat.'' Ein anderes
Hai gilt seine Empfehlung dem Obersten De Vay von Ester-
hÄzy-Husaren. ,Du hast an ihm sowohl einen kreuzbraven Sol-
daten, als auch einen Officier, welcher sehr geschickt und sehr
in allem dem, was zum kleinen Krieg und zu den Vorposten
gehört, zu brauchen ist. Die Art, mit welcher er voriges Jahr
unseren Rückzug von Lüttich bis Köln deckte, unsere Vor-
posten während des ganzen Winters commandirte, den Vortrab
der Avantgarde durch die Campagnc führte und sich am 13.,
15., 16. und 18. März besonders hervorthat, wo er dann auch
leicht blessirt wurde, haben ihn bei der ganzen Armee bekannt
gemacht und den Beifall aller Generals und des Prinzen Co-
burg selbst zugezogen, und ich muss ihm die Gerechtigkeit
leisten, dass er, so lange er an mich angewiesen war, sich
überall distinguiret und oft durch einen schnell gefassten Ent-
schluss und durch Thaten, so er von sich selbst gethan, ohne
Befehl zu erhalten, zu dem glückhchen Fortgang vieler AfFairen
beigetragen hat.'^
Als die Regimenter Royal Allemand, Saxe und Berchiny
in den kaiserlichen Dienst übernommen wurden, nahm sich
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Quiövrechaiu, 19. April 1793. Orig. eig.
' Derselbe an denselben, Brüssel, den 15. November 1793. Orig. eig.
• Derselbe an denselben. Brüssel, den 8. December 1793. Orig. eig.
78 VI. Abhandlung: t. Zeissberg.
Krzlicrzog Carl der vielen dadurch brotlos gewordenen Offi-
ciere an und unterstützte aufs wärmste die Bitte derselben,
welche dahin ging^ dass man sie wenigstens als supemumerSr
bei den Kogimontem ftllu-c und ihnen Fourage und Brot-
portionon zuweise, währtuid die in den Regimentern beibehal-
tenen OiKieiere sich anheischig machten, sich in die Löhnung
mit ihren einstigen Kameraden zu theilen. ,Diese armen Leute,
so sich aus Liebe t\lr ihren König aufgeopfert haben, meist
deutsche und gewiss brave Leute sind, verdienen gewiss eine
Ktlcksicht, besonders da das dem Aerarium gar nicht zur Last
fallen wird/^
Ebenso unterstützte Krzlierzog Carl die Bitte der einsti-
giMi Ilauptleuto Lualdi und Dumont, die 1790 anlässlich der
lleborgabo der Citadelle von Antwerpen an die Rebellen cassiit
worden waivn und denen später im Gnadenwege eine Pension
von je «KK) (Tulden zugestanden worden war, um Zuerkemmng
der llauptmannsponsion, ila Erkundigungen, welche aber sie
bei ihren einstigen Kriegskameraden eingezogen worden waren.
in Bezug auf ihn* Uuschidd ziemUch günstig lauteten.*
Um so strenger urtheihe Erzherzog Carl in all den FU-
len, wo es sich um die Aufrechthaltimg miHtärischer DiscipEs
und Ehn' handelte. Als sich die Stände von Henne^a uni
Flandern t\lr zwei thticiere.^ welche die kaiserliche Aimce
vorlassen und bei den Patrioten Dienst genommen hatleii und
in Folge dessen kriegsrätliHch zum Tode verurtheilt word«
waren, verwendeten, sprach sich der Erzherzc^ entschiedcB
dagogi'u aus, in diesem Funkte nachzugeben, ,da es bei der
Armee den üWlston Fimlruck machen würde, wenn OfficKfCL
so ihnni Eid »rebrochon. desertirt. Cassen bestohlen, wider ihra
Souverän goiliont haben und in etKgie aufgehangen werden
sollten begnadisrt wonlen/ .Bios die Ehre maehu* ftgt er
KU, ,dass unsort* IhMcioiv cut dienen, nimmt man ihiieii
Triobfeiler wog vhUt sohwachi mar. sie. so wird unsere AivM
eben so sohlecht als alle anderen/* Eben deshalb lelirsc te
^ Krs.be n-y i'*r'. *xi xur. Kjü^^r. K:la» deu 13. Ucrciukp 17*3^ t>räp- mf
• Krshorf.y Cari An d^r. K^is^r Bris*«?!, det ?• XoT^pinKer II^ML ^nc
Belgien nnter der OenermlsUtthaUcrsi-haft Erzherzog Tarls (1793, 1794). 79
die BefllrwortODg des neuerlicheu Äusucheus^ das La Marck um
die Verleihung des Generaltitels an den Kaiser richtete, ab.
^ch habe versprochen, Dir die Sache zu schreiben, aber unter-
stützen kann ich diese Bitte nicht. Sollte es geschehen und ich
hätte es empfohlen, so würde ich mir einen Vorwurf zu machen
haben und die ganze Armee würde über mich aufgebracht sein.' ^
Niemandem unter allen Officieren der Annee wendete der
Erzherzog lebhaftere Theilnahme zu als dem auch sonst von den
Zeitgenossen vielbewunderten Obereten v. Mack, den er wieder-
holt als seinen Lehrmeister in der höheren Kriegskunst bezeich-
nete. Desto tiefer verletzte es auch ihn, als nach den grossen Er-
folgen, von denen der Beginn des Feldzuges von 1793 begleitet
gewesen war, dem Verdienste die Krone versagt zu bleiben
schien, und um so schmerzUcher empfand er es, als Mack in
seiner Verstimmung die Functionen eines Generalquartiermeisters
niederlegte und, nachdem er von einer Wunde, die er bei dem
Angrifife auf Famars davongetragen hatte, geheilt worden war,
den Kriegsschauplatz verliess, um den liest des Jahres auf einem
Oute in Böhmen zur Wiederherstellung seiner allerdings schwer
erschütterten Gesundheit zuzubringen. So nachhaltig war der
Eindruck, den damals Mack auf den jungen Erzherzog übte,
dass dieser, als der Krieg im weiteren Verlaufe des Jahres 1793
eine minder günstige Wendung nahm, auf ihn als den Retter
in der Noth hinwies.
VI. Reorganisation der Aemter des Gouvernements.
Die erste Aufgabe, welche neben der nothwendigen Ein-
richtung des erzherzogUchen Hof haltes an den Generalstatthalter
and dessen Minister herantrat, war die Neubesetzung der Aemter.
Denn in missverständlicher Deutung seiner Instruction hatte
Mettemich das frühere Gouvernement, nämlich die Conseils
collat^raux und die Chambre des comptes, vollständig aiifgelöst
und dies durch die Bemerkung zu motiviren gesucht, dass über
eine Massregel, von welcher Alle insgesammt betroffen wür-
den, sich Niemand beschweren könne. ^
^ Erzherzog Carl an den Kaiser. BrUssel, den 21. Juli 17D3. Orig. eig.
* Mettemich an Trauttniausdorff, le 20 mar» 1793. Vergl. TrauttmansdorflTs
Weisungen vom 26. März und 2. April.
80 VI. Abhaodlang: v. Zeitisberg.
Während aber Mettemich sich mit Vorschlägen bezüglich
der Neubesetzung nicht beeilte, hatte der Kaiser bereits auf die
ersten Siegesnachrichten aus Belgien über die beiden wichtigsten
Posten des Gouvernements verfügt. Der Chef-Präsident Crumpipen
(der Jüngere^) und der Staats- und Kriegssecretär Feltz waren
vor Allem jene Männer, bezüglich deren man der denselben un-
günstigen öffentUchen Meinung Rechnung tragen zu sollen glaubte.
Crumpipen, der durch 36 Jahre in verschiedenen Stellungen
dem Staate die wichtigsten Dienste geleistet, hatte bereits selbst
im Januar Mettemich zu Wesel mündlich um seine EntLassong ge-
beten und am 8. März, angesichts der bevorstehenden Rückkehr
des Gouvernements, von Köln aus diese Bitte auf schriftlichem
Wege wiederholt.* Er war dadurch dem Auftrage an Mettemich'
zuvorgekommen, der ihn in schonender Form, unter Aussicht auf
günstige Pensionsbedingungeu und auf anderweitige Verwendung
zu diesem Entschlüsse veranlassen sollte. Und ganz dasselbe war
bezügUch Feltz' der Fall.^ Auch dieser hatte sich stets durch
E^er und Anhänglichkeit an die Regierung hervorgethan, ab^
auch seine Enthebung wurde von der ,öffentlichen Meinung^ ge-
fordert, da sie ihn als das Haupt jener sogenannten Christine-
schen Partei bezeichnete, deren Streben darauf gerichtet sein
sollte, dem früheren Statthalterpaare wieder zu seiner Stellung
zu verhelfen, ein Vorwurf, den Feltz in einem Schreiben an Er»-
herzog Carl mit der zutreffenden Bemerkung zu entkräften im
Stande war, dass es ihm, falls er wirklich der Intriguant^ als
den man ihn hinstellte, gewesen wäre, wohl willkommener hätte
sein müssen, unter einem jugendlichen Statthalter zu dienen als
imter einem Generalgouvemeur, dem vieljährige Erfahrung zu
Gebote stand. ^ Auch er hatte eine ehrenvolle Dienstzeit von 21
bis 28 Jahren hinter sich und demnach ebenfalls Anspruch auf
rücksichtsvolle Behandlung.
Diese wurde denn auch ihm und Crumpipen zutheil. Zum
Chef und Präsidenten des geheimen Rathes aber wurde Fier-
lant, bisher Präsident des grosen Rathes zu Mecheln, zum
^ Henri Uermau Werner Frau^ois Autoine Cr. s. Biogr. nationale.
' Crumpipen au Mettemich. Cologne, le 8 mars 1793. Copie.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 6 mars 1798. Orig.
* Ebenda.
^ Feltz an Erzherzog Carl. Mastricht, le 21 juin 1793. Orig. eig. A.-A.
Belgien unter der Qeneralstatthaltorächftft Krahcrzog Carls (1793, 17M). 81
Staats- und Eoiegssecretär der geheime Kath Müller und zu
Fierlant's Nachfolger im grossen Rathe zu Mecheln der Staats-
und geheime Rath Le Clerc ernannt.
Was den geheimen Rath (Conseil prive) betraf, so wm'de
von dessen früheren Mitgliedern De Aguilar in Ruhestand
versetzt und sollte De Reuss nicht mehr in Betracht kommen.
Dagegen wurden der Exconseiller von Brabant, Robiano, und
der Pensionär der Chätellenie von Oudenarde, Rapsaet, für den
geheimen Rath in Aussicht genommen. Demnach sollte dieser
Conseil zunächst aus den früheren Mitgliedern: dem älteren
Limpens, Le Vieilleuze, De Berg und Van der Fosse, von denen
jedoch Berg stets kränklich war, und aus den neu hinzutreten-
den Mitgliedern Robiano und Rapsaet bestehen. Robiano sollte
die Ernennung zur Entschädigung flii* die Verluste dienen,
welche er wegen seiner Anhänglichkeit an den Hof im Jahre 1787
erlitten hatte, dagegen die Ernemiung Rapsaet's, der sich zur
Zeit der Revolution nicht tadellos verhalten hatte, als ein Opfer
gelten, das der Kaiser dem Lande, und zwar zunächst der
Provinz Flandern bringe.^
Da indess weder Robiano noch Rapsaet in den geheimen
Rath eintreten wollte,^ sali sich endlich Metternich zu Gegen-
vorschlägen veranlasst, wobei er von dem Grundsatze ausging,
dass man auf die verschiedenen Provinzen Rücksicht nehmen
und sich bei der Wahl an Personen halten müsse, die ,das Ver-
trauen^ des betreffenden Landes, oder sagen wir vielmehr jenes
der Stände besässen. Eben weil sie dies Vertrauen nicht zu ge-
messen glaubten, hatten Rapsaet und der von dem Minister in
Aussicht genommene Flandrer Mullie, Greflier zu Courtray, ab-
gelehnt. Bei Baron Josef Bartenstein, dem einstigen Conseiller
von Brabant, stiess er auf denselben Widerstand. Doch wusste
ihn Metternich zu bewegen, einer etwaigen Ernennung durch
den ELaiser Folge zu leisten, und der Minister hoffte, dass der
£jitschluss Bartenstein's, der sich im Volke des grössten An-
sehens erfreute, auch auf Rapsaet und Andere günstig zurück-
wirken werde. Da Metternich an dem bisherigen Status von
sechs Mitgliedern festhalten zu sollen glaubte, da jedoch von
^ Trauttmaunsdorif au Metternich. Vienne, le 11 mars 1793. eig.
' Metternich an Trauttmansdorflf. Bruxelles, le 19 avril 1793. Copie.
Sitxungsber. d. phil-hist. Ol. CXXYUI. Bd. 6. Abb. 6
82 VI. AbhandliiDg: v. Zeissberg.
den früheren Mitgliedern Le Clerc, nunmehr Präsident de»
Grand-Conseil, der Staatsseerctär Müller, ferner Van der Fosse,
der um seine Entlassung gebeten hatte, Aguilar und Berg, die
im Auftrage des Hofes pensionirt werden sollten, nicht in Be-
tracht kommen konnten, demnach der Conseil auf zwei seiner
früheren Mitglieder, den älteren Limpens und Vieüleuze, zu-
sammenschrumpfte, von denen aber auch der Letztere sich um
die durch den Tod Pepin's erledigte Präsidentschaft von Toumay
bewarb, so waren für den Fall der Gewährung dieser Bitte,
und falls, wie Mettemich es wünschte, Berg vorläufig noch auf
seinem Posten belassen wurde, vier Stellen zu besetzen, für
welche er Bartenstein, Rapsaet oder eventuell einen anderen
Flandrer, Du Rieux aus Hennegau und den ehemaligen Pen-
sionär der Stände von Namur Petit- Jean de Prez in Vorschlag
brachte. ^
Nun wünschte man aber in Wien, dass in Anbetracht der
Menge rückständiger Geschäfte, die der Conseil priv^ aufisu-
arbeiten habe, derselbe aus sieben Mitgliedern bestehen möge^
von denen sechs sofort in Activität zu treten hätten. Und wenn
auch der Kaiser die Auswahl der Individuen im AUgemeinen
dem Minister anheimstellte, so begleitete Trauttmansdorff dodi
die Personalvorschlägc des Letzteren mit verschiedenen Gegen-
bemerkungen. Eben wegen der zahlreichen Geschäfte, welche
demnächst zu erledigen seien, wünschte er nicht, dass Berg dem
Conseil fernerhin angehöre, er bedauerte aber aus eben diesem
Grunde, dass Van der Fosse um seine Enthebung nachgesucht
habe, und wünschte, dass man denselben veranlassen möge,
wenigstens vorläufig noch im Amte zu verbleiben. Gegen Petit-
Jean machte man seine prononcirtcn Anschauungen^ geltend
und schlug statt dessen ftU* Namur den Pensionär der dortigen
Stände Fallen vor.^ Auch Bartcnstcin's Ernennung flösste Be-
denken ein, da man sich nicht dem Vorwurfe der Vereinigung
der wichtigsten Aemter in den Händen einer Familie aussetzen
wollte, der insoferne erhoben werden konnte, als die beiden
Bartenstein mit dem neuen Chef et Pr<58idcnt, dem Tresorier
^ Mtitturnich an Trauttmutisdorfi', lo 23 niai und lo 3 juiu 1793. Copie.
' Des prini'ipo8 un pou outres.
^ Trauttmansdorff an Metternich. Vieuue, le 3 juin 1793. Orig.
BeiffiMi uitor d«r Ooienastetth<erschaft Erzhenog Carl» (1793, 17M). 83
genend (De Sandrouin) und dem Staatssecrctär verwandt waren.
Das siebente Mitglied des Conseil priv^ sollte den höheren Justiz-
tribanalen entnommen werden^ und man wies auf den Rath an
dem Conseil von Hennegau Antoine hin.
Mettemich bestand indcss auf seinen Vorschlägen und auf
der vorläufigen Beschränkung des Conseils auf sechs Mitglieder^
da es schwerfalle, auch nur diese Zahl ausfindig zu machen.
Er bat daher nochmals, dass man Berg vorläufig belassen möge,
da Van der Fosse bei seiner erschütterten Gesundheit zu länge-
rem Verbleiben im Conseil nicht zu bewegen und es, um nicht
den Zusammenhang der Geschäfte zu verUeren, nöthig sei, dass
wenigstens vorderband einige der früheren Mitglieder beibehalten
würden. Gtegen Fallen machte Mettemich sein jugendliches Alter
geltend. Neuerdings betonte er die Nothwendigkeit, die Mitglieder
des Conseil privä aus den verschiedenen Provinzen zu wählen,
namentlich legte er Werth auf die Vertretung Luxemburgs, da
die EigenthümUchkeiten dieses Landes denen, die nicht daselbst
gewohnt, wenig bekannt seien, und da in diesem AugenbUcke
der Conseil privö einen sehr befähigten Beisitzer an dem Staats-
radie Le Clerc verliere. Auch hielt der Minister den Vorschlag
Petit-Jeans aufrecht, den er gegen Verleumdung in Schutz nahm.
£2r schlug also neuerdings ausser dem Chef et President und
den Käthen Limpens (rainö), Vieilleuze und Berg zu Käthen:
Du Kieux, Bartenstein und Petit -Jean vor. Die früheren drei
Secretäre, darunter ein supemumerärer, und die Subaltem-
beamten sollten wieder eingesetzt werden.^
In Wien trat man zwar auch jetzt noch für eine Ver-
stärkung der Mitgliederzahl des Conseil prive ein ; auch tadelte
man, dass Mettemich bei dieser Frage nicht die Conferenz zu
Rathe gezogen habe.^ Doch ehe noch diese Weisung nach
Brüssel gelangen konnte, war hier der Conseil priv(5 bereits in
der von Mettemich zuletzt vorgeschlagenen Zusammensetzung
reactivirt* Am 28. Juni nahm der Erzherzog die Eidesleistung
* Mettemich an Trauttmaiisdorff. Bruxelles, le 15 juin 1793. Copie.
' Tranttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 27 juin 1793.
* Derselbe bestand aus: Ficrlant als Präsidenten, dem älteren Limpens,
Vieilleuze, De rilove, Do Berg, Du Rieux, Barteustein und Petit-
Jean.
84 VI. AbhftndluDg: t. Zeissberg.
des neuen Clief et President entgegen.^ Am 1. Juli Morgens
trat der Conseii priv(^ selbst zusammen und wurde von dem
Minister mit einer passenden Anspraehe eröffnet. Aguilar schied
aus dem Couseil prive^ und das Gleiehe stand bezüglich De
Vieilleuze's zu erwarten^ falls ihm die Präsidentschaft des Con-
seils von Tournay zutheil wurde.
Die neue Besetzung des Conseii privö wurde nachträglich
von dem Kaiser genehmigt^ dagegen blieb der Antrag Metter-
nichts, aus diesem Anlasse Aguilar, Limpens und Le Vieilleuae
den Titel von Staatsräthen zu verleihen, vorläufig unerledigt
Die weitere Ergänzung des Conseii privö, wie sie der
Kaiser wünschte, wurde erst im folgenden Jahre (1794) in An-
griff genommen, wobei, wie bei der Ergänzung der Conseils
collat^raux Uberliaupt vor Allem auf jene Personen Rücksicht
genommen werden sollte, die in letzter Zeit auf Verlangen der
Stände aus ^unfruchtbarer Gefälligkeit^ gegeii dieselben pen-
sionirt worden seien.*
Dem Herkommen gemäss wurden die eingelaufenen Ge-
suche, darunter jene der früheren Conseillers am Conseii von
Brabant Mercx und Bois St.-Jean und des Advocaten am Cob-
seil von Luxemburg, Franck, zunäclist (2. April) dem Conseii
privö selbst zur Aeusserung zugesandt, sodann letztere der Con-
ference zu weiterer Berichterstattung mitgetheilt.
Das Gutachten des Conseii prive ging von der wohl gani
zutreffenden Betrachtimg aus, dass es, sowie jederzeit, namenl-
lich auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen von der grössten
Bedeutung sei. dass eine Körperschaft, in deren Schoosse An-
gelegenheiten der Legislative, der Justiz und der höheren Polini
des ganzen Landes verhandelt würden, mit Männern besetil
werde, welche sich bereits in anderen Aemtem bewährt hätton
und die zugleich allseitig Achtung und Vertraaen genössen.
Daher habe man stets mit VorÜebe verdiente Mitglieder der
höheren Gerioht^höfo, begabte Beamte des Gouvernements oder
geachtete Pensionäre der Stände oder der Städte in VorscUag
Mvuitcur Nr. ll^. IWh führ: der übrigens wenig veriäaüicke Gütiadiür
«le U cour vou ITiH »uoh uvK*h d'Afuilar aud Beuss
* Moiüteur Nr. ll^i^.
* Trauttman$«lorir an Metieniich. le 11. le lö maz« \7^L
Belgien unter der Qenentlstattbaltemch&ft Erzherzog Carls (1793, 1794). 85
gebracht Auch darauf habe man geachtet, dass nicht zu viele
Mitglieder einer und derselben Provinz entnommen, vielmehr
bei der Auswahl die vorzüglichsten Provinzen und die verschie-
denen Justiztribunale in Betracht gezogen würden, um sich so
die genaueste Kenntniss der mannigfachen Gesetze der ver-
schiedenen Provinzen zu sichern. Daher glaubte der Conseil
priv^ sich nicht lediglich auf eine Begutachtung der einge-
reichten Gesuche beschränken, sondern auch sonst im Kreise
der Tribunale und Magistrate Umschau halten zu sollen, zumal
es bekannt sei, dass die ausgezeichnetsten Mitglieder der letz-
teren in der Regel nicht petitionirten, wenn sich ihnen nicht
zuvor Aussicht auf Erfolg erschlösse.
Auf Grund dieser Erwägungen schlug der Conseil priv^
(Berichterstatter de le Vieilleuze) den Conseiller am Conseil
von Brabant, Charlier, und den Conseiller am Grand conseil von
Mecheln, Pouppez, vor, von denen jener ein ebenso genauer
Kenner der Geschichte, Gesetze und Gewohnheiten von Brabant,
als dieser in den Gesetzen und dem Herkommen namentlich
Flanderns bewandert und beider Landessprachen kundig sei,
und von denen der Letztere noch in der Blüthe der Jahre
stehe, während gegen den Erstercn nichts als sein Alter geltend
gemacht werden könnte, wofern man nicht wüsste, dass er sich
einer festen Gesundheit erfreue. Für den dritten Platz schlug
der Conseil prive einen Flamändcr vor; zwar wusste er selbst
nicht eine geeignete Persönlichkeit ausfindig zu machen, nament-
lich nicht unter den Mitgliedern des dortigen Conscils; doch
schien ihm unter den dortigen Magistratspersonen der Conseiller
pensionnaire des Franc de Bruges Sola die meiste Eignung zu
besitzen. Gegen Mercx und Bois St. -Jean machte man geltend,
dass beide Brabanter seien. Da nämlich ausser dem Chef et
President bereits zwei Conseillers geborene Braban90ns waren
und das Gleiche von Charlier galt, dem der Berichterstatter
jedenfalls den Vorzug vor jenen Beiden gab, so war der
Conseil bereits zur Hälfte aus Brabantem zusammengesetzt.
Ausserdem wendete man gegen Mercx und Bois St. -Jean ein,
dass beide nur kurze Zeit im Conseil von Brabant gesessen,
und dass die Art ihres Eintrittes in den Conseil von Brabant
im Publicum Misstrauen erregt habe, das, so ungerecht dies
auch sein möge, doch auch auf den Conseil prive sich aus-
86 ^- Abhandlang : v. Zeissberg.
dehnen würde, falls sie demselben als Mitglieder angehörten.
Franck endlich zog man gar nicht ernstlich in Betracht, da
er blos kurze Zeit Richter erster Instanz in Luxemburg ge-
wesen sei.
Der Referent der Conferenz Robiano pflichtete im Ganzen
dem Vorschlage des Conseil priv^ bei. Namentlich stellte auch
er CharUer, mit dem er selbst seit 1768 im Conseil von Brabant
gesessen hatte, das günstigste Zeugniss aus ; wohl habe er, fügte
Robiano bei, seither manchen Tadel wider denselben vernommen,
doch wisse er nicht, inwieweit derselbe begründet sei. Beson-
deren Nachdruck aber legte der Berichterstatter auf die Kennt-
niss der vlämischen Sprache, da sonst in Folge der vielen Ein-
gaben in diesem Idiom die ganze Arbeitslast auf ein paar
Mitglieder falle. Sonst nannte er nur noch den pensionirten
Conseiller Bara, der seine beiden CoUegen Mercx und Bois
St. -Jean entschieden überrage, aber des Vlämischen nicht mäch-
tig und zu kurze Zeit im Conseil gewesen sei, um jene Kennt-
nisse zu besitzen, die der blosse Beruf eines Advocaten nicht
schaffe. Ueberdies gelte von ihm, was der Conseil priv6 von
der grossen Anzahl von Brabantern in seiner Mitte bemerkt habe.
Lannoy und Müller gaben in der Conferenz besondere
Voten ab. Lannoy machte vor Allem darauf aufmerksam, dase
De le Vieilleuze demnächst den Conseil priv^ verlassen werde,
dass De Berg, der in Folge dessen das älteste Mitglied des
Conseil priv^ werde, diesem erst seit 1787, und zwar mit Unter-
brechung von fast zwei Jahren angehöre, dass endlich die zwei
übrigen Mitglieder erst seit acht oder neun Monaten dieser
Körperschaft angehörten, dass auch der Chef et Präsident seil
etwa 17 bis 18 Jahren den Geschäften des GouvemementB
femegestanden habe, dass also nach Abgang De le Vieilleuze's
es im Conseil prive eigentlich Niemand gebe, der auf dem Lau-
fenden der Geschäfte sei. Was die Vorzuschlagenden anbelangte,
war auch Lannoy der Meinung, dass der Eine darunter ein
Flandrer sein müsse. Ueber Charlier's Verdienste gebe es nur
eine Stimme, er sei wohl alt, aber noch thatkräftig. Dag^en
beschuldige man ihn, dass er während der Unruhen Vonckist
gewesen sei und durch vier bis fünf Monate die Functionen eines
Fiscals versehen, dann aber sich zurückgezogen habe. Doch auch
angenommen, seine Ansichten seien tadellos, so sei es, meinte
Bellen unter der Qener»l8tatthalt«rRchaft p:rzherzog Carls (1793, 1794). 87
Lannoj, nicht zu empfehlen, ihn aus dem sowohl was Talent,
als was die Gesinnung der Mehrheit seiner Mitglieder betreffe,
ungünstig zusammengesetzten Conseil von Brabant zu entfernen.
Gegen Pouppez hatte Lannoy nichts einzuwenden. Sola sei ihm
durch seine trefflichen Arbeiten auf dem Gebiete der Municipal-
administration wohl bekannt; er habe vor Allem dazu beige-
tragen, den Franc de Bruges in gute Stimmung zu versetzen,
doch sei ihm unbekannt, ob derselbe mit den Principien der
Verwaltung im Grossen vertraut sei. In Bezug auf Mercx und
Bara schloss sich Lannoy dem Votum Robiano's an.
Staatssecretär Müller hinwiderum fand, dass es überhaupt
keine Auswahl gebe. Charlier kenne er nicht; ihm genüge aber,
dass das Volk über dessen Grundsätze in Zweifel, und dass er
ein wenig zu alt sei. Gegen Pouppez hatte er nichts vorzu-
bringen. Für Sola spreche, dass er ein Flamiinder sei und die
Empfehlung Maroucx', der denselben stets als einen unterrich-
teten, gemässigten, klugen Mann gerühmt, welcher mit allen
Parteien gut stehe, und gegen den die öffentliche Stimme nichts
einzuwenden habe. Müller sprach sich also blos* für Pouppez
und Sola aus. Bezüglich der drei Conseillers von Brabant theilte
er die Ansicht des Conseil privö und meinte, dass es nicht auf
die Ersparung einer Pension ankomme, wo so wichtige Inter-
essen im Spiele seien. Unter den Competenten befand sich auch
der Pensionär der Stände von Limburg, Wildt. Auch gegen ihn
wurde, ob mit Recht oder nicht, geltend gemacht, dass er
Vonckist sei. Es sei, schloss Müller, sehr zu beklagen, dass sich
eine so geringe Auswahl darbiete, aber man müsse bedenken,
dass das Land noch immer in drei Parteien getheilt sei, und
dass man keine exaltirte Persönlichkeit selbst aus der gutge-
sinnten Partei in Vorschlag bringen dürfe. Das Alles schränke
gar sehr die Wahl ein, wenn man die Eigenschaften im Auge
behalte, die ein geheimer Rath besitzen müsse. Dazu komme,
dass man innerhalb weniger als einem Jahre den wichtigsten
und ersten Conseil des Landes vollständig erneuern müsse,
während man sonst nur höchstens alle drei oder vier Jahre ein
Mitglied für den geheimen Rath zu wählen habe. Auch Metter-
nich sprach sich im Sinne MüUer's gegen Charlier und blos flir
Pouppez und Sola aus und beantragte, den dritten Platz vor-
läufig offen zu lassen und erst später, etwa im Zusammenhange
88 VT. Abb&ndlQDg: v. Zeissberg.
mit der schon damals geplanten Umgestaltung der Conferenz,
ßobiano auf denselben zu berufen.^
Im Mai 1794 wurden vom Kaiser Bara, Pouppez und Sola
zu geheimen Käthen ernannt. Insbesondere sollte, wie Trautt-
mansdorff bemerkt, die Ernennung des Ersteren zum Beweise
dienen, dass man nicht auf die vergesse, welche ,der Autorität'
ergeben seien. ^ Und aus demselben Grunde wurde im geheimen
Rathe dem bisherigen Conseiller von Brabant Bara, den UbrigeuB
auch Metternich als einen ,sehr honneten und fUr die Stelle sehr
geeigneten Mann' bezeichnet,^ der Vorrang vor Pouppez einge*
räumt, obgleich sonst die Conseillers am Grand Conseil, aas
deren Reihen der Letztere hervorging, im Range den Conseillers
priv^s so ziemlich gleich zu stehen pflegten.*
Es ist wohl als eine Folge der Besetzung des Conseil privi
mit diesen neuen Mitgliedern zu betrachten, dass endlich, am
8. Juni 1794, De le Vieillcuze auf den seit zehn Monaten ver
waisten Posten eines President Grand -Bailli des Conseil von
Tournay-Tournesis mit Belassung seiner bisherigen Bezüge ve^.
setzt wurde. ^
Mindere Schwierigkeiten als die Wiederbesetzung des Con-
seil privö bereitete jene des Conseil des finances. Es haur
delte sich blos um Ersatz der zwei Räthe Limpens und Lannoji
von denen jener nach des Kaisers Wunsch nicht mehr in Be-
tracht kommen sollte,^ dieser in die Conferenz tibergetreten war.
^ Metternich an Trauttmansdorff, 30 avril 1794, sammt Beila^n. Denelbt
an Erzherzog Carl, le 3 mai 1794. Orig. eig. A.-A.
' Trauttmansdorff an Metternich. Brnxelles, le 8 mai 1794. Orig.
' Metternich an Erzherzog Carl, le 8 mai 1794. Orig. eig. A.-A.
* Metternich an Trauttmansdorff. Hruxelles, le 8 mai 1794. Traattmam-
dorff an Metternich. Bruxellos, le 9 mai 1794. Orig.
* Trauttmansdorff an Metternich. Bruxelles, le 8 juin 1794. Orig.
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 21 juin 1793: ,S. M. veut bidn
approuver au.ssi que le conseiller des finances Limpens reste enoore em-
ploy^ provisionnellement a lajointe des terres contest^es, mais d*aprte
des renseignomens qui sont parvenus sur les principes de ce conseillari
Fintention de S. M. n'est ancunement qu'il fasse partie da comit^ qa^
pourroit etre question d^6tablir pour Fadministration et goavemement
interiour dos places fran(^i8es k conquerir.* Doch schlug die Stimmnng
in Wion siiäter zu seinen Gunsten um; denn als er sich spKter danun
bewarb, dass seine provisorische Stellung an der Jointe dos terres con-
tost^t^s in eine definitive umgewandelt werde, wurde in Anbetracht ,d«
BelgitD QDter d«r Oenemlitatthaltenchaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 89
Mettemich schlug ftlr die eine der erledigten Steilen den Cheva-
lier Van der Dilft vor, der bereits Finanzrath war, aber bisher
nicht in diesen Conseil eingetreten, sondern blos in der Jointe
d'administration et du s^questre verwendet worden war und im
Rufe eines genauen Kenners des Zollwesens stand. Für den
anderen Posten hatte bereits Trauttmansdorff auf den Baron de
Charvet, Conseiller et maitre an der Chambre des comptes hin-
gewiesen, und Mettemich stimmte diesem Vorschlage zu. Zu-
gleich sollten die früheren Greffiers, zwei ordentliche und zwei
snpemumeräre, und ebenso die Subaltenibeamten wieder ein-
gesetzt werden. Vorsitzender des Finanzrathes war der Tr^sorier
gänöral Vicomte De Sandrouin.
In der Folge gab gerade der Finanzrath häufig Anlass
zu Klagen über Mangel an Subordination, die sich namentlich
in einer abfälligen Kritik jener Anordnungen des Gouverne-
ments äusserte, deren Zweck die Versöhnung der Parteien war.
Die Verhandlungen in diesem Conseil nahmen oft einen recht
stürmischen Verlauf, und der Tresorier gc^n^ral war nicht immer
im Stande, den Ausbruch der Leidenschaften zurückzuhalten.
Ueber manche Gegenstände fanden überhaupt keine Berathun-
gen statt, und der Ton, in dem die Berichte dieser Körperschaft
abgefasst waren, gab wiederholt zu ernster Rüge Anlass.^
Die Besetzung der Chambre de comptes bereitete in
Folge der grossen Zahl von Bewerbern und der von denselben
geltend gemachten Ansprüche vielerlei Schwierigkeiten,* so dass
dieselbe überhaupt erst später, während der Anwesenheit des
Kaisers (20. Mai 1794), erfolgte. Dieselbe sollte fortan aus
8 Conseillers maitres, 12 Auditeurs und 2 Greffiers bestehen,
'wie dies der Conseil des finances bereits 1791 vorgeschlagen
liatte. Vorläufig sollten die bisherigen Beamten an derselben
l>ela8sen werden, um die Rückstände aufzuarbeiten. Um den
Präsidenten Kulberg zu entlasten, wurde demselben der Finanz-
m^rite de cet excellent ouviier en mati^re des finances* nicht nur das
Ansuchen g^ewKhrt, sondern ihm auch Titel und Rang eines ,Conseiller
des finances* auf Grund seines frilheren Patentes vom Jahre 1770 be-
lassen. Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 6 dccembre 1793.
Orig.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 7 dccembre 1793. Copie.
' Trauttmansdorff an Mettemich. HnixoHes, le 9 mai 1794. Orig.
90 VI. Abbandlang: t. ZeittBberg.
ratb Bartenstein als Vicepräsident zugesellt und Letzterem Titel
und Rang eines Staatsrathes verliehen. Im Conseil des finances,
wo er dem Cassenwesen vorgestanden hatte, wurde Bartenstein
durch den Conseillcr maitre Barbier ersetzt.^
Hingegen ist die im Jahre 1794 beabsichtigte Errichtung
eines ,Bureau h la recette g^nirale^, in dessen Ressort vorzüg-
lich Anlehenssachen, die Assignationen k ordre imd die regel-
mässig einlaufenden Dons gratuits fallen sollten, nicht mehr zu-
stande gekommen.^
Die Zusammensetzung des Staats secretariates, dem
nunmehr Müller vorstand, erfuhr keine wesentliche Aenderung.
Dagegen wurde die frühere specielle Kanzlei des Statthalte^
paares nicht wiederhergestellt und die Secretäre derselben
Pisiricht und Vicomte de Nieidant pensionirt.*
Die sogenannte ,Direction des ctudes' hatte, wie alle
öffentlichen Institute, durch die Unruhen der letzten Jahre er-
heblichen Schaden erlitten. Sie war in Folge der Aufhebung
des Jesuitenordens entstanden, 1791 wiederhergestellt worden.
Damals hatte man in dieselbe nur zwei Assessoren fUr das
Schulwesen aufgenommen: den ständigen Socretär der Aka-
demie Abbe Mann und den Pater Janssens, Mitglied des Brüs-
seler Augustinerconvents. Letzterer war aber im März 1792
gestorben und seine Stelle bisher unbesetzt geblieben, während
seine Functionen mit seinem Oehalte auf den Actuar Podevin
übergingen. Natürlich konnte diese Vertilgung nur eine provi-
sorische sein; ja die Erfahrung der drei letzten Jahre hatte ge-
lehrt, dass zwei Assessoren zur Bewältigung der Menge literari-
scher Arbeiten und eines Theiles der ökonomischen Geschäfte
der Commission nicht ausreichend seien. Daher stellte die Stadien-
commission selbst den Antrag auf Ernennung eines dritten Mi^
gliedes. Die Conferenz befürwortete den Antrag, zumal über
den mangelhaften Unterricht in den königHchen CoUegien und
über die Vemaehlässiirung dieses Zweiges der Verwaltung all-
* TrÄuttmansdorff an Mottomich. Bnixelles, le 20 mai I7d4. Ori^.
* Trauttnian.'wlorflF an Mettcnüch. Bnixelle«, le 10 juin 1794. Otig.
* Note snr la conipnsition de la secretairerie d'etat. Broxelles, le 12 juin
1794. Mottomich an Traiittniansdorff. Bnixelle«», le 15 juin, le 13 aoüt,
le 30 soptcinbro 1793. Trauttmanitdorff an Mettemich, le 10 juillei, le
25 aoüt, le 21 soptembre 1793.
B«lffi«n onter der OeneraUtattbalterschaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 91
gemein geklagt wurde. Auch der Erzherzog unterstützte den
Antrag; wohl, meinte er, sei die Mehrbelastung der Finanzen
im gegenwärtigen Augenblicke misslich, aber man dürfe sich
nicht täuschen darüber, dass, wenn man fähige Männer ftir
dies Departement gewinnen wolle, dieselben entsprechend ge-
stellt werden müssten. Auch sei nicht zu übersehen, dass der
öffentliche Unterricht ein Erbe sei, das man von den Jesuiten
übernommen, imd dem der Staat bisher nur geringe Summen
zugewendet habe.
Unter den Bewerbern um die beiden erledigten Stellen
gab die Studiencommission dem bisherigen Actuar Podevin und
Huart, der 1788 — 1789 Directeur des ^coles latines gewesen
war, den Vorzug. Für beide sprach ihre umfassende Bildung,
ftir Podevin überdies seine lange Dienstzeit, fllr Huart seine
frühere Stellung. Allerdings wurde gegen den Letzteren ange-
ftihrt, dass er sich seinerzeit den Ständen angeschlossen habe.
Allein man wusste keinen passenden Ersatz für ihn, wollte sich
auch den Ständen von Brabant, die sich fllr ihn interessh*ten,
gefällig erweisen' und ging zugleich von der allerdings sonder-
baren Ansicht aus, dass es sich ja nur um das Schulfach handle,
das darüber hinaus keinen Einäuss übe. So wurde also Podevin
zum zweiten, Huart zum dritten Mitgliede der Commission mit
erhöhten Bezügen ernannt, während die Stelle eines Actuars
dem Professor der Rhetorik an dem königlichen Colleg in
Brüssel und Mitglied der Akademie Le Broussart zu Theil
Wurde. *
In Bezug auf die Besetzung der neugeschaffenen Con-
ferenz zu Brüssel war beschlossen worden, dass das eine
^er Mitglieder in den Finanzen, das andere in den Geschäften
^e« Conseils bewandert sein müsse. Eben deshalb konnte auch
Xücht ausschliesslich auf Ständemitglieder Bedacht genommen
'Werden, ganz abgesehen von der Eifersucht unter den Pro-
"Vinzen, zu der die anscheinende Begünstigung der einen oder
^er anderen Anlass gegeben hätte. Für die Finanzen wurde
* Extrait du protocole de la Conference du 26 septembre 179.3. Commission
royale des Etndes du 31 aoüt 1793. Bericht des Erzherzogs an den
Kaiser vom 2. Januar 1794. (Entwurf mit Correcturen von Milller's
Hand.)
u2 VI. Abhandlnng: t. Zeissberg.
Lannoy, der früher Mitglied der Wiener Jointe gewesen war,
zum Conferenzmitgliede ersehen. Um auch dem ständischen
Interesse Rechnung zu tragen^ sollte die zweite Stelle dem
Grafen von Coloma, MitgUed der Stände von Brabant, oder,
wenn dieser ablehne, dem Vicekanzler Van Velde angeboten
werden, oder endlich, falls dieser die durch die mittlerweile
erfolgte Demission Crumpipen's ledig gewordene Eanzlerwttrde
vorziehen würde, Robiano in Betracht kommen.^
Da Coloma ablehnte, Van Velde (s. unten) eine andere
Bestimmung erhielt, wurde zuletzt, ausser Lannoy, Robiano in
die Conferenz berufen und diese am 22. Mai 1793 eröffnet Aus
diesem Anlasse beantragte Metternich, Beiden, sowie auch dem
Staats- und Kriegssecretär Müller, Charakter und Bezüge von
Staatsräthen zuzugestehen; er machte dafür geltend, dass diesen
Titel einzelne Mitglieder des geheimen, sowie des Finanzrathes
führten, deren Berichte doch fortan in der Conferenz geprtkft
und entschieden werden sollten. Für Müller sprach überdies der
Umstand, dass denselben Titel sein Amtsvorgänger geftthrt hatte.'
Doch der Kaiser gestand ihnen vorläufig blos das Gehalt zu^ den
Titel sollten die Mitglieder der Conferenz sich erst verdienen.*
Vergebens wendete Metternich ein, dass Robiano bisher überhaupt
keinem Status angehöre und keinen anderen Titel Aihre, Lannoy
als Finanzrath den meisten Mitgliedern des Gouvernements nach-
stehe. Es blieb vielmehr zunächst bei jener Entscheidung.
VII. Die Amnestie.
Neben der Zusammensetzung der obersten Hof- und Staats-
ämter bildete eine der ersten Aufgaben, die an den General-
statthalter und dessen Minister herantrat, die PubUcation der
durch die Proelamation vom 2. März in Aussicht gestellten
Amnestie. Metternich erklärte, dieselbe, wenigstens soweit sie
Brabant betraf, so lange verschieben zu woUen, bis der Erz-
herzog selbst die Zügel des Gouvernements übernehmen würde,
um ihm die Gclcprenheit zu ^eben, seine Statthalterschaft mit
^ Trauttnianiidorff au Mottornich. Vienne, le 22 mar» 1793. Orig^.
^ Metternich an Tranttmansilorff, 23 mai 1793.
^ Trauttnianwlorft' an Mettornich, lo 3 juin 179.'J. Orig.
B«lgMO unter der QeoenOsUUthalterschftft Erzherzog Carls (1793, 1794). 93
einem Gnadenacte zu eröffnen.^ Er liess sich iu dieser Absicht
auch nicht durch wiederholtes DrUnpen Trauttmansdorflfs beirren,*
der ihm dies umsomehr verargte^ als der Kaiser den Wünschen
der Nation hatte zuvorkommen wollen, und nun aus ander-
weitigen Berichten entnahm, dass von allen Seiten gerade jene
Wünsche geäussert wurden, denen die von Metternich der
Oeffentlichkeit bisher vorenthaltene Proclamation bereits Rech-
nung getragen hatte. Man besorgte nicht mit Unrecht, dass
ttber solcher Verzögerung der günstige Zeitpunkt verstreichen
und der Gnadenact die beabsichtigte Wirkung verfehlen werde. ^
Allein es zeigte sich bald, dass es vielmehr gewisse Be-
denken waren, die nicht nur Metternich,^ sondern auch den
Erzherzog zurückhielten, die Anmestie in ihrem vollen Umfange
XU publiciren. Der Erzherzog liess letztere zunächst bezüglich
der Unruhen von 1789 und 1790, da für diese in den übrigen
Provinzen schon früher (1791) ein ähnlicher Gnadenact erfolgt
war^ in Brabant,^ insofernc sie aber die Bethunisten, die Deser-
teurs und alle jene belgischen Unterthanen, die noch franzö-
sische Waffen trugen^ betraf, auch in den übrigen Provinzen
bekanntgeben, stellte es jedoch noch einmal dem Kaiser an-
heim^ ob die Amnestie auch bezüglich alles dessen, was sich bei
der französischen Occupation zugetragen habe und zu Gunsten
derer, welche den Feind herbeigerufen und unterstützt hatten,
ausnahmslos gelten solle.
Wie er selbst bemerkte, waren es namentlich drei Gründe,
die ihm dagegen zu sprechen schienen: 1. dass bereits jetzt die
Uebelgesinnten zurückkehrten, neue Gährung zu erregen such-
ten und die Hoffnung hegten, ihre Befreier bald wiederkehren
^ TrauUmansdorff au Metternich, le 17 mars, le 2* avril, lo 10 avril.
* R^ponse dict^e par Metternich aux iustructiunä.
* Trauttmanudorff an Metternich. Vienno, le 20 avril 1793. Orig.
* Metternich an Erzherzog Carl, 13 mars 1793. Orig. x\.-A.
* Hier wurde in der Verlautbarung die Einleitung des Amnestiedecretes
nnterdräckt, da die Stelle, welche die Amnestie slU Schlusssteiu der mit
den Ständen über alle noch strittigen Punkte getroffenen Vereinbarun-
gen bezeichnete, für Brabant nicht pauste, wo diese Vereinbarungen zum
Theile erst zu treffen waren. Metternich au Trauttmansdorff. Bruxelles,
le 15 mal 1793. Da« Amnestiedecret datirt vom 17. April und ist unter
Anderem im Mouiteur Nr. Id5 abgedruckt; jenes für die Bethunisten
(13. Mai) bei Foucart et Fiuet, La defense uatiouale 1, 456.
!M VI. AbhandlaDg: v. Zeissberg.
ZU sehen; 2. dass die öffentliche Meinung sich gegen einen der-
artigen Generalpardon ausspri(ch^ und dass endlich 3. die
Stände^ sobald sie versammelt sein würden^ Qegenyorstellungen
zu machen gedächten. Jch weiss/ heisst es in der officiellen
Vorstellung des Erzherzogs, ,dass ein Hauptbeweggrund ftr
Eure Majestät darin bestand, dass die reactivirten Tribunale An-
sichten hegten, die denen der französischen Revolution entgegen-
gesetzt seien, und dass man sich daher darauf verlassen dürfe,
dass diese schon selbst für die Hintanhaltung weiterer Unter-
nehmungen der Uebelgesinnten Sorge tragen würden. Das trifft
aber nicht überall zu, da es Justiztribunale und Magistrate gibt,
die von den französischen Ideen angesteckt sind. Das hätte weni-
ger zu bedeuten, da man diese Behörden ändern kann, obgleich
ihre Pensionäre und andere Beamte inamovibel und gerade diese
es sind, welche jene Körperschaften zu leiten pflegen. Schlimmer
aber steht es mit den oberen Justiztribunalen. Ein frappantes
Beispiel liefert die Stadt Toumay, wo drei Mitglieder des Con-
seilö und zwei Pensionäre als die eifrigsten Anhänger der Fran-
zosen und ihres Regimentes öffentlich bekannt sind/^
In einem beigefügten Privatschreiben schlug daher Era-
herzog Carl vor, die Amnestie zwar zu erlassen, aber von de^
selben die ,Haupträdelführer', die dem Gouvernement wohl-
bekannt seien, auszuschliessen, denn sonst stehe die Ankunft
Van der Noot's und Van Eupen's zu besorgen, die man hier
mit vielem Vergnügen empfangen werde.* Doch in Wien machte
die Besorgniss vor der Rückkehr eines Van der Noot oder Van
Eupen nicht den mindesten Eindruck. Hatte doch kurz zuvor
das Gouvernement selbst Van Eupen durch Auckland zur Rück-
kehr nach Belgien zu bewegen gesucht.^ Wenn sich dieselben,
meinte man, das Geringste erlauben würden, sei man ja im
Stande, sie sofort ,beim Schöpfe^ zu fassen. Man erweise den
Beiden zu grosse Ehre, wenn man sie von der Generalamnestie
ausnehme.*
Auch Hess der Kaiser die von seinem Bruder entwickel-
ten Gründe nicht gelten. Hätte man, so wie es in seiner Ab-
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Bruxolle», le 3 mai 1793. Entw. (Of&ciell).
' Derselbe an denselben. Brüssel, den 6. Mai 1793. Orig. oig.
" Auckland III, 17.
* Motteruich an Trauttmausdorff. Bruzelles, le 11 mai 1793.
jtstnri wstci^ Hrsxeri.^ Oat-^ -ITML irMV dö
acht Ijkg, die PrM^usAdvc »Kort uach ilem Al»i:ugo des Fciuiios
puUiciit K'^iicT <&:<L ächon tLikiuskL» GogouvorsteUim^'u ^^lUäichu
80 wftide maa ntcLc in die Lago gokouimou sein« jotzt Vor
stellmi^s abrr Aikordnangen zu macheu, ilie l^uge zuvor ge-
troffen wofden ieien. Der Kaiser billigte« was der Erzherzog
bereits reiftgt. oninete aber zugh-ich ilie uubesohräukte Voll-
nehnng der Amnestie an.^ Das einzige Zugestönduis^ das er
machte, war. daä» die Proolamation vom -. März, da ihr Wort-
laut znm TkeU nicht mehr auf die gegenwärtigen Umstände
paaste, umgearbeitet and erst nach Sclüuss der Ständeversamm-
long publieiit werden sollte.^
Indess auch in dieser Umgestahung scheint die Amnestie
nicht mehr pnbUcirt worden zu sein. In Wien selbst kam man
später Ton dem trüheren Standpunkte in dieser Frage zurilck.
,Wa&y^ ao erklärte jetzt Trauttmansdorff, ^im Augenblicke unse-
res Einzuges gut gewesen wäre, wo ilie Amnestie hätte ver-
öffentlicht werden sollen^ kann es vielleicht heute nicht mehr
sein, wo es mogUcherweisc nöthig ist, die Anhänger dos fran-
zösiBcken Systems mehr im Zaume zu halten/ Deshalb wurde
jetst die Amnestie filr die w*ährend der französischen iVcupa-
tion des Landes begangenen Excesse auf die Zeit bis zimi
34. März, d. i. bis zum Einzug der kaiserlichen Truppen in
Bräaael, beschränkt, und überdies dem Ei*me$son Metternich*s
and der Conferenz anheimgestellt, welchen Ciebrauch man von
dem Amnestieacte machen wolle. *^
Ja am 30. November ordnete Trauttmansdorff selbst die
gerichtliche Verfolgung von drei Persönlichkeiten^ an, die sieh
Während der französischen Oceupation mancherlei Vergehen
hatten zu Schulden kommen lassen. Das Urtlieil sollte getUUt,
aber dem Gouvernement vorgelegt werden, um zu beui*theilcn,
ob einer von denselben oder alle zu begnadigen seien. ,Da
übrigens,^ schUesst die betreffende Weisung, ,die Amnestie noch
nicht einmal pubUcirt ist und vermuthlicli auch nicht mehr
pnbUcirt werden wird, darf dieser Gnadenact keinen EinÜuss
^ Der Kaiser au Erzherzug Carl (ofdcicU). Vieuno, lo 18 mai 1793. Coucept.
* Derselbe an denselben (ofiiciell). Vieuno, le 2* aoüt 1793. Orig.
' Trauttmansdorff an Metteruicli. Vienne, le 9 octobre 1793. Orig.
^ Henry Samels, Bürger von Antwerpen, der Arzt Charles Wulff und Phi>
lippe Defuisseaux, die beiden letzten aut( llenuegau.
96 VI. Abliaadlaag : v. Zeissberg.
auf jenen Process üben. Auch düifte der Zeitpunkt, in dem
das Land von Uebelwollenden bedroht wird, nicht der geeig-
nete sein^ um die Thätigkeit der Justiz aufzuheben oder zn
lähmen, zumal jene Schuldigen, wie Se. königl. Hoheit richtig
bemerkt hat, selbst kein Zeichen von Reue äussern oder ihr
einstiges Benehmen in Abrede stellen, sondern es dritte Perso-
nen sind, die sich fllr sie, vielleicht ohne ihr Vorwissen, ve^
wenden/ ^
Selbst im Mai 1794 war die vielbesprochene Amnestie
noch nicht verkündet, wie man daraus ersieht, dass Mettemich
am 16. d. M. bei Trauttmansdorff anfragte, ob dieselbe nach
Schluss der gegenwärtigen Ständeversammlung von Brabant zu
veröffentlichen sei oder nicht.*
Bei alledem darf hervorgehoben werden, dass selbst in
ihrer Beschränkung die Amnestie von einem Geiste der Ver-
söhnlichkeit imd Mässigung Zeugniss gibt, die der Beruhigung
der Gemüther sehr zu Statten kam. Im Gegensatze zu Lüttich,
wo die Politik unkluger Revanche Massenauswanderungen nach
Paris zur Folge hatte, dürfte die Zahl der Belgier, welche ein
freiwilliges Asyl strafloser Rückkehr in die Heimat vorzogen,
nur gering gewesen sein. Eine Ausnahme machten blos die
demokratischen Administrateurs von Mens, die einst erklärt
hatten, dass die Bande, welche ihr Land — den Hennegau —
an das Haus Oesterreich knüpften, fiir immer zerrissen seien,*
und die sich nach Frankreich flüchteten, wo sie unter dem Titel
,Administrateurs du d^partemcnt de Jemappes* ein Schattendasein
fristeten und sogar das Recht der Vertretung dieses ,Departe-
ments^ im Nationalconvent, freilich vergebhch, in Anspruch nah-
men. Gelegentlich wird auch einer ,Soci^te de Braban9ons^ in
Paris gedacht, und ebenso deuten vereinzelte Nachrichten auf
den Fortbestand eines belgischen Emigrantencorps hin. Aber all
dies hatte wenig zu bedeuten; gab es doch derartige Fremden-
regimenter, die im Ganzen blos aus 13 Mann bestanden, da*
gegen 26 Ofdciere zählten.'^
^ Trauttmansdorff au Mettemich. Vienne, le 30 novembre 1793.
' Metteruich au Trauttmansdorff. Bruxelles, le 16 mai 1793.
' S. Zeissberg, Zwei Jahre belgischer Geschichte II, 8. 246.
* Borgnet U*, 2Ö9— 277.
Belfitn nnttr d«r OutraUtetthaltorsohaft Enhenog CurU (1798, 1794). 97
YIII. BeorganIsation des Conseils toii Brabant.
Ebenfalls eine der wichtigsten Veränderungen, die in die
Anfänge der neuen Statthalterschaft fiel, und die vielleicht mehr
als alles Andere den völligen Umschwung der inneren Verhält-
nisse Belgiens charakterisirt, war die Reorganisation des
Conseils von Brabant. Hatte die Zusammensetzung dessel-
ben in den beiden letzten Jahren zu unaufhörlichem Hader
zwischen dem Gouvernement und den Ständen den Anlass ge-
geben, so trugen jetzt die letzteren in dieser Frage einen voll-
ständigen Sieg davon. Im Grunde war es freilich seitens der
Regierung nur die Einlösung einer Zusage, welche bereits
Maria Christine in den letzten drangvollen Momenten ihrer
Statthalterschaft den Ständen geleistet hatte.
Würde, so heisst es in einer dem Art. 2 der Instruction
für Mettemich beigefügten Bemerkung, die Depesche vom 8. No-
vember V. J. ^ nicht existircn, so hätte man vielleicht noch immer
mit den Ständen ein Abkommen auf Grundlage jener Prin-
cipien schliessen können, denen die ministerielle Depesche vom
28. October v. J.* Ausdruck gegeben habe. So aber bleibe, da
Brabant seit 18 Monaten dieser Angelegenheit mit gespannter
Aufmerksamkeit folge und fast die ganze Bevölkerung die An-
sicht der Stände theile, um nicht wortbrüchig zu werden,
nichts übrig, als jene Zusage zu erfüllen, so misslich es auch
sei, dies zu thun, noch bevor man die Gewissheit habe, dass
die Stände die dem Kaiser und den Privatpersonen schuldige
Entschädigung leisten und auch ihren sonstigen Verpflichtun-
gen nachkommen würden. Demgemäss war Mettemich in sei-
ner Instruction beauftragt worden, den Conseil aus denjenigen
Räthen zusammenzusetzen, die vor dem 25. Februar v. J. auf
Grund von Patenten des Souveräns und auf Präsentation des
legalen Conseils MitgUeder desselben geworden seien, dagegen
jene Conseillers auszuschliessen, welche 1789 in den grossen
Rath übergetreten, jene, welche von den Ständen während der
^ Zwei Jahre belgischer Geschichte II, 213.
* Ebenda, 169 ff.
Sitziingsber. i. phiL-hist. Cl. CXXVIU. Bd. 6. Abh.
98 VI> Abhandlung: v. Zeissberg.
Insurrection, sowie jene, welche seit dem 25. Februar 1791 er-
nannt worden waren.
In diesem Sinne erfolgte denn auch am 5. April 1793 die
Reinstallation des Conseils von Brabant. Schon am 4. April be-
schied zu diesem Behufc Mettemich um 9 Uhr Morgens die
Conseillers De Villegas d'Estaimbourg, Viron, Charlier, Van den
Cruyce, Wirix, Van Dorselaer, Baron d'Overschies, Strens, Aerts,
De Jonghe und Baron Bartenstein zu sich. Er theilte den Ver-
sammelten mit, dass der Kaiser mit ihrer Haltung während der
französischen Invasion sehr zufrieden gewesen sei, dass er daher
die Ereignisse der Jahre 1789 — 1790 in Vergessenheit begraben
wolle, und dass er gesonnen sei, nur nach dem ,Rechte und
der Verfassung Brabants^ ^ zu regieren, dass er daher den Con-
seil so wieder einsetzen wolle, wie derselbe vor den Unruhen
gewesen sei. Demnach sollte der Rath fortan nur aus den e^
wähnten eilf Mitgliedern bestehen, da der Rath Van Velde, der
die Stelle eines Vicekanzlers des Conseils bekleidet hatte, um
seine Entlassung gebeten und' dieselbe erhalten habe. Der Rath
sollte so bald als möglich die übrigen Ernennungen vorschlagen,
die erforderhch seien, um die beiden Kammern auf dem alten
Fusse zu completiren. Der Minister sprach zugleich den Wunsch
aus, dass der Zusammentritt des Conseils am folgenden Tage
geschehen möge, zu welchem Behufe er eine Depesche an Vil-
legas werde gelangen lassen, der als ältester Rath die Functio-
nen des Kanzlers bis zur Wiederbesetzung des durch den frei-
wiUigen Rücktritt des (älteren) Crumpipen* vacanten Postens
zu bekleiden habe. Auch sei es wünschenswerth, fügte er hin-
zu, dass die Ceremonie sich möglichst feierUch gestalte und
daher am 5. April um 9 Uhr Morgens ein Hochamt in der
CoUegiatkirche St. Michael und St. Gudula abgehalten werde,
bei der sie sich in Amtstracht einzufinden hätten, um sich so-
dann sofort in den Rath zu begeben, wo er selbst die Instal-
lation vornehmen werde. Schliesslich bemerkte er noch, dass
der Rath De Jonghe als Pensionär der Stände bis auf Weiteres
an den Sitzungen des Conseils nicht theilnehmen werde. Barten-
stein machte den Minister aufmerksam, dass er um seine Ent-
^ ,Par la loi et la Constitution du Brabant'
* Josef Ambroise Henri Jean-N4pomiic^ne Cr. (Biogr. nat.).
B«If{en unter d«r Ocneralstatthaltersohaft Entaerxof Carls (1798, 17M). 99
hebung eingekommen sei und es ihm daher schwer falle, seine
Functionen wieder zu übernehmen, was jedoch Mettemi ch mit
dem Hinweis auf das Vertrauen des Kaisers und der Stände,
das er geniesse, nicht gelten lassen wollte. Indess muss Metter-
nich von der Einberufung Bartenstein's schliesslich doch abge-
sehen haben, denn in der Depesche, datirt vom 4. April, die er
Villegas zusendete, wird unter den Käthen, welche dieser ein-
zuberufen habe, Bartenstein nicht mehr erwähnt. Sonst enthielt
die Depesche jene Zugeständnisse, von denen bereits die Rede
war, und ausserdem wurde durch dieselbe der Conseil auch auf-
gefordert, die Fiscaux, d. i. den Conseiller avocat fiscal, den
procureur g^n^ral und dessen Substituten zu ernennen.
Am 5. April um 9 Uhr Morgens versammelten sich die
einberufenen (10) Käthe zu St. Gudule und wohnten einer feier-
lichen Messe bei, die der Doyen sang, im Beisein der Aebte
von Grimberghe und von DiUghem, des Grafen Limminghe und
des Baron d'Hove als Mitglieder des geistlichen, beziehungsweise
des Adelsstandes von Brabant. Nach dem Gottesdienste ver-
tilgten sich die Käthe unter Vortritt des Huissiers De Vos nach
dem gewöhnlichen Sitzungssaale, wo sich auch Mettemich ein-
fand und an die Versammelten eine Ansprache hielt, in der es
anter Anderem hiess: ,Belgien wird seine Constitution und seine
Gesetze behalten. Sie werden die glückhche Kegierung Maria
Theresias wiederkehren sehen. Dies ist der Wunsch Sr. Ma-
jestät, und ich bin ermächtigt, Ihnen, meine Herren, dafUr
feierlichst Bürgschaft zu leisten. Ihr Tribunal ist nach den con-
stitutionellen Gesetzen des Landes organisirt, und ich gebe mich
der Hoffnung hin, dass wir am Ende jener Unruhen, jener Ent-
zweiung und jenes Misstrauens stehen, das hundertmal mehr
als Sie einen Souverän betrübt, der nur durch das Gesetz und
für das Glück seiner Unterthanen regieren will.'
Die Rede des Ministers machte den besten Eindruck; man
erbat sich eine Abschrift derselben, um sie den Acten des Con-
seils beizulegen. Nach einer entsprechenden Erwiderung von
Seiten des Alterspräsidenten Villegas trat Mettemich auf den
Balcon des Rathsgebäudes hinaus, begleitet von den Mitglie-
dern des Conseils, und zeigte sich dem Volke, das sich rings-
um angesammelt hatte und seine Freude durch laute Zurufe
kundgab. Zuletzt wurde der. Minister von Freiwilligen der Ser-
7*
100 VI. Abhandlung: t. Zeissberg.
ments zu Fuss und Pferd unter Musik nach seinem Hotel ge-
leitet^ wobei sich die enthusiastischen Zurufe erneuerten.
Wie wir der höchst interessanten Denkschrift des ,Citoyen'
Camus, eines der gefangenen Conventsdeputirten, der gerade an
diesem Tage mit seinen Schicksalsgefährten nach Brüssel ge-
bracht wurde, entnehmen, wurden Abends in der Stadt Feuer-
werke gegeben und Schwärmer geschossen. ,Gegen 10 oder
11 Uhr Abends,' erzählt er, ,warf man dergleichen unter unsere
Fenster und rief dabei: „Das gilt ftir den Convent." Alle diese
Vorfälle hätten einigen Lärm veranlassen können; aber der Qraf
D'Yullay^ wandte Vorsichtsmassregeln an, befehligte Streif-
wachen und kam mit dem Befehlshaber der Stadt, der seiner-
seits viele Sorgfalt verwandte, allen Unordnungen zuvor.'*
Am 6. April um 11 Uhr Morgens machten die Mitglieder
des Rathes in Amtstracht ihre Aufwartung bei Mettemich. Vil-
legas hielt die Ansprache, worauf Mettemich den Käthen, wie er
versprochen hatte, eine Abschrift seiner Ansprache an den Con-
seil übergab, die, wie er hinzufügte, sein Sohn, der spätere Staats-
kanzler, angefertigt hatte. Am 8. wurde in einer Sitzung des
Bathes die Ansprache Metternich's verlesen und beschlossen, so-
wohl diese, als auch die Depesche, welche Mettemich am 4. April
an Villegas gerichtet hatte, zu registriren und den Acten bei-
zuschUessen. An demselben Tage erstattete der Conseiller Viron
Bericht, dass er am 13. November 1792 durch den SecretSr
Delvaux einen verschlossenen Brief der Stände von Brabant
vom 11. November erhalten habe, mittebt welchem dieselben
dem Conseil zu seiner Information und Direction die Abschrift
zweier Depeschen Ihrer königl. Hoheiten übersandten. Beide
Depeschen waren an die Stände von Brabant gerichtet; die
eine bezog sich auf die Revocation der Declaration vom 25. Fe-
bruar 1791 und auf die Zulassung der fünf zuvor ausgeschlos-
senen Räthe von Brabant, die zweite auf die damals erfolgte
Abreise des Gouvernements.* Da während der französischen
Occupation der Conseil keine Sitzung abgehalten hatte, wurden
* Gyulay.
* Toulongeon, Geschichte von Frankreich seit der Revolution (Deatsch von
Ph. A. Petri) ni, 105, wo aber das Fest falschlich auf die Ankunft Mettw-
nichts (hier Kattarinack grenannt) bezogen wird.
' 8. Zwei Jahre belgischer Geschichte II, 213.
Belgien unter der GenenÜBUtthulterscbeft Enheraog Cerls (1798, 1794). 101
erst jetzt jene zwei Depeschen sammt der Zuschrift der Stände
zur Kenntniss genommen^ registrirt und ad acta gelegt.^
Ausser der Reorganisation war auch eine Ergänzung
des Conseils von Brabant erforderlich, da an demselben
nunmehr fünf Stellen erledigt waren. Von den früheren Käthen
war Cuylen gestorben; Mercx und Bois St. Jean — ersterer
seit October v. J. Conseiller fiscal * und Nachfolger van Cuylen's
in dieser Stellung' — kamen, da sie einst ohne Präsentation
des ConseilSy Willok* und Bara, weil sie erst nach dem Edict
vom 25. Februar 1791 ernannt worden waren und ihre Prä-
sentation nicht durch den gesetzlich anerkannten Conseil erfolgt
war, nicht mehr in Betracht. Von diesen hatte ausserdem Wil-
lok durch seine Haltung während der französischen Occupation
auch das Vertrauen der Regierung eingebUsst. Um so höheren
Werth hätte man hingegen in Wien auf den Wiedereintritt der
drei anderen noch lebenden Räthe gelegt, die, um den Formen
der Verfassung zu genügen, der Conseil selbst in seine Vor-
schläge einbeziehen sollte. Allein zu einem solchen Zugeständ-
nisse waren trotz aller Bemühungen Metternich's die Stände
nicht zu bewegen.*
Vielmehr machte der Conseil von Brabant von dem ihm
nun wieder zugestandenen Rechte der Erstattung eines Tema-
vorscblages Gebrauch, aus welchem der Erzherzog die Advo-
caten Kockaert und Evenepool in den Conseil berief, von denen
jener einst (1790) von den Ständen in den Conseil berufen wor-
den war und im Rufe eines gemässigten Mannes stand, dieser
das Amt eines Administrators der Religionsgüter bekleidete.^
Im Laufe des Jahres 1793 wurden sodann noch vier weitere
Plätze am Conseil von Brabant auf Vorschlag desselben besetzt.
^ L. Qalsloot, La r^installation du conseil de Brabant en 1793, d^aprös
une r^lation officielle. (Compte rendu des s^nces de la commission
royale d*histoire. Bmxelles 1885. S^rie 4, tom. XII, pag. 54 ff.)
* Vergl. Maria Christine an den Kaiser, le 10 octobre 1792. Entw.
* Mettemich an Cobenzl. Broxelles, le 23 septembre 1792. Copie.
^ In Mettemich^s Schreiben: Wittonck.
' R^ponse dict^e par Mettemich aux »Instructions*.
* Erzherzog Carl an den Kaiser, Bruxelles, le 20 mai 1793. Entw. Officiell.
Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 7 juin, le 10 juin 1793.
Der Kaiser an Erzherzog Carl. Vienne, le 30 mai 1793. Officiell.
Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 21, le 23 juin 1793. Orig.
102 VI. Abhandlung: t. Zeissberg.
Es waren dies die Advocaten Melin und T'Kint, femer Van
Elerwyck und Van Hencxthoven. — In Folge des Zugeständ-
nisses^ welches der Kaiser den Ständen von Brabant bezüglich
jener sieben Räthe gemacht hatte^ die einst in den Qrand Con-
seil von Mecheln übergetreten waren, konnte auch von dem
längeren Verbleiben des Procureur g^n^ral von Brabant auf
seinem Posten nicht die Rede sein. Traf doch in den Augen
der Stände auch ihn der Vorwurf, dass er in Folge der Ordo-
nanz vom 18. Juni 1789 als zweiter Procureur gen^ral in den
Grand Conseil übergetreten sei, welche Function erst in Folge
der Wiederbesetzung des Conseils durch das Edict vom 25. Fe-
bruar 1791 erlosch. Auch wurde gegen Van Laeken — so hiess
der Procureur gön^ral — geltend gemacht, dass er nicht nach
altem Herkommen ernannt worden sei, dem zufolge auch für
diese Stelle dem Conseil von Brabant das Präsentationsrecht
zustand, ohne dass freilich die Regierung an den Temavorschlag
gebunden war.
Es fiel nicht leicht, Van Laeken zum Rücktritte zu be-
wegen; er erhob exorbitante Forderungen, er bezifferte seine
Einkünfte aus jenem Amte mit 20.000 Gulden. Zuletzt freilich
gab er sich mit 6000 Gulden zufrieden, und der Erzherzog
konnte zur Wiederbesetzung der Stelle schreiten. Die Wahl fiel
auf den Advocaten De Neck, welcher in der Tema des Con-
seils den ersten Platz einnahm. Ausdrücklich betonte jedoch
die betreffende Resolution, dass dadurch dem Rechte des Souve-
räns, von dem Temavorschlage abzugehen, nicht präjudicirt
werden solle. ^
Dieselben Gründe, welche dem Wiedereintritt des Pro-
cureur g^nöral Van Laeken in den Conseil von Brabant im
Wege standen, wurden auch wider die vier Substituts pro-
cureurs gön^raux Cuylen, De Leenher, Schepmans und De Sweert
geltend gemacht. Abgesehen von dem Hasse, den sich die-
selben durch ihre Theilnahme an den in den Jahren 1788 bi
1790 angestrengten gerichtlichen Verfolgungen zugezogen hatten
hielt man ihnen den Eid vor, den sie 1789 nach Cassation d
Conseils von Brabant bei ihrem Uebertritte in den Grand Consei
^ Officieller Bericht des Erzherzog Carl an den Kauer. Bruxelles, le 3 jni
1793. Copie.
Belgien unter der OeneralstatthaltcrRcbaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 103
geleistet und der sie ihrer ,place8 Uraban9onnes' verlustig ge-
macht habe^ wozu noch überdies kam, dass die Constitution
und das Herkommen nur einen Substitut procureur gen^ral
kannte^ daher die drei anderen fUr illegal galten. Die Stände
waren auch in diesem Punkte um so weniger umzustimmen,
als mehrere ihrer MitgKeder in jene Processe verflochten ge-
wesen waren. Es mussten also auch diese vier Beamten zu
freiwilligem Rücktritte bewogen und ihnen eine Entschädigung
zutheil werden.
EndUch sollten auch die beiden Greffiersposten am Con-
seil neu besetzt werden und die früheren Secretäre, die in
dieser Eigenschaft in dem Conseil neuerdings Aufnahme fan-
den, da sie bereits dem früheren Conseil den üblichen Eid ge-
leistet hatten, nun auch noch den Eid auf die Jojeuse entr^e
in die Hände der Stände ablegen.^ Aber auch hier ergaben
sich allerhand Schwierigkeiten. Wie man aus dem Calendrier
de la cour ersieht, waren noch zu Beginn des Jahres 1794 die
beiden Oreffiersstellen unbesetzt, und noch im December 1793
beklagte sich Köckelberg bei dem Erzherzog, dass die Stände
ihn und die übrigen Secretäre nicht zum Eide zulassen wollten. ^
IX. Verhandlungen mit den Ständen von Brabant.
D^Overscliies, La Valette, Limminghe.
Von der grössten Bedeutung, namentlich in finanzieller
Hinsicht, mussten sich die Verhandlungen mit den Stän-
den gestalten. Die schleunige Einberufung derselben war daher
Mettemich zur Pflicht gemacht worden. Wenn sich gleichwohl
die Eröffnung der Ständeversammlungen verzögerte, vielmehr
allenthalben zunächst an die Neubesetzung der städtischen Magi-
strate geschritten wurde, so geschah dies im Hinblicke auf die
Stellung, welche der dritte Stand bei allen Berathungen ein-
nahm. Der gedeihliche Verlauf der letzteren war durch eine
der Regierung günstige Zusammensetzung des dritten Standes
bedingt. Daher musste die Neubesetzung der Magistrate noch
^ Metternich an Trauttmansdorff. Bruxellefl, le 21 janvier 1794. Orig.
* Erzherog Carl an Müller, le 9 d^cembre 1793.
104 VI. AbhandloDg: t. Zeissberg.
vor der Eröffnung der Ständeversammlungen erfolgen, und da
die Erneuerung der städtischen Behörden meist an bestimmte
Termine geknüpft war, über die man sich nicht hinwegsetzen
konnte, wurde bis dahin die Einberufung der Stände vertagt
Auch in Brabant ging der letzteren die Neubesetzung
der stildtischen Magistrate voran, die hier — wenigstens zu
Brüssel und Löwen — seit 1791 fungirten, da im Jahre 1792
die Inauguration des Kaisers noch vor dem üblichen Tage der
Erneuerung, dem Johannistage, erfolgt war, und da im In-
augurationsjahre eine Erneuerimg der Magistrate nicht stattzu-
finden pflogte. Erst nachdem man sich durch die Neubesetzung
der städtischen Behörden des dritten Standes versichert zu
haben glaubte, und nachdem sich Mettemich zuvor im Sinne
seiner Instructionen von den Ständen selbst die Versicherung
hatte ertheilen lassen, dass sie keine neuen Forderungen stellen,
ja nicht einmal irgend einen Wunsch laut werden lassen wür-
den,* ertblgte fUr den 7. Mai die Einberufung der Stände von
Brabant Unter diesen fand sich auch der Herzog von Aren-
berg ein, während zum Verdrusse der Regierung der Herzog
von Ursel nicht erschien.*
Bekaiuitlich war die Inauguration Franz IL in Brmbant
bis dahin nicht erfolgt. Daher sandte der Kaiser dem Erzherzog
die Vollmachten zu, um dieselbe in seiner Vertretung vorzu-
nehmen, doch erst, wenn die Stände zuvor alle ihnen im Namen
des Kaisers gemachten Propositionen würden angenommen haben,
um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, dass^ wie man
bei anderer Gelegenheit behauptet hatte^ die Stände Tor der
Inauguration zur Bewilligung der Subsides nicht TorpfficfateC
seien. Auch sollte strenge darauf ge«chtel werden, daaz die
Stände in den Znstininiungsael keine ungewäuüielie Clansel
aufnähmen und bei der Ceremonie selbst jeder fübcrihte^
Aufwand unterbleibe.'
In g^w^^Echen Zeidäuften pflegten sieh die Siände von
Brabant jährlich zweimal zu versammeln. Im November
Belgien nnter der GenenüiitAtthaUerscbaft Enhertog Carls (1793, 1794). 105
sie die Forderungen des Kegierungscommissärs, d. i. des Kanzlers
von Brabant und in Ermanglung eines solchen des ältesten
Conseillers entgegen. Die Propositionen desselben lauteten her-
kömmlich auf eine Subside von 1,200.000 Gulden für das
nächste, mit 1. Januar beginnende Jahr; 2. auf die Bewilligung
der Impöts, d. i. einer Auflage auf Wein, Bier, Mehl und
Fleisch, welche die Stände selbst, doch zu Gunsten des Souve-
räns erhoben, auf sechs Monate; 3. auf das übliche Contingent
an dem Unterhalte des Hofes des Generalstatthalters, das sich
fUr alle Provinzen auf 540.000 Gulden Brab. belief und woran
der Antheil Brabants 160.000 Gulden betrug. In der April-
sitzung jedes Jahres wurde die Forderung auf Bewilligung der
Impdts fUr sechs weitere Monate eingebracht.^
NatUrUch konnte im vorUegenden Falle das Herkommen
nicht strenge eingehalten werden. Es wurden daher zunächst
als Propositionen der Regierung 1. die laufenden Subsides, 2. der
Unterhalt des Hofes, 3. die Impöts, 4. ein ständisches Don gra-
tuit, wie es durch die ausserordentlichen Verhältnisse bedingt
war, eingebracht. Weitere Forderungen bezogen sich auf die
rückständigen Subsides imd Impöts, sowie auf die in Brabant
bisher nicht erledigte Entschädigungsfrage.
Die vier ersten Punkte wurden von den beiden ersten Stän-
den verhältnissmässig rasch erledigt, sie bewilligten ausser der
gewöhnlichen Subside (8. Mai) ein Don gratuit von 1,240.000
Golden als Beisteuer zum Kriege wider Frankreich. * Nachträg-
lich wurde auch die Zustimmung der drei Chef-villes erlangt.^
Am spätesten auch diesmal wieder, wie gewöhnlich, von Ant-
werpen, wo Graf Baillet Bürgermeister war und wo man an-
fangs die Zustimmung von der Anerkennung der Nationalschuld
durch den Souverän hatte abhängig machen wollen.^
Ueberhaupt war dies ein Gegenstand, der den Malconten-
ten als willkommenes Agitationsmittel diente und daher, um
letzteren das Handwerk zu legen, den Erzherzog auf Metter-
^ Gachard, Memoire aar la composition et les attribationB des anciens £tats
de Brabant (Acad^mie royale de Bruxelles, Eztrait du Tome VI des
M^moires), 8. 16—17.
• Borgnet n\ 247.
" Metternich an Erzherzog Carl, le 1" juillet 1798. Orig. eig. A.-A.
^ Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 9 juin 1793. Copie.
106 VI. Abbandlang: t. Zeissberg.
nich's Anregung veranlasste (1. Juli), die Uebemahme der
Revolutionssehuld durch den Kaiser, so wie dies bereits in den
übrigen Provinzen der Fall war, auch fUr Brabant nach gänz-
licher Beilegung der noch strittigen Punkte in Aussicht zu
stellen. ^
Uebrigens votirten die Stände auch ein Don gratuit von
120.000 Gulden ftir den Erzherzog; aus eigenem Antriebe
fügte die Stadt Brüssel noch 30.000 Gulden zu dieser Summe.
Eine Luxussteuer auf Bediente und Pferde wurde damals ein-
geführt. «
Bei alledem vermisste man doch auf das Schmerzlichste
schon bei den ersten Verhandlungen mit den Ständen von
Brabant, ja mit den belgischen Ständen überhaupt, jenes herz-
liche Vertrauen, auf das der Wiener Hof nach so vielen Opfern,
die er dem Lande gebracht, nach erfolgter Verkündigung der
Amnestie und nach der bestimmten Erklärung, an der Ver-
fassimg des Landes festhalten zu wollen, Anspruch erheben zu
können glaubte.
So wie zuvor, so ging auch jetzt wieder das Streben der
Stände von Brabant dahin, die wichtigsten Stellen bei der Regie-
rung an ihre Parteigänger zu bringen. Die alten Klagen, dass
sich im Besitze der einflussreichsten Aemter Männer josefinischer
Richtung befänden, wurden wieder laut. Anfangs beschränkte
man sich auf leise Andeutungen; so, als der Magistrat von Brüssel
dem Erzherzog Carl den Ehrenwein mit den Worten credenzte:
,Sie werden zu Ihren Rathgebem Personen zu wählen wissen, die
durch Talent und Verdienst sich der öffendichen Achtung w
gezeigt haben.' Aber bald ging man zu directen Beschwer—*^
den über. Man machte es der Regierung zum Vorwurfe,
sie einerseits die Mitwirkung der Stände in Anspruch nehme
andererseits die Personen zu halten suche, welche dazu beii
getragen hätten, den Credit eben dieser Stände zu zerstöreiK=3,
dass sie den Jakobinern den Krieg erklärt habe und an ihrei
Busen Anhänger ihrer Grundsätze nähre.'
^ Erzherzog Carl an die Stände von Brabant. Bnixelles, le 1*' juiUet 179 -^.
Copie. Vergl. Metternich an Trauttmansdorff. Bnixelles, le 9 joiilet 179^ •^*
Entw.; Metternich an Erzherzog Carl, le !•' juillet 1793. Orig. eig. A.-
* Borgnet n*, 249. Moniteur, 29 janvier 1794, pag. 521.
» Borgnet U\ 332.
Belfien unter der General Statthalterschaft Erzherxog Carls (1793, 1794). 107
Nun hatte die Regierung bekanntlich den Wünschen der
Stände bereits bis zu einem gewissen Grade Rechnung getragen.
Der Conseil von Brabant war im Sinne derselben reorganisirt,
die verhasstesten Mitglieder der Regierung, die man als Häupter
der ,Cabale' bezeichnete, die beiden Brüder Crumpipen, der
Chef-Präsident und der Kanzler von Brabant, sowie Baron Feltz,
der Staats- und Kriegssecretär, waren fallen gelassen worden.
Aber weiter konnte und wollte die Regierung nicht gehen, da sie
sonst von der Leitung der Geschäfte die fähigsten Köpfe hätte
entfernen müssen, während die ständische Partei überdies noch
auf die Entfernung einiger anderer Mitglieder der Regierung,
80 der geheimen Räthe De Lirapens, De Reuss, De Berg, De le
Vieilleuze, der Finanzräthe Ransonnet, D'Aguilar, Duchesne und
des trotz aller Gegenversicherungen Mettemich's verhassten
Bartenstein drang. Die Stände betrachteten, was geschehen
war, nur als eine AbschlagszahluDg, man zweifelte an der Auf-
richtigkeit des Wiener Hofes und meinte, er habe sich nur
der Noth der Umstände gefügt, werde aber dereinst das ver^
lorene Terrain wieder zu gewinnen trachten. Man glaubte da-
her, zu keinem Danke verpflichtet zu sein. Was geschehen, sei
nur Recht, und auch dies nicht vollständig. Man beschwerte
sich selbst über die Amnestie. Patrioten, die sich edelmüthig
der Vertheidigung der Verfassung geopfert, bedürften keines
Pardons.^ Den Leuten dieser Richtung genügte es nicht, dass
Belgien wieder in den Stand versetzt werde, in dem es einst
Maria Theresia zurückgelassen hatte; für sie waren ,die schö-
nen Tage' der so gefeierten Regierung der Tochter Carls VI.
die Zeit, in der sie, durch den Kampf mit halb Europa in An-
spruch genommen, noch nicht Müsse gefunden hatten, um ihre
Aufmerksamkeit der Verbesserung in der Verwaltung ihrer
Länder zuzuwenden. Nach ihrem Sinne hätten alle Convente
ohne Ausnahme wiederhergestellt, gegen die Mönche, welche
sich weigerten, in ihre Zellen zurückzukehren. Zwang geübt
und das Edict, welches die Ablegung religiöser Gelübde von
dem Alter von 25 Jahren abhängig machte, wieder abgeschafiPt
werden müssen.*
» Borgnet U*, 254—255.
« Ebenda U«, 257.
1U8 VI. Abbandlnng: ▼. Zeissberg.
Anschauungon dieser Art waren es^ die in zwei den Stän-
den von Brabant dui*ch die Doyens der neun ^Nationen' von
BrUssel überreichten Memoiren^ iind zum Theile selbst in einer
Denkschriflt der Stände an den Kaiser zum Ausdrucke ge-
langten^ in der sie unter Anderem die Absendung einer Depu-
tation an denselben in Aussicht stellten. An sich kam letzteres
dem Wiener Hofe gerade nicht unerwünscht. Man hatte sich
hier vielmehr eines dei'artigen Schrittes vom Anfang an ver-
sehen^ nicht nur von den Ständen Brabants, sondern auch sei-
tens der Stände der übrigen Provinzen. Man hatte erwartet,
dtiss eine Deputation derselben ein ansehnUches Don gratuit
anbieten und die GefUhle des Dankes und der Elrgebenheit an
den Stufen des Thrones niederlegen werde. fVeilicb sollte Metter-
nioh den Ständen bei Zeiten bedeuten, dass eine derartige Ge-
sandtschaft dem Hofe keine Verlegenheiten bereiten dürfe, dass
man sich daher jedes auf eine Aendenmg der bestehenden
Vertassung abzielenden Vorschlages enthalten und das woU-
wollonde Herz des Kaisers vor jeder Ueberraschong in dieser
Kichtuug bewahren müsse.' Konnte also die Ankündigung einer
IX'putation der Stände von Brabant, wie gesagt, dem Wiener
Hofe nicht unerwartet kommen, so machte doch die danuif vor-
bereitende Denkschrift hier einen recht ungünstigen ESndmck.
Trauttmansdorff trug anfangs sogar Bedenken, dieselbe dem
Kaiser vorauleg^^n« und dieser ftihlte sich durch dieselbe auf
das Empfindlichste verletzt' Er habe, Hess er dem ^ii»i«ii*r
melden« mcht erwartet^ dass man ihn an Dinge erin]i»ii werde,
wud denen er sehnlich wünsche^ dass dieselben für immer der
Vergessenheit anheimfallen m^bteii« imd dass man Gegen-
stände berühren wer\le« die den Glauben erxeogen rnftssten,
ak hätten all seine Sorvren und Mühen um das GlAck nnd die
Kühe des Landes ihm noch immer niebi jenes vdk Ycitrmaen
und jene aiUorkh^ee Hingebong veistcltfjit. die er wb dem
odknen und k>valen Charakter seiner beleisehen ScKafeen er-
w;ute. Er habe nicki ge^^rlMibc da^ man. nafcUem er anf das
«inM^iii. VatBBKw W tr ATTtl II^Kk Oi%.
B«lffi«i nottr der OtntnlsteHbftltoncbaft Enbenog Cftrls (1798, 17M). 109
DeutlichBte bewiesen^ dass es nicht seine Gewohnheit sei^ nur
halb zu verzeihen, wofern das Wohl der Unterthanen ihm ge-
statte, sich ganz den Regungen der Güte hinzugeben, nicht sein
Beispiel nachahmen und alle Empfindungen des Hasses und
der Feindseligkeit unterdrücken werde, deren Quelle jener
Parteigeist sei, der so viel Unglück verschuldet habe.
Mettemich wurde beauftragt, bei erster Gelegenheit dies
zur Kenntniss der Stände zu bringen: er möge sie darüber be-
ruhigen, als ob seine Befehle nicht ausgeführt werden würden,
aber ihnen zugleich zu verstehen geben, dass er zwar ent-
schlossen sei, die constitutionellen Gesetze wieder aufleben zu
lassen und zu beobachten, dass er aber anderseits umsoweniger
irgend einen Eingriff der Stände in seine durch dieselbe Con-
stitution ebenfalls garantirten Souveränetätsrechte dulden und
dass er daher ihre Deputation nicht eher empfangen wolle, als
bis man ihn über diesen Punkt beruhigt haben werde. ^
Mittlerweile (3. Juni)* hatten die Stände die Deputirten
ernannt, die sich nach Wien begeben sollten: den Bischof
(Nelis) von Antwerpen und die Grafen Duras und Baillet. Jetzt
aber, in Folge der Eröffnung des Ministers,^ unterbUeb die Ge-
sandtschaft,^ und Bischof Nelis begnügte sich, am 19. JuU ein
Schreiben der überschwänglichsten Art an den Kaiser zu rich-
ten, in welchem er einerseits der Besorgniss, dass es sowie
einst bei dessen beiden Vorgängern auch bei ihm versucht
worden sei, den Brabanter Episcopat zu verdächtigen, ander-
seits der unverbrüchUchen Treue des Clerus und Volkes wenig-
stens für die Zukunft Ausdruck gab und sich erbot, auf die
noch vorhandenen Uebelstände und die geeignete Abhilfe der-
selben hinzuweisen.*
^ Tranttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 31 mai 1793. Orig.
* Vergl. Gachard, Analectes IV, 495.
* Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 9 juin 1793. Copie.
^ Die belgischen Deputirten, von denen der Moniteur Nr. 136, 16. Mai,
erzählt, daM sie, Thrftnen in den Augen über den huldvollen Empfang
des Kaisers, den Audienzsaal verlassen hätten, ^aren sicherlich nicht,
wie Borgnet II', 247 anzunehmen scheint, Abgeordnete der Stände, son-
dern werden vielmehr dem Kreise jener Privatpersonen angehört haben,
die ohne dazu von irgend einer Seite autorisirt zu sein, ab und zu in
Wien erschienen.
* Gacfaard, Analectet, S^rie 1 — 4, pag. 495.
tlO VI> AbhftodluBg: t. Zeissberg.
Iiuloss wurde das MissvergnUgen des Wiener Hofes ohne
Zweifel nicht blos durch jene Denkschrift yeranlasst. Auch
sonst war man durch die Vorgänge in den Niederlanden, zu-
mal in Brabant, gänzlich enttäuscht. ,Was haben wir/ schreibt
TrauttmansdorfF an Metternich, ^bisher von den Ständen dieses
Landes, das Sr. lilajestät so viel verdankt, erreicht? Weldi'
wenn auch nur geringes Entgegenkommen haben sie bezügUch
der Hinge, welche geordnet werden sollten, gezeigt? Und der
Kaiser, der diesen unglücklichen Krieg nur zur Vertheidigong
seiner Niederlande unternommen, der sie von einem tyranni-
sehen Feinde mit ungeheuren Kosten befreit hat, der all ihren
Wünschen zuvorkam« indem er ihnen in vollem Umfimge ihre
alte Verfassung zurückgibt und edelmüthig alles Gescheheiie
verzeiht« welche neuen Opfer muthet man ihm tftglicli zu?
Muss er nicht treue Menschen, alte Diener im Stiche laasen
und sich denen in die Arme werfen, welche diese geg^m ihn
erhoben? Muss er nicht blindlings den Launen, nicht der
Nation« simdern derer folgen, die sich anmassen« in deren
Namen« in Wahrheit aber ohne ihr Wissen za sprechen? Man
will den Einen nicht, folglich entlässt man ihn: man will
Änderten« fohdich muss man ihn dahin stellen, wolun
wünschen. In der That will die ganze Weh. nnr nidit der
Kaiser« der allein das Recht hStte zn w<Aen. Und all diei
warum? Um einiger Golden willen, die wir tr>»tzdem
nicht Wkommen werden. Das kann nnm^^sfidi s«^
.^ wirvi die Zeil komme», wo wir nicht md.r im S
w^nxlen. AUe$ zu thun. was man wül. die ünzamedeckcii wird
$i>dann um so griStSis^r <^xn. ab man an We^^erav
gewCQint s^in wiivi: es weiden sich Sehwienjk.
es winl dann Niemand för mas >e£c. Xiemazhi e*
uäs lu s«n. und dar.r^^r? Ich wiässehe vc« j
nik'h zu tisi^cliei:. aber isein Efer f^ der Ksnss zoid
P£cikt oe^4axxe£ riiir eicht za s»thweic>?ii." -
das jwyäd<-uT5ce BerieiiseTi eaaecs-er Pr^swrsrtDea:,
sasuimrcf is. MfCMnöc^ aeta 1. «^hoc ITüi..
Belgien unter der Oenenlstatthaltersobaft Enbenof Carls (1793, 1794). 111
mal Baron D'Overschies, einer der fünf durch das Decret vom
25. Februar 1791 von dem Conseil von Brabant ausgeschlos-
senen Käthe. ^ Er war schon im März^ noch vor der Schlacht
bei Neerwinden, in Wien erschienen; er sprach von 40.000 bis
50.000 Belgiern^ die bereit seien, sich für den Kaiser zu er-
heben, und von einer Summe von vier Millionen, die man Letz-
terem darbringen wolle, freilich nur unter der Voraussetzung
der Begnadigung Van der Noot's, der Bildung einer Miliz, der
gänzlichen Cassirung des gegenwärtigen Gouvernements.* Er
liess es nicht an darauf bezüglichen Noten und Memoiren fehlen.
Man wusste nicht, was man von dem Manne zu halten habe,
ob er im Auftrage der Stände spreche oder nicht. Man begeg-
nete ihm mit Misstrauen, zumal man bereits durch La Valette
gewarnt war, und da eben um diese Zeit die ersten Sieges-
aachrichten aus Belgien . einliefen, legte man der Sache über-
haupt keine besondere Bedeutung bei.* ,Die8er Brief,' schreibt
Trauttmansdorff an Metternich (20. März), ,wird Eurer Ex-
cellenz von D'Overschies übergeben werden, der diesen Abend
abreist, nachdem er sich hier acht Tage aufgehalten hat. Wenn
Sie nicht besser wissen als wir, was der Zweck seines hiesigen
Aufenthaltes war, und wenn Sie nicht mehr von ihm selbst er-
fahren, als ich Ihnen über das Resultat seiner Reise mittheilen
kann, werden Sie sich so wie wir in voller Unwissenheit in
diesem Punkte befinden. Se. Majestät hat sich in kein Detail
mit ihm eingelassen, und mir gegenüber beschränkte er sich
nach dem ersten Gespräche darauf, drei Denkschriften zu über-
reichen, von denen die eine die Einführung von Papiergeld be-
trifft, die beiden anderen, wie Eure Excellenz aus der Beilage
ersehen werden, von keinem Nutzen sein können. Uebrigens ist
ihm der Kaiser, wie ich ihn bat, gütig begegnet, und auch ich
war bemüht, ihm Anlass zu geben, mit mir zufrieden zu sein,
da ich in seiner Reise keinen Grund, um ihn zurückzustossen,
erblickte. Er selbst wird freilich nicht sehr zufrieden mit der
Gesellschaft gewesen sein, die sich ihm gegenüber absichtlich
zurückhaltend benahm, und ich glaube, dass, wenn ihn persön-
^ Siehe: Zwei Jahre belgischer G^chichte I, 39.
' Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 12, le 13 mars 1793.
' Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 13, le 17 mars 1798. Orig.
112 VI« Abhandlung: ▼. Zeissberg.
liehe Absiehten hieher geführt haben, er eine günstigere 21eit
dazu hätte ersehen und sich zuvor die Wege ebnen müssen.
Das hindert nicht, dass Se. Majestät geneigt ist, etwas für ihn
zu thun, sobald er es wohl verdient haben wird und Eure Ex-
cellenz dies ihm bezeugen. Er weiss dies imd weiss auch, dass
ich ihn an Sie gewiesen habe, da es mir zweckmässig schien,
Sie in den Stand zu setzen, durch Furcht und Hoffnung einen
Menschen zu leiten, der nicht ganz unbedeutend und nicht ohne
Ehrgeiz ist/^
Anfangs Jum', das ist ungefUhr zu derselben Zeit, als die
Antwort auf die Denkschrift der Brabanter Stände erfolgte,
kam auch La Valette wieder nach Wien,^ diesmal in Begleitung
zweier Brabanter, Van Schorell und Lalaing. Auch sie £uiden
einen sehr kühlen Empfang. ,Er habe sie,^ schreibt der Kaiser
an Erzherzog Carl, ,nicht einmal angehört. Denn habe das
Land ihm irgend einen Wunsch vorzutragen, so kenne er keinen
anderen Mittler als seinen Bruder oder den Minister.^*
La Valette hatte zwar eine Audienz bei dem Kaiser, der
ihn aber an Trauttmansdorff verwies.* Diesem überreichte La
Valette eine Denkschrift über all die Gegenstände, über die er,
wie er sagte, zu sprechen beauftragt sei, ohne übrigens seine
Auftraggeber zu nennen. Die Denkschrift selbst ging von dem
ganz vernünftigen Grundsatze aus, dem übrigens schon zuvor
Trauttmansdorff gelegentlich Ausdruck gegeben hatte, dass in
Belgien erst dann geordnete Zustände eintreten würden, wenn
man nach einem bestimmten Plane vorgehe und nicht wie in
letzter Zeit von der Hand in den Mund lebe. Als Mittel, um
dies Ziel zu erreichen, empfiehlt La Valette eine völlige Neu-
besetzung aller Stellen am Brüsseler Hofe und am Brüsseler
Gouvernement durch eine Jointe, die aus den unbefimgensten
und gemässigtesten Personen des Landes zu bilden sei, die
Vereidung aller Beamten auf die Verfassimg, die Uniformirung
der letzteren oder wenigstens die schriftliche Aufzeichnung
der alten Gewohnheiten jeder der verschiedenen Provinzen,
die Zuziehung von Deputirten der letzteren zu den Berathungei
^ Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 20 mars 1793. Orig.
* Am 30. Mai sah Trauttmansdorff bereits seiner Ankunft entgegen.
' Franz U, an Erzherzog Carl. Laxenburg, den IS. Juni 1793. Orig. eig.
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 7 juin 1798. Orig.
Belgien iint«r d«r OenenÜBtatthaltcnchaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 113
des Staatsrathes, die Reform des Cleinis mittelst einer Natio-
nalsjnode u. s. f. Dem Memoire waren zwei specielle Denk-
schriften beigefügt, von denen sich die eine auf die Bildung
belgischer Legionen, die andere auf die Errichtung einer
Elscomptebank bezog.
Es leuchtet von vorneherein ein, dass diese Denkschriften
grösstentheils nur der Ausdruck einer ganz bestimmten Partei-
richtnng waren, die sich zumal gegen die so verhassten Mit-
glieder der sogenannten Christine'schen Partei kehrte, als deren
Anhänger der Lieutenant des Prövot g^n^ral de T Hotel Stoc-
quart, Graf Maldeghem, der jünger Limpens und Vicomte de
Niealant bezeichnet werden. Wenn sich daher auch Trautt-
mansdorff die Mühe nahm (18. Juni), die Denkschriften einem
ausftlhrlichen Gutachten zu unterziehen, so konnte dies nur ab-
lehnend lauten, zumal es sich ja blos um die Vorschläge eines
Privatmannes handelte, von denen man nicht einmal wissen
konnte, ob sie dem Wunsche der Nation entsprächen, und zu-
mal dieselben im Gegensatze zu dem einmal adoptirten Stabili-
tätsprincipe einen gänzUchen Umsturz der bestehenden Einrich-
tungen ins Auge fassten. Der Kaiser stimmte seinerseits den
Anschauungen TrauttmansdorfiTs vollkommen bei. Ja, da die
gemachten Vorschläge unzulässig und ihrem grösseren Theile
nach für seine Autorität verletzend seien, erklärte er es als
einen Ausfluss seiner besonderen Güte, dass er dies nicht
weiter vermerken wolle. Daher wurde Trauttmansdorflf ermäch-
tigt, den Ueberbringern der Denkschrift ftlr ihren guten Willen
zu danken, doch ihnen zugleich zu erklären, dass man von ihren
Vorschlägen keinen Gebrauch machen könne, und dass, da ihre
Reise bereits Aufsehen errege, ihre baldige Rückkehr in die
Heimat umsomehr gewünscht werde, als ihr längeres Verblei-
ben in Wien nur die eitlen Hoffnungen jener beleben würde,
welche die Projecte gemacht, mit deren üeberreichung sie be-
auftragt gewesen seien. ^
Schon früher hatte Trauttmansdorff den Minister von den
Umtrieben jener drei Belgier in Wien in Kenntniss gesetzt.
,Hört man De la Valette, De Schorell und De Lalaing reden,
80 konmit man zur Ueberzeugung, dass man eben nicht aller
^ Correspondenz Tranttmansdorff-Metternich, 25 juin 1793.
Sitxiingsber. d. pMl.-hut. d. CXXVm. Bd. 6. Abb. 8
\
114 VI. Abhandlung: t. Zeifsberf.
Welt zu Gefallen sein kann. Würde man nacheinander alle
die befragen, welche glauben, eine Meinung über die Verthei-
lung der Aemter aussprechen zu können, so würde man schliess-
lich dahin gelangen, alle Welt zu entlassen und überhaupt
Niemand zu wählen. Sind doch diese Herren unter sich selbst
nur einig in dem Tadel dessen, was geschah, oder dessen, was
nach ihrer Meinung noch geschehen soll. Sie wollen weder
Fierlant noch Müller, sie zettem gegen den älteren Limpens
und Bergh, gegen den Pensionär De Jonghe, gegen Wams-
dorff und Maldeghem, kurz, wenn man ihnen Glauben schenkt,
so sind es nur sie selbst und ihre Anhänger, die allein noch
Belgien retten können.'^
Marquis De la Valette benützte auch diesmal seinen Auf-
enthalt in Wien, um zugleich eine persönliche Angelegenheit,
die ihm offenbar sehr am Herzen lag, zu betreiben. Es war
dies der angestrebte Ankauf einiger in Brabant gelegener Do-
mänen, der Seigneurien von Hannut, Leau und Landen, sammt
dem zu letzterem gehörigen Ingertrude und Racourt, sowie die
Erwerbung des Eigenthumsrechtes der yerpfändeten Seigneuries
Hakendoven und Wilmerchem, Lare und Waesmont, Neer- und
Overhespen, Neer- und Overwinden, Gutsenhoven, Hautgarden
und Elissem, fast lauter Oertlichkeiten, deren Namen uns aus
den Schilderungen der Schlacht von Neerwinden geläufig sind.
Schon unter Kaiser Leopold H. (25. Januar 1792), dann wieder
am 28. März 1792 hatte sich La Valette um diese Besitzungen
beworben; jetzt schien der Kaiser nicht abgeneigt, ihm die-
selben unter für ihn günstigen Bedingungen zu überlassen. Zu-
vor wurde jedoch Mettemich beauftragt, sich über die mit dem
beabsichtigten Verkaufe verbundenen Vor- und Nachtheile zu
äussern. ^
Nach Belgien zurückgekehrt, spielte La Valette die alte
Rolle fort. Aller Welt versicherte er, gleich D'Overschies,* dass
er bei dem Kaiser gut angeschrieben sei, dass er das volle Ver-
trauen des Ministeriums geniesse. Er gab vor, mit geheimen In-
structionen Trauttmansdorff's versehen zu sein, und sprach von
* Traiittmansdorff an Metternich. Vienne, le 9 juin 1793. Orig-.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 24 juin 1793. Orig>.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 31 juillet 1793. Orig.
B«lgi«n nntor der OeneralsUtthalterschaft Enbenog C»rl8 (1799, 1794). 115
dem Austausche Belgiens wie von einer Sache, die noch immer
stattfinden könne. Dem Grafen Duras sagte er, dass die Depu-
tation der Stände in Wien zurückgewiesen werden würde; er
habe die &n Mettemich gerichteten Depeschen hierüber gelesen
u. dergl. Es war eine Folge dieser unbedachten Aeusserungen,
dass sich die Stände Aufklärung bei dem Minister erbaten, der
sich jedoch auf seine frühere Erklärung berufen konnte, die
keineswegs peremptorisch gelautet hatte. ^
In Wien war man über La Valette's Benehmen anschei-
nend sehr ungehalten, zumal über jene Aeusserung, welche sich
auf das belgische Tauschproject bezog, das in einer Weisung
an Mettemich entschieden in Abrede gestellt wurde: ,sofern
nicht etwa die geringe Dankbarkeit, die man dem Kaiser be-
zeige, und die fortwährende Animosität gegen jene, die ihm treu
geblieben seien, oder endlich die unziemUchen Forderungen, die
man sich noch immer erlaube, den Kaiser sozusagen zwängen,
sich eines Landes zu entledigen, das sich so wenig erkenntlich
erweise. Das sei, hiess es in jener Weisung, das Einzige, was
La Valette vernommen haben könnte, dem er aber eine miss-
bräuchliche Deutung und Ausdehnung gegeben habe. Aber
man zürnte noch mehr dem Minister; denn, meinte man, die
Stände würden sich nicht veranlasst gefunden haben, bezüglich
der von ihnen beabsichtigten Deputation neuerdings anzufragen,
wenn Mettemich ihnen schon früher die ihm durch die Wei-
sungen des Kaisers vorgezeichnete Antwort gegeben hätte. Wür-
den daher die Stände noch einmal darauf zurückkommen, so
sei ihnen bestimmt die Frage vorzulegen, ,ob sie es wohl wagen
wollten, nach Wien zu kommen, so lange sie fortführen, in dem,
was ihre Pflicht sei, dem Souverän Schwierigkeiten zu bereiten,
80 lange sie ihm bei jeder Gelegenheit ihr Misstrauen zu er-
kennen gäben und sich durch ihr Benehmen von allen anderen
Provinzen unterschieden, und ob sie wohl eines guten Empfan-
ges von Seiten Sr. Majestät und des Volkes sich versehen
dürften, so lange sie in ihrer gegenwärtigen Haltung verharrten?
Man wisse ihnen keinen Dank flir ihr Don gratuit, so lange sie
sich im Vergleiche mit den übrigen Provinzen bezüghch ihrer
Obliegenheiten in Rückstand befanden. Denn es sei geradezu
^ Mettemich an Trauttmansdorff. BraxeUes, le 20 juillet 1793. Copie.
8*
Wß VI. AbbandluDg: t. Zeissberg.
Hohn, Jemandem Geschenke anzubieten, dem man das, was
man ihm schuldig sei, nicht zahlen wolle/*
Mittlerweile hatten die Verhandlungen mit den Ständen
von Brabant ihren Fortgang genommen. Im Juni stand die
Universität Löwen auf der Tagesordnung. Ausser den De-
putirten der Stände nahmen die Mitglieder der Conferenz und
der Referent des Conseil privö, später auch Abgeordnete der
Facultäten an diesen Berathungen theil. Die Deputirten der
Stände fassten ihre Wünsche in drei Punkte zusammen. Sie
forderten 1. eine ofBcielle Erklärung, dass die Universität ein
,Corps brabangon^ sei und verbleibe; 2. dass dieselbe in* den
Genuss ihres Nominationsrechtes wieder gelange, welches be-
züglich der Luxemburgischen Beneficien durch die in der
Convention vom Haag bestimmte provisorische Reserve verletit
worden sei; 3. endlich verlangten sie die Aufhebung der De-
claration vom 19. Mai 1791, welche auf Grund derselben Con-
vention die erneute Wirksamkeit jener älteren Ordonnanzen
einstweilen vertagt hatte, welche den Belgiern untersagten, ü-
cenzen anderswo als in Löwen zu nehmen. Ausserdem yet-
langten die Deputirten den Widerruf einiger Decrete, die das
Gouvernement in rein reglementären Dingen eriassen hatte.
Von den erwähnten Punkten war sachlich der dritte d»i
wichtigste. Denn gewiss war die Klage nicht unbegründet,
das Land mit Leuten überschwemmt sei, die sich ihre Gl
an verschiedenen Universitäten erkauft hätten, ohne dasell
gewohnt und studirt zu haben und ohne geprüft worden
sein. Gegen die Sache selbst, nämUch den Widerruf der
ration vom 19. Mai 1791, vermochte denn auch das Gouvei
ment keine Einwendung zu erheben. Aber während der
seil privö verlangte, dass die seit jener Declaration anders*''^
erworbenen Licenzen auch fernerhin ebenso gelten sollten, .
wären sie an der Universität Löwen genommen worden,
derten die Deputirten der Stände die Ajinullirung der letzte]
da die Art ihrer Erwerbung gegen den Geist jener kaiserlii
Anordnung Verstösse. Wenigstens, meinten sie, sollte dies
den an französischen Universitäten erworbenen Graden geto — ft
Doch die Regierung gab in diesem Punkte umsoweniger
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 31 jaillet 1793. Orig.
Belfien anter der CtonenOstutthalterecliaft Enbenof Carls (179S, 1794). 117
als gerade die Deputirten der Universität nicht auf dieser For-
derung bestanden, obgleich sie dabei am meisten interessirt
waren. Sie beschränkten ihre Bitte auf den Widerruf der er-
wähnten Maideclaration, während die Commissäre der Stände
auch die Aufhebung der Wirkungen derselben nicht nur ftlr
die Zukunft; sondern auch flir die Vergangenheit verlangten.
Formelle Gründe sprachen daftir, den dritten Punkt von den
beiden ersten abgesondert zu behandeln, da diese nur Brabant
betrafen, daher den Gegenstand einer Declaration des dortigen
Conseils bilden konnten, während jener sich auf alle Provinzen
bezog und demgemäss den Gegenstand einer besonderen Decla-
ration hätte bilden müssen.
Demgemäss beschränkten sich die Verhandlungen zunächst
nur auf die beiden ersten Punkte, und über diese wurde auch
eine Vereinbarung erzielt. Der Erzherzog wollte zwar zuvor die
Entscheidung in Wien einholen, aber allseitig gedrängt, ent-
schloss er sich am 24. Juni eine Erklärung zu pubUciren, durch
welche der Universität Löwen der ihr von Josef 11. bestrittene
Charakter eines ,Corps braban9on^ zuerkannt wurde, und diese
Entscheidung wurde von dem Kaiser nachträglich (18. Juli),
wenn auch nur ungern, genehmigt. Desto zufriedener zeigte sich
natürlich die Universität; abgesehen von einem aus diesem An-
lasse abgehaltenen Te Deum gab sie ihrer Stimmung dadurch
Ausdruck, dass sie dem Kaiser auf fUnf Jahre als unverzins-
liches Anlehen weiterhin gegen 4V2 Percent 100.000 Gulden
und überdies zu denselben Bedingungen eine Summe von
57.000 Gulden überliess, die sie bereits im Jahre 1789 in ähn-
licher Weise vorgestreckt hatte. ^
Auch sonst schienen die MitgUeder der Universität ver-
söhnlich gestimmt; sie versprachen, die Parteiungen, die sie
in den letzten Jahren vielfach entzweit hatten, fallen lassen zu
wollen. Auch gelang es Mettemich in einer neuen Jointe, die
aus Mitgliedern der Universität und der Stände bestand, den
Streit über die Verantwortung, die jene hätte treffen können.
^ Officieller Bericht des Erzherzogs an den Kaiser, le 2ö juin 1793. Metter-
uich an Traattmansdorff. Bmxelles, le 15 juillet 1793. Der Kaiser an
Erzherzog Carl. Vienne, le 18 juillet 1793. Officiell. Erzherzog Carl an
den Kaiser. Bruxelles, le 15 septembre 1793. Entw. MUller's. Officiell.
118 VI. Abbandlnng: ▼. Zeissberg.
die Güter und Fonds der Universität seit ihrer Uebertragimg
nach Brüssel verwaltet hatten, in einer alle Betheiligten befrie-
digenden Weise beizulegen.*
Im Zusammenhange damit wurde auch eine Anzahl von
Universitätsmitgliedem aus älterer Zeit pensionirt^ andere, die
zur Zeit der Reform und Uebertragung der drei weltlichen
Facultäten (1788) angestellt worden waren, entfernt und ent-
schädigt. Nur sehr ungern that dies der Kaiser. ,Ich will ftlr
diesmal,' lautete die betreffende Resolution, ,noch dem Antrage
der Conferenz Folge geben, doch hoffe ich, dass dies die letzte
derartige Ausgabe ist, die man mir vorschlägt.' Bios provisorisch
sollte übrigens jene Entschädigung sein, der Staatschatz sobald
wie möglich durch anderwärtige Verwendung der Betreffenden
entlastet werden.*
Ueber den dritten Punkt erfolgte erst am 27. Septem-
ber 1793 die Entscheidung des Kaisers. ,Entsprechend allen
Principien des Rechtes und der Gerechtigkeit,' hiess es, ,wo-
nach jeder im Besitze der Vortheile und Privilegien zu ver-
bleiben hat, die er auf legale Weise unter dem Schutze eines
seinerzeit zu Kraft bestehenden Gesetzes erworben hat, ist es
meine Absicht, dass die Licenzen, die in dieser Weise an
fremden Universitäten erworben worden sind, ihre volle Wir-
kung behalten, als wenn sie an jener zu Löwen erworben
worden wären.'* Dagegen sollten gemäss einer kaiserlichen
Declaration vom 14. October 1793 fortan die Belgier ver-
pflichtet sein, ohne Ausnahme die akademischen Grade sich in
Löwen zu holen; ja die Declaration ging noch über die Ver-
sprechungen der Haager Convention hinaus, indem sie der
Universität alle jene Prärogative zurückgab, die sie zur Zeit
Maria Theresias besessen, einer Epoche, die man auch sonst
bei diesem Werke der Wiederherstellung zum Ausgangspunkte
ersah.*
Mittlerweile trug sich ein Zwischenfall zu, der den Ers-
herzog peinlich berühren musste, wenn derselbe auch fbr den
^ Mettemich an Trauttmansdorff. Brozelles, le 6 septembre 1793. Entw.
Müller^s.
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 22 octobre 1798. Orig.
' Wiener Zeitung.
* Borgnet H«, 24S.
Belgien nnter der Generalstatthalterscbaft Enberxog Carls (179S, 1794). 119
Gang der Hauptverhandlung nicht gerade von wesentlichen
Folgen begleitet war.
Einen Gegenstand vielfacher und nicht ungerechtfertigter
Klagen bildete nämlich die drückende Last, welche, da der
französische Krieg grösstentheils ein Belagerungskrieg war, die
Fuhrwerke, das Schanzen, die Strohlieferungen den belgischen
Bauern auferlegten. Man schlug die Zahl der täglich erforder-
lichen Pionniere, die man den verschiedenen Provinzen entnahm,
auf nicht weniger als 15.000 Mann, aus Brabant allein auf 3000
Mann/ an. Nicht minder beträchtlich war die Zahl der Fuhr-
werke. Diese Lieferungen wurden noch drückender, als die
Zeit der Heumahd und der Ernte nahte, die in dem fruchtbaren
und reichcidtivirten Lande für mindestens zwei Monate alle
Ackerpferde und alle Arbeitskräfte absorbirte. Anfangs waren
indess diese Forderungen auf geringen Widerstand gestossen;
nur hie und da, wie in Flandern und in Mecheln, hatten sich
Fälle des Ungehorsams gezeigt, der von der malcontenten
Partei geschürt würde, aber hier wie in den meisten Provinzen
waren die Leistimgen gesetzUch geregelt, so dass man vorkom-
menden Falles mit Strafen vorgehen konnte. Nicht so in Bra-
bant, wo es an derartigen gesetzlichen Bestimmungen bisher
fehlte, und wo zwar die Stände sich anfangs im Allgemeinen
in dieser Frage sehr entgegenkommend zeigten, aber es doch
nicht an Vorstellungen fehlen Hessen,* zumal als eben die Ernte-
zeit nahte.'
Es war am 5. August, als bei dem Erzherzog eine Be-
rathung stattfand, bei der es sich um die Beischafiung von
500 Wagen fUr die Armee handelte. Auch die Deputirten der
Stände wohnten dieser Besprechung bei. Doch alle Vorstellun-
gen, die man den letzteren machte, sowohl dass das Verlangen
in der Verfassung begründet sei, als dass Coburg der Lieferung
unumgänglich bedürfe, fruchteten nichts. Die Deputirten weiger-
ten sich rundweg, die Lieferung auszuschreiben, ausser ,par
entreprise' und gegen eine höhere Vergütung. Als man dagegen
einwarf, der Kaiser sei berechtigt, die Lieferung zu fordern.
^ Mettemich an Traattmansdorflf. Bruxelles, le 22 mai 1793. Copie.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 15 juin 1793. Entw.
' Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 23 juillet 1793. Copie.
120 ^' AbhaDdlang : v. Zeissberg.
und nötliigenfalls mit Anwendung von Gewalt drohte, erwiderten
die Deputirten in drohendem Tone, man möge es nur versuchen,
der Kaiser werde es bereuen, und dann werde es zu spät sein.
Ja, Graf Limminghe vergass sich so weit, dass er in G^en-
wart des Erzherzogs ausrief: ,Wenn wir der Armee solche Liefe-
rungen machen müssen, sind uns die Franzosen viel lieber, die
haben uns doch viel weniger bedrückt/ Der Erzherzog wusste
sich zu massigen; er gab sich den Anschein, als habe er die
Aeussserung überhört. Er hob bald darnach die Sitzung auf.
Nachdem sich aber die Deputirten entfernt hatten, bat er den
^[inister, in Zukunft derartige Berathungen bei sich abhalten
zu wollen, da es äusserst unschicksam sei, dass man ihm, dem
KeprUsentanten des Souveräns, derartige Impertinenzen sagen
dürfe. ^ An die Stände richtete der Erzherzog eine Depesche,
in der er sich, falls sie wieder einmal Deputirte an ihn schickes
wollten, den Grafen Limminghe ausdrücklich verbat.'
Dieser selbst wurde von Mettemich zum Widerrufe seiner
Erklärung aufgefordert, doch der Brief, den* er als Entschuldi-
gung an Mettemich richtete, konnte nicht als solche gelt^
noch weniger ein unmittelbar an den Erzherzog gerichtetes
Schreiben« das in so unziemlichem Tone abgefasst wmr, da»
dasselbe auf Grund eines Beschlusses der Conferenz an doi
Grafen zurückgeschickt wurde. Dagegen zeigten sich die
Stände über die Taktlosigkeit Limminghe's sehr bestflnt. Am
18. August fanden sich Deputirte derselben bei dem Ei»-
herzöge ein« um ihr Bedauern über den Zwischenfiül
sprechen und ihn zu versichern, dass die Aeusserung:
minghe*s nicht ihren Gesinnungen entspreche. Carl erkllrCe.
sei von ihrer Ergebenheit überzeugt und habe auch in
Sinne an den Kaiser geschrieben; er hoffe, sie würden
Beweise ihres Eifers ftir den Dienst liefern. Ueber den
Sachverhalt gab sich der Erzhexzog fineilich keiner T^biscli^
hin. Limminghe, meinte er. sei blos ,der Ab&um der S
von Bmbant. werde aber von Anderen gehetzt, dMsjtmgt
sagvn, was sie sich nicht vonubringen trauten*.'
^ Enh^rt^^fT Carl an den Kaiwr. BiQswL den 7. Aofoit ITM. CN%.
* Nach BoripiM U*. :iS3 ist di«ier Brief pubUciit a dem mir
ipu^Uchen Metssa^r d<M skcienc^iB hi5iic«i«iae» de Belpf«e 1S39L
* Enbrru^ Otfl an den Kaüer. BriLsseL den 7. A^vrt ITM. %>i^-
B«lfieB «nt«r der GenenlstottbalterFchaft Enberzog Carls (179S, 1794). 121
Der Kaiser billigte die massvolle Haltung seines Bruders,
wenn er auch den Zwischenfall insofeme beklagte, als er dem-
selben^ um sich nicht zu compromittlren, die Gelegenheit ent-
ziehe^ da einzugreifen, wo er durch seine Person dem Dienste
sonst wesentlich nützen könnte.^ Sonst legte man, wie aus
einem Schreiben Trauttmansdorff 's * an den Bischof von Ant-
werpen erhellt, dem Vorfalle keine allzu* grosse Bedeutung bei,
zumal ja die Stände sofort Limminghe desavouirt hatten. Ja
man gab sogar zu, dass das Fuhrwesen, namentUch zur Ernte-
zeit, eine drückende Massregel sei, die mau durch das Aus-
schreiben eines Offertes hätte vermeiden können, zumal der
Geldpunkt erst in zweiter Linie stehe. Worüber aber der
Kaiser geradezu ,8candalisirt' war, das war die Thatsache, dass
die Stände von Brabant bereits über vier Monate versammelt
waren, ohne über die ihm zu leistende Entschädigung schlüssig
zu werden.
So sehr man aber auch mit dem Gange der Verhandlun-
gen in Brabant unzufrieden sein mochte, so bitter man auch
die allzu grosse Nachgiebigkeit des Ministers beklagte, so hatte
sich doch bisher gerade kein Streitfall principieller Art ergeben.
Dies war erst der Fall, als die Stände behaupteten, zu jener
Entschädigung gar nicht verpflichtet zu sein, besonders aber
als sie den von dem Kaiser ernannten Kanzler ihres Conseils
nicht zulassen wollten.
X. Der Brabanter Eanzlerstreit.
Das Recht der Ernennung des Kanzlers von Brabant stand
anzweifelhaft dem Kaiser zu, und wenn auch der Kanzler einen
Eid auf die Jojeuse entröe in die Hände der Stände ablegen
musste, hatten doch dieselben kein Recht, den Ernannten zurück-
zuweisen, sofern er nur die durch die Joyeuse entr^e vorge-
schriebenen Eigenschaften besass, nämlich (nach Art. ö) eine
,digne personne*, ,weerdige persoon* war und (nach Art 6) zu
den ,gens de bien*, ,goode luyden' gehörte.
^ Der Kaiser an Erzherzog Carl. Laxenbnrg, den 13. August 1793. Orig. eig. A.-A.
' Der übrigens selbst auf die erste Nachricht der Meinung gewesen war,
dass der Kaiser die Sache ^unmöglich* mit Stillschweigen übergehen
kOnne. Trauttmansdorflf an Colloredo, s. d. Orig.
122 ^- Abhandlung: t. Zeissberf.
Die Kanzlerstelle war durch den Rücktritt des jüngeren
Crumpipen erledigt. Auch er hatte sich gleich seinem älteren
Namensträger in den Wunsch des Gouvernements gefügt; an-
geblich um nicht ein BGndemiss für die Wiederkehr friedlicher
Zustände und des nothwendigen Vertrauens zu sein^ hatte er
freiwiUig seine Entlassung genommen.
Der stricte Befehl des Kaisers ging dahin, diese Stelle
dem fiüheren Vicekanzler Van Velde zu verleihen. Nun hatte
aber gerade die Gefügigkeit, mit welcher einst — zur Zeit
Kaiser Josefs H. — Van Velde sich bereit gezeigt hatte, die
in der Verfassung des Landes nicht begründete Stelle eines
Vicekanzlers zu übernehmen, demselben in der öffentlichen
Meinung sehr geschadet, die in diesem Falle mit jener der
Stände identisch war. Vermuthlich war dies auch der Grund,
weshalb Mettemich nicht einfach den Befehl des Kaisers zur
Ausführung brachte, sondern vielmehr in einem, wie es scheint^
nicht mehr erhaltenen Berichte Bartenstein und d'Overschies,
namentUch den letzteren, vorschlug, während Van Velde in
einem beigefügten Schreiben auf die ihm zugedachte Stelle ve^
zichtete. Doch der Kaiser hielt an seiner ersten Entschliessoiif^
fest. Habe sich auch, meinte man, Van Velde durch den Eifer^^
mit dem er sich bereit fand, die Stelle eines Vicekanzlers
übernehmen, die Gemüther ein wenig entfremdet, so habe
doch nicht die ,aUgemeine' öffentliche Meinung gegen ü(
wenigstens nicht so sehr, dass man davon üble Folgen für d<
Dienst zu besorgen habe. Auch scheine es, dass er nur,
sich den Umständen zu fügen, verzichte; da er in seinf
Schreiben an Mettemich durchschimmern lasse, dass er 8i<
auf die Ernennung gefasst gemacht habe, wozu er auch
rechtigt gewesen sei. Mettemich wurde also nochmals
gefordert, den Befehl des Kaisers zu vollziehen, es sei
dass er positiv versichern könne. Van Velde sei so ti
dass seine Ernennung unbedingt schädlich sei.^
Mettemich schob auch jetzt noch die Ernennung V
Velde's hinaus; er glaubte, wenigstens die damals noch
erfolgte Bewilligung der Subsides und des Don gratoit
warten zu sollen. Er wurde' in dieser Ansicht nicht nur di
^ Trauttmansdorff an Metternicli. Vienne, le 11 mal 1793. Ong,
Belgien nnter der Oenenlstattlialterscheft Erzherzog Carls (t79S, 1794). 123
Lannay bestärkt/ sondern auch durch eine gedruckte Re-
präsentation, die der dritte Stand von Brüssel durch die beiden
ersten Stände überreichte, und in der derselbe seinen ablehnen-
den Standpunkt in der Kanzlerfrage unverholen entwickelte.
Jch meine zwar trotzdem/ bemerkt hiezu Metternich, ,da8S
Se. Majestät sich nichts vorschreiben lassen soll; die Wahl der
Person des Kanzlers ist lediglich seine Sache. Was mir aber
die Klugheit und die Erwägung der Umstände allerdings zu
fordern scheint, ist, dass Se. Majestät Ihre Allerhöchste Ent-
scheidung noch einige Zeit verschieben möge.^*
Aber in Wien war man ganz anderer Ansicht. Die stän-
dische Repräsentation machte, wie gewöhnlich^ auf den Kaiser
den ungünstigsten Eindruck, den beigefügten Ergebenheits-
versicherungen legte man nicht den mindesten Werth bei. Auch
den verstorbenen Oheim des Kaisers habe man mit dergleichen
Versicherungen überhäuft, als man bereits das Banner des Auf-
ruhres gegen ihn anpflanzte. ,Unser Herr,^ heisst es in einer
Weisung Trauttmansdorffö (7. Juli), die allerdings nicht an ihre
Adresse abging, sondern (13. August) durch eine andere er-
setzt wurde, desto mehr aber fiir die Ansichten des Wiener
Hofes bezeichnend ist, ,müsste auf jeden Befehl verzichten,
wenn, um denselben nicht auszuftihren, genügte, dass die,
welche gehorchen sollen, anderer Ansicht sind.^ Metternich, hiess
es, möge nicht immer von dem Willen der Nation sprechen
und sich nicht vor Allem beugen, was diese vorschreibe, denn
er adoptire hiermit das Princip der Volkssouveränetät. Uebri-
gens schreibe man der Nation die Intriguen einiger über-
spannter Köpfe zu, die um jeden Preis ihren Ehrgeiz befriedi-
gen wollen, wie jener d'Overschies, gegen den sich damals die
Stimmung des Hofes zu kehren begann.
Wenn andererseits Metternich sich unter Anderem auch
darauf berief, dass Van Velde selbst erklärt habe, unter ge-
wissen Bedingungen zum Rücktritte bereit zu sein, so wurde
gerade diese Behauptung durch Van Velde selbst widerlegt.
Wir wissen aus dessen eigenem Munde, dass sich die Sache
doch wesentlich anders verhielt. Darnach hatte er vielmehr.
^ Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 25 juin 1793. Copie.
* Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 26 join 1793. Copie.
124 VI. Abhandlung: t. Zeis^berg.
als er die Stelle eines Vicekanzlers niederlegte, sich um die
Stelle eines Lieutenants des Lehenshofes von Brabant beworben,
und als ihm die Absicht des Kaisers bekanntgegeben wurde,
ihn zum Kanzler zu ernennen, in einem Schreiben an Mette^
nich Yom 22. April und auch in einem Schreiben an Trautt-
mansdorff aus seiner Abneigung gegen die Uebemahme dieses
Postens gar kein Hehl gemacht, wohl aber sich auf alle Fälle
dem Kaiser zur VerfUgung gestellt. Als daher der Kaiser auf
seinem Willen beharrte und ihm Metternich dies am 9. Juni
bekanntgab, zugleich aber hinzufligte, er wisse aus guter QueUe,
dass seine Ernennung bei einem Theile der Stände Missfallen
erregen werde, und dass er daher dem Kaiser von Neuem be-
richtet und seine Ernennung zum Lieutenant an jenem Lehens-
hofe imd zum Staatsrathe beantragt habe, da hatte sich Van
Velde seinerseits auf seine frühere Erklärung vom 22. April
bezogen, auf der er auch jetzt noch beharre und der zufolge
er sich der Entscheidung des Kaisers, wie sie auch ausfaDen
möge, zu unterwerfen gedenke. Und als sodann Metternich i&
der That noch einmal dem Kaiser Vorstellung machte, von
diesem aber nun den stricten Befehl erhielt, mit der Ernennung
Van Velde's zum Kanzler nicht länger zu zögern, erfuhr dieser
hievon nicht durch Metternich selbst, sondern erst durch Zn&II
aus dem Munde des Staatssecretärs. Metternich, an den er
sich in Folge dessen wandte, bestätigte die Richtigkeit der
Mittheilung, entschuldigte den Verzug damit, dass die betreffen-
den Patente aus Wien noch nicht eingetroffen seien, suchte
aber Van Velde nochmals durch die eindringlichsten Vorstellon-
gen, namentlich durch den Hinweis auf die Stimmung der Stände^
zu fireiwilligem Verzichte zu bewegen. Doch die Antwort Van
Velde's lautete wie zuvor. Er fägte hinzu, dass die Stände
durch den bevollmächtigten Minister längst hätten erfahren kön-
nen, dass er selbst das Amt eines Kanzlers nicht angestrebt
sondern sich um des Friedens willen um ein anderes Amt be-
worben habe.*
Gegenüber dem stricten Befehle des Kaisers schien Metfte^
nich nichts übrig zu bleiben, als an dessen Ausführung zu schrei-
ten. Gleichwohl machte er nochmals seine Bedenken geltend, wo-
' Van Velde an TranttniAnsdorff. Braxelle«, le 26 jaillet 1793. Copid.
1
Belgien anter der Oeneralstatthalterscbaft Enherzog Cerls (1793, 1794). 125
bei er sich auf die nach älteren Instructionen dem Gouvernement
zustehende Befugniss berief^ wider beabsichtigte Massregeln
dreimal vorstellig zu werden.* Doch umsonst. In gemessenen
Ausdrücken gab der Kaiser durch Trauttmansdorff dem Minister
zu erkennen, dass er fest entschlossen sei, an der getroffenen
Wahl festzuhalten, was auch immer geschehen möge. Gerade
der Umstand, dass Van Velde einst einen Posten übernommen
habe, der ftir verfassungswidrig gelte, sei nicht nur kein Aus-
schliessungsgrund, sondern vielmehr ein Moment, das ihn dem
Kaiser empfehle, da es nothwendig sei, dass jene Thatsache
ebenso von den Ständen vergessen werde, wie er selbst ihre
einstigen Ausschreitungen vergessen habe. Mettemich sollte
daher jede Vorstellung entschieden zurückweisen und erhielt
zugleich den für ihn persönlich gewiss nicht erfreulichen Auf-
trag, Van Velde die Anerkennung des Kaisers für die Bereit-
willigkeit auszusprechen, mit der er seinen Befehlen gehorcht,
trotz der Unannehmlichkeiten, die er in Folge dessen zu ge-
wärtigen habe.'
So wurde denn endlich (20. August) Van Velde eröffnet,
dass er sich am 23. August zur Eidesleistung bei dem Erz-
herzog einzufinden habe. Als er sich aber am 21. zu dem Mi-
nister begab, um das Patent entgegenzunehmen, das er besitzen
musste, um den Eid ablegen zu können, wurde ihm dies zwar
ausgefolgt, aber von Mettemich bedeutet, dass, da mit den
Ständen am 23. August verschiedene wichtige Angelegenheiten
zu erledigen seien, die Eidesleistung erst am 26. stattfinden
könne. Aber auch an diesem Tage fand die Vereidung nicht
statt, nochmals wurde dieselbe ,auf kurze Zeit' vertagt, in Wirk-
lichkeit auf längere Zeit verschoben.^
So wie in Wien sah man nämUch auch in Brüssel mit
Ungeduld dem Schlüsse der Brabanter Ständeversammlung ent-
gegen. Denn man meinte, dass, solange dieselbe währe, das
Volk nicht zur Ruhe kommen werde. ,Diese Versammlung,'
hiess es, ,wird nicht ewig dauern können.'^ Man hatte erwartet,
dass die Inauguration, die den Abschluss des Versöhnungswerkes
^ Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 20 juillet 1793. Copie.
* Trauttmansdorff an Mettemich. Yienne, le 1*' aoüt 1793. Orig.
* Van Velde an Erzherzog Carl. Bruxelles, le 4 d^cembre 1793. Orig. eig.
* Trauttmansdorff an Mettemich. Yienne, le 19 juillet 1793. Orig.
126 VI. Ahhandlang: t. Zeissberg.
bilden sollte^ zu Anfang Juli werde stattfinden können,^ und
nun sah man bereits dem Eintritte des September entgegen,
ohne dass man zum Abschlüsse gekommen war. Da geschah
endlich, was seit drei Jahren nicht geschehen war: die Stände
Hessen sich (am 24. August) herbei, ihre Anerbietongen in
Bezug auf die noch strittigen Punkte in Form eines Schrift-
stückes vorzulegen. Da dies am Vorabende jenes Tages ge-
schah, an welchem die Eidesleistung des Kanzlers hätte statt;
finden sollen, beschloss die schleunigst einberufene Conferenz
unter Zuziehung des Chef et President und des Tr&sorier
gönöral, diesen Act noch einmal zu verschieben.
Nur der Erzherzog sprach sich entschieden gegen jeden
weiteren Aufschub aus. ,Ich allein war,^ schreibt er an den
Kaiser, ,yon einer ganz anderen Meinung. Entweder, sagte ich,
wollen die Stände im Ernst sich zur Ruhe geben und mit dem
Souverän wieder aussöhnen oder nicht. Wollen sie es, so wird .
sie die Einsetzung des Kanzlers nicht daran verhindern und im
Gegentheile wird es ihnen an Vorwänden mangeln, um die
Epoche eines Vergleiches immer mehr zu verschieben. Du hast
(Dich) entschlossen, unveränderlich darauf zu bestehen. Das
wissen sie, die Sache ist also geschehen. Wanim soll die Ein-
setzung desselben, die Antretung seiner Würde, welche mehr
eine Ceremonie als etwas Anderes ist, alle guten Dispositionen
der Stände über den Haufen werfen? Ich sehe also dies blos
als einen Vorwand an, um Zeit zu gewinnen, in der Absicht,
so viel Intriguen zu spielen. Alles anzuwenden, um Dich von
Deinem Entschlüsse abzuwenden, und ich flirchte, dass diese
Verschiebung gar keinen Nutzen haben wird, da sie so lange
tändeln werden, sich über die übrigen Punkte zu vergleichen,
bis entweder darüber ein Entschluss wird gefasst werden oder
die Zeit, so man diese Affaire zu verschieben entschlossen,
wird verflossen sein. Man wird dann den Kanzler in seine
Stelle einsetzen wollen, und dies wird ihnen zum Verwände
dienen, um die Subsides, Zahlung der Arreragen, kurz Alles
abzuschlagen. Ihnen ist unser Mangel an Geld bekannt and
sie werden sich schmeicheln, uns zu zwingen, zum Kreuz zu
kriechen, um Geld von ihnen zu bekommen. Aus allen ür-
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 24 juin 1793. Orig. etg.
Belfi«a nntor der Gen«nUUtthaltencb»ft Enhereof Carla (1798, 1794). 127
Sachen, welche ich also hier angefUhrt habC; und da ich glaubte,
dass es in diesem Augenblicke höchst gefährlich sei, Schwäche
zu zeigen, war ich der Meinung, man solle den Kanzler gleich
in meiner Gegenwart den Eid schwören lassen, ihn dann zu
denen Ständen schicken, um ihn dort abzulegen, und dies auf
eine Art machen, als ob man sich gar nicht einfallen lassen
könnte, dass sie sich widersetzen könnten/ Ja der Erzherzog
fasste bei fortgesetztem Widerstände der Stände bereits jetzt
die Anwendung bewaffneter Gewalt ins Auge. AusdrückUch
erbat er sich von dem Kaiser die Erlaubniss, sich an Coburg
um Ueberlassung einiger Truppen wenden zu dürfen, und zwar
deutscher oder ungarischer, da er ihm sonst Wallonen-Regi-
menter zusenden werde, deren Anwesenheit im Lande mehr
Schaden als Nutzen stiflen könnte.^
Man wird kaum fehlgehen, wenn man dieses unerwartet
schneidige Auftreten des sonst so mild gesinnten und ruhigen
Erzherzogs auf jene Verstimmung zurUckfUhrt, die das jUngste
Auftreten der Stände und namentlich des Grafen Limminghe
in ihm zurückgelassen hatte. Es ehrt indess auch in diesem
Falle denselben, dass er so viel Selbstbeherrschung besass, um
sich der übereinstimmenden Ansicht erfahrener Rathgeber be-
scheiden unterzuordnen. ,Da,' heisst es in jenem Briefe an den
Kaiser, ,alle die Herren, welche die Jointe ausmachten, von
einer anderen Meinung, und dies zwar einstimmig waren, und
diese die traurigsten Folgen von einem solchen Schritte voraus-
sahen, da s\(e andererseits doch glaubten, man könne vielleicht
zu einem gütlichen Vergleiche über alle die übrigen strittigen
Punkte mit den Ständen gelangen, so habe ich es nicht ge-
glaubt, auf mich nehmen zu können, wider ihre einstimmige
Meinung zu handeln. Ich habe mich daher entschlossen, den
Zeitpunkt der Leistung des Eides des Kanzlers, welcher schon
bestimmt war, bis auf eine weitere Resolution zu verschieben,
jedoch habe ich befohlen, in dem Berichte, welchen ich Dir
ex officio machen werde, meine Meinung anzuführen und bei-
zusetzen, dass dies wider dieselbe geschehen sei.^ SchliessUch
bemerkt der Erzherzog noch, dass, obschon die Conferenz sich
einstimmig für die Verschiebung der Einsetzung des Kanzlers
^ Ersherzog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 30. Aug^t 1793. Orig. eig.
128 VI. Abhtadliing: ▼. Zaissberg.
ausgesprochen habe, man doch ebenso einstimmig der Ansicht
gewesen sei^ dass der Kaiser seinerzeit auf der Ernennung Van
Velde's bestehen möge.
Wie vorauszusehen war, zeigte sich der Kaiser sehr er-
freut über den Brief seines Bruders, namentlich fand es seinen
Beifall; dass derselbe ,durch sich selbst und nach Beiner lieber-
zeugung handle, was ihm gewiss die Achtung aller ehrlichen
Leute verschaffen werde, die, wie man aus mehreren Briefen
ersehe, seiner Meinung seiend Da er die Gerechtigkeit für sich
habe, erklärte der Kaiser, bezüglich Van Velde's nicht nach-
geben zu wollen. ,Mir ist es leid,^ fährt er fort, ,wenn es zu
gewaltigen Schritten kommen sollte, denn dann müssten wir
coüte ce qui coüte durchsetzen. Vielleicht aber, da die anderen
Provinzen schon bereits in Ordnung sind, wird auch Brabant,
wenn es Ernst sieht, nachgeben. Die Herren sind bis jetzt ge-
wöhnt, dem Gouvernement Alles abzuschrecken; fährst Du aber
in Deiner Conduite fort, so werden sie bald diesen Wahn ver-
lieren.* *
Mettemich aber erhielt am 26. September neuerdings die
Weisung, sofort die Kanzlerfrage zu Ende zu führen, es sei
denn, dass er versichern könne, nicht nur dass aus der Aus-
führung der Weisung ein Uebel erwachsen werde, sondern auch
dass er bestimmte Aussicht habe, die Angelegenheit mit den
drei Ständen in einer Art zum Austrage zu bringen, dass dabei
die Würde des Souveräns nicht compromittirt werde, d. h. in-
dem man dem Aufh*age desselben in seinem volI^n Umfange
entspreche.* Am 16. October wurde Mettemich abermals an
seinen Auftrag erinnert. Die Inauguration könne erst dann statt-
finden, wenn alle Streitpunkte erledigt seien, namentlich die
Installation des Kanzlers, die Bewilligung der Impdts und Sub-
sides für das nächste Halbjahr.^
Uebrigens waren auch die oberwähnten Anerbietungei
der Stände nicht so beschaffen, dass sie die Regierung
en bloc hätte annehmen können. Die Stände boten unter
Titel eines Don gratuit die runde Summe von vier Millione^^
^ Der Kaiser an Erzherzog Carl. Laxenburg, den 11. September 1793.
eig.
3 Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 26 septembre 1793. Orig.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 16 octobre 1793. Orig.
Belflan unter der OenenOstotthaUerschmfl Erzherxog Carls (1798, 1794). 129
an; diese sollte als Abschlagszahlung fUr ihre Quote an den
beiden lilckständigen Subsides und an den Entschädigungen
gelten^ wobei jedoch jene der Privaten dem Kaiser zur Last
fielen. Auch wollte man mit der Auszahlung dieser Summe erst
dann beginnen^ wenn die noch bestehenden ,Verfas8ungsver-
letzungen^ gutgemacht sein und der Kaiser es übernehmen
würde^ seinerseits auch Personen zu entschädigen^ die in den
letzten Jahren durch das Gouvernement Schaden erUtten hätten.
Allerdings stellten die beiden ersten Stände zugleich auch die
Zustimmung des dritten in Aussicht.^
XL Die Entschldignngsfrage in Brabant. — Die Depesche
vom 15. November 1793.
Von Wien aus hatte man auf die erste Verlautbarung der
ständischen Absichten Mettemich jede Transaction bezüglich der
rückständigen Subsides untersagt. Auch wurde es sehr übel ver-
merkt^ dass die Stände sich auf die öffentliche Meinung beriefen^
die dahin gehe^ dass man jene Subsides zu bezahlen eigentlich
nicht verpflichtet sei. Doch Hess es Metternich nicht an Gegen-
vorstellungen fehlen^ und auch die Conferenz war der Ansicht,
dass jener Befehl nicht buchstäblich werde erfüllt werden können,
dass es vielmehr zweckmässiger sei, die Stände zu bewegen, eine
runde, alle Ansprüche der Regierung umfassende Summe zu
bewilligen. *
So wurde denn die Eingabe der Stände vom 24. August
entgegengenommen, und nachdem man dieselbe unter Intervention
der ständischen Deputirten, der Chefs der beiden Conseils und
der Mitglieder der Conferenz einigen Modificationen unterzogen,
dem Conseil des finances unter Beiziehung der Staatsräthe, wie
es, so oft es sich um das Subside handelte, üblich war, zur
Berathnng vorgelegt.^ Auch hier hatte man Mehreres an dem
^ Erzherzog Carl an den Kaiser, le 11 septembre 1793. Officiell. Entw.
Möller.
• Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 30 juillet 1793. Vergl. auch
Bischof Nelis von Antwerpen an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 23 aoüt
1793. Extrait.
' Mettemich an Trauttmansdorff. Bmxelles, le 27 aoüt 1793. Entw.
Sitsnngsber. d. phil.-bist. Ol. CXXYin. Bd. 6. Abh. 9
130 VI. Abhandlung: ▼. Zeittberg.
Entwürfe der Stände auszusetzen und fögte am Bande der
Denksehrift Gegenbemerkungen bei^ über die sich die Stftnde
ihrerseits äussern sollten.^
Und auch in Wien nahm man es zwar noch immer den
Ständen übel, dass sie dem, wozu sie verpflichtet seien, nicht
mit Acclamation zugestimmt hätten; noch grösseren Werth aber
legte man darauf, dass die Ständeversammlung, dieser o£Pene
Quell der unbescheidensten Ansprüche, endlich geschlossen
werde. Daher wurde jetzt Mettemich ermächtigt, nachzugeben,
vorausgesetzt, dass er vollkommen sicher sei, die leidige An-
gelegenheit zu völligem Abschluss zu bringen. Man gab sich
mit einer runden Summe zufrieden, wofern dieselbe dem gleich-
komme, wozu die Stände verpflichtet seien; doch geschah dies
nur unter der ausdrücklichen Bedingung, dass von den Ständen
der Grundsatz fallen gelassen werde, demzufolge sie sich zur
Bezahlung der in Frage stehenden Subsides nicht für ver-
pflichtet erachteten. Man wolle sich, hiess es, mit einer runden
Summe begnügen, aus Rücksieht auf die Verluste, welche Bra-
bant in den letzten Jahren erlitten, verlange jedoch, dass die
Summe sofort bewilligt werde, da die Verlängerung der stän-
dischen Verhandlungen aus den bereits angedeuteten Gründe
hintanzuhalten sei. Daher möge Mettemich jenen Ständemit^
gUedem, zu denen er in näheren Beziehungen stehe, als gehe
dies von ihm selbst aus, und in der Form freundschaftUchen
Vertrauens eröfihen, dass er bereits eine Depesche des Kaisers
erhalten habe, der zufolge die Stände sich binnen vierzehn Tagen
entscheiden müssten, da nach Ablauf dieser Frist die Versamm-
lung geschlossen werden müsste, dass er aber hoffe, sie würden
es nicht darauf ankommen lassen, sondern schon früher zu einem
Beschlüsse kommen.^
Inzwischen legten die Stände ihre Gegenvorschläge dem
Erzherzog durch den kaiserlichen Commissär Villegas vor. Auch
diese wurden gleich den früheren einer Begutachtung durch dea
^ Mettemich an TrauttmansdorfF. Bmxelles, le 30 aoüt 1793. Entw.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 2 septembre 1798. Orig. Yvfi^
Thugut an Colloredo, le 22 aoüt 1793, bei Vivenot I, 32. Hievon wm^
Bischof Nelifl von Antwerpen in Erwiderung eines yertrmolichen Sehra*
bens in Kenntniss gesetzt.
Belfton nntor der GeneraUtattholterscbaft Entaerxog Carls (179S, 1794). 131
Conseil des finances unter Iiitervention der Staatsräthe unter-
zi^en. Die Stände hatten diesmal den Betrag von 4 auf 47, Mil-
lionen erhöht; die Zahlung sollte statt, wie früher angenommen
worden war, in vier, vielmehr in zwei Jahren, und zwar in drei
Terminen zu je acht Monaten erfolgen. Die Conferenz hielt diese
Proposition ftir annehmbar, vorausgesetzt, dass sich die Stände
zu einer entsprechenden Erhöhung der Summe um einen Be-
trag herbeilassen würden, der zur Entschädigung der Privat-
personen verwendet werden sollte. Man hielt es zugleich für
wtinschenswerth, die Sache mit den beiden ersten Ständen so-
bald wie möglich zum Abschlüsse zu bringen, da sonst zu be-
sorgen stünde, dass es der Gegenpartei gelinge, den dritten
Stand, dessen Beitritt in Aussicht gestellt war, neuerdings um-
zustinimen, und man bedauerte es daher lebhaft, dass man
nicht ohne vorausgehende Autorisation des Kaisers abschliessen
durfte.^
Dass übrigens diese Autorisation fehlte, daran war in
erster Linie Mettemich Schuld, der zwar über den Verlauf der
Verhandlungen seinem Hofe regelmässig berichtete, aber es
unterUess, die betreffenden Schriftstücke beizufügen, so dass
sogar der letzte Vorschlag der beiden ersten Stände seinem
Wortlaute nach dem Wiener Hofe unbekannt blieb. Bei alle-
dem legte man auch in Wien auf den Abschluss der leidigen
Sache jetzt einen solchen Werth, dass das Gouvernement zu
demselben unter gewissen Voraussetzungen ermächtigt wurde.
Traattmansdorff ging dabei von der Berechnung aus, dass sich
die Quote Brabants an der Entschädigungssumme, welche der
Tr^or royal für sich in Anspruch nahm, und die Subsides der
Jahre 1791 und 1792 auf 3,924.000 Gulden beliefen, und dass
demnach von jener Summe von 47, Millionen, deren Bewilli-
gung die Stände in Aussicht stellten, nur 576.000 Gulden zur
Entschädigung der Privatpersonen erübrigen würden, ein Be-
trag, der für diesen Zweck nicht ausreichend sei. Es sollten
daher die Stände bewogen werden, die Siunme von 4Vi Millio-
nen um jenen Betrag zu erhöhen, der nach der Berechnung des
Gouvernements erforderlich sein würde, um nach Abzug jener
3,924.000 Gulden den Ansprüchen der Privatpersonen gerecht
' Ifetternich an Tranttmaiisdorff. Bruxelles, le 7 septembre 1793.
9»
132 VI- Abhandlang: ▼. Zeissbarf.
ZU werden, oder es sollten die Stände blos 3,924.000 Gulden be-
willigen, hingegen die Entschädigung der Privatpersonen selbst
übernehmen. Da indess im letzteren Falle zu erwarten stand,
dass die Privatbetheiligten ganz exorbitante Forderungen stellen
würden, so schlug Trauttmansdorff vor, dass die Stände den
Betrag von 4,500.000 Gulden um eine entsprechende Summe er-
höhen sollten, wogegen der Kaiser die Entschädigung der Privat-
personen in der Art auf sich nehmen würde, dass, wenn auch
diese Summe zur zu leistenden Entschädigung nicht ausreiche,
der Mehrbetrag zu drei Viertel oder wenigstens zur Hälfte von
den Ständen zu decken sei. Doch bemerkte Trauttmansdorff
ausdrücklich, dass dieser letzte Vorschlag nur im äoasersten
Falle gemacht, und dass ein auf demselben beruhendes Ueber-
einkommen nur sub spe rati geschlossen werden dürfe, nament-
lich wenn sich die Stände nur zur Uebemahme der Hälfte jenea
Mehrerfordemisses bereit finden würden. Würde nun eine Ver-
einbarung in der einen oder in der anderen Weise zustand»
kommen, so sollte den Ständen zugleich die Wiedereinsetsonj^
der hohen Gerichtshöfe in Limburg in Aussicht gestellt werden.
Ja Mettemich wurde für diesen Fall sogar ermächtigt, den.
Ständen ein Arrangement über die aufgehobenen Convente anf
dem Fusse, wie ein solches in Flandern und Namur *^yin*^
bereits erfolgt war, anzubieten, ihnen auch die beanspmchten
Abztlge an den rückständigen Subsides zuzugestehen, sie im
Besitze der 1790 bewilHgten Auflagen zu lassen, die Liqnidalioii
der Revolutionsschuld in Aussicht zu stellen, die Veriftngenmg
der bestehenden Lasten, namentlich der neuen Kop&tener anf
die Domestiken und die Abschaffung der Exemptionen, mit ge-
ringen Ausnahmen zu bewilligen, ja vielleicht sogar ihnen zn ge-
statten, durch eine bestimmte Reihe von Jahren den UebeischnsB
der Subsides xmd Imp6ts fbr sich zu verwenden. Was dagegen
den Verzicht ,auf alle weiteren Forderungen* betreffe, wie den-
selben die Stände verlangten, so sollte derselbe in dem Ceber
einkommen entweder gar nicht erwähnt, oder es sollten dieee
Forderungen ausdrücklich bezeichnet werden« damit nicht ia
der Folge dieser Verzicht auf Dinge Anwendung finde, um die
es sich momentan gar nicht gehandelt habe.
Der neue Vorsehlag der Stände bildete den Gegenstand
neuer Berathangen« an denen auch Le Clerc, der an dicacm
Belgien anter der OenenlsUtthalterscbafl Erzherzog Carls (1793, 1794). 133
Ende eigens von Valenciennes^ und der Finanzrath und Generai-
CSvilcommissär Bartenstein^ der aus dem Hauptquartiere berufen
wurde, theilnahmen. ^ Man modificirte die Vorschläge abermals
and theilte diese Modificationen den zu diesem Zwecke in die
▼erstarkte Conferenz beschiedenen Deputirten der Stände mit.
Allein diese erklärten sofort, dass der dritte Stand den Entwurf
des GU>uyemements nie annehmen werde. Dies galt namentlich
von zwei Abänderungsvorschlägen des Conseil des finances,
welche sich beide auf die Entschädigung der Privatpersonen be-
zogen. Während nämlich nach dem Entwürfe der Stände der
Kaiser gegen die Bewilligung von 4}/^ Millionen alle Entschä-
digungsansprüche ohne Unterschied befriedigen sollte, hatte der
Conseil des finances den Vorschlag gemacht, dass der Kaiser
diesem Zwecke blos eine fixe Summe, etwa 1 oder IVa Millio-
nen, zuwenden möge. Ausserdem soUten nach dem Entwürfe
des Conseils nur diejenigen entschädigt werden, die durch die
Insurrection Schaden erlitten hatten, während die Stände ausser-
dem, und zwar in wenig passenden Ausdrücken eine Entschä-
digung auch für jene in Anspruch nahmen, die durch Willkür-
acte des Gouvernements zu Schaden gekommen seien. Die
Deputirten erklärten, dass der dritte Stand nie eine Summe
bewilligen werde, die ausdrückUch zur Entschädigung der in
den letzten Unruhen Geschädigten beansprucht werde, und
dass die Zustimmung nur dann zu erreichen sei, wenn man
die Forderung allgemein fasse, da der dritte Stand im Ganzen
wohl gerne bereit sei, dem Souverän eine Geldsumme zu be-
willigen, nicht aber jene zu entschädigen, die er als Landes-
feinde erachte. Uebrigens sei der Gedanke einer Entschädigung
nicht von den Ständen, sondern von dem Gouvernement aus-
gegangen; da aber derselbe nun einmal angeregt sei, so be-
stehe der dritte Stand darauf, diejenigen nicht im Stiche zu
lassen, die von der anderen Seite misshandelt worden seien.
Die Deputirten fügten hinzu, dass es den letzteren nach der
Verfassung zustehe, gegen den Kaiser klagbar zu werden, der
sich zwar vertheidigen, nicht aber der richterlichen Entschei-
dung entziehen könne.
^ Derselben wohnten auch der Chef-PriUident Nieulant, der Schatzmeister
De Sandrouin und D'Agnilar bei.
134 y^' Abbuidlnnf ! ▼. Zeittberg.
Vergebens suchten die Mitglieder der Jointe diese An-
sichten zu widerlegen. Man einigte sich endlich zu einer un-
bestimmten Fassung, wonach alle jene entschädigt werden solt
ten, welche thatsächlich Verluste ,pour et k Toccasion des troubles'
erlitten hätten. Um den Kaiser gegen die Gefahr sicherzn-
stellen, der er ausgesetzt wäre, falls er die Entschädigungen
sammt und sonders auf sich nähme und sodann die Summe
der letzteren etwa den ihm bewilligten Betrag überschreiten
würde, schlugen die Deputirten vor, dass die Entschädigung
nicht eher ausbezahlt werden möge, als bis alle Ansprüche
schiedsrichterlich festgestellt seien. Würde sich dabei ergeben,
dass die Gesammtheit der letzteren das absorbire, was dem
Kaiser zur Schadloshaltung bestimmt sei, so solle letzterer ge-
richtlich darauf bestehen können, dass ihm bei der Auftheilang-
der 4V2 Millionen der proportionelle Antheil zugesichert werde.
Man sprach sodann von den ,Verfassungsyerletzungen' (infirao-
tions), von denen in dem Entwürfe des Acte d'accord die Bede
war. Die Mitglieder der Regierung fanden an diesen Ausdrücken
umsomehr auszusetzen, als zwei Punkte, um die es sich dab«
handelte, entweder gegenstandslos geworden seien oder es dem-
nächst sein würden: da nämlich die Haute cour von Limbiii]g
thatsächlich wiederhei^estellt, wenn auch noch nicht completiit
sei, da bezüglich der aufgehobenen Convente die Intentionen
des Kaisers bereits in mehreren Provinzen realisirt und auch
ftir Brabant kundgemacht worden seien, und da die Bildung
der Commission, von deren Thätigkeit jene Operation abhänge^
bereits im Zuge sei.
Nach Schluss der Jointe forderte Mettemich die Mitglieder
des Gouvernements auf, sich über die Sache schriftlich fli
äussern. Auch der Conseil des finances erhielt den AuAng;
unter Beiziehung der Staatsräthe das neue Project des Acts
d'accord noch einmal auf Grund der Erklärungen der letsten
Jointe durchzuberathen. Alle diese Gutachten sendete diesmil
Mettemich dem Hofe ein. Er selbst aber sprach sich, wie tf
sagte, auf Grund der Wahrnehmungen aller derer, die der Con-
ferenz mit den Deputirten der Stände beigewohnt hatten, dahin
aus, dass man vergeblich versuchen werde, die zwei ersten
Stände zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. Eine Sache,
von der vielleicht die Ruhe des Landes während der ganzen
BelfiMi unter der Generalstattluafcenohaft Enherzof Carla (1798, 1794). 135
Regierung Sr. Majestät abhänge^ dürfe man nicht lediglieh vom
finanziellen Standpunkte betrachten. Auch der Erzherzog sei
dieser Meinung. Doch habe er (Metternich) nach den an ihn
ergangenen Weisungen es nicht auf sich nehmen können^ auf
diesem Fusse abzuschliessen. Er bedauere dies umsomehr^ als
gerade gegenwärtig die Stimmung des dritten Standes eine
günstige sei, während ein Aufschub von drei bis vier Wochen
leicht einen Umschwung hervorrufen könne. Eine rasche Er-
ledigung wäre um so Wünschenswerther gewesen, als man gegen-
wärtig allgemein wünsche, dass die Inauguration am Tage der
heil. Theresia stattfinden möge, und als es wichtig sei, dass
diese Feier, die ein enges Band zwischen Herrscher und Volk
knüpfe, keinen Aufschub erleide, besonders in gegenwärtiger
Zeit, wo sich der französische Einfluss im Lande geltend zu
machen suche. Schliesslich beklagt sich Metternich noch über
die starre Unnachgiebigkeit des Conseil des finances gegen die
Stände, mit denen es jener auf einen Bruch ankommen lassen
zu wollen scheine, was den Intentionen Sr. Majestät nicht
entspreche, eine Unnachgiebigkeit, die dem Conseil vielleicht
zur Ehre gereichen würde, wenn sie nicht bei den meisten
seiner Mitglieder, wie D'Aguilar, Ransonnet und Duchesne,
der Ausfluss alter Vorurtheile und persönlicher Empfindlich-
keit wäre.
Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes legte denselben
Trauttmansdorfif der Ministerconferenz zur Entscheidung vor.^
Doch theilte er vorläufig bereits am 3. October dem belgischen
Minister seine eigenen Ansichten mit. Unter anderen Umständen,
meinte er, würde man wohl die Proposition der Stände mit In-
dignation von sich gewiesen haben, doch heute müsse man sich
vielleicht der Demüthigung unterziehen, sie anzunehmen, um
ein grösseres Uebel zu vermeiden, aber zugleich sich auch ver-
sichern, dass diese neue Schwäche nicht für die Zukunft un-
selige Folgen habe. Er betrachte die Sache nicht lediglich vom
finanziellen Standpunkte, denn so wichtig auch fUr den Augen-
blick dem Staate alle seine Geldmittel seien, so meine er doch,
dass man diese erst in zweite Linie zu stellen habe, wo es sich
^ Es liegt im Staatsarchiv das eigenhändige Votum Rosenherg's vom 12. Oc-
tober vor; es lautet affirmativ.
136 VI. AbhuidloDg: y. Zeissberg.
um die Würde Sr. Majestät und darum handle^ Principien
zu sanetionireU; die den seinigen offenbar entgegengesetzt, und
die daher nicht nur fUr den AugenbUck, sondern auch in der
Folge dem Dienste nachtheilig seien.
Beklagenswerth sei es, dass Alles von dem Willen der
Stände abhängig gemacht werde, und dass, obgleich es sich
um ihre Pflicht handle, die einfache Behauptung, dass der
dritte Stand zu dem oder jenem sicher nicht seine Zustimmung
geben werde, selbst wenn die beiden ersten Stände dazu bereit
seien, genüge, um sich vor diesem Ausspruche wie vor einem
Gesetze zu beugen, und alles dies, nachdem der Souverän so
viel fUi* das Land gethan und nicht nur das gute Recht ftbr
sich habe, sondern im äussersten Falle sogar Gewalt anzu-
wenden berechtigt sei. Doch sei er überzeugt, dass selbst wenn
der Kaiser alle ihm gestellten Bedingungen annehme, er doch
in einem Punkte nicht nachgeben, sondern die auf die Entschä-
digung bezüglichen Punktationen dahin werde abändern lassen,
dass er nicht verpflichtet sei, die zu entschädigen, die sich über
Verhaftungen oder andere miUtärische Massregeln beschwerten.
Denn es leuchte ein, welchen Missbrauch man damit treiben,
welch weites Feld man dadurch allen Arten von Reclamationen
erschliessen werde und wie ungünstig die richterlichen Entschei-
dungen für Se. Majestät ausfallen müssten, nachdem man dar^
auf gedrungen habe, dass alle Tribunale mit den Ständen er-
gebenen Individuen besetzt würden. Trauttmansdorff schliesst
mit der Bemerkung: dass der Staatssecretär ganz richtig be-
merkt habe, er spreche so zu Ende September 1793 und
würde anders gesprochen haben, wenn man noch zu Ende
März oder Anfangs April stünde. ,Das eben ist es,* ruft er
aus, ,daraus, dass man erst Ende September Dinge zum Ab-
schluss bringt, die schon in den ersten Tagen des April er-
ledigt werden sollten, resultirt all unser Unglück!* In einem
Postscript fügt er die Bemerkung bei, dass die Inauguration
nicht am Theresientage stattfinden könne. Das Benehmen der
Stände lasse nicht vermuthen, dass sie wirklich einen Wertfa
auf diese Ceremonie legen; wählte man den Namenstag der
Kaiserin, um ein Zeichen der Anhänglichkeit zu geben, so
habe man tausend andere Mittel, um dieselbe weit eindring-
licher zu bezeigen. ,Sagen Sie,* schliesst er, Jenen Herren, dass
B«lgi«i unter der Oeneraltstatthalterschaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 137
Se. Majestät keinen Werth auf die Formen, sondern auf die
Sache legt, um die es sieh heute handelt/^
Am 14. October erfolgte die Entscheidung des Kaisers.
Se. Majestät, so lautete die betreffende Weisung, nehme die
Vorschläge der Stände von Brabant entgegen, doch unter der aus-
drücklichen Bedingung (sous la condition bien expresse), dass die
Installation des Kanzlers und die Bewilligung der Subsides für
die nächsten sechs Monate gleichzeitig vor sich gehe, da er von
seinem Entschlüsse bezüglich des ersten Punktes unbedingt
nicht abstehen wolle, und da er nicht zugeben könne, dass um
der Subsides willen in nächster Zeit eine neue Versammlung
stattfinde, auf der vielleicht neue Schwierigkeiten auftauchen
würden. Sobald Alles in gebührender Weise (düment et com-
pl^tement) geschehen sei, doch unter keiner anderen Bedingung
dürfe die Inauguration vor sich gehen. ^
Gleichzeitig erhielt Mettemich eine ostensible Depesche,
die den Ständen von Brabant bei erster sich darbietender Ge-
legenheit verlesen werden sollte. Mettemich werde aus derselben
ersehen, dass der Kaiser zwar die Propositionen der Stände an-
nehme, dass er sich aber durch dieselben sehr verletzt fUhle,
und daher wünsche, den Ständen den Unterschied deuthch zu
machen zwischen der Art, wie er sie, sei es in ihrer Gesammt-
heit, sei es im Einzelnen, zu behandeln gedenke, im Gegensatze
zu jenen Provinzen, mit denen er Ursache habe, zufrieden zu
sein. Der Minister möge Alles sorgfältig vermeiden, was den
Schein erwecken könnte, ab ob diese Nachgiebigkeit eine Folge
von Schwäche sei. Er möge betonen, dass der Kaiser von Pro-
positionen über Gegenstände einfacher Pflicht überhaupt nicht
habe reden hören wollen, namentUch nicht von den vorliegen-
den, dass es daher sehr schwer gefallen sei, von seinem guten
Herzen und seiner äussersten Güte das zu erlangen, was zu
verweigern ihm eigentUch seine Würde und sein Gerechtig-
keitsgefühl gebiete. Dem Minister selbst verhehlte Trauttmans-
dorff nicht, dass der Kaiser gegenüber dem, was derselbe stets
in Aussicht gestellt habe, und was er nach so vielen dem Lande
gebrachten Opfern erwarten durfte, sehr enttäuscht sei. Sei doch
* Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 3 octobre 1793. Orig.
* Trauttmansdorff an den Kaiser. Vienne, le 14 d^cembre 1793. Orig.
136 VI. AbhuidloDg: y. Zeissberg.
um die Würde Sr. Majestät und darum handle^ Principien
zu sanetionireU; die den seinigen offenbar entgegengesetzt, und
die daher nicht nur für den Augenblick, sondern auch in der
Folge dem Dienste nachtheilig seien.
Beklagenswerth sei es, dass Alles von dem Willen der
Stände abhängig gemacht werde, und dass, obgleich es sich
um ihre Pflicht handle, die einfache Behauptung, dass der
dritte Stand zu dem oder jenem sicher nicht seine Zustimmung
geben werde, selbst wenn die beiden ersten Stände dazu bereit
seien, genüge, um sich vor diesem Ausspruche wie vor einem
Gesetze zu beugen, und alles dies, nachdem der Souverän so
viel für das Land gethan und nicht nur das gute Recht fbr
sich habe, sondern im äussersten Falle sogar Qewalt anzu-
wenden berechtigt sei. Doch sei er überzeugt, dass selbst wenn
der Kaiser alle ihm gestellten Bedingungen annehme, er doch
in einem Punkte nicht nachgeben, sondern die auf die Entschä-
digung bezüglichen Punktationen dahin werde abändern lassen,
dass er nicht verpflichtet sei, die zu entschädigen, die sich über
Verhaftungen oder andere militärische Massregeln beschwerten.
Denn es leuchte ein, welchen Missbrauch man damit treiben,
welch weites Feld man dadurch allen Arten von Reclamationen
erschliessen werde und wie ungünstig die richterlichen Entschei-
dungen für Se. Majestät ausfallen müssten, nachdem man dar^
auf gedrungen habe, dass alle Tribunale mit den Ständen er-
gebenen Individuen besetzt würden. Trauttmansdorff schliesst
mit der Bemerkung: dass der Staatssecretär ganz richtig be-
merkt habe, er spreche so zu Ende September 1793 und
würde anders gesprochen haben, wenn man noch zu Ekide
März oder Anfangs April stünde. ,Das eben ist es,* ruft er
aus, ,daraus, dass man erst Ende September Dinge zum Ab-
schluss bringt, die schon in den ersten Tagen des April e^
ledigt werden sollten, resultirt all unser Unglück!* In einem
Postscript fügt er die Bemerkung bei, dass die Inauguration
nicht am Theresientage stattfinden könne. Das Benehmen der
Stände lasse nicht vermuthen, dass sie wirklich einen Werth
auf diese Ceremonie legen; wählte man den Namenstag der
Kaiserin, um ein Zeichen der Anhänglichkeit zu geben, so
habe man tausend andere Mittel, um dieselbe weit eindring-
licher zu bezeigen. ,Sagen Sie,* schliesst er. Jenen Herren, dass
Belgien anter der Genenüstattbaltcrschaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 137
Se. Majestät keinen Werth auf die Formen^ sondern auf die
Sache legt, um die es sich heute handelt/^
Am 14. October erfolgte die Entscheidung des Kaisers.
Se. Majestät, so lautete die betreffende Weisung, nehme die
Vorschläge der Stände von Brabant entgegen, doch unter der aus-
drücklichen Bedingung (sous la condition bien expresse), dass die
Installation des Kanzlers und die Bewilligung der Subsides ftir
die nächsten sechs Monate gleichzeitig vor sich gehe, da er von
seinem Entschlüsse bezüglich des ersten Punktes unbedingt
nicht abstehen wolle, und da er nicht zugeben könne, dass um
der Subsides willen in nächster Zeit eine neue Versammlung
stattfinde, auf der vielleicht neue Schwierigkeiten auftauchen
würden. Sobald Alles in gebührender Weise (düment et com-
pl^tement) geschehen sei, doch unter keiner anderen Bedingung
dürfe die Inauguration vor sich gehen.'
Gleichzeitig erhielt Mettemich eine ostensible Depesche,
die den Ständen von Brabant bei erster sich darbietender Ge-
legenheit verlesen werden sollte. Mettemich werde aus derselben
ersehen, dass der Kaiser zwar die Propositionen der Stände an-
nehme, dass er sich aber durch dieselben sehr verletzt fUhle,
und daher wünsche, den Ständen den Unterschied deutUch zu
machen zwischen der Art, wie er sie, sei es in ihrer Gesammt-
heit, sei es im Einzelnen, zu behandeln gedenke, im Gegensatze
zu jenen Provinzen, mit denen er Ursache habe, zufrieden zu
sein. Der Minister möge Alles sorgfältig vermeiden, was den
Schein erwecken könnte, ab ob diese Nachgiebigkeit eine Folge
von Schwäche sei. Er möge betonen, dass der Kaiser von Pro-
positionen über Gegenstände einfacher Pflicht überhaupt nicht
habe reden hören wollen, namentUch nicht von den vorliegen-
den, dass es daher sehr schwer gefallen sei, von seinem guten
Herzen und seiner äussersten Güte das zu erlangen, was zu
verweigern ihm eigentUch seine Würde und sein Gerechtig-
keitsgefühl gebiete. Dem Minister selbst verhehlte Trauttmans-
dorff nicht, dass der Kaiser gegenüber dem, was derselbe stets
in Aussicht gestellt habe, und was er nach so vielen dem Lande
gebrachten Opfern erwarten durfte, sehr enttäuscht sei. Sei doch
* Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 3 octobre 1793. Orig^.
* Trauttmansdorff an den Kaiser. Vienne, le 14 d^cembre 1793. Orig.
138 Tl. Abhaadlang: ▼. Zeissberg.
nicht einmal das Princip gerettet worden^ dass nämlich die
Zahlung rückständiger Subsides eine Pflicht sei^ da die Acte de
consentement blos besage: ^Que, yu les depenses de la guerre
etc., on accordait un don extraordinaire de 47i mülions/^
An den Erzherzog aber richtete der Elaiser auB diesem
Anlasse ein Schreiben, worin es hiess: Jch habe diesen Schritt
gewiss als schlecht, jedoch als nothwendig in diesem Augen-
blicke betrachtet, weil er der einzige war, um herauszukommen.
Nun steht der Erfolg noch zu erwarten, und ich soll mir
schmeicheln, dass er gut sein wird. Ich bitte Dich, sobald die
Sache entschieden ist, sogleich die Inauguration zu halten und
mir sodann auf das Eiligste einen Courier mit der Nachricht
davon abzuschicken, weil ich mich dann sogleich auf den Weg
setze, um zu Dir zu kommen, da ich es nicht eher thun will,
um mich nicht vielleicht im Falle zu finden, mich gegen die
Stände compromittiren zu müssen. Eine Hauptklage habe ich
gegen Euer Gouvernement, wovon Du zu Deiner grössten Ehre
eine Ausnahme machest, das ist die abscheuliche Nachgiebig-
keit auch in Gelegenheiten, wo man das offenbare Recht für
sich hat.'*
Indess sollte bald auch der Erzherzog keine Ausnahme
von denen machen, die unter den gegebenen Umständen Vor-
sicht und Mässigimg empfahlen. Derselbe legte die soeben er-
wähnten Weisungen der Conferenz' zur Berathung vor, wobei
zunächst der Ausdruck ,sous la condition bien expressed zu
längerer Discussion Anlass bot. Derselbe konnte dahin gedeutet
werden, dass der Annahme des die 4^/, Millionen betreffenden
Anerbietens die Bewilligung der Subsides und der Impöts des
nächsten Termines und die Installation des Kanzlers voran-
gehen müsse, er konnte aber auch ein Befehl fUr das Gouverne-
ment sein, auf diesen beiden Punkten nachdrücklich zu bestehen«
^ Tranttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 14 octobre 1798. Ori^.
* FranE n. an Enhenog Carl. Wien, den 16. October 1793. Orig. eif.
A.-A.
' Der Couferenz wurden auch Nieulant, De Sandrouin und Du Rieux bei-
g^zog^n, von welchen der letztere anfangs Bedenken trug, zu erscheinen,
da er in Brabant ohne eigentliche Anstellung sei, zuletzt aber dem wieder-
holten Dringen des Blrzhersogs sich fügte. Erzherzog Carl an den Kaiser.
BrOssel, den 86. October 1793. Orig. eig.
Balfien unter d«r G«n«nüstatt1ialtersohaft Enbenog Carls (1798, 1794). 139
Jenes schien der Jointe unausführbar oder doch höchst bedenk-
lichy und man neigte daher einstimmig der Deutung zu, dass zur
Inauguration nicht geschritten werden sollte, bevor nicht die
erwähnten Gegenstände erledigt seien.
Und nun ging man zur Berathung der einzelnen Punkte
tLber. Man glaubte im Sinne der Depeschen zu handeln, wenn
man vor Allem den Acte d'acceptation bezüglich der bewillig-
ten 47f Millionen, imd zwar ,purement et simplement*, ^ den
beiden ersten Ständen mittheile und zugleich durch den könig-
lichen Commissär die Proposition bezüglich der Impöts und der
Subsides einbringe, von denen jene mit 1. December begannen
und sich auf das nächste Halbjahr bezogen, die Subsides und
der Unterhalt des Hofes aber vom 1. Januar 1794 an zu be-
rechnen waren. Ganz entschieden, und gewiss mit vollem Rechte,
sprach sich jedoch die Jointe dagegen aus, dass der Minister,
wie es die betreflFende Weisung vorschrieb, die ostensible De-
pesche einer Deputation der Stände vorlese. In einem Augen-
blicke, wo man besorgen müsse, dass die Franzosen ihre Drohun-
gen bezüglich dieses Landes verwirkUchen könnten, wo die
Verproviantirung der Armee so schwierig sei, wo es auch im
Innern nicht an Wühlereien seitens der Anhänger des französi-
schen Systems fehle, schien es bedenklich, durch die Verlesung
eines derartigen Schriftstückes unnützer Weise die Gemüther
dem Elaiser zu entfremden. Das grösste Opfer, das dieser dem
Lande bringe, sei, meinte die Jointe, dass er die Propositionen
der Stände angenommen habe; die Motive, die ihn dazu be-
stinmiten, müssten ihn auch bestimmen, dies in gnädiger Weise
zu thun, da man sonst bei den Ständen, ja selbst bei dem
Volke den günstigen Eindruck, den die EntSchliessung des
Kaisers hervorrufe, zerstöre. Dazu komme, dass man bezüglich
der Subsides, Impöts, Don gratuits, freiwilligen Spenden, An-
leben u. dergl. auf den guten Willen der Stände und der diesen
der Mehrzahl nach ergebenen Bewohner des Landes angewiesen
sei. Angesichts dieser ,dem Wiener Hofe unzweifelhaft unbekann-
ten Verhältnisse' einigte man sich dahin, dass der Minister den
Ständen blos gesprächsweise und als lediglich von ihm aus-
gehend, doch als eine ihm bekannte, notorische Thatsache
^ Ershenog Carl an den Kaiser. Brttssel, den 26. October 1798. Orig. eig.
140 VI. AbliandluDg: t. Zeit aber g.
mittheilen möge^ was in jener ostensiblen Depesche enthal-
ten sei.
Von denselben Gesichtspunkten ging die Jointe bezüglich
der Installation des Kanzlers aus. Das Recht des Kaisers in
der Sache sei unanfechtbar und bisher auch nicht von den
Ständen angefochten worden. Mache man nun die Installation
zu einer Bedingung, so anerkenne man damit^ dass die Stände
in der Sache mitzureden hätten und gebe einem Ansprüche
derselben fUr künftige FäUe Raum. Es sei daher vorzuziehen,
in dieser Beziehung keinen Schritt bei den Ständen zu thun,
sondern Van Velde einfach zu installiren, und zwar noch vor
der Inauguration. Würden sich die Stände deshalb an den Erz-
herzog oder den Minister wenden, so sei ihnen zu erklären,
dass Se. Majestät von einem ihm unzweifelhaft zustehenden
Rechte Gebrauch gemacht habe, dass der Kanzler sich den
Ständen zur Eidesleistung vorstellen und dass, wenn sie gegen
dessen Eignung etwas einzuwenden hätten, der competente
Richter darüber entscheiden werde.
Neuerdings sprach man sich ftlr die Vertagung der Elanzle^
frage aus, bis der dritte Stand seine Zustimmung zu den Be-
schlüssen der beiden ersten Stände ertheilt haben werde. Auch
die Inauguration sollte erst dann erfolgen, wenn alles Uebrige
erledigt sei. ^
Der Erzherzog stimmte diesen Vorschlägen zu. Sehr offen
sprach er sich hierüber gegen den Kaiser aus. ,Propositionen
von ihnen (den Ständen) annehmen,' meinte er, ,und ihnen in
dem nämUchen AugenbHcke in den härtesten, gröbsten Aus-
drücken über eben diese Propositionen schreiben, heisst ihnen
sagen: Ich nehme Eure Propositionen an, weil ich es nicht
anders thun kann, weil ich Geld brauche, allein ich hasse
Euch, ich verabscheue Euch, und nie werde ich Euch ve^
zeihen, mich dahin gebracht zu haben. Euren Vorschlag anzu-
nehmen. Diese Sprache ist weder der Pohtik, noch der Würde
gemäss, welche in allem demjenigen, so von Dir oder Deinem
Ministerium kommt, vorherrschen muss.'^
' Jointe tenne chez S. A. R., le 23 octobre 1798. Erahersog Carl an den
Kaiser. Brüssel, den 26. October 1793. Orig. eig.
' Ershersog Carl an den Kaiser. Brüssel, den 26. October 1798. Orig. eig.
B«lgi«i nnter der GcneraUtatthaltersohaft Enhenog Carls (179S, 1794). 141
Mettemich beschied eine Deputation der Stände zu sich
und theilte derselben in der von der Jointe vereinbarten Weise
die EntschHessung des Kaisers mit. Wie immer, ergingen sich
die Deputirten in feierlichen Versicherungen ihrer LojaUtät,
stellten auch die prompte Bewilligung der nächstfälligen Sub-
sides und Imp6ts in Aussicht, berührten jedoch die Kanzler-
frage nicht, obgleich sie, wie wenigstens Mettemich meinte,
eine Stelle seiner Ansprache auf diese Frage bezogen. Man
kam zuletzt überein, dass die Stände am 29. October wieder
zusammentreten und der kaiserliche Commissär denselben den
Acte d'accord betreffs der 4^/, Millionen einhändigen, gleichzeitig
aber die Petition bezüglich der Subsides und Impots stellen,
sowie auch die Verification der Vollmachten des Erzherzogs
fbr die Inauguration bereinigen sollte. ^
Am 31. October fand sich neuerdings eine Deputation der
Stände bei dem Minister ein. Es handelte sich diesmal nicht
unmittelbar um die schwebende Frage, sondern um eine jener
,Verfas8ungsverletzungen^ (infractions), von denen im Verlaufe
der Verhandlungen öfters die Rede gewesen war, nämUch um
die Verhaftungen des Jahres 1791. Die Deputirten beklagten
sich darüber, dass man sich damals über Art. 1 der Jojeuse
entrde, wonach jeder Braban9on nur ,par droit et sentence^ be-
handelt werden solle, mittelst des Art. 55 derselben Handveste
hinweggesetzt habe. Daher verlangten die Stände, dass anläss-
lich der bevorstehenden Inauguration seitens der Regierung
folgende Declaration abgegeben werde: ,que le premier article
Sera maintenu et observ^ k tous ögards, sans aucune exception,
et sans qu'il sera permis, sous pr^texte de l'article 55 ou sous
tout autre prötexte, de traiter qui que ce soit autrement que
psT droit et sentence, conform^ment k ce premier article^ Sie
beriefen sich unter Anderem darauf, dass auch bei der In-
auguration Kaiser Leopolds 11. eine ähnliche Declaration be-
züglich der Convention vom Haag erfolgt sei. Als Mettemich
erwiderte, dass der Kaiser die Deutung eines Artikels der
Joyeuse entröe nicht zugeben werde, da er lediglich an dem
Stande der Dinge zu Ende der Regierung Maria Theresias fest-
zuhalten gedenke, erklärten die Deputirten sich mit einer blossen
< Metternich An TranttmAtisdorff. Broxelles, le 29 octobre 1793. Orig.
142 VI. Abbandlang: v. Zeiisberg.
,Depe8che' (d. i. eine Erklärung des Gouvernements) ähnlichen
Inhaltes zufriedenstellen zu wollen, diese sei aber um so noth-
wendiger, als man das Misstrauen der Doyens zerstreuen müsse,
von denen einige bereits die Bemerkung fallen Hessen, dass^
wenn man hierüber keinen beruhigenden Aufschluss geben wolle,
dies ledighch deshalb geschehe, weil man vorkommenden Falles
wieder ähnliche Verhaftungen wie 1791 vorzunehmen gedenke.
Die Deputirten gaben nicht nach, bis endlich Mettemich ver-
sprach, den Erzherzog zur Ausstellung der gewünschten De-
pesche bewegen zu wollen.^
Wirklich liess sich der Erzherzog zur Ausfertigung einer
derartigen Depesche herbei. Doch befriedigte sie die Stände
anfangs nicht, da in derselben von den Fällen, in denen trots-
dem Militärgewalt würde angewendet werden müssen, die Rede
war. Neuerdings betheuerten die Deputirten, dass ihre Soige
lediglich auf die Beruhigung des durch Agitatoren, ja seihet
französische Emissäre aufgeregten dritten Standes gerichtet
sei. Man müsse das Volk über den wahren Stand der Dinge
belehren, nicht nur das Landvolk, sondern auch die Bourgeoisie,
und deshalb in jener Depesche ausser den Artikeln 1 und 55 auch
die bereits getroffenen Vereinbarungen namhaft machen, mit der
ausdrücklichen Bemerkung, dass deren Inslebentreten von der
Zustimmung des dritten Standes abhängig sei. In der That
wurde mit Zustimmung des Erzherzogs die Depesche in diesem
Sinne umgeformt imd am 15. November pubUcirt.*
Die Depesche begann mit der Erklärung, dass jene beir
den Artikeln ,einzeln oder im Ganzen genommen' zu deutlich
seien, um einer Erläuterung zu bedürfen, und dass folglich er
(der Erzherzog) blos versichern könne, ,dass diese Artikel pünkt-
lich und redlich sowie der ganze Inhalt der Joyeuse entr^
beobachtet werden sollend Dafür seien die Billigkeit und Ge-
rechtigkeit Sr. Majestät sichere Bürgen. Se. Majestät habe da-
von die überzeugendsten Beweise letzthin gegeben, da auf die
Einwilligung der zwei ersten Stände zur Erhebung einer Summe
^ Note de ce qui s^est passS dans Taudience que S. E. a donn^ anx d^
put^s des Etats de Brabant, le 31 octobre 1793.
' Metternich an Trauttmansdorff, Bmxelles, le 16 novembre 1798. Orig. En-
henog Carl an den Kaiser, den 17. November 1793. Orig. eig.
N
Belfien «nter der 0«B«i»lttotth»ltertob»ft Erxbenog CwU (1798, 1704). 143
von 47j Millionen Se. MajesUlt erklärten, dass die erste der
drei Raten dieser Summe nicht eher bezahlt werden solle, als
bis die Verletzungen der Constitution, die unter den vorigen
Regierungen durch die Aufhebung der Klöster und der geist-
lichen Gemeinden, sowie durch die Errichtung des Conseils von
Limburg geschehen seien, gänzlich gutgemacht und wenigstens
in diesem Punkte befriedigende Ausgleichungen mit den Stän-
den getroffen sein würden. Auch habe Se. Majestät, von dem
Wunsche geleitet, Alles, was an die Unruhen der Jahre 1789
bis 1790 erinnere, in Vergessenheit zu bringen, die Erklärung
beigeftlgt, dass mittelst jener Summe alle seit dem 1. Januar
1787 eröffneten Forderungen und Ansprtlche als erftlllt ange-
sehen sein sollten und er es auf sich nehme, aus dieser Summe
nach der Entscheidung einer zu diesem Ende mit gemeinschaft-
lichem Einverständnisse zu ernennenden Commission alle die-
jenigen, welche för und wegen besagter Unruhen ungerechter
Weise einen wesentlichen Verlust erlitten, auf billige Art zu
entschädigen. Ueberdies habe Se. Majestät erklärt, dass ver-
mittelst dieser Geldbewilligung der Betrag der öffentlichen Ab-
gaben, welche durch die Stände im Jahre 1790 zugestanden
worden seien, zum Besten der Provinz verbleiben, imd dass die
wegen oder bei Gelegenheit der erwähnten Unruhen contrahirten
Schulden genehmigt und als Lasten der Provinz angeschen
werden sollten, Verftigungen, die in volle Wirksamkeit treten
würden, sobald der dritte Stand der Geldbewilligung der zwei
ersten Stände beigetreten sein werde. Auch habe der Kaiser
die unter den verschiedenen Provinzen eröffnete Liquidirung
der während und anlässlich der Unruhen contrahirten Schulden
nicht aoB dem Auge verloren und erklärt, dass diese Liqui-
dirung unverzügUch wieder vorgenommen und beendigt werden
soUe. Endlich folgte die Erklärung, dass die Haager Convention
vom 10. December 1790 und deren Ratification, die am 19. März
1791 in Brabant publicirt worden sei, der Joyeuse entr^ nicht
zum Nachtheile gereichen solle, dass vielmehr diese in ihrem
vollen Umfange zu gelten habe, ,wie weiland die Kaiserin
Maria Theresia und ihre durchlauchtigsten Vorgänger sie be-
schworen haben^^
> Wiener ZeHong 3494 ff. Doller 166.
144 VI. Abhandlnng: t. Zeissberg.
Diese Depesche wurde am 15. den versammelten Ständen
mitgetheilt, die es übernahmen^ das Schriftstück in beiden Lan-
dessprachen in einer grossen Anzahl von Exemplaren zu ver-
breiten. *
Die Depesche, die von Manchen als eine Erneuerung der
Jojeuse entr^e gedeutet wurde, gab in Brüssel zu allerlei Ova-
tionen Anlass. So wurde am 17. November dem kürzlich erst
genesenen Erzherzog ein Ständchen gebracht und ihm zu fairen
eine Komödie von Bonnoir aufgeführt, aUerdings eine taktlose
Plattheit — wollte man doch sogar in derselben den Erzherzog
krönen, der sich dies ausdrücklich verbat — die, wie Delmotte
erzählt, von der Frau des Ministers und den Leuten ihrer Anti-
chambre veranlasst und von Warnsdorflf approbirt worden war,
und für die der Erzherzog nachträglich noch 40 Louis den
Veranstaltern des Festes, Van Schorell und Genossen, bezahlen
musste. Am nächsten Sonntag (24. November) gaben die Doyens
aus Anlass der ,wiederverliehenen Verfassung' den sogenannten
jCapons du rivage' ein Fest gegenüber dem Ministerhötel, bei
dem Schinken, Wein und Bier unter die Menge vertheilt wurde.
Löblicher war es, dass sich eine Gesellschaft von Bürgern Iril-
dete, um Unterschriften für die Errichtung von Militärhospitälen
zu sammeln.^
Gab sich in Brüssel die Befriedigimg über den politischen
Erfolg in derartigen Bezeigungen kund, so machten diese Nach-
richten in Wien gerade den entgegengesetzten Eindruck. Schon
die Verlautbarung, dass es Mettemich unterlassen habe, den
Ständen durch Verlesung jener ofßciellen Depesche eine, wie
man meinte, heilsame Lection zu ertheilen, rief nicht nur d^
Unwillen der Minister, in deren Conferenz dieselbe festgesteUt
worden war, sondern auch des Kaisers hervor, der aus diesem
Anlasse bemerkte, es sei überhaupt unnütz, Anordnungen sa
treffen, wenn man sich herausnehme, zu gehorchen, nur wie und
wann es beliebe.*
* Metternich au Trauttmansdorff. Bruxelles, le 16 novembre 1793.
Erzherzog Carl an den Kaiser. Brtlssel, den 17. November 1793. Orig.
* Delmotte an Maria Christine. Bruxelles, le 26 novembre 1793. Orig. eig.
A.A.
* Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 5 novembre 1793. Orig.
N
Belfi«n unter der Oeoenl8tattb»It«rscbafi Ercberrog Carls (I79S, 1794). 146
Noch ungünstigere Benrtheilung fand jedoch die Depesche
vom 15. November. Einstimmig war man zunächst der Meinung^
dass dieselbe desavouirt, und dass flir die Folge der Wieder-
kehr einer ähnlichen^ ohne ausdrückliche Genehmigung des
Kaisers erfolgten fhitscheidung vorgebeugt werden müsse. Na-
mentlich beschwerte sich Thugut, dass in der Depesche auf
die Convention vom £[aag Bezug genommen worden sei. Die
Depesche selbst wurde als gleich schädlich bezeichnet, ob nun
die Stände dieselbe zu ihren Gunsten deuten, worauf die Freude,
mit der man sie begrüsst habe, hinzuweisen scheine, oder ob
sich dieselben in ihren Erwartungen getäuscht finden und daher
das Gouvernement nachträglich der Falschheit beschuldigen
würden, schädlich auch im Hinblick auf die anderen Provinzen,
die mit Recht sich ftbr nicht minder befugt erachten würden,
neue Zugeständnisse, im Gegensatze zu den feststehenden Prin-
cipien, zu erzwingen. Der Kaiser liess dem Minister seine Miss-
billigung zu erkennen geben, dass er gethan, was bisher kein
Generalstatthalter oder Minister über sich zu nehmen gewagt
habe, Entscheidungen zu treffen, denen so oft wiederholte Be-
fehle des Souveräns bestimmt gegenüberständen, und Funda-
mentalgesetzen eine Auslegung zu geben, die in der falschen
Deutung, die man ihr gebe, das öffentliche Recht zu erschüttern
gedgnet sei.^ Der Kaiser sah von einem formellen D^saveu der
Depesche in Anbetracht der Folgen ab, die daraus erwachsen
könnten; dagegen sollte Mettemich keine Gelegenheit versäu-
men, um den Ständen im Namen des Kaisers zu erklären:
,da88, da er an Buchstabe und Sinn der Joyeuse entr^e, so wie
dieselbe zur Zeit Maria Theresias bestanden habe, nichts ge-
ändert wissen wolle, die Depesche vom 15. November ihm
wenigstens überflüssig erschienen sei, dass er dieselbe wohl be-
stehen lassen wolle, dass er aber nicht zugeben werde, dass
dieselbe etwa bei der bevorstehenden Inauguration als Inter-
pretation oder Znsatz der Joyeuse entr^e beigefügt werde, dass
die Artikel 1 und 55 der letzteren klar seien, dass er nichts
g^en die legitime Freiheit der Bürger unternehmen, dass er
aber auch weder ftbr sich, noch fiir seine Nachfolger auf jene
Mittel verzichten wolle, welche der zweite Passus des Art 55
* Trmottmaiisdorff an Metternich. Viennet le 26 noTembre 1798. Ori^.
8itnac>Wr. A. fhü.-kut. Cl. CUTni. IM. C. AM. 10
146 VI> Abhandlung: t. Zeistberg.
dem Souverän einräume, um Excesse Uebelgesinnter zu ver-
hüten/ Ausdrücklich fUgt Trauttmansdorff bei, dass der Kaiser
in diesem Falle die Ausführung seines positiven Befehles nicht
dem Ermessen des Ministers anheimstelle, sondern dass diese
Befehle auch dann auszuführen seien, wenn etwa Mettemich
anderer Ansicht sein sollte.^
Der Erzherzog aber wurde im Namen des Kaisers ofEciell
aufgefordert, in Zukunfl sich derartigen Suggestionen von Seiten
der Conferenz, wie des Ministers in all den Fällen, wo ein Vei^
zug möglich sei, zu versagen und von den ihm zustehenden
Vollmachten nach eigener Ueberzeugung Gebrauch zu machen;'
,da,' wie der Kaiser in einem vertraulichen Schreiben an seinen
Bruder bemerkt, ,ich ofl gesehen, dass Deine Meinung vid
besser als jene aller Uebrigen gewesen und der Dienst dabei
gewonnen, wenn man sie befolgt hätte/'
Wenn nun auch sowohl der Erzherzog ab auch Metter
nich ihr Vorgehen nochmals ins richtige Licht zu setzen such-
ten,^ so hielt man in Wien doch an dem einmal gewählten
Standpunkte fest;* ja auf die Erwiderung Mettemich's erfolgte
sogar eine scharfe Replik,^ welcher die Thatsache ein gewisses
Relief verlieh, dass in einer Repräsentation der neun Nationen
an den Brüsseler Magistrat, die zu Anfang December in Druck
erschien, die Depesche vom 15. November als das offene Ein-
geständniss vorgefallener Verfassungsverletzungen gedeutet und
als die einzige Garantie der Beobachtung der Verfassung be-
zeichnet wurde.' Dem gegenüber durfte sich aber andererseits
das Brüsseler Gouvernement eines Erfolges rühmen, der durch
die Depesche vom 15. November veranlasst zu sein schien.
Allerdings war wieder ein voller Monat dahingegangen,
ehe man die Zustimmung des dritten Standes zu den mit den
* Trauttmansdorff an Mettemick. Vienne, le 27 novembre 1793. Orig.
• Der Kaiser an Erzherzog Carl. Vienne, le 29 novembre 1798. Orig. ofßciell
• Der Kaiser an Erzherzog Carl. Wien, den 27. November 1793. Orig. «?■
A.A.
* Erzherzog Carl an den Kaiser. Bruxelles, le 15 d&^embre 1793. Entw.
Müller's. Derselbe an denselben. Brüssel, den 17. December 1798. Orig»
eig. Mettemich an Trauttmansdorff. Broxelles, le 16 d^cembre 1793.
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 27 d^cembre 1793. Orig.
** Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 29 d^cembre 1793. Orig.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 5 d6cembre 1793. B/iaonL
Belgien unter der OenenlsUttbalterscbaft Erzbenog Culs (179S, i79i). 147
beiden ersten Ständen erzielten Vereinbarungen zu erlangen
vermochte. Musste doch zuvor die Zustimmung all der ein-
zelnen Corps und Metiers eingeholt werden, aus denen sich
die drei Chefs - villes, d. i. der dritte Stand, zusammensetzte.^
Endlich aber, zu Anfang December, konnte Metternich melden,
dass diese Zustimmung, freilich nur theilweise, erfolgt sei. Löwen
und Brüssel zeigten sich dabei von seltenem Eifer erftült. Zu
Löwen geschah es zum ersten Male, dass sich keine Stimme
gegen irgend eine der Propositionen vernehmen Hess, einstim-
mig erklärten vielmehr die Bürger, dass entsprechend der edlen
Handlungsweise des Kaisers an der vollständigen Zustimmung
kein Zweifel bestehe. Länger zögerte man in Antwerpen; drei
von den vier Mitgliedern dieser Stadt stimmten zwar sofort den
drei Propositionen, die ihnen gemacht wurden, bezüglich der
47» Millionen, bezüglich der Inauguration und bezüglich der
Impots vom 1. December 1. J. bei, aber auch diesmal waren
es, wie so oft in früherer Zeit, die Doyens, welche erst nach
längerem Bedenken ihre Zustimmung gaben. Diese Stimmung
war auch der Grund, weshalb der Bürgermeister von Ant-
werpen, Graf Baillet, zunächst nur diese drei Punkte zur Ab-
stimmung brachte, während die Zustimmung zu den Subsides
für den Kaiser imd den Erzherzog erst später eingeholt werden
sollte, zumal es auch sonst Sitte war, dass der dritte Stand erst
in der im März oder April des folgenden Jahres stattfindenden
Versammlung seine Zustimmung zu den schon zuvor von den
beiden ersten Ständen bewilligten Subsides ertheilte. Nur Brüssel
hatte diesmal eine Ausnahme von der Regel gemacht und schon
jetzt auch zur Subside seine Zustimmung ertheilt. Die formelle
Zustimmung aller drei Stände zu der Entschädigung von
47^ Millionen ist im Januar 1794 erfolgt.*
XII, Ende des Eanzlerstreltes.
Und nun war noch die heikelste Frage zu erledigen: die
Einführung Van Velde's als Kanzler von Brabant. In dieser
Frage hatte mittlerweile auch Nelis, der Bischof von Antwerpen,
^ Vergl. Gachard, Memoire sur la composition et les attributions des an-
ciens ^tats de Brabant. 1. c. pag. 17.
' Mettemicb an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 13 janvier 1794. Orig.
10*
148 VI. Abhaodlnng: t. Z ei sab erg.
seine Stimme vernehmen lassen. Er bezeichnete fünf Personen
als Candidaten um den zu besetzenden Posten: den firüheren
Kanzler Crumpipen, Van Velde, De Villegas, der als Doyen
des Conseils thatsächlich die Functionen des ELanzlers ausübte^
D'Overschies, der im Volke vor Allem beliebt sei, und De
Jonghe, den Pensionär und Greffier der Stände. ,Er gibt sich
zwar den Anschein, als wünsche er die Stelle nicht; aber es
soll sich damit verhalten wie mit dem Fuchs in der Fabel/
An sich, meint Nelis, sei es gleichgiltig, ob und welchen von
ihnen der Kaiser die Siegel von Brabant anvertraue. Er selbst
weist auf den einstigen Conseiller am Conseil von Brabant,
jetzt MitgUed des geheimen Rathes, Bartenstein oder auf Ro-
biano hin, der selbst früher Mitglied jenes Conseils gewesen,
nunmehr Conferenzrath und Sohn eines Kanzlers sei. ,Man hat
ihn,' sagt er von Robiano, ,vom Lande geholt, wohin er sich,
ein anderer Cincinnatus, an den Pflug zurückgezogen hatte. Er
wäre vielleicht im Stande den gordischen Knoten zu lösen. Man
könnte Van Velde durch Ernennung zum Staatsrathe entschä-
digen.' ,Auf jeden Fall,' schiiesst NeUs sein Schreiben an Trautt-
mansdorff, ,hoflFe ich, dass Eure Excellenz nicht zugeben wer-
den, dass man diesen unseligen Zankapfel auf die unglückUchen
Gefilde Belgiens wirft, ehe nicht die anderen Angelegenheiten
erledigt sind, oder vor Ihrer Ankunft, mit der wir uns seit eini-
ger Zeit schmeicheln. . . . Van Velde ist ein Mann voll Ver-
dienst und Rechtschaffenheit; ich kenne ihn seit langer Zeit,
ihn und seine Familie. Ich wünschte, sein Bruder würde Bi-
schof von Ruremonde; aber bei alledem ist der Vicekanzler
keiner der Männer, die ein Cardinal Mazarin angestellt hätte,
denn er ist nicht glücklich, und man bedarf glücklicher Männer,
um mit Erfolg dem Staat und dem Fürsten zu dienen.'^
Seit dem Zeitpunkte, zu welchem Van Velde die Zulassung
zur Eidesleistung als Kanzler von Brabant in ,nahe' Aussicht
gestellt worden war, waren drei Monate verstrichen, ohne dass
in dieser Sache auch nur das Geringste geschah. Man wartete
eben die Zustimmung der Stände zu den Subsides und Impöts
ab. Als am 26. October Van Velde sich bei dem Erzher2K>ge
^ Bischof Neils von Antwerpen au Trauttoiansdorff. Bnixellea, le 9 Septem-
bre 1793. Gachard, Analectes I— IV, 503 ff.
Belfito unter der GenerAlstoUbaUerBcbaft Erzherzog Carls (1798, 17M). 149
einfand, vertröstete ihn dieser auf die Zukunft.^ Jetzt aber^
nachdem die drei Stände von Brabant (am 26. November) ihre
Zustimmung bezüglich der Subsides und der Inauguration er-
theilt, demnach das früher geltend gemachte Bedenken der
Eidesleistung nicht mehr im Wege zu stehen schien^ meldete
sich Van Velde neuerdings (29. November) bei dem Erzher-
zoge an.'
,Er kam/ erzählt Erzherzog Carl selbst, ,um sich zu er^
kundigen, wann seine Beeidigung stattfinden werde. Ich er-
widerte, dass ich ihm darüber noch nichts Sicheres sagen
könnte, da die Unterhandlungen mit den Ständen noch fort-
dauerten, dass es vielleicht gelingen werde, alle Schwierigkeiten
zu ebnen, dass jedoch, wenn die Stände sich trotzdem seiner
Installation widersetzten, die Sache gerichtlich würde ausge-
tragen werden müssen. Er bedauerte unendlich, noch nicht den
Vorsitz in seiner Körperschaft führen und keinen Einfluss auf
die neuen Ernennungen üben zu können. Ich sagte, er werde
wohl fühlen, wie ungelegen uns diese Sache sei und wie miss-
lich, wenn sie die Inauguration verzögerte. Er betheuerte, dass
ihn nur Gehorsam gegen seinen Souverän leite, und dass, wenn
er wüsste, dass sein Benehmen dem Gouvernement Verlegen- .
heiten bereite, oder dass Se. Majestät der Kaiser oder ich
wünschte, dass er auf seinen Posten verzichte, er dies mit dem-
selben Gehorsam thun würde, mit welchem er denselben an-
genommen habe. Ich antwortete, dass Se. Majestät von seiner
Ernennung nie abstehen könne und wolle, dass er übrigens
selbst die betreffenden Befehle und Intentionen des Kaisers
kenne, die ich ihm vor einem Monate mitgetheilt hätte. Wir
schieden von einander, er mit der Bitte, man möge also die
Sache zu Ende führen, ich mit der Versicherung, dass man
sich damit gewiss beschäftigen werde.'* Wenige Tage darnach
kam Van Velde abermals zu dem Erzherzog mit einer schrift-
lichen Eingabe, welche sich ebenfalls auf diesen Gegenstand
bezog.
^ Erzherzog Carl an den KaUer. Brüssel, den 26. October 1798.
Orig. eig.
' Van Velde an Erzherzog Carl. Bruxelles, le 4 döcembre 1791. Orig. eig.
' Erzherzog Carl an Müller, le 29 novembre 1798. A.-A.
150 VI. A1>haadlaag: v. Zeissberg.
^Obgleich ich ihm zweimal sagte/ bemerkt der Erzher-
zog, ,er müsse wohl begreifen, wie sehr seine Angelegenheit
das Gouvernement in Verlegenheit setze, wollte er mich nicht
verstehen und beharrte dabei, dass die Stände sich seiner Eides-
leistung nicht widersetzen würden/
Auch der Erzherzog wurde jetzt, wie man aus diesem
Schreiben ersieht, bedenklich; er besorgte, dass es über die
Sache zu einem Processe am Conseil von Brabant kommen und
dieser nach den Formen des belgischen Rechtes Jahre lang
dauern werde. Besonders aber ging es ihm nahe, dass um
dieser Angelegenheit willen die damals bereits angekündigte
Reise des Kaisers nach Belgien verschoben werden sollte, auf
die er hohen Werth legen zu müssen glaubte.
,Wäre Van Velde nicht schon benennt,' schrieb er an den
Kaiser, ,und folglich Deine Würde nicht dabei compromittirt,
so würde ich Dir rathen, einen Anderen zu nennen; allein in
dem Falle, in dem wir uns jetzt befinden, und wenn Van Velde
nicht selbst seine Stelle niederlegen will, was er nicht zu thun
gesinnt scheint, so bleibt nicht Anderes übrig, als auf dieser
Benennung zu bestehen. Allein ich unterlege es Deiner Ein-
sicht; denn Du siehst gewiss die Sache am besten ein und bist
am meisten im Stande, ein gegründetes Urtheil darüber zu
fällen, ob, da Deine Reise so wichtig und so höchst nöthig ist,
Du Dich über diese Sache hinaussetzen und ohngeachtet dem
hieher kommen könntest. Vielleicht würde Deine Ankunft hier
die Sache entscheiden, und sollte sie es auch nicht, so könntest
Du Dich ja, wenn Du auch den Brabantem [Deine Unzufirie-
denheit] über ihre AuflPÜhrung zeigen wolltest, in einer anderen
Provinz, in einer anderen Stadt so lange aufhalten, bis die noch
bestehenden Difficultäten würden gehoben sein.'^
Erzherzog Carl, Mercy und Metternich waren jetzt im
Grunde derselben Ansicht, die dahin ging, dass die Kanzler-
frage von der Inauguration getrennt, jedesfalls aber die Reise
des Kaisers nicht von derselben abhängig gemacht werden
möge. Metternich aber fasste alle Bedenken, die sich der Ver-
eidung Van Velde's entgegenstellten, noch einmal (7. December)
in einem grossen Berichte zusammen. Er that dies umsomehr,
^ Erzherzog Carl an Franz II. BrUsael, den 27. November 1793. Orig. eig.
Belgien unter der Oenenüstatthalterscban Erzherzog Carls (179S, 1794). 151
ab man ihm geradezu den Vorwurf machte, auf die Insinuatio-
nen eines Overschies hin, den er zu begünstigen scheine, die
Angelegenheit Van Velde's hinausgeschoben zu haben. ^ Dem
gegenüber wies er auf den Umstand hin, dass letzterer allge-
mein verhasst sei, nii'gends freilich in höherem Grade als in
Antwerpen, wo sogar eine ihm vortheilhafte Heirat sich daran
serschlagen habe, weil er 1787 einer jener Commissäre gewesen
sei, welche die neuen Tribunale eingeführt hätten. Eben deshalb
babe es die Conferenz für zweckdienlich erachtet, den Abschluss
ier übrigen Verhandlungen mit den Ständen von Brabant abzu-
warten, ehe man den neuen Kanzler zum Eide zulasse, worauf
ach derselbe den Ständen vorzustellen hätte. Wiesen ihn diese
Eorück, so würde er gegen dieselben den Rechtsweg zu betreten
baben. Es würde sich bei einem Processe dieser Art nicht um
las Recht des Kaisers, einen Kanzler zu ernennen, handeln,
sin Recht, das ihm von den Ständen nie bestritten worden sei,
sondern um die private Berechtigung Van Velde's, von dem ihm
ds Kanzler ausgestellten Patente Gebrauch zu machen, kurz um
sine sogenannte Contestatio des ,meum et tuum^, wobei ent-
Breder die Stände den Beweis führen müssten, dass Van Velde
lie durch die Joyeuse entr^e vorgeschriebenen Eigenschaften
oicht besitze, oder er selbst das Gegentheil zu erhärten hätte.
Leider habe man in Wien dieses Mittel verworfen, welches
zwischen den Rechten des Kaisers und denen des Kanzlers
imterscheide und es möglich gemacht haben würde, unabhängig
70n dem Ausgange des Processes die Inauguration vorzuneh-
men. Demnach habe das Gouvernement vor der Alternative
gestanden, falls die Mittel der Ueberredung versagten entweder
sine Sache, für die man sich eingesetzt, fallen zu lassen, oder
ien neuen Kanzler mit Gewalt zu installiren. Aber auch wenn
man die Ständeversammlung mit Soldaten umgebe, würde man
iamit nur den inneren und äusseren Feinden des Gouverne-
ments Freude bereiten. Van Velde werde trotzdem nicht als
legitimer Kanzler gelten und in dem Conseil von Brabant nicht
Aufnahme finden. Nichts in der Welt werde die Käthe zwingen
können, mit ihm zu rathen und zu thaten, nichts das Publicum,
ihn ak legal eingeführt zu betrachten. Ohne Zweifel sei diese
* Timattmansdorff an Metternich. Vienne, le 5 d^cembre 1793. Orig.
152 VI. Abhaodlnng: ▼. Zeinsberg.
ablehnende Haltung zu beklagen, gewiss gehe solche zum Theile
wenigstens auf persönliche Gehässigkeit zurück. Wie dem aber
auch immer sei, jedenfalls sei dies ein Factor, den man in
Rechnung zu ziehen habe, und es sei wenigstens Pflicht des
Gouvernements, ehe man weiter gehe und etwas thue, was viel-
leicht nicht mehr gutzumachen sein werde, noch einmal die
Entscheidung des Kaisers einzuholen und demselben dabei nicht
zu verhehlen, dass man nach so vielen MtLhen und Opfern Ge-
fahr laufe, die Früchte derselben einzubüssen, falls man diese
Sache bruskire. Auch der Erzherzog sei von der Richtigkeit
dieses Standpunktes so überzeugt, dass er es auf sich genom-
men habe, die Anordnungen des Kaisers nicht zur Ausführung
zu bringen. Desgleichen habe Mercy über die Sache oft mit
ihm (Mettemich) gesprochen und wiederholt Vorstellungen bei
dem Erzherzog in dieser Hinsicht gemacht. Denn Mercy be-
trachte als den wichtigsten Schritt, der zum Heile Europas und
zum Besten der politischen und militärischen Verhältnisse zu
geschehen habe, die schleunigste Ankunft des Kaisers in Bel-
gien, weshalb es ihn tief bekümmere, wahrzunehmen, dass man
dieselbe von einer im Grunde imtergeordneten Sache abhängig
machen wolle. Er meine nicht, dass der Kaiser die Ernennung
Van Velde's zurücknehmen, nur dass er diese Angelegenheit
als eine nebensächUche behandeln möge. Freilich, setzte Metter-
nich hinzu, würde es unendlich vorzuziehen sein, wenn Van
Velde angesichts der ihm wenn auch mit Unrecht bezeugten
feindlichen Stimmung um die Enthebung von seinem Amte
bitten würde. ^
Ueber diese» Depesche fanden in Wien neue Berathungen
statt. Die Ministerconferenz empfahl dem Kaiser, um keinen
Preis nachzugeben. Der Vorschlag, es dem Elanzier selbst zu
überlassen, sich auf dem Rechtswege zum Genüsse seines Pa-
tentes zu verhelfen, würde, meinte die Conferenz, zu billigen
sein, wenn es sich wirklich nur um persönliche Anschnldigun*
gen wider denselben handelte; aber voraussichthch werde man
gegen Van Velde, dem sonst nicht vorzuwerfen sei, die An-
schuldigung erheben, dass er den Befehlen Kaiser Josef IL ge-
mäss 1787 die Functionen eines Commissärs bei der Errichtung
^ Mettemich an Trauttmansdorff. Bnixelles, le 7 d^cembro 17M. Gopie.
Belgien Bnter der OenenlttUUhalterachaft Erzherzog Carls (179S, 1794). 153
der neuen Tribunale und 1789 den neugeschaffenen Posten
eines Vicekanzlers von Brabant übernommen habe. Dadurch
werde die Würde des Souveräns blossgestellt, der Alles ver-
ziehen habe und dem man allein nichts verzeihen wolle. Festig-
keit werde die Kaiserreise nicht nur nicht verzögern, sondern
sei nothwendigy um zu verhüten, dass man nicht im Falle einer
Nachgiebigkeit in diesem Punkte die Anwesenheit des Kaisers
in Belgien zu dem Versuche missbrauche, demselben weitere
und noch verderblichere Zugeständnisse zu entreissen. Würden
die Stände die Zulassung des Kanzlers verweigern, so sei es
noch immer Zeit, jene Massregeln zu erwägen, die zu ergreifen
seien, um die Opposition, sei es auf gerichtlichem Wege oder
in anderer Weise zu brechen, ohne dass dadurch die Reise des
Ejiisers gehindert werden dürfe.
Die Inauguration endUch sei nicht nur vor der Ankunft
des Kaisers nicht nothwendig, sondern dürfe vielmehr über-
haupt nicht stattfinden, so lange man sich seinen Intentionen
so hartnäckig und ohne einen Schatten von Recht widersetze.
Daher wurde Mettemich mitgetheilt, der Kaiser sei entschlossen,
an seinen Befehlen festzuhalten, es koste, was es wolle; er wolle
sehen, ob kluge Festigkeit, gepaart mit Gerechtigkeit, nicht
mehr ausrichte, als jene Lässigkeit, mit der man bisher zu
Werke gegangen sei, und die bisher so wenig Erfolg gehabt
habe. Der Erzherzog aber erhielt von dem Kaiser den Auftrag,
Van Velde zum Eide zuzulassen und ihn sodann den Ständen
▼orzostellen, um diesen gegenüber, was die Verfassung vor-
schreibe, zu erfiillen. Fügten sich die Stände, so sollte alsbald
2ur Inauguration geschritten werden; wo nicht, so sollte auch
nicht von dieser Ceremonie die Rede sein. Man sollte in diesem
Falle den Ständen noch vier bis fünf Tage Bedenkzeit geben,
sodann aber sie auflösen und es der Zeit und den Umständen
Überlassen, sie zur Besinnung zu bringen. ,Ich wiederhole es,'
aohlieast Trauttmansdorff die hochwichtige Weisung vom 21. De-
cember, ,legen Sie, Herr Graf, alle Eisen ans Feuer, damit die
Sache gelinge.' ,Was Overschies betrifft,* fügt er hinzu, ,Over-
Bchies, diese grosse Triebfeder des Ganzen, so können Eui*e
!Excellenz ihm bestimmt die Versicherung geben, dass, was
auch immer geschehen mag, sein Benehmen in dieser Sache,
Ton dem man sichere Kunde hat, genügt, auf dass er niemals
154 VI* AbhandLnng : t. Zeissberg.
den Posten eines Kanzlers erhalte, und dass, wenn er über-
haupt noch auf etwas von Sr. Majestät hoffen will^ sei es fiir
sich selbst, sei es für seine Kinder, er diese Gelegenheit er-
greifen muss, um das Uebel gutzumachen, das er bereits an-
gestellt hat. Der Kaiser ist mit gutem Rechte persönlich gegen
ihn erbittert, in Folge all der Lügen, die er über die angeb-
lichen Erfolge seiner letzten Reise verbreitet hat, während er
in Wirklichkeit ihn so schlecht behandelt hat, als es das gute
Herz dieses trefflichen Fürsten zulässt/^
Es sei schliesslich bemerkt, dass auch Thugut sich im
Principe der Ansicht Trauttmansdorff's anschloss, dass weitere
Nachgiebigkeit nur das Ansehen des Kaisers schädigen würde.
Zweifelhaft schien ihm blos, ob die Eidesleistung des Kanzlers
sofort erfolgen solle oder nicht vielmehr bis zur Ankunft des
Kaisers in Belgien, um die Sache selbst an Ort und Stelle zu
prüfen, zu verschieben sei.*
Der Schwerpunkt der getroffenen Entscheidung lag jedes-
falls darin, dass man die Kaiserreise von der Kanzlerirage und
der Inauguration trennte. Man erachtete es fortan fUr gleiehgiltig
oder gab sich den Anschein, als erachte man es für belanglos,
ob die Inauguration überhaupt stattfinde oder nicht. Auch Maria
Theresia, hiess es, sei erst vier Jahre nach ihrer Thronbestei-
gung inaugurirt worden, und doch habe man ihr jederzeit ge-
horcht und Niemand ihre Rechte anzutasten gewagt.
,Da mich die Reise nach Niederland,^ schrieb der Kaiser
an seinen Bruder, ,ohnehin mehr wegen der poUtisehen Lage
der Geschäfte drängt, und Du ebenfalls wegen dem Innerlichen
des Landes selbe als schleunigst nothwendig ansiehst^ so wird
mich nichts mehr davon abhalten. Indessen da die ordentlichen
Befehle an Dich durch eine Estafette folgen, so will ich Dich
benachrichtigen, dass meine Intention dahin gehet, dass Du den
Kanzler ohnverzüglich bei Dir schwören lassest und ihn dann
zu den Ständen schicken mögest. Nehmen sie ihn [nicht] an, so
* Trauttmansdorff an Mettemich. Vienoe, le 21 döcembre 1793. Orig. Dem
eutsprach auch die officielle Depesche des Kaisers an den Erzherzog
vom selben Datum.
' Thugut an CoUoredo, ce 18 d^cembre 1793. Vivenot, Vertraaliche
Briefe I, 65.
Belgien unter der OenerftlsUtth<erscbaft Erzherzog Carls (1793, 1794). 155
kann man das Ganze auf den Rechtsweg weisen^ und ich
mische mich gar nicht mehr in selbe. Wegen der Inauguration,
so kannst Du, wenn Alles gut gehet, sie sogleich halten, widri-
genfalls sie auch verschieben, weil auch die Nichtabhaltung
derselben meine Reise [nicht] ferner verschieben kann. Nur
bitte ich Dich, mir sobald als möglich durch einen Courier das
Resultat über die Affaire des Kanzlers und die Stimmung der
Gemlither zu wissen zu machen. Ich gehe dann sogleich, denn
ich bin marschfertig, und Alles wird in Kurzem hier in Ord-
nung sein/
Aus Anlass der bindenden Befehle des Kaisers fand zu
Brüssel am 29. December eine ausserordentliche Conferenz in
Gegenwart des Erzherzogs und unter Beiziehung des Chef et
President statt, wobei man sich mit der Frage beschäftigte, wie
jene Befehle am besten in Vollzug gesetzt werden könnten. Die
Stände hatten sich gerade vertagt, und namentlich die Aebte
waren wegen des bevorstehenden Neujahrstages in ihre KUöster
zurückgekehrt. Da die Eidesleistung des Kanzlers in der Voll-
versammlung der Stände vor sich gehen musste, wurde be-
schlossen, diese auf den nächstfolgenden Donnerstag (2. Januar
1794) einzuberufen. Da man indess besorgte, dass die Gegen-
partei, sobald sich Van Velde in die Ständeversammlung be-
gebe, oder sobald er dieselbe verlasse, wider ihn Demonstra-
tionen ins Werk setzen werde, so beschloss man die Sache
geheim zu halten und daher den Pensionär wohl von der Ab-
sicht, die Stände an jenem Tage einzuberufen, nicht aber von
dem Zwecke der Einberufung in Kenntniss zu setzen. Man
kam femer überein, dass der Erzherzog am Morgen jenes
Tages Van Velde zur Eidesleistung zu sich bescheiden, zu-
gleich aber der Minister eine Deputation der Stände zu sich
berufen solle, um derselben den unwiderruflichen Entschluss
des Kaisers bekannt zu geben und sie durch alle Mittel der
Ueberredung zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen Inter-
esse li^e, sich dem Wunsche des Kaisers zu ftigen. Würden
sie sich etwa auf die Opposition des dritten Standes berufen,
aber auch nur in diesem Falle, sollte Mettemich sie zu be-
wegen suchen. Van Velde wenigstens ihrerseits zuzulassen, trotz
des Protestes des dritten Standes und unbescliadet dessen, was
sie etwa auf dem Rechtswege gegen Van Velde's Eignung zu
156 Vf. Abbandlung : t. Zeiisberg.
diesem Amte vorbringen wollten.^ Die Sache sollte zugleich so
eingerichtet werden, dass^ sobald die Deputirten der St&nde
den Minister würden verlassen haben, um in ihre Versammlung
zurückzukehren, sich auch Van Velde dahin zur Eidesleistung
begebe, um den Ständen so wenig als möglich Zeit zur Ueber-
legung zu lassen.
Am 2. Januar Morgens legte Van Velde den Kanzlereid
in die Hände des Erzherzogs ab. Zugleich fand sich eine Depu-
tation der Stände ein, welcher der Erzherzog den Entschluss
des Kaisers kundgab. Die Deputirten erklärten indess, sich ab-
seits des Plenums nicht aussprechen zu können; sie seien jedoch
überzeugt, dass Van Velde's Zulassung formellem Widerstand
begegnen, sowie auch, dass selbst wenn die beiden ersten
Stände sich bereit finden würden, dies seitens des dritten nicht
der Fall sein werde. Vergebens suchte sie Mettemich umzu-
stimmen, indem er das streng verfassungsmässige Vorgehen des
Kaisers betonte, zugleich aber in Aussicht stellte, dass im
Falle eines Widerstandes Van Velde die ihm zustehenden
Rechtsmittel ergreifen werde. Die Deputirten erwiderten blos,
dass sie, was sie vernommen, ihren Committenten mittheilen
wollten.
Der Erzherzog hatte gewünscht, dass Van Velde sofort
von den Ständen zur Eidesleistung zugelassen werde, während
in der Regel der Kanzler seine Patente dem Pensionär über
gab, der sie seinerseits den Ständen zur Prüfung vorlegte, auf
Grund deren sodann Tag und Stunde der Eidesleistung be-
stimmt zu werden pflegten. Auch diesmal beharrten die Stände
auf der Beobachtung der üblichen Formen. Van Velde blieb
nichts übrig, als sich am folgenden Tage (3. Januar) an De
Jonghe zu wenden, der ihm mittheilte, dass die Stände am
8. Januar in die Berathung des Gegenstandes eintreten wtlrden.
Uebrigens konnte Mettemich bereits am 4. seinem Hofe die
Mittheilung machen, dass die Aussichten höchst ungünstig seien,
da sich die beiden ersten Stände in dieser Frage nicht von dem
dritten trennen würden, weil sie besorgten, dass die Sdssion
des letzteren so wie in Frankreich geradezu die Demokratie
^ Protocole de la Conference, 29 däcembre 1793. Vergl. Mettenüch*s Be-
richt vom 80. December. Copie.
Belgien unter der GenenüstatthaLtorscbafl Erzherzog Carla (1793, 1794). 157
herbeiführen mUsste. Und Metternich selbst war der gleichen
Ansicht. Zugleich verwahrte er sich aber entschieden gegen
den Vorwurf, als ob ihn in dieser Angelegenheit persönliche
Abneigung gegen Van Velde geleitet habe, dem er sich
ebenso wie seiner Familie vielmehr stets freundlich erwiesen
habe. *
Die Stände lehnten (am 8. Januar) die Eidesleistung Van
Velde's ab. Die Ablehnung drehte sich um die Frage: ,si Van
Velde est ou n'est pas convenable, utile ou profitable au
pays'. Van Velde theilte sofort den ihm zugesandten Bescheid
der Stände dem Erzherzog mit und sprach zugleich die Er-
wartung aus, dass nunmehr das Gouvernement auf Mittel be-
dacht sein werde, welche die Stände zwingen würden, seine
Eidesleistung entgegenzunehmen. Der Erzherzog erwiderte, dass
er, wie dies auch sonst üblich war, die Meinung des Conseil
priv^ einholen wolle. Da indess Van Velde die Ansicht des
Conseil priv^ nicht unbekannt war, welche dahin ging, dass er
zunächst selbst die Action vor dem Conseil von Brabant ein-
zuleiten habe, was im Nothfalle eine Unterstützung durch die
Fiscale nicht ausschliessen werde, so überreichte er dem Erz-
herzog eine Denkschrift, worin er seine abweichende Meinung
begründete, mit der Bitte, dieselbe gleichfalls dem Conseil privö
vorzulegen. Allein bald darnach fand er sich neuerdings bei
dem Erzherzog ein, um zu dessen nicht geringer Ueberraschung
zu erklären, dass er seine Würde dem Kaiser zu Füssen legen
wolle, da er fUhle, dass seine Ernennung für den Dienst und
für das Wohl des Landes nicht zuträglich sei. Der Erzherzog
wollte ihm zwar Bedenkzeit gönnen, da aber Van Velde auf
seinem Vorsatze beharrte, so forderte ihn Carl auf, seine De-
mission schriftlich zu geben, und sandte die letztere an den
Kaiser.
,Wenn man,^ schrieb er an den Letzteren, ,die Aflfaire des
Kanzlers betrachtet, so ist es ausser Zweifel, dass sich die
Stände in selber niederträchtig und für alle Qnade, so Du für
sie gehabt hast, undankbar aufgeführt haben. Allein der Ein-
druck, den sie auf das PubUcum gemacht hat, ist auch ausser
Zweifel. Seitdem die emeuete Befehle gekommen sind, auf
^ Metteniich ao Traattmansdorff. Braxelles, le 4 janyier 1794. Orig.
158 Vf. Abhandinng: t. Zeissberg.
der Sache zu bestehen, haben alle Don gratuitum von Seiten
der der Partei der Stände zugethanen Personen aufgehört, die
Beiträge von 1000 fl., so jeder Brabanter Pferrer machen sollte,
ein End genommen, es werden fast keine Betten, keine
Leintücher, keine Matratzen, keine Charpie mehr in die Spi-
täler geschickt, Büchsen, welche in denen Wirthshäusem auf-
gestellt waren, in die jeder etwas Geld hineinwarf, welches
dann in den Trösor royal gebracht wurde, wurden den näm-
lichen Tag, als der Kanzler bei mir den Eid ablegte, alle weg-
genommen, erbrochen und das Geld, welches sich darinnen
befand, von denen Wirthsleuten weggenommen. . . . Die Bür
ger, welche hier in Ermangelimg einer genügsamen Garnison
die Wachen bestreiten und für die Polizei und Ordnung sorgen,
wollten die Waffen niederlegen und auseinandergehen u. s. £
Kurz, es mag nun eine Frucht von Intriguen sein oder nicht,
der Eindruck, den diese Affaire auf das Volk und auf die
Partei der Stände machet, ist sehr schädUch, besonders da
das Volk die Ernennung des Van Velde zur Kanzlerstelle ab
einen Eingriff in die Constitution ansiehet. Auf einer anderen
Seite siebet die Partei der Royalisten — einige fanatische Men-
schen ausgenommen — mit Schmei'zen, dass nun wegen einem
einzigen Individuum alles wieder in Unordnung und in Feu«r
und Flammen komme, man missbilliget die Aufführung der
Stände, allein man verwundert sich auch, dass wir nach so
viel gemachten Concessionen auf diesen Punkt so sehr beharren
und einem Zwiste, der so leicht auszuweichen war, nicht zu-
vorgekommen sind/
Carl war daher der Ansicht, dass der Kaiser die De-
mission, zumal durch dieselbe sein Ansehen nicht compromittirt
werde, annehmen und Van Velde in Anbetracht der loyalen
Weise, in der er sie gegeben, das von demselben angestrebte
Amt eines Lieutenant des fiefs am Brabanter Lehenshofe mit
dem Titel eines Conseiller d'ötat de robe und den entsprechen-
den Bezügen verleihen möge. Zugleich aber bezeichnete er es,
um allen Intriguen zuvorzukommen, als wünschenswerth, dass
sofort dessen Nachfolger ernannt werden möge, und dass mit
dessen Ernennung und durch den nämlichen Courier der Kaiser
das Patent sende, damit die Einsetzung sofort erfolge und der
Sache ein Ende gemacht werde. Die Wahl müsse auf eine
Belfieo unt«r der GeDerftlstatthaltersobafi Frzhenog Carl« (1798, 1791). 159
Person fallen^ die keinen Vorwand böte, nochmals die Emen-
Diing zu hintertreiben. Er selbst schlug Villegas d'Estairabourg
vor; derselbe sei im Range das älteste Mitglied des Conseil von
Brabanty verrichte seit seinem Wiedereintritte in denselben die
Functionen des Kanzlers, habe nie einen anderen Eid geleistet
und werde daher voraussichtlich keinem Widerstand begegnen.
Uebrigens sei er alt und unbedeutend und stehe daher nicht
den Hoffnungen derer im Wege, die auf diesen Platz ihrerseits
rechneten, während später, in ruhigeren Zeiten, der Kaiser
noch immer eine vortheilhaftere Wahl treffen könne.
,Solltest Du,' fuhrt der Erzherzog fort, ,meinen Vorschlag
nicht annehmen, welches mich wegen dem Wohl des Dienstes
sehr schmerzen würde, so bitte ich Dich, wenigstens den Con-
seiller d'Overschies nicht zum Kanzler zu machen, da er es
is^ von welchem besonders aller Widerstand der Stände gegen
Van Velde herrtthret, in der Hoffnung, dass man ihn zum
Kanzler vorschlagen würde, imd da sich erst kürzlich die
Geistlichkeit und der Adel in denen Ständen haben verlauten
lassen, dass es ihnen Selbsten unangenehm wäre, wenn d'Over-
schies zum Kanzler ernennet werden sollte. Ueberdies ist das
ein Mann, den alle Parteien als einen niederträchtigen Intri-
ganten und einen übeldenkenden Menschen verachten. Man
wird Dir vielleicht den Conferenzrath Robiano vorschlagen,
welcher in der That alle Eigenschaften hätte, so für einen
Kanzler nöthig sind, und der gewiss keinem aus beiden Par-
teien ohnangenehm sein würde. Allein man könnte ihm auch
vorwerfen, dass er unter dem Kaiser Josef eine inconstitutionelle
Anstellung angenommen hat, und obwohl ich glaube, dass man
dies nicht thun würde, so müssen wir doch diesem Vorwurf
ausweichen. Bartenstein der Jüngere, Conseiller au conseil priv^,
ist in dem nämUchen Fall als Robiano, sowohl wegen seiner
persönlichen Eigenschaften als der bei der von Kaiser Josef H.
gemachten Aenderung angenommenen Stelle. Allein ich muss
Dir bei selbem noch die Reflexion unterlegen, dass, da er
Schwager vom Secrötaire d'^tat, Bruder vom Conseiller des
finances ist, man durch seine Ernennung in den nämlichen In-
convenient fallen würde, über welchen man so sehr in vorigen
Zeiten über die Crurapipen geschrieen hat, dass eine FamiHe
alle vornehmsten Stellen bekleiden würde.'
160 VI. Abbandlvng: v. Zeissberg.
Der Erzherzog fügte noch hinzu, dass er, da er nicht
wisse, wie sich der Kaiser entscheiden werde, den Verzicht Van
Velde's auf dessen Wunsch und im Einvernehmen mit Metter-
nich als Geheimniss behandelt und der Conferenz bisher nicht
mitgetheilt habe.^
Dem vertraulichen Schreiben, das der Erzherzog aus die-
sem Anlasse ausser der amtlichen Relation an den Kaiser rich-
tete, folgt ein Postscript nachstehenden Inhalts: ,E!rlaube mir,
bester Bruder, noch eine Bemerkung zu meinem schon so
langen Brief hinzuzufügen. Personen von der Partei der Stände
haben sich in Reden geäussert, dass einer der Hauptbewegungs-
gründe, wegen welchen sie den Van Velde nicht zum Eid an-
genommen haben, sei, weil sie hoflFten, durch Intriguen und
fortdauernde Weigerung, dazu ernannte Personen anzunehmen,
von Dir das Vorrecht zu erhalten, Dir eine Person zur Kanzler-
würde vorschlagen zu dürfen, dadurch nur ihnen angenehme
Personen zu proponiren und die Ernennung zu dieser Würde
nach ihrem Sinn lenken zu können. Desto wichtiger ist es,
gleich und besonders den Conseiller Villegas zur Kanzlerstelle
zu ernennen. Sie werden nicht frech genug sein, um diesen
Mann, der es einst mit ihnen hielt, nicht anzunehmen, und wir
werden gänzlich den Disputen über diesen Punkt und einer den
Rechten des Souveräns und der Constitution so widrigen Pre-
tension ausweichen. Dispute, welche uns zu einer Menge an-
derer flihren und ins Unendliche würden vervielfältiget werden.
Als mir gestern Abends Van Velde den Act seiner Demission,
der meine officielle Relation darüber begleitet, einreichte, bat
er mich. Dir zu bemerken, dass er durch die Niederlegung
der KanzlersteUe aus Eifer für Deinen Dienst und fftr das
Wohl des Landes auf eine Stelle Verzicht thue, depen Gehalt
sich auf 14.000 fl. belaufe, imd dass ihm hart geschehen würde,
wenn er deswegen verlieren, im Gehalte herabgesetzt und so-
zusagen gestrafet werden solle.'
Ganz in demselben Sinne wie der Erzherzog sprach sich
Mettemich aus, zumal gerade damals die endgiltige Zustim-
^ Zwei Schreiben des Erzherzogs an den Kaiser, beide Tom 18. Januar
1794, das eine (franzi^sisch) officiell, das andere (deatsch) vertraulich.
Belgien unter der Oeoer«UI»ltbalicrscbaft Ersherxog Carls (1793, 1794). 161
mang des dritten Standes zur Bezahlung der 47^ Millionen
sustande gekommen war.^
Noch war man in Wien nicht in den Besitz dieser Be-
richte gelangt^ als von dort aus am 17. Januar neuerdings eine
Weisung an Mettemich erging, die den Entschluss des E^isers
in der Kanzlerfrage als einen ,unwiderruflichen' bezeichnete,
indem derselbe die Angelegenheit als ^Probirstein^ der Treue und
AnhängUchkeit der Brabanter betrachten wolle. Die von den
Ständen ausgesprochene Besorgniss, dass dies zu einer Scission
mit dem dritten Stande, zur Demokratie fUhren werde, Hess
man nicht gelten; gerade der Widerstand gegen des Kaisers
Wunsch beweise den verhängnissvollen Einfluss der Demo-
kratie in einer Sache, in die sich zu mengen dem dritten Stande
nicht zustehe. * Man hätte übrigens — heisst es in einer gleich-
seitigen Weisung an den Erzherzog — Ansichten dieser Art
bekämpfen und nicht ohne sie zu widerlegen einfach zur
Kenntniss nehmen sollen.^
Schon nach zwei Tagen folgte eine zweite Weisung, welche
sich auf die Art der Ausführung des Befehles bezog. Damach
aollte der Erzherzog, der in dieser Frage stets ein richtiges
Verständniss gezeigt habe, ,persönUch und ausschUessUch^ diese
yleidige^ Angelegenheit zum Abschlüsse bringen, Mettemich aber
sich rein passiv verhalten, dies auch denen, die ihn darüber
ausholen würden, zu verstehen geben, im Uebrigen aber den
Srzherzog nach bestem Vermögen unterstützen.^ Mit einer
entsprechenden Weisung übersandte der Kaiser seinem Bruder
«ine für die Stände bestimmte Depesche, doch überUess er es
ihm, ob er von derselben Gebrauch machen wolle oder nicht
JedenfEÜls aber sollte er denselben eröffnen, dass der Kaiser
^on dem, was er gethan, nicht abgehen werde, und sie auffor-
dern, ihren ganzen Einfluss aufzubieten, um die Nation über
ihre Pflichten und seine Rechte aufzuklären und sich nicht in
die gewöhnUchen Geschäfte der Verwaltung zu mengen.^
* Siehe oben.
' Traattnumsdorff ao Mettemich. Vienne, le 17 janvier 1794. Orig.
* Der Kaiser an Erzherzog Carl. Vienne, le 19 janvier 1794. Orig. officiell.
^ Tranttmansdorff an Metemich. Vienne, le 19 janvier 1794. Orig.
* Der Kaiaer an Erzherzog Carl. Vienne, le 19 janvier 1794. Orig. officiell.
Sitmngiber. d. pkiL-hist. GL CUTm. Bd. 6. Abh. 11
162 ^I« Abhandlnng: t. Zeissberg.
Da rief nun aber das Eintreffen des erzherzoglichen Im-
mediatberichtes vom 8. Januar einen vollständigen Umschwung
hervor. Van Velde wurde nun endlich fallen gelassen, ebenso
auf Trauttmansdorff's Rath der Gedanke, die Ernennung eines
neuen Kanzlers bis zur Ankunft des Kaisers in Belgien za
verschieben. ^ Freilich von Overschies, den man in Wien noch
immer als einen ernst zu nehmenden Gegencandidaten betrach-
tete, konnte auf keinen Fall die Rede sein. Vielmehr sollte
ihm Mettemich neuerdings bedeuten, dass er auf diese Stelle
nie und nimmer rechnen dürfe, ja dass er überhaupt, wenn er
sein Benehmen nicht völlig ändere, nie irgend eine Gnade oder
Gunstbezeigung von Seiten des Kaisers erwarten dürfe. * Aber
zugleich erhielt Mettemich den Auftrag, unter der Hand und
in unauffälliger Weise dazu beizutragen, dass sich die Nachricht
von der Resignation Van Velde's äusserst rasch und in mög-
lichst weite Kreise verbreite, andererseits aber über die An-
kunft der neuen Estafette vom 22. Januar oder, falls dies nicht
möglich sei, über den Grund ihrer Absendung das strengste
Geheimniss zu bewahren.*
Die Estafette selbst überbrachte ein Schreiben, das Trautt-
mansdorff im Auftrage des Kaisers an den Erzherzog richtete,
und dem ein Schreiben des Kaisers an Letzteren und zwei
königliche Depeschen beigeftlgt waren.
,Du erhältst,' hiess es in einem vertraulichen Schreiben
des Kaisers, ,mit gegenwärtiger Estafette zwei officielle De-
peschen von mir,* über deren Inhalt Du bis zur wirklichen
Gebrauchmachung einer oder der anderen das strengste Oe-
heimniss selbst gegen den Minister beobachten wirst. In der
ersten ernenne ich Robiano zum Kanzler, in der zweiten trage
ich Dir auf, ein anderes taugliches Subject vorzuschlagen/ Der
Erzherzog sollte darnach zunächst Robiano ,im strengsten Ge-
heim' zu sich bescheiden und ihn fragen, ob er die Kanzler
würde anzunehmen bereit und ob im bejahenden Falle irgend
^ Trauttmansdorff an CoUoredo. Orig. undatirt.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vieune, le 22 janvier 1794. Orig.
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 22 janyier 1794.
^ Beide datiren vom 21. Januar 1794 und sind noch im Original vorhan-
den. In der ersten heisst es von Robiano ,qui est d'aUletin alli^
FZM. Comte de Clerfait, dont j'estime les Services*.
Belgien unter der Oeneralstotthalterschaft Erzherzog Carls (1798, 1794). 163
ein billiger Einwand der Stände zu gewärtigen sei. Sollte die Er-
nennung Robiano's möglich sein, so sollte der Erzherzog von der
ersten der ihm übersendeten Depeschen Gebrauch machen, im
anderen unter Bewahrung ,des grössten Stillschweigens über den
gegen Robiano geschehenen Schritt' den Inhalt der zweiten De-
pesche befolgen. Denn den von dem Erzherzog vorgeschlagenen
Yillegas könne er unmöglich ernennen, und zwar aus folgen-
den Gründen: 1. weil er nach Aussage des Erzherzogs selbst un-
Mng sei, mithin seine Wahl gegen Pflicht und Ansehen streite;
2. weil der angefUhrte Grund, dass derselbe bald einem Ande-
ren Platz machen werde, nur jene Intrigue begünstigen würde,
um derentwillen man schon vor vielen Monaten dem Minister
gerathen habe, den Platz oflFen zu halten, nämlich um d'Over-
schies Gelegenheit zu bieten, sich bei ihm, dem Kaiser, ein-
Euschmeicheln, und 3. weil man ihn durch fortwährende Zurück-
weisung derer, die er ernennen würde, mürbe machen und ihm
Yillegas aufdrängen wolle. ^
Wir wissen, dass das Demissionsgesuch Van Velde's bis-
her geheim gehalten worden war. Nun aber sollte der Erz-
herzog in unau£Fälliger Weise diese Thatsache zur Kenntniss
des Publicums bringen, damit der neueste Entschluss des Kai-
sers als eine Folge jenes Schrittes betrachtet werde. In Privat-
^esprächen sollte er zu erkennen geben, dass Van Velde den
^Kaiser inständigst gebeten habe, ihn von einem Posten zu
dispensiren, auf dem er voraussichtlich so viel Anstoss erregen
tind den er nicht mit Ruhe gemessen werde, da er besorgen
müsste, dass darunter der Dienst des Souveräns und das Wohl
fies Landes leide; daher habe er, der Erzherzog, einen Courier
nach Wien gesendet und warte weitere Weisungen ab.*
Indess war die Demission Van Velde's ohnedies kein Ge-
lieimniss geblieben; wenige Tage darnach schon stand davon
in der ,Kölnischen Zeitung^ zu lesen. Unangenehmer als hie-
dnrch war man in Wien durch die Thatsache berührt, dass
^ese Zeitung den Ständen ein Mitwirkungsrecht bei der Er-
nennung des Kanzlers beimass, ja dass in derselben behauptet
* Kaiser Franz IL an Erzherzoge Carl. Wien, den 22. Jänner 1794. Orig^.
eig. A.-A.
' Trauttmansdorff an den Erzherzog. Copie.
11»
164 VI. Abbandlang: t. Zeitsberg.
wurde; die Stände hätten einen Vorschlag dieser Art bereits
dem Gouvernement erstattet. Ausdrücklich erhielt Mettemich
den Auftrag; diese lügenhaften Gerüchte zu dementiren.^
Der am 26. Januar von Wien abgesandte Courier Strens
sollte als Ueberbringer jener Depesche gelten^ durch welche
der Kaiser die Demission Van Velde's annahm.*
Mettemich frohlockte über diese Wendung der Dinge.
;Ich beschränke mich/ schreibt er an den Erzherzog, ^für den
Augenblick darauf, meinen ergebensten Glückwunsch darzu-
bringen, dass die leidige Kanzlerfrage endlich gänzlich beendet
ist Eure königl. Hoheit haben durch Ihre kluge Festigkeit
bei dieser Gelegenheit dem Souverän in der öffentlichen Sache
einen wesentlichen Dienst erwiesen.^'
Jetzt erst theilte der Erzherzog Robiano die Absicht des
Kaisers mit. Doch dieser erwiderte sofort, dass nichts in der
Welt ihn bestimmen könnte, die angebotene Stelle anzunehmoi,
und bei der Festigkeit, mit der Robiano diesen Ausspruch
wiederholte, überzeugte sich der Erzherzog alsbald, dass jeder
weitere Versuch, ihn umzustimmen, unmöglich sei.^ Damit trat
aber dem ausgesprochenen Wunsche des ELaisers gemäss an
Erzherzog Carl die Nothwendigkeit heran, seinerseits Personal-
vorschläge zu machen. Schon früher hatte er auf Villegas
d'Estaimbourg hingewiesen. Jetzt that er dies neuerdings: der
Minister, die Conferenz, der Chef et Präsident und andere Mi^
glieder des Gouvernements seien hierin seiner Ansicht.^ Barten-
stein könne, obgleich es ihm nicht an den erforderUchen Eigen-
schaften fehle, nach der einstimmigen Meinung derer, die er
hierüber befragt habe, nicht in Betracht kommen. Bleibe so-
nach nur De Jonghe, der Pensionär der Stände; sei es aber
wohl angezeigt, auf einen solchen Posten den Mann zu stellen,
der seit einigen Jahren die Stände und alle ihre Schritte ge-
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 26 janvier 1794. Orig.
' Ebenda.
' Metternich an Erzherzog Carl, le 3 fövrier 1793 (sio! recte 1794). Oiig.
A.-A. In der Datirung eines der nicht seltenen Beispiele der aorgloaea
Art Mettemich'scher Kanzleifühmng.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser. Bmxelles, le 6 f^vrier 1794.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser. Bruxelles, le 11 f^vrier 1794. MflUer'fl
Entwurf.
Belgien unter der Oenenilstotthalterscbaffc Erzhenog Carls (1793, 1794). 165
leitet habe? Trauttmansdorff hatte auf den Fiscal Strens hin-
gewiesen; dieser habe sich aber bisher zu wenig hervorgethan,
meinte der Erzherzog; überdies wäre es seltsam^ den Sohn
eines Archer, der mit fast allen Lakeien der Stadt verwandt
sei, auf den ersten Platz der Provinz zu erheben.*
Aber auch jetzt machte der Kaiser aus seiner Abneigung
g^en Villegas kein Hehl. Dass er der erste jener fünf Räthe
sei, zu deren Wiederaufnahme in den Conseil man ihn, den
Kaiser, veranlasst habe, spreche nicht zu dessen Gunsten, son-
dern sei im Gegentheil ein Ausschliessungsgrund, zumal wenn
man seine Haltung im Conseil während der Unruhen in Be-
tracht ziehe, woflir die Beweise im Staatssecretariat hinterlegt
seien. Dazu komme, dass, wie der Erzherzog selbst zugestehe,
der Conseil so schlecht wie möglich zusammengesetzt sei und
daher nicht eines schwachen, unbedeutenden, sondern eines
aufgeklärten, festen und wenigstens einigermassen zuverlässigen
Präsidenten bedürfe.* Villegas sollte nur dann in Betracht
kommen, wenn es ganz und gar unmöghch sei, jemand Ande-
ren ausfindig zu machen, gegen den die Stände nichts einwen-
den könnten.'
Aber schon am 5. stellte TrauttmansdorflF die bevorstehende
Entscheidung des Kaisers in unmittelbare Aussicht. Die Wahl
>verde auf eine Persönlichkeit fallen, gegen die sich keine Ein-
^wendung erheben lasse; der Kaiser sei entschlossen, auf der-
selben zu verharren, was auch immer geschehe. Die Emen-
:tiung werde früh genug erfolgen, so dass die Inauguration, die
cUimals auf den 24. März anberaumt war, an diesem Tage
"werde stattfinden können, wofern die Kanzlerfrage nicht neue
Schwierigkeiten bereite, in welchem Falle diese Ceremonie
überhaupt nicht stattfinden werde. ^
Zwei Tage darnach (7. März) ernannte der Kaiser den
geheimen Rath Limpens, der mit Ehren den Posten eines
C^eneralprocurators bekleidet und sich auch sonst mehrfach ver-
dient gemacht hatte, zum Kanzler von Brabant. Er theilte dies
^ Erzherzog Carl an Trauttmansdorff. Le 10 fävrier 1794. A.-A. Ck>pie.
' Der K&iier an Erzherzog Carl. Vienne, ce 4 mars 1794. Orig. officiell.
' Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 3 mars 1794. Orig.
^ Trauttmansdorff an Mettemich. Vienne, le 5 mars 1794. Orig.
166 VI. Abhuidlang: t. Zeissberg.
dem Erzherzog mit; dem er das Patent für denselben über-
sandte^ damit die Installation unverzüglich erfolge.^ Limpens
selbst aber wurde eröffnet: der Kaiser hoffe, dass er die Wahl
nicht etwa unter irgend einem Vorwand ablehnen werde. So-
bald er den Posten in Besitz genommen, möge er dies ein-
berichten, da in diesem Falle auch das Decret eines Staats-
rathes ihm zugestellt werden würde, welche Würde ihm der
Kaiser gleichzeitig verleihe.* Metternich aber erhielt den Auf-
trag, für den Fall, dass Limpens ablehne, demselben zu eröffiien,
dass der Kaiser ihm anzunehmen befeUe, seine Ablehnung da-
her als Beweis des Ungehorsams gelten und seine Pensionirung
unter den ungünstigsten Verhältnissen zur Folge haben werde.'
Allein diese Besorgniss sollte nicht in Erfüllung gehen.
Am 14. März Nachts trafen die Depeschen vom 7. in Brüssel
ein. Am folgenden Tage, 15. Morgens, legte Limpens den Eid
in die Hände des Erzherzogs ab,^ am 17. sein Ernennung»-
patent den Ständen vor. Diese waren nicht in pleno versam-
melt. Die Deputirten der Stände theilten Metternich mit, dass
die Vollversammlung erst Samstag ,ad hoc^ stattfinden und
Limpens vermuthlich an diesem Tage zum Eide zugelassen
werde. Da indess Metternich nicht mit Unrecht besorgte, dass
man in der Zwischenzeit den dritten Stand, zumal die Bürger-
schaft von Brüssel in entgegengesetztem Sinne beeinflussen
werde, so suchte er durch die Deputirten die Stände zu be-
wegen, sich bereits am folgenden Tage oder doch spätestens
Mittwoch (19.) zu versammeln. Wirklich wurden die Stände
für diesen Tag einberufen. Doch schon am 19. Morgens mel-
dete Metternich dem Erzherzog, dass zwar die Sache gut stehe,
die definitive Entscheidung aber doch erst am Samstag erfol-
gen werde. Daher beschied der Erzherzog noch an demselben
Tage (19.) die Deputation der Stände zu sich, in der ach trotz
^ Der Kaiser an Enliermog Carl. Yienne, le 7 mars 1794. Orig. offieidL
VgL aach Traattmansdorff an Metternich. Vienne, le 7 mars 1794. Oiif.
Der Kaiser an Metternich. Vienne, le 8 mars 1794. Orig.
' Traottmansdorff an den geheimen Rath Limpens. Vienne, le 7 mars 1794.
Concept
* Traottmansdorff an Metternich. Vienne, le 8 mars 1794. Rigi^nh.
^ Metternich an Traottmansdorff. Broxelles, le 15 mars 1794. Erskenog
Carl an Müller, 15 mars 1794. A.-A.
B«lgieii nnter der Oeneralstatthalterschaft Erzborxog Carls (1793, 1794). 167
des früher ergangenen Verbotes auch Limminghe einfand. Met-
temich empfahl den Donnerstag als Ultimatum. Aber der Erz-
herzog erreichte blos die Zusage^ dass die Stände am Freitag
(21.) schlüssig werden wollten. Wirklich fand sich an diesem
Tage, um 1 Uhr Mittags, eine Deputation der Stände bei dem
Erzherzog ein, um ihm mitzutheilen, dass man beschlossen habe,
am nächsten Tage (Samstag) Limpens in Eid zu nehmen. Da
indess der Erzherzog noch an demselben Tage abreisen wollte,
hielt Mettemich den Deputirten vor, wie angenehm es dem-
selben sein würde, wenn er erführe, dass zuvor der Kanzler
vereidet worden sei, und so einigte man sich dahin, dass, ob-
gleich das sonst nicht üblich war, der Kanzler noch an demsel-
ben Abend vereidet werde. Er wurde denn auch am Nachmit-
tag von den Ständen mit mancherlei Beifallsbezeigungen em-
pfangen, und diese wiederholten sich in erhöhtem Masse, als er
die Versammlung verliess. ^
Die Sache war übrigens doch bis zuletzt zweifelhaft ge-
wesen. Namentlich hatte der Advocat Van der Hoop eifrig
gegen die Zulassung Limpens' intriguirt, so dass sich Metter-
nich veranlasst sah, den Fiscalen von Brabant aufzutragen,
denselben streng im Auge zu behalten.* Um so mehr freute
8ich Mettemich des Erfolges, den er sich beeilte, zur Kennt-
iiiss des Kaisers und TrauttmansdorflF's zu bringen, wobei er
Jedoch nicht unterliess, sich nochmals und energisch gegen
den Anwurf des Letzteren zu verwahren, als ob er die Ernen-
nung Van Velde's, da ihm derselbe persönlich nicht genehm
gewesen sei, zu hintertreiben gesucht habe. Er verlangte ge-
radezu, dass die betreffende Weisung aus den Acten entfernt
werden möge.'
Van Velde wurde durch Trauttmansdorff die besondere
Zufriedenheit des Kaisers mit seinem Verhalten zu erkennen
gegeben.^ Er wurde unmittelbar darnach zum Lieutenant am
Lehenshofe zu Brabant ernannt, und zugleich wurde ihm der
^ Mettemich*« Bericht an Trauttmansdorff Tom 17. und 21. März 1794.
Orig. Mettemich an Erzherzog Carl, le 17 mars 1794. Orig. A.-A. (3 Briefe.)
^ Mettemich an Trauttmansdorff. Bruxelles, le 17 mars 1794. Orig.
' Mettemich an den Kaiser. Bruxelles, le 21 mars 1794. yReservandum.*
Copie. Derselbe an Trauttmansdorff von dem gleichen Datum.
* Trauttmansdorff an Van Velde. Yienne, le 26 janvier 1794.
168 VI. Abh. : T. Zeiisberg. Belgien unter Erahenog Carl (179S, 1794).
Titel und Charakter eines Conseiller d'ätat de robe mit einem
Gehalt von 5000 fl. zutheil.^ Van Velde war mit dieser Ent-
schädigung auch zufrieden; nur bat er, dass ihm statt des Titels
eines Conseiller d'^tat de robe jener eines Conseiller d'^tat
d'^p^e zutheil und gestattet werden möge^ den Titel Baron zu
führen, den sein älterer, aber geisteskranker und unverheira-
teter Bruder filhrte. * In der That wurde auch diese Bitte von
dem Kaiser gewährt.' Auch in der Folge vrurde ihm noch
manche Begünstigung zutheil.
Seitdem die Stände von Brabant Limpens zum Eid als
Kanzler zugelassen hatten, stand der Inauguration nichts mehr
im Wege. Man war in Wien über die eingetretene Wendung
hocherfreut; sie wirkte nachhaltig auf die Entschlüsse des Kai-
sers zurück. Bei fortgesetztem Widerstand war derselbe ent-
schlossen gewesen, während seines Aufenthaltes in Belgien
Brüssel blos zu passiren, ohne sich daselbst au£suhalten und
ohne eine Deputation zuzulassen. Jetzt konnte dagegen Trautt-
mansdoi*ff in Aussicht stellen, dass der Kaiser sich persönlich
werde inauguriren lassen,^ während er sich früher durch seinen
Bruder hatte vertreten lassen wollen.
^ Trauttmansdorff an Metternich, le 5 fSvrier 1794.
' Metternich an Trauttmansdorff. Bruxelles le 17 fövrier 1794. Orig.
^ Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 11 mars 1794. Orig.
^ Trauttmansdorff an Metternich. Vienne, le 27 mars 1794. eig.
Tn. Ahh.: Beiniieh. Die B«d*aj»-Spnche in Nordost-Afniu. II. 1
VII.
Die Bedauye-Sprache in Nordost-Afrika, IL
Tod
Leo Beinisoh,
wirkl. KiifUed« der kais. Akademie der WiasenscIlAflen.
Lautlere.
L Die tpraehlante.
1) Die Bedscha sind des lesens und Schreibens dorcbaus
rnikiiTidig und waren es auch gewiss von jeher^ indem der
alten meroitischen schrift^ welche sich aus der ägyptischen ab-
gezweigt hat, nicht wie Lepsios behauptet hat, das Bei&ujQy
sondern die altnnbische spräche zu gninde ligt. Als mnslims
bestreben sich nnn allerdings einige fromgläubige Bedscha, nnd
zwar hauptsächlich nur die sogenannten heiligen scheche,^ die
Arabische schrift zu erlernen um den Koran lesen zu können.
Allein auf die fixirung irer muttersprache hat diese kenntniss
cler arabischen schrift nicht den allergeringsten einfluss, da ja
dann solche schriftkundige Bedscha in iren correspondenzen
cdch nicht des Be<}au7e, sondern nur der arabbchen spräche
1>edienen. Wir fixiren demnach die sprachlaute der Bedscha
mittelst xmserer lateinischen schrift und suchen diejenigen laute,
"welche unser alfabet nicht kennt, durch besondere diakritische
zeichen auszudrücken.
2) Mit ausname des hamzeh und der praecacuminalen
werden alle übrigen laute des Be^Jauye wie die entsprechenden
unseres alfabetes ausgesprochen. Da wo eine leichte divergenz
besteht, wird dieselbe im folgenden kapitel genau verzeichnet
und beschriben, ebenso dort auch die ausspräche der praeca-
cuminalen angegeben werden. Das palatale j lautet wie xmser
d$ch, oder wie das englische j in jaw, joy u. s. w.
^ YgL hierfiber W. Hanzinger, OsUfrikjuiiBche Stadien, 1S64, p. 315.
SHiufik«. d. pkiL-Utt CL GXXYm. Bd. 7. Abk. 1
YII. AbliAndlong ; Reiniseb.
3) Der vocalbestand entspricht völlig dem nnsrigen; von
den consonanten feit dem Be(}aaye gleich fast allen kuschitischen
sprachen nur das p^ die labiale tenuis. Alle vorhandenen con-
sonantischen laute des Be<}aaye stelle ich in nachfolgender
Ordnung zusammen:
dentale:
t d
8 — l r n
praecacuminale :
t 4
S n
•
palatale:
J
y
gutturale:
k g
fi
laryngale :
y
h
labiale:
h
f w — — m
Die sogenannten u-haltigen gutturale^ welche unten näher
beschriben werden, sind als zusammengesetzte laute hier nicht
mit aufgefUrt und werden in §. 44 ff. eingehender besprochen.
In der bezeichnung der obigen lautgruppen schliesse ich mich
der meines Vorgängers Almkvist an. Ueber die lautverbindungen
des Be<}au7e vgl. ebenfalls Almkvist s. 51, §. 32. Der hoch-
verdiente forscher bat sich aber in seiner grossen genaoigkeit
etwas zu weit ins kleinste detail one wesentlichen nutzen ein-
gelassen. Alle Unarten maulfauler leute aufzuzeichnen, ist nicht
aufgäbe der Sprachwissenschaft, es genügt diejenigen formen
kennen zu lemeu; die uns einblicke in den bau der spräche
gewären.
n. Lautverändeningen.
1) Die consonanten.
A) Die dentalen.
4) Der verschlusslaut t hat sich, wo nicht einwirkungen
der Umgebung eine erweichung verursachen, ungeschwächt er-
halten und entspricht in der regel einem t im chamitiseben,
sowie in den semitischen lehnwörtern, wie: -t = Ku. -Uj Bar. -to,
A. •!• und; ta = Bil. Cha. Qu. tak, A. •f»l|i gleichen; tifa^
= BU. etbd, Ti. K^-fl* A. K^fl^i (Sa. 'Af. hinduh) nabel;
täkla = Sa. 'Af. täklä, G. A. Ti. Ty. •hWA» wolf; tikd$ -
Ku. takdsäy A. •f'^hH* ferse; tamiriy tamün =^ Sa. tämmän^
^ Ueber e in ä/a s. §. 105.
Die BedMiye-Spracbe in Nordost-Afrika. IT. Ö
'Af. täbandj So. tabdn zehn; terir spinnen = Sa. talal drehen,
wickeki; tdwig = So. tdkfi, Ga. ddfqi floh; entdr = Ku. ontdräy
Ti. ht'PC* geflochtener teuer; bütu = Ku. börtä hirse; iu^n
= So. kutan , ^\Js wanze; äemit = Bil. Samaty Ti. ff <»■•+«
schmieren; mat neben nuMl = Ga. mdta köpf n. s. w. In lehn-
wörtem wird auch der arabische laut ^i» welcher dem Be<j[au7e
feit, durch t ersetzt, wie: tib = ^\j IV füllen; taldta = ünU3\
dienstag ; teiöZ = J-^' antilope bubalis (Ti. »fc+A •) ^- s- w.,
vgl. auch tSkla wolf und iJlij {^1^^, Ch. xbyn) schakal. Ueber
^4- ^ gegenüber dem semit. #n^^;X0c^i> ^ '^gl* §• ^^^*
5) Erweichung des t zu d tritt häufig vor d, j und 6 ein,
wie: ad'beiT neben regelrechtem at-beir ich erwache; ki-d-bäden
neben regelrechtem ki-t-bdden sie vergisst nicht; ki-d-guad flir
und neben ki-t-gifad sie bewacht nicht; ki-d-dir flir ki-t-dir sie
tötet nicht; ki-d-din für ki-t-din sie glaubt nicht u. s. w., vgl.
auch Almkvist §. 33. In derselben weise, wie sich t an d, assi-
milirt sich dasselbe auch an t, 4y ^ ^nd an «, wie: kt-t-ta' fUr
ki-t-fcC sie schlägt nicht; ki-^-^ah sie ist nicht fett; ki-S-SV sie
altert nicht; ki-s-sa sie sitzt nicht u. s. w. Erweichung von ^
zxid findet auch häufig statt zwischen zwei vocalen, wie: adü-
märd (Air ctdimä-t,^ Ti. J^li'i'v^ t) atd' iß ich halte eine malzeit
in Bereitschaft; auch zwischen einem vocal und hamzeh, wie:
ki-d'^am (und ki-t-^am) sie reitet nicht.
6) Ebenso entspricht Be4. d dem gleichen laute in den
übrigen sprachen, wie: däbi == Sa. 'Af. döh heft, griff; dib =
BiL dibb y, Sa. 'Af. dabis, Ti. J^iflA« fallen; dt^iba = Bil.
dibbäy Qu. cfcJa, Ku. dibä, Ti. Ä-flÄ-fl^- « Ä-fl^- » Hügel (G.
Ji^nn* eminere); döf = Sa. dö6ö fleischstück; dille = Bil. dfr5
fracht der adansonia; dir = Bar. dir. So. dtZ töten; 4ndera
^aus imderay mddera) = Sa. madir cordia abessinica; 67u2ir%u
(aus emr ftlr wi«-diVÄtt) = Sa. 'Af. dörhö^ G. ^Clf « Ti. Ty.
S^CXf^ hun; jföd ^= Ga. güd vil, gross sein; hida = Sa. siddä,
^Af. tidda gemeinschaft; hawid = Ku. atcddä nacht; mindd'ro
*= Sa. inda'arOy Ti. Ty. G. ^tC* ^^^^ vasta; ra^^ = Sa. rigid
foBBy ragad ("»P^) treten u. s. w. Auf firtiheres t fUrt d in di
<ftbr dw, s. §.66) = Bil. taü-uäy Ti. 'tOh^^i Schwitzbad;
dagü^^ Bil. takaü u. taküamy Ti. "Mliyvi '{"tf'^'i" beobachten;
^ Zu ä vgl. §. 96, a.
4 Tu. AbbftDdliiDg: Beiniieb.
dagüg neben gewönlichem t<igUg zwanzig; dagay neben sel-
tenerem tagay = dccu sich umwenden; dehd nähe, dähdy neben
seltenerem tihäy = Cha. tik, cik bei, fllr; fedig = ,3a los-
lassen n. a.
7) Da im Bedanye die semitischen laute > und 3 H T nicht
vorhanden sind, so werden in lehnwörtem dieselben ebenfalls
durch d (bisweilen auch durch «, vgl. §. 9, b) ersetzt, wie: dÄb
= \1j\\ laufen: dib = v-^3 wolf; deUb = ^.^woi rosinen; di-
bedi moschuskatze = ^Uj moschus; debdk == ,3^; quecksilber;
dabdl klein, schmächtig = ^\i zart; dakdr stier = ß>y 'Xfi
männchen; derd' = g^j Ti. tlCÖ* samen; dür = j\j Ti. fß/^t
Ty. |flD^> besuchen; derdf = ii\jj Ti. |f^9> girafe; dc2aia
= ^jl^ wittwe; adum = fji sich unterhalten; geddm = ^^pcai**
Jj^Ä. Wurzel; heddm = ^\Jah. leibbinde; künfid = jJUj igd;
medid = J-i^ G. iwtl<i»|f> abrasiren; middn = ^2>^3^ wage;
na&id = J.^ wein u. s. w. Auch ip und A i>-» werden bis-
weilen im Be^auye durch d ersetzt, wie: addr = J-iÜ honig;
d-daro rot = Bil. Agm. De. Qu. sar rot sein; dinne = vulg. A.
£L^ Ar. üi:^ dorn; 'artd = ^^^^ tanzen; baldnda =» ^^
fliessiges pech; de'tr = G. ipCO* erbauen; döJ = OUa eilen;
{2Ö&-ft = G. A'fl'k'n > hochzeit; ddmba (fUr danba^ darba) » Sa.
*Af. sarbäj Ga. zarbd, Ti. ACQ* wade, schinbein; AiicTa (ftlr
had'fadjuy hadhfadja) greis, schech == G. 4*AA>7 ^^I* ^odeij
Sa. Ao« alt werden; hddgüi die frisur, das flechten = G. 0A4**
0IP4*' flechten, cf. «f^Jai-, Jj^ verstricken; yawid = A. \\A*
G. hlOA * flechten u. s. w. lieber dftirU^^^, OlftÜA
vgl. §. 20; ebenso über d als ersatz von ^ vgl. §. 25.
8) Abfall von dy nur im anlaut bekannt und erklärbar
durch fonetischen Übergang von d zu 8 und h welches dann
abfiel, zeigt sich in: anbur, plur. dnbir = Ti. ^^flC* flügel;
angül-dy taub = A. fLt^C^ taub, ^>ib^i taub sein; üfigeuHij
üfiewa taub = G. ^14*0^* ^^^ s^i^y ^g^- ^^^^ ^^ ^uid Sa.
dtkö geier, weihe. Uebergang von d zu « sind nach dem vor- -
ligenden sprachmateriale im Becjauye nur in seltenen fidlen zu ^
constatiren; so in: sehag = 1^> G. Xr/hll ' A. iS*fii Ti. Ifthl* *
Bil. Sahag rutschen, abwischen; seny = Uj, lij (Ti. G. )17#||')^
warten, bleiben; «a' = Ga. tä sitzen, bleiben; m^ == ijJU Ti^ ■
^ Zur länge von e in €ke b. §. 105.
Die Bedanyo-Spracbe in Nordost-Afrika. II. 5
G. •TllÄT • A. ^7)^ « BU- ^^<i tisch. Zum Übergang von s zu h
und dann abfall von h vgl. §.11 und 50.
9) Da das Becjauje nur einen einzigen dentalen reibongs-
lant besitzt^ nemlich s (gesprochen wie unser scharfes ^ in was^
daSy hass) und daher weder das sanfte z (in unserem: grasen,
lesen) noch die semitischen laute > j kennt, so werden daher
diese genannten Zischlaute regelmässig durch das einzig vor-
handene 8 ausgedrückt. Daher entspricht dieses s:
a) dem s und z des chamitischen, wie: slb = So. sBb (Sa.
'Af. dilhdnä) rüder; segi = Sa. «Ij, G. ziga sich entfernen, ver-
reisen; 8&cena = Qu. aakänäy Bil. zägüdnäy Cha. säxänd^ Ti. A.
Gr- Ah»V* fussknöchel; sellam = Sa. saräw, Ty. ü/iithi acacia
etbaica; san = Sa. 'Af. sä'dly Bil. dän plur. fön. De. Qu. ian
bruder; seriy, seni = Bil. safi (sang), Cha. sinek, sannq, Sa. 'Af.
So. «öjf, aus «anj (Ti. Ty. G. X1#fi') warten, bleiben; sünküa,
9Ünka = Sa. 'Af. 9unkü, Bil. zej, zaj, Cha. zig (aus ^ayj, zang\
A. iti7^* (cf- °^ i^^O Schulter; aar = Sa. 'Af. «är, Bil. «i'^ir,
Ti. G. 4XC « 'uid ftliC « wasserschlauch ; sdra = Sa. 'Af. sdräy
Cha, «era, i\j-^ rtLcken; seram = So. «ar^n, Sa. sinra, Ty. G.
P^CSf»^ Ti. TSJ^f^i Weizen; «itoJ = Bil. sibd, A. Affli"*
geleiten; cw = Sa. 'Af. o«, Qu. qUaz, qäz hinzuftigen, mer geben;
kemis gesäss, sitzteile, hinterbacken = Sa. kamas sitzen (cf.
AA ^enUj £MC€ id.); kös zan, hom =- Sa. gäid plur. göz, 'Af.
gaysaj So. ^et hom; A:e«i« = Bil. Aü« und käs (cf. nos) zusammen-
wickeln, zudecken; mdae = Sa. hasöj 'AI. biso Vergangenheit;
mäsu = BiL De. Qu. tcäSy Cha. Bar. was hören (Eaf. way id.,
Qo. trd; or); masdnko = Bil. Qu. m^izan^r^, Ti. Ty. A. G. H^A^f *
harfe u. s. w.
b) Die semitischen laute > j 7 H in der ausspräche dem
neugriechiachen d gleichkommend, werden jenachdem sie durch
das or aufge&sst werden, im Be<}auye entweder durch d (v^.
§. 7) oder s ausgedrückt; so: sibade und dibedi moschuskatze
= >Uj moschus; safari = Jj; J^j Ti. ff^C dreck, mist;
sdmbi = Sa. zämbe, vJ3S Sünde; sdmbil = Sa. zambil, 'Af. dambil,
Bil. danülj Ti. i^lfL^i J^j korb; simsim = ^^i sesam; söy,
so = Ti. G. HO ' erzälen; jenasa und genada = «JÜä. leichnam;
yfimV = ^^^-^ kette; hansir = jiyi^ schwein u. s. w. Nur in
ganz vereinzelten fallen steht für diese semitischen laute im
6 VIL Abbftndlimg: Beiniieb.
Be^^uye ein y, wie: jina ehebruch, vgl. ,^J njj huren; jn&be
K^^yi> = Sünden; u. a.
c) Ebenso werden die semitischen laute ft 0 ^ J» >
analog dem vorangehenden fall im Be<}auje bald durch t
(s. §. 20), bald durch s ausgedrückt, wie: aeba' = ^JJo 9^ (cf.
Gr. R-fl*^ « OlJ^O ' intingere) ftlrben, vgl. So. dob £arbe; sbuh
(aus sebhu, vgl. §. 45, a und §. 46, a) = J:i morgen; 8abün =
t^yy^ seife; 9id = j^.^sa^ die südliche berglandschaft von Egypten,
Nubien; sidig =-^ j;Xo warheit; «w/an == ^^li^ zunder; sild =
^^JJo beten ; sän = ^^^«t^ teller ; saräf = l-5\^ geldwechder ; «
= G- 0X0^ ' Giir. J^£Bb I (Kaf. hij, hiSy Go. f c, Bar. e«t) verschliessen;
'i«i und hisa = Sa. Aö?e, Bil. quSä, Ti. Gr. #hft* c^-*^ sand;
iarel« = ^^4 aiissatz; bös = Sud.-Ar. ^^S ror; gamis = G.
♦*TLJf » ^^^ ♦'TLA« c>=^ hemd; tiöAcm = ^ G. WfAt Ti.
AXr#li * ^yj ^^^ ^^^^ 9 raftf^ neben erahis = ,^>at^j billig u. s. w.
10) Selten zeigt sich im Be<Jauye im gleichen wort ein
Wechsel zwischen s und S, wie sÜsil, sinsil und SinSel = Q.
AAAA ' J ■**«?■*;■> und rntth?^ kette; aakir und ^afctV = G. Ah^>
^^, Ti. ifh^* "^5?^ sich berauschen. Wo ein be<J, s einem
semitischen ^ gegenübersteht, muss die entlehnung eines Wortes
einer zeit angehören, in welcher auch im semitischen noch die
form mit s existirte, vgl. safari und Ti. ff^C « aber jS: mist,
kot (§. 9,b); harU und Ti. A^lfi ^y^j^, aber G. «h^/^'
und #fi^A ' nashorn ; hawas und Ti. ffi^^ff '(lA > neben ^hA^A >
scherzen; mesär und Ti. jr*?fC« aber G. A. ^AC* axt.
11) Abfall von 8 infolge Überganges von ^ zu A, welches
sich dann verflüchtigt, lässt sich ersehen in: bariis er, bait&M
sie (BA), das im Bischari zu barüh^ bat&h übergeht und im
Halenga fast wie barü, batü lautet, ebenso bard (m.), batd (f.
pl.) = bardhy batdh (Bisch.) und bardsy bald» (BA.) In der-
selben weise scheint ümero ^ zeit, ehemals, aus G. H^'^'T * o^3
l&f (vgl. So. amdny Bil. emdnä id., Sa. kämdnä heuer, d. i. kä-
amdnä dieses jar) entstanden zu sein; villeicht gehört auch
hieher niwa (vgl. Ti. G. HUl * ^^'>) schwänz.
12) Die liquida l, r und der dentale nasal n haben di<
gleiche ausspräche wie im deutschen. Sie wechseln häufig untere
einander ab, wie: babal und babar^ baber flattern, fliegen; bÜe^
' Für emero, s. §. 88 und über den accent in {nnero s. §. 108.
Die B«dM7«-Spracbe in Nordost-Aftikft. n. 7
und Idre regen; delif und derif dunkel; braun; ddhaloj dd-
baro und ddbano zart, klein; tdlha und tärha links; lät und rät
blatt; gäl und gär eins; küle und küre zan; amhalöy und am-
6aröy Uppe; maZö (aus ma-Zai?) zwei, und raü zweiter, a«a-
rdma (4* 2) siben, Septem; haiig und Aam^ biegen; «i2«t7 und
9{nBil kette. Demselben Wechsel begegnet man bei vergleichung
dieser laute mit den entsprechenden Wörtern in den übrigen
sprachen; vgl.
a) für l: lagt (aus lag^y l^g^y^ Ictgctd, vgl. §. 31 und 33)
reise, weg = Bil. langar, Agm. langad, G. Ti. A. ilfL i reisen,
^IIÄ" « weg; la = ^ G. MT^Ö « fett, von lil i^Q « ; %«
= Ti. hp* Sa. 'Af. ruguäj Cha. niyö, Agm. nati kalb; leh =
Sa. 'Af. läh krank sein, G. A'lA'^« t^j '"^^ •"'y'? l^^^s f^t,
n ^^^^^ naha abnemen, schwach werden; lehd-y, lehd-yt
(ablaÜT) am morgen, morgen = A. ^p% G. ^^V^ der morgen;
Uhdk =Ty. ir'iO^ » ta-nhag neben ^Oi^ « ta-hnag, A. +V*7 « *^-
naj fllr ta-nhag, Ti. |l¥*7 1 »i>Ua. gaumen ; Ztjfc (flir lekü) = 'Af.
rtfgö, Cha. roqüä thon, lem; ZaZö = Bil. lilö, Ti. Ty. A. G. A«A*»
H V Asi ***^^^? WOTpc geier; lüm = ^^ steiss, podex; Uso
» LÜ K^ wölke; luw (aus leu?, vgl. §. 88) brennen, lau (aus
lahw) brand = G. Aflfl* <4^ ^i!^ brennen; babal, auch babar,
hcAer = S&.falfal flattern, fliegen; 66^6^Z = Ti. flTJ i Sa. 6a/an
tripper; bütu = Ku. 6rfr<5 Hirse; dÜle = Bil. dfra frucht der
adansonia; haiig und %am^ =^ Bil. *agal, Ti. 0^>t und 0^>i
hpp (sy. Dpjy fUr pr) J-ä* biegen, krtlmmen, wickeln ; hankül =
,J^ kitzeln; melah = Bil. marh^ Sa. 'Af. marah, Ti. G. i'i'Cffi'
ftbren, den weg zeigen; 8Ülem = Sa. saraw, Ty. A^IO"< acacia
etbaica; Salit-ana = Ujit» ipCXT' zeichen; ^«Z^ft^ = Bil. Hltüt,
Ti-ffAm-T« Ty. fflUhT' i>>i>> fetzen; teZa = Ti. Ty. m*
AA> (cf* «{h^ 1^9 id.) durchboren, -löchern.
b) für r: r5 = Sa. raw, raü, rä brunnen, tümpel, G. ^iDf i
irrigari, ^jj hausit aUcui aquam, ^jj aqu4 abundans (fons);
rrffta = Sa. 'Af. So. ia6 männUch; rib = Sa. 'Af. na" ab, cjuj nicht
wollen, imleidlich finden; ragdd fuss = Sa. rigid id., ragad,
«-Mi Ä *^? treten, tanzen; regig strecken, verjagen == 3 con-
tendit, £j movit; rugüdi = T\, /iptl » Schlachtung flir den leichen-
schmaus, ^TH« Gl» ^711« j^g^lare; r^/cai = Ga. rägita-ma, rägd-
ma, Kaf. nd^, nagü, U.J sich furchten, ^j furcht; ram » ^j
8 VII. Abhftadliing: Beiniieh.
folgen ; äsorrdma ([5] + 2) siben = Ga. Uhrba ([5] + 2) siben, Wnio,
So. Idba, Sa. Idmmä zwei; rdyyi (aus rati?y, rcaioh) gewinn =
^j ^"Hfh* gewinnen; ad<£r = J.^ honig; imbira (aus cwmiv
ra, nömiVa) = iJLSp n^ö3 ameise; irJo = Sa. «ZW, Ti. XA|li
mais; 'arid = JJl» ,j-Jl» spilen, tanzen; drgin (ftlr roffin) = JjLj
^Cn schaf, lamm; ^m6 === %^^ sigen; kars ganz, gesammtheit
= G- hAA « >i^ congessit; mard' = Ga. ftaZ' weit, breit sein; terir
= Sa. talal drehen, spinnen u. s. w.
c) flir n; na' fener = Sa. 'Af. lä' brennen, heisa sein, Cha.
liyä plnr. lik. De. Qu. layä, Agm. {ojf, Bil. Z^d plnr. lak fener,
vgl. ^+f » ,?li ^^**^? poR^ ardere; nu' = Bil. nö', 1^.
?A<nA* sich setzen, legen, ligen. Tgl. ^Ü sich neigen; nd'» =
Ga. re\ So. rt', 'Af. ray, Sa. 'Af. taA zige; n«'ö/, n'ö/= Sa. 'Af.
ityiT nagel, kralle, vgl. G. >^+ 1 spalten; na^cd = vnlg. Ar. Jju,
Ar. AjJ verflnchen; neba = Ti. h^O' heiss sein, brennen, Q.
A^O « leuchten (vgl. i-i r-, ^ ^J^ leuchten, licht, tag und anp
v^^ G. Ann * brennen, s. oben luw brennen in §. 12, a); nug
und nSgäe = Sa. *Af. angü, ängüy Bil. ungüy Agm. Qo. engiUi
mutterbrust. So. nujf, Ga. lüga saugen; ngiü eierschale, vgL Sa.
'Af. engirö hülse, rinde; nehad =^ G. AAH* schwach, wankend
werden, sich verringern; nehas = Q. iKdk* A. >4i|f 1^ nj}
Ti. AXTtli* Sil- Zofe^, Zcife" rein sein; neAatr mager, schwach
sein = PI ^^ "^^ nehawy G. Ahfl' > viribus deficere, AA^**
tenerum, demlem esse, cf. Drn ^j «^-J^'j «^-H=^ i^- 1 *Mdki dftaui,
fein, zart sein; schwanger sein und ^J^'^ moUis fuit, ,^LJ tem-
pori pariendi appropinquavit (femina); ön (aus Adn) = Ä. )lA'
G. b»tfhA* J>^ mit spiess^anz die äugen bestreichen; data,
dmba = Ga. alba-ti stercus, alba cacare; ba4en unbeachtet lasseiii
vei^ssen ^ Ti. (ITA > G. (linA > J]4 ^^s^^is fuit, cessarit; An/»
(ftür ^n/tf, e/nti, o aus e wegen m verdumpft) = C%a. a/«r, 0.
M^^^ 1 fett; 6e aa = JaS, vgl. Ti, flCO », G. ^LC0 » »ch ftlrchten;
hekan ^ Sa. *Af. itoAan, So, ja^al lieben, <^^al freund; kiäm pliir.
iriion = Bil. De. Qu. ifcärd plur. kmr fluss, eher; teta^ Jcd» —
Cha. iti»ar, Sa. iiiroy, Tv. )|»^f i betrübt sein; meü » Sa. * A£
«d*a'Z bruder; ielruda kokett = J^ kokettiren, u. a. w.
13) Aus den f-Iauten hervorg^rangen erweisen sidi die
liquiden in: Zä#, rät plur. lai^ rat baumUatt ^= Sa^ daiy da4j
daf prün sein =^ dali grünes« gras, baumUatt; kalif ^ 6. Jb4¥'
Die BedM7«-Spncbe in Nordost- Afrika, n. 9
(zu k und ^ Tgl. §. 36) nacken; küal = Bil. küaiküatj Sa. ^do^-
jöaf, Ti. tT^#n* picken; ^fWi, güär (fUr ti?5j«Z, Wäger, 8.
§. 45, a) =: jkah.\^ eins (über ^ zu ^ s. §. 37, b); mehal = La^,
La^ heransziehen; ma-lo (aus ma-law, -lau) zwei, ra<2 zweiter,
asa-räma (5 + 2) == So. to-A>6a (5 + 2) siben (vgl. §. 12, b); Bra
(Ku. arö, Bar. «rö) = Ga. od/. So. od, Sa. 'Af. *adö weiss, G.
4*^0^ > weiss sein; dfigüra = Bil. iaqutä, Sa. §dgda, Ty. ft^iS i
](i^^i und X^^* Ti. If^igi Schöpfeimer; dura oheim, tante
= iti fem. nrjtn id.; dardk = G. ^ft||i Sa. dadd% 'Af. Auü
die kalte jareszeit; fir = A. i^-i gesiebt; yirma köpf = ^l»
Caput, fji praestitit; u^er = Ti. W^ i G. Wjf^h i machen. Im
etymologischen zusammenhange stehen auch riya, Ar. \L,j miile,
luid G. j%#hf I malen, zerreiben, <i»£r^i müle, mabtein; ebenso
hängt rugiiäiy Ti. ^/^Ili Schlachtung fUr bereitung des toten-
males, zusammen mit Sa. ddüä (aus dcLgia), 'Af. ddysa (für
dagsä) id.,^ vgl. damit ,^^S confodit hastÄ (die genannte Schlach-
tung wird mittelst der lanze ausgefürt). Auch dtlrfte Bed. rab
(Sa. 'Af. So. lab) männlich sein, auf Ti. G. •f'-flO i A. «f-fl i vi-
rilem esse, zurückftiren, vgl. i'tlö't * ein männliches, mas, mas-
cnlus, im gegensatz zu Jitlt^t weiblich.
14) Unsicher ist es, ob Z, r ftlr früheres $ steht, in : le'ub
ziehen, herausziehen (das schwert u. dgl.) und G. Affifl ' vI^^a^
an^ id.; damer (ftür daner) schmutzig werden und ,^^S sorduit;
nigir und ,^lcu kupfer (zu g und h vgl. §. 37, b), doch dtlrfte
nigdr eher zu Ti. A. ip£^9 gehören, der (meist aus kupfer
verfertigten) tronmiel, welche den ftürsten zu eren geschlagen
und vorangetragen wird.
15) Abgefallen sind die liquiden in: ^a (zunächst aus
engaj/y engar) rücken = De. Qu. engiyä plur. enge, Agm. angir,
BiL ingeri id., cf. yiJ posterior pars; femer in kam = jf^ G.
TL l^^A* kamel. Genau dieselbe form zeigt sich in Nub. kam
aber noch pfair. kdnd-l (EID.), kdmr-l (FM.) kamel.
16) Abfall von n ligt vor in: 'a milch = So. *dno, Ga.
andn^ Sa. 'Af. han id. ; dwe • = Ti. G. \fn • R? stein, vgl. auch
* VgL I i ^^^ rx» neben ilterem 1 1 ^^^ tx* die kele durchBchneideiiY
■chlachten.
' In tekummmb quanit (Ifonz.) ist dieees n noch vorhanden; djtf wort bedeutet
waracheinlich: weiner, gUnxender stein, ef. X^tfl l I^Jhf > nitidam e«e.
10 Vn. AbhudloDf : Beiniieb.
Eu. ebdrä quarz d. i. ebä-drä weisser stein; ddha kinn und
kinnbart, gegenüber ^> Ti- Kth^ • id. ; dihe = 'Af. dikhendy
Sa. dilhenö glutkole vgl. ^> und ^^^L> ranch; däme » G. Ty.
ii^lt* ^^^ nord; kdda neben kaddn = Bil. kaddriy Ti. Ill%7*
die steppe. Im anlaut ist n, en abgefallen in da neben ^nda
männer^ lente = Sa. endd, Ty. }|7^> stanun, tribns; day neben
seltenerem endäy gut, schön == ^^jJ vortrefflich; dehdy neben
endehdy^ mensch, lente; dann det&j detik, dstis n. s. w. meine,
deine, seine matter, für endBtü n. s. w. inda mntter; femer küna
und kina ^ neben ankädna (für am-küdna ans mchküdna = Sa.
makawdn) herr. Dieser abfall von anlautendem afij en mag
wol auf einer irrigen grammatischen auffassung beruhen, indem
man dieses an^ en fUr das gleichlautende demonstrativ der plural-
form betrachten mochte; vgl. §. 76.
Ueber den lauthchen Übergang von n zu m vor labialen
s. §. 71, sowie über m vor t- und ft-lauten zu n s. §. 72.
B) Die praecacuminalen f ^ ^ n.
17) Das t ist ein mit der Zungenspitze zwischen dem obern
teil des alveolare und dem beginn des gaumens erzeugter ve^
schlusslaut, genau dem Tigrä #n gleichlautend gesprochen, wftrend
das etymologisch entsprechende arabische 1» im Sudan wie in
Egypten etwas näher an der articulationssteUe des t gebildet
wird. Daher kommt es auch, dass die Beni-Amer welche im
ständigen contact mit dem Tigr^volke stehen und selbst alle
das Tigrä wie ire muttersprache handhaben, ir f genau wie
das m sprechen, wärend bei den Bischari dieses t gleich dem.
erwänten \> lautet. Dieser kleine unterschid in der aas8pncli&
des t hat die folge, dass bei den Beni-Amer ein radicales t Mif eim.
vorangehendes (bisweilen auch nachfolgendes) formationselemeDty
wenn dasselbe t, 8 oder n lautet, stets palatalisirend einwirkt;
und diese genannten laute zu ^, i und 9 umgestaltet; vgl. z. b*
ta schlagen, pass. {ö-fa (nicht tö-fa) geschlagen werden, caiiB-
i(hta (nicht sö-fa) schlagen lassen, anfV ich schlage (dagegen
z. b. afandig ich befreie, von fadig\ wärend Almkvist dk
» AoB enda lente + Äfly = Sa. 'Af. he^, heyo, G. ^fm* I viTeni.
* Für kena wegen des «ccentes, t. $. 106.
N
Die B«dM7»-Spnche in Mordoet-Afrilu. II. 11
formen to-ta und sö-fo, anfürt und eine reihe gleich gebildeter
Wörter. Ich beeile mich aber zu constatiren, dass auch die-
jenigen leute vom stamm der Bischari welche mir ftlr meine
arbeiten zur yerfbgung standen, ebenso sö-fa und tö-fa' u. s. w.
bildeten, genau so wie Almkvist angibt, dieser abo gewiss ganz
richtig gehört und darnach seine formen aufgezeichnet hat.
18) Aus zwei umständen aber ist zu entnemen, dass der
laut t im Be<jiau7e (genau so wie im Sabo und *Afar) stark im
Schwund begriffen ist, und zwar einerseits aus dem verhältniss-
mässig gar ser seltenen vorkommen desselben in Munzinger's,
Almkvist's und meinen eigenen sprachlichen aufzeichnungen
(doch dieser umstand könnte immerhin noch ein zufälliger sein),
anderseits aber und worauf gewiss mer gewicht zu legen ist,
aus der tatsache, dass dieses f so ungemein häufig durch t
(auch d) und wie fast allgemein in sämmtUchen niderkuschi-
tischen sprachen durch ^ ersetzt wird. Die erklärung fUr die
erstere erscheinung ergibt sich aus dem in §. 17 angegebenen
lautfisiologischen gründe. Für das vorkommen von f finde ich
in meinen aufzeichnungen nur folgende belege : fa' und ^a (bei
A. t^\ bei Mu. ^a) schlagen = o(]ö(] tata und
taq, taktaky 2COH!2fL€R, Ti. G. aiTO « A. #n^«;
So. <2?a' id.; t^b und ^ (neben ^a&) bei A. täb merere schlagen,
welche bedeutung unrichtig ist, indem es einfach nur schlagen
bezeichnet, vgl. barus efbi-hEb er schlägt mich, kl-täba-hib er
schlägt mich nicht. Diesem wort entspricht BiL ia^anb^ Qu.
tamhj Cha. tab schlagen. Femer tabbal zu-, verschUessen die
tttre »= Ti. mflA' zubinden, verschUessen, wol im Zusammen-
hang mit Ti. G. ni'flAA * ^üi-, zusammenwickeln. Dann : t^ldy
regenbogen, cf. iyiL albedo aurorae. Ausserdem noch die zwei
interessanten formen S%tan und tUdn (Ti. (^i^n ' ^- Aj&^7 >
^Ik^) teufel, vgl. die Verbindung if mit i und 8 mit t (s. §. 17).
Bei A. findet man noch: tib anfüllen, wofür ich Hb besitze (s. §. 4),
dann |a^u* geknetet werden im bade = Sud.-Ar. 3kAl>; femer
pn (Ar. ,2x^) thon, bei mir nur tln; endlich t^ü einschlagender
hhtz, das man wol zusammenstellen darf mit G. 0/'^ i fragor
tonitrufi u. a. ip, i J^A * niit voller wucht aufschlagen, niderfallen.
19) Fast regelmässig steht dagegen in lehnwörtem einem
Hl k im Be^auye dentales t gegenüber (vgl. §. 18), wie: tu" und
12 ▼ll* AbhftDdliiDg: Beiniseb.
Ti. G. n^4*i zwicken; Ub und Ti. Am^i s^^ baumwoUe; tüb
und Ti. Hh*!!* v^^ ziegel; taga und Ti. #i|4*^i J^^ fenster;
^I&a und iJJ^ Steuer; tarn essen, und Ti. #I|Aiipi A. ^^pi
G. 'fdao I ^^aL verkosten ; tama^ und Ti. #n^0 ' ^üdg sein,
A^ coneupivit; t^myA; und Ti. mS^^' einwickeln; i^ite und
G. /n*T* ^>^ baumwoUe; taway und ^y> von sich weisen; ^at
und Lft Sa. *at und*a^ treten; 'amat neben 'amad und kU ^*
anfassen; bat und Sud.- Ar. UU == Ar. 1^1 achselhöle; Adt und
k5l^ mauer; Adtera und Ti. «fiTC' ^r:^V^ mutig; Ä:e^ und iL
setzen; kaV und ^ abschneiden; malt^ und G. tf^Alll* ^
rupfen; «e/:%t und ksiid erwürgen u. s. w. Aus der tatsache noDi
dass im Be^auye das t ^^^ üi specifisch semitischen lehn-
Wörtern erscheint und auch in diesen das m U nur so sehen
mittelst t ausgedrückt, in der regel vilmer durch dentaks t
ersetzt wird, darf wol erschlossen werden, dass wie in den
übrigen nider- und hochkuschitischen sprachen, so aoch im
Bo<)auye das f nicht ab ein ursprünglich kuschitischer, sondern
als ein dem semitischen entlehnter laut zu betrachten ist.
20) Seltener werden die laute X 0 UiL, ^ ^f S die ja
lauttisiologisch ab reibungsgerfiusche auf ein in ^ ^ xorQdL-
fUren, durch i (fUr i) ersetzt; so z. b. tim und 6. J^mmt (c£
^) schweigen; tdmvga und Ty. G. Bp^9 Unks; fgigt md
Ty* Jt^*"*^* T^' m^^* einwickeb; ierig und A. iBC^i
mond; tat insect» laus, und G. lUU^* Q^ f^^f^ Agm. §imfi
mücke. Kaf. Go. f^c^, Wir. Wil. c^cä lans; #Mr und TL Tj.
OLm^i nA> (cf. G. X^*0' id) schreien; ardi nnd TL ^iJ^i
Bil. ftrtraJd (Sa. ard*\ aeacia etbaica; TgL andi
seite^ haUty dranssen, und A. fl^-iB. s TTS ilnnimi
seiti^. In der n?|^>l steht diesen semitisclien lantea
ein 4 v^- $* ~^ ^^^ ^^ ' gegenüber, wie taM wm^ TL 6.
«tlt,*>t eisen; «ff klein« zarL und ,^y»^ zart sein; 4tMm
jLL^ hfdzenMT r^el: Mhdah und sS^ <!>> eideckse; dfi^
*n ACi^t Yc4-i beüla: dmlmmti und 11 6. J^A^»^! aJ^
tiin^ti^raisst: J^mtim und G. 9m^0^t ZJ^ pnease«: Um ^si J^
meinen, glanben: derim und |.^^ berde: firim nnd ^2 l^fl**»
$ttlek eines kleides: ^Jiwi und 49n TSa. 'AI «Bb^ nl U
ai<tfk t XQJ^^ t Bil. ri^A volkssstftmm. tnbtts G. S^flb* sSin);
/«riflbi nnd iL«^ ankerplaxz: fdai und Tt. fS^s Tx G.
pei$k-h:: fäMhm traszig. und TL 4»]Ul< inAem: fed
Die Bedanye-Sprache in Nordost- Afrika. II. 13
teich; hinde und A. XTtt^^ ^* Öt^ F? bäum, holz; modah
und 1^ streiten^ n. s. w.
21) Das 4} in sämmtlichen niderkoschitischen sprachen
in Reicher weise ausgesprochen und nur in diesen, in den
hochkuschitischen sprachen aber nicht Yorkommend, wofUr hier
t erscheint, ist die media oder tonans praecacuminalis. Es wird
dieses 4 gebildet, indem man die Zungenspitze nach rückwärts
gegen den gaumen biegt, zugleich die beiden unteren seiten-
rftnder der zunge leise an das alveolare anlegt und nun d zu
sprechen sucht; so wird ein laut erzeugt, der fast wie ein rd
gehört wird und häufig auch von reisenden als rd aufgeschriben
worden ist; vgl. hiertlber auch Almkvist 1. c. p. 44 und
A. W. Schleicher, Somalisprache p. 70. — Häufig wird dieses
4 auch so gesprochen, dass die untere Zungenspitze leise das
gaumendach berürt und so der hervorgebrachte laut fast wie
ein unvollkommenes dsch (eigentlich ein 4y) klingt. Im Saho
und *Afar wird dieses 4 genau so wie im Be^auje ausgesprochen,
aber nur im anlaut, im in- und auslaut aber nur dann, wenn
demselben unmittelbar ein n vorangebt, mit welchem es dann
wie im Be<}auye ein n4 bildet, sonst geht aber 4 ini in- und
auslaut in { über, das an der articulationsstelle von 4 erzeugt
wird. Etymologisch fkllt dieses l mit dem Somali-^ zusammen,
welches Hunter dem Sanskritlaut g^ gleichstellt und Bopp
mit Ira umschreibt. BöhÜingk identificirt diesen letztern laut
mit dem polnischen l, welchem das l im Saho und 'Afar aller-
dings nach seiner articulationsstelle gleich kommt, von diesem
sich aber darin unterscheidet, dass es wenigstens nach meiner
erfarung nicht im Saho und 'Afar wie i mit vertieftem klang
der stimme gesprochen wird.
22) Hiernach entspricht Be^. 4 einem 4 oder { in den
niderkuschitischen und einem f in den hochkuschitischen und
semitischen sprachen, so wie den aus t hervorgegangenen Zisch-
lauten ^9 ^9 X 0 ^ J>; z. b.: ^t6d& der floh, und A. oiflinn*
springen, laufen, aiHfi hüpfen; 4^^^'^ nnd A. m^aot aus-
bessern ein kleid, nähen, flicken; 4^^^<^ und Ga. 4<^<l^^i Qu.
dajfiäj Ku. ddgehä thon, lem, vgl. n^c ^Ü; 4^'"^f>o und Ti. A.
mQ^tf Sa. t^bäy ^c£6ö brod; ^en anfangen, und G. Tll*»
anfang, Wmit anfangen; a4 und ^ heu; k4 und Bil. qüaf-
qüat, Sa. alal zittern; 'a^(/^ rinde, und G. 4*^11* I^O *P^ \JbÜ
14 VII. Abhandlung: Beinisch.
abschälen;^ a4a.m und G. <^ai)> 1^- 4*T)* t^ klein sein, Sa.
en4a (ans eina) klein; ^afii und Llf Sa. han4if niesen; dr^iehy
dn4e^ (aus am4eh ==■ 7na4eh) und Sa. waldhö gegerbtes leder-
kleid; zugleich als unterläge beim schlafen verwendet, vgl. G.
ID^^i ^3 VT^ stemere, im Bil. wäic^äy Cba. wd^eq gegerbte
kuhhaut als unterläge zum schlafen; he4dh und Ti. G. flXTffi*
ankommen; fi4 und Tj. 9T* AA* sicl^ schneuzen; fe4ag um-
rüren, vgl. G. iPOlt ' separare; hdmaia knecht, und G. Ollini
jj^ "^d? arbeiten; A;tt^ und Ti. G. 'tTA* (^ ^9C^ inre gehen;
ka4<iw und G. ')^#n' ^^ ^^ schlagen, pochen; ka%üi4 peitsche,
und G. Afi'in* Ti. Ty. fffi'in* Bil. Sa. iau^^ peitschen; ma4d4
lebhaft, heiter, vgl. ^^^ agilis; mba4e (aus m(6ä-t) und G.
Ti. «'■'TQ^h^' Schwert (woher auch Nub. mdtway messer);
mcLidm die matte, und Ti. IDA>i ^{^3 flechten die matte; ie-
^t^ und G. iPOim* ^ X^ abschälen; j^o^a* und Bil. qfketj
qüetqüetf Qu. Aic«^, wef, Ga. ^tV, So. ^d^ feucht, nass sein, und Ga.
hd4a, So. e4'in, Sa. eWn grün; vgl. auch baden und Jlj (§. 12, c).
23) Im Be^auye selbst zeigt sich schon zuweilen lautlicher
Übergang von d zu ^, wie : deb und ^e6 begraben, dihani und ^
Aant gesund, heil, mbdd und m6(£^ die matraze, matte, dndo und
dn4o* mist u. dgl.; daher kann es nicht befremden, dass auch
bisweilen ein Hei, 4 ^ ^ in <^6ii verwanten sprachen zum
Vorschein kommt; vgl. z. b. ^e6 neben dcJ = Bil. De. Qu. dab,
Cha. <K6 begraben; ^^Aani neben dihani heil, gesund = Ti.
^#hV>^M> Gl^- £"D* A. i{>i salvum evadere: di^^o neben
dndäw = G. XiSlD" I mist, kot; be4ätDye == ^j,^\j^,, ^Jh^ ^
duinisch; m&c£^ neben mbdd (zunächst aus nbad) = jJJ matte,
teppich, vgl. Nub. nebid^ nibid und 1 o X nebti, 1 v neM,
K€&^ id., j neied flechten, geflecht, WOTÄT, neqr, liOTq
plectere, cf. LSj ligavit.
24) Einem >j steht ^ gegenüber in: g%4d' = «\jkah.' sole,
Sandale; hcufig pressen, kneten = «s^Jai. pressit; vgl. auch ie4i4
abschälen, und JLu» neben Lm», G. iP#nin * scindere. Wie 4 '^
^ Vgl. die stammverwanten formen aiDp aatp ^Bp ^BH aXTT uaLS O.
♦7#nfl • TL t7#n^ « «• *• w®?» abreissen.
' 4 wirkt (wie oben das t in §. 17) auf vorangehendes § und n palatalisirend
ein nnd verändert diese zu /, ri.
» Zu ^ flir ^ vgl. §. S7, b.
Di« B«dM7»-Sprmche in Nordost- Afrilu. TL. 15
(ufif rinde y einem iy dann s ans § (t) gegenübersteht in ^ipn
uLfii G. 4*^X * abschälen, so vgl. Be^. 4^h fett sein, mit Agm.
«o^y Bil. $aqü (für $aqw aas sawq), Ti. ff'flffi * G. iP*n#fi t (cf.
^i^i* nnd Nnb. iähüa fett) pinguescere, ^6%^ und Bil. Jau^
speise. Demnach dürfte auch Bei. ^fna bine, mit So. iint id.,
zusammengehören. Be4' 4 steht selbst im eingebürgerten ^a/
fiarbe, 4if f^ben, einem s im neueren lehnwort seba färben =
^^ gegenüber ; vgl. So. dob ftlrben, midab färbe, und ' Af . dobd*
= So. nioi indigo i. e. ^X^ 9^ färbe (Sa. musuwdn d. i. mvr
suw'-än indigo).
25) Von der schon oben §.21 beschribenen ausspräche
des 4 fftst wie ein dsch (eigentlich 4y) kommt es auch, dass
die beiden laute 4 ^ind j (das ar. ^) häufig mit einander ver-
wechselt werden. Nicht selten hört man auch ganz deutUch
die beiden laute in ein und demselben wort bei verschidenen
individuen, so: embä4 und embdj die matte; be4dtoye und be-
jiwye das beduinische = vifj^JO; daher denn auch die Araber
das gebiet, in welchem die' Be^auyestämme wonen, als i^\^
bezeichnen, one zu wissen dass sie es hier mit einem arabischen
wort zu tun haben; ygl. auch wdja und sjl^ versprochenes,
das versprechen. Umgekert vernemen wider die Bedscha ein
arabisches j bisweilen ab 4] vgl. z. b. a4 ftlr Ubip schreien das
kamel; €u}tn (neben richtigem ajin) für ^^rt^ *®^S5 4^/^^ türe,
von U^ clausit (portam); ^tm ausfüllen, für ^; ^«mt stinken,
für ^j$sf^j und dann auch zuweilen d für j, wie: dif (So. 4^f)
für jl». vorbeigehen (über f zu z vgl. §. 61); delib für y^A^
handel treiben; dilh für IL^ kräftig sein; dinne himmel, für
ils^ paradies; dawel nahe, vgl. J^ TU vicinus fuit; duwdn ge-
flbss für SSy^ P'^"'» o^5 duwer für ^\^ stamm, tribus;* vgl.
auch däb und Bil. De. Qu. j^öJ vorder-, gesichtsseite; difo und
Ti. ^C^ « gekochte getreidekömer, belila (s. §. 20).
26) Wie das tönende z, so feit auch das i im Be(}au7e
und es kommt hier nur ein i (unser seh) vor. Ueber den Über-
gang von « zu if in folge einwirkung eines t oder 4 war be-
* Za 6 in 4^a s, §. 105; zu U^ gehOrt auch Ga. cö/a (lies wol ^'t</a)
BchliesBen, cufli tfire.
' So auch im *Afar, vgl. ?tAi/dä und jL^UL sache; nräd und r\lM» das
licht in der laterne, u. a. ; vgl. hierüber auch im Somali, A. W. Schleicher,
SomaU-sprache, s. 67, §. 33.
16 Vn. Abhandlung: Reinisch.
reits die rede (§. 17). Eine andere entstehung von i aus «iy
8y ligt vor in rugiidS = Ty. /iPli^t totenopfer, und vermut-
lich in angaS pflüg, aus ma-grcun, Ty. ^ghd/L* (yS^- §• "^2).
In den verwanten sprachen stehen dem Bed. S entweder i^ «,
c, j, auch t) selten t^ d gegenüber; vgl. Sä' kuh, uiid Sa. 'Af.
80* vih, So. 8a\ Ga. zä kuh; Sl* = ^li» alt werden; ieß milch
trinken == Agm. saf, Bil. De. Qu. ^«6, Cha. iaby gaü, Ty. XQ •
milch, G. niflO* A. niQ* lactare; ^gü4 waschen kleider = G.
Mai* condire unguenta/ und KöfL^Kihf^* laevem, politum,
nitidum esse; Sük = Ku. Sükä, Sa. 'Af. sakakö atem, lebens-
hauch; Selik = Sa. Salag, Bil. Sallcig wenig, gering sein; ielhüi-
ani schlüpfrige stelle und Sahat, auch Sat = Bil. jcdhafy Qu.
sarxatf QA.jdday A. /{ni* T^^- ^'tff* ^* J^'tff* J^> ausgleiten;
Salit-ana = 1»^ G. ipCXT* ^79 ^'?9 zeichen, strich; ium »
Sa. 'Af. 2^ti7, sawj Bil. Cha. De. Qu. Agm. tuw eintreten; iemU
= Bil. äamaty Ti. ifiiD'i*! schmieren; San = Qu. ifdfi, Agm.
Qäny Cha. ^an, Bil. ca'an, A. ^>i Ti. Mi* Gt- KOi* c^
]^^ ]9^ beladen; idna = Ku. adnäy jLjuLo arbeit; dia = G. 9*^1
fisch; dJ^o == ^U rebell; öS harnen, üSa = Sa. haSiÜy *A£.
Aay«6 harn;* AeW == Bil. jdifa, Ti. G. -^Jti staub; Aeit = G.
JtiM* ^^ abreissen; kdrfaS = Ku. karbäSä^ Sa. kdrfoBj BiL
käärbaVf Ti. hC^/^ * schuh der pflugschar aus elefantenhaut;
A;i(aj = G. }iA> #hAi fortbringen; roSdn = Sa. ro«dn, ^Loj
bürg, palast, u. s. w. Das wort kiS geizig sein, scheint aus
kiky, kic entstanden zu sein, vgl. G. 44>f i geizig sein, ^^f^i
geiz; ebenso mdS'ali gestell, tafel, fach, aus masycdlj maskaU
- Ty. aoH*lt* id.
27) Der nasal dieser consonantenreihe, nemlich das n ist
wie im Saho und 'Afar bloss secundär und steht nur für n vor
t und 4] 8- §• 1*7 ^Hid Almkvist pg. 43, §. 14.
C) Die palatalen j und y.
28) Die stärkeren explosivlaute c und ^ (Y>9) kennt
das Beijauye nicht, sondern nur das sanftere j = ^ und Ti.
^ Das waschen der kleider in Aethiopien ist ein parfÜrmiren derselben; sie
werden in abgestandenem kohorin eingeweicht» der als seafe dienL
' Vgl. So. kadi id., kt^ uriniren, und ^u orinatus foit, ^^ySi^m Utrina,
podex.
•• S ' ^
Dm Bedsaye-Sprache in Nordott-Afrika. ü. 17
Jf;* aber anch dieses letztere betrachten Lepsius und Almkvist
für einen nicht ursprünglich dem Be^auye angehörigen^ sondern
aus dem Arabischen entnommenen laut^ weil er sich fast aus-
schliesslich nur in arabischen lehnwörtem vorfinde. Dieser an-
sieht vermag ich deshalb nicht beizustimmen^ weil es sich nach-
weisen lässt, dass der genannte quetschlaut wie in anderen
sprachen auch im Be^auye selbständig und in einheimischen
Wörtern aus der Verbindung von ty, ti und dy, di dann ky^ gy
entstanden ist. So findet man z. b. kye und je seeschlange;
von rät fragen^ die beiden formen rdtl-ya und räj-ya er fragte,
u.a.; vgl. femer: bajök (neben grammatisch richtigem batyök)
geh bei dir; ü-gaü ü-bajük (und batyük) wünu dein haus ist
gross; ü-mSk-is ü-bajüs (und batyüs) amdgu ir esel ist schlecht;
ürgaw-ik ü'bajdkena (und bat-y-äkena) daüribu euer haus ist
schön; und so eine reihe anderer grammatischer formen. Dieses
genetivische % der obigen flirwörter zeigt sich auch im werte
enj6r adeliger^ aus end-i ör menschenson. * Femer gehören hieher
die parallelformen gddi und gaj gesicht^ und güddi neben güaj
äuge (auch gesicht) und quelle^ welche zwei doppelformen auf
gemeinschaftliches Ty. 7X. • Ti. G. 7}f • (Cha. gas, Bil. De. Qu.
gaS, Sa. gada und gdzä) gesicht^ zurückfUren. Das arabische
lehnwort dik (d5o>) erscheint im Be^auye neben dik auch als
jik hau; auf gleiche weise ist jimmo katze, eine selbständige
bildung im Be^auye aus einem vorauszusetzenden dyimmo =
Ti. ft^0^t Ty. A. G. f:co^t ju> id.,* u. s. w. In arabischen
lehnwörtem wird ^ an den küsten des roten meeres wie j, gegen
die westliche, egyptische seite zu aber wie g ausgesprochen; so:
jib und gib = «^^-4^ tasche; jeddad und gedddd = ^J^ hun;
jendsa und gendda = ijU^ leiche u. s. w.
29) Das y erscheint auch im Becjauye als mouillirungs-
laut aus jf welcher seinerseits aus dy (im Be<}. auch aus ty)
^ Daher steht auch Be<}. j als ersatz für c und e, vgl. z. b. jdjo = Ti.
^t^/^t (Ty. G. tftJttf») mücke; jüju = Bil. cued, ^ das
schnalzen mit der zung^ als zeichen der vemeinang.
* YgL auch Hunzinger, Ostafrikanische Stadien pg. 363: to-budjon nehe
wir sind im vaterlande, d. i. bül^-ön land-von-nns; dann pg. 864: en-
didje endoa mutterstamm, d. i. endi-U i^&wa,
' lieber den Wechsel von j mit i und d vgl. §. 26; ebenso über j f&r > j
8. §. 9, b.
SitmngBbtf. d. pkiL-bist. OL CXXYm. Bd. 7. Abh. 2
18 VIT. Abbandlang: Beiniteb.
und gy (ky) hervorgegangen ist. Auf diesem wege flirt y auf
k- und flaute zurück. Ein y für j erscheint in: ahaläy (zu-
nächst aus ahalany, dann ahalanj) = jS ^ cercopithecus griseo-
viridis, vgl. die parallelformen für dasselbe wort im Nubischen:
abalaii (i. e. abaläny) und abaldy; femer: yV und f' = *\ä. (Bil.
ga\ 6a. ga, Sa. 'Af. gay) anlangen, kommen; yad = Ga. jSda
sagen; ddya = A. Äjf • Ty. Ali Har. ddH, Kaf. Go. cldjö
erde, land; auch dürfte iham waschen, aus yehanty jeham^ =
®
/V>A/N/W
sceneM, '^ _ ^^^^^ kexem lavare, entstanden sein.
30) In derselben weise steht y einem guttural- oder laryn-
gallaut gegenüber in: yö = Kaf. gaüy jfö, Qu. kuwä^ De. kewä^
Agm. kiwä stier; ya4a\ zunächst aus qa4q[a4] = Bil. jö^^ Q^
Äöef, t^ef, Qa.ji^f So. jdy feucht, nass sein, grün, unreif sein,
So. 'e^-in, Sa. ^el-in feucht, 'alä nässe; yaund = A. l\A* G.
hflA' ^j^^ flechten (vgl. Nub. awij KD., ajw für ati?; FM. id.);
maräy = A. •7^h» G. •7ll^h» anfallen, überfallen, angreifen
den feind; ääy (zunächst aus §ahay) = jjiw pHtt> wölke; 8äy
(zunächst aus sahay) = j^iw» G. H#h4* * abhäuten u. s. w. Einem
hauchlaut entspricht y in: seny, seni == Ti. G. Htgh* iij lij,
Bil. safi, Cha. §anaqy So. j'öj, *tljf, Sa. 'Af. «öjf (aus sang) warten,
bleiben; riya — iLj mal-, mül-, reibstein; rayyi (assimil. aus
rawy) = ^j Ti. G. /Hiih' gewinnen; vgl. auch ne-ydü wir
geben, mi-ydü die gäbe, und hi, Ti flfli (G. IDflfli <4^)
geben. Einem hamzeh oder auch 'ayn steht y gegenüber in:
yaf = Ti. Ty. A. G. hl^ i (Sa. 'Af. So. af, Ga. afan. De. Qu.
Af., Bil. ab plur. afif) mund; yehäm, ihdm = dwp(OM, dwd(OM,
'a^t^w (vgl. «^Iap id.) adler; kuhdya = ^LaI* n;P5|5 (Sa.
kuhdya) flasche, becher; aöy, so = Ti. G. H0< (Bil- Cha. Qu.
jih) erzälen. Bei yam (plurale tantum) wasser, ist es fraglich,
ob dasselbe was am warscheinlichsten ist, zu t\yi\ plur. von
'U wasser,^ oder villeicht zu d; ^ meer, gehört.
31) Zur beleuchtung des Zusammenhanges von y mit
früheren dentalen besitzen wir ein schönes beispil im ay, ey
^ Vgl. bei metathes. der zwei ersten radicale Ti. '^Afl > ^- *} 0fl> •^•
tißUt waschen.
■ Ueber das verhältniss von (2 zu A «^ o. §. 7.
3 Vgl. Nub. atnan wasser, und in den Berbersprachen Siva, Biaachik, Kabjl,
Bpni Mzab \\. s. w. am-an (plur. von «Li) wasser.
Die BedMje-Spntcbe in Nordost- AfHka. 11. 19
band/ zunächst aus o;, ej = A. fcjf i {ej aus adi, ady), Ty.
\^t jS A *^^ In derselben weise steht hayük = So. hadigy
Sa. *Af. hotük stem; ebenso erklären sich auch die nominal-
endungen auf -nay, -ney, -nS und die abstracta auf -ay, -ey und -oy
aus den alten endungen auf -nä^^ -ät und -öt, wov^on im betrefifenden
abschnitt der grammatik die rede sein wird.
32) Wie dem <, d steht y auch einem s, ä gegenüber*
in: ge" (aus gay\ Kaf. gay, A. 7«^i) = Ti. G. T*/*'(l i 5*^.
Ci.^ Sa. ganda* rülpsen; hilay (Hai.), heldy (B. A.) = Ga. hil-
lesa (bei Kr., Ce.), hilezd (T.) hase; wiyu, üyu bine, vgl. Kaf.
«yö, W&l. W&r. ^SGy Go. A^o honig; 'ey-a zigen, vgl. yi, T?
i^i 'ad zige. Hieher gehört auch das genetivsuffix -y, -f
(Bil. Sa. 'Af. -I, A. f-) = G. H"5 femer ihay = j^.! nemen;'
gay = j^ neu sein.
33) Als mouillirungslaut aus liquiden stellt sich y heraus
in yak = Ku. laka aufstehen ; yiqeWf ikew = G. i^W 1 Ti. J^ 1
rufen, schreien; kay (Ku. ke, Bar. Ä;e, Sa. 'Af. kl^ kln) = J^l^
Ti. G. Ml werden, sein;* 'ayuk (G. A,h« Ty. HifhO = sdJ^
eflü »2il\ kauen; ayay = G. O^fi Qu. arg befreundet sein; bäye
= Ga. bdla blatt, folium; 6oy = Sa. bilö, 'Af 6e£Zö, Bil. Cha. Qu.
Agm. bir blut, hay = Ti. ||A > A. tili 1 G. IIA CD 1 sein, existiren;
htUdy plur. hatdy = gro, gTop, x W Je^er pferd; engäy,
enga = De. Qu. engiyä, Bil. ingerdy Agm. angir^ Cha. ejfrd der
rücken, zu K*^^« r^^ "*"** g^l^örig; iagr« (aus iajd, lagay) der
» Vgl. Nub. { (KD.) aus ?, ay )iaiid; iddi (FM.) id., für edi, doppel-d wegen
des accentes.
' Wie im Kafa, vgl. Kafasprache §.11.
' 80 ist anch der gänzliche abfall von > in den berbersprachen zu erkl&ren,
wie: Masch. ax, Kab. ^\ = Ar. jc^\ nemen.
* Mouillirung des n zu y ligt wol auch vor in kiiya, verkürzt k\ia sklave,
Sklavin. Das wort gehOrt zu Ti. ^ffy l O. ^0) l nutrire, daher /|i9f l
knabe, diener; mädchen, dienerin; JcUya steht sonach für kUna, kUan
(über A; für ^ s. §. 37, b und über i für 0 s. §. 26). Von demselben
Stammwort bildet das Saho : maandä sklavin , für mä-'adne-t = G.
^StlOt^ I quidquid tutelae alicuius committitur. Dieselbe Umsetzung
des n zeigt sich auch in den Agausprachen, Agm. anzä (sb A. Jl^fl
KVl* ^^'X ^* ^^^* ^ä, em/d (f sss z) knabe, diener. Mit diesen
formen verbindet sich Nub. öii sklave, öid sklavin, aus anaij hanti,
2*
20 ^^' Abbandlnng: Beinisob.
wog ^ = Bil. langar (aus lagar), Agm. langad, A. G. J7Ä * reisen,
ODl^J^i der weg; mdyküa, mäyuka = Ga. mirga (und das aus
Sa. mizgä, mldgäy 'Af. midgäy So. midig) die rechte, dexter u. a.
Zum lautübergang von y zu i vgl. §. 79 und 90. Abgefallen
ist y im masculinen artikel des plurals d, accus. ^, bei den
Boni Amer noch bisweilen als yä und yB (yl) vorkommend;
ebenso in i' neben yi' konmien, anlangen; in neben yln die
sonne, u. a.
D) Die gutturallaute.
34) Hieher gehören im Be<}auye k, g und secundäres ^
welches letztere nicht, wie in anderen chamitischen sprachen
solbstündigy sondern analog dem n vor t ^i^d 4^ nur vor k und
</ eintritt, obwol auch hier nicht selten die dentale ausspräche
dos n vorkommt. Die ausspräche von k und g entspricht nicht
v(^lli^ der unsrigen, sondern ist um eine leichte schattinmg
hftrtor, indem seine articulationsstelle zwischen dem harten und
weichen gaumcn sich befindet. Dem k stehen in den verwanten
»prachen meist &, bisweilen auch g und hauchlaute gegentlber,
wie: 'ka negationspartikel = Bil. -g, Qu. -g, -Ä;, Cha. -y, Bar. ka-
nicht; -ka postpos. von, aus = Sa. 'Af. -kö, -fei. So. Äa-, Bar.
-<jf«, Kaf. -jßy Ku. -ton, A. h-; kab = Bil. kab beschlafen; kab&r
« Sa. *Af. kabaröy Ku. kübulä, Bil. kalamburä, Ti. A. G. hflf7>
j^ trommel; kaddn = Bil. kadAn, Ti. X^fJ^i steppe; kehan^
Sa. 'Af. kahan lieben; kük = Sa. 'Af. käky Kaf. küky A. ||h>
Ti. tlh' flA> Ty. l\lf|i flA > gackern, krähen; kuiküay = Sa.
•Af. fcdÄö, G. V\V\J rabe; kaleb^ = Bil. ftaiaft, Ti. hA'fl' bof-
raum; kelib = Bil. gullaw knöchel; kan wissen = Bil. De. Cha.
kin, Qu. ton, G. h.1 » erfarung, gewonheit; konbül = So. gümbuTj
JJa. berg, htigel; kdnkani = Sa. künkünity Ti. hlhll'« fieber;
A;uir6 = Sa. 'Af. gäryä (i. e. güaryä), So. gäray, Harari gürayä
straussvogel ; Ä;öri6 = Bar. kürbe, Ga. ^ria elefant; fcröm =
Bil. güräbj Cha. girdbäj Ga. gandma friihmorgen; JSc^ttm = Sa.
^ Almkvist Dimmt Ule^ als wortstamm an und bemerkt aoadrficklich:
,Manzinger hat irrtümlich te als weiblichen artikel anfgefassf. Dasa aber
Hunzinger hier in vollem rechte war, wird aus klaren beispilen in meinem
Wörterbuch ersichtlich werden. Zur artikelform le vgl. §. 113.
3 Zu i in kalib s. §. 106.
Die BedAoye-Spimche in Nordost- Afrik». II. 21
kataw anlaDgen; kutan, kütdm = So. kutan, ^l^ wanze; ^ kay
= Sa. 'Af. ka, Ku. feg, Kaf. ä5 sein, werden; dardk = ö. ß^fLtt »
Sa. dad&j 'Af. c2a(2a küle jareszeit, winter; fakak = Bil. /aAaft,
So. 'Af. /oA, Ti. ^h > ^ vi* öflFhen ; tikds = Ku. takdsä, A.
t^hH« Ty. l-^lllLi ferse u. s. w.
35) In lehnwörtem wird auch das semitische ^ 4* P meist
mit k ausgedrückt, wie: köba = ^^.Ji* schale; kühdya = i<Ml3
flasche; küfil = ji> schloss; kehdba = SJioBii hure; kilö = G.
^liiDM A. ^^1 :^ rösten; kedala und kdleda = jJLi schale;
fcA-4a6 = Ti. ^C^ü* Sa. qirqdb, ^\m holzschuh; kat" =
^ abschneiden; enkdlyu, enkaliw = ^^Ia.« topf; dnkar = Ti.
A. G. Kl4*C> (BiL Sa. *Af. dnqar) rächen; ankew == G. )4*ID »
schreien; hükla = Jl*5i krug u. s. w.
36) Eine auf den ersten blick befremdende eigenttimlich-
keit zeigen sämmtliche kuschitischen sprachen, dass sie fast
regelmässig die semitischen laute *) ^ x? bisweilen auch ^ ^
} mittelst kj und nur das gewönliche t 0 ^ ^md meist auch
das ^ mittelst h widergeben. ^ Schon daraus Uesse sich die
TermutuDg ziehen, dass die kuschitischen Chamiten ursprüng-
lich nur unser gewönliches h (und kein $ und %) gekannt
haben. Dies bestätigt sich durch zwei weitere tatsachen,
nemlich 1) dass in wirklich kuschitischen Wörtern kein anderes
als unser gewönliches h sich nachweisen lässt, und 2) dass im
semitisirten Amharisch grafisch zwar die drei äthiopischen
schriftzeichen ') #h II Verwendung finden, alle drei aber nur
wie Ä ausgesprochen werden. Die stärkeren hauchlaute J und
% klingen im or der Kuschiten wie k, was ich oftmals zu beob-
achten gelegenheit hatte. So sprach man mir z. b. sogar die
deutschen worte fluchen, wachen, dach wie filukdn, hakin,
dak aus, und erst nach oft widerholtem exercitium merkten die
leute dass ich in den genannten Wörtern kein k gesprochen,
und brachten dann ein filugdn, bagdn, ddkhe heraus. Auch
mein Amharer Wälda-Seldsye obwol er in Europa deutsch er-
lernt hatte, teilte mit den kuschitischen Chamiten die gleiche
erwänte eigentümlichkeit, er sprach unser ch wie k oder wenn
* DÄraufl durch Umstellung Ti. ^VjJ > ^ 'tWt » '^' 't^X • S*- *^^-
iukdn, Bil. lugüin, Cha. tu^^iiän, Ag^. tuhän wanze.
» Vgl. hierüber D. H. Müller in ZdDMG. XL VI (1892), 8. 407 f.
22 Yn. Abliandlnng: Beiniscb.
man in auf den feler in der ausspräche aufmerksam machte^
wie gewönliches h aus und immer erst nach einiger mühe brachte
er ein % zuwege, das aber auch mer einem g^ glich. Dieser er-
wänte umstand ist auch sicher der anlass gewesen zur er-
findung des Schriftzeichens fi im Amharischen^ durch welches
man die semitischen laute -} ^ und Hi c grafisch so weit dem
verständniss der studierenden zufUren und damit sagen wollte,
es Hge in Ti ein laut vor, der nicht ganz so wie h ^ gesprochen
werden dürfe. Der dem zeichen fi zukommende laut ist demnach
eigentlich mer negativ signalisirt, als positiv genau festgestellt
und in der Wirklichkeit lasen meine Amharer das in bibel-
texten vorkommende fl bald k auch 9, bald A, one jenem dia-
kritischen zeichen über dem k irgend eine beachtung zu schenken.
37) Hiemach begegnen wir auch in lehnwörtem des Be^auye
einem k:
a) für ^ ^, wie: kadam fUr fj^ (Ti. h^^> Sa. 'Af. Bil.
u. s. w. kadam) dienen; ka^aw für Llai. G. 'l^ni ' ^^? schlagen;
käf für k3lL singen, klagen; kalag für jJLL schafifen; kilmo für
^JlsL ansidelung, dorf; küd ähre, und ^^ TL spicas protulit
(seges); kira (auch Bil. ker, Ti. ]f|,CO ^ G- 'IC» ^7^ S^^'i
kuasi eintauschen, für ^y^ III; hdrka für G. K^'t 1 (Sa,
hardy Ga. ird) band; kansübe nähnadel, zu L-i^*^ gehörig; köniib
für ,j**i-^ ^tn käfer; neßk für ^ furzen; rakis (neben jüngerem
lehnwort erahis) für v>*^j wolfeil, billig; wälik (aus kualik)
für Sa. güäräh, G. hAHi * ^ schreien u. s. w.
b) für gh C; wie: kadam für Äi\ia. steiss; käl für Jli.
lüstern sein; kalif für G. #h^¥' nacken; keti für iLL setzen,
stellen; kanjar für 'jJ<^ laufen; bluk, mlyk für ^IS dattel; hdrka
^r G. }|^«/h' h^'t' ')^#h' band; mtZdA; für ^vu salz; sekit
für kiu^ erwürgen u. s. w. Nur in ganz vereinzelten fkllen
steht g für semitisches %, h; wie: gidd^ für '\J^ sandale; ^el
für G. •^fli Ti. }|»n' l>ei, an; jfg/ für ÜIä-, aber vulgär auch
vJl^ ufer; ergdne schaf, lamm, und JjLj lamm, ^n^ schaf; deg
und G. Xr/hfl' schwer sein (mittelglider: Bil. fo^'. De. ?€j, Agm.
seküy Cha. ^^at/? id.); ent^ngüli der malstein, zu Ti. ^ih)*
^ gehörig.
38) In einigen fallen entspricht Be<^. k einem früheren
^, 8j wie: küUla katarrh, husten = J^ phthisis, JLja phthisi
laboravit; ktnkeli = TLi. colfilti' hinterhaupt, nacken; kawi4
Die Bedanye^prache in Nordost-Afrika. IT. 23
=- TL iflDT* G- Afl^T» ^y^ ^^^ peitsche;^ ferner kuärdm
gross, kuss, neben dem lehnwort aus neuerer zeit saldm id.,
^i^. Als verbindungsglid zwischen küäräm und saldm können
betrachtet werden Kaf. Sarämö gruss, und Ga. zdrama grüssen.
Zur analogie dieser lautübergänge vgl. Sa. 'Af. küäromd = Ti.
ftA^» G. A¥^i fÜ-J.» der höcker. Ebenso dürfte wol auch
Be<J. küa kleiden, mit Bil. sa, ^mr^^~TV ««? •'^o id., im zu-
sammenhange stehen.
39) Das g wie unser g in gut, gattung, genug, steht in
den verwanten sprachen auch zumeist einem g oder k gegen-
über; wie: gdba und Bil. gübä ziziphus spina Christi; gübe und
Sa. *Af. göb, Bil. De. Qu. gib, ^-j>ä. schild; gädi, gaj und Sa.
gddäy gdzäj Bil. De. Qu. ga^, Cha. ga§, Ti. G. iJfi gesiebt; gid
und Ga. gad werfen; güd und Ga. güd vil, gross sein; gif und
Ga. güfa-ia, Sa. gi/nfö-yt stolpern, sich anstossen; glg gehen,
und Bil. güg weg, pfad; gehi und Bil. gehe-rä, Cha. giilt-räy Ti.
Ty. G. ^ Ji, I hyrax abessinicus ; gühar Stelen, und Sa. 'Af. Bil.
guarehy Ti. T"C#h' G. 7»A#h' betrügen; jam und Sa. 'Af.
agam, agim dumm sein; gumba (für gunba) und Bil. Cha. Agm.
girbj Sa. 'Af. gülüb, So. jiUb, Qsi.jilbay A. T'Afll'* knie; janrf'
flache band, und *Af. gend' id.. So. gadn, Ku. könä^ band,
^Uä., ft^^ 8 n ?ani7i, 5^ndw^ manus; gerdbi wüstenweg,
und Qu. garäwä weg, pfad, Sa. Bil. gardb, Ti. Ty. l^-fli wüste;
gürddi krummsäbel, und Bil. galudä, Sa. 'Af. gaUdä, Ti. 7/|*JS i
Ty. "JA./"^ I messer, Qu. gärddä, Ga. gäradB, Kaf. ar(/ö, A. T^^R,«
Schwert; girgüma und Bil. gürgumd, Agm. gdrgum, *Af. jför-
d!ums, Sa. durgamä, Ti. T'CT^*?« adamsapfel, der halsknorpel;
gürgür und Bar. gurgur, Ku. gärgärä, Ti. T'CT'C * die Wasser-
pfeife, nargile; garar und Bil. garar, Qu. jfarg sich abmühen,
müde werden ; gdruwa das männchen der kuhantilope, und Bil.
^ Vgl. Be<}. kcufawj Llai. tt^H G. ')^ni ' i^^ben Hfl^ i scblagen» and
B3^ ThH ll '6<2/ «i&fidT baculus; vgl. auch nnten §. 43. In der-
selben weise: Bil. ekrdt = G. *}/*'^'|' l zehent, tribut: ktd (De. Qu.
Agm. An«, Kaf. ^) = Ti. J£^ i Ty. Af Hl ' ^- "Hfll * verkaufen; Ä:raÄ
= Ti. G. /I^IO«! kriegsheer, trappe; gttd{ium = ^\J^ holzkole, u.a.
' Aus kaün^ für kahünä, vgl. Sa. Araihi, Arön, 'Af. Arondd für kanähü oder
iteTid^u (die trübuiig des a oder e ist durch den u-haltigen guttural er-
folgt) fünf.
24 Vn. Ablumdlung: Beinisch.
giruwä, Qu. geruwäj Cha. giluwd mann, männchen, Ti. ICV^
masculus, mas; gaü bans, and Bil. De. kaü, Qn. ko, Cha. kiüy
Bar. kü familie, gehöft, ansidelung, dorf, ^ cf^ "^ ör ^ kaüi^
"IJ Volk; Bga hirt, und So. Ga. eg vih bewachen, weiden,* vgl.
Bil. 8. V. meqdqä; dgaba und Sa. agabd, Ti. hm * ^^I* käbgä^
Ku. jrfijfö (für gabgabä wie agabä flir gagaba) büffel; cngfa und
Agm. dngir, Bil. ingerd, De. Qu. engiyä plur. engre rücken; ^^'
und Bil. anqdy mitte; «ngfi'K und Sa. *Af. engirö rinde; deigu und
Bil. faA;ai2 ausspähen, wachen; dang und Bil. tag, Agm. e^tjf,
Cha. faj, ^Ä;6n und ^A tek nahen; derdg seile,
wange; ufer, und Ku. ddrgä seite, G. Ä'IPT* ufer; hug und
Bar. ÄaÄ;i, -^A^ sek, cihi, eine malen, mel machen;' Idga und
Ti. lißi Sa. 'Af. rujTMa, Cha. niyü, Agm. nad (für waÄu) kalb;
mag und Ga. m^a schlecht sein; mdgüa und Bil. bi/kü-dnäj
Qu. bekü'dnä wölke; nöjf und Sa. 'Af. angü, Bil. ungu, Agm.
Qu. engüä weibliche brüst; ragdd und Sa. rij/d fuss; segi und
Sa. «Ij, Ga. ziga fortgehen u. s. w.
40) In semitischen lehnwörtern steht dem Be(J. g in der
regel ebenfalls ein ^ 7 gegenüber, wie: gä\ g^ (aus jay', flföz')
und G. l^/^O' c*^- 1^ gänen, rülpsen; gabab und Ti. 7fli
sündigen; g(bne und dLil^ Ti. ^-fl^» käse; jcidi, ja; und Ty.
7Ä,' Ti. G. 7Jti gesicht; gedüdi und Ti, l^Ä"* unfruchtbar;
gadal und G. 7AA' Ti. lÄ'A* J*H- flechten; gaddm und ^;;»>^
jJä. Wurzel; ji/jf = G. T-/Ji A. T^T^I^i eule; gehar schmähen,
die Schandtaten aufdecken, und y^ (feler) aufdecken; galdd
und Ti. lAÄ"« fride; galel und Ti. 7AA» A. 7A7A> G. 7A7«
Ja. sammeln, vih zusammentreiben; gilla Ursache, wegen, und
jJLä. propter; goldl und Jvii. grosser, fürst; gulid und Ti.
lA'A« dumm; gulüs, gillüs verstopft, taubstumm, und Ti.
^A*/*** belegt, mit leder überzogen, jIä. obvolvit; egirtm grsiXiy
weisshaarig, und Ti. I^aot erwürdig sein; 'ilogdni Sturmwind,
und ,^li^ commotio, cursus; begAl und Ti. fl77* flj^l * tripper;
legümi und Ti. AT^l^' stumm; mdngaj minga wüste, und
^ Nub. kä haus, plar. kä-ji, kd-nji ansidelung, familie, stamm.
' Nub. eg vih treiben, es weiden.
' l^nh.jäg (für jagü) mel reiben, malen, jage (F.), jdwe (M., für jahüe), fi
(KD.) der melreibstein.
Die BedAoye-Sprache in Nordoit-Afrikft. II. 35
Is^ locus effugii^ \aBo evasit^ über fuit; engad und j^ bleiben;
negil und Jjco aufdecken; segdf türvorhang; und s^ik^ velum
u. 8. w.; vgl. auch oben §. 37, b.
41) Dessgleichen entspricht in lehnwörtem dem g ein ^
t (vffl. auch §. 35), wie: gü'ad und Sm bewachen; aab und
Cj\3 Ui satt sein (Ga. q'äfa)] gubb, gi^^j ff^^ tind SSs maus;
gabila und il^ stamm, tribus; gdrha und ^\^ (Ti. 7C#h1"*)
acker; galdm und ^ Ti. +Al^» schreibfeder; gdm'a und ^
Weizen; jfcir'a und Ti. ^^^^-i hofraum mit einem zäun um-
geben; güdsir und 'ijji^ '^^ lüge; guiäa' und ^A» niderstrecken
(mit der lanze); kalag und ^3!^ schaffen; «ü^f und 3^ markt
u. s. w.^ Vil seltener entspricht hier einem g ein fc, wie: gab
und U^ m änlich sein; güd (aus ^aZd) vil sein, und jSs ac-
cumulavit; hcujlig kneten, und vsJja. compressit; hagäan und Ti.
ifilhofl * Gr, ghMl > Jc^ kratzen u. a.
42) Auch drückt das Becjauye den laut '^ regelmässig
mittelst j aus; wie: gim und ^ (G. 1/%% Ti. %ao^i) nebel;
gdna reichtum, und ^J^i reich sein; gariby enger ab und v^^
u^yL^ west; jrertJ und ^JSs^ sigen; jfwra/ neben kurafa, mukraf
und JLiJiß <^^}a^ becher; gaHm und ^t<^4^ dumm; &ajfe£Z und JäS
Ti. G. fl4*A' maultier; gir§ und jJS>J;i j^Jj piaster; fegir und
^ (vgl. yS "ißa id.) be-, zudecken; rugfdna und ^Jl^^J plur.
^Ufi' brod u. s. w.
43) Wie oben in §. 38 ein k auf palatale und dentale
zurückflirt, so zeigen sich dieselben erscheinungen auch bei g,
wie: feringi = A. Ti. ^dm/tr^ (mittelglid ist ferinji) der
guineawurra; güa^ = BiL^a', De. Qu. ja^, Agm. suk, Cha. aeqüj
9uqy Ga. 4ügaf A. ni^ > (f^r iMilO ' i- ^- HlOniO ' wurzel ^a')
trinken; vgl. damit £> ^\S trinken, und Be(J. düg saugen. Femer
giba ^ Ti. ^-no^i G. ^X-QA^' t^^l ^m ^-^H "^ J^
2e6', c^rsi y>B — o| deb\ eH&, THÄ finger. Dann: güinhal, gülhin
- Ty. ^74*A^ > (Ga. jigiU), Ti. i-^hA », Bil. tdnkal, Qu.
^ Es besteht bekanntlich ein kleiner uuterschid in der ausspräche von if»
und ^, indem jenes seine articnlationsstelle mer rückwärts nach der
kele zu hat, wärend Jj nnserm g näher ligt. Jene Bedscha die mer mit
den Tigr6 zusammenleben, sprechen also das 4* ^^^^ k, dagegen die nörd-
lichen Bedscha das Jj wie g. Daher sagen z. b. die Beni Amer dküa =
Ti. gfi^'t' I nnd die Bischari hügga = Jui^L tabaksdose, u. a. m.
2Q ^n. Abbandlang: Beiniscli.
tdngal eilenbogen, eile. Dann auch: genuf = Bil. qünbdj Qu.
hümbäf Agm. kümhij Ga. humbi nase, A. XtV^'ttf* rüssel des
elefanteu; Ty. ii9^^^ i plur. A^^l* i nase (hieher die fonetisch
Jüngern formen: Ti. G. titV* <-a^^ *1** id.). Vgl. auch: genube
und jenttbe Sünden (Ti. 1^*ü i plur. ^Th*tt *) = cß'> pl^ir. <^^y3
peccatum. Aus d scheint g entstanden zu sein in: iigar zurück-,
heimkeren, vgl. Sa. 'Af. adar id., A. KÄ^» G- '^Ä^* heim-
keren, das nachtquartier beziehen, sich niderlassen, wonen.
44) Sämmtlichen kuschitischen sprachen gemeinsame und
ureigentümliche laute sind die t^-haltigen gutturale, welche auch
die äthiopischen Semiten von den Kuschiten entlehnt haben
müssen, weil dieselben in den übrigen semitischen sprachen
nicht vorhanden sind, demnach die Aethiopen die genannten laute
erst nach irer einwanderung nach Abessinien sich angeeignet
haben können. Die articulationsstelle des k, g für kü und gü ist
zwischen dem harten und weichen gaumen, also ein X:^, g* Brücke's.
45) Die entstehung der u-haltigen gutturale erklärt sich
fisiologisch am natürlichsten aus der articulationsstelle der gut-
turalen im Kuschitischen, indem k^ (vgl. oben §. 34) am meisten
befähigt ist, sich den t^laut zu amalgamiren. Und tatsächlich
bekunden die kuschitischen gutturale eine gewisse gefrässige
gier nach labialen, welche denselben in eine gef^rliche nähe
geraten. Dies wird am besten ersichtlich, wenn man kuschitische
und äthiopische Wörter, in welchen w-haltige gutturale vor-
kommen, mit den entsprechenden ciserythräischen in vergleich
zieht. So reisst der kuschitische und äthiopische guttural an sich:
a) vorangehendes u, w und b in folgenden formen:
äküa (Ti. Hit 1^ « A. ;||^ 0 = '^^ büchse fiir kautabak, taba-
tifere; i^küa (Ga. ^agwe, Qu. daxuä) thon, gegenüber n^B, ^U
übertünchen (vgl. ^Ü» med. w)] mdgael gegenüber jÄ.j-i pflitze;
mikudl = G. ao^Qfi^i aber ilXU Jlili fett; suküäm gegen-
über ,^lLi» Steuerruder; sukudr = A. Jlth^C gegenüber ß^
zucker; täkla (für taküla) = Sa. 'Af. täklä (fUr tdkülä), Bil.
täglä, Qu. tdxüläy A. Ti. Ty. G. -Mf-A' wolf, gegenüber Ülju,
^?^, Gh. K^yn Schakal u. s. w. ; über tSkla für taküla s. §. 46, c.
Ebenso: dehur, duhür und ^4^ mittag; sebuh (für sebhü) = JJo
der morgen, u. a.^ Wie hier der kuschitische und äthiopische
^ Ueber »ebuh aus »ebhü s. §. 46, a and §. 107.
^
Die Bedanye-Sprache in NordoBt-Afriks. II. 27
guttural vorangehendes u an sich gezogen hat, so auch ein w
in folgenden beispilen: güa' gegenüber G. ID^Ki 14*3 stossen;
güäl filr wägel == J^\^ eins (s. 149, a); güay, göy müde, er-
schöpft werden, gegenüber G. IDhOi ^3 (^^0? ^^^^ (^^^ küa()
= Ti. t,^t>m • picken, hauen, gegenüber k*^ vehementer per-
cussit; küata' gegenüber G. ID'linis lO-'tni' verschlucken;
küdhij kuhi = So. öjrfj, öjdj (Ga. anqdqö, Sa. unqöqahöy Ty.
KfiM»!/* I G. K^^^**^«) das ei. Sogar 6 wurde in gleicher
weise amalgamirt in: ^rgüa = Bil. eräküä und räküä, Qu. eratt?3
(für erdAiiä) ledersack mit den besten habseUgkeiten ; habe, be-
sitz, A. ^CD^ I (für rähwa-t) grosser wasserschlauch für wüsten-
reisen. Diese formen gehören zu G. CQ#h * c^3 gewinnst, er-
werb, besitz; über k zu semit. h s. §. 36. Hieher gehört ferner
küati einer dem in allen untememungen jegUche sache gut
von statten geht, gegenüber Ti. fllt.!*! C-^^^ ^^-5 dann: tuküi
= Bil. Saqü, Saijq, Cha. ^aqü, gegenüber 1^ kochen.
b) Ebenso zieht der guttural ein nachtretendes w, tu, b
an sich; wie: dagü gegenüber Bil. takaü ausspähen, beobachten;
naküj näk gegenüber ^j zart, fein; hluk (aus hlekü s. §. 46, a)
= piS dattel; kunte ficus sycomorus, gegenüber I) öiA kionty
RCitTC ficus; anküdna (für am-y ma-küdnay s. §. 72) = Sa. ma-
kawdn herr; masänko (aus masankwa) = A. Ty. Ti. G. i'i>Al4^ »
Bil. mazänqüä-rä, Cha. mizinqüä die harfe, gegenüber der radi-
calform )4*^* khngen; enkülih (aus ew-, wa-Aiöft) = Sudan-
Ar. i_^*3^*4 ror, worin der zucker versendet wird.^ In gleicher
weise erscheint ein b angezogen in: kua weibchen, weiblich,
dann auch Schwester, welches mit Bil. qül, uqül weib, weibchen
(bei tieren), weiblich, zusammen gehört. Diese letztere form
fürt auf A. ^»fll' J G. ö^^'d^ « wörtlich : custodita, die bewachte,
also gattin, aber nur gebraucht speziell für concubine, aber
Sa. 'Af. agabö-yta die gattin, hausfrau; Bil. qü-l steht für qbe-t,^
über den ausfall von femin. t in küa aus küa-t s. §. 75. Bei küa
an Ty. 'Jm-I'i »jUä.\ Schwester, zu denken, verbietet die grund-
bedeutung von küa weib, obwol vom fonetischen Standpunkte
aus diese Zusammenstellung ganz gut möglich wäre (s. §. 36).
Ebenso ist b vom guttural zerriben in: küabil (aus kebabiT)
» Vgl. hierüber §. 72, note 2.
' Ebenso steht Bil. qua = A. ^^Q' ^' 4**11^* sAl^ex^-
28 ^n. Abhandlung: Beinisch.
verschleiern, gegenüber G. 7Aflfl * velare, ^AH^fl * <w->Vj^-'»- vo-
lamen, operimentum capitis. Anch habe ich das wort kiUidj
guad (So. od aus hüad) seite, in starkem verdacht, dass es das
m in Ti. G. ^f^9^t seite, verschluckt hat. ^ Möglich ist dieser
Vorgang auch in a^nküa = Sa. 'Af. sunkü gegenüber DDB> schulter,
in welchem falle dann das n secundär sein würde.
46) Die ausspräche der t^haltigen gutturale ist im Be^auye
dieselbe, wie in den übrigen kuschitischen sprachen, und zwar:
a) steht der u-haltige guttural im auslaut mit schewa
quiescens, so nimmt das u des gutturals vor diesem seinen platz
ein und ich deute solches vortretendes ü mit u an, womit voran-
gehendes S verschmilzt, vorangehendes a aber ein au bildet,
das wie ä gesprochen wird, daher ich dasselbe mit ä bezeichne;
z. b. luk (d. i. lekü, vgl. 'Af. rugd, Cha. räqd id.) thon, lern; de-
r&c (d. i. ddrkü) aber plur. dirküa (s. §. 46, b) wassertrog; enSk
(d. i. 4-naku) er wurde schwach; Hunzinger schreibt ennoky Alm-
kvist inaküy welche form zwar grafisch aber lautlich nicht correct
ist. Dann: sehi^h (aus sebhü) der morgen, Ar. J^, vgl. hierüber
§. 45, a. So bildet z. b. 'ayuk (d. i. 'aykü) kauen, das präsens:
a-'anyiuk ich kaue, ne-'ayük wir kauen, aber ^anyiküa du kauest
(bei A. d'^ayyiküj nd-'ayukuy und 'dyylküa\ perf. ä-^ayük (A.
d-ayukü) ich kaute, negat. 'ayküdb koke (abo stamm: ^aykü)
ich kaute nicht.
b) Folgt dem w-haltigen guttural im auslaut ein vocal, so
behält das ü des gutturals seinen eigentlichen platz; demnach:
d4rküa plur. von derük wassertrog; ebenso dngüa dumpalme,
lalünküe äffe, hadgui flechten u. s. w., obwol auch bisweilen
eine trübung des dem t^haltigen guttural vorangehenden vocals
eintritt; z. b. ängüa neben dngüa dumpalme, lalünküe (fUr la-
Unküe)y ja es kann sogar in solchen fallen das ü dem guttural
ganz vortreten, wie: lalunke neben lalinküe äffe, mdyuka neben
Tndyküa die rechte (band, seite).
c) Im inlaut zeigen sich die gleichen erscheinungen, wie:
anküal hinken, angüil und ängüil or, mdgüel tränke, mäküara
und mäküara kälte, rugüdä (für regüdS) Schlachtung, sukena
(flir seküena = Ti. fftf-^i G. Ah»?') fussknöchel, metunguliy
bei Hunzinger metongole d. i. Tnetängüdle der melreibstein (Ar.
^ Vgl. Bil. qüi = 8a. 'Af. Ga. gam, A. ^0O i essen.
Die BedMTe-Sprache in Nordott-Afriks. n. 29
iiflß~), läküdy und Idkdy (für Idküay) das was küäläy der
stock; täkla i. e. taküla wolf.
d) Im anlant bleibt natürlich das u an seiner bestimmten
stelle^ wie: küa Schwester, küardm kuss, güad seite, küire vogel
strauss, güebdr Schnabeltier, küre zan u. s. w., doch erfilrt a
nach u häufig eine verdumpfung, die ich mit ä andeuten will,
wie: küärdm kuss, küärkuär neben küdrkiiar schlänge, küäldy
und küaldy stock u. s. w., woher dann zu erklären sind die
Schreibungen bei reisenden, wie: koram kuss, kokwor schlänge,
koleiy kuole stock u. s. w. Kurzes e nach u fällt oft mit diesem
zusammen, wie: güebdr und gübdr Schnabeltier, küelil und küUl
armband u. s. w.
e) Tritt ein formbildendes dement dem wortanlautenden
u-haltigen guttural voran, dann kommt widerum die obige regel
sub c zur geltung; so lautet z. b. von kUata verschlingen, das
perfect: a-ükta\ dann auch äkta' gesprochen (bei Almk. d-kütd")
ich verschlang, t-uktaa (A. te-küta^d) du verschlangst, ükta'
(für e-kütd') er verschlang, n-ykta^ (für ne-kütä') wir verschlangen
u. s. w. Ebenso das negat. präsens: kduktä* (fUr ka-akütd') ich
verschlinge nicht, aber: ki-t-kütd'a du verschlingst nicht u. s. w.
Die analoge erscheinun^ zeigt sich ja auch z. b. in «ju»^) (für
i^t) Schwester (vgl. yLl ^\ bruder). Ist aber das vorantretende
formbildende dement selbst ein u, dann flüchtet sich das ü der
ersten Stammsilbe bisweilen in die nächstfolgende, z. b. kürib
elefant, aber: ü-krüb der elefant; küdhi, küehi und kühi ei, aber:
ü-khüi das ei; güebdr, gübdr Schnabeltier, aber: 'ä-gbär (d. i.
gbiLar oder gbav/r) das Schnabeltier, plur. ä-ugbara die Schnabel-
tiere ; küfil = jAs schloss, ü-kful das schloss, plur. ä-küfela und
ä-^kfela die Schlösser (über den accent in küfil s. §. 107); vgl.
auch güb maus, plur. guba, aber d-gbua (für ä-güba) die mause,
bei Almkvist §.31.
E) Die kdkopflaute A und ' (hamzeh).
47) Wie schon erwänt, existirt im Be<Jauye nur ein einziges
A, unser h und das semitische || s n wärend die starkem
reibungsgeräuschlaute der Semiten *} #h c C '^ ^^^^ nicht vor-
handen sind. Dem Be(J. A entspricht auch in den übrigen
kuschitischen idiomen gewönlich ein A, wie: hebib = Sa. hinböj
himböy So. hümbo (G. rliC4«0 schäum; heldy == Ga. hilezd hase;
30 TII. Abbandlang: Beiniscli.
hau, hö == Bil. haüj 'Af. hö gebeil; kam und hamham == Sa.
'Af. Bil. hamham, ^ "^ gA hamham, £M£^M ^i^-Jjb und ^
^ c
Tl. Ty. llirilinya wiehern; Aiu;, hi = Sa. 'Af. Äotr (Ti. flfli
G. IDflfli «4^i) gßl^ßii; hayük = Sa. 'Af. hotik, So. Aa(2u^
Stern; jeÄff = Bil. gehB-rä, Cha. gifit-rä (Ti. G. ^A,«) hyrax
abessinicus; kehan = Sa. 'Af. kahan lieben; leh = Sa. 'Af. lüh
krank sein; mah = Sa. 'Af. mäh morgen; mahdy drei = Sa.
'Af bahdr acht d. i. [5 +] 3 u. s. w. In semitischen lehnwörtem
steht dem h ebenfalls s ü gegenüber, wie: hüd = Sj^ donner;
hadam = f jjb zerstören u. s. w., vil seltener ein ^ oder ^ wofür
besonders in den eingebürgerten lehnwörtem meistens ein k
eintritt; vgl. oben §. 37, a.
48) Als erweichungslaut der gutturalen entspricht Be<J. h
auch häufig einem k, g, auch q, wie ja schon im Be^auye selbst
in vereinzelten fällen h neben k vorkommt, wie: hdra und küdra
räuber (Bil. gürgür, Ku. gür, Bar. hüal, häl rauben) ; hüs neben
kösa messer. Den verwanten sprachen gegenüber steht Be(J. h
= ky g, q in: hdd'a (für hadha, hadhada) greis = Bil. qadad,
G. 4*AA' Sa. has alt, grau werden; har = »p die monatliche
menstruation; harib = iSy^ (im Sudan i^^) wasserschlauch;
hu = G. ♦XI'* *^ gespei; drha hinaus, draussen = ^jjL ex-
temus, ^jL\ J\ foras; erh = Ga. arg, So. arag, araq sehen;
'd^ha postpos. zu, bei = Bar. -dik, Cha. -tik id. ; güinhal, gülhin
= So. söhul (für sanhul), Ga,. jigiU, Ty. ^74» A^« Ti. i-^hA'
Bil. tdnkal, Qu. tdngal eile, arm, ellenbogen; hankill = JiJi
kitzeln; lehd-y, lehd-yt (ablativ) = A. ip» G. J*7||> morgen;
mah = So. bago erschrecken, Bil. ba§a§ä schreck; mehi = Ti.
(H*K' übrig bleiben; muh (für mehü, s. §. 46, a) genügen ==
A. fl^i id., G. 114^0 1 zuträglich sein; m§hin, emhin = ^^lÜ
ort; toÄ = Sa. *Af. Cha. dag, Ga. ^liga berüren, tasten; idlha,
tdrha == Ku. sdrgä links, linke seite.
49) Ebenso steht Be<J. h bisweilen einem 'ayn oder hamzeh
gegenüber, wie: hadug und G. Oip4*9 oA4*> flechten; haküar
und G. Ot>d' Sa. 'Af. 'ajar binden; haiig krümmen, hanag
krumm sein, und Ti. in>i (l4»>i Jü ^15? krümmen; AoZan
und ,£^^\ jetzt; hdma^a knecht, und G. Ofloi' »5^ "^5? arbeiten;
hamay und Ti. G. O^flf i gross werden, wachsen;* Airwf« und
* Vg^l. Cha. ;|fay aus ;|fatoy = G. 0«flf I Chamirsprache §. 68.
Die B«dM7»-Spimche in Nordost-Afrika. II. 81
6. M* A. 'htCEL't* (Sa. 'Af. hald, So. ged) banm, holz; hdrka
und G. X^^i (Sa. hard, Ga. ir^) arm, band.
50) Der hanchlaut h ftirt auch auf ein früheres 8 zurück,
wie aus den dialeetformen des Be^auye selbst zu ersehen ist
in: barüh (Had. Hai.) neben barits (BA.) er, batuh neben bat&s
sie, baräh neben baräs sie (pl. m.), batdh neben batas sie (pl. f.),
-üh sein, ir, suus, neben -fi«, -hena neben -sena ir, eorum. So
steht auch Be^. h für früheres s in: hob zeit, -hob wann, zur
zeit, und G. /kfl, i /kfl * eo tempore, tunc, vgl. SS^ tempus (Nub.
i6be zeit); hida = Sa. siddä (*Af. tidda) gemeinschaft, zusammen;
hakab = Ti. Allfl* 0^- Ahfli ^?^ sich setzen, sitzen; hakik
stutzen (die haare) = lCi> stutzen (zu lange oren); hdmUy hämo
haar, wolle = Gur. ÜV^^i IL^'I'I*^'^ ^^^^ (Kopt. tmmi. So.
tin plur. iim-o) id.; Äwm = Ga. zum gehim; herü = A. Ty.
HID^t G. H^» herumgehen, suchen; hirer-dni = Bil. sarirdy
Ga. zarariti (So. 'aro), Ti. G. '^^'t • A. ?f ^^l* i spinne u. a.
51) Abfall eines frühem h zeigt sich in: ibäb = ^^ auf
der reise sein; ad schlummern = \jjb njn träumen; ^ndi (für
ejin) = Ti. G. 'iH/} i eisen, ^^^i'^ securis; äküa = Ti. fh^^ *
A. A^i ^^AA^ büchse für kautabak; öS pissen, tiSa harn = Sa.
haSSü, *Af. Äay«ti urin; at2 = ]li. honig; t£u;t = Sa. hawd, G.
ififj^i dämmerung; iwa = ^^ ^^.? durstig; bök (aus JaAatfÄ)
= ö. n#|i1rf'* bock; dl = Sa. 'Af. So. ^aA, Ga. ^a sagen; /am
= ^Jeift (genau wie A. 99^ t gegenüber G. ^A^* i^O kole;
laA; = sjüj schlürfen, trinken; Zöm malzeit, vgl. ^ essen, on^
0
speise; man glätten, rasiren = ^^ji\^ mundavit corium; «ein =
^■n^ teUer; iat neben Sehat = G. Ä"lff« ausgleiten; was-am
neben hwas-am^ hawas-am = Ti. fh^Tf' flA* scherzen; so auch
la' (für AZa') = Sa. qalaö (rnß) kälte; <a/ (für htaf^^ = uJ^
»l^ij wegreissen, abstreifen; mos salz (für Arno«) = Jcx^ Salz-
pflanze, Jf^^ pön sauer, scharf sein; tiw = Bil. faöy, Ti. ttUHi
HA* A. iC^I/i ^U> nix schreien.
52) In gleicher weise ist aus der in §. 48 berürten Ursache
im Be^auye oft ein ausfall von früherem A, gf, g zu beobachten,
wie: abäb = Bil. qabab, Ti. +fli verachten; a4 ^uid a^ = Bil.
qify A. «|»T' Vulva, vgl. \J^ qat und (1 ^ 'a<, OOTTC id.; a«
(Sa. *Af. os) = Qu. Amoz, A4« (aus wakasy Umstellung von G.
fl'Ah*) hinzufügen, mer geben; esse (aus erse^ herse) = G. hCA***
33 Vn. Abhandlung: Beinisch.
^J;^ tTt*? inneres, bauch ;^ u^ = Bil. qüäiqü&t (Sa. aldf) zittern;
edid = Bil. Cha. Qu. qafqat, Ti. G. tT+fll * '^O? teilen, zer-
schlagen; o^am = G. ^mi* Iteß klein sein; dfra = i^Ü dunkel-
heit; üla = Bil. ^SZa, A. ^A^* hoden; ima und ima (zunächst
aus hayma) = Ti. tfry^i winter; embal-öy, embar-öy = Ti. A.
G. h1^C> Sa. kdmfer lippe; (£mna Wöchnerin = Agm. kaman,
Bil. Qu. Bar. kaban gebären; ön = A. \\A' G. tf"#liAi niit
kohol die äugen bestreichen; ör (für aür, awr^ Ga. awdld) =
Ti. ♦•0^1 G. tn^i )I* "Qß begraben;* arid und 'arid = JJi»
^^,^ spilen, tanzen;^ a«öi == G. t^AA* wunde; oti^^y = Bil.
De. Qu. Cha. käb helfen; marä (und maräy) = A. •7^h> Ti.
G. •7Ü^h » überfallen den feind, u. a.
53) Das hamzeh, obwol noch in zalreichen fällen yorhandeui
ist im Be^uye im aussterben begriffen^ was man leicht daraus
ersehen kann, dass in semitischen lehnwörtern, worin hamzeh,
ja sogar noch *ayn vorkommt, diese laute im Bedauye insbe-
sondere im anlaut häufig nicht mer gesprochen werden. Bis-
weilen kommen im Be^auye noch die parallelformen mit und
one hamzeh vor, wie: 'ör und ör kind, ^arid und arid tanzen,
*a« und as verschliessen u. s. w.
54) Im vergleich mit den verwanten sprachen steht dem
hamzeh meist ebenfalls hamzeh oder *ayn gegenüber, wie: *a^
und Jafi heu, vihfutter; ^afi4 nnd Li* niesen; ^agir mannbares
mädchen, und^t sponsalitium ; 'a^ und G. 0%(Dt verschliessen;
*<Uo und G. If^i fisch; 'at und Li, Sa. 'Af. *at treten; Jr be-
schlafen, und iU id., 'U coitus; beWäy und Ti. G. «fld^J&i Sa.
"Af. be'irä (Bil. De. Qu. Agm. bira) stier; di\ de klein, zart,
und ^^yLo tenuis fuit; deHr bauen ein haus, heiraten = G. wCO*
struere, condere; fila* entjungfern, und ^ fidit, XaXj pudendum
muliebre; güa" und G. Oü^ti* ^i stossen; guad bewachen,
und jJi* sedit, servavit; gi^d* und *\ja^ sandale; gand' und *Af.
^ e««e für er«e genau so wie in keus (Beni Amer, Had. Hai.) = kars (BiBch.)
greBammtheit, ganzes. Wie in 4s9e für er«e das r sich an folgendes #
assimilirt hat, so dürfte in Ga. gdrra (Bk. Kr., bei T. gära) bauch, hert,
das # sich an vorangehendes r angeglichen haben und gdrra darnach auf
G. )|C/^l 2^ beziehen sein.
' Die gleichen lautverhältnisse zeigen sich in Bil. arb, Qu. arb = *Af.
qdrehi, Sa. qdrhe nnd qäbrCy G. «^flC * "^i* 4*'flCl ^^ i^*^-
• Ueber d für » vgl. §. 7.
Ihe Bedaaye-Sprache in Nordost-Afrilu. Ü. 33
'W
genn'y So. gadn band; la und p^ perle; rtm feucht sein, und
f^V-i G. ^UWi flüssig sein; nu' und ^li sich neigen; mdf und
Sa. 'Af. Zi/T nagel, kralle (vgl. G. ii^^i spähen); neba heiss
sein, und TL A^O* brennen, G. li^O* glänzen, leuchten; sä'
kuh, und Sa. sd^ä, *Af. m. So. «a' vih, baustiere u. s. w.
5ö) Wie dem Be4. h, so entspricht auch dem bamzeh oft ein
t;-laut oder ein aus k geschwächtes Ä; z. b. 'a (flir 'an) und
Sa. * Af. hau (So. dna, Ga. andn) milch ; ^ 'a6iÄ: und v^^^ fest-
halten, greifen; 'agar und G. 'lifL^t (A. fc^^«) beim-, umkeren;
'üla und Bil. ^u^a, qüelä, A. ^A^t* • boden ; 'amad und L^ kls
fassen; 'ör und Bil. ^äi'ü, Cha. De. xüräy Qu. x^^^^ ^urä kind,
son; *afm und ^JiL G. '^'f'ooi (A. fc+ooi) befestigen, ein-
schliessen; 'ayi^A und Ty. fh/^TL* G^- rli.h« ^^^ J^\ kauen;
h% und Bil. faq, lii bescblafen; da'i und Bil. saq, G. ipf 4**
flechten; fira und Ti. A1^* hinausgehen; gua und Bil. Ja',
De. Qu. J'a;^, Agm. aeka, Cha. «e^Ä, ««^g^ trinken; güäW und Ti.
7*A^j6' glatzkopf (n*?: J^); gdm'a und ^* weizen; gfand'
(*Af. gend\ So. gadn) und ^li^. hand;^ gfiVa neben ginha brüst,
herz = ^'^^^ interior et anterior costa, pectus respiciens (vgl.
Ü^ und ilL, se inclinavit, Aram. jn^ sich beugen, bücken, Hebr.
pnj bauch der kriechenden tiere); hdd'a (aus hadh-a für Aad-
had-a) greis, schech = G. +rtA i tr^ß «>\?; Bil. qadad, Sa. Äa«
consenuit, «^A.Ai senex (zu d = rt s. §. 7); mdk'ali und Ty.
^■•ff+A«» ^'"A+A«' gestell; rui'i und Ga. re'. So. ri*, WA, Sa.
'Af. ZöA zige; ne neben ne, na und Cha. ll plur. ZiA:, De. Qu.
Idyäy Bil. Z^ä, Agm. lag feuer, Sa. 'Af. Zä* heiss sein; H' und
j^Vi» alt werden; tai und Bil. Cha. Qu. iah gleichen; tu' kneifen,
und G. fli+i pressen; {a' und A. fli^i G. rn^^O' Sa. *Af.
toi, toj schlagen; mula, ula umrüren, mischen, und ^^XiS com-
miscuit; ya brennen, leuchten, yu Hebt, und Bil. yag leuchten;
ya4a unvollkommen reduplicirt, zunächst aus qa4ag[a4] = Bil.
jiief, Cha. juf, Qu. Aöef, Ga. jid feucht sein, genau so wie Be4.
Aa<2' aus hadh[ad] = Bil. qadad, G. 4*AA > ^^R ^It, ergraut
sein u. s. w.
^ Das wort hcm steht warscheinlich im Zusammenhang mit Harari hayi =
A. fhj^'il' '^^' ^' fflA«"!!' «^-"^^^ ^^^7 milch; sonach stünde n in
^on für l, vgl. oben §. 12, c.
■ Vgl. §. 39, note 2.
Sitsiuigtber. d..plül..hi8t. Ol. CXXYm. Bd. 7. Abh. 3
34 ^I* Abhandlung: Beinisch.
F) Die lippenlaute.
56) Wie fast in allen kuschitischen sprachen so feit auch
im Becjauye der verschlusslaut p und die labiale gruppe besteht
hier aus den lauten 6, /, w, m. Die ausspräche des b ist stets
tönend und weich, wie unser inlautendes b in leben, geben.
Den verwanten sprachen gegenüber erscheint für Be^. b meistens
der gleiche laut, wie: ba'ar und Bil. Sa. bir aufwachen; bdba
und Ga. böba, A. •fl-fl^'i armhöle; bddo furche, und Bil. 6uf,
Sa. bod öffnen, aufgraben; bola und *Af. bäl (Cha. war, Qu.
wa^ar) spilen; belbel wilde taube, und 6a. bululd taube; balöl
und Sa. bolöl, Qu. bal, Bil. Cha. bir, A. flAHA > sich entzünden,
brennen; biltu und Ku. börtä hirse; 6fle, bire regen, und Ku. bal
giessen, d-üla regen; bes begraben, und Sa. bäs verborgen sein,
J>U tectus et occultus fuit, ^U-i refugium; bür und Sa. *Af.
balöj Bil. birä, De. Qu. biyä erde; berir und Bil. barbar aus-,
auf breiten; bdye und Ga. bald blatt, laub; boy und Sa. büöf
Bil. Cha. Qu. Agm. bir blut; dgaba und Sa. agdba, Bil. kdbgä
büffel; däb und Bil. De. Qu.^'öft front, Vorderseite; dib und Sa.
'Af. dabby Bil. dibb fallen; ddmba (aus danba, darba) und Sa.
'Af. Ga. zdrbä, Bil. hdrbe wade und schinbein; c^e6 und Bil. De.
Qu. dab, Cha. dib begraben; 4^mbo und Sa. iäbä brod; jröfte
und Sa. 'Af. gab, Bil. De. Qu. gib, ^yy Schild ; kab beschlafen,
und Bil. kab öffnen die infibulirte Jungfrau; kürib und Bar.
kurbej Ga. drba elefant; rdba und Sa. 'Af. So. lab männUch;
rib und Sa. 'Af. na ab sich weigern, nicht wollen; t^b und Bil.
ta'anby Qu. ^äw6, Cha. fäb schlagen, u. s. w.
57) Bisweilen entspricht es einem / in den übrigen idio-
men, wie: bari haben, besitzen = ^ji auf-, zusammenbringen;
bir neben flr = Bil. ßr (Cha. bir, Sa. brar, Ti. fl^ i A. H^^ i)
fliegen; babal und Sa,, fafal, f^dfol flattern; b% und Bil. /oj*
IrQj beschlafen, G. ^^0« jucundatibus irui; iite antliz, und
A. ^^9 id.; bas und Ti. ^A' hinüberschütten aus einem ge-
fä,ss ins andere; güb, gübbj gibb und iJ^ maus; gab und CaS ftn-
lich sein; gab und Ga. qüfa satt sein; ^^616 (aus hebhib) schäum,
und Ku. kämfä (aus känfä, kärfa), A. h»^^ « schäumen, G.
fliC4«s schäum (Sa. Äfn&ö, himbö, So. hümbo id.); kdnSib und
,^ywXo>. e^^n käfer; kansübe nähnadel, zu üuo^i. nähen, gehörig;
rib und »JurJ vJi^Ü (Sa. *Af. na ab) sich weigern, nicht wollen,
Die B6d*iiye-Spr»che in Nordost-Afrika. II. 35
verabscheuen: Sebib und ljL^ schauen; amharöy, amhalöy und
Ti. G. hl^C* Bil- Agm. kdnfar^ Cha. kifir lippe; idmha und
Bil. fdn^, ^d/*? Q'^- i?<£n6a fussfläche, -sole, u. s. w.
58) Lautübergang von 6 zu m zeigen die formen: hluk
neben mluk^ = ^ dattel; niioi^ und mimdS grab.* Ebenso
steht Be^. h einem m gegenüber in: banün plural benin gegen-
über Sa. *Af. minin augenbraue; bdlo gegenüber So. mär kupfer;
bdski fasten^ gegenüber sJiJiJc sich enthalten; basänküa neben
masänko, Ti. G. A. i^df^t harfe; bdda gegenüber Ga. madi
wange; baSäkü, baääuk gar werden, reifen, vgl. ^jJo ^X« ma-
turavit; neba heiss sein, gegenüber Ti. Ai^O ' brennen, G.
A9**0i glänzen, leuchten. Das wort irbun mais, scheint für
rumün »griechenkom« zu stehen. Hieher gehört auch imbira,
mit dem fem. artikel tü-minra die termite, weisse ameise, welches
wort aus iiÜ nboj ameise, entstanden ist; embira steht zunächst
fiir nemira, dann enmira, emmira das infolge von dissimilation
zu embira geworden ist.
59) Auch dem Be(J. / entspricht in den übrigen idiomen
meistens der gleiche laut, wie: fifl und Sa. jJ^ r/aA, Ti. ^T '
(lA* sich schneuzen; füf und Sa. 'Af. Bil. füf blasen; fafar
springen, hüpfen, und Ssl. fafal, falfal flattern; fegir (aus gefir)
und jii yi "^ips bedecken, bedachen; fakak entjungfern, und
Bil. Sa. 'Af.fak, jxJ ^JJ öfinen; ßn und Bil. /ün, Ga. fümf-a^a
riechen; für und 8a,. firi, Ti. G. ^^i blute; fir und Bil. ^r
fliegen; fir und Ga. /tiZa gesiebt; för und Bar. /wr fliehen,
Jj; /eriA und Sa. fara\ ^j.s G. ^|/^ > graben; füti und Sa. 'Af.
So. futäy A. ^;f'« brühe; 4/^ und Ti. G. h^h^ vorhaus; gif
und G. güfada, Sa. gonfö-yt sich anstossen, straucheln; Aa/
klagen, singen, und «^^ heulen; kalif und G. ghHV* nacken;
ne'äf und Sa. *Af. lifi' nagel, kralle; tiffö und Bil. tiff, Cha. ii/,
Sa. 'Af. So. tuf Ga. iw/a spucken, u. s. w.
60) Vil seltener steht dem Be^. / ein b in den übrigen
idiomen gegenüber, z. b. döf und Sa. dübö fleischstück; genaf
^ Die niination hat der guttural an sich gezogen; vgl. §. 46, b und §. 46, a;
KU k und ^ 8. §. 37, b.
' In Barka verzeichnete ich nibdi und nimdif, in Suakin mimdi; vgl. damit
das verb bes begraben. Die richtige nominalform wäre daher: nU-beS,
dann mi-mei und warscheinlich ist hieraus durch dissimilation nimei ent-
standen; vgl. bes in §. 66.
3»
36 VII. AbhMidlang: Beinisch.
knien, giinduf und giimba (aus gunba) knie, und Bil. Cha. Qu.
Agm. girb, De. gülbey Sa. 'Af. gnlub, So. jilib, Ga. jilba, A. T*A
fl^^i knie; genüf^ und BiL qünbä, Qu. humbd nase; ie/i milch
trinken, und Bil. De. Qu. .§a6, Cha. saby Agm. i^a/, Ty. XQ'
milch, A. nin> G. rnfl^' lactare; <e/a* und Bil. etebd^ Sa. 'Af.
hinduby A. M'fli'i nabel, u. a.
61) Als labiodentale spirans entspricht im Bec^auye das
f einem früheren z, s in: fadig vier, gegenüber ds-Sa4ig neun
d. i [5] + 4, däSadig aus asa mer ausmachend, und «o^t^ = 4
(vgl. L. Reinisch, Das zalwort vier und neun etc. Wien 1890,
p. 7 ff.). In gleicher weise steht / = z, » in Be4. fm = Sa.
sin, Ti. Ä^fs G. JtV* geruch; fu = iLi> riechen; /i' bauch,
inneres = *^,Lo intestinum; Ä/" = Ti. ^ft* &iis-, vergiessen; /ör,
fafar Ti. rt^« springen, hüpfen, fliegen; 'o/I^ flir ^a^if =
Gr. OniA ' ^^ niesen (vgl. Sahowörterb. s. v. handifö)] daf das
rauchbad nemen und Bil. dif = G. ^ft i rauch, ulA « rauchen;
AeV/a — v>*7^ dumm; külinfe andauernder regen, vgl. ,j-li^
continuä pluviä pluit (coelum). Ebenso entspricht dem rießk,
Ar. iü furzen, eine ältere form Liaj odorem emisit; rehaf (für
haraf) - j^ bewachen. Warschein Uch gehört auch Be4. biye
Seite, rippe, mit Nub. bsri (KD.), fili (FM.) id. zusammen, die
gemeinschaftlich herstammen aus ^^ costa. Einem h entspricht
BecJ. / in den parallelformen fay und hay sein, existiren ; dann
in: sadtf neben sätha --^ jL^ dach; ebenso fürt fenik beissen,
auf ^JJi^ id., und fena, Jina lanze, * auf Ty . Tis Vi* « (Ti. G.
62) Der laut w ist seiner ausspräche nach ganz gleich der
des englischen w, daher auch häufig folgendes, bisweilen auch
vorangehendes a zu d und «, auch i zu u verdumpft werden,
wie: wä = ^ iD und; wäraga -= i»^^ papier; wäkily doch auch
wdkil = J-^3 anwalt; wäkte neben wdkte = vJU»^ zeit; ti?(iZ' =
^3 anzünden; um' dga ^Ti. Oh^^i cercopithecus griseo- viridis
D.; vmk neben wik == lü abtrennen; tvun und te^in gross. Ebenso
bisweilen vorangehendes a, e besonders wenn der vocal mit
folgendem w zu einer silbe zusammengezogen wird; z. b. äwweli
^ Vgl. c3Ui» magno naso praeditiis.
' lieber den abfall von anlautendem e s. §. 76 und über e in Ufa s. §. 105.
' Das k (für Xy »• §• 36) ist noch erhalten in Be<j. kendobi lanzenschaft =
ken lanze + ddW (Sa. *Af. So. däi stil, schafl, heft).
Di§ BedMye-Spnche in Nordost-Afnfau II. 37
= Jjl erster; i&wa = Ti. 0«flXs stamm, tribus; jäwdb neben
jawdb = v)\>i. antwort; duwBr (fUr dewir) = ^\^ gesinde, die
weitere familie; gdruwa (für garewa) - Ti. 1CV* mas, mas-
ctdus; Zwtü (aus lehw) = C^ brennen u. s. w. Zwischen zwei
vocalen wird das w entweder ganz ausgestossen (s. §. 66j oder
auch nur ser schwach gehört, daher man z. b. den stammes-
namen Ha(f4n4äwa^ in den reisewerken stets Hadendoa ge-
schriben findet. SilbenschUessendes w geht zu ü über, wie gaü
plur. gdwa haus, duwdn ich schHef, du-ta (für duw-, dew-ta)
du schliefst.
63) In den übrigen sprachen findet sich für Be4. t<? eben-
falls meist der gleiche laut vor, z. b. wä' und Sa. 'Af. wä\ Bil.
icd', Cha. wag^ De. Qu. wäg rufen; wudga und Sa. Bil. wä*ägä
cercopithecus griseo- viridis; ivälwäl =^ Bil. id., luft; w?wn, irin
und So. wein gross; 'a«r, 'aw und ^ honig; am und Sa. hdwä,
ö. #h^*/i' dämmerung; düley (für ^dwley) und Cha. afJZd, A.
Otthfir* Sturmwind; duwdn und ^>4^ plur. ^^ die burma,
wasserkrug; duwir und ^\^ genossen schaft (vgl. §. 25); gaü
und Bil. De. kaü haus, familie; hawäd und Ku. awddä nacht;
kawii} und G. AH^T' peitsche; tlw und Bil. faw y, Ti. CELOhi
HA « A. ff^U « "13f schreien ^ u. s. w.
64) Häufig entspricht dem w auch b, wie: würe, üre und
Sa. 'Af. bire gestern; 'a«?, 'ai2 (Ar. ^) und ® j ^^^/^ X^^} Kopt.
€&ito honig; dwe und Ku. e6ä, Ti. G. h'ttt* I?^ stein (s. §. 16);
aüle hungersnot, und Ti. G. OflC > dürre, hunger; atvay, awe
und Bil. kab helfen; däwa und Sa. *Af. ddbäj Bil. cibd^ ßbd,
Ti. O'dh* stamm, tribus; duw und Bar. debj Ku. tabe sich
schlafen legen; dö^ (aus rfati?') und ^^ A. G. rnflt ' ankleben;
küabil (für kbabil) und G. lAnfl' verschleiern; kadaw, kaijaü
und kli MH G. 'J^rn > schlagen; luw (für Zcäm?) und G. AUfl'
cl^ brennen; reit', reÄ und Uj hinaufsteigen (vgl. rgJa und
^' berg, hügel); rittm, riü geld,^ und \Jj usura; yaund (Cha.
kawaSj A. \\A0 ^i^^d G. hflA- flechten. Umgekert steht ein
^ Aus had^-ind-4&wa »stamm der herrenleute« , gegensatz kUiiKJidwa
»Sklaven-, dienerstamm« die Tigr^. Die palatalisining geht von 4^wa
aus, das zuerst das d in 4nda leute, sich amalgamirte, dann vorangehendes
n zu ri veränderte, das wider seinerseits auf d in had^a eingewirkt hat.
* Zu t für c, f vgl. §. 20.
' Ueber e in riba, rium vgl. §. 105.
38 ▼Q- Abbandlong: Beinisch.
früheres Be4. b einem jungem w in den übrigen idiomen gegen-
über in: ben (aus ha-in) = Ku. wä-inäy Sa. u?(l, ö jener; keUb
und Bil. gulldw knöchel, u. a.
65) In einigen ftlllen fürt w auf / zurück, wie: wik und
G. ^^h* ^ abtrennen; iwa und c-3^ durstig, »1!^ -•— " U
>^ ^A/w^A *a6, ei&e sitire; nehaw, nehaü und c-aäj schmächtig,
mager sein; tawigäy plur. tairzj insect, mücke, floh,^ und Ga.
dafqij So. frfA/J floh; umgekert BecJ. dfa und So. diro abend,
gestern. Ein ic ist bisweilen der rest eines frühem u-haltigen
gutturals, wie in: winhal neben güinhal eile; w-äZa, üla =^ Bil.
qüeläy qüMy G. tAl'» hoden; tt'dZife (flir küdlik) = Sa. guärah
und kalah, G. hAfli* i^* schreien, rufen; wasam neben hwasam,
hawasam scherzen. Lerreich sind die parallelformen metüngiili
(Beni Amer) und entiwala, entüwala (Halenga) der melreibstein.
Hier steht die letztere form für methiiala, und metungüli (mit
secundärem nasal) für mettigualiy metgualiy entstanden aus Ti.
iiD^^ls id., dLi«ik« mola. Auf y fürt w zurück in: ao?, aÄ
(Bü. Clia. Qu. Sa. 'Af. aü) = Ti. G. fc/i > J\ (j "^ ^ 'ay wer?
5^Ä=?^^ ay- za = npK wer? Dann in ara^ freund, zu G.
O^f s aequalem esse, gehörig; ferner in: kawj kaü und BiL
käyä, Ti. G. J^^V « perlhun, perdrix Erkelii. Hieher gehört
auch das nur in der passiven form vorkommende naü, in atö-
naü datus fui, das mit dem Agauwort Bil. nag, Cha. nag vor
consonantischen suffixen nay geben, im zusammenhange steht
66) Abfall von w zeigt sich in: ü neben uoü (artikel) der;
ady a4 = Sa. wät, wät (Bar. med) verfluchen; dba, eba ^- So.
webiy wäbbi (Cha. wirbd, Bil. wärabä) fluss; iga (für wega) hirt
= Sa. waqayj G. ID4*f > o*i bewachen (So. eg wachsam sein,
Nub. wegi das vih hüten); deg (für degw) = Bil. (o^, De. f«j,
aber Agm. sekü, svk, Cha. siqaw, G. JC/h^' schwer sein; <fc
(für dew, vgl. da/ ins Schwitzbad gehen, §. 61) = Bil. taü-näj
Ti. 'fOh^^i Schwitzbad; hi = Sa. *Af. Aau?, Ti. Hfl« G. IDf/fli
^ Bei Seetzen: tatdk mücke. IrrthUmlich hält Alrnkvist ta ftir den fem.
artikel, indem er in seinem Wörterbuch b. 68 also ansetzt: »irSibf?] f.:
Seetz. t€tuik mücke«. Aus 6a. da/qi, So. tdkfi floh, ist villeicht zu er-
schliessen ein Zusammenhang mit G. f/J^J^ l pungere, fodere (/ = «,
vgl. §. 61), cf. ^^yZJi'> impetum fecit, dL«U»S animalculi nomen (vgl. So.
cUqsi fliege).
Di« Bedaaye-Spnche in Nordost-Afrika. II. 39
geben; häS = G. ^H j staub, von 'tlDR s; hay = Sa. *Af. heyaü^
Gr- ihfä^i lebend; re bmnnen = Sa. ratc^ raü wasseransamm-
lungy tümpely G. Iß^^ » irrigari, u. a. Dieser abfall von xc tritt
besonders hänfig ein zwischen zwei vocalen; wie: da neben dwä
= Ti. G. Y\(Dt Ty. Yi^t ja; ret2 und rkcu'^ geld (Ar. Uj usura);
ay wessen^ aus cav-ij von aw, aü wer; und so auch: malU, male
für mallaw-ij genetiv von mallö, malö (aus mallaw) zwei; rg
für rävc'ij genetiv von rötr, räü genösse, kamerad u. a.
67) Für m zeigt sich in den verwanten sprachen meist
der gleiche laut, so: medid und G. iidT|iidT|j 'yUyc abrasiren;
mag und Ga. mäga schlecht sein; mah und Sa. *Af. mäh morgen;
mehas und Ti. G. o^hJh * ^^^ hauptmalzeit des tages einnemen ;
malh und Cha. maxil, A. ^|/A ' mitte i zu YMh < gehörig) ;
melah und Bil. marh, Sa. 'Af. marah, Ti. G. iT^Crh' ^^^^ weg
zeigen^ füren; mes und Bil. wid, Ti. G. ^hJC» »^U tisch;
metünguli und Sa. ma]ahdn der melreibstein, iüik« mlüe; wwiy-
iiia, mdyuka und Ga. mirga, So. midig, 'Af. midg'i, Sa. mizgdy
midgi rechts, rechte (band, seite); der im und ^J;^ herde; /am
und ^»Ä» kole; Awm und Ga. zamü gehirn; Ihna und Sa. ilmä,
Ti. fcA^?' krokodil (Nub. elüm, uliim id.); ram und ^j folgen;
iemt^ und Bil. iamat, Ti. ffim+i schmieren; towi essen, und
Bil. De. Qu. {am, Cha. fam, Ti. #q^iiDi G. '^fiaoi '^^ ver-
kosten; <im und Bil. <im y (Sa. *Af. tibh dah) schweigen; tdmuga
und G. Op^i links; tamiriy tamün und Sa. tdmmän ('Af. <a-
&an4y So. taban) zehn, u. a.
68) Häufig ist m aus einem 6 hervorgegangen, wie: mag,
Ga. mS^ i. e. magna schlecht sein, werden -- Sa. bah stinkend
werden, faulen; schlecht, verrufen, missachtet sein, und Qu.
bohuy G. fl'MI'V»» ^U stinken, faulen; mdgäa und Bil. bykü-dnäy
Qu. beküdnä wölke, Ga. boküd regen; mäh und So. bag er-
schrecken, Sa. bagdgä schreck; mhi, mehi und Ti. tl^h* übrig
bleiben; muh genug sein, und A. fl^i genügen, genug sein,
G- flt^O* zuträglich sein; mehdy drei, und Sa. 'Af. bahdr acht
d. i. [5 -|-] 3; mar und Ga. bira, So. bdrbar seite, neben; mara
und Ga. 6aZ* weit sein; wa«e Vergangenheit, jar, und Sa. icwö,
'Af. biso vergangene zeit; mi-mdi grab, von bes begraben (vgl.
§. 58, note 2); dmna (für abna) und Sa. *Af. Bil. Cha. Qu. abin
^ Langes e wegen des accentes, s. §. 105.
40 '^f^^^ Abhandlung: Beinisch.
gast; dmna kindbetterin, Wöchnerin, und Agm. kaman, aber
Bil. Qu. Bar. kaban gebären; hami und Ti. G. 'i'fifii Ui.
bedecken; hdmada knecht, und G. Oflni ' *^ "^^ dienen; Äa-
mag und So. ubah frucht; hamay und Ti. G. 0«flf i wachsen,
gross werden; hümeni und Ga. qdhenay So. haben (Agm. kemani)
abend; irwm und Bil. güärab, Cha. girdbä, De. Qu. güyebj gueb
(Sa. *Af. gflrrul, Ga. gandma) der frühe morgen.
69) Sehener erscheint Wechsel zwischen m und /, w; vgl.
z. b. masa und G. ^XTrh' li-^ ^^^ ^^P* spalten, Bil. baSaqu ab-
reissen; hamasdy und ^>»^ blind; kaddm und Äi\JLÄ. podex;
mä«w und Bil. De. Qu. wäSy Cha. tt'aa;, it'd;, Bar. was, Kaf. u?äy
hören, w^d; or; (lemi und ,3^4. stinken (s. §. 25); ketim und
Sa. kataw ankommen; raw, raü zweiter (malö aus ma-laü zwei)
und asa-rdma d. i. [5] + 2, siben, Ga. Idma, Sa. Idmmä (So.
Zt£6a) zwei; sellem und Sa. saraif, Ty. A^fl^ ' acacia etbaica;
Sum und Sa. *Af. zatr, Bil. Cha. De. Agm. tuw, Ty. G. tii*^*
eintreten, u. a. Abfall von m zeigt sich in baldnda teer ==
^tJU pix liquida.
70) Aus n ist m entstanden in der medial- und passiv-
bildung der vcrba mittelst w, welche wie in sämmtlichen nider-
kuschitischen sprachen dem nifal oder sibenten arabischen ve^
baiform entspricht; ebenso in: ma kommen, aus Ti. G. J^i
venu a^am =■■ G. 4* Hl)' f^R klein sein, Cha. eün = G. +rtl«1'
klein; damer sich beschmutzen =-- ^yiS> sorduit; gedäm ^= ^yj^
JjcÄ. Wurzel; hamisina = ji^ die koloquinte; ma^dm matte,
und Ti. ID^V c^i eine matte flechten; suküdm = ^jX*-> Steuer-
ruder; semum == ^-,4^^ butter, fett; serdm = So. saren, Sa. «inrö,
Ty. G. f^CMf» » Weizen. Auch scheint mifa knochen, mit Bil.
näi id., zusammen zu gehören, vgl. De. Qu. näSj Agm. Cha.
fioz^ aus ^naa: flir gazn = A. i^ifl": u. Yifi^t Ti. G. OKf^^
^^ knochen.^
71) In folge einer assimilation geht n vor lippenlauten
regelmässig in m über, obwol bisweilen auch in dieser Stellung
das n verbleibt, z. b. dmba neben dnba stercus; amhur neben
anbir flügel; embi\ mbi tag, und neba' heiss sein; ambaröy ^
* Vgl. Nub. nütu (Kulf.), niü (KDFM.) knochen.
■ Ebenso steht im auslaut n für m in: dahan = A. ifi^C^t ausbeflsern
ein kleid, flicken; roiän (auch Sa. rosän) = f^j bui'g» palaat; vgl. auch
Schleicher, Somalisprache pag. 76, §. 61 ff.
IM« Bcdavye-Sprache in Nordost- Afrika. II. 41
Ti. Ty. A. G. hl^C* lippc5 mbäd, embdd fassmatte, und Nub.
nebidy nebidj Kopt. n€& j, I ^ ö ^^^**? ^''''^ J '^^^^ ^^j
jjj pannns^ Stratum; awi/e' = ^ nützlich sein; <m/M (aus
enfuj efnu) = Cha. afir G. A^^^hi fett, salbe; 4^mha = Qu.
§dnbä, Bil. «dn^ fussfläche, -sole; dämba (ftir danba und diess
für darfta) = Sa. 'Af. sarhAj Ga. zarbäj Bil. Äari, Ti. ACfl'
wade, schinbein; gumba knie, neben genaf knien; finifil (aus
finfiV) = ,JiJLi pfefTer; sümfa - Ty. )fl4«s gartenkresse, u. s. w.
72) Genau in folge solcher angleichung kann auch ein
ursprüngliches m zu n tibergehen in der unmittelbaren Stellung
vor t- und A-lauten;* z. b. ^ndera (für emdera aus medera) -=
Sa. madir cordia abessinica; hangibaldy der kleine finger, aus
ham (anfang, erster) + gibaldy finger (da man beim zälen mit
dem kleinen finger beginnt, dieser also der erste ist); kerinte
= Ty. h^^^t« Ti. A. G. h^JP^I^s die periodische regenzeit;
kuärdn-ta sie hat geküsst, gegenüber küäram-dn ich habe ge-
küsst u. s. w. Auf diese weise ist das semitische präfix ma-
(in folge Verkürzung und dann ausfall des vocals) vor folgenden
t' und A-lauten zu n übergegangen; so: ngerdb und mit pro-
stetischem e auch engerdb (Bern Amer) neben dem jungem
lehnwort mdgreb (Bischari) = ,^y»-i abend, west; ferner: enkülib,
aus em-y me-y ma-kelüb =- Sud.-Arab. i^^^li-i ror worin der zucker
versendet wird;* dann: enkaliw kleine pfanne oder ein thontopf
zum kochen (zu G. ♦AP » +AlD s ^^ U* gehörig) flir me-kaliw
= j^^IjL« sartago; anküdna herr, Gott Sa. *Af. makawdn grosser,
häuptling, herrscher, G. C^Y^tt > judex, princeps, dominator.
Dieselbe nominalbildung ist sicher auch vorhanden in: dnga^
^ Doch bleibt m vor Laryngaleo meist erhalten, z. b. nCdre n&rang, von
^ar naren; mah morgen werden, ü-mha der morgen; mäh erschrecken,
i-mha ich erschrak; m^ay and enüiAy drei; emhnbrt = Ti. G. ^^flC'
g^meinderat; mfhir and emkir ■= J^ junges pferd u. a.; ja es geht sogar
nrsprfinglichee n vor laryngalen bisweilen zn m über, wie: dum'ära (ans
dmrCära, dungara) = Nah. dungir, dungi (KD.), fangir (FM.) gold.
' Bei Seetzen findet sich die form *onkuJt%h znckerror« and emkctib id.
(letzteres in der spräche von Darfor), das ist aber nicht znckerror d. i.
saccharom officinarnm L., sondern ror für zncker, wie anch der honig
in Arabien nnd im Sudan in rorbehXltem versendet wird. Die form
Smladtb bei Seetzen besteht ans o dem mascnl. artikel im objectscasos
+ lüadib (ans enkOüb, vgl. §. 45, b), aber i (bei Seetzen i) vgl. §. 105.
42 Vn. Abbandlimg: Heinis eh.
pflüg (ftir amgaS aus marga§\ vgl. Qu. giicus, gAz^ Bil. guad
pflügen, wenn nicht villeicht angai direct aus Ty. •7A^A, » A.
^^Jfi pflüg, entlehnt ist, bei ausfall von r; über jr zu somit. A
s. §. 37, b. Femer gehört villeicht hieher: enga (aus engaVj
Bil. engerä, De. Qu. engiyä plur. engfö) rücken, flir megar =
j^yo posterior pars; dann: endirho oder dndkiro henne, fiir wi€-
öfiVAo, Ti. JCClf « Gr- /^'Clf » gallus, gallina. In solcher weise
ist wol auch zu erklären das wort dn^eA, ctn^e' gegerbte haut
als kleid verwendet, vornemlich aber benützt zum aufbreiten
um darauf bei nacht zu schlafen, Sa. walahö (aus wcufaliö), Cha.
wa§dqy Bil. wäsaqä genannt, im Zusammenhang mit G. IDf^s
(^^ VT) auf-, ausbreiten, ^^Ih't* tuch; hiemach steht dnd ei
für amtjeh aus wia-[tf]rfcÄ, vgl. ^>« J^3fQ lagerstätte. Ebenso
entstanden ist das wort angarB (auch im Nubischen angari) das
tragbare bettgestell, aus amgare für magar^ = ,^^;ji-i lectus, \'^
hospitio excepit. Mit der Be^auye-objectsendung -6 als angarib
ist dieses wort im ganzen Sudan verbreitet und wird im Sudan-
Arabischen w^yo\ und v-.^^\ geschriben, one dass man natür-
Uch weiss, dass dies ein durch das Becjauye entstelltes, gut
arabisches wort ist. Ferner: endaüre, enddwire Schönheit, schön
(vgl. J\j II pulchrum effecit), mit metathesis auch nawddire^ in
welcher Stellung dann ma-wddire zu erwarten wäre, aber die
Umstellung ist wol späteren datums, als die ursprüngliche form.
So findet seine erklärung auch der ausdruck bei Seetzen: tig-
girda tanquih schuster. Diese composition ist zu corrigiren in:
ti'gi4ä't dnküi »Sandalen -ankleider, -verfertiger« und es steht
dnkui für amkui = ma-küi von kai oder küe ankleiden; zum
artikel ti- fiir te- s. §. 113. Nach Almkvist bei tanquih Seetzen's
an das verb tukük ausbessern, zu denken ligt kein grund vor.
Auch gehört hieher das zalwort engäl eins (s. §. 149, a). Hin-
Almkvist, dem das wort nur aus Seetzen bekannt ist, gibt hierttber in
seinem Wörterbuch p. 19 folgendes: *enkuU]y] m. Seetz. [6]nkutXb sucker-
ror.« Wenn nun Almkvist das o richtig als artikel im object erkannt
hat, so ist es unbegreiflich, wie er dann das auslautende h als objects-
endung ansehen konnte, da wie er ja selbst in §. 58 angibt, das object
nur in der unbestimmten Stellung (wenn es also nicht mit dem artikel
versehen ist) im accusativ mitunter ein -h als objectszeichen annimmt
Sud.-Ar. ,_ i^,\ *fc,^ erinnert zwar an Ar. d^^JüL« cilinderförmiges gefSiss,
worin die datteln verfrachtet werden, dürfte aber eher mit Ar. ^^ylj im
Zusammenhang stehen.
Die Bedanje-Sprache in Nordost-Afrilu. ü. 4S
sichtlich des präfixes an-, en- aus am- wäre es zwar ser gut
möglich, dass dasselbe durch einfache Umstellung aus ma- ent-
standen wäre. Dass aber vil eher dieses anlautende a, e erst
später wegen leichterer ausspräche vorgesetzt wurde, daftir
zeugen folgende parallelformen, die ich in Barka bei den Beni
Amer aufgezeichnet habe: metimgüli, mtungüli und §ntünffuli
(Munzinger hat metongohy wol ftir metQngüäle) der melreibstein,
aus welchen formen die art der Umbildung des präfixes ma- wol
klar ersichtlich ist. Bei den Haien ga lautet dasselbe wort entS-
wala (bei Seetzen dntewdlla geschriben). Mit rücksicht auf die
Beni Amer-form ist entiwala entstanden aus me-j ma-tehüala und
tehüal = tungül aus tegüal (mit secundärem n) das was Ti.
^Ai « cr^ V^ (Sa. 4<^hany ' Af. 4^xhal) malen, ^ daher enteküala
= jü^iky Ti. <»"»T#h1 ' Bil- indtgan^ Sa. m^i-lahdn der melreib-
stein. Bei Almkvist kommt dafür vor die form eniiwa der
kleine malstein, nach obigem demnach entstanden aus en-tihüa,^
womit zu vergleichen wäre G. no/Crh.' id> von ^fhP' (^^s
f^thi » J^fhA I = Ti. nt^hi ,) malen.
73) Dasselbe n aus ma- scheint aller warscheinlichkeit nach
sogar in den wortstamm eingedrungen zu sein in: kansube (bei
Almkvist konsube worin o als trübung von a wegen folgendem ü
anzusehen sein dürfte) nähnadel, zunächst aus kna^übe fUr an-
ksübey ma-ksübe = ^^jJaasuo subula, k^jJoL consuit subula. In
gleicher weise scheint auch konbrd berg, hügel, nicht direct zu
^y^y sondern zu einer form JylacL< magnus, J^ä^ crassus ut
mons, zu gehören. Das gleiche eindringen desselben m iiv den
inlaut zeigt sich in kulümfe, külinfe (bei Munzinger: kelänfe)
anhaltender regen, zunächst aus künlife für knulife und dieses
aus unklife, muklife und mu-klise (s. §.61) — ,^x**iacvi von ^^-li^.
continu^ pluvid pluit (coelum). Ferner: tunküi bündel, paket,
aus n-tukuif stamm teku^ welcher per metathesim aus G. h*!*^ •
K^iis cuis entstanden; über u zu/ vgl. oben §. 45, b und 65. Auch
dürfte hieher gehören die form kunda' der madenhacker, bu-
phaga erythrorrhynchus, aus knüda für un-kda\ mvrkda\ auf
^ 6. tOO 3 secare, zu beziehen.
^ 2 für n ausser in *Af. ^aAoZ ist auch noch vorhanden in A. ^||A*' ^^
O. ^ght I Sa. 4^?idn fein gemaltes getreide mit butter geschmorrt, als
speise.
' Zu ^ in entiwala, enUwa vgl. §. 105.
44 yn. Abhandlnng: Bein i seh.
G) Abfall von consonanten.
74) Im allgemeinen ist dieser Vorgang bereits oben an
betreflFenden orten behandelt worden. Hier möge nur noch
aufmerksam gemacht werden auf ein absichtliches abwerfen
von gewissen consonanten, welche von den Bedscha irrtümlich
flir formbildende demente angesehen werden. Wenn man einen
Bedawi nach irgend einen nennwort fragt, so gibt er dasselbe
stets in der objectsform an, genau so wie es auch die Nubier
machen. Da nun männliche (auf einen vocal auslautende)
nennwörter im object ein -6, und die weiblichen ein -t annemen,
80 wird nicht selten ein zum wortstamm gehörendes b und t
als objectszeichen betrachtet und demnach in den casus, welche
nicht das object ausdrücken, weggelassen. Ein solcher Irrtum
ist begreiflicher weise doch nur in lehnwörtem möglich; so
z. b. eldb = Ti. ÖV'Ü^ (^^- alärriy Bil. dlmat) heu; allein das
Be^auye betrachtet Bla als nominativ und sieht im auslautenden
b das objectszeichen; über e in üa vgl. §. 105. Ebenso verhält
es sich mit minda (accus, mendäb) gegenüber Ti. G. ^f^-fli
tropfen; m4rküj miruku (accus, merküb und meruküb) gegenüber
Ti. i^CYt"(i* *— ^j^ schuh; ebenso in -hö neben der noch voll-
ständigen form -hob, zur zeit, da, als, gegenüber G. /kfl»! /kfli
eo tempore, quum. Dagegen scheint aradiy accus, aradsb
tamarinde, in dieser objectsform in die benachbarten semitischen
sprachen übergegangen zu sein, Sud. -Ar. «— o?/f ^^^ *— *iV
Ti. h/ifo'ii* (auch Nub. aradib), da dieses wort gar kein
semitisches aussehen hat, genau so wie das Sud. -Ar. ,JXj»yuI
(s. §. 72). Welcher spräche in dillej accus. delUb, Ti. AA»4I'
frucht der adansonia, die Originalität zukommt, ist nach der
äusseren form schwer zu entscheiden, warscheinlich gehört
aber Be4- dille zu Bil. dirä adansonia und frucht derselben,
wäre demnach chamitischen Ursprunges. In derselben weise
hat das Tigr^ vom Becjauye auch in der objectsform das wort
?f hV*!! ' == Bc4- ^ikena (accus, äeketiäb) trinkschale entlehnt^ das
widerum dem Ar. ^^^iui» entnommen ist; zu k für ^ s. §. 37, b.
75) Der gleiche Vorgang zeigt sich bei weiblichen nenn-
wörtem, wie: dka - Ti. Ty. Wfll*» Bil- ötA<i< frucht der dum-
palme; äküa = Ti. ghlm'l*^ ^^^ büchse mit kautabak; bdla
= Ti. flA^^i Bil. balät schamgürtel der mädchen; d{fo = Ti.
Die Bedanye-Spnche in Nordost-Afrika. II. 45
^Crt* gekochtes getreide (als speise, die belila); ddkya -
Ti. MlV't* Zeltstange; kübre =-= vj^jis schwefel, -hölzchen;
mindara = ij^k-Li spigel; mirba Ti. ii«>Cfl1** Bü. marbdt
blutrache; sdggi = Ti. rtT,!*! netz; wära =- Bil. M7(lrö<, Ti.
(D^^ I arbeit, u. a. Noch auflEUUiger ist diese erscheinung in
fiülen^ wo t zum wortstamm gehört, wie: sab = vjx--^ Ti. G.
Ain^' samstag; mdlka -^ klu feuerzange; sdle = kU^ sesam-
öl. Dasselbe missverständniss obwaltet in: isin fem. gen. das
flosspferd (object: isin-t), welches dem Nubischen: essi-n-tl id.,
wörtlich: >wasser-von-kuh, wasserkuh« entlehnt ist. Das wort
ü kuh, rind, fasste das Becjauye als feminine motion auf und
das genetivische -n des Nuba wurde mit dem wortstamm ver-
schmolzen. Das anlautende i in isin ist aus e in folge von
Yocalharmonie mit dem nachstehenden i entstanden.
76) Im anlaut fürt der abfall von a, e (i)y o, u und t auf
die gleiche Ursache zurück, indem man diese laute fUr den
masculinen oder femininen artikel ansah (s. §. 113); vgl. z. b.
biy glid, membrum, pl. biy-a mit dem plur. artikel dbiya körper,
als reflexiv: äbiy-e ich selbst u. s. w. (s. §. 176), entstanden
aus O. hQA'^ corpus, dann: ipse. Femer had sonntag, flir
joL\ jwÄ.'J\ Ä^j Uma^ ^ Ti. fcA^ « Sa. i7mä, Nub. elüm krokodil;
tib* =- c^^ Ti. diih'fl' baumwolle; tBfa^ Bil. eteba, Ti.
X1"4I' -A.. M'fli't nabel; blis = yy^^^\ teufel; lif = k^\
tausend; lil =- Ti. 2iAA' Bil- *^*^ freudenruf, begrlissungs-
gesang der frauen; bä'elik = ^Ut leichte nebelwolken; vgl.
auch §. 16.
H) Umstellung von consonanten.
77) Ausser der schon oben §. 73 berlirten lautumstellung
von n (m) kommen im Becjauye die mannigfaltigsten arten hier-
von vor, hauptsächUch bei fremdwörtem um dieselben den
eigenen sprachorganen besser anzupassen. Die häufigste art
von metathesis findet statt:
a) Bei den Uquiden, und zwar bei Z, wie: dlafe und A.
Gr. h^C* neben hCO' ^^'^? korb; ambilhöy (aus morbUh-öt)
^ In biy steht y f&r / (s. §. 33) = bal, bd, vor folgendem y ging dann e
m t über, wobei auch der accent zur färbong des e zu i beigetragen
hat (s. §. 105).
' Ueber die ULnge von e s. §. 105.
46 Vn. Abhuidlaiig: BeiBiscb.
trompete = G. ^'■''flllAl** vox; dhaldy und Sa. dilhenö glut-
kole; gülhe neben güinhal = Ga. jigiU, So. söhul, Ti. ^'^«►Al'i
Ti. ■1*1 hA* Ai*^; ^Ue; ^aZt^ krümmen, hantig kromm sein,
und Ti. O^i * J^ ''ß? Bi^* '<^g<^l krümmen, biegen. So. hdngol
der hacken, angar-an gekrümmt; hänküel und Ti. ghlitPf»*
p(oA.H concinnus comae; küabil (aus kbabil) und G. 7Anfl>
verschleiern; kidala neben kdleda = y^Ss becher; läküdy neben
küäldy = Ga. qaldy Kaf. j^Kö, Bar. kärä stock; lehdk und Ti.
Uf^s jXi^ gaumen; maZA und Cha. ma%ilj A. ^|IA* mitte,
zwischen (zu KIlA' g^^^^i^g)? ^^^^' UQ<1 Bil. (aqlaly Ti. m^AA'
durchlöchern.
b) Bei r ; z. b. adger neben ajder können, vermögen, dreg
macht, kraft und j ji potuit, jM potentia; deHr bauen ein haus,
heiraten, und G. ipCO' condere, struere; fegir und yU^ "^Pl
bedachen, bedecken ; gühar stelen, und Ti. ?»CA » ö. 1* A A *
betrügen, hintergehen; güsir und Ji^xi) nf5^ lüge; haragüj haräg
(Nub. orgf) und R 30^^ huqar, ^OHep, pRO hungern;
fciTirc (aus kürye) = Sa. *Af. gärayä i. e. güarayä, So. gäräy,
Har. gürayd straussvogel; <6ri6 = ^' teilen. Villeicht gehört
hieher auch hddda, hd^a (aus har^a flir ha(}ra und dies aus
4ahra) löwe = G. T/h^ » Hlrh^ » mugire, ^ daher KaT. däherö
löwe, cf. bn^ id., der brüller.
c) Bei nasalen; z. b. ^ncK (aus hendi flir hedin) = Ty.
'J^"}» Ti. G. 'liX,'}» eisen; embaUk (aus bnalek) und Ti. -flC
"}|f : Ty. •flC'^X» Sa. bunnahs amaranthus graecizans; 'awär
flir maer --- jJJc hole; ömfu (ftlr en/tt, e/nw) ^ G. ö9/i^'
Cha. a//r fett, pomade; bean {{\xr bena") = Ti. tlCO * G. ^Cll>
tji »i>* ^^^^ flirchten; ^ancfA und ^> G. X"Al^» Ti. ^A/"«
Bil. Saküm, ^ehüm kinn, hart; iemakudni und meSaküdni schlafe,
zu Ti. i7»Alf|0i G. h^^i^H"©» ruminare, gehörig; tdmuga und
G. OPf^i links.
d) Selten finden sich nach dem bisherigen materiale Um-
stellungen anderer consonanten; vgl. z. b. ka4(iw = Ll^ »5^
ö. 'l^ni' schlagen; embd(fe (aus me-tbä-t, s. §. 22) = G. «»T
flAi*» Schwert; «tfö6 und Bil. sibd, A. Affl'f*' geleiten; nehca
und G. Vjfrhs f^ ^^i 1*6^11 sein; mehas und Ti. G. iwAfh' ^
mittagsessen einnemen; akir (flir hakir) == G. bUA' Ti. f|A>
* Vgl. jedoch auch Ti. Ty. UfL^ « j*Xä mugire.
Die Bedaaye-Sprache in Nordost- Afrika. 11. 47
(Agm. kaly Cha. car^ Bil. De. Qu. gar. So. kar) stark sein, ver-
mögeiiy können; hakus und Sa. haSükSnk (jlah, Bil. heSükSük y
zischeln^ in die oren flüstern, verläumden; könHh und ^y^Ju^
^^ käfer; nedf und Sa. 'Af. lifV nagel, kralle (G. V^4**
spalten), u. a.
Ueber assimilation von consonanten hat Almkvist in seinem
buche 8. 52 f. in erschöpfender weise gehandelt, weshalb ich es
unterlasse, auf diesen gegenständ abermals einzugehen. Ich will
nur noch bemerken, dass bei den Beni Amer das n der nasa-
Hrenden präsensbildung in der regel nicht mit folgendem w, y,
Ij r assimilirt wird, z. b. ahanriü ich will (bei Almkvist aherriu)^
anwik (bei A. dtowik) ich schneide,^ u. s. w.
2) Die vocale.
78) Ausser den drei grundvocalen a, i, u besitzt das Be-
(Jauye noch die zwischentöne e, o, alle flinf sowol lang als auch
kurz vorkommend. Die ausspräche derselben bietet im vergleich
zu der unserer vocale nichts bemerkenswertes dar. Bei den
Beni Amer in Barka werden vor labialen die vocale i und u
häufig auch wie ii vernommen, z. b. jiimmo für und neben
jimmo katze, tü-klüb für und neben tü-klib der knöchel, düb
und dib fallen, jüm^a und jüm'a = ^J»^ frei tag, u. s. w.
79) Daneben sind noch zwei vocallaute vorhanden, nemlich
a (bei Munzinger ä) und (;; ersterer wird wie in den übrigen
kuschitischen und äthiopischen sprachen wie e im französischen
mh'e ausgesprochen^ und steht etymologisch für ein kurzes a,
wie: mdnka und mdnka - Ti. G. ao'^lii löffel, kar/iy und kardy
= Ti. h^Jß » hyäne, u. s. w. Das § entspricht genau dem schewa
mobile des Semitischen. Die diftonge ai, ei, oi, au welche
Munzinger und Almkvist auffüren, existiren eigentlich im Be-
(}auye gar nicht, weil die genannten vocalverbindungen, genau
80 wie in den übrigen kuschitischen idiomen, ja nicht wie ein
^ Doch bemerkt Almkvist 1. c. p. 130, note 1: in betreff der assimilirnng
des n vor to, wie z. b. in awivik (für antoik aus wik schneiden) finde ich
besonders notirt, dass der vorangehende vocal einen schwachen nasalen
klang erhält.
* Vgl. Konamasprache §. 7, Bilinsprache §. 18, Chamirsprache §. 4, Quara-
sprache §. 4.
48 Vn. Abhaadlaag: Keinisch.
geschlossener laut gesprochen werden, sondern jeder einzelne
vocal flir sich deutlich vernommen wird.^ Auch ligt diesen
sogenannten diftongen aUj ai u. s. w. tatsächlich nur ein aw,
ay zu gründe, und sie müssen demnach auch so geschriben
werden, allein es ist richtig, dass wenn tv und y im schewa
quiescens stehen, sie dann wie ein w, i gehört werden, z. b. gaü
für gaw haus, aber plur. gdwa] bedhati, aber plur. bedhdtya
zeugniss u. s. w.
A) Der vocal a.
80) Der vocal a erscheint als oflFener laut (wie in unserem:
aber, hammer, kalt):
a) Im anlaut wie : abaldy pavian, a4if rinde, dmba excre-
mente, dsta silber, u. s. w.
b) In der Umgebung der kel- und gaumenlaute, wie: 'a
milch, 'ab zicklein, habi verweigern, haddl schwarz, kaf singen,
kalif nacken, kan wissen; — ba'dso fuchs, dai flechten, fa^id
lachen, bdha antilope saltiana, ddha kinnlade, fagdr bursche,
lak trinken, tak mann, u. s. w.
c) Im auslaut in der nominalendung -a (aus kuschitischem
-ä oder aus dem semitischen nomen unitatis entstanden), wie:
dgaba (bisweilen noch agdba) -— Sa. agdbä. Ti. Ty. KlQ i büffel;
ddmba - Sa. *Af. sarbäj Ti. Ty. ACfl* schinbein, wade; 4^mba
= Qu. Sanbä fussfiäche, -sole; dinya = Uij weit; gdha = Bil.
gübä rhamnus nabak; gtrgüma — Bil. gürgünuiy Sa. durgümd
halsknorpel, adamsapfel; hida = Sa. siddäy 'Af. tiddä gemein-
schaft; Idga = Ti. ftpi Sa. 'Af. r^güd kalb; Uma = Sa. ilmäj
1^^* hii^* krokodil; sükena == Bil. zägüdnäy Qu. sakänä, Cha.
säxänäj Ti. G. Ah»?' fussknöchel; sdra = Sa. 'Af. sdrcL, Cha.
serd rücken, u. s. w.
d) In der participialendung -a (aus früherem -äw, -äü * her-
vorgegangen), wie: dkra stark, f^rha freudig, gddaba traurig,
hdtera mutig, u. s. w.
e) In der pluralendung -a (aus ö, ön' entstanden), wie:
drgin-a lämmer, gdwa häuser, kürba elefanten, u. s. w., sowie
^ Vgl. auch A. W. Schleicher, Somalisprache p. 68. L. Tntschek, DictioiL
of the Galla lang. p. XXIV.
* Vgl. Kafasprache §. 35.
' Vgl. L. Keinisch, Das zalwort vier und neun, p. 9, §. 6.
Die Bedftnye-Sprache in Nordost-Afrika. 11. 49
in der endung des genetivs der merzal im Bischari auf -ya, -a
(Bil. -a aus ya = Amh. f -), wie: aya-ya der bände, gawd-ya
der häuser, henin-a der augenbrauen, u. s. w.
f) In verschidenen verbalendungen, wie: <am-a iss! tam-
driy tdm-ta, täm-ya icb ass, du assest, er ass, u. s. w. In der
merzal der oben angeftlrten fälle ist a aus einem frühem ä her-
vorgegangen.
81) In allen sonstigen Stellungen ist das a weniger oflFen
und neigt mer zur ausspräche von a^ geht sogar häufig auch
zu e über, z. b. barük, auch barük und berük du, karäy, kardy
und kerdy = Ti. 1n^J& » hyäne, u. s. w. Fällt der accent auf ein
solches aus a hervorgegangenes e, so erscheint es häufig als i,
z. b. dingar und ddngar ebene, fläche; kerinte (aus kerdmte, ke-
rnte) = G. h^y^'h» regenzeit; mdnga und minga =-- \^:Jjo wüste;
mdnka und mdnka, minka (aus m4nka) = Ti. G. hd"}}!! löffel;
mirba = Ti. fl^ClH"» räche; mirkab = s^^j^ schiff; riya =- \ä.j
mülstein; terig = A. CB^i^^ » mond, monat, u. s. w.
82) In unmittelbarer Stellung nach lo wird a zufolge der
ausspräche des w wie englisches w meist zu ä verdumpft, wie:
wA (seltener wo) und, wäkil der anwalt, wäkte zeit, wäV anzünden,
wära arbeit (s. §. 62), u. s. w. Aus demselben gründe wird
auch das a nach einem t^-haltigen guttural häufig wie ä ge-
sprochen, z. b. küäk und sogar käk neben küak beherbergen,
küäly käl und küal hauen, kuäldy, käldy und küaldy stock,
küSrküäry kärkär und kudrküar schlänge, küärdm^ kärdm und
küardm kuss, u. s. w. Ebenso wird häufig einem tt-haltigen
guttural vorangehendes a zu ä verdumpft, wie: asägür und
cLSugür sechs, bäku und bäk neben bdkü so, dägua und ddgüa
spion (s. §. 46). Diese verdumpfung kann auch noch stattfinden,
wenn zwischen dem a und dem u-haltigen guttural der nasal n
steht, wie: ängüa und dngüa dumpalme, änkua und dnküa
höcker, änküdna und ankudna herr, u. s. w. Nachfolgendes ö,
ü wirkt auch sonst bisweilen auf a verdumpfend ein, wie : am-
bärdy neben ambaröy lippe, bälöl, bälül und balöl flamme, ma-
sänkö und masdnlcö harfe u. a.; ebenso nachfolgende labiale,
z. b. däbba = ili holzrigel; dJäme = G. Ty. A^Jt nord; 4^mbo
und 4^mbo feines brod ; hämmdr, hummdr =- Ti. A^C ' matten-
zelt der Beduinen, u. s. w.
SitzongBber. d. phlL-hist. Ol. CXXYni. Bd. 7. Abh. 4
50 ^^* Abb&ndlnng: Beinisch.
83) Wie schon aus §. 80 ersichtlich wurde, ist a in vilen
Mlen aus ä verkürzt worden. Grammatisch kommt ä nur mer
vor im nominativ des pluralen artikels ä die, und des demon-
strativs an diese, femer in den persönlichen flirwörtem baräk
fem. batdk ir, bards fem. batds sie (plur.) und den entsprechenden
possessivsuffixen; im verb in der zweiten und dritten person
pluralis des perfects bei den denominativen verben, wie: tdm-täna
ir asset, tdm-yäna sie assen, dann in der negation auf bör ; femer
in der nominalbildung, wie: abdb Verachtung, ibdb reise, ^i6dÄ
floh u. a. (wovon später die rede sein wird), dann nach art des
Aethiopischen und der Agausprachen in der Stellung vor laryn-
galen, wie: bd'no asgeier, fäHd lachen, filä' entjungfern; fdhme
(Ar. ^) verstand, gaddh (Ar. ^ji) schüssel, mäh erschrecken,^
u. s. w.
B) Der vocal e.
84) Die vocale e und i werden im Bedauye meist schärfer
und bestimmter, als in den übrigen kuschitischen idiomen in
der ausspräche von einander unterschiden. Im anlaut kommt e
nur prosthetisch vor, wie: ergdne (flir ragane) schaf, entüngiUi
(für metungüli) malstein, u. s. w. Der quantität nach erweist
sich e leichter als i, was man aus der tatsache ersehen kann,
dass e häufig als abschwächung von i zu erkennen ist (s. §. 86),
femer daraus dass der accent auf keinem ä stehen kann, ausser
wenn dasselbe durch position verstärkt ist, sonst muss dafür i
eintreten oder es geht e zu i über, z. b. esinne er bleibt, itni
oder isini er bUb, ifi er ist, ifi er war, u. s. w. (s. §. 105).
85) Wo e im anlaut nicht prosthetisch auftritt, ist es stets
der rest einer silbe mit abgefallenem anlautenden consonanten,
wie: edid = Eil. qadad teilen; iga hirt, zu G. ID4*f * i^^ ge-
hörig; iga = A. %ppt rauch (das lange e wegen des accentes,
§. 84); endi = Ti. G. 'liÄ,'}» eisen; ^sse (flir er«e, her$e) == G.
hC/**» inneres, bauch, u. a., sowie im pronominalpräfix der
dritten person im verbum, aus früherem ye-, ya, wie e-bdden
er vergass, vgl. täm-ya er ass, u. s. w. Bei dieser gelegenheit
möge noch kurz daran erinnert werden, dass sämmtliche cha-
mitische sprachen (gleich den semitischen) ursprünglich im an-
^ Vgl. auch A. Dillmann, Grammatik der äthiopischen spräche, s. 71, §. 46.
Die Bedaaye-Sprache in Nordost- Afrika. II. 51
kut von Wörtern keinen vocal kennen und wo solche in jetziger
spräche auftreten, dieselben nur die reste eines früher conso-
nantisch anlautenden sillabars sind; vgl. auch §. 8. 11. 51 ff.
86) Das e erscheint nicht selten als Schwächung von i,
z. b. ende neben endi, aber im object noch stets endit eisen;
ergdne neben ergdnij aber im object erganib schaf; lue und lilij
im object lilit äuge; dngüel neben dhgriil oren, aber im singular
aiigüil or; herka = Üt^ teich; debdk=,^^\ quecksilber; der Im
=^ ^^ herde; hedim = ^\Jä. leibbinde; helal =-= J^ haarnadel;
h^du = %j^y^ ™g> kerinte = Ty. Yl^9^'b^ ^^® periodische
regenzeit; lejdm =- ^lij zügel; lemun = ^^.^j limonie, u. s. w.
87) Auch erweist sich e als schwächungsvocal von a (zu-
nächst über «), z. b. ende neben regelmässigem enda mutter;
berük fem. betük neben barük und barük fem. batük^ batük du;
berüs fem. betüs neben barus, batüs, bariu, batus er, sie; keräy
und kardy hyäne (s. §. 81). Sogar ä kann zu e werden; z. b. der
und deir (aus dar = A. J5^» G- f^di^*) Verstössen die frau;
duwir = jVyL. nachbarschaft; kaUb = Ti. hA*!!* ^^^ hA*!!*
hofranm; kiferi (neben kifiri) = ^iJ beide. Das lange e fllr e
ist hier nur durch den accent bedingt (s. §. 105), was man
deutlich aus ü-kferi (für ü-k^re) der beide, ersehen kann, da
langes e nicht ausgestossen werden könnte. Derselbe fall ligt
vor in amir fUr mair = ^LÜ hole.
88) In der Umgebung von w wird e zu u verdumpft, wie:
wun (neben wen und häufiger loin) gross; wu*dga (für voe'figa)
cercopithecus griseo-viridis D.; nuwiü (neben newiil) taub, u. s. w.
Dieselbe trübung tritt auch häufig vor labialen überhaupt ein,
z. b. ümero == Bil. emänä einst, jemals; dübba = Ti. Jtfll"»
hügel; duni'dra neben dem'dra gold; humdr = Ti. HiV^d't*
adansonia digitata, u. s. w. ; auch wird durch folgendes ti voran-
gehendes e zu u getrübt, wie gulul neben gelül dumm; urbün
neben erbün, irbün mais, u. a. (vgl. §. 82). Ueber den einfluss
u-haltiger gutturale auf vorangehendes e vgl. §. 46, c.
89) Das ^ kommt ausserdem dass es als denung von e
auftritt (s. §. 87 und 105), auch noch vor als contraction fUr
ay; z. b. Ä5n (aus ba-in) jener,* bH (aus ba-in-t) jene; he und
fi neben hay und fay sein, esse; are = G. 'J^f i wollen; hema
^ Vgl. Ka. inä dieser, tcA^nä jener, Nub. in dieser, man (atm mor^n) jener.
4»
53 Vn. Abhandlnog: Beiniscli.
)
= G. -IJ&iiol-i SJi^ zeit; het == kSU. mauer; Ä:^r = jlL (G.
^ItC« Ti. jfLCO gnt, schön; wie« = «jJU G. •^JiJC« tisch; «g
(aus «ay, «airy = G. ft^*l » vgl. §. 30 und 69) leber, u. a.
C) Der vocal f.
90) Das i wie l ist vilfach aus einem y hervorgegangen,^
so im genetivischen -%, das mit A. f- im zusammenhange steht,
femer im femininum beim verb, z. b. täm-i iss du (fem.), zu-
nächst aus y und dieses aus t erweicht. So auch hie und da
in der Wortbildung, z. b. ihdb (aus y6ö6, yibäb) = v-jUa reise;
iwa (aus yeiwd) = l3^^ durstig; o/Z = Ti. O^f i gesund sein;
ii' und ^1' = ^li) (med. y) alt werden, u. a. Ueber den laut-
übergang von a zu i s. §. 81 und über i flir e s. §. 84.
91) Grammatisch wechselt i auch mit ü, ö ab, vgl. z. b.
anbür plur. <£n5fr und cinJer fltlgel, anül plur. ewfl wunde, banAn
plur. Jenin augenbrauen, Aum plur. htm gehim, ngül plur. ngil
faden,* rid = Sa. 'Af. rüd, A. {«Tf i reis, tirmin = Ti. •f'C^?'}«
querbalken. Auch erscheint i fUr kurzes u; z. b. dinya =
U3^ weit, Zt&an = ^iJ Weihrauch, u. a.
92) Das lange l steht häufig flir g aus ay; so in der vocativ-
endung -I neben -ö und -ay ol Ebenso im Wortschatz, wie: a\d
und dv)i = Ti. G. Af J&> morgen- oder abendröte; ima und
iifna (aus ayma) = Ti. +M^» Spätherbst, winter (November
bis März); hil = JJL*- Ti. G. 'liJtA» stärke; Zajfi (aus lagJ^j
Idgay, lagad zu Ti. G. Vl^s reisen, gehörig) weg; meM und
mehdy drei; «icZ süd = j^.JU> adscensio, Oberegypten und Nubien;
ebensoTkurzes i in dngi = Bil. anqdy mitte; sitdn oder jt^dn
= ^jlkl^ Ti. ii^f I G. rtj!^"} « teufel. Dessgleichen steht l
für ä in: kuiküay =-- Sa. 'Af. AdÄö, G. V^^' rabe; &aK/und kal{f
== G. rh^9' nacken; mehin = ,^\iJi ort, u. a.
^ Vgl. auch A. Dillmann, Grammatik der äthiopischen spräche, 8. 80.
' In diesen beispilen steht t eigentlich für e wegen des accentes, s. §. 105
und 117, e. So steht auch teh (e für e nach §. 87 und 105) = Sa. 'Af.
löh, Ti. /\^Hi I O. lii/hfh * C^ balken, brett. Auch wird der artikel
ü, ö fem. tu, td häufig zu e gekürzt, e-^oA für ü- und ö-gaA das haus,
te-takdt für tu- and to-tak<U die frau; s. §.113.
Die BedMje-Sprmeh« in Nordott- Afrika. U. 53
D) Der vocaJ o.
93) Kurzes o und u kommen in sämmtlichen kuschitischen
wie äthiopischen sprachen nur bei den u-haltigen gutturalen
oder in der Umgebung von labialen als trübungslaute von a und
e vor (vgl. §. 45 und 82). Das Becjauye hat ausserdem noch
die kuschitischen nominalendungen auf -ö und -ü (zunächst aus
-aü hervorgegangen) fast ausnamslos zu -o und -u abgeschwächt^
wie: ddaro rot, ddbalo klein, ümero früher, 4ndh%ro hun u. s. w.
Dass hier der auslautende vocal in der tat ein kurzer ist, kann
man schon aus der Stellung des accentes bei dreisilbigen Wörtern
ersehen.
94) Langes ö erweist sich ausser im artikel der objects-
form und der innerradicaligen nominalbildung fast immer als con-
traction aus at2, aw\ wie: ör, Ur aus awr = Q-a. awdlay Ti. t"!!^ •
G. 4^(1^ • y^ begraben; bök aus ba[ha\uk = G. n^lf"* bock;
dö' (aus davo") = ^^ A. G. nifl4" ankleben; döla = i^^> amt,
regierung; hö = Bil. hau, Ti. ^ahi gebeil; jöhar =yb^ perle;
höd = |>>^ teich, see; nöra = tj^ kalk, u. a. Ebenso kommt
d auch als contraction aus an, al vor; vgl. z. b. köa hom, zan,
und Sa. gäiä plur. göz, 'Af. gäysä (aus gansä oder galsä) und A.
4»^JC« id.; kösa messer, und ^^ ij>j^ J-^* schneiden.
E) Der vocal u,
95) Das ü ist aus ö gekürzt; vgl. z. b. dür = Ti. H^» Ty.
HlD^s besuchen; gube === Sa. 'Af. ^^6, v-^yw schild; hüs neben
kösa messer; hübi und hübi herbst, zunächst aus höbi = halbi
vgl. Ou^ id.; güd (und verkürzt jad, güed) vil, zunächst aus
jjfdd, galdy vgl. ji^ accumulavit; 2üZ (aus löly laül) strick, G.
AIDA* Ti. A*"As winden, binden, u. a. Aus ü ist dann bisweilen
u gekürzt, wie: endirku, auch endirhe neben dndhiro (aus ma-
dirhö)j Ti. JtClf » him, henne, Admi^ haar u. a. Die gewön-
lichste kürzung von ü ist e (oder i, wenn der accent auf e zu
stehen kommt), s. §. 91; sonst kommt ü nur noch bei den u-
haltigen gutturallauten (s. §. 45) oder als trübungslaut für e in
der Umgebung von labialen vor (s. §. 88); über den denungs-
vocal ü aus u s. §. 96, c.
54 Vn. Abhuidlniig: ReiBiteli.
F) Denung der vocale.
96) Zum schluss der betrachtung über die vocale möge
noch erwänt werden, dass im Be^anye in bestimmten fiülen der
vocal gedent wird. Dies geschieht:
a) Vor allen an einen kurzen vocal antretenden snffixen,
worauf schon Almkvist p. 48, §. 24 hingewisen hat. Hierin
unterscheidet sich das Becjauje von den übrigen kuschitischen
und auch äthiopischen sprachen, da in diesen vor suf&cen in
der regel der lange vocal gekürzt wird.^
b) Wenn auf ein kurzes e der accent zu stehen kommt;
vgl. hierüber §. 84 und 106.
c) Um ein folgendes teschdid zu ersetzen; vgl. z. b. hido
furche, und G. ^HH* öffnen, spalten; 6lr = Ti. fl^i fliegen;
bisa und hissa = J^ katze; 4^m » p^ ausfUllen; /<8r und
fafar = Ti. rt2» springen, hüpfen; för = ji fliehen; güh (Bi-
schari) neben guhh, gilb (Beni Amer) = iSJi maus ; hüd =- jji
donner; hida = Sa. siddä^ 'Af. Hddä gesellschaft; häk di = Ti.
Ilh» flA» c^ sic^ räuspern; kaf = ySL singen; Üb = Ti. G.
fii^i magen; müd = jLi mass, schefiel; r%d (Sa. 'Af. rüdj A.
<«Tf 0 = ij r^isj *^^ '^ r^ gift- Das umgekerte verhältniss
findet statt in Be4. düle gegenüber Bil. dirä adansonia digitata.
— Ueber den vocalschwund ist den von Almkvist gemachten aus-
fürungen (p. 46 ff.) nichts wesentUches beizufügen.
3) Der accent
97) Da ich in diesem abschnitt vilfach von meinem hoch-
verdienten Vorgänger Almkvist abweiche, so muss es spätem
forschem überlassen bleiben zu entscheiden, wer von uns beiden
in den von einander divergirenden fällen die richtige beobachtung
gemacht hat. Ich anerkenne gerne, dass bei der grossen ge-
wissenhaftigkeit, mit welcher Almkvist in allen seinen unte^
suchungen vorgegangen ist, derselbe gewiss auch in der accent-
frage des Be(}auye ebenso genau wie in den übrigen partien
beobachtet haben wird. Dazu kommt, dass Almkvist durch
^ Vgl. Bilinsprache §. 157, Chamirsprache §. 211, Qaarasprache §. 121 ; DiU-
mann, äthiopische spräche §. 36.
Die BedAiiye-Sprache in Nordost-Afrika. II. &5
mer monate, als ich durch wochen hindurch mit dem Be(}auye
sich beschäftigen konnte. Ungeachtet dieser gewichtigen tat-
sachen bleibt mir, wenn ich nicht gegen das gefUl der warhaftig-
keit Verstössen sollte^ nichts übrige als aus meinen eigenen auf-
zeichnungen diejenigen resultate zusammen zu stellen, welche
sich eben aus denselben ableiten lassen. Die beiderseitige
differenz in unsem accentbezeichnungen mag aber wol villeicht
daraus erklärt werden^ dass Almkvist seine aufzeichnungen bei
den nördlichen Bischari machte^ ich aber fast ausschliessHch mit
den südlichen stammen der Halenga, Hadendäwa und Beni-Amer
arbeitete, und ich habe selbst einige male beobachtet, dass meine
Bischari besonders arabische lehnwörter genau so accentuirten,
wie die Araber und also darin von den südlichen stammen ab-
weichen, die ganz nach kuschitischer weise betonen.
98) In meinen Schriften finde ich nun vilfach ein und das-
selbe wort in der gleichen grammatischen Stellung verschiden
betont, was daher kommt, dass die Bedscha gleich den übrigen
kuschitischen Völkern im allgemeinen die stimme nur wenig
moduliren und vilmer die silben eines wertes eine nach der
andern in fast gleichmässigem tempo hervorbringen. Es er-
fordert hiernach schon eine beträchtUche auftnerksamkeit und
Übung, die eigentliche tonsilbe eines wertes herauszufinden, be-
sonders dann, wenn man gesprochene sätze rasch nachschreiben
will, und nun nicht immer zeit genug bleibt, auf die accente
jedesmal die gebürende rücksicht zu nemen.^ Im allgemeinen
kann man nun betreff des accentes im Be<}auye folgende haupt-
regeln aufstellen:
99) Der accent steht nur auf einer der drei letzten silben
eines wertes, z. b. asül wunde, embaröy lippe, nethdi asche,
Safari mist, ia4i4 rinde, tiffö gespei; amdsu ich hörte, ebäden
er vergass, hamiti traurig, hübi regenzeit, herbst, küUla
schnupfen, kUya sklave, reboba nackt; ibdbkena reisender, kud-
lani axt, beil, mehdlaga geld, sükena knöchel, sürkena erster,
tdmuga links, u. s. w.
^ Die an manchen stellen in meinen Be4Auyetezten zu tage tretende in-
consequenz in der accentsetzang erklärt sich eben auch ans dem an-
gegebenen gründe, indem ich es für unstatthaft erachtete, nachträglich
in Europa one beisein eines eingebomen, den ich hätte zu rate ziehen
können, eigenmächtig äuderuugen in meinen aufzeichnungen vorzunemen.
56 VII« Abluuidlaiig: Beiniseh.
100) Der ton ruht auf derjenigen silbe, deren vocal an
quantität die vocale der übrigen silben eines Wortes überwigt;
also z. b. abaldy cercopithecus griseo-viridis^ adüma mabseit,
ibäbkena reisender, u. s. w.
101) Der vocal einer geschlossenen silbe überwigt hin-
sichtlich des accentes den vocal einer offenen silbe, wenn diese
vocale von gleicher quantität sind; z. b. andb eiter, ardr blei,
isin flusspferd, (2anan riemen, kalifnAckeriy fcuiin rürstock, u. s.w.
102) Der vocal einer doppeltgeschlossenen silbe überwigt
den einer einfach geschlossenen; z. b. dnkar rächen, ddngar
ebene, hdmmus kichererbsen, hükül beutel, kdnkar sessel, k^-
kab holzschuh, u. s. w.
103) Der accent geht soweit gegen den wortanfang zu-
rück, als es die letzte silbe gestattet; daher kann auf der dritt-
letzten silbe der accent nur dann zu stehen kommen, wenn der
vocal der letzten silbe des wertes kurz und auch nicht durch
Position verstärkt ist; z. b. ababena in Verachtung stehend, in-
dera cordia abessinica, gddaba traurig, gdsane zeltpflock, hdmaia
knecht, küdlani axt, kinkeli nacken, metungüli malstein, tdn'alo
Skorpion, tdnkaro spinne, u. s. w. Wie aus diesen beispilen zu
ersehen ist, lauten alle Wörter, welche proparoxjtona sind, auf
einen vocal und zwar auf einen kurzen vocal aus, denn würde
die letzte silbe auf einen langen vocal endigen, so könnte der
accent nicht mer auf der drittletzten silbe stehen (vgl. indhiro
hun, endhiröyü mein hun, u. s. w.), ebenso wenig, wenn die
endsilbe durch einen consonanten geschlossen wäre (s. §. 101).
Daher werden die eben angeflirten proparoxytona in der objects-
form zu oxytona, als: ababenabj enderdbj gadabäby gasaniby u.s. w.
Doch behält in diesem falle die ursprünglich mit dem hauptaccent
versehene Stammsilbe einen halben oder nebenaccent, daher man
auch wol schreiben könnte: abäbendb, 'knderdbj u. s. w. Dagegen
accentuirt Almkvist: abäbenäb, ender ab j u. s. w., nach meinen
gehörserfarungen feierhaft. Femer steht der accent auf ante-
penultima, wenn auch der vocal der vorletzten silbe lang, dabei
aber der der letzten silbe kurz ist; z. b. namhini wo? adüm-
yäna sie redeten, ibdbyäna sie reisten, u. s. w.
104) Auf der vorletzten silbe ruht der accent, wenn der
vocal derselben die vocale der übrigen silben an quantität über-
wigt, und zwar:
>
Die BedMije-Sprmche in Nordott-Afdka. II. 57
a) entweder durch natur; z. b. adüma malzeit^ amdsu ich
hörte^ ebdden er vergass^ berdre mftne, dagina herd, delMa zaun^
geräbi wüstenweg, gürddi krummsäbel, kansübe nähnadel; keräri
Vorhang, küUla schnupfen, reböba nackt, u. s. w. Ebenso bei
zweisilbigen Wörtern, wie: bddo furche, ^fna bine, hima zeit,
hübi regenzeit, u. s. w.; ebenso: bdbä mein vater, mikä mein
esel (nach §. 103).
b) oder durch position, wie: endirho (oder indhiro) hun,
baldnda teer, kerinte regenzeit, lalinko aflfe, u. s. w. Ebenso bei
zweisilbigen Wörtern, z. b. ^sse bauch, bdski fastenzeit, dübba
htLgel, derküa Schildkröte, fdräa matte, girma köpf, kiSya sklave,
u. 8. w., ebenso nach §. 102 : ddngar ebene, hükül beutel, kdnkar
Sessel, k6rkab holzschuh, u. s. w.
105) Auf einem kurzen e kann der accent nur dann stehen,
wenn dasselbe durch position verstärkt ist, wie: dndhiro hun,
6ndi eisen, ^se bauch, kerkab holzschuh, u. s. w.; vgl. auch
belled gegenüber jJli Stadt, lesso gegenüber liJ wölke. Sonst
aber wird e in folge des accentes gedent, wie: besä oder b^ssay
bi$sa (Ar. J*o) katze; behil (Ti. G. flUA 0 wort, rede; behir
(Ti. Q. IIAC» j^) fluss; akir (Ti. M^i ^1) das jenseits;
jemid regenwasser (Ar. j^v^ nix, glacies); kaUb (Ti. hA^fl*)
hofraum; i-ß ich bin; e/b (Ti. Ot. ti9ii*) hausfiur; iga hirt
(Sa. waqayj G. 104*^ > bewachen, hüten); iga rauch, aber igd-
f-ya er machte rauch; Üa (Ti. dV'Q* s- §• 74) heu; 4ifa
türe (Ar. XiJ^ clausit portam); 4^küa (Ga. daqüB, Qu. daxüd)
thon, lem; gidi (Sa. gada, Bil. ^oi, Ti. G. IX"') gesiebt; Uma
(Ti. hfi^i s. §. 7G) krokodil; reü, rBw (Ar. Ü.) geld; t«/a
(Ti. li'h'fl« A. }|l"(H*i s. a. §. 76) nabel, vgl. tü-tfa der nabel
u. 8. w. — oder es wird in solchem falle das e zu i gefärbt,
wie: giba (Ti. ^•flOl'O finger; Hwa herr (ö-gaw-i kina des
hauses herr), aber im engem anscliluss an das vorangehende
nomen: kena, wie: sür-kena erstgebomer, SV-kena volljärig,
u. a. Dann: kerinte (Ti. h^jT*!"») regenzeit; kiiya sklave,
aber im objectscasus ke§ydb, und kesyayu mein sklave; ta-
min zehn, aber tamna, tdmena zehnter; dibedi neben aibade
(Ar. ^Uj) moschus; derim (f)-ö) plur. dirma herde; katvii}
plur. kdweda peitsche; Ukena und Sekena (Ty. fftlf s) trink-
schale, accus. Sekendbf u. s. w. In selteneren fUUen steht hier a
für e (8. §. 107, note 3).
&8 Vn. Abbuidlaiig: Beiniscli.
106) Auf ultima ruht dem obigen entsprechend der ton,
wenn der vocal der letzten silbe die vocale der übrigen wort-
Silben überwigt, und zwar:
a) durch seine natur, wie : angari bettgestell, aradB tama-
rindenbaum, ihi zicklein, gehe klippschliefer, laU falke, Safari
mist, la^ weg, a'n^ schaf, hiyö gatte, lalö flaschenkürbis, u. s. w.
b) oder durch position, wie: andh eiter, gadäm wurzel,
kalif nacken, kawi4 peitsche, wälik geschrei, u. s. w. Um so
mer nattb*Uch dann, wenn die letzte silbe lang und noch dazu
geschlossen ist, z. b. abaldy cercopithecus gr.-v. D., adangalAy
eidechse, ambilhöy trompete, asul wunde, banün augenbraue,
hawad nacht, küeUl armband, rugüdS totenopfer, ifo^f^ rinde,
u. s. w.; ebenso: bäbük dein vater, mSkük dein esel (nach §. 101).
107) Lehnwörter von der form ,3*», welche im vulgär-
arabischen one nunation gesprochen werden, müssen im Be-
4auye der ausspräche wegen, da kein wort auf einen doppel-
consonanten auslauten kann, zwischen die beiden endconsonanten
einen vocal einschieben, welcher dann nach §. 101 den accent
bekommt; z. b. derd'^ == gjjj samen; hagdl = JAS Ti. fl^^A'
maxdtier; hdhdr auch hehir (§. 105) = jäao fluss; nehdl = Jiu
palme, * u. s. w. Wo in dieser zweiten silbe kurzes e zu er-
warten wäre, steht nach §. 105 wegen des accentes langes l
oder auch i, wie: diri^ ^ tj^ ^^- ^* Ä'Cd« panzer; $ehir =
^iw Zauber;^ aair = J^ nachmittag; hikir = «^ Jungfrau;
ftjir = fßi der morgen; harih = Ti. rhC'fls ^j^ was8e^
schlauch; küfil = jls' schloss, rigel; %id%g = ^Xo warheit,
u. s. w. Zum vocal u in dehür, duhur = j^ mittag, evnhür
neben mehir^ emhir = j^ junges pferd, s. §. 45, a. Tritt an
diese formen die pluralendung -a an, so &llt jener eingeschobene
vocal der letzten silbe meist aus und der accent rückt nun da
das wort auf einen kurzen vocal auslautet, gegen den anfang
des Wortes zurück, z. b. bagdl (J-iS) plur. bdgla maxdtier; bahdr
und bahir plur. bähraj bdhara das meer; nehdl i^Jaai) plor.
^ Seltener auch dira, wegen i nach abfall des hamzeh s. §. 105.
* lieber das a in der zweiten silbe vgl. §. 80, b.
' In Barka erscheint hierfür bisweilen ein a, wie: dermb = v_^t> pfad,
weg; engeraby ans <^..>Jl« abend (s. §. 72); embertu nnd emberis der uscber-
bäum, u. a.
Die Bedavye-Spnche in Nordort-Afrika. 11. 69
nahla, ndhala palme;^ deräb (^J^>) plur. ddrba^ dArba weg»
derim plur. dirma herde ; harih plur. härba wasserschlauch^ u. s. w.
108) Ein langer vocal überwigt einen kurzen, wenn auch
durch Position verstärkten, z. b. entdr (nicht ^ntär nach A.)
teller, irbün mais, Seltüt fetzen, lumpen, tirmdn querbalken,
minidr säge, aber plur. minäär nach §. 102; ebenso: anb^
(nicht dnbur nach A.) flügel, aber plur. dnber.
109) Diese hier aufgefUrten regeln bezüglich des accentes
gelten Air aUe redeteUe, nomina wie verba u. s. w., und es
bleibt der accent auf der ursprünglichen tonsilbe bei der flexion
so lange stehen, als es die oben entwickelten gesetze gestatten.
So bildet z. b. amdn (verkürzt aus ^^^Ul oder vielmer aus o^l)
glaube, ein denom. verb aman (nicht Aman, A.), imp. dmana! weil
alle drei vocale der quantität nach gleich sind und die letzte
silbe eine offene ist (§. 103); perf. aman-dn (§. 106, b) ich glaubte,
arndn-ia (§. 104, b) du glaubtest, amdn-ya er glaubte, würamanAy
(§. 106, b) der gläubige.
Formenlere.
L Pms nomeiL
1) Das geschlecht
110) Das Be4}auje unterscheidet am nenn wort ein mann-
Hches und ein weibliches gei$chlecht, wenn auch (tLXjümaf in
einem einzigen bisher bekannten falle: iakrdi fraa, gegenUtjer
iak mann) änsserlich in der form des nomens selbst das ge-
schlecht dorcb kein speeielles merkmal gekennzeichnet ist. Die
unterscheidang der beiden geseblecfater ist anprfinglicb gewiiM
vom sexus ausgegangen: da aber im Be^aajre «'wie in den ge-
sammten chamidäcb-semitiscben spntclteu) kein türmen generis
neotrins ist, sondem alle sabstantiva entweder mascoUoi oder
feminini generis sind, so drOekt im gegenwärtigen stadiitm der
60 Vn. Abhandlang: BeinitciL
spräche das masculinnm neben dem sexus auch grosse, ansehen
und energie, das femininam aber zumeist kleinheit, schwäche
und Passivität aus. So ist z. b. Sa^ die kuh, masculini generis,
weil sie bekanntlich in diesen ländern die hauptstütze des ge-
sammten hauswesens ist, dagegen Sa' das fleisch, ein femininam,
da es gegenüber ia' der kuh, von minderem belange ist. Er
kannt wird das geschlecht der nenn Wörter 1) durch den vor-
gesetzten bestimmten artikel, 2) durch die geschlechtlich unter-
schidenen casussuffixe, und 3) durch die form des prädicates. Das
natürliche geschlecht wird ausserdem namentlich bei gattungs-
namen von tieren nicht selten durch den beisatz rdba männUch,
und küa weiblich, näher bestimmt; z. b. kärkAr rdba eine männ-
liche Schlange, kärkdr küa eine weibliche schlänge.
2) Der artikel.
111) Da dieser redeteil eine so hervorragende rolle am
nennwort spilt, so lasse ich die formen desselben zunächst hier
folgen. Das Be(}auye besitzt nur einen bestimmten, aber keinen
unbestimmten artikel, statt dessen (wie im vulgären arabisch
das *>^^) bisweilen die zalbezeichnung für eins, efigdl gebraucht
wird; z. b. dne mek rehdn oder dne efigdl mek rehdn ich sah
einen esel.
112) Die formen des bestimmten, seinem nomen stets prä-
figirten artikels sind folgende:
Singular
plural
masc. fem.
masc. fem.
nominat.
um, ü der, tu die
yä, ä ta die
object
wöj ö den, tö die
ye [yi], g [i] te [te] die
Vor vocalen und laryngalen werden die volleren formen
um, wo, yä, yS, vor consonanten die kürzeren ü, ö, ä, e gebraucht,
z. b. wü-^dh das zicklein, wu-'ör der knabe, wü-hdbbas der ring,
plur. yä'dba die zicklein, u. s. w., dagegen: ü-idk der mann,
ö-mik den esel, ä-mdk die esel, accus. S-mdk, u. s. w.
113) Die angegebenen formen des artikels findet man im
gebrauch, wenn jemand in getragener rede spricht und jedes
wort klar und deutlich hervorheben will. In lässiger rede und
gewönUchen erzälungen kommen aber verkürzte artikelformen
^
Die Bedftaye^pncbe in Nordost- Aftika. II. 61
zum Vorschein, die wir hier kurz verzeichnen wollen. Zunächst
kann man, worauf schon Almkvist (1. c. p. 64, §. 55) aufmerksam
gemacht hat, zu unzäligen malen beobachten, dass das Be^auye
auch schon recht häufig im nominativ die objectsformen des
artikels anwendet, also toöy ö fem. töy plur. ya, S fem. U für tcü,
üy u. 8. w.; z. b. ivö-hdd'a (flir um-hdcTa) iya der schSch ist ge-
kommen, ö-bagdl (ftlr ü-bagdl) anibu das maultier gehört mir.
yS-'dr (ftlr yö-'dr) ddbyän die knaben liefen. S-bdgala (flir ä-bd-
gala) aniba die maultiere sind mein, tö-dingar (flir tü-dingar)
wuntu die ebene ist gross, te-'är (flir tä-^ar) daürita die mädchen
sind schön. Eine weitere abschwächung besteht darin, dass
die langen vocale des artikels gekürzt werden, also wo, o fem.
to plur. ye, e (auch yf, i) fem. te (auch ti) flir m?ö, ö fem. tö
u. s. w. Der letzte schritt der abschwächung, der in der Um-
gangssprache vollzogen ist, besteht darin, dass der vocal o zu e
gekürzt wird, so dass man hiernach für die gewönliche con-
versationssprache nur folgende zwei artikelformen verwendet,
nemlich für nominativ und accusativ sing. u. plur. e fem. te] z. b.
e-dirßn watdni der Schafbock blockt, plur. e-dirfina wawin
te-dirfin waütini das schaf blockt, ,, te-dirfina wawin
u. s. w.
Dieses te wird vor vocalen und laryngalen meist sogar
zu t verkürzt, wie : t-dba der fluss, t-ibra die nadel, t-ambilhöy
die trompete, i^ümma das volk, t-hdmo das haar, t-hdngane die
ameise, t-hdwa die girbe, der schlauch, u. s. w.
Anmerkung. Almkvist (1. c. p. 64, §. 54) bemerkt aus-
drücklich, dass der bestimmte artikel den wortaccent erhalte.
Diese regel wird für die spräche der Bischari und Ababde ire
richtigkeit haben, aber bei den südlichen stammen kann ich
aus meiner erfarung nur constatiren, dass der artikel, welcher
mit dem nennwort häufig zu einem lautkörper zusammenwächst,
bloss dann den accent erhält, wenn er an quantität das über-
gewicht über den vocal des nennwortes besitzt, z. b. ü-mik der
esel, aber d-mäk die esel (vgl. §. 101 und 108). Doch bemerkte
ich bei den südUchen stammen, dass auch in diesem angegebenen
falle der ton gewönlich auf das nennwort gelegt wird, also ü-tdk
der mann, ä-mdk die eseln, u. s. w. In getragener rede werden
aber beide teile gleichmässig betont, z. b. ü-tdk der mann, w6r*db
das Zicklein, u. s. w.
62
VII. Abhandlnng: Be misch.
3) Die zal.
114) Das Be^auye unterscheidet gleich allen kuschitischen
sprachen einen Singular und einen plural. Der letztere wird
stets aus dem singularstamm gebildet und ist entweder ein
äusserer; wie mehin plur. mehin-a ort, oder ein innerer, wie: mek
plur. mak esel u. s. w.
115) Der äussere plural wird bei den meisten consonantisch
auslautenden nennwörtern gebildet durch anfügung der plural-
endung -a^ an den singularstamm; z. b.
a4if plur.
d4ef-a rinde
hawü
plur.
hdül-a jar
addl ^
ddal-a schildgriff
kuHn
n
küSn-a rürstock
a(}in jj
atjtin-a teig
kawi^
n
kdwe4r-a peitsche
isin „
isin-a flusspferd
lül
n
lul-a faden
bür „
bür-a land
lölÜ
n
löU-a katze
bit ,
bit-a geier
läm
n
läm-a malzeit
ddgel „
ddgl-a mastbaum
lüm
7)
lümra anu8
ddngar „
ddngar-a ebene
mld
7)
mid-a penis
derab „
ddrb-a weg*
müd
7)
mud-a mass
derim „
dirm-a herde*
m^hil
f)
m§hel-a arzenei
gadoh ^
gddh-a Schüssel'
m^k
n
mök-a hals
guUh „
gülh-a antil. agazen '
ragdd
n
rdgad-a fiiBS
galdm ^
gdlam-a griffel
ää'
n
Sä'-a kuK
harib „
hdrb-a schlauch*
Sera"
7)
Hr'-a segel
haris „
haris-a nashom
terig
7)
tirg-a monat*
116) Die auf den halbvocal w und y auslautenden nenn-
wörter bilden ebenfalls häufig den plural in der angegebenen
weise, z. b.
ardw (ardü) plur. draw-a freund
buw (bü) „ ftiluva Sperber
gaw (gaü) „ gdw-a haus
kaw (kaü) jj fc<£t^aperlhun
maldw (maldü) „ mdlaw-a Sixt suli „ ^Zy-ahaarschopf/
Anmerkung 1. Von dieser angegebenen pluralbildung
machen arabische lehnwörter, welche ein nomen unitatis auf
embaröyjflnr.embaröy-a lippe
hdlbati „ halbdty-a schlauch
küdlani „ kualdny-a axt
lümi „ lümy-a finger
siXi «
^ Vgl. ttber dieses suffix §. 80, e.
• Vgl. §. 107. » Vgl. §. 107, pg. 69, note 1.
* Im schwa qniescens lauten w und y wie u und t; vgl.
§.79.
Die Bedaaye-Spnche in Nordost-Afrika, ü.
63
5-, vulgär- Arab. -a bilden, eine scheinbare ausname; z. b. tüba
ein Ziegelstein = Ar. ij^ plnr. ttih Ziegelsteine = collect, v-j^t
u. s. w., daher gehört diese formation nicht in die Be^auye-,
sondern in die arabische grammatik; vgl. hierüber auch Almkvist
1. c. pg. 63, §. 53.
Anmerkung 2. Für das wort tdk mann, wird im plural
enda männer (Ty. li'JJfi leute, stamm, tribus) und für tdkdt
frau, die form ma; frauen, gebraucht.
117) Die innere pluralbildung (pluralis fractus), ebenfalls
nur bei consonantisch und halbvocalisch auslautenden nenn-
wörtem vorkommend, besteht in der Verkürzung des letzten
stamm vocals, und zwar wird verkürzt:
a) ä zu a, auch a; z. b.
(ib<My plur. cAal&y pavian
iham
angAS
deräf
derig
derar
finjAn
guidm
guntdr
kam
n
n
ihdm panter
dngaä pflüg
derdf girafe
derdg ufer
derdr abendessen
finjan kafetasse^
guläm schnurbart
güntar centner ^
kam kamel
kär
libdn
middn
minSdr
ne af
ne'Al
näy
roSän
rät
tat
plur. kar hügel
„ libdn Weihrauch
„ middn wage
„ minSar säge^
„ ne'df kralle
nedl bett
„ nay zige
„ roSdn bürg
„ raty rat blatt
„ tat, tat laus.
Wie aus den angefUrten beispilen zu ersehen ist, steht
im plural das a in der Umgebung von gutturalen und laryngalen,
a (gebrochenes a) aber bei den übrigen consonanten; vgl. auch
§. 80,b und §.81; zum accent s. §. 99 ff.
b) B wird gekürzt zu a; z. b.
emheris plur. emberds uscherstrauch * mek plur. mak esel
küelil „ kueldl armband m^ „ mos tisch'
gif „ gaf ufer Sey „ Say nashom.
c) i wird gekürzt zu i auch e; z. b.
ebrik plur. ebriky dbrik kafetöpfchen
angüil „ dngüil, dngüel und dngüela or.
^ Zum acceat s. §. 102 und 108.
* auch mita nach §. 115.
* auch emberdHk.
64
VII. Abhandlung: Reinisch.
d) ö wird verkürzt zu a, a; z. b.
>
bök
plur.
n
ar, ar son
bak bock
e) ü wird verkürzt zu e,
und 107) auch i; z. b.
anbür plur. dnber, dnbir flügel
dö/ plur. da/^ fleischstück
möÄ „ mdk-a hals.*
beziehungsweise (nach §. 105
^ndö/ plur. </inde/ knie
asil „
asÜ wunde
genuf
„ genif nase
ba'elük „
bd'lek wölke
genün
^ genin kinnlade
banün ^
banin augenbraue
hallüf
„ hdllef eher
ferük „
ferikjfirik grabung
hayük
„ hayuk stem^
fetur „
fitir frühstück»
äeltüt
„ Hltet fetzen
gaddüm „
gdddum beil*
tarbuS
„ tdrbeS tarbusch.
118) Bei sämmtlichen auf einen vocal auslautenden nenn-
wörtem lautet der plural gleich dem singular, in welchem falle
dann der numerus nur aus der sonstigen satzconstruction (dem
vorgesetzten artikel, der form des prädicats u. dgl.) ersichtlich
wird; z. b. dba plur. dba fluss; behdre plur. behdre homrabe;
demo plur. dimo rinde u. s. w.
119) Von der pluralbildung nach art der übrigen kuschi-
tischen sprachen mittelst reduplication sind im Be^uye bis jetzt
nur folgende fkUe bekannt^ nemlich: di plur. dddi\ dade* klein,
dis plur. dddis klein, und wun^ win plur. wdwun^ wdwin gross,
femer tägü neben tagüg zwanzig. Eine merkwürdige intensiv-
form finde ich in meinen texten vom numerale ngdl eins, nemlich
ngaldl-ay (63, 13) ganz allein, einzig; vom suffix -ay (Ti. -äy,
G. -dwi) wird später die rede sein. Eine solche intensivform
im pluralen sinne ligt vor im satze: hinin kassdn sanaaaniha
(44, 15) wir alle sind brüder {san plur. sdna)] vgl. Kafasprache
pg. 45, §. 36.
4) Die feile.
120) Das Be^auye unterscheidet: subject (nominativ), object
(dativ oder accusativ) und den casus der abhängigkeit (genetiv
^ aach ddfa, ' auch möka; s. §. 115.
• firik, fitir für ferik, fetir in folge von vocalharmonie.
^ gdddum für gdddem, s. §. 88; zam accent von gaddüm s. §. 108 und sa
gdddum 8. § 102.
^ hayi^k für hdyekü, s. §. 46, a; wäre hier kein u-haltiger guttural vorhanden,
80 müfiste der plural hayik lauten.
Hip Pcdinye-Pprache in Nordost-AfHIc». II. 65
oder ablativ). Der vocativ stimmt formell mit dem nominativ
liberein und wird nur bisweilen durch eine nachgesetzte inter-
jectionspartikel besonders hervorgehoben.
A) Der nominativ.
121) Das subject entbert eines bestimmten Casuszeichens;
erkannt wird dasselbe teils durch seine Stellung im satze, worin
es meist den ersten platz einnimmt^ teils durch die vorgesetzte
artikelform; z. b. kardy 'ör ihe (7, 1) eine hyäne packte einen
knaben.^ m^k wä Idga hlddb esnin en, ü-mik uwinj ü-ldga uwin
(19, 1 ff.) ein esel und ein kalb lebten beisammen^ erzält man;
der esel wurde gross, auch das kalb wurde gross. Wü-anküdna
tö-dinya akligya (41, 25) der herr hat die weit erschaffen. Amar-
*är enjör esywinna-heb (33, 7) die Beni-Amer erzogen mich zu
einem edelmann.
B) Der objectscasus.
122) Dieser casus wird äusserlich entweder durch ein
specielles objectssu£&x oder wo in bestimmten fkllen dasselbe
nicht gesetzt wird, durch die syntaktische Stellung oder auch
durch den objectscasus des dem nennworte vorangestellten ar-
tikels erkenntlich gemacht. Hier treten nun folgende specielle
unterschide zu tage, und zwar:
a) Bei männlichen nennwörtern, welche consonantisch
auslauten und keinen artikel vor sich haben, erscheint kein
äusseres objectszeichen und es wird das object nur aus der
bedeutung des verbums oder syntaktisch durch seine Stellung
(meist nach dem subject vor dem verbum) ermittelt; z. b. kardy
'ör iM (7, 1) eine hyäne packte einen knaben. dne tagug riydl
hitök (8, 20) ich will dir zwanzig taler geben, ardü harwd-t
mSa (11, 2) suche einen geftlrten und komm! hatdy ibirin
(55, 12) sie hatten ein pferd. duwdn tetib (58, 12) sie füllte ein
gef^s an.
b) Bei männlichen nennwörtern, welche vocalisch oder
consonantisch auslauten und den artikel vor sich haben, er-
scheint ebenfalls kein äusseres objectszeichen, weil das object
bereits durch die entsprechende form des artikels gekennzeichnet
^ Die beigeechlossene ziffer bezieht sich aaf seite and zeile der Be^anyetexte.
SHsungsbw. d. phiL-hist. a. CXXVUL Bd. 7. Abli. 5
66 Vn. Ablumdlang: Beinisch.
ist; 3. b. ö-nibis dehdy efriknit ebisna (7, 5) sie gruben flir in
das grab auf und begruben in. ö-rha rewyanik hVya (44, 1) als
er den berg erstigen hatte, ruhte er sich aus. i-fena hädirya
(60, 8) er eröfinete den krieg, wd-ör duwistay (50, 3) hast du
den knaben eingeschläfert? i-i^a gidyan (64, 8) sie warfen die
rinder über bord. i-mana tämya (24, 9) er frass die eingeweide.
Ebenso bleibt das object one casuszeichen wenn ein adjectiv
vorangeht, wie: dne güda hdrro ddlib ich kaufte vil kom. Geht
ein genitiv dem object voran, so kann das objectszeichen ebenfalls
wegbleiben oder auch gesetzt werden; z. b. Sedy dda^ inda fta
han rehendy (5, 16) wir sehen rinderhörner und männemadeln.
c) Männliche auf einen vocal auslautende nenn Wörter,
welche one artikel stehen, nemen das objectssuffix -b an, vor
welchem der vorangehende vocal gedent wird (s. §. 92, a) ; z. b.
rewd-b r4wyäna (6, 7) sie bestigen einen berg. hä-b giidn iß (38, 30)
ich trinke hier, arö-b yxdm (64, 28) er bestig ein schiff, hatäy
änküand-b edir (60, 12) er tötete einen reiter. hanin harrö-b nidlib
neni Bna (39, 27) wir kamen um körn zu kaufen, bxi-b ih^it
hay gigyän (59, 3) sie namen mel und zogen fort, tak endd-b
endlrsk harämibu (43, 28) wenn jemand leute tötet, ist er ein
Verbrecher, sed-b emmirkab Mndbe (64, 4) das schiff nam rinder
an bord. Folgt einem solchen vocahsch auslautenden Substantiv
ein adjectiv, so nemen beide das objectszeichen an; z. b. awi^
dabald-b ikta' (5, 6) er zerschlug einen kleinen stein.
Anmerkung. Ich finde in meinen aufzeichnungen bei-
spile verzeichnet, in welchen auch bei vocahsch auslautenden
nenn Wörtern, wenn sie one artikel stehen, das objectszeichen
nicht gesetzt erscheint; z. b. mista ebirima (7, 9) sie breiteten
matten auf. sitra yiheru akö yakyanik i^ani sitrd-b rehesatök€
teni (15, 7) als er sich erhob um ein versteck zu suchen, sagte
sie: ich will dir ein versteck zeigen, ani kilöyanyidhäy hdrro
ddlib (41, 12) um grütze zu machen kaufte ich getreide. Ander-
seits kommen beispile vor, in denen auch im falle von §. 122, b
das objectszeichen gesetzt erscheint, wie: ö-bii-b e-yamib eßfna
(59,, 12) sie schütteten das mel ins wasser. ö-4efd'b tSngil (15, 12)
sie öflftiete die türe.
d) Die weiblichen auf einen vocal oder consonanten aus-
lautenden nennwörter, wenn sie one artikel stehen, zeigen im
object ein -*, vor welchem ein unmittelbar vorangehender vocal
Die Bedaaye-Sprftche in Nordost-Afirik». II. 67
gedent wird; z. b. dne ää-t tamanyBk (45, 18) wenn ich fleisch esse.
kidma-t dbare Bilälib (42, 19) ich habe dienst bei Bilal. hani-t dni
(19, 15) ich erhebe ein geschrei. dne re-t aferik ich grub einen
bronnen. dirbati-t kayma^-heb (58, 5) bring mir butter! ün ü-tdk
hamö-t ki'bare dieser mann hat kein haar, 'öt (flir 'ör-t) ibire
(57, 6) er hatte eine tochter. Folgt einem solchen nennwort ein
adjectiv, so nimmt auch dieses das feminine objectssuffix -t an;
z. b. had'a-t wU (für w^r-t) wWyäna (56, 18) sie riefen eine andere
alte frau. fena-t daüri-t eküdyt Bya (26, 30) er nam eine schöne
lanze und kam.
e) Hat das weibliche object den bestimmten artikel vor
sich, so feit in der regel das objectszeichen am nennwort;
z. b. dne tö-'ör afild' ich deflorirte das mädchen. wü-änküdna
tä^inya akligya (41, 25) Gott hat die weit erschaffen, tö-fna
ihdyt edir (22, 2) er nam die lanze und tötete in. ti-hamo kd-
baberisna (6, 5) wir lassen die haare nicht fliegen. tBn tB-ma
kärin-hösna (37, 8) ich liebe diese frauen nicht, te-'ar bali-t
erhdn-höb küäramdn-hösna (37, 20) als ich jene mädchen sah,
begrüsste ich sie.
Anmerkung. Bisweilen findet man das objectszeichen
auch in dieser beschribenen Stellung; z. b. ani iö-öt (flir "ör-t)
be-t akanhin-hös (37, 13) ich liebe jenes mädchen. tö-büt (flir
bür-() niU (59, 2) wir verlassen das land. t-hawä-t (flir tö-hatod-t)
tetib (21, 15) sie flillte den schlauch an.
f) Geht ein adjectiv dem femininen nennwort voran, so
erhält nur dieses das objectssuffix -f; z. b. barük td'a daüri-t 'ör
bithiwete, tegite daüri-t 'ör kd-hj-hök (51, 13) wenn du mir jetzt
ein schönes mädchen nicht gibst, so gebe ich dir dann auch
keines. Das gleiche gilt auch wenn ein relativ dem object bei-
gegeben ist; z. b. SiUrndn tenlwe-t tö-6r ibiye erhisa-he (51, 16)
zeig mir das mädchen, das du dem Soliman gibst!
123) Die männlichen wie weibUchen eigennamen folgen
ganz den eben entwickelten regeln. Eine ausname bilden nur
die vocaUsch auslautenden weiblichen eigennamen, die im objects-
casus statt des zu erwartenden -t gleich den mäniüichen nenn-
wörtem ein -b annemen, wie: Madinä-b, Hallmd-b dkhan ich
liebte Madina, Halima, u. s. w.
124) Der dativ unterscheidet sich formell in nichts von
der in §. 122 und 123 beschribenen bildung des accusativs,
6»
68 Vn. Abhandlnzif : Beiniscb.
seine syntaktische Stellung ist in der regel vor dem accnsativ,
folgt aber bisweilen diesem auch nach, so dass nur aus dem
allgemeinen sinn des satzes beide casus unterschiden werden
können;^ z. b. Madlnd-b istöb ö-riü kassöh (61, 2) er brachte
der Madina alle habe zu. (jldwä-b ökhar harrö-b er stal einem
dorf getreide. dne Abrähim mahalagd-b ahdy (49, 27) ich gab
dem Ibrahim geld. ö-tdk mehalagd-b ihi (55, 8) er gab dem
manne geld. barük yB-adim ummä-t wet (fUr wSr-t) sötanyäc
andir-hök (43, 23) wenn du die geschichte andern leuten erzälst,
so erschlage ich dich.
Anmerkung. Der dativ auf -tda bei Almkvist p. 73, §. 81
beruht auf einem missverständniss und wir kommen auf diese
frage bei besprechung der postposition dähd zurück; s. unten
§. 135, c.
C) Der genetiv.
125) Der genetiv wird gebildet, indem an das seinem
nomen regens vorangehende nomen rectum, wenn dasselbe ein
masculinum ist, das genetivsuffix -y (nach consonanten -f), wenn
es aber ein femininum ist, -ti angefligt wird. Lautet das nomen
rectum auf einen vocal aus, so wird derselbe vor dem an-
tretenden Suffix gedent; z. b.
a) bei einem mascuUnen nomen rectum: 'aSd-y dar ischa-
zeit, spätabend, Allä-y kam ein gotteskamel (insekt die gottes-
anbeterin), mingd-y hdda ein wüstenlöwe, had'd-y 'ör eines schech's
son, lalünkö-y girma köpf eines pavian, 'Ör-i *ör sones son, enkel,
Aardm-f'ör hurenson, end-i'ör (zusammengezogen enjör) menschen-
son, kind aus gutem hause,, gdw-i kina besitzer eines hauses,
hatdy-i kina besitzer eines pferdes, rrdk-i niwa schwänz eines
esels, u. s. w.
b) bei einem femininen nomen rectum, wie: ahd-ti derdg
ufer eines flusses, anö-t 'är son eines schafes, ein lamm^ lili-ti ^ör
(auch lili't *ör) pupille eines auges, augenstem, mcLsdnkö-ti biya
saite einer harfe, ne-t hää feuerstaub, asche, 'öti (flir 'ör-ti)
hdmo haare eines mädchens, aü-ti yam honigwasser, nay-t 'dde
haut einer zige, malö-ti yaf schneide einer axt, u. s. w.
^ Genau so wie im Nuba, vgl. meine Nabasprache I, 27, §. 116 ff.
Die B^dftuye-Spnclie in Nordost-Afrika, ü. 69
126) Ist das nomen rectum mit dem artikel versehen, so
steht derselbe im objeetscasus; z. b. ö-gdw-i kina herr des hauses,
ö-mingd-y hd4a löwe der wüste, ö-maldl-i mSk esel der steppe,
waldesel, tö-masdnkö-ti biya eine saite der harfe, tö-'öti (fUr 'ör-
H) ^6r son der tochter, u. s. w.
127) Auch das nomen regens kann mit dem artikel ver-
sehen werden, welcher dann natürlich im casus des nomen regens
steht; z. b. wö-hatdy-i wü-anküdna der eigentümer des pferdes,
ö^her-i wü'hissa der meeressand, ö-GdS-i wü-hdrro das getreide
vom Gasch, lalünkö-y wü-hdge adaröbu der hintere vom pavian
ist rot. Ahdalld-y wö-dy-i ü-mirwad Mya wo ist denn das arm-
band Abdalla's? barüs wö-'dd-i ö-girma ki-kta er hat die klitoris
(vulvae Caput) nicht ausgeschnitten, end' sn ä-girma hamö-t ki-
barün diese männer sind kalköpfig (wörtlich: die köpfe dieser
leute haben kein haar), tak ikhan sultdn-i tö''6rt (57, 9) ein
mann liebte die königstochter. bdbyö m^äwa-y tü-bwr baldmta
(58, 14) die erde meines Vaterlandes (des Stammes meines vaters)
ist verdorrt, bdbyö encfäwd-y tü-bür bdlama Usni-hib (58, 20) die
erde meines Vaterlandes erwies sich mir als verdorrt, baruk
ö-badd-y tö-kldy tedir du hast die fledermaus (den vogel der
nacht) getötet.
128) Diese grammatisch eigentlich richtige construction
erscheint aber im Sprachgebrauch in den meisten fkllen stark
verkürzt, da der geist der spräche das bestreben zeigt, das
abhängige wort mit dem nomen regens zu einem einheitlichen
ausdruck zusammenzufassen. Dieses bestreben äussert sich darin,
dass beim nomen regens, wenn dasselbe ein masculinum ist, der
artikel ganz abgeworfen, bei einem femininen nomen aber der-
selbe zu t verkürzt (vgl. §. 113) und dieses mit dem nomen
rectum zu ^inem lautkörper zusammengezogen wird; in folge
dieses engen anschlusses wird (vgl. §. 96, a) das genetivische -i
zu -I gedent; z. b. ö-sandük-i bäb die türe der truhe, ö-mba4-i
gaü die Säbelscheide, ö-mid-i girma glans penis, u. s. w. — wo-
ay4't sdra (fiir wö-dy-i tü-sdrd) »der rücken der band« der hand-
rist, ö-badd-y-t kläy (für ö-badd-y tü-kldy) »der nachtvogel«, die
fledermaus, ö-maläl-i-t kaü (für ö-maldl-i tü-kaü) »das hun der
wüste« das perlhun, auch: ö-maläl-i-t endirho (fiir ö-m^ldl-i tu-
endirho) id., ö-m^k-i-t hart (für ö-mik-i tü-han) das eselsgeschrei,
wö-^ad-i-t ambaröya (fUr wö-'dd-i tä-ambaröya) »die lippen der
70 '^^' Abhandlimg: Seinisch.
vnlva« die Schamlippen^ ö-sultän-i-t 'ör (flir ö-sultan-i tö-^ör) die
königstochter, tö'"öt4't hamös hadaläiu (38, 7 für tö-^ir-ti tü-ha-
mos) das haar des mädehens ist schwarz, tö-öt-i-t 'ör (flir tö-*6r-
ti tü-'ör) die tochter der tochter, enkelin, u. s. w.
129) Diese Verschmelzung des nomen regens mit dem
rectum geht dann häufig so weit, dass der artikel des nomen
regens dem ganzen compositum vorgesetzt wird, wenn auch
das nomen rectum entgegengesetzten grammatischen geschlechtes
ist; z. b. tengitmita (flir wö-eng-i tü-mita) »der knochen des
rückens« das rückgrat; te'inaldl-endirho (flir ö-malal-i tü-en-
dirho) »das hun der wüste« das perlhun; tyamUhatäy (flir e-
ydma-y tü-hatay) »das pferdchen der gewässer« der fi-osch;
t-hüminde (flir wö-httm-i tü-inde »die mutter des gehimes« -=
^^\ ^\) der Scheitel, u. s. w.
130) Das letzte entwickelungsstadium dieser Verkürzung
besteht darin, dass auch das genetivische -y, -t zwischen dem
nomen rectum und regens abgeworfen und beide nomina zu
einem wortkörper zusammengezogen werden ; z. b. Amar'dr (flir
Amdr4 yä-dr »die söne Amars«) die Beni-Amer; Ha4'in4äwa
(für wö'had'-y B-ndd-y ü-^äwa »der volksstamm der abkömmlinge
des schßch«) der stamm der Hadend&wa;^ KU4n4&wa (flir kisyd-y
^-ndd-y ü-^äwa »stamm der leute, abkömnJinge der sklaven«)
die . Untertanen, die Tigr^; addrha (flir wö-ddar-i um-ha »das
getränke von honig«) hydromel, honigwein; md§ha (für ö-wdi-t
wü'ha »das getränke der Säuerung«) das hier, die merisa; amha-
könSi (flir wö-dmba-y könH) der mistkäfer; indeb (flir tö-in-ti deb)
»der sonnenfall« Sonnenuntergang, west; Seiga (flir B-Sedy- wü-
igd) der rinderhirt; Made (für i^a'-y 'ade »haut einer kuh«)
kuhhaut; kdnddbi (kend-y ddbe) lanzenstil; hangibala (flir wo-
hdm-i tü-gibala »der finger des anfangs« womit man beim zälen
beginnt) der kleine finger, u. s. w.
131) Ist das nomen rectum ein plurale, so wird an die
pluralendung das genetivische -y, nach femininen -ti angesetzt;
ein diesem suffix vorangehender vocal wird (nach §. 96, a) ge-
dent, auch wird ein dem -y unmittelbar vorangehendes a oder
^ Vgl. §. 62 und über den Ursprung der Hadend&wa s. texte p. 11)
kapitel 6.
)
Die B^dftuye-Sprftche in Nordost-AfritaL n. 71
e mit dem -y häufig zu S zusammengezogen ; z. b. Sed-y hiss'
amdsu ifi (5, 14) ich höre rinderstimmen {ßd" plur. ia'a rind);
ebenso: ien-y dda (5, 16) hörner von rindern; kürbd-y dd'a
»hömer (zÄne) von elefanten« (kurib plur. JfewrJa); €-dambi bitik
(68, 11) »Zwischenraum der schenke!« zwischen den schenkein
(dämba plur. dämba, §. 118); e BedäUyi-t bür das land der
Bedscha (ü-Be^düye der Bedscha, plur. ä-Beidüye die Bedscha,
§. 118); ye-ayi't sdra die handriste (fUr ayd-y tä-sdra, sing, wo-
ayi't sdra; ay band); t-eyd-t 'dde zigenhäute, u. s. w.
Anmerkung 1. Almkvist gibt in seinem werke (p. 68,
§.69) als genetivsuffixe an: sing. -i, fem. -fi, plur. -a, fem.-ta.
Nach den von mir gesammelten beispilen lautet aber das gene-
tivsuffix im plural ganz gleich dem im singular (s. oben §. 131),
doch ist nach den von Almkvist angeft\rten beispilen an der
richtigkeit seiner aussage nicht zu zweifeln, um so weniger,
weil auch in den Agausprachen für den plural ebenfalls -ä als
genetivsufßx erscheint.^ Es bleibt also nur die eine möglichkeit
übrig, diese divergenz zwischen meinen und Almkvist' s beispilen
zu erklären, nemlich die, anzunemen, dass in diesem punkte eben
eine verschidenheit besteht zwischen den nördlichen stammen
der Bischari und den südlichen der Halenga, Hadendawa und
der Beni-Amer.
Anmerkung. 2. Dass das genetivsufßx -^i, nur nach fe-
mininen nennwörtem vorkommend, in t + i zu zerlegen und
letzteres mit -y (nach consonanten -f), dem genetivzeichen der
masculina, identisch ist, kann wol keinem zweifei unterhgen;
mit diesem -y vgl. das genetivsufßx -I im Bilin, Chamir,* Saho
und 'Afar = A. f -, G. ff-. Almkvist gibt (p. 70, §. 72) an, dass
die auf einen vocal auslautenden nennwörter im Bischari vor
der pluralendung -a ein eufonisches y einschieben; z. b. ay band,
plur. dy-a bände, genet. plur. ayd-ya. Nach obigem ist demnach
dieses y kein eufonisches, sondern ein wurzelhaftes und es stimmt
sonach das genetivsufßx -ya vollständig mit dem amharischen f -
überein.
^ Vgl. Bilinsprache §. 153, Chamirsprache §. 208, anmerküng.
* In der Chamirgrammatik habe ich dieses saffix nicht aafg^fUrt, aber ich
fand dasselbe nachträglich in den texten, vgl. Chamirsprache II, 9, 43;
12, 1. 26; 13, 44.
72 "^^ Abhuidlimg: Beiniseli.
D) Der ablativ.
132) Dieser casus existirt eigentlich im Becjauye gar nicht,
weü derselbe formeU, daher auch begrifflich mit dem genetiv
durchaus zusammenfällt. Nachdem aber Almkvist (1. c. p. 71,
§. 75 ff.) dem ablativ ein besonderes kapitel gewidmet hat, so
will auch ich meinerseits alle jene fälle, welche nach unsem
grammatischen Vorstellungen in den ablativ gehören, der bessern
übersieht wegen hier speciell zusammentragen. Das Be^uye
drückt mittelst -y nicht nur die abhängigkeit eines nomens von
einem andern (genetiv) aus, sondern auch die richtung von einem
objecte her oder nach einem gegenständ hin, das verweilen an
einem orte, ferner die Ursache, das mittel wodurch etwas be-
werkstelUgt wird u. s. w., alle diese beziehungen, welche in
andern sprachen durch den ablativ, instrumentalis, locativ u. dgl.
ausgedrückt werden, bezeichnet das Be^auye ganz so wie den
genetiv mittelst des Suffixes -y; z. b.
a) Die richtung von einem gegenstände her; wie: aü
Mogälö-y iya (39, 6) wer ist aus Mogolo gekommen? dne ö-gaw-i
yCani (45, 7) ich komme vom hause. ö-GaS-i ydkya (55, 1) er
brach auf vom Gaschfluss. Makkd-y yäkyän (55, 12) sie brachen
auf von Makka. Soädn-i yakydyt Massiv ihe {bly 3) er brach
auf vom Sudan und ging nach Kairo, nä-mhln-i Btaf (36,23)
woher kommst du? dne ö-Sök-i yidn ich komme von Suakin.
ö'ddgel'i agidha ich stig vom mastbaum herab, ay (flir dw-i)
temdswa? von wem hast du es gehört? tdk-i meswdb koke ich
hörte es von niemand.
b) Die richtung nach einem object hin, wie: dne Amidd-y
dba-he ich bin auf dem wege nach Amideb. Mekallö-y niba-
niydd wir werden nach Mukullu gehen, nd-mhln-i atfarf (14, 30)
wohin soll ich fliehen? In der regel aber wird in diesen fällen der
objectscasus gebraucht, wie: Kassald-b nach ELassala, Jiddi-b nach
Dschedda, ö-süg dbe ich ging auf den markt u. s. w.
c) Das verweilen wo; z. b. dne ö-mangd-y abdy-ho hd^^äb
erhdn (46, 34) als ich in der wüste wanderte, sah ich einen
löwen. hö-y esd' (5, 5) daselbst blib er. loö "arö-y 'örüh ife (64,
29) auf dem schiffe befand sich sein son. Mekallö-y nife wir
waren in Mukullu. nd-mhln-i talägdmani (15, 26) wo soll ich
Die BedAvye-Sprftche In Nordost- Afrika, n. 73
mich verstecken? in-t&n-i oder in-tö-y (72, 16) hier an diesem
ort. b9n tin-i oder bSn-tö-y (ib.) dort.
d) Die Ursache, das mittel u. s. w., z. b. Abddlla Bildl-i iya
Abdallah starb durch Bilal. Bildl-i eddr er wurde von Bilal ge-
tötet, dne Abdalld-y atöta' ich wurde von Abdallah geschlagen.
wü-hd(jla ö-yö-y dihya der löwe fiel durch den stier, rasds-i iya
(60, 13) er starb durch eine kugel. ö- Firis edir ö-mha4'i (56, 5)
er tötete den Perser mit dem Schwerte.
e) Die Zeitangabe, wie: icödsir-i Bya (14,22) er kam am
nachmittag, wö-dsir-i wdkt-i maa (14, 15) komm' zur zeit des
nachmittags! ö-ngreb4 wdkt-i maa komm' zur zeit des abends!
to-fdtjliga titd-y (69, 14) in der vierten nacht.
f) Die vergleichung, wie: bariik hansir-i nigiswa du bist
schmutzig wie ein schwein. bariik Bildl4 akrdbua du bist ebenso
stark wie Bilal. d-yam (und ä-ydma) mös-i-ba dieses wasser ist
brackig (ist von salz, wie salz), barüs meslim-i ddybu er ist edel
wie ein muslim.
133) In folge dieser so verschidenartigen gebrauchs weise
von -y, bei welcher die genaue bedeutung dieser partikel durch
den allgemeinen sinn des satzes, durch das verbum u. dgl. oft
nur unvollständig zum ausdruck gelangen kann, hat der sprach-
geist nach mittein gesucht, die jedesmalige bedeutung von -y
genauer zu präcisiren und hat diesen zweck vollständig erreicht
durch postpositionen, welche wir demnach an diesem orte be-
sprechen wollen. Wir müssen im Becjauye zwei arten von post-
positionen unterscheiden, nemlich eigentliche d. i. postpositionen
welche nur als solche im gebrauche vorkommen und dann aus
nennwörtem abgeleitete. Beide arten von postpositionen ver-
halten sich zu irem nomen gerade so wie oben beim genetiv
das nomen rectum zum regens, regiren also wie die arabischen
Präpositionen den genetiv. Da nun im Be(Jauye wie in den
übrigen kuschitischen sprachen noch tatsächhch die meisten
postpositionen als wirkUche nomina im gebrauche stehen, so
darf hieraus wol ein schluss auf einen ursprünghchen nomi-
nalen character auch der eigentlichen postpositionen gezogen
werden.
134) Zu den eigentlichen postpositionen gehören nach-
folgende:
74 Vn. AbhAndlnng: Beinisch.
a) Die postposition -ä, durchaus identisch mit Ti. G. fl-
o -a der semitischen sprachen ; z. b. kidmdt dbare Bilälri-b ^ ich
habe dienst bei Bilal f42, 19). lehayt %d wun musllm-i-i-u^
morgen ist ein grosses fest bei den muslim (oder ein grosses
fest der muslim). So erklären sich auch Verbindungen, welche
man als genetive betrachten könnte, wie: ü-gaü wü-Hammed-i-h
wünu das haus, das bei Mohammed ist, ist gross, — woftür auch
gesagt wird : Hdmmed-i ü-gaü wünu Mohammed's haus ist gross.
wü'örus te4agl'ti-b^ iya sein son starb auf dem wege. ferhä-H-b
tiya (43, 5) sie starb vor, aus freude. tü-yin, tü-terlgy yä-hayük
tö'birB-ti'b hirBren die sonne, der mond und die steme wandeln
am himmel. dne mehdyt yinä-ti-b tamdb kake (42, 27) ich habe
seit, in drei tagen nichts gegessen. Mesuwi' jaslrä-ti-b tifi (42, 26)
Massaua ligt auf einer insel. ani Hartum-i-b^ Sodän-ib e8ti\ '6rü
wü-ani ö-Sök-i-b efe (36, 30) ich wone zu Chartum im Sudan und
mein son befindet sich in Suakin. ö-Sök-i-b dnde (36, 28) ich gehe
nach Suakin. Abdalla-y ö-gaw-t-b dnde ich gehe nach, zum hause
Abdallah's. e-biyön S-yam-B-b^ wi/Y/" (59, 10) wir schütten unser
mel ins wasser. e-yam-B-b ddbya (42, 29) er fiel ins wasser. ay tirga
yi'hamHk-B-b tesni (42, 28) flinf mo|iate blib sie am leben.
b) Die postposition -<, -d, gleichlautend mit Sa.-*Af. -f, -d
Bil. 'd, Cha. 't, -dj De. Qu. -z, Ku. -to, -te, A. »f-- bei, an, in,
nach u. s. w.; z. h. Ö-bSlled ön-ndy-ka ü-beledün hanyis wö-^ldA-d
denn als jene Stadt ist unsere Stadt vomemer in bezug auf fest-
feier. tö-'öti-t ham-ös, hadaldtu wö-hawäd-i-d (38, 7) des mädchens
ir haar ist schwarz nach art der (wie die) nacht, dne Biläi-i-t
akrdbu ich bin stark nach art, wie Bilal. tö-takdt darü-t^ Aöy, bit-
fariyikj tak ün ßdikti-t wet bä-id'ir (7, 19) nach der entlassung
der frau, wenn sie nicht gebärt, soll dieser mann nach der Scheidung
eine andere heiraten! yam giCati-t en4ön niba (40, 7) nach dem
trinken von wasser gehen wir heim, bismilldhi diti-t en^ön niba
wir sagen: in Gottes namen! und gehen heim (nach dem bis-
millahi- sagen gehen wir heim), ani B-d'dyB eshalii-t yTani-höka
(20, 25) nach dem schärfen meiner hömer komme ich zu dir.
^ lieber i statt t s. §. 96, a. > lieber -m s. §. 139.
' Für td-lagitib, s. §. 113; da das wort lagi gener. femin. ist, so steht das
Suffix -tiy s. §. 125.
* Aus yamoA-h zusammengezogen.
^ dur-ti die Scheidung, dartit für dar-ti-i-t; vgl. a. Almkriat l. c p. 247, d.
\
Die Bedaiiye-Sprsche in Nordost- Afrilc». n. 75
tä-fna tdki ay-i-t tifi die lanze befand sich in des mannes hand.
keddddebin-di säkna (Münz. p. 353) wir gingen in der finsterniss
fert. Dieselbe postposition ist auch vorhanden in : lehdyt morgen
= leha-y-tj und in hiikayt zwischen, hitka mitte.
Anmerkung. Dieselbe postposition kann auch einem
verb im bestimmten tempus nachgesetzt werden und es wird
auch hier in der regel zwischen dem verb und der postposition
die genetivpartikel -y eingeschoben; z. b. Soddni yakyä-y-t^
Massiv ßbe (57, 4) er brach vom Sudan auf und ging nach
Kairo (wörtlich: nach dem von er-brach-auf ging er), hl-mäa
ten-i't Aöy tihdy (16, 15) gib her! sagte sie und nam (das geld)
von im (wörtlich: bei dem: gib her! sie-sagte nam sie), ragadök
ö^dr kifd't hiyeba (20, 5) schneide das eine bein von dir ab
und gib es mir! ani äeegab akd-y-t dirman (44, 2) ich wurde
ein hirt und weidete vih (wörtlich: nach dem von ich wurde
ein hirt, da weidete ich).
c) Die postposition -8 (gleich mit dem genetivsuffix im
Bil. -«, De. Qu. -z, -zi, G. ff-) &^^y von, mit; z. b. bdbyö 6-
gaw4-8 dirbatit hdyma-hib (58, 5) bring mir butter aus meines
Vaters haus! Hdrmned-i wö-ay-i-s iya er starb von der hand
Mohammed's. abiyi-s (flir dbiya-i-s) hardm-i ibe (9, 14) er ging
von sich (flir seine person) auf slinde aus. bäbyök en4äwd-y-8
bdya ziehe aus deinem vaterlande aus! vgl. a. 28, 8; 29, 12;
34, 16; 35,1. 11; 48,20; 56,2.
d) Die postposition -ka von, aus (Sa. 'Af. -Aö, -ftn. So. fta-,
Ku. 'kin, Bar. -gfe, Kaf. -je, A. h-) wird im Be(Jauye fast nur
mer in der comparation gebraucht; z. b. ö-tak-i-ka tü-takdt hanyis
vom manne aus ist die frau schöner - die frau ist schöner als
der mann, tö-dinyä-ti-ka xcü-akir hanyis das jenseits ist schöner
als die weit; vgl. auch §. 143. Ausserdem finde ich diese post-
position noch im gebrauch bei Zeitangaben von, her, seit;
z. b. 'öfü ay-t ylnä-ti-ka lehdtu meine tochter ist seit fiinf tagen
krank. 'Ali had'dbufa4ig haüU-ka^ Ah ist schech seit vier jaren.
^ yökya er brach auf; zu yakyi-y s. §. 96, a. Zu diesem -4 vgl. a. Alinkvist
p. 247. Genau so wie hier das Be^jauye so construirt auch das Nuba;
vgl. ay nOgn-do irj€n ikdri als ich fortging (wOrtlich: bei dem ich zog
fort) war ich reich, u. s. w., s. Nubasprache I, 146, §. 438.
* hoQl plnr. haCda, davon ha{da-i-ka = haOlika. Almkvist p. 273 s. v. -ka
seit, hat die interessante form ha/QiUM/i-ka, Da nun -i für ursprüngliches
76 Vn. Abhandlang: Beiniseh.
e) Die postposition -na mit, in gesellschaft (Ga. -n, Kaf.
-nay Kiu -nö, A. -^t G. -J^i -^05 ^- ^- Bammed-i-na haydt ich
will mit Mohammed gehen, dro wir-na ibdbya er reiste ab auf
(mit) einem andern schiffe.
f) Die postposition -ne seit, von (fraglich ob ans na-f);
ich besitze davon nur folgende Verbindungen in Zeitangaben:
dfa-ni seit gestern, haldn-ne von jetzt an, lehdyt-U (flir lehdyir
ne) von morgen an; vgl. auch bei Hunzinger: ero-ne seit gestern.
135) Ausser diesen einfachen, eigentlichen postpositionen
ist ganz so wie im Kubischen eine reihe von aus nennwörtem
abgeleiteter postpositionen im gebrauche, wovon die am häufigsten
vorkommenden folgende sind:
a) gab meist verkürzt geb und nur gsb wenn der accent
darauf zu stehen kommt (s. §. 105) eigentlich: seite,^ daher:
an, bei, mit (in gesellschaft\ von (seitens); z. b. Hdmmed-i
geb riü sfi bei Mohammed gibt es geld (M. hat geld). Abdalli-y
geb bVya er schlief bei, mit Abdallah, wü-hdda ö-yö-y geb emödär
der löwe wurde vom stier getötet, wü-harib an-i geb yihäküdr
der wasserschlauch wurde von mir zugebunden.
Als eigentliches nennwort kann es auch mit dem gene-
tivischen -y versehen werden; z. b. wü-hdrro Bildl-l gib-i etögü-
har die durra ist von Bilal gestolen worden, a-y gib-i ti-ia
k'hök von wem (von wessen seite her) kam dir das fleisch zu?
Hdmmed-i gib-i it-eb von Mohammed kam es mir zu. ün harib
Abdalld-y gib-i etdb dieser wasserschlauch ist von Abdallah
angefüllt worden.
Anmerkung. Als nennwort kann daher auch geb mit
den pronominalsuffixen versehen werden; z. b. geb-ö mit mir,
ya steht (s. §. 131 anmerkuDg 2), und nicht anzonemen ist, dass diesem
ya pleonastisch nochmals ein t vor der postposition folgen soll, so kann
e in ye nur erklärt werden, wenn man statt ya die ausspräche ye annimmt,
wo dann e vor -ka (nach §. 96, a) gedent worden ist.
^ Bil. De. Qu. gahi, Cha. gehd, ghä, guä (G. 70') <^^^) neben, bei, an, mit,
8. Bilinsprache §. 165, Chamirsprache §. 250, Qnarasprache §. 150. Mit
Cha. ^ä föllt zusammen A. ^i vgl. ^/H I beim köpf, Y\J!^% i bei der
band, und Ti. 7*i meist ^ i z. b. ^f i iß*i{f^l J^A^flf > ^^ mir sind
kinder, ich habe kinder. Im G. steht dem 7* i zunächst gegenüber ^(1 1
latus ; juxta, prope, a latere, und ser warscheinlich ist damit im znsammen-
hang die präposition ^ f) > j^^^ apud, Ty. tlH" ^^- (^STI- Bilinwörterb.
s. V. kab).
Di« B«daii7e^pneh6 in Nordoet-Afrik». IL 77
gdhök mit dir, gd)'ö8 (geb-öh) mit im, ir, geb-ön mit uns, geb-
ökna mit ench, geb-ösna (geb-öhna) mit inen.
b) hida^ gemeinschaft, gesellschaft, mit, onacmn, auch
mit folgendem genetivzeichen hidd-y in gesellschaft, zusammen
mit; z. b. barüs Abdalld-y hida (hldäy) ö-Sökib ibdbya er reiste
gemeinschaftlich mit Abdallah nach Suakin. hanin wö-hdd'a Hdm-
mad-i hida Ämidib Bna wir kamen mit dem schieb Mohammed
nach Amideb. ani adarhäb gudn Hdmmad-i ö-san-i hldäy ich
trank honigwein mit Mohammeds bruder. baruk ö-blis-i hldäy
temörama tihaya du bist mit dem teufel verbündet.
fe) d^hdy dha eigentlich nähe, als postposition nach, zu,
hin, bei;* z. b. tö-tdkat-i d^hd iya (68, 10) er kam zum weibe.
te-märe wö-'dw-i dähd eßf (67, 4) er schüttete die suppe auf
einem stein aus. te-dife wö-hdS-i d6hd efif (67, 9) er schüttete
die belila auf den sand aus. te-lagi Hdrty,m-i ö-Sök-i dehd gu-
mdddu (36, 33) der weg von Chartum nach Suakin ist lang.
In den meisten fkllen erscheint dehd mit der genetivpartikel
als d^hd-y, dhäy »in der nähe«; z. b. t-ende-ti dhdy iya (58, 7)
er kam zur mutter. ö-bäbd-y dehdy iya (62, 11) er kam zum
vater. Da in diesem falle dehd-y nicht mer als blosse postposi-
tion, als Suffix, sondern als eigentliches nennwort geflilt wird,
so wird in der regel das genetivische -i des vorangehenden
nennwortes nicht mer betont; z. b. tü-bdyho wö'hd^4-^ dehdy
sota (20, 27) der schakal berichtete es an den löwen (erzälte
es dem löwen). tü-bdyho ö-yö-y dehdy ka (20, 18) der schakal
kam zum stier, e-gulüla ye-adim-i dhäy^ ö-mik-i tö-m/uk-i dhdy
bä'fdHda, tim (jliya (44, 7) zu den reden der dummen und zu
esebfurz lache nicht, sondern schweige! *
Anmerkung. Als nennwort wird dehd auch mit pro-
nominalsuffixen verbunden, als: deh-ö, -öky -ös u. s. w. zu mir,
dir, im, u. s. w.
^ Sa. Mdä, 'Af. tiddä gemeinschaft; s. §. 96 c.
* Cha. -tik und -cik nahe bei, an, bei, mit, yi-Uk (cik) Uteru er. trat zu
mir; s. Chamirsprache §. 248. Ebenso Bar. -dik, -digi id., vgl. G. m^ '
oder f^ I praepos. proxime, secus, juxta.
' Ans dieser Verbindung von deha, dha mit vorangehendem t ist der so-
genannte dativ bei Almkvist auf -ida entstanden; s. oben §. 124, anin.
Alrnkvist hat diese tatsache selbst schon erkannt; s. L c p. 121, §. 163.
78 TU. Abhudlnng: Keinisoh.
d) däb die Vorderseite, gesichtsseite, daher: vor, ante,
meist in der genetivform däbd-y und bei Zeitangaben gebraucht;^
z. b. engäl hdül-i däbdy vor einem jare. engät sa^ä-ti däbdy
vor einer stunde, esimhäy-t ylnd-ti däbdy vor acht tagen.
e) süT Vorrang,* als postposition fast nur mit folgendem
genetivischen -y, -i, also: sür-i vor, voran (örtlich); z. b. nigg-
niggo wö-härräw-i suri esd' yidyim (25, 15) vor dem kom sass
eine eidechse. Hdmmed ö-gaw-i süri esti Mohammed sitzt vor
dem hause. e-Sa-dy süri hirera marschire vor den rindern!
barus en4äwd-y süri hirBrya er marschirte dem beere voran.
f ) har' und ar hinterteil, rückseite, ^ als postposition regel-
mässig hdr-ij dr-i hinter, nach;* z. b. Hdmmed ö-gauhi Jidri
Bfe Mohammed befindet sich hinter dem hause, asä-gul-t ytndt
hart ö-Sök ena nach sechs tagen kamen wir nach Suakin. barüi
e-sad-y hdri hirBrya er marschirte hinter den rindern.
Als nenn wort nimmt es auch pronominalsuffixe an, als:
hdr'-öy 'öky -ö8 u. s. w. hinter mir, dir, im.
g) dräwa nähe, seite,* aräwd-y an der seite, neben, das
was gab'^ z. b. barüs Hdmmed-i aräwdy esd' er sass neben
Mohammed. Hdmmed-i ü-gaü Abdalld-y ö-gaw-i aräwdy ife
Mohammed's haus befindet sich neben dem Abdallah's.
h) enki, inki, inki und Al, bei A. 4nkiy inkij bei BLr. emki^
bei Sa. inke, bei See. inkihy bei W. c^ geschriben und khi
up, transscribirt, ^ auf, über, oberhalb, oben; z. b. barüs ö-ndl-i
aräwd-y esd\ ö-n'dl-i inki sa^db kike (42, 16) er sass neben, nicht
* Bil. De. Qu. jäb Vorderseite, gesiebt, jäbi-l vor, bevor; s. Büinsprache
§. 165, Qnaraspracbe §. 152.
' 9Gr-kena der erstgebome, älteste son der nacb dem vater das familien-
baupt ist. Es ist dieses «ür = ijyia plor. ^yZa gradus dignitatiii, bono-
ris, si^i^ *jy^ ^ ^^ gebürt der Vorrang vor dir. In Ga. d^ra vor,
voraus; früber, eber, ini d6ra der erste, stebt d für 8 wie oben §. 7. In
So. hör, höre vor, voraus, ist s zu h übergegangen und dieses dann zu./
in *Af. fdwir an der spitze steben, zuerst sein, den Vorrang einnemen,
ffyrö (für fdtcirö) anfang, Vorrang, fdyr6 bMä der erste, erstgebome son.
Postpositional : lahd »cmdt fäyrö-l tä-la-ke 4na icb war bier vor sechs jaren.
* Lautlicb stünde am nächsten K'vt ^y^ warscheinlicb ist aber ?tar' eher
auf VTR ^;^\ zu bezieben.
* 8a. *Af. irö rückseite, irö-l hinter.
^ Herkunft dunkel, cf. SoS propinquitas.
* Herkunft dunkel.
Die B«dMi7»-Spracbe in Nordost- Afrik». IL 79
auf dem bette. ü-bcCno ö-gaw-i 'nki esti (42, 18) der geier sitzt
auf dem hauBe.
i) wuha tiefe, niderung, vmha-y in der tiefe, daher unter,
unterhalb, unten;^ z. b. hanin wö-hind-i umhay nestV (42, 13)
wir sitzen unter dem bäum, ü-yds ö-ndl-i umhäy bxine (42, 15)
der hund ligt unter dem bett.
Anmerkung. Als nennwort nimmt es auch pronominal-
suffixe an, wie: wuh-ö, -ök, -ö8 (öh) u. s. w. unter mir, dir, im.
k) betiky hitik^ Zwischenraum, daher zwischen, mitten;
z. b. barus ^Omdr wä Hdmmad-i bitik bxine er ligt zwischen
Omar und Mohammed, e-dambi (für dambd-y) betik kümya (G8, 11)
er drang ein zwischen die beine. Es kommt in dieser Ver-
bindung auch mit dem artikel versehen vor, wie: malö erbd-y
e-bitik^ abdt^ tifi (42, 6) zwischen den zwei bergen befindet sich
ein äuss.
Anmerkung. Als nomen nimmt es auch pronominalsuffixe
an; z. b. e-bitk-ek wä e-bitk-en Hba Bfi, abdt^ Ufi (42, 4) zwischen
euch und uns ligt ein berg und ein fluss.
1) kdlawa inneres, bauch, kalawd-y^ innerhalb, in; z. b. ö-
gaw'i kalawdy innerhalb des hauses. ö-kilmö-y kalawdy inner-
halb des dorfes. ü-gawüs ö-belled-i kalawdy ifi sein haus ligt
im innem der Stadt. ökaUb-i kalawd-y egid (56, 3) er warf in
hinein in den hofraum.
m) ft^ bauch, inneres, fi-i und fi-i-b im bauche, inner-
halb, in; z. b. niehäy baiin ö-sandük-i fiib ndyyän (15, 32) jene
drei übernachteten in der truhe.
^ Bei A. toäki, uhi, yvih, bei Kr. uhi, bei See. wuhih unter, vgl. Sa. *Af. hähä
tiefe, nidemng.
• Das nomen ist eigentlich hi^Uky wegen des accentes hetik (s. §. 105 und
106, b) und in folge ron vocalharmonie dann fntik-, von hetik, Bil. hatak^
'^^' ti'tXi > ^- fl'l^h > d^^ auseinander schneiden.
• Für ö-bUOc, 8. §. 113.
^ Grammatisch wäre nur &ba zu erwarten, da bei unbestimmter Stellung
nur im objectscasus bei masculinen -b, bei femininen -t erscheint. Da
aber wenigstens takAt frau, gegenüber tak mann, auch im nominativ das
genuszeichen zeigt, so ist die form abdt wol nicht ganz unmöglich.
^ Bil. kluwi xiüAjüuwäy (^Vi.jüuwd kreis, umfang, jäutoi-z im kreise, innerhalb.
• Aus yr, fäy* und dieses = gjü> intestinum; s. §. 61.
80 Vn. Abhandlnog: Reiniseh. Die Bedaaje-Spnch« in Noxdoii-Afrik». II.
n) gilla Ursache, gelld-y wegen; ^ z. b. barüs (hriuy-i geUAy
Bya er kam wegen des geldes. batus wö-^ör-% te-lhani-ti gelliy
ita sie kam aus anlass der krankheit des knaben. tö-^öti gelUy
ärfdgara ti-fna hadiryän wegen des mädchens Hessen sich die
Jünglinge in den streit ein.
o) anüy nun (wol ftir anün), bei A. dnu, nüny nu^ one,
ausser; z. b. endd-y nun iya ki-hay one gefolge ist niemand
gekommen, barus rew-i nun iya er kam one geld. dirbadt anü
Sümya (58, 17) er trat ein one butter.
p) bdka, bakä-y ausser;* z. b. Hdmmed-i bakäy iya Ici-
hay ausser Mohammed ist niemand gekommen, asimhdy tamün
bäka ü'dhdy ü-rdü enhddna (64, 12) ausser achtzig mann war
die übrige mannschaft umgekommen, gäl Sd'y bakdy nät kdbari
ausser einer einzigen kuh habe ich nichts mer. hatdy bakdy ün
beled4-b rBü ki-hay ausser pferden gibt es in jener Stadt kein yih.
E) Der vocativ.
136) Wie der nominativ so steht auch der vocativ one
casuszeichen, jedoch wird diesem in der regel die interjections-
partikel ay,* auch zusammengezogen e und i nachgesetzt; gattungs-
namen nemen überdiess genau wie im Aegyptischen den be-
stimmten artikel in der nominativform zu sich; z. b. Hdmmedrdy
o Mohammed ! um-'ör-ay (oder um-ör-S, wü-^ör-l) mdüa komm her
o knabe! ö-yds-i wü-öTy tim diya schweig du hundeson! ü-glil-l^
ö-glüli *ör (27, 5) o du dummkopf, son eines dummkopfesi tü-glUUj
tö-glülltit 'ör (27, 8) o du närrin, tochter einer närrini wü-^ör-ay,
ö-büb nigila-hiba (41, 15) bursche, öflFne mir die türe! wiirha
(oder wu'hd-y) nän tuwariya o du mensch, was machst du?
^ jl^ caasa, ^JjSa» «y« propter te, tuft cau8& ; wie im Saho 'alg und *(Be
Ursache, tä *ille desswegen, n. s. w. = dÜLß causa.
' Die ursprünglichste form dürfte wol otifin sein; vgl. Sa. *Af. Ain und
hVnrim, id.
" Bei A. hdkai der es von ^Ju herleitet; ich stelle es mit Sa. fttZiba, h^
höhe, zusammen, wovon bMÜlca-l über, neben, ausser, das zu r^ gehOrt,
lS>* er* desuper.
* Ob eine Umstellung von b? Vgl. aber auch (1 ^^< gTV aiy ot und be-
sonders Qu. -aiya^ z. b. mamir 6iya o meister! u. s. w., vgl. Quarasprache
§. 128.
Yin. Abk.: Beer. Handschr. Spanieus. Ribl. Uebcrs.: 928 (lUdrid). 1
VIII.
Handschriftenschätze Spaniens.
Berieht über eine im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in den Jahren 1886 — 1888 durchgeführte Forschungsreise.
Von
Dr. Budolf Beer,
Anumaensis der k. k. Hofbibliothek.
Madrid.
238« *BibUoteca Nacional,
Ebenso wie bei Sammlung der bibliographischen Daten
über den Escorial musste auch bei dem hier folgenden Abschnitt
darauf verzichtet werden, säramtliche Publicationen oder Edi-
tionen, welche sich nur mit einer oder einigen wenigen Hand-
schriften beschäftigen, zu verzeichnen. Vor kurzer Zeit wurde
der Nationalbibliothek die Handschriftcnsammlung des Herzogs
von Osuna einverleibt, welche im Jahre 1886 vom Staate sammt
den grossen Bücherschätzen um mehrere Millionen Realen an-
gekauft worden war. Diese Privatsammlung, welche ihre eigene
Geschichte hat, musste daher unter dieser Kubrik ihre Be-
handlung finden; wir unterscheiden also: I. Aeltere Fonds und
n. Fonds Osuna.
I. Aeltere Fonds.
A. Handschriftliche Kataloge.
Ein handschriftlicher Bericht über die Biblioteca nacional
an den König von Spanien, verfasst von Juan de Santander,
findet sich in der königlichen Bibliothek zu Brüssel.
Vgl. Bibliotheca Hulthemiana Tom. VI, p. 268, Nr. 909.
Biblioteca Real de Madrid. Estado de los manuscritos,
SU procedencia y de los libros impresos.
Manuscript (Vol. LXXVU) des Institute de Jove-Llanos
zu Gijon, vgl. Somoza de Montsoriu, Catalogo p. 151.
Behufs Feststellung der aus Toledo nach der National-
bibliothek überftihrtcn Handschriften wurden verschiedene hand-
SitziiJig8b«r. d. phil.-hist. Cl. CXXVIII. Bd. 8. Abb. 1
2 VITI. AbbftndloDf : Beer. HAndtchriftentoliAtst Sptnieas.
schriftliche Kataloge angelegt, darunter eine mir vorgelegte
Lista de los Codices de la Libreria del Cabildo de la Catedral
de Toledo, que se han recibido en esta Biblioteca Nacional.
Vgl. Hartel-Loewe p. 538. Leider sind diese Listen un-
genau und entsprechen nicht mehr den thatsächlichen Verhält-
nissen; dies um so weniger, als einige Handschriften wieder
nach Toledo zurückgestellt, andere in späterer Zeit von Seite
der Nationalbibliothek aus Toledo reclamirt wurden.
Der handschriftliche, für das Publicum bestimmte Katalog
besteht aus drei Bänden in FoUo (nach Ewald p. 285 von
Antonio Gonzalez 1826 begonnen). Leider ist derselbe alpha-
betisch nach Autoren und Materien angelegt, daher wenig
dienUch.
Ueber einen neu angelegten Zettelkatalog der Hand-
schriften berichtet das Anuario I (1881), p. 142 El indice
moderno de Manuscritos comenzado en 1874 comprende hoy
las papeletas correspondientes ä 3500 manuscritos. Ferner
heisst es daselbst: Existen 7000 voltimenes de obras j papeles
varios, catalogados en un Indice en tres vol&mene8 en foUo,
hecho en el siglo pasado. Hay ademäs otro volumen de Indice
de los manuscritos ärabes y griegos, y finalmente^ otros dos
volumenes en folio tambien donde constan las genealogias de
una numerosa coleccion de apellidos conservadas en un mismo
estante y formando seccion aparte.
Endlich wäre hier noch zu erwähnen: Relacion de todo lo
sucedido en las comunidades de Castilla y otros Reynos rey-
nando el Emperador Carlo quinto.
Cod. Vindobon. 13529. In den Tabulae codicum findet
sich (VII, p. 229) folgende Bemerkung: Haec relatio descripta
est e codice G. 96 saeculi XVI in BibUothec« Matritensi publica
asservato et quidem summa cura et industria, ut testatur Pa-
schaUs de Gayangos nota hispanica ab ipso exarata ,Londre8
26. de Agosto de 1851^ et ad calcem adligata.
B. Druckwerke.
Florbz, Espana sagrada tom. XI (1753), p. 48 ff. beschreibt
zwei Handschriften von Alvars liber scintillarum aus der ,Real
Biblioteca^, eine, A. 110, dem 11., die zweite, A. 114, dem.
14. Jahrhundert angehörig.
Bibl. Ueb«nieht: 2«8 (MAdrid). 3
Tom. XDI (1756), p. 330 ff. erwähnt und benützt er bei
ier Ausgabe von Paulus Diaconus De vita et miraculis Patrum
Smeritensium eine Handschrift gleicher Provenienz. Ebenso
liente ihm bei Herausgabe von Sebastiani Chronicon Nomine
yfonsi tertii recens vulgatum in demselben Bande p. 475 ff.:
)tro Ms. de que us6 Ambrosio de Morales, pues tiene algunas
x>sas de su mano en las margenes, y existe hoj en la Real
Bibliotheca de Madrid sowie die ebendaselbst befindliche Copie
les D. Juan B. Perez.
Tom. XrV (1758), p. 117, die Actas de S. Mancio martyr
besprechend, sagt er: Yo tengo copia de un MS. Gothico, que
se guarda en la Real Bibliotheca de Madrid, algo diferente de
[o publicado.
Tom. XVI (1762), p. 349 wird ein Codex mit Bruch-
stücken der Opera S. Valerii erwähnt und zur Ausgabe der
iVerke in diesem Bande herangezogen: En la Real Bibliotheca
ie Madrid hay tambien un Codice Gothico con la primera reve-
acion hecha ä Maxime y el Acrostico: pero falta todo lo demds.
Iriarte, Joannes. Regiae Bibliothecae Matritensis Codices
ülraeci mss. Volumen prius (un.) Matriti, 1769, fol.
Ausführliche Beschreibung von 125 Nummern, die bis
leute noch nicht überholt ist. Die Vorrede gibt einige Be-
nerkungen über die Genesis des griechischen Fonds.
Plüer, Carl Christoph. Reise von Madrid nach dem
Escurial, in Anton Friedrich Büsching's Magazin für die neue
Sistorie und Geographie, Theil IV. Hamburg 1770, p. 389
ichätzt die Bibliothek bereits damals auf 60.000 Bände, bemerkt
edoch : ,An alten Handschriften hat sie keinen Vorrath^ Sonst
indet sich nur eine Notiz über die Erwerbung der Bibliothek
les Cardinais Aquinto.
El FUERO viejo de Castilla, sacado y comprobado con el
3Jemplar de la misma obra, que existe en la real biblioteca de
)sta Corte, y con otros mss. Publicanlo con notas historidas y
egales los doctores D. Ignacio Jordan de Asso y D. Miguel
ie Manuel y Rodriguez del Rio. Madrid 1771 fol. Cf. Valen-
inelli p. 23.
Mir lag nur die Ausgabe von 1847 vor, welche p. XLHI
iber das Manuscript de la Biblioteca Real de una letra bastante
intigua berichtet, das zur Ausgabe verwendet wurde.
1*
4 Vni. Abbandlang: Beer. HandschriftensebitM SpuiIenB.
PoNz, Viage de Espana, Bd. V (1782), p. 155—158.
Abriss der Geschichte der Bibliothek bis 1780, Erwähnung
der Fonds und der wissenschaftlichen Arbeiten über dieselben;
interessant die Notiz: hoy se estä preparando para la imprenta
el segundo Tomo de la Bibliotec« Griega, que dexö escrito el
expresado D. Juan Yriarte.^ Ueber die Manuscripte keine
specielle Bemerkung.
RoDRiGUEz DB Castro, BibHotccÄ Espanola, Madrid, 1786,
Tora, n beschreibt : p. 301 : eine Bearbeitung der ,Coleccion de
Concilios' und verschiedene Werke des Isidor von Sevilla,
Manuscript Burriers, mit Collationen von alten Toledaner
Handschriften (vgl. ibid. p. 377) ; p. 421 : cod. B. 31. Beatus
in Apocalypsin aus S. Isidro von Leon. p. 456: Mittheilungen
aus der Burriel-Collection, und zwar aus seinen unedirten
Memorias de las Santas Justa y Rufina. p. 491: über einen
Codex der Historia Compostelana. p. 511: (in der Burriel-
Collection) Copie des Werkes ,Planeta' von Diego de Campos.
p. 536flF.: Arzobispo Don Rodrigo, Hiatoria de Espana (Aus-
führliche Excerpte) p. 539: Historia de las Nabas de Tolosa
(alte Signatur OCHII). p. 529 und 581: cod. F 46 Escritos
del Arzobispo D. Rodrigo y Lucas de Tuy. p. 592: cod. C. 16,
Juan de Dios, Liber casuum decretalium. p. 627: (in der
Burriel-Collection) Pseudo Alfonso, Libro del Thesoro.
Tychsen O. Gerh., Beschreibung der Handschriften von
Homer in dem Escurial und der königl. Madrider Bibliothek;
enthalten in:
Bibliothek der alten Literatur und Kunst; mit unge-
druckten Stücken aus der Escurialbibliothek und anderen,
herausgegeben von Thomas Christoph Tychsen, Chr. W. Mitscher-
lich und A. H. L. Heeren. Göttingen 1786—1794. Stück VI,
Nr. 2.
Ferreira Gordo, Joaquim Josb, Apontamentos para a
Historia Civil e Litteraria de Portugal e seus Dominios, collegidos
dos Manuscritos assim nacionaes como estrangeiros, que existem
na Bibliotheca Real de Madrid, na do Escurial, e nas de alguns
* Dieser Band ist niemals erschienen; das Manuscript wird jedoch in der
Nationalbibliothek aufbewahrt. Vgl. Qraux, Rapport, p. 122.
>
Bibl. üebenicht: 228 (Madrid). 6
thoreSy e Letrados da Corte de Madrid. In Memorias de
teratura Portugueza Lisboa 1792, 4^, tom. III, p. 1 — 92.
Die fleissige, bisher wenig beachtete Schrift berichtet zu-
hst von p. 14 ab die Geschichte der Nationalbibhothek und
Igt hierauf Notizen über andere Büchersammlungen. Den
ipttheil der Arbeiten bildet ein ziemlich ausfUhrUcher Iland-
riftenkatalog in drei Abtheilungen: Divisaö I: Das Memorias,
3iimentos, e Escritos em Portuguez (p. 29 — 61). Div. II. Das
morias, Documentos, e Escritos em Castelhano (p. 62 — 88).
\ III. Das Memorias Documentos, e Escritos em outras
jgüss (p. 88 — 92). Die Manuscripte, durchwegs mit Signatur-
;abe verzeichnet, entstammen den im Titel genannten Biblio-
ken, vorztighch der Biblioteca nacional, aus welcher mehrere
idert angeführt erscheinen.
Risco, Espana sagrada, tom. XXXVIII (1793), p. 110
icht vom Liber Chronicorum ab exordio mundi usque Eram
ILXX und bemerkt: Este centon se halla en el codice Com-
tense, que ahora existe en la Real Biblioteca de Madrid,
quo da noticia Perez Bayer en sus notas al tomo II de la
»lioteca Vetus p. 14.^
(Kaufhold, Anton), Spanien, wie es gegenwärtig ist. Gotha
17, Th. n, S. 165—167.
Allgemeiner Bericht eines Reisenden über die Bibliothek,
le Rücksichtnahme auf Handschriften.
Fischer, Christian August, Reise von Amsterdam über
drid und Cadix nach Genua etc. Berlin 1799. 8**.
Enthält nach Haenel auf p. 225 flF. Notizen über die National-
liothek; war mir nicht zugänglich.
La Serna Sant ander, Carolus. Praefatio histörico-critica
veram et genuinam coUectionem veterum canonum ecclesiae
panae 1800. 8^ (Wieder abgedruckt bei Migne, Cursus Patro-
ae, Ser. latinae tom. LXXXIV, col. 849 ff.).
Behandelt p. 5 Quinque (codices canonum) in bibliotheca
ia Matritensi, diese gehören jedoch dem Escorial und wurden
Bezüglich der Ausnutzung der Noten Bayers zu Nie. Antonios Biblio-
theca Hispana sowie der Berichte dieses selbst über die verwertheten
Handschriften gilt auch für die Nationalbibliothek (damals B. real) das
bereitB iu der Kubrik Escorial Bemerkte.
6 VIII. Abbandlang: Beer. Hftndschriftenschitse SpaaieiiB.
nur für gewisse Zeit nach Madrid gebracht. Dann heisst es:
aiterum codiceni; ecclesiae Palentinae a sapientissimo rege
Alphonso dono datum, Burriel noster primns indicavit, effecitque,
ut in laudatam bibliothecam regiam^ ubi nunc extat^ transferretor.
p. 6 und 20 über ein anderes Exemplar gleichen Inhalts^ nach
dem früheren Besitzer codex Loayso-Carvajaleus genannt.
Fischer Christ. Aug., Gemälde von Madrid. Berlin 1802.
P. 186 — 190 einige allgemeine Bemerkungen ohne be-
sonderes Interesse.
GiL Polo, Gaspar, La Diana enamorada, cinco libros, qne
prosiguen los siete de Jorge de Montemayor, Nueva impresion
con notas al canto de Turia. Madrid 1802. 8^
Diese Ausgabe, in welcher nach Hänel multi Bibliothecae
Regiae Codices commemorantur, flihrt nur p. 502 eine Tabla
de las familias y Unages als copia M. S. de la Real Biblioteca
an. Die übrigen mit B. M. signirten Handschriften, auf welche
der Herausgeber Francisco Gerda y Rico sich beruft, stammen
aus der Bibliothek des Gregorio Mayans, vgl. p. 289.
Labordb, Alexandre de, Itin^raire descriptif de l'I^pi^e,
Paris 1809. Tom. IH, p. 115f. Kurze geschichtliche Notiz.
Bailly, J. Louis Amand, Notices historiqaes sur les bibUo-
thfeques anciennes et modernes, suivies d'un tableau comparatif
des produits de la presse de 1812 d 1825. Paris, Roussellon 1827.
Kennt nur arabische Handschriften der Nationalbibliothek;
zur Charakterisirung der Mittheilungen Bailly's vgl. den Artikel
Escorial.
Haenel, Catalogi col. 965 — 974. Zur Zeit, da Hänel die
Nationalbibliothek besuchte (1828), waren die Bibliothekare eben
mit Neuaiilage eines Katalogs beschäftigt, den er nicht einsehen
konnte. Er verzeichnet aber nahe an 500 Handschriften mit
Signaturangabe, gibt also zu den bestehenden Katalogen ein
wünschenswerthes Supplement.
ToRRBS Amat, Felix, Memorias para ayudur & formar un
deccionario critico de los escritores Catalanes. Barcelona 1836.
Unter den zahlreichen Handschriften der Nationalbibliothek,
deren Torres Amat bei seinen Quellenangaben gedenkt, seien
hervorgehoben: p. 186: cod. G 160 Ilustraciones ä los condados
de Rosellon, Cerdana y Conflent. p. 621: cod. G 215 Fr. Juan
Bibl üeb«nicht: 228 (Madrid). 7
?6i6f Antiguedades del monastcrio de Pöblet y extractos de
'arias crönicas de los reyes de Castilla. p. 688 ein ausführliches
rerzeichniss der Handschriften, welche über Catalonien handeln.
K 706: cod. X 145 Llibre del gentil i dels tres subis mit der
ichlussnote: Este libro mandö trasladar Alfonso Ferandez de
Terrera ä Andres Ferandez ä 28 de junio afio de MCCCCVI
e acabö en ei dicho dia 6 aiio en la carcel.
E^KUST, Hbinrich Friedrich, Reise nach Frankreich und
Spanien in den Jahren 1839 bis 1841 aus seinen Briefen. Ver-
iffentlicht von ö. H. Pertz im Archiv der Gesellschaft für ältere
lentsche Geschichtskunde, Bd. VIII, p. 102 — 252. Handschriften-
rerzeichnisse ibid. p. 786 — 822.
Die Nationalbibliothek wird auf p. 152—154, 173—179,
.89f. behandelt, die Handschriftenverzeichnisse sind p. 768 —
JOS veröffentUcht. Die an letzter Stelle gegebenen Listen sind
besonders sorgfältig, stets mit Signaturangabe versehen und
laher eine weitere Ergänzung der bereits genannten Kataloge.
Vogel, Litteratur etc. p. 479. Kurze bibliographische
Notizen, die über Hänel nicht hinausgehen.
Navarrete, Martin Fernandez de, Discurso leido ä la
^cademia de la historia, en Junta de 24 de noviembre de 1837.
Kiadrid 1838.
Der mir nicht zugängliche Vortrag verbreitet sich auch
iber die Nationalbibliothek.
Gachard, Luis Prosper, Rapport sur ses recherches en
Espagne. Compte rendu des s^nces de la Commission Royale
i'Histoire, BruxeUes, Vol. IX (1845), p. 241—299.
Vorzüglich über Manuscripte der Nationalbibliothek,
pvelche spanische Geschichte betreflfen (mit vielen Auszügen).
Zum Theil überholt durch das weiter unten zu nennende grosse
Werk.
Castbllanos de Losada, Basilio Sebastian, Apuntes para
an cat^ogo de los objetos que comprende la coleccion del Museo
3e Antigüedades de la Biblioteca nacional de Madrid, con ex-
ßlosion de los numismäticos: acompanado de una ligera resena
iel Museo de medallas y de los demas departamentos de la
misma biblioteca. Madrid 1847.
Das Werkchen enthält in seinem zweiten Theile mehrere
den Bücherbeständen gewidmete Abschnitte p. 161 — 176 (Be-
8 VIII. Abhandlung: Beer. Uandachriftenscli&tse Spaniens.
Schreibung der Bibliothek nach den Sälen); p. 177 — 191 (Ge-
schichte); p. 189 (über die Indices Bayerns); p. 192—212 (Ver-
zeichniss der Bibliothekare).
RozriiRB, EuoÄNB DE, Formules wisigothiques inödites, pu-
blikes d'apr^s un manuscrit de la Biblioth^ue de Madrid.
Paris 1854.
Die section premi&re bietet eine Notice historique sur la
bibUothfeque de Madrid, in dieser auch Daten über die wich-
tigsten Handschriften und die in der Bibliothek ausgeführten
grösseren Arbeiten. Die Section deuxiime enthält die description
du manuscrit F 58 de la bibliothfeque de Madrid (p. XVII—
XXV), p. 1—32 den Text.
Heine, Gtotthold, Bibliotheca anecdotorum seu veterum
monumentorum ecclesiasticorum collectio novissima. Ex codici-
bus bibliothecarum Hispanicarum. Pars I (un.): Monumenta
regni Gothorum et Arabum in Hispaniis. Praefatus est J. E.
Volbeding. Lipsiae 1848. 8^.
Enthält p. 123 ff. ,Bulgarani epistolae' herausgegeben unter
Benützung von cod. Dd. 104.
Ford, Richard, A handbook for travellers in Spain. Third
edition London 1855.
Part II, p. 721 gibt kurze Notizen über Geschichte und
Bestände.
MüNOz, Diccionario etc., erwähnt häufig Manuscripte der Na-
tionalbibliothek, Städte- und Klostergeschichten etc., meist sehr
jungen Datums, daher auf eine Specificirung verzichtet wurde.
Edwards, Edward, Memoirs of libraries. London-Leipzig
1859. H, p. 549.
Notiz nach Ford.
Egurbn erwähnt p. L eine Bibel s. X (wahrscheinlich der
Toletanus) und beschreibt von p. 18 ab zweiundzwanzig Bibeln
der NationalbibUothek, leider durchwegs ohne Signaturangabe.
Die Beschreibung des Beatuscodex aus Leon p. 50, die des
ciSdice canönico p. 77.
Valentinblli p. 20 — 26.
Abriss der Geschichte der Nationalbibliothek und sorg-
same bibliographische Zusammenstellungen; leider sind die
Handschriften, von denen nur ganz wenige Erwähnung finden,
Bibl. Uebersiüht: 228 (Maarid). 9
nicht nach Gebühr berllcksichtigt. Die Notizen über den Status
der BibUothek sind nach dem Anuario zu berichtigen.
Amador de los Rios, Historia critie^ de la litoratura Espa-
Dola, 7 Vol. Madrid 1861—1865.
Amador hat wie die Handschriften des Escorial so auch
in gleicher Weise die der Nationalbibliothek zum Gegenstand
eingehenden Studiums gemacht (vgl. tom. IV, p. 60). Seine
mitunter sehr ausführiichen Beschreibungen können hier nur
auszugsweise mitgetheilt werden.
Tom. n, p. 157 Eingehende Besprechung des Chronikencodex
F 134.
p. 161. cod. G 113. Historia antigua de Avila. Acab6se descrivir
en la dicha ciudad de Avila . . . auo de mill y seiscientos
anos, para mi, Luis Pacheco, regidor de la ciudad de Avila.
Tom. in, p. 49. cod. F 133. Cr6nica de once Reyes. Cf. p. 95
und 398.
p. 285. cod. F 152 saec. XII enthält: 1. Epistola Turpini archi-
episcopi ad Leoprandium. 2. Historia famosissimi Karoli
Magni. 3. Gesta Alexandri magni. 4. Relatio cuiusdam de
Indiae regione et de bragmanis eorumque conversatione.
5. Historia Apollonii Tyrii. 6. Epistola presbiteri Johannis
ad romanum Imperatorem. 7. Vita Amici et Amelii. 8. Gesta
Salvatoris. 9. Visio. 10. Altera visio. 11. De Infantia Sal-
vatoris. 12. De purgatorio Sancti Patricii. 13. Vita Bea-
torum Barlaam et Josaphat. 14. Passio beati Amasii. 15. Hi-
storia Sanctorum septem dormientium. 16. Gesta et passio
Beati Mathiae apostoli. 17. Gesta francorum et aliorum
jerosolimitanorum. 18. Tratado incompleto de plantas, pie-
dras preciosas, avcs etc. (de Letesma?). Cf. p. 289, 291,
296, 297, 301, 581 (Auszüge).^
p. 347. cod. F 68. Cr6nica de Fernan Gonzalez con un prölogo
de Luis Tribaldos de Toledo.
p. 392. cod. Gg 101. Poema de Jusuf (am Schluss des Bandes
ein Facsimile).
p. 406. cod. D 56. Anales de los Reyes Godos de Asturias,
Leon etc. — Fuero de Sobrarve.
^ Offenbar dieselbe Handschrift beschreiben Ewald p. 303 und Hartel-
Loewe p. 400 — 404, jedoch unter der Signatur Ee 103.
10 Vm. Abbuidlang: Beer. Hftndeebrifkeiisoliitxe Spuüent.
Tom. m, p. 422 sq. codd. F 36 und F 133. Arzobispo Don Ro-
drigo, Historia Gothica. Cf. p. 428 sqq. Tom. IV, p. 26.
p. 437. codd. Bb 52 und Cc. 88. Libro de los doce Sabios.
p. 472. cod. M 110. Libro de ,Hortulus^ y varias poesias ele-
giacas.
p. 502. cod. Dd 94. Copie des Toletanus der Cäntigas de D.
Alonso el Sabio.
p. 518. cod. L 85. Alfonso el Sabio, Libro del Tesoro. Am
Ende: Fecho fuö este libro en el anno de la nuestra salud
MCCLXXn.
p. 545. cod. Bb 59. Libro del Bonium.
p. 552. cod. S 34. Libro de la caza de Don Juan, hijo del in-
fante Don Manuel. Cf. p. 553, 563.
p. 568. cod. F 81. Crönica Abreviada del Infante Don l^Ianuel.
Cf. p. 582 und tom. IV, p. 291.
p. 569. cod. F 1. Grande y general Estoria de D. Alfonso el
Sabio. Cf. p. 595.
p. 588. cod. F 133. Poema del mio Cid.
p. 631. cod. L 3. Rabbi Jehuda Mosca-ha-Qaton, Lapidario.
p. 633 sq. cod. L 97; L. 184; T. 273; K. 196. Alfonso el Sabio,
Obras Astronömicas.
p. 637. cod. L 3. Alfonso el Sabio, Libro de la Ochava Sphera
et de sus XLVIII figuras. Vgl. oben und p. 649.
p. 647. cod. L 9, 7. Alfonso el Sabio, Libro de Cänones de
Albateni; aus dem Besitz des Lucas Cort^s.
p. 648. cod. Bb 119. Astronomischer Tractat, verfasst im Auf-
trage Alphons X.
Tom. rV, p. 7. cod. L 132. Libro de los Fechos et los Castigos
de los Philosophos. — Libro de los cien Capitulos.
p. 10. cod. P 23. Don Sancho IV. Libro de los Castigos.
p. 17. cod. L 127. Libro del Tesoro, 1065 (?) Alfons VI. ge-
widmet,
p. 18. cod. F 108. Diego de Valera, Doctrinal de Principes.
p. 24. cod. J 1. Grand conquista de Ultramar ,magnifico Ms . . . en
foL, vitela de 360 fojas . . . y preparado todo 61 para ser
enriquecido con esmeradas miniaturas, sagun muestran Ias>
priraeras fojas, en que se halla representado el ,cerco d^
Belinas^ y el ,80Corro de Jerusalem^
p. 31. codd. L 131 und T 8. Sancho IV, Lucidario.
1
Bibl. Ueb«niebt: SS8 (Madrid). 11
Tom. IV, p. 35. codd. P 23 und S 23. Sancho IV, Libro de los
Castigos. Auszüge p. 570 flf. Ueber die letztere Handschrift
berichtet Amador p. 40 ,e8crito en papel ä una columna, y
enriquecido de vinetas iluminadas, donde si el disefio no
es correcto, existe siempre el inter^s de los trajes que son
los usados al escribirse el cödice. En la segunda foja se halla
representado Don Sancho, sentado en el trono en ademan
de aleccionar ä su hijo que aparece arrodillado ante ^I. Sobre
la vineta se lee esta equivocada inscripcion: Initio et sa-
piencie timor Domini.
p. 53. cod. X 137. Libro de los cien capitulos.
p. 87. cod. Bb 133. Alfonso de Valladolid, Libro de las Tres
Gracias.
p. 91. cod. Bb 82. Pedro Gomez Barroso Libro de los Con-
seios et Conseieiros; ausserdem: Consejos y documentos
de Rabbi don Sem-Tob und ,Consolacion de Espana^, diiUogo
escrito a principios del siglo XV.
p. 127. cod. P 13. Ramon Muntaner, Sermö ö presichan9a, ge-
richtet an Jaime 11 de Aragon. MS magnifico y coetaneo.
Am Schluss die Note: Iste liber fuit scriptus et splicitus
die Veneris qui fuit tercio Kalendas septembris , anno do-
mini millesimo CCC® quadragesimo secundo.
p. 134. cod. G 160. Bernard Desclot, Crönicas ö Conquestes.
p. 149. cod. F 99. Historia de don Servando (eine Copie Pel-
licer's).
p. 206 ff. cod. S 34. Don Juan Manuel, Obras. Vgl. auch p. 224,
235, 247, 258, 435, 513.
p. 292. cod. F 60. Cronica complida (fälschlich Don Manuel
zugeschrieben).
p. 304. Juan Manuel, Libro de los Exemplos (cod. s. XV. 4®).
p. 331. cod Bb 134. Jacobe de Benavente, Vergel de la Con-
solacion.
p. 362. codd. D 53; D. 144; D. 521; K. 49; V. 39. Libro del
Becerro (in der Art eines statistisch-genealogischen Hand-
buches) im Auftrage Alfons XI. verfasst.
p. 368. cod. F 31. Libro de las tres Crönicas; Chronica de D.
Alfonso XI.
f. 387. codd. F 32 und F 186. Crönica general. Vgl. p. 390 f.
und p. 402.
12 VIII. Abhandlani;: Beer. Handschriftenscliitze Spaniens.
Tom. IV, p. 438. ood. F 68. Gonzalo de Arredondo, Chronica.
p. 596. codd. M 100 und S 34. Juan Manuel, Conde Lucanor.
Cf. p. 60.
Tom. V, p. 76. cod. Aa 103. Libro de Lanzarote (II. u. III. Theil).
p. 151. codd. L 149; L 176; L 197. Pedro Lopez de Ayala,
Libro de la Cetreria.
p. 226. cod. Bb 136. Pedro Gomez de Albornoz, Libro de la
Justicia y de la Vida espiritual.
p. 234. codd. A 103. Pedro de Luna, De horis canonicis di-
cendis. C 73 desselben Constitutiones Archiepiscopi Tarra-
conensis.
p. 254. cod. F 113. Garcla de Eugui, Crönicas.
p. 364. cod. F 89. Coronica del Rey Don Rodrigo.
p. 274. cod. J 70. ,Libro Ultramarino^ saec. XV.
p. 334. codd. G 151 und M. — Y 4«(?). Pablo de Santo Maria,
Edades trovadas.
p. 338. cod. L 119. Cirurgia rimada del Maestre Diego de
Cobos.
Tom. VI, p. 21. cod. Bb 30. Valerio Maximo, catalanische
Uebersetzung.
p. 30. codd. M 16 und M 17. Vergils Aeneis, übersetzt von
Enrique de Aragon.
p. 35. codd. M 56; Q 224; T 130; T 269. ,Omero romanzado'.
Auszüge, übersetzt von Juan de Mena. Cf. p. 51.
p. 41. codd. Bb 97 und P 36. Petrarca, De vita solitaria, über-
setzt unter dem Titel: Flores 6 sentencias de la Vida de
Poledumbrc. cod. Ff 153. Desselben Invectivae contra me-
dicum quendam unter dem Titel Reprehensiones i denue-
stos contra un m^dico rudo i pariere, cod. X 190. Desselben
Epistola X* variarum (Letra de Reales costumbres). cod.
S. 295. Desselben De remediis utriusque Fortunae (Reme-
dios de pröspera 6 adversa fortuna). cod. Dd 149. Boccaccio,
Genealogia de los dieses, cod. Ff 124. Desselben De Claris
mulieribus (Tratado de mujeres ilustrcs).
p. 62. codd. Y 215 und M 28. ^ Cancioneros de Ixar y de
Estuüiga. Cf. p. 426 und 533; tom. VH, p. 460, 466.
* Dio Si^atnr ist an don citirton Stellen schwankend ang«g«ben (M. 275
und M. 48).
^
Bibl. Üebenicht: 22S (Madrid). 13
'om. VI, p. 252. cod. Y 115. Doctrinal de Caballeros; codd.
T 129 und T 157 Auszüge aus demselben, p. 258. cod. F
101. Enrique de Villena, Obras.
. 286. cod. S 10. Don Enrique de Aragon, Tractado de casso
et fortuna; desselben Tratado del dorinir et dospertar et del
sonar; desselben Elspecies de adivinan^as.
. 303. cod. P 156. Feman Perez de Guzraan, Floresta de
Philösophos.
». 309. codd. Bb 8 und X 214. Juan el Viejö Declaracion del
Salmo LXXVII.
I. 312. cod. Bb 94. Corona de monjes (Aureola 6 Corona Mo-
nachorum).
I. 320. cod. Bb 70. Maestre Pedro Martin , Sermones en ro-
mance (unter dem Titel: el Condc).
►. 326. cod. Bb 96. Ensenamentos de Corayon geschrieben von
Pedro AI. (Alvarez oder Alfonso?)
►.331. cod. H 49. Alonso de Cartagena, Proposicion sobre
Portugal, codd. Bb 64; Cc 119; E 169; M 100; X 250.
Oracion sobre la preferencia de Inglaterra.
>. 343. cod. Q 224. Rodriguez del Padron, Sieryo Libre de
Amor.
>. 533. cod. Dd 61. Copie eines Cancionero gencral der Biblio-
teca Colombina in Sevilla.
?om. VU, p. 27. cod. ü 190. Ciirlos de Aragon, Epistola ä
todos los valientes letrados de Espana. Fernando de Bolea,
cartas.
>. 31. codd. T 115 und G 139. Corönica de los reyes de Na-
varra por el principe D. Carlos de Viana.
>. 41. cod. G 151. Pere Tomich, Suma de la Corönica de Ara-
gon y principado de Cataluna traducida del lemosin por
Juan Pedro Pellicer saec. XVII.
K 65. cod. Q 36. 1. Leonardo de Arezzo, Caballeria, traducida
por Pero de la Panda. 2. Angel de Milan, Las quatro vir-
tudes 6 doctrinas que compuso Söncca. 3. Desselben Con-
dicion de la Nobleza, beide übersetzt vom Prinzen Viana.
►. 83. cod. P 61. Don Pedro el Condcstable, Obras. ,Ffou aca,-
bad lo present libre ä X de may any 1468 de ma den
Cristofol Bosch librater. Deo gracias.^
►. 236. cod. Cc 77. UztaiToz, Biblioteca Aragonesa.
14 Vni. Abhandlang: Beer. HandscbrifteDsehitse Spaniens.
Tom. VII, p. 298 f. cod. F 108. Diego de Valera, Obras. 1. Trac-
tado, llamado Defensa de Virtuosas mujeres. 2. Tractado,
Ilamado Espejo de Verdadera nobleza. 3. Ceremonial de
Prineipes. 4. Tractado de las armas. 5. Exortacion de la
paz (cf. p. 365). 6. Tractado de las epistolas (cf. p. 409).
p. 320. cod. G 157. Gonzalo Garcia de Santa Maria, Presion de
Carlos, principe de Viana, omision i guerra de los catalanes.
cod. Dd 184 dasselbe Werk, lateinisch.
p. 327. cod. F 96. Andreas Bernaldez, Crönica de los Heyes
Catölicos.
p. 365. cod. S 219. Pensamientos variables (nicht authentischer
Titel eines anonymen, an Isabella die Katholische gerich-
teten Tractats, cf. p. 578).
BoRAo, p. 70f. : historischer Rückblick. Die Zahl der Hand-
schriften wird auf 8000 angegeben.
Maassen, Friedrich, Bibliotheca, latina iuris canonici manu-
scripta a. a. O. p. 163f. behandelt die codd. Ee 106; P 21;
Q 14 nach Hänel, Gonzalez und Knust.
Gallardo, BARTOLOirä Jose, Ensayo de una bibUoteca espa-
Sola de libros raros y curiosos . . . auraentados por Manuel Remon
Zarco del VaUe y J. SaAcho Rayon. Madrid 1863—1889. 4 Vol.
Vol. II enthält mit separater Paginirung (p. 1 — 179) einen
Indice de manuscritos de la Biblioteca Nacional, einen von
Gallardo gefertigten Auszug aus dem oben erwähnten hand-
schriftlichen Kataloge. Das Urtheil Ewald's, der diese Liste
dürftig und nur die Geschichte Spaniens betreflFend nennt, ist
dahin zu modificiren, dass sämmtliche spanische Manuscripte
der Bibliothek in etwa 8000 Artikeln, also auch UebersetzungeiL
classischer Autoren (Aristoteles, Cicero, Seneca etc.) und dei
Kirchenväter (Augustinus, Gregorius etc.) angeführt erscheinen,
daher die Zusammenstellung auch flLr Geschichte der classi-
sehen Philologie, des Humanismus etc. von Wichtigkeit ist. Dii
durchwegs beigefligte Signaturangabe erhöht den Werth des
Verzeichnisses.
Ahador de los Rios, La pintura en pergamino, en Espana-:^
hasta fines del siglo XIII. Museo Espanol de Antiguedad<
tom. III (1874), p. 1 — 41. Vgl. oben den Artikel EscoriaL üebe:
eine Bibel der Nationalbibliothek p. 13.
BibL UtWniobt : tS8 (Madrid). 16
QüTiERRBz DB La Veqa, Bibliotcca Venatoria tom. I (1871)
landelt unter den Nammem 5, 6, 36, 37, 38, 41, 44, 51, 68,
61, 66, 68, 72, 77, 80, 83, 89, 90, 93—96 und 100—102
idschrifUiche Tractate aus dem Gebiete der Jagdschriftstellerei,
che der Nationalbibliothek angehören; fast ausschliesslich
geren Datums.
Gachard, Louis Prosper, Les biblioth^ques de Madrid et
TEscurial. Notices et extraits des manuscrits qui concement
LStoire de Belgique. Bruxelles 1875. 49,
Ueber die Nationalbibliothek p. XXXIIIf. (wo von 30.000
Tages ou documents manuscrits gesprochen wird) und p. 1
424; hier sehr genaue Beschreibung von 155 Handschriften,
in das oben bezeichnete Gebiet fallen, mit zahlreichen Aus-
^n und Documentencopien. An diese schliessen sich noch
425 — 538 Apendices.
RuELLE, Charles Emile, Rapports sur une mission littöraire
philologique en Espagne, Archives des missions scientifiques
'. in, tom. 2, p. 502 und 563 — 579 über verschiedene grie-
sche Handschriften der Nationalbibliothek. P. 504 glossarium
leco-latinum saec. XV.
(Breton y Orozco, CAndido) Breve noticia de la Biblioteca
cional. Madrid, Anbau & compania 1876.
Lag mir nicht vor. Contienc curiosisimos datos acerca
SU fundacion, sus directores, sus acrecentamientos, su te-
o bibliogräfico, sus tipogrdficas preciosidades . . . sus manu-
itos y sus Codices. Revista de Archivos tom. VI (1876),
20f. Vgl. ibid. VH, p. 99, not.
Graüx, Rapport, p. 122—124.
Ueberblick über die Fonds griechischer Handschriften und
rze Beschreibung einiger der wichtigsten.
RuELLE, Charles Eiole, Deux textes grecs anonymes,
icernant le canon musical heptacorde, puis octacorde, publiös
ifrhs le ms. N. 72 de la Biblioteca Nacional de Madrid im
muaire de V Association pour V encouragement des ätudes
)cqne8 en France. XP Annöe (1877), p. 147 — 169. Voran
it eine Notiz:
Graux, Charles, Sur le manuscrit N. 72 et sur C. Lascaris
ter Heranziehung weiterer griechischer Handschriften der
.tionalbibliothek.
lo YIII. Abhandlung: Beer. Handücbriftenseh&tze Spaniens.
MilA y Fontanals, M(anubl), Notes sur trois manascrits.
Revue des Langues Roraanes tom. X (1876).
An zweiter Stelle (p. 225) wird Un roman catalan b. XV
(212 Blätter flülend) und an dritter Stelle Une traduccion de
la Discipline clöricale perg. s. XIV, beide der Nationalbibliothek
angehörig, beschrieben. Signaturangabe fehlt.
Revista de Archivos VII (1877), p. 55.
Kurze Notiz über einen kostbaren Codex der National-
bibliothek, welcher im Boletin de la Sociedad Geogräfica de
Madrid publicirt werden soll. En ^ste cödice, que perteneciö
al Marques de Santillana, se refiere el viaje de exploracion que
en 1350 hizo un fraile franciscano d la tierras africanas.
Paz y Melia, Antonio, ün cödice notable de la Biblioteca
Nacional. Revista de Archivos VII (1877), p. 124—128; 141—144.
Behandelt eine Handschrift mit einer alten üebersetzung der
Disciplina clericalis des Pedro Alfonso. Analyse und Auszüge.
Graux, Charles, Eloge du duc Aratios et du Gouverneur
St^phanos, publiö pour la premifere fois d'aprfes le ms. de la
Biblioteca Nacional de Madrid. Paris 1877. Vgl. Boletin de la
Real Academia de la Historia, tom. I, p. 300.
Revista de Archivos, tom. VIII, p. 150f.
Zusammenstellung verschiedener Handschriften der Na-
tionalbibliothek, welche der Buchbinder Miguel Ginesta restaurirt
und eingebunden hatte.
FiERviLLE, Renseignements, a. a. 0., p. 103 flf. erwähnt nebst
einer Dissertation über eine Quintilianstelle (VHI 3, 22) s. XVII
noch 1. Ovide XV s. parch. cotö M. 23 Est. Res. 19. 2. Virgile
XV* sifecle parch. M. 30 Est. Res. 47. 3. Piaute, parch. s. XV.
Q. 38, Est. Res. 20. 4. Roman de la Rose s. XV. Die Tole-
daner Signatur: Cajon 104, 22, Zolada. 5. Plinius secundus,
Historia naturalis s. XIV. Toled. Sign. C 47, 14. 6. Livre
d'heures de Charles Quint. 4^ 7. Livre d'heures de Jeanne
la Folie. ,C'est un vrai bijou; les miniatures sont d^licieuses et
d'une iinesse microscopique^ 8. Livre d'heures de Charles VHI,
roi de France, ,vraiment royaP.
Francisque Michel, Rapport, a. a. O., tom. VI, p. 179 fif.
bespricht eine Handschrift s. XV Pedro Alfonso, la Clergia de
discipline e las Moralitatz de philosophia, T. 283 (die bereits
Bibl. Ueb«rticht: S88 (3ladrid). 17
von Paz y Melia beschriebene Hs.), ferner das Gebetbuch
Carl Vni. (vgl. oben) und mehrere jüngere Handschriften.
Graux, Charles, Essai sur les origines du fonds grec de
TEscurial, Paris 1880.
Gelegentliche Bemerkungen über die Handschriften der
Nationalbibliothek. So p. 44 über: V. 169. p. 50: O. 43, 44 und
48, vgl. p. 179 f. p. 83: Q. 18. p. 138: Dd. 27. p. 165: K. 100.
p. 333: V. 169 (Auszüge), p. 431: O. 75. p. 60—79 Acquisition
der Bibliothek des Cardinais von Burgos ftlr die National-
bibliothek.
Ewald p. 284 — 321. Beschreibung zahlreicher Hand-
schriften, welche bereits entsprechende Würdigung gefunden hat.
Robert, Ulisse, Etat des catalogues des manuscrits des
Biblioth^ues d'Espagne et de Portugal. Cabinet historique
XXVI, p. 294—299.
P. 297. f. Madrid.
Carini, Gli Archivi etc. I. p. 127 flF.
Den ersten Theil des Berichtes bildet ein historischer
Bückblick p. 127 — 130; hierauf folgt Zusammenstellung und
Beschreibung der einzelnen Abtheilungen der Bibliothek und
Verzeichniss der werthvollsten Handschriften. Dieses scheint
nicht auf Autopsie gegrtlndet zu sein; Signaturangabe fehlt
durchwegs.
Akuario del cuerpo facultativo de Archiveros etc. Madrid
I (1881), p. 135—151; H (1882), p. 91—101.
Bietet nur Weniges, was sich auf Handschriftenbeschreibung
bezieht. Im ersten Aufsatz sind p. 150 einige CimeUen notirt.
FrrA Y CoLOMÄ, Fidel veröflfentlicht im Boletin de la Real
Academia de la Historia tom. V (1884), p. 308 flF. VI (1885),
p. 60 flF., p. 379—409 und 418—429. VH (1885), p. 54—144
Biografias und Poesias von Gil de Zamora aus cod. I 217 sammt
genauer Beschreibung.
Hartel-Loewe p. 261 — 462 und 538 — 542.
Das bezüglich der Beschreibung der Escorialenses Gesagte
gilt auch von diesem Katalog; er ist der gründlichste und ftlr
einen Theil der Manuscripte auch erschöpfendste, den wir bis
jetzt besitzen.
Miller, Emmanuel, Biblioth&que Royale (sie) de Madrid,
Catalogue des manuscrits grecs (Supplement au Catalogue
Sitonngsbcr. d. phil.-hwt. Cl. CXXVllI. Bd. 8. Abh. 2
18 'nn. AbhuidloDgi Beer. HandschriftenscUktse Spuüent.
d'Iriarte). Notices et extraites des mannscrits de la Bibliotheque
nationale et autres bibliothfeques. Paris^ tom. XXXI, deuxi^me
partie, p. 1 — 117. Beschreibt die Nummern N 126 — N 141 und
Ol — O 103. Eine Ergänzung zu Iriarte und ein Gegenstück
zu desselben Verfassers Katalog der Escurialenses.
Rada t Dslgado, JuaN; Bibliografia numismätica Espanola,
Madrid 1886. 4^.
Diese Bibliographie benützt zahlreiche Handschriften der
Nationalbibliothek, welche auch für antike Münzkunde inter
essante Daten bieten; der grössere Theil der Ausbeute entfällt
auf die mittelalterliche, vgl. p. 45 Ordenamiento des Jahres 1388
aus der Handschrift Dd 123, p. 46 Pregones s. XV, Dd 124;
femer vgl. p. 59, p. 76, 121 u. ö.
RiANO, Juan F. Critical and Biographical notes on early
spanish music. London 1887.
Beschreibung folgender Handschriften: C. 145 Missae
Manuale p. 49 f.; C. 82 Canon de edificanda ecclesia p. 58;*
C. 132 Liber cantus Chori ibid.;* C. 153 Liber cantus Chori
p. 59;* C. 63 Caerimoniale Romanum ibid.;* C. 145 Missae
Manuale p. 65; C. 131 Ordinarium Precum Ecclesiae Cathedralis
Toletanae p. 66; 52, 6 Missale p. 68; 52, 16 — 22 Missale in
sieben Bänden* p. 69; Reservado B. 31. De Äpocalipsi Johannis
p. 108.
Arzb, Diego de, De las librerias, de su antiguedad y
provecho, de su sitio etc. Biblioteca Nacional Ms. Bb. — 22
(Madrid 1888. 8«).
Blosser Abdruck der Handschrift ohne Commentar.
Miller, Emmanuel, Le mont Athos, Vatop^di, TUe de
Thasos. Avec une note sur la vie et les travaux de M. Emm.
Miller par le marquis de Queux de Saint-Hilaire. Paris 1889.
In der biographischen Skizze (von p. L ab) sehr inter-
essante, zum Theil Miller's Correspondenz entnommene Daten
über die Arbeiten dieses Gelehrten in der Nationalbibliothek zu
Madrid und die Geschichte derselben während der Revolution.
Priscilliani quae supersunt . . . edidit Georgius Schepss.
Vindobonae 1889. (Corpus Script, eccl. lat. Vol. 18.)
* Aus Philipp V. Privatbibliothek.
' Aus dem Besitze des Cnrdinals Cisneros.
>
Bibl. Uebenloht: SS8 (Xadrid). 19
Praefatio p. XXXIII handelt über den Toletanus 2, 1.
Martinez Anibarro y Rives, Intento de un diccionario . . .
de Burgos etc. p. 99 über cod. H, 49, enthaltend Cartagenas
Allegationes; p. 246, cod. G 6 Crönica del Rey D. Juan II.
1420—1434; p. 446 codd. T. 183, 210 Francisco de Salinas
De Musica; p. 485, codd. G 151 , Ee 154, Pablo de Santa
Maria, Edades Trovadas (nebst anderen Handschriften desselben
Autors, zum Theil nach Amador).
Leouina, Enrique de, La Exposiciön Hist6rico-Europea. VI.
La Biblioteca Nacional. Impresos en vitela. Incunables. Ejem-
plares unicos. Encuadernaciones notables. Libros raros. Autö-
grafos. Codices. — La Epoca. Madrid, 28 de Noviembre de 1892.*
Verzeichnet folgende in der Columbus -Ausstellung 1892
exponirte Codices der Nationalbibliothek:
Libro de Agricultura, saec. XV. in. Mit arabischen Ziffern.
Petrus Comestor, Historia Scolastica, saec. XV. Mit ganz-
seitigen Miniaturen.
Aethicus, Descriptio terrae, saec. XV. Mit Miniaturen,
besonders Kriegsmaschinen darstellend (Ballista fulminalis).
Antonius de Nebrija, Gramätica, s. XV. Mit dem Porträt
des Autors.
Enrique de Aragon, Tratado de Astrologia (1428) (vgl.
den Artikel Madrid, Biblioteca part. de D. Enrique de Aragon).
Juan Manuel, Obras, s. XIV. ,Codice de gran valor, por-
que habiendo dejado el Infante todos sus libros al convento de
Penafiel, donde se perdieron, solo se conserva esta copia^
Petrarca, Sonetti, Canzoni e Triumfi, s. XV. . . Mit herr-
lichen Miniaturen.
Petrarca, Triumfi, s. XVI. Ebenfalls mit prächtigen, hier
in verkleinertem Massstabe ausgeführten Miniaturen ausgestattet.
Fernando de Bolea, Cartas (1480). Mit dem Bildnisse des
Prinzen Viana.
Ferran Nunez, Poema y declaracion del verdadero nombre
del Amor, intitulado Tractado de Amicicia, saec. XV.
^ Ich verd&nke die Mittheilung dieses interessanten Aufsatzes der Güte
Sr. Excelleuz des spanischen Botschafters am Wiener Hofe D. Rafael
Merry del Val.
2*
20 VIII. Abhandlanf : Beer. Huidscbriftenichttze Spuiieni.
Poema de los Reyes Magos, saec. XIU. — Poesias del
Arcipreste de Hita^ saec. XIV. — Poema de Alexandre,
saec. Xin. Es sind die bekannten Cimelien.
Le Roman de la Rose s. XIV. Mit Miniaturen und Initialen.
Conde de Tendilla, Correspondencia sobre cl Gobicrno de
las Alpujarras.
Livius, Decades, übersetzt vom Grafen von Benavente
(1439). Mit Aquarellen.
Ferndn Lopez, La cronica portuguesa' de D. Juan I.
Pergamentcodex saec. XV, mit Miniaturen äusserst reich aus-
gestattet.
El Fuero de Zamora (1208).
Juan Fernandez Herdia, Cronica de Espana (1385). Mit
dem Bildnisse des Autors und vielen Initialen.
Seguro ^ & favor de D. Alvaro de Luna (1441). Mit
Wappenbildem.
Alfonso el Sabio, Las Partidas. Prachtexemplar aus dem
Besitze der Reyes Catölicos.
Cronica troyana, saec. XV. Aus dem Besitze des Marques
de Santillana.
Alonso de Cartagena, Genealogias de los Reyes de Espana.
saec. XV.
Las grandes crönicas 6 crönicas de Saint-Denis. Mit dem
Bildniss Carl VU.
Documentos sobre la primacia de la Iglesia Toledana
(1253).
Biblia ,de Avila' saec. XHI — XFV. Mit interessanten
Miniaturen älteren Stils.
Gregorii Moralia, übersetzt von Pero Lopez de Ayala.
Mit dem Bildnisse des Uebersetzers.
,Misal rico de Cisneros^, 7 Bände (1503—1518). ,Trabajo
que honra ä los miniaturistas espanoles que lo ornamentaron^
Ausserdem noch einige anderweitig bekannte Cimelien. —
Einen ähnlichen, jedoch kürzeren Bericht über die von der
Nationalbibliothek ausgestellten Handschriften lieferte:
(FiTA Y CoLOME, Fidel) Bosqucjo de la Exposiciön Hi-
störico-Europea, Madrid 1892, p. 77 fr.
Geloitbrief.
Bibl. üebersicbt: 228 (Madrid). 21
C. Schriftproben.
Amador DB LOS Rios, Historia critica bietet in den bei-
geschlossenen Tafeln Proben aus folgenden Handschriften (leider
durchwegs ohne Signaturangabe).
Tom. n. Alvari Liber Scintillarum cod. A 110.
Tom. rV. Conquista de Ultramar, cod. I 1. Libro de los
castigos del Key D. Sancho. cod. P 23 (S 23 [?J). Libro
Lucidario del Key D. Sancho. L 131 (T 8 [?]). Cod. de
los obras de D. Juan Manuel (S 34). Libro de los Exenplos
(vgl. p. 304 dieses Bandes).
Tom. V. Libro de Cetreria (cf. p. 151). Tratado de la Vida
Espiritual cod. Bb 136. Cronica del Rey Don Rodrigo
cod. F 89.
Tom. VI. Omero Roman9ado por Juan de Mena (vgl. p. 35
d. B.). Obras de D. Enrique de Villena cod. F 101. Cancio-
nero de Estuniga (p. 62) Cancionero de Izar (p. 62). ,De
amor y de remor' (Q. 224?). ^Especies de ordenanzas^ (ad-
ivinancas? cf. p. 286, cod. S 10).
Tom. Vn. Vida de Cristo de Fray Inigo Lopez de Mendoza
cf. p. 240. — Libro de los pensamentos.
RosuLL Y ToRREz, IsiDORO , El Triuufo dc Maximiliano I.
Libro de miniaturas en vitela que se conserva en la Biblioteca
Nacional. Museo Espanol de antigiiedades , Madrid, tom. I
(1871), p. 409—416.
Ueber den Prachtcodex des ,Triumphs', das Supplement
zu der bekannten in der Wiener k. k. Hofbibliothek befind-
lichen Bilderhandschrift. Mit zwei colorirten Tafeln.
EscuDERO DB LA pENA, JosE Maria, Eucuademaciones de
la edad media y modema, Museo Espanol tom. VII (1876),
p. 483—492.
Bespricht unter Anderem den Einband der Siete Partidas
von Alfonso el Sabio, ferner ein Devocionario, beide in der
Nationalbibliothek. Von letzterer Handschrift ein Facsimile.
Graux, Charijbs, Sur le manuscrit N. 72 et sur C. Las-
caris (vgl. oben) gibt zu p. 150 ein Facsimile einer ganzen
Seite des von Lascaris geschriebenen Codex.
MuNOz Y RrvERO, Paleografia Visigoda. M^todo teörico-
präctico para aprender a leer los Codices y documentos Espa-
22 VIII. Abbftndlang : Beer. HuidsobrifteDsoh&tse Sp«iieni.
noles de los siglos V al Xu. Madrid 1881. Läm. VI. Morales
de San Gregorio 945. Ldm. VIII. Biblia Mozärabe^ que per-
teneciö al Cabildo de Toledo y hoy se conserva en la Biblioteca
Nacional s. X. Läm. IX. Schlussworte ans derselben Hand-
schrift. Ldm. XII. Commentarios de Beato sobre el Apocalipsis,
tiempo de Fernando I. y Dona Sancha. Läm. XTTT. Fuero
Jnzgo, procedente de Leon, 1058.
Ewald et Lobwe, Exempla scripturae Visicoticae. Heidel-
bergae 1883 fol.
Handschriften der Nationalbibliothek: Tab. IX Biblia,
Toletanus 2. 1. Tab. X, XI, XII S. Isidori Etymol., Tolet. 15. 8.
Tab. XVn Forum iudicum, Tolet. 43. 5. Tab. XVIH Heterii
et Beati ad Elipandum epistula, Tolet. 14. 24. Tab. XIX
S. Joannis Chrysostomi de reparatione lapsi, Tolet 10. 25.
Tab. XX S. Isidori sententiae, Tolet. 15. 12. Tab. XXVH
Breviarium Goticum, Tolet. 35. 1. Tab. XXVUI CoUectio Ca-
nonura Hispana, P. 21. Tab. XXX Breviarium Goticum, Tolet.
35. 2. Tab. XXXI Collectionis canonum Hispanae versio arabica.
Gg. 132. Tab. XXXIII Albari Kber scintillarum, A. 115. Tab.
XXXVni Burchardi Wormat. decreta, R. 216. (Cödice de
Cardona.)
Tailhan, Jules, Chronique rimöe des demiers rois de
Tol^de et de la conqu^te de TEspagne par les Arabes Paris
1885 fol. gibt zum Schlüsse Proben (zwei Seiten) aus der ELand-
Schrift 4, 7 (vgl. Hartel-Loewe, p. 460).
RiANO (vgl. oben) gibt Proben aus folgenden Handschriften:
C. 35, 1 Muzarabic Breviary p. 25; Reservado 6* 2 Liber Evan-
geliorum p. 31; 44, G. s. Breviary p. 32; 35, 2 Gothic Breviary
p. 36; 14, 1 St. Augustin Commentaries on the first fifty Psalms
p. 36 f.; 31, 28 Greek Breviary p. 41; Reservado B. 31 De
Apocalipsi Johannis (Musikinstrumente) p. 108.
Graux-Martin, Fac-similös de manuscrits grecs en Espagne
etc. Paris 1891.
Nr. 5 und 6. cod. N 71. Glossae in Diadem. Nr. 7 und 8.
cod. N 16. Codex rescriptus, Commentar zu Job und Theophanes
Cerameus. Nr. 10 — 14. cod. 1, 12 (Tolet.). Evangelia. Nr. 15
und 16. cod. O 78. Stück des Neuen Testamentes. Nr. 21 — 23.
cod. O 74. S* Nil. Nr. 55 und 56. cod. N 55. Plutarchus. Nr. 57.
cod. N 101. Choricius, Apologia mimorum.
I
Bibl. üeberaicht: S28 (Madrid). 23
II. Fonds 08una.
A. Druckwerke.
Clemencin Dieoo, Elogio de la Reina Isabel a. a. O. p. 444
berichtet von einer Handschrift en la biblioteca del Duque de
Osnna^ enthaltend Tercero tratado del libro de las mujeres de
Fr. Francisco Jimenez. Es en fol. vit. escrito i dos columnas,
con las rabricas i iniciales de los libros encamados. Die sub-
scriptio lautet: Finito libro etc. Anno domini millessimo qua-
dringentessimo septuagessimo tercio mense aprili incoante. —
Scripsit scribat et semper cum Domino vivat. Andreas Mudarra
vocatur, qui a Domino benedicatur. Scripsi autem hunc librum
ex praecepto reverendi prioris nostri fratris Joannis de Guada-
luppe, prioris Sancte Marie de Guadaluppe. Ibid. p. 457 über
eine Vegetiusübersetzung von Alonso S. Cristöbal s. XV, gleich-
falls aus dieser Bibliothek.
Gachard, Louis Prosper, Rapport sur ses recherches en
Espagne. Corapte rendu de s^ances de la Commission Royale
d'histoire tom. IX (1845), p. 312f.
Kurze Notizen über die herzogliche Bibliothek, deren
Bibliothekar damals Miguel Salvä war. Als das wichtigste
Manuscript erschien Gachard ein Band mit der Correspondenz
Ferdinand I. und Phihpp 11.
BmijöoRAFO, El espanol y estrangero (11. Serie des Boletin
bibliogrdfico) I (1857) Suplemento p. 40 enthält interessante
Notizen über Geschichte und Verwaltung der Bibliothek, ins-
besondere über die Manuscripte : se encuentran magnificos cödices
en vitela, que pertenecieron al c^lebre D. Inigo Lopez de Men-
doza, Marques de Santillana, obras de historia, de genealogia,
de antigüedades, etc., algunas de ellas in^ditas, noviliarios y
otra multitud de papeles sümamente curiosos, y mas de mil
comedias antiguas manuscritas, entre ellas algunas que apenas
son conocidas, y otras muchas originales y autögrafas de Lope
de Vega, Calderon,^ Mira de Mescua, Tirso de Molina, Rojas,
^ Vgl. Morel -Fatio, Alfred, El Magico prodigioso, comedla famosa de
D. Pedro Calderon de la Barca, publice d'apr^s le manuscrit original de
la bibliotli^que du duc d'Osuna, avec denx fac-simile, une introdiiction etc.
Heilbronn 1877.
24 Tni. Abbandlnng: Beer. Handscbrifteoscbitze Spuiienf.
etc., con la particularidad, de que algunas de estas ültimas
van aeompauadas de la censura de la pieza y correspondiente
Heencia del ordinario para su representacion, j aun ä veces
con designacion de los autores que debieron ejecutarlas por
primera vez.
Eguren beschreibt p. 37 — 43 vier Bibeln der Sammlung,
unter Mittheilung von Auszügen.
Valentinelli p. 52 f. erwähnt einige der wichtigsten Hand-
schriften.
Ahador de los Rios, Historia critica etc. (vgl. oben) be-
schreibt:
Tom. III, p. 333. Poemo de Alexandre, cod. en 4® prolongado
8. Xni— XIV, vitcla 153 fojas.
p. 587. Cancion elegiaca in einer Handschrift aus der ursprüng-
lichen Bibliothek des Marques de Santillana.
Tom. IV, p. 303. cod. H. M. 8 Armenio de Bologna, Istoria
Fiorita, Codex gleicher Provenienz. (Vgl. tom. VI, p. 40.)
p. 345. Guido de Colonna, Historia Troiana gallegische Ueber-
setzung, Codex gleicher Provenienz mit der Schlussnote:
Este liuro mandou faser 6 muyto alto et muy noble et
eixelente rey don Alfonso, fillo do muy noble rey don Fer-
rando et de la reyna dona Costanca. Et fue dado descrebir
et destoriar enno tenpo que 6 muy noble rey don Pedro
rreynou . . . Feyto o liuro et acabado 6 postrero dia de
dezenbro, era de Mill et CCCLXXXVIH. Nicolas Goncales,
escriuano des seus liuros, escribeu per seu mandado.
p. 349. Dasselbe Werk ,en romance catalan' cod. HI, lit, M,
Nr. 2; cod. H, M 23 dasselbe ca,stilianisch; cod. II, M 25
dasselbe in anderer castilianischer Uebersetzung. Sämmtlich
aus der Bibliothek Santillanas.
Tom. V, p. 112. cod. V, N 29 Libro de la Consolacion de
Boecio romano, castilianisch; gleicher Provenienz; cod. II,
N 4 und 5 Livius, Decades I. H. FV., castilianisch.
p. 170. Roman de la Rose (sammt Fortsetzungen).
p. 242. Ferrandez de Heredia, Grant Chronica de Espana.
p. 248. cod. I, M 5 Desselben Crönica de los Conquistadores.
Tom. VI, p. 21. Lucan, spanisch.
p. 38. cod. VI, 5 Salluöt, spanisch.
Bibl. üebersicht: 228 (Madrid). 25
Tom. VI, p. 39. cod. V, N 18 und II, M 7 Orosius, spanisch.
p. 40. cod. in, N 16 Epistole di Seneca de Ricardo Petre,
citadino de Firenza; V, N 50 Declamatione di Quintiliano,
tradocte d peticione di Messere Nunio Gusmano, Spagnuolo.
p. 42. cod. in, N 17 Petrarca, De Viris illustribus, italienisch;
ni, N 14 Boccaccio Genealogia de los dioses; III, N 15
desselben Ninfal d'Admeto; III, N 16 desselben Libro de
montes, rios et selvas.
p. 300. Pero Diaz de Toledo, Diälogo e Razonamiento.
Tom. VIT, p. 316. Alonso de Ävila, Compendio Universal de
las ystorias romanas. Suma de las crönicas de Espana.
BoRAo resnmirt p. 80: muchos manuscritos interesantes
para la literatura y la Historia de Espana.
GuTiBRRBz DE LA Vega , Bibliotcca Venatoria behandelt
Bd. I und II unter den Nummern 14, 219, 220, 221 Hand-
schriften der ,Cetreria^ aus diesem Fonds.
RuELLE, Charles Emile, Rappors sur une mission .... en
Espagne. Archives des missions scientifiques III. sörie, tom. II,
p. 503 berichtet über Extraits musicaux d'un ouvrage ^crit en
latin k la fin du XIV® sifecle par le professeur Pierre Paul
Vergerio de Justinopolis ou Capo d'Istria, en Illyrie, et intitul^:
De ingenuis moribus et liberalibus studiis adolescentiae. p. 505
über den Julius Caesar s. XII — XIII mit der Titelclausel Julius
Constantinus emendavit nach der Ueberschrift eines jeden Buches.
Ausführlicheres über die beiden letztgenannten Handschriften
ibid. p. 279 flF. Der Vergeriuscodex enthält auch Cicero De
senectute, Laelius und Paradoxa.
FiERvn.LE, Rapport a. a. O. p. 87 erwähnt eine Handschrift
(vgl. oben) s. XV (1456) Incominciano le declamationi di Quin-
tiliano Calagoritano tradote di latino in vulgare fiorentino a
petitione di messere Nugnio Gusmano Spanuolo.
Graüx, Rapport p. 126 verzeichnet ein griechisches Manu-
script, ohne Angabe des Inhalts.^
RocAMORA Jose MarIa, Catälogo abreviado de los manu-
scritos de la biblioteca del Excmo Senor Duque de Osuna &
Infantado, Madrid 1882.
^ Dieser findet sich bei Rocaiuora p. 135 unter Nr. 1422.
26 yJII. Abhandlung: Beer. Hftndscbriftenscliitxe Spaniens. ,
Hauptwerk ftlr die Sammlung. Von den 1422 aufgeführten
Nummern sind jedoch nur 1 — 212 und 1396 — 1422 eigentliche
Codices; 213 — 1395 sind Comedias, Autos, Loas, Entremeses,
Mojiangas^ Bailes j Fines de fiesta manuscritos. Nr. 1396 ff. sind
Codices ärabes, hebreos y griegos, segAn los describiö D. Miguel
Casiri el ano de 1766.
Reicht trotz aller Mängel in den Details vollkommen aus,
um über den Bestand zu informiren, und bleibt fUr die übrigen
noch nicht aufgenommenen Privatsammlungen ein nachahmens-
werthes Exempel. Vgl. Le Cabinet historique 1883, p. 179 — 182.
Carini hat diese Bibliothek besonders ausführlich behandelt.
Parte I, p. 227 — 230 wird die Geschichte derselben skizzirt,
p. 230 — 263 eine stattliche Reihe der wichtigeren Handschriften
eingehend beschrieben. Leider stimmen die Nummern Carini's
nicht mit denen Rocamora's, was um so bedauerUcher ist, als
die Angaben des Ersteren ein nothwendiges Supplement des
Catälogo abreviado bilden.
BoLETiN de la Real Academia de la Historia X (1887),
p. 6 bringt Genaueres über den Cod. 118 (Rocamora) Fuent
Sauco De verbo contra Judaeos (geschrieben 1453 und 1458).
B. Schriftproben.
Akador, Historia critica etc. bietet als Proben aus den
Handschriften :
Tom. in. Poema de Alexandre (vgl. p. 333 dieses Bandes).
Tom. IV. Cronica Troyana en gallego (vgl. p. 345 desselben
Bandes).
Cronica Troyana en castellano (vgl. p. 349).
TuBiNO, Francisco Maria, El cödice de la Biblioteca del
Excino Sr. Duque de Osuna, con la version galäica del romance
de Troie, escrito por Benito de Santa Mora. Museo f^panol
de Antigüedades tom. VIH (1877), p. 33—64. Mit einer Tafel
Die Katalogverhältnisse liegen bei der Nationalbibliothek
zu Madrid ähnHch wie bei dem Escorial. Während wir über
die griechischen Bestände beider Sammlungen ziemlich aus-
reichend informirt sind, fehlt es trotz mannigfacher Vorarbeiten
an einem übersichtHchen Index der Handschriften, welche Werke
der lateinischen und modernen Sprachen enthalten. Wollte man
Bibl. üebenlcbt: »9 (ICadrid). 27
sich der Mühe unterziehen, die von Ferreira Gordo, Haenel,
Knust, Gachard, Eguren, Amador, Gallardo, Ewald, Loewe-
Hartel und Riano pubUcirten Listen und Daten zu sammehi
und zu sichten — und zwar nach der laufenden Signatur, nicht
nach den Autoren — so erhielten wir einen Katalog von rund
zehntausend Handschriften, der für sämmtliche Fächer philolo-
gischer und historischer Forschung überaus reiche Quellen von
jetzt kaum abzusehender Bedeutung böte. Diese Zusammen-
stellung würde auch den Anstoss geben, die Fonds gerade der
älteren Handschriften endgiltig festzustellen. Wir haben bereits
oben (sub I. A) bemerkt, dass in dem Bestände der so sehr
werthvollen Handschriften aus Toledo während der letzten
Decennien eine Fluctuation platzgriff, Handschriften zu- und
wieder weggeführt wurden, so dass eine Fixirung dessen, was
eigentUch der Nationalbibliothek als bleibendes Gut angehört,
unmöglich wird (vgl. auch BPLH I, p. 540 und 642).
Da die Aufnahme der speciell für das Corpus scriptorum
ecclesiasticorum werthvollen Handschriften bereits durch Loewe
erfolgt war, so beschränkte sich meine Thätigkeit auf die Be-
schaffung geringer Nachträge (vgl. BPLH I, p. 454 f., 538 ff.)
und die Collationirung einiger wichtigen Texte. Diese sind:
1. Aus cod. Tolet. 10, 25. Rufinus, hist. tom. XXI, col. 391 —
405 und 541—568 Migne.
1. Aus cod. Tolet. 2, 1. Canones Priscilliani für die Ausgabe
von Schepss.
329. *Biblioteca de la Real Academia de la Historia,
Die nachfolgende Zusammenstellung kann noch weniger
den Anspruch machen, die sämmthchen oder auch nur wichtigsten
über die Handschriften der Akademiebibliothek erschienenen
Publicationen zu registriren, als die oben über die National-
bibliothek gelieferten Daten. Eine derartige Sammlung, zweifel-
los von grossem Nutzen, bildete allein ein selbständiges Werk.
Bezüglich der immer häufiger werdenden Schenkungen und
sonstigen Acquisitionen sei auf die Memorias der Akademie,
auf ValentineUi's sorgfältigen Bericht, sowie für die drei folgenden
Decennien auf das Memorial histörico espanol und das Boletin
de la Real Academia de la Historia verwiesen. Aus diesen
beiden Annalen wurden nur jene Notizen ausgehoben, die
28 Yin. Abhandlung: Beer. Handscbriftenscli&txe Spaniens.
KAtaloge oder eingehendere Handschriftenbeschreibungen bieten,
die Documentos inöditos para la historia de Espana, welche
fast ausschUesslich jüngere Bestände der Akademiebibliothek
zur Veröffentlichung bringen, gar nicht berücksichtigt.
A. Druckwerke.
Laborde, Alexandre de, Itin^raire descriptif de TE^pagne.
Paris 1809, tome III, p. 115 hebt nur die Documentensammlung,
als damals bereits la plus importante et la plus pr^iense hervor.
Haenel (Catalogi col. 964 f.) scheint die Bibliothek nicht
besucht zu haben und beruft sich auf Laborde.
Gachard, Louis Prosper, Rapport sur ses recherches en
Espagne. Compte rendu de s&inces de la Commission Royale
d'Histoire BruxeUes IX (1845), p. 300—312.
Geschichtlicher Rückblick und ziemlich ausgedehnte Ex-
cerpte aus einigen die niederländische Geschichte betreffenden
Documenten.
NoTiciA de los Codices pertenecientes ä los monasterios de
San Millan de la Cogolla y San Pedro de Cardena remitidos a
la Real Academia de la Historia por la Direccion general de
fincas del Estado. Memorial histörico espanol. Madrid 1851,
tom. n, p. IX — XIX.
Zwei kurzgefasste Listen, die eine 65, die andere 12
Nummern enthaltend.
Eguren beschreibt p. 8 — 16 zwei Bibeln (mit reichen
Auszügen); p. 48 f. vier Psalter; p. 49 fünf Codices escrituarios;
ibid. Beatus in Apocalypsin; p. 54 Missale; p. 56 f. acht Codices
litiirgicos; p. 57 f. drei Devocionarios; p. 7 7 f. zwölf cödices
canönicos; p. 82 Gregorii Moralia s. XV aus San Millan de
Cogolla in 2 Bänden fol. San Crisöstomo s. X, Homilias de San
Gregorio sobre Ecequiel s. IX, Origines de San Isidoro s. X,
varios dialogos de San Gregorio, traducidos en castellano, ä cuyo
tratado, tambien en castellano, van unidos unos sermones de
S. Agustin, la historia de la traslacion del cuerpo de S. Millan,
y la De la traslacion del de Sant Felices, s. XIV; cödice anti-
quisimo con los tratados de reprimenda avaritia, de perfecta
concordia, y de abstinentia occultanda; p. 99 f. verschiedene
Tumbos: von Sobrado, Santiago, Pöblet, San Vitoriaho, Cela-
nova, Sahagun (Tumbo chico und grande).
>
Bibl. Uab^rsicht: 229 (Madrid). 29
Valbntinelli gibt p. 30 — 36 einen Abriss der Geschichte
der Bibliothek und einen sorgsamen Nachweis der zahbeichen
dieser einverleibten Privatsammlungcn, auf welchen hier ver-
wiesen sei. Ebenso dankenswerth ist die Liste der Publicationen
der Akademie^ welche sich zum grossen Theil auf die ihr ge-
hörigen Handschriften stützen. Von der Rcproducirung dieses
Verzeichnisses musste, wie oben bemerkt, Umgang genommen
werden.
Amador de los Rios, Historia critica etc. beschreibt:
Tom II, p. 66 die Beatushandschrift aus S. MiUan de la Cogulla
de letra del siglo XI, y enriquecido de miniaturas e iniciales
de colores: fu^ escrito ,tempore Benedicti Abbatis Villi
Sancti Emiliani, per Albinum monachum eiusdem, in Aera
MCCXVF (1178).
p. 104. cod. Aemilianensis von Alvar's Liber Scintillarum.
p. 174 f. über den Cidcodex. Er enthält 1. Historia a B. Isi-
doro Juniore Hispalensi edita. 2. Prologus Isidori ex libris
cronicis breviter adnotatis. 3. Historiae Galliae quac . . . a
domino Juliane, Toletanae sedis episcopo, edita est. 4. Gesta
Roderici Campidocti. Eine Abschrift dieser Handschrift
s. XV wird gleichfalls in dieser BibHothek Est. 3, gr. 4'^
G 1 aufbewahrt,
p. 339. Versus ad pueros (a. 1082) edirt aus der Handschrift
Nr. 44 von San Millan.
p. 350. Himnario de Santa Clara de Allariz. Proben aus den
geretteten Fragmenten (vgl. den Artikel Allariz).
p. 534. cod. Salazar M 142. Adagios vulgares.
Tom. HI, p. 242 Fragment des Gedichtes Disputacion cntre el
Cuerpo y el Alma. Aus der BibUothek von Monserrate
(Madrid).
p. 262. cod. Est. 4, Gr. 1*, H 18. Berceo, Vida de Santo
Domingo. Pergament und Papier s. XIV. Monserrate.
p. 413. cod. E 99. Lucas Tudensis, Corönica, castilianisch (aus
dem Kloster Santa Maria de las Cuevas zu Sevilla).
p. 427. cod. Salazar M 33. Alte Abschrift des Toledaner Ori-
ginals der Chronica de los Reys de Espanna del Arzobispo
Don Rodrigo.
p. 563. cod. E 37, gr. 5, E Nr. 138 Opusculum Ildefonsi Regis
dei gratia Romanorum ac Castellae de iis, quae sunt neces-
30 Vm. Abhandlonf : Beer. HandsohriflenscUtxe Spaniens.
saria ad stabilimentnm castri tempore obsidionis. Fälschlich
Alfons dem Weisen zugeschrieben.
Tom. m, p. 648. cod. E 26, gr. 7% D 181. Astronomischer
Tractat, verfasst im Auftrage Alfons des Weisen. Copie
(saec. XVI) des Codex der Nationalbibliothek Bb 119.
Tom. IV, p. 134. cod. Salazar G 32 Bemard Desclot, Crönicas
6 Conquestes.
p. 339. cod. D 75 Juan Garcia, copilacion sobre el libro de
regimine Principum. saec. XV. Ms. regalado a don Inigo
Lopez de Mendoza, quinto duque del Infantado.
p. 596. cod. Est. 27, gr. 3, E 78. Juan Manuel, El Conde
Lucanor. Cf. p. 598 ss.
Tom. V, p. 151. Lopez de Ayala, libro de la cetreria.
Tom. VI, p. 314. Codex aus S. Millan de la Cogulla, welcher
enthält: 1. Los Dialogos de San Gregorio traducidos por
fray Gonzalo de Ocana. 2. Los Sermones de San Augustin,
transferidos al romance. 3. La Istoria de San Millan. 4. La
Istoria de la translacion del cuerpo de San Felices.
p. 401. Fernando de Valencia, cartas.
p. 534. cod. Est. 25, gr. 6, C 114. Cancionero de Juan Alvarez
Gato. Ueber denselben vgl. tom. VII, p. 124.
Tom. VII, p. 327. Andreas Bernaldez, Crönica de los Reyes
Catölicos.
p. 382 f. cod. Salazar L 75. Historia del cavallero Marsindo
saec. XVIinit.
BoRAo gibt p. 79 die Zahl der zu seiner Zeit in der
AkademiebibUothek befindlichen Codices auf 1500 an.
GuTiERREz DB LA Vega, BibHotcca Venatoria, Madrid 1871,
tom. I registrirt unter den Nummern 4, 67 und 98 Handschriften
der Akademie, welche das Jagdwesen betreffen.
Gachard, Louis Prosper, Les bibliothfeques de Madrid et
de TEscurial. Notices et extraits des manuscrits qui concement
rhistoire de Belgique. Bruxelles 1875. 4®.
P. XXXrV der Einleitung nennt Gachard dieselbe Zahl
von Handschriften wie Borao und gibt einen ausfllhrlichen Be-
richt über den Fonds Salazar und seine Gründer. P. 541 — 556
wird eine detaillirte Beschreibung von 14 Handschriften dieser
Sammlung mitgetheilt.
)
Bibl. ücbeniobt: SM (Madrid). 31
Indige de los manoscritoS; que poseyö la biblioteca de
San Isidro y fiieron trasladados d la de las Cortes. Revista de
Archivos VI (1876), p. 14—16 (Nr. 1—41); p. 29—32 (Nr. 42
—93); p. 69—72 (Nr. 94—167); p. 111—112 (Nr. 168—196);
p. 199—200 (Nr. 197—222); p. 214—216 (Nr. 223—268);
p. 230—232 (Nr. 269—370); p. 245—248 (Nr. 371—439);
p. 262—264 (Nr. 440—561); p. 278—280 (Nr. 562—638);
p. 294—296 (Nr. 639—698); p. 310—311 (Nr. 699—1313). Die
übrigen Nummern bis 2213 sind Druckwerke.
Sehr dankenswerther und ziemlich ausführlicher Katalog.
Die Handschriften befinden sich jetzt in der Real Academia
de la Historia.
Graüx, Rapport nennt p. 113 acht griechische Hand-
schriften und specificirt sie p. 124 (deux rouleaux, plus six
Codices).
Amador de los Rios, La pintura en pergamino^ en Espana^
hasta fines del siglo XIU^ Museo Espanol de Antiguedades
tom. m (1874) p. 1 — 41, behandelt p. 11 das Missale aus S. Millan
de Cogolla, welches er der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts (!)
zuweist, p. 13 den Beatuscodex, p. 16 ein Lectionarium s. XII.
Ewald gibt p. 330 ff. zunächst Beschreibungen von Hand-
schriften aus den Fonds Cogolla, Cardena und Isidro, hierauf
die Geschichte des berühmten Rangeriuscodex, endlich (p. 338 ff.)
eine ausftlhrliche Mittheilung ,Vario8 bibliograficos' betitelt,
speciell über einen Sammelband, mit Est. 27, gr. 4» E. N. 122
signirt, der ftlr Geschichte des literarischen Lebens in Spanien
während der letzten Jahrhunderte von unschätzbarem Werth
ist und mit drei weiteren Bänden (Palomar's Paläographie)
durch eine Fülle von Katalogen und Facsimiles von theilweise
verlorenen Handschriften eine Urkundenquelle ersten Ranges
bietet. Diese näher einzusehen, mangelte mir leider die Zeit;
fiir einen weiteren Ausbau unserer Kenntnisse über spanisches
Handschriftenwesen wird sie jedoch in erster Linie Gegenstand
eingehenden Studiums bilden müssen.
Das BoLETiN de la Real Academia de la Historia bringt
alljährlich in einer eigenen Abtheilung Nachricht über die
Acquisitionen der Bibliothek. Von wichtigeren Artikeln heben
wir hervor: Tom. H, p. 14 über einen der Akademie ge-
schenkten Codex ,Santa Inös' (lyrisches Drama en verso pro-
32 VIII. Abhandlung: Beer. HondscbrifteoschAtze Spftoieni.
vencal) s. XIU; Tom. V (1884), p. 134 ff. aus Cod. A 189,
Est. 23, gr. 7% fol. 99—136 GU de Zamora; Tom. Vni (1886),
p. 499 Ankauf von un cödice en vitela con miniaturas, de
fines del siglo XV, cn quo se contienen constituciones de la
Hermandad de la Caridad y Misericordia de Sevilla. Vgl.
noch ibid. III 353 — 360 (Fita, über einen Becerro götico und
galicano).
Carini I, p. 101 — 105. Geschichte und PubHcationen der
Akademie; p. 105 ff. Bibliothek, Bestände, Handschriften; p. 113
bis 121 Acten und Documente, vorzüglich mit Rücksicht auf
italienische Geschichte ausgewählt.
Rada y Dblqado, Juan de Dios de la, Bibliografia nu-
mismätica espanola. Madrid 1886.
Handschriften der Akademiebibliothek benützt p. 139,
140, 142, 173 u. ö.
Hartel-Lobwe, p. 482 — 523: Handschriften des Fonds
San Millan de Cogolla; p. 523 — 525: San Pedro de Cardeüa.
Diese Beschreibungen bilden die Perle der ganzen Arbeit.
RiANO, Critical and bibliographical not^s on early spanish
music. London 1887.
Beschrieben sind: cod. F 228, De reprimenda avaritia; De
perfecta concordia; de abstinentia occultanda p. 26; F 219,
Choir book p. 34.
B. Schriftproben.
Amador, Historia critica etc. veröffentlicht folgende Proben:
Tom. n. Versus ad pueros aus cod. Aemilianensis Nr. 44, a. 1082
Gesta Roderici Compidocti (cf. p. 174 desselben Bandes).
Tom. in. Disputacion del alma y cuerpo (cf. p. 242 d. B.) Vida
de Sto Domingo, cod. IV, 1. H 18.
Tom. Vn. Alvarez Gato (Cancionero, cod. C 114, vgl. tom. VI,
p. 534 und VH, 124) ,Vida de Talavera'.
Razonamientos. Historia del Caballero Marsindo (cod. Sa-
lazar L. 75).
GoDOY AlcAntara, Josä, Iconografia de la Cruz y del
Crucifijo en Espaiia, Museo Espanol de Antiguedades tom. HI
(1874), p. 65ff. bietet das Facsimile einer Seite aus dem alten
Missale de Cogulla. Beschreibung desselben p. 70 ff.
BibL Uebwiicbt: »9 (M»drid). 33
MuKOz Y RiYERO, Paleografia Visigoda, Madrid 1881, gibt
Lam. X mehrere Proben aus dem ,cödice biblilico s. X' der
Real Academia de la ECstoria.
Ewald et Lobwe, Exempla scripturae Visigoticae Tab. XXI,
Cassiani collationes, F 188; Tab. XXII, Isidori Etymologiae,
F 194; Tab. XXIV, Glossae latinae, F 212; Tab. XXV, Biblia,
F 186; Tab. XXXV, Liber comitis, F 192; Tab. XXXVI, S. Aide-
foDsi vita, F211.
Tailhan, J(ulb8), Chronique rim^e des demiers rois de
Tolfede et de la conquÄte de TEspagne par les Arabes, edit^e
et annoteÄ, Paris 1885 fol.
Enthält die vollständige Reproduction der ,Epitoma Impe-
ratorum* ans der ehemals Zaragozaner, jetzt in der Akademie-
bibliothek aufbewahrten Handschrift (vortreffliche Lichtdrucke
von Dujardin). Beschreibung der Handschrift ibid. p. XVU.
RiANO (vgl. oben) bietet folgende Facsimilia: p. 25 Muz-
arabic Breviary, F 190; p. 30 Muzarabic manual, F 224; p. 39 f.
Roman Missal, F 185.
Referent hat die Bibliothek besucht, in derselben keine
eigentlichen Arbeiten ausgeführt, da die für das Corpus noth-
wendigen Handschriftenbeschreibungen bereits von Loewe er-
ledigt worden waren; auch wurden.zu der behufs Untersuchung
und Vergleichung einiger Handschriften in Aussicht genommenen
Zeit, im Frühjahre 1888, gerade umfassende Installationen und
Reparaturen in der Bibliothek vorgenommen, welche die Be-
lästigung der vielbeschäftigten Bibliotheksbeamten von meiner
Seite als unzeitgemäss erscheinen liessen. Die Bibliothek wurde
dem Cuerpo de bibliotecas p&blicas eingereiht, in gewissem Sinne
verstaatlicht.
Aus den früher erwähnten Daten über die Varios biblio-
gräficos erhellt, dass mit Exploitirung der Fonds CoguUa, Car-
dena und Isidro das in der Akademiebibliothek aufgespeicherte
Material durchaus nicht erschöpft sei. Eine überwältigende
Masse von Manuscripten und Sammlungen verschiedener Ge-
lehrter des vorigen und dieses Jahrhunderts erschliesst die
Kenntniss einer ganzen Reihe älterer BibUotheken und gibt
reiche Auszüge aus Tausenden heute zum Theile verlorenen
Handschriften und Urkunden. Die bedeutendsten dieser Fonds,
Sitanngsber. d. pbil.-hist. Ol. CXXYIII. Bd. 8. Abb. 8
34 VIII. Abhandlong: Beer. IlMidschriftonscbitze Spaniens.
zumeist mit den Namen der Sammler oder Eigenthtimer be-
zeichnet^ sind folgende:^
1. Luis de Salazar y Castro. 2. Antonio Mateos Murillo.
3. Luis Josi Velazquez, marqu^s de Valdeflores. 4. Gaspar
Melchior de Jovellanos.* 5. Joaquin de Traggia. 6. Manuel
Abella. 7. Manuel Abad y la Sierra. 8. Francisco Martinez
Marina. 9. Juan Sobreira. 10. Josä Vargas Ponce. 11. Jaime
Villanueva. 12. Coleccion de escrituras y privilegios de las
iglesias de Espaua^ auch unter dem Namen ^Gayoso^ bekannt.
13. Vicente Salvd.
230. Biblioteca de la Real Academia Espafiola,
Valbntinelli p. 38 : alcuni codici manoscritti, che servirono
per le pubblicazioni dell' Academia, ed i lavori degli Accademici;
p. 118 heisst es von dem Fuero juzgo von Murcia: conservasi
ora con altri simili di altre biblioteche, fra' libri dell' Academia
Reale spagnuola.
331. Biblioteca de la Academia Matritense de Jv/nspru-
dencia y Legislacion.
Indice de las obras existentes en la biblioteca de la Aca-
demia Matritense de Jurisprudencia y Legislacion. Madrid 1850. 8^.
In der eigentlichen Liste sind Handschriften nicht ver-
zeichnet, doch heisst es in den Adventencias: Ademds de la
coleccion de libros i impresos que posee la Biblioteca de la
Academia, contribuyen tambien ä enriquecerla considerable
ndmero de memorias manuscritas, redactadas sobre temas de
derecho.
ToRRBS Campos, Mandbl, Catdlogo sistemätico de las obras
existentes en la Biblioteca de la Academia de Jurisprudencia.
War mir nicht zugänglich. Vgl. Revista VI (1876), p. 393.
232. * Biblioteca del Nomciado de la ühiversidad Central,
Die Universität, welche an Stelle der alten Complutensis
in Madrid 1836 errichtet wurde, ist auch Erbin der berühmten
^ Yerzeichniss bei Valentinelli , Carini und auch in der Coleccion de
Fueros j Cartaspneblas. Madrid 1852. p. Yll, welch letztere uns als
Grundlage diente.
• Bei ValentinelU irrig Torellanos.
I
Bibl. Uebenicht: SSO— 238 (Madrid). 35
Bibliothek von AlcaU.^ Ueber die frühere Geschichte dieser
Sammlung ist unter dem Artikel Alcaiä nachzusehen. Eine
Reihe neuerer Forscher haben über den heutigen Bestand zu-
verlässige Kunde gegeben.
A. Handschriftliche Kataloge.
Ueber eine Ergänzung zum gedruckten Eiitalog Villa-
AmiPs berichtet das Anuario I, p. 169: Posteriormente se ha
hecho otro Catälogo referente ä papeles del tiempo de Cisneros,
cuyo original se halla en el Ministerio de Fomento por haberse
acordado su impresion por cuenta del Estado; d pesar de todo;
atin restan bastantes manuscritos para completar este trabajo.
B. Druckwerke.
Heine (Serap. VIH [1847], p. 104) fand bei seinem Auf-
enthalt in Madrid 1841 ,nur die Handschriften erst ausgepackt
und in einem Zimmer der Madrider Universitätsbibliothek auf-
gestellt^ Er erwähnt die Cisnerosbriefe und notirt kurz weitere
21 Handschriften.
Knust^ Archiv VHI, p. 808 — 809. Liste einiger Manu-
scripte.
EoüREN beschreibt p. 16 — 18 zehn Bibeln und p. 79 den
cödice conciliar aus dieser Sammlung.
Amador DB LOS Rios, HistoHa critica etc., tom. HI, p. 629
über die Handschrift der Tablas Alfonsinas . . . ,magnifico Ms.
formado sin duda durante el reinado del mismo don Alfonso
con admirable lujo y pulcritud'. Tom. V, p. 334 über einen
Codex der Edades Trovadas de Pablo de Santa Maria, von
dem auf der Schrifttafel einige Proben gegeben werden.
Valentinblli, p. 45 zählt ,quasi quatro cento codici'.
BoRAO gibt p. 71 f. einige statistische Notizen und bespricht
einige Cimelien. Das weitläufig beschriebene grueso y lujoso
Volumen ist offenbar identisch mit den sogenannten Tablas del
Rey Don Alfonso (Nr. 156 bei Villa- Amil).
In der Revista de la Universidad de Madrid tom. V (1875),
Nr. 6 findet sich der Katalog eines Theiles der Handschriften
^ Die Bibliothek wurde erst 1841 nach Madrid überführt; vgl. Anuario I,
p. 167.
3»
36 Vni. AbbandloBg: Beer. HuidsebriilensoUtse Spanien«.
der Universität. Die Arbeit Villa-Amil's bedeutet eine neue
Inangriffnahme dieser Aufgabe.
Graux^ Rapport p. 125 berichtet über neun griechische
Handschriften.
La Füentb, Vicbntb de la, Cubiertas de plata de las obras
originales de Santo Tomas de Villanueva. Museo Espanol de
Antiguedades IV (1875), 159—166.
Zunächst einige Bemerkungen über die Schicksale der
Bibliothek, ihre Cimelien, darunter die Einbanddecken der Werke
Villanueya's aus Silber. Die Abbildung ist nach einem 1845
genommenen Facsimile angefertigt. Die Platten selbst wurden
mit anderen Kostbarkeiten am 26. August 1856 entwendet und
nicht wieder zu Stande gebracht.
Villa- Amil t Castro, Josä, Catälogo de los manuscritos
existentes en la Biblioteca del Noviciado de la Universidad
Central. Parte I (un.) Codices. Madrid 1878.
Der Katalog beschreibt 160 Codices, die sich folgender
massen vertheilen: A 1 — 21 Hebreos;^ B 22 — 30 Griegos;
C 31—147 Latinos, und zwar: 31—79 Teologia; 80—101 De-
recho; 102 — 115 Ciencias filosöficas, morales y politicas; 116
bis 125 Ciencias fisicas, m^dicas y matemäticas ; 126 — 133
Linguistica, poesia y epistolarios; 134—147 Historia y biografias;
D I 148—160 Castellanos.
Der Katalog, welcher sich über so verschiedenartige
Fächer ausbreitet, ist mit anerkennenswerther Sorgfalt verfasst,
überhaupt eine der besten spanischen Arbeiten auf diesem
Gebiete. Leider steht die Publication des zweiten Theiles,
welcher die übrigen Manuscripte der Sammlung behandeln soll,
noch aus. Ein summarisches Verzeichniss (p. DI f.) führt fol-
gende noch zu bearbeitende Fonds an:
Sesenta y ocho voldmenes de obras teolögicas juridicas y
filosöficas, escritas en latin en los siglos XVI, XVII y XVHI;
en 49 y encuademados en pergamino.
Cuatro id. id. en fölio, encuademados en pasta.
Treinta y siete de obras, en castellano, de asuntos muy
diverses, y en general interesantes, de los tres Ultimos siglos;
en fölio y 4®, con diferentes encuademaciones.
* Zur Heraasgabe der Polyglotte benützt
I
BibL Ueberaicht: 282 (Madrid). 37
Un Volumen de Sermones^ escritos en latin, de Sto Tomas
de Villanueva; que se han tenido como autögrafos suyos: acerca
de lo cnal debe verse la monografia sobre las ricas tapas^ que
äntes cubrian este Ms., publicada por el senor D. Vicente de
la Fuente en el Museo Espanol de Antignedades (vgl. oben).
Otro de cartas firmadas por el cardenal Cisn^ros (publi-
cadas d costa del Estado por los Sres D. Pascual Gayangos y
D. Vicente de la Fuente).
Otro de cartas de los secretarios del mismo Cardenal
(publicados como los anteriores).
Otro de cartas dirigidas al proprio Cardenal.
Un legajo de otras cartas companeras de ^stas^ com-
prensivo de 137.
Tres tomos con papeles referentes a la conquista de Orän,
& la conversion de los moriscos y al alistamento de 1502.
Uno con el original de la obra biogräfica de Cisn^ros,
Archetypo de virtudes, por Quintanilla.
Otro con el de la que, sobre el propio asunto, escribiö
Alvar Gomez.
Diez y ocho con papeles referentes d la genealogia, historia
y beatificacion de Cisneros.
Treinta y seis con documentos, de todas äpocas, de los
colegios de AlcaU.
Ochenta y un tomos de varios, en que alteman con los
MSS. impresos de no escasa importancia.
Unos treinta gruesos legajos en los que se contienen papeles
de gran inter^s histörico.
Also ergibt sich mit den von Villa -Amil tom. I ver-
zeichneten Nummern ein Gesammtbestand von 444 Hand-
schriften (Bänden).
Zangemeistbr, Otto, Zur Weltchronik des sogenannten
Severus Sulpicius, Rhein. Museum XXXTTT (1878) p. 322 ff.
berichtet eingehend über den Chroniken - Codex E. 26. N. 75
nach Mittheilungen des Professor Dr. Otto Waltz. Vgl. Ewald
p. 327.
Ewald verzeichnet (p. 321 — 329) eine Reihe von Hand-
schriften.
38 Yin. Abhandlung : Beer. Handschrifteosch&txe Spaniens.
Anüakio del cuerpo facultativo I (1881), p. 163 ff. ver-
lässliche Mittheilungen über Geschichte und Bestände der Biblio-
thek und p. 170 eine Aufzählung der werth vollsten Handschriften.
Loewb-Hartel, p. 536 über einen jüngeren Fulgentius-
codex.
C. Schriftproben.
Amador's Facsimile vgl. oben.
Villa- Amil y Castro, Area de Noe, Huminacion del Cödice
de la Biblioteca del Noviciado que contiene el Breviarium
hystorie catholice del Arzobispo Don Rodrigo Jimenez de Rada.
Museo Espanol de Antiguedades tom. IX, p. 687.
In der Einleitung allgemeine Bemerkungen über die Ge-
schichte der Handschriften, welche sich theilweise mit der Vor-
rede zum Kataloge decken. Hierauf Besprechung des Manu-
scriptes. Dem mir vorliegenden Exemplar des Museo fehlt
leider die Tafel zu dieser Abhandlung.
Der Katalog Villa-Amil's, dessen Werth bereits von ver-
schiedenen Seiten (Ewald p. 321, Hartel-Loewe p. 536) ge-^
würdigt wurde, überhob mich einer nochmaligen Aufnahme
aller Handschriften, zumal verschiedene Stichproben ergaben,
dass die Notizen desselben für die Zwecke des Corpus aus-
reichen, und dass die nicht in den (allein gedruckten) ersten
Theil des Kataloges aufgenommenen Manuscripte ausser den
Bereich unserer Untersuchung fallen. Ich beschränkte mich
daher auf eine im Auftrage der Akademie erfolgte CoUation
verschiedener Stellen der Canones PrisciUians aus dem cod. 32
(vgl. p. XXXVI f. der Schepss'schen Ausgabe).
233. Ärchivo hiat&rico Nacional,
Eine Schöpfung aus moderner Zeit und dazu bestimmt,
zunächst die Documente und Acten der aufgehobenen Klöster
aufzunehmen, vereinigt das Archiv auch verschiedene Hand-
schriftenfonds, insbesondere eine reiche Zahl von Tumbos, welche
auch das hier behandelte Gebiet berühren.
A. Handschriftliche Kataloge.
Inventario de los Codices procedentes de la Catedral de
ÄvUa. Vgl. Ewald p. 350.
Bibl. Uebersicht: 288 (Madrid). 39
B. Druckwerke.
Hauptquelle flir Daten über diese Sammlung ist die:
Rbvista de Archivos. Tgm. I (1871), p. 12—15 und 28—29.
Auszüge aus einem Codex: Fundacion 6 inventarios del
monasterio San Miguel de los Reyes.
Ibid. p. 39 Bericht über Einverleibung von 92 Hand-
schriften der Kathedrale zu Avila: adomados la mayor parte
con profusion de orlas, vinetas y letras capitales iluminadas, 6
importantisimas, no solo bajo el punto de vista literario, sino
tambien para el estudio de las artes, indumentaria, mobiliario,
usos y costumbres de la Edad Media. Figuran entre ellos
muchos tratados de derecho civil y canönico, ofreciendo especia-
lisimo interes una version castellana del Cödigo de Justiniano^
hecha en el siglo XHI, y no pocas otras obras curiosas i in-
^ditas de diferentes materias.
Ibid. p. 49 werden Capitalbuchstaben eines Infortiatuscodex
s. XIV — XV aus Avila reproducirt und eine interessante Ver-
pfändungsnotiz dieses Codex mitgetheilt.
Ibid. H, p. 145—151; 161—166 J(o8Ä) M(aria) E(scuderos)
de la P(ena) über El Archive de UcWs, welches aus der Casa
conventual de la Orden de Santiago, einem ,z weiten Escorial',
nach dem Archivo Histörico überführt wurde; der Autor resumirt
p. 165, die Bereicherung des Archivo Histörico Nacional durch
den Fonds Ucl& besprechend : se ha enriquecido de esta manera
con 31 Codices griegos en papel, . . . y que por su mayor parte
llevan nota de haber sido donados ä la Casa de Ucläs por el
arzobispo de Valencia, D. Martin de Ayala. A estos hay que
anadir otros 23 Codices latinos, escritos casi todos en pergamino
ö vitela y en letra de los siglos XIII al XVI; y por ultimo,
una coleccion de 22 tomos de opiisculos y papeles varios sobre
diversas materias, y que datan de las XVII y XVIH centurias.
Ibid. IV, p. 3f. Mittheilungen über einen Codex vdrios
aus Avila, femer ein umfangreicher Abdruck (p. 7 — 10; 21 — 25;
38—41; 54—56; 67—69; 83—86; 99—101; 114—117; 132—
134) des interessanten Verzeichnisses: Libros del estudio del
Excmo senor duque de Calabria aus dem Re vista I, 12 be-
schriebenen Codex. 795 Nummern, vom Herzog dem Kloster
San Miguel de los Heyes geschenkt, von denen ein Theil in
40 Ym. Abh&ndliing: Beer. Handscbriftenscliitxe Spukiens.
die Universitätsbibliothek Valencia kam. Diesen sind im Ver-
zeichniss Sternchen beigedruckt.
Villa Amil t Castro ^ Los Codices de las Iglesias de
Galicia en la Edad Media, Madrid, 1874 benutzt (vgl. p. 9ff., 73 ff.)
folgende Tumbos des Archivs: von dem Monasterio de Meyra;
Osera (zwei Exemplare); Santa Maria de Sobrado; San Salvador
de Celano va; San Salvador de Villanueva de Lorenzana; San
Martin de Jubia; Mondonedo; Lugo.
Indicb de los documentos del Monasterio de Sahagan de
la Orden de San Benito y Glosario y Diccionario Öeogräfico
de voces sacadas de los mismos. Publicados por el Archivo
Histörico Nacional. Madrid 1874. 4®.
Verzeichnet auf p. 680ff., Nr. 2525 Libro beeerro de Saha-
gun titulado Liber testamentorum Sancti Facundi aus dem Jahre
1110 (vgl. Schriftproben), Nr. 2526 Beeerro 11 del monasterio de
Sahagun s. XIV, Nr. 2527 Protocolo de las escrituras (um 1500),
Nr. 2528 Registro de las escrituras s. XVI, Nr. 2529 Indice de
escrituras s. XVI, Nr. 2530 Libro de los Becerros s. XVI,
Nr. 2531 Indice de los documentos por örden de cajones y
legajos . . . sowie noch zwei jüngere Indices.
Graux, Rapport p. 125 f. über 29 griechische Handschriften
des Archivs aus dem Fonds UcWs.
Graux, Essai p. 277 und 290 über den Fonds Ayala (Uclds).
Ewald p. 350 — 358 beschreibt zuerst sechs Handschriften
aus Ävila und gibt dann Mittheilungen über den Fonds Sahagun.
Anuario del Cuerpo facultativo de Archiveros I, Madrid
1881, gibt p. 27—30 officielle Daten über Gründung des Ar-
chivs und die einverleibten Handschriften- und Documenten-
sammlungen aus zahlreichen Eiöstern. Tom. H, p. 21 — 23 miacht
Mittheilung über den Fortschritt der Arbeiten im Archive; ein
darauf folgender Ap^ndice: Codices y manuscritos zählt (p. 23
— 33) eine Reihe von Handschriften auf; die Liste ist nicht voll-
ständig (die Codd. aus Avila z. B. fehlen), aber dankenswerth, da
sämmtliche Tumbos (nach den Namen der Klöster oder Städte,
denen sie gehörten, alphabetisch geordnet) aufgeführt erscheinen.
Carini p. 99 f. Errichtung und Bestände des Archivs;
Scritture per Sicilia.
Loswe-ELlrtel p. 525 — 533 Genaue Beschreibung der ein-
schlägigen Handschriften aus Avila (meist s. XIV und XV).
Bibl. üebenicht : 28S— 235 (Madrid). 41
C. Schriftproben.
Einige Proben in der Revista tom. I, p. 49 (vgl. oben).
MuNOz Y RivERO, Paleografla visigoda^ Madrid 1881. Läm.
XrV. Becerro götieo de Sahagun escrito 1110, fol. 122.
Die durch Loewe erfolgte Erledigang der flir das Corpus
in Frage kommenden Arbeiten überhob mich weiterer Nach-
forschungen in dem Archiv.
234. Museo arqueolögico nacianal,
Ueber die ELandschriften des Museums, welche leider in
den ofBciellen Berichten des Anuario keine Berücksichtigung
fanden, besitzen wir nur die Mittheilungen von
Ewald p. 353 f. über die Bibel aus Huesca und
Lobwb-Hartel p. 534 — 536, wo drei Handschriften (dar-
unter die Bibel) beschrieben werden.^
335. Bihlioteca de loa estudioa Reales de San Isidro
(Facultad de filosofia y letras).
Die Bibliothek ist heute fast aller, zum Mindesten der
wichtigsten Manuscripte, die sie einst geborgen, beraubt. Die
Handschriftensammlung hat verschiedene Auftheilung erfahren;
das wissenschaftliche Institut selbst, als eines der ältesten der
Hauptstadt, hat seine eigene Geschichte; diese Umstände recht-
fertigen es, wenn wir die Bibliothek in einem selbstständigen
Artikel behandeln.
(Kaufhold, Anton) Spanien, wie es gegenwärtig ist. Gotha
1797, Th. n, p. 165—167.
Kurze historische Notiz und Beschreibung der inneren
Einrichtungen.
Haenel, Catalogi col. 975 theilt eine Reihe von Hand-
8chrift;en aus dieser Sammlung in gewohnter knapper Be-
schreibung mit.
VOGBL, p. 479.
B^NUST erwähnt die Bibliothek kurz p. 189.
^ (Fita y Ck)loin^, Fidel), Bosquejo de la Elxposiciön Histörico-Europea,
Madrid 1892, p. 57 verzeichnet unter den vom Museum ausgestellten
Objecten ausser der Bibel noch ein Misal manuscrito que pertenecis al
Monasterio del Paular und Comentarios de la Sagrada Escritura, con
interesantes miniaturas, s. XIY.
42 VIII. Abhandlnog: Beer. Handschriftensch&txe Spaniens.
Valbntinelli, p. 43 ff. gibt Aufschlüsse über die wechsel-
voUen Schicksale der Bibliothek. Seine Angaben über die
Manoscripte stützen sich auf Haenel.
BoRAo liefert p. 71 gleich Valentinelli einen geschichtlichen
Rückblick und sagt mit Bezug auf die Handschriften: Tiene
algunos manuscritoS; y la copia de uno de ellos ha servido para
que se publicase en nuestros dias, por primera vez, la novela
de Cervantes, que lleva por titulo La Tia fingida. lieber Be-
reicherung der Bibliothek del Noviciado durch Werke aus San
Isidro ibid. p. 72.
QuAux, Rapport, erwähnt die Bibliothek nur in seiner
Liste p. 113.
Indicb de los manuscritos que poseyö la biblioteca de San
Isidro y fueron trasladados ä la de las Cörtes.^ Revista de
Archivos VI (1876), p. Uff. Vgl. den Artikel über die BibUo-
thek der Real Academia de la Historia, in welcher sich dieser
Theil der Bibliothek San Isidro jetzt befindet.
Anüario del cuerpo facultativo de Archiveros I, p. 152
bis 163 bietet eine auf Grund officieller Quellen ausgearbeitete
Darstellung der Geschichte der Bibliothek, die beste, die wir
über diese Sammlung bis jetzt besitzen. Rücksichtlich der
heute in derselben noch vorhandenen Manuscripte wird bemerkt:
esta seccion Consta de muy pocos articulos, y de ellos existen
los que aparecen en 44 papeletas, de antiguo redactadas, que
se conservan cuidadosamente.
236. Biblioteca de Medicina de la üniveraidad Central.
Valentinelli, p. 46: Pochi sono i codici manoscritti e di
nessun interesse; i piü estimati furono trasferiti ä S. Lorenzo
dell' Escuriale.
Anuario del cuerpo facultativo de Archiveros I, p. 170
bis 178. Ausführliche Darstellung der Geschichte der Bibliothek
und gegen Ende die Bemerkung: El Indice de Manuscritos esti
redactado en la misma forma (wie die Druckwerke). Hay de
esta clase 1311 foUetos, que forman una bella coleccion de
memorias leidas en las Academias semanales que celebraba el
^ Diese Massregel hatte im Jahre 1834 statt; vgl. Anuario I, p. 168.
Bibl. Uebersicht : 836— S40 (Madrid). 43
Colegio de San Carlos; otras remitidas por profesores de fuera
de Madrid. En ambas colecciones hay autögrafos de hombres
eminentes.
237. Bihliotecas del Mvseo de Ciendas Naturales y del
Jardin Botdnico.
Valentiniilli, p. 47 führt als Theil 22 des Kataloges auf:
Chirografia (codici manoscritti di storia naturale).
Anuario del cuerpo facultativo de los Archiveros I, 182 ff.
gibt eine Geschichte der Bibliotheken und erwähnt auch die
Handschriften (ausschliesslich in das Fach einschlagend).
238. Biblioteca de la Escuela superior de Diplomdtica,
MiJNOz Y RivERO, Josä, Paleografia Visigoda, Madrid;
1881 berichtet p. 118 nur kurz über einen in dieser Anstalt
aufbewahrten cödice escrito en los anos 968 — 970 que contiene
comentarios sobre el Apocalipsis und gibt auf Läm. VH ein
Facsimile.
Anuario del cuerpo facultativo de Archiveros I (1881),
p. 20 erwähnt ganz allgemein die BibUothek; die sonstigen
Quellen (vgl. Reglamento de la escuela superior de diplomdtica
. . . precedida de una introduccion histörica, Madrid 1865 und
Anuario H, p. 15) geben keinen Aufschluss über die in der
Bibliothek aufbewahrten Handschriften.
239. Biblioteca del Depösito direccion de Hidrografia.
Vajlbntinblli, p. 49 spricht von 600 preziosi manoscritti
e 8000 volumi di opere o stampa che si riferiscono alla navi-
gazione e alla marina.
BoRAo, p. 79 berichtet in demselben Sinne.
240. f Biblioteca de las Cörtes,
Bezüglich dieser BibUothek gilt Aehnliches wie das bei dem
Artikel San Isidro eingangs Bemerkte. Die BibUothek besteht
überhaupt nicht mehr selbstständig; desto grösseres Interesse
besitzen die Berichte aus der Mitte dieses Jahrhunderts.
Knust, Archiv YIH, p. 189: lieber Gallardo's Thätigkeit
in der BibUothek, welche ,aus den aufgehobenen Klöstern ent-
standen ist und auch mehrere Manuscripte besitzt (namentlich
aus S. Isidoro und Monserrate hieselbst)^
44 VIU. Abbandlang: Beer. HandscbriftenBob&tM Spaniens.
GacharD; Louis Frospbr, Rapport sor ses recherches en
Espagne. Compte rendu des söances de la Commission Rojale
d'EGstoire IX (1845), p. 312: La bibliothfeque des cortfes a ^t^,
il 7 a quelques ann^es divis^e entre le congr^ des d^put^
et le sönat; les livres et les manuscrits qui en faisaient partie,
n'ont pas ^t^ class^s depuis lors et ils se trouvent relöguös dans
des locaux oü ils sont peu abordables. J'ai fait de vaines r^
marches pour pouvoir les visiter.
BoRAo p. 79 gibt eine kurze Geschichte der Bibliothek
und berichtet dann wie Gachard über die Vertheilung der
Sammlung auf die Senats- und Congressbibliothek.
241. Biblioteca del Senado.
Reolamento y catälogos por örden alfabötico y de materias
de la biblioteca del Senado. Madrid 1851.
Gibt in der Einleitung einige geschichtliche Daten; im
eigentUchen Katalog nur Druckwerke.
Valbntinblli p. 41f.: alcuni preziosi documenti, parte dei
quaU furono in seguito dati all Academia Reale della Storia.
Von BoRAo p. 79 wird die BibUothek nur genannt.
GrauX; Rapport p. 113, in der Liste.
Vgl. den Artikel Biblioteca de las Cörtes.
242* Biblioteca del Congreso.
Valentinelli p. 42: Biblioteca riunita da'documenti d'ogni
genere, da Ubri di antichi conventi, dalla hbreria che giä apar-
teneva all' Infante D. Carlos, da una parte di quella di S. Isidro.
Im Uebrigen vergleiche den Artikel Biblioteca de las Cörtes.
243* Biblioteca del Convento de los Esculapios,
Carini, Gli Archivi etc. I, p. 226 f. berichtet über diese in
der Calle del Meson de Paredes gelegene Sammlung; posiede
un bei codice cartaceo de' Sermoni di S. Giovanni da Capistrano,
in latino, mancante del principio e che finisce cosi: Expliciunt
Sermones devotissimi et reUgiosissimi patris Johannis de Capi-
strano Ordinis sancti francisci Ab eodem predicati nee non di-
vulgati et a sanctissimo in christo patre domino Nicholao papa
(V) permissi ad seminandum et predicandum etc. Scripti et finiti.
Colonie anno MAA oretis pro scriptore et orat pro vobis. Quos
\
Bibl. ü«b«raiobt: 241— S4A (lUdrid). 45
quidem sermones fecit scribi honorabilis et discretus vir Johannes
Roitkurhen scriptor theolomi ahne Civitatis coloniensis. Oretis
pro eo cordiahter etc. — Notai altresi una Somma contra i Gen-
tih di S. TommasO; preziosisimo codice membranaceO; de'prin-
cipi del secolo XIV; che finisce : ExpUcit quartus Über et etiam
totaUs summa vel tractatns de fide catholica contra gentiles a
fratre thoma de aquino editus.
Ausserdem noch einige Gesandtschaftsberichte des 18. Jahr-
hunderts.
244« f Biblioteca del Monasterio de San Martin.
Florbz, Espana Sagrada HI (1748), p. 275 und 281 er-
wähnt aus diesem Kloster ein libro manuscrito mit dem Officium
Hispanae Ecclesiae Romae; ferner Esp. Sagr. X (1753) p. 92 ff.
die Copie einer Cordubenser Handschrift mit den HomiUen des
Beatus Smaragdus und zwei Blättern Fulgentiustext (vgl. den
Artikel Cördoba Kathedralbibliothek).
RoDRiouEz DE Castro, Bibliotcca Espanola, Madrid 1781
bis 1786, 2 vol. fol., tom. I, p. 260f. über eine Handschrift aus
derselben Sammlung Florez de derecho, copiladas por el maestro
Jacobo de las Leyes. Inhaltsübersicht und Auszüge.
Hasnsl col. 964 nennt nur die Zahl der impressa (1 1.000 vol.).
Amador de los Rios, Historia critica de la literatura espa-
nola IV, 60 über einen codex mit der Vida de Sanct Ddefonso,
der sich in San Martin befand, über die Bemühungen zur Auf-
findung des Originals und die endlich zustande gebrachte directe
Copie.
Ewald, Reise p. 311 verzeichnet als Bestandtheil der Hand-
schrift der Nationalbibliothek Q 10: Annales Compostellani aus
einer in diesem Kloster befindUchen Copie.
Die Handschriften kamen wie die der andern (aufgelösten)
Convente der Provinz Madrid in die Nationalbibliothek. Vgl.
Amador a. a. O.
346« f Archivo de la Igleaia de S. Isidro y Santa Maria
de la Cabeza,
RoDRiGüEz DE Castro, BibHotcca Espanola tom. H, p. 730f.
beschreibt ausftlhrUch ein Manuscript: Vida de San Isidro La-
brador, geschrieben vom Diaconus Johannes (1232— 1275), welches
46 Vni. Abhandlung: Beer. Handscbriftensch&tse Spaniens.
in der Kirche gleich einer Reliquie aufbewahrt wurde; offenbar
identisch mit der unten (Bibl. Nr. 249) beschriebenen Legenda.
346. t Bibliotecu del Convento de los Carmelitas Descalzos.
Merino, Andres , Escuela paleogräfica etc. Madrid 1780
bietet Lam. 24 sieben Proben ,De libros manuscritos de la
Biblioth. de Carmelitas descalzos de Madrid^ Die drei ersten
nicht datirten gehören dem 14. Jahrhundert an und sind nach
der Erläuterung p. 253 ff. Bibeln entnommen; Nr. 4 gleichfalls
undatirt (saec. XIV) einer Summa Raimunds. Nr. 5 bietet die
Probe aus einer Handschrift: Constituciones de los Cartujos,
escritas en Cataluna el ano 1368. Nr, 6 Martirologio de Adon,
mit der reproducirten Subscriptio Iste liber fuit scriptus in
monasterio populeti^ anno a nativitate domini M^CCCC** et fuit
perfectus anno eodem etc. Nr. 7 Constitutiones de Cartujos,
in Catalonien geschrieben, a. 1348. Derselben Bibliothek ge-
hörte einer anderen Handschrift an: Exposicion moral de toda
la escritura, geschrieben in Avignon 1342 (vgl. p. 260), von
der eine Probe auf Lam. 25, Nr. 1 gegeben ist.
247. f Biblioteca del Colegio de las Escuelas Pias de
Lavapies,
Merino a. a. O. Lam. 25, Nr. 4 veröffentlicht einige Zeilen
aus einer Handschrift dieser Bibliothek, einem Ritual, geschrieben
zwischen 1360 und 1390, wie Merino annimmt. Cf. ibid. p. 262.
348. t Biblioteca de los P. P. Dominicos de Santo Tomas,
Merino a. a. O. p. 262 f. berichtet von zwei Handschriftien
dieser Sammlung: 1. Version latina de la Politica de Aristoteles
saec. XrV med. 2. Parte de la Biblia, desde el Profeta Isaias
hasta los Ultimos capitulos del Apocalipsis. Le faltan algunas
iniciales iluminadas. Esta escrito en letra gothica . . . pertenece
ä los fines del siglo X 6 ä los principios del XI.
349. Archivo parroquial de S, Andres,
A. Handschriftliche Verzeichnisse.
Drei autös de visita (21 Junio 1504, 7 Mayo 1516, 25 No-
viembre 1566) enthalten Inventare ,de todos los bienes que tenia
* Pöblet
\
48 Vm. Abhandliing: Beer. Huidsoliriftensch&tse Spaniens.
Eingehende Besprechung der Bibel unter Rücksichtnahme
der verschiedenen für die Schicksale der Handschrift inter-
essanten Vermerke in derselben. Notizen über die Q^schichte
der altspanischen Bibelübersetzungen.
Egüren p. 26—35 bespricht die Bibel und gibt aus ihr
reichliche Auszüge.
Valbntinblli p. 19 erwähnt nur ViUanueva.
Graux p. 113 in der Liste.
Auf huldvollst erlassene allerhöchste Empfehlung Ihrer
Majestät der Königin- Regentin Dona Maria Christina war es
mir vergönnt, die Schätze des Palais Alba, welche heute noch
ein Museum ersten Ranges vorstellen, eingehend zu besichtigen
und zu Studiren. Darunter auch die Bibliothek, die allerdings
durch den von ViUanueva erwähnten Brand sehr gelitten hat
Von eigentlichen Handschriften haben nur drei, darunter die
werthvoUe Bibel gerettet werden können. Ueberaus reich ist aber
das Archiv, an dessen Ordnung und Katalogisirung D. Antonio
Paz y Melia, Vorstand der Handschriftendepartements der Na-
tionalbibliothek, und Palastbibliothekar D. Manuel Remon Zarco
del Valle arbeiten.
252. fBiblioteca particular de D, Josi Amador de los Bios.
Ahador de los Rios, Josife, Historia critica de la Uteratura
Espanola, tom. VI, p. 33, Not. 1 bespricht die Compendien der
mäximas de escritores cristianos, darunter das De las quatro
virtudes, de que poseemos un excelente MS., el cual escribiö
san Martin Bracarense con titulo Formulae vitae humanae.
Ibid. tom. Vn, p. 180 einen codex Preparaciones para bien
vivir 6 santamente morir 8^, papel y perg., s. XVfin., gleich-
falls im Besitze des Autors.
253. Biblioteca particular de D, Josi de Äyala.
Vgl. den Artikel B. p. del Brno Sr. D. Enrique de Leguina.
254. * Biblioteca particular de D. Francesco Asenjo
Barbieri.
Der treffliche Gelehrte gestattete mir auf Empfehlung des
Archivars von Barcelona D. Manuel Bofarull y Sartorio in
liebenswürdigster Weise Einsicht in seine Privatsammlnng,
\
Bibl. Uebersicbt: 252—257 (Madrid). 49
speciell seine Codices. Dieselben^ vier an der Zahl, sind jedoch
mittlerweile bereits bekannt gemacht worden durch
RiANO; Juan F., Critical and Biographical notes on early
spanish mosic, London 1887, p. 50 (Cantus chori s. XIII);
p. 59 (Cantoral monästico s. XTV und Cantoral s. XIV) ; p. 64
(Missale mixtum secundum ordinem Cartusiensem s. XV).
Der Vollständigkeit wegen sei noch ein Aufsatz Barbieri's
in der Revista de Archivos VII (1877), p. 34—38 erwähnt.
255« Biblioteca particular de D, Antonio Benavides,
Vaubntinelli, p. 54 erwähnt die Bibliothek als reich an
historischen Werken; von Borao p. 80 wird sie nur genannt;
eine ganz bestimmte, die Handschriften derselben betreffende
Notiz ist mir leider verloren gegangen.
256. f Biblioteca particular de D, Gerardo Jo84 de
Betencov/rt,
FERREmA GoRDo, JoAQuiM JosÄ, Apontamcutos para a
Historia Civil e Litteraria de Portugal e seus Dominios, coUe-
gidos dos Manuscritos assim nacionaes como estrangeiros, que
existem na Bibliotheca Real de Madrid, na do Escurial, e nas
de alguns Senhores, e Letrados da Corte de Madrid, Memorias
de Litteratura portugueza tom. DI (1792), p. 33 erwähnt eine
junge Handschrift dieser Sammlung: Antonio Pinto Pereira,
Historia da India und bemerkt im Allgemeinen vom Besitzer
que al^m deste tem outros manuscritos, alguns dos quaes sao
preciosos pela sua raridade.
267, Biblioteca particular de D. Brieva y Salvatierra.
Graux, Rapport p. 126 macht Mittheilungen über sieben
griechische von Sr. Brieva angekaufte Handschriften s. XVH
bis XVm. Er nennt (1) Xenophons Cyrupaedie, (2, 3) une
autre copie (en deux tomes) du commentaire de S. Jean Chryso-
stome sur saint Paul, et (4) un curieux volume de m^langes (H^-
rodien, Histoires; conmientaire sur la grammaire de Theodore
de Gaza, par G^rasime de Byzance etc.) feirher (5 — 7) traduction
en grec moderne, remplissant trois volumes, de TArgönis, de
John Barclay.
Sifcsiuigsber. d. pbil.-hist. Ol. CXXYni. Bd. 8. Abb. 4
50 Vm. Abbandlanf : Beor. Handschriftensohitse Spaniens.
258* Biblioteca particular de la duquesa de Campo Alange,
Amador DB LOS Rios^ Historfa critica etc. tom. V, p. 116
und 130 über eine Handschrift dieser Privatsammlung^ ent-
haltend Pero Lopez de Ayala, Rimado del Palacio. Vgl. ibid.
p. 151.
Graüx, Rapport p. 113 verzeichnet blos die Bibliothek
ohne nähere Angabe.
259. * Biblioteca particular del Exiho Sr. D. Antonio
Cdnovas del Castillo,
Der berühmte Staatsmann und Geschichtsforscher^ ge-
währte mir wiederholt Zutritt in seine Bibliothek und die
ErlaubnisS; deren Schätze in Augenschein zu nehmen. Die
werthvollste hat bereits eine Beschreibung im Boletin de la
Real Academia de la Historia IX (1886), p. 443 gefunden.
Eine andere kostbare Handschrift, ein Devocionario, wurde
Cänovas von Danvila y CoUado 1888 zum Geschenk gemacht
260« Biblioteca particular de Carderera,
Eguren, p. 60 f. beschreibt ziemlich ausführlich ein Devo-
cionario dieser Sanmilung, spanisches Erzeugniss des 16. Jahr-
hunderts.
261. -f Biblioteca particular del Marques del Carpio,
RoDRiouEz DE Castro, Biblioteca Espanola tom. U, p. 492
berichtet (nach Nicolaus Antonios Vorgang) über eine Hand-
schrift, enthaltend eine Historia de la Iglesia de Iria (mit der
bekannten Historia Compostelana nicht zu verwechseln) aus
dieser Bibliothek. Sie war in dem Handschriftenverzeichmss
derselben, das Antonio zur VerfUgung stand, irrig als ^Chronica
de Espana por el Arzobispo D. Gil Ameiriz* bezeichnet. Am
Rande fand sich die Note: ,Estä en Salamanca en el Colegio
de San Salvador. Estan al fin las guerras de D. Fr. Berenguel.
Es del Archive de la Iglesia de San-jago*.
262. t Biblioteca particular de D. Juan Lucas CortA.
Antonio, Nicolaus, Bibliotheca vetus bespricht H, p. 83
ein handschriftliches Exemplar des Libro de los Canones de
^ Bis vor kurzem Ministerpräsident.
s
Bibl. Uebenicbt: 2ft8-~S68 (Madrid). 51
Albateni^ que mandö escrivir el muy noble Rey D. Alonso (es
ist AlphoDS X.) aus der Bibliothek des J. L. Cort^s.^
Risco, Espana sagrada tom. XXX (1770), p. 311f. be-
spricht eine sehr alte, vielleicht noch dem 7. Jahrhundert an-
gehörende Handschrift in westgothischer Schrift aus Cortes'
Bibliothek mit den Acta S. Braulioni episcopo adiudicata de
Martyribus Cesaraugustanis. Die acta selbst werden ibid.
p. 305—311 abgedruckt.
Amabor de los Bios, Historia critica de la literatura espanola
tom. m, p. 647 constatirt^ dass sich die von Nicolaus Antonio
erwähnte Handschrift gegenwärtig in der Madrider National-
bibliothek befinde, und theilt das Incipit mit.
BoLBTiN bibliogräfico Ser. HI, tom. 4 (1863), p. 202 über
eine Handschrift der Cäntigas de Don Alonso el Sabio aus
dieser Bibliothek.
Mabtinez Anibarro y Biyes, Intento de un diccionario de
. . . Burgos p. 102 f. (nach Nie. Antonio) über eine Handschrift^
die ehemals dieser Bibliothek angehörte und Cartagena's Defen-
sorium unitatis Christianae enthielt.
263. Biblioteca particular de D, Joaquin Gomez de la
Cortinay Marques de Morante.
Cataloous librorum doctoris D. Joachimi Gomez de la
Cortina, Marchionis de Morante, qui in aedibus suis exstant.
Matriti 1854 — 1859, 6 voll, und Supplementum.
Dem mir vorliegenden Exemplar* fehlt leider der vierte
Band. Handschriften werden in den eigentlichen Verzeichnissen
nicht angeführt; wichtig sind die einzelnen Bänden beigegebenen
Biographien, so Bd. 2 Justo Lipsio; Bd. 3 Manuel Marti, Dean
de Alicante; Bd. 5 Francisco Sanchez de las Brozas (zahlreiche
Gedichte zum ersten Male veröflFentlicht) ; Angelo Policiano;
Bd. 6 Marco Gerönimo Vida.
Valbntinblli p. 54 f. geht auf die Handschriften nicht ein.
^ Vgl. Bibl. Hispana nova I, p. 721, wo über diesen Staatsmann und
Bibliophilen des 18. Jahrhunderts gehandelt wird ; auch sonst werden
Handschriften dieser Sammlung von Antonio benützt und nach ihm von
Anderen (vgl. Rodriguez de Castro, Bibl. Esp. n, p. 523) erwähnt.
• Mit der Widmung: AI Sefior D° Fernando Wolf, Bibliotecario de la
Imperial de Viena, en testimonio de respeto, j de la mas distinguida
consideracion. £1 auctor.
4»
52 Vin. Abhandlaog: Beer. Handscbriftenscbiiie Spaniens.
BoRAo p. 80 berichtet ausfiihrlich über den an erster Stelle
genannten Katalog und fährt dann fort: Aunque no muy notable
en manuscritos esta selecta libreria, contiene; entre otras coriosi-
dadeS; una hermosa Biblia del siglo XII; en 8^ aboltado; la
Crönica de Aragon por Marfilo (la mäs antigua del reino segun
Zurita); un Devocionario del siglo XIV con capitales ilaminadas
y miniatnras y el Gesta nobilis viri Simonis Comitis de Monte-
forti, descripta per fray Petrum Monachom valliam Semay^
cisterciensis ordinis, impresa en el tomo XIX de la coleccion
de historiadores de Francia, pero no con las variantes del cödice,
ni con la carta 6 salvo-conducto de Simon de Montfort^ en favor
de las iglesias y conventos fundados por S. Domingo de Gnzmann.
Die Sammlung wurde nach Ableben des Besitzers in Paris
versteigert.
364. t Biblioteca particular del Sr. Crespo.
Revista de Archivos V (1875), p. 91 und 107 werden
folgende Manuscripte des verstorbenen Besitzers dieser Bibliothek
zum Verkauf angeboten: (1) Manuscrito del siglo XVI, que
contiene curiosas noticias para los navegantes, y algunos datos
histöricos, con tablas y dibujos. Consta de 56 hojas en fölio,
entre las cuales hay diez donde se hallan las tablas y dibujos
indicados. Ferner: (2) Parum* missale, in quo continentur
varia officia missarum. Ms. en vitela 4^, Consta de 54 fojas, en
dos columnas, con iniciales y capitales de adomO; y la encuader-
nacion de ante blanco sobre tela.
265. Biblioteca particular del Marques de Santa Cruz.
Ferbeira Gordo, JoAQum Josä; Apontamentos para a
EQstoria Civil e Literaria de Portugal etc. Memorias de Litte-
ratura Portugueza Lisboa, tom. in (1792), p. 77 führt vier
Handschriften dieser Bibliothek an. Es sind Rela9oe8, See-
schlachten und die Marine unter Philipp 11. betreffend.
266. *Biblioteca particular de D. Manuel Danvila y Collado.
Der gelehrte Historiker zeigte mir drei seiner Privat-
sammlung angehörige Handschriften historisch -juridischen In-
halts s. XIV— XV.
* Piere aux Vaux-de Cerney, Recueil des bist, de France YTY, p. YX
• Soll wohl heissen ,parvum*.
^
Bibl. Uebenicht: Sei— »70 (Kadrid). 53
267. f Biblioteca particular del Dtique de Frias.
Amador de los RioS; Historia criticA; tom. VI, p. 267 über
eine Handschrift aus dieser Sammlung, welche enthält: Augu-
stinus, De Vita Christiana, castilianisch; Valera, Tractat De
Providencia. Elnrique de Villena, Obras. Saec. XV.
GuTEBRREz DE LA Vega , Josö, Bibliotcca Venatoria I,
p. CLXXrV erwähnt eine Handschrift derselben Bibliothek:
PunonrostrO; Conde de, Discurso del Falcon, das später in die
Nationalbibliothek überging (Handschriftenverzeichniss Nr. 86).
868. t Biblioteca particular de D. Bartolomi Jo84 Gal-
lardo.
AicADOR DB LOS RioB, HistoHa critica etc., toin. VI, p. 62
beschreibt einen Cancionero dieser Bibliothek (damals bereits
im Besitze des Generals Eduardo Fernandez San Roman) cödice
quo Consta de 474 föls., fuö escrito en varios periodos del siglo XV
. . . La major parte de las obras que encierra son de los poetas
del reinado de don Juan H. Cf. ibid. p. 533 und Martinez Ani-
barro y Rives, Intento etc. p. 346.
869. f Biblioteca particular del Rev, P. D. Enrique Florez
de Setien y Huidobro,
Sainz DE Baranda, Pedro, Espana Sagrada, tom. XLVH
(1850), p. XVI berichtet über die Schicksale von Florez' Bi-
bliothek, welche nach den eigenen Angaben des bertlhmten
Gelehrten werthvolle Originalhandschriften und noch werth-
Yollere Abschriften in sich schloss. Sie wurde 1808 beim Ein-
dringen der Franzosen in Madrid arg gefährdet, in den Convent
San Felipe übertragen und hat jedenfalls viel eingebüsst. Der
Rest kam in die Bibliothek der Academia de la Historia, vgl.
Martinez Anibarro y Rives, Intento etc., p. 209 f.
870. Bihlioteca particular del Exiho Sr. D, Pascual
Gayangos y Arce,
Egcben liefert p. 43 f. eine ausfiihrliche Beschreibung eines
Salterio und p. Ö8 eine Notiz über einen Cödice de la. Vida y
Regia de San Benito aus dieser Sammlung.
Valbntinelli citirt die Bibliothek blos p. 54 als aprezzabile
di lingue Orientale e storiche.
54 VIU. AbhMidlniig: Beer. HaDdschriftenBcli&tse Spaniens.
Amador de los Rios, Historia critica de la literatura
espanola, tom. HI (1863); p. 211 über eine Handschrift des
Poema del Cid, die später in den Besitz des D. Pedro Jos6
Pidal aberging.
Knust, Hermann, Mittheilungen aus dem Escorial. BibUo-
thek des Ütterarischen Vereines zu Stuttgart, Bd. 141 (1879),
p. 533 f. über eine Papierhandschrift s. XV mit dem hbro de
los buenos Proverbios; p. 547 Bocados de oro s. XV; eine an-
dere Handschrift desselben Werkes wollte Gayangos aus der
Bibliothek Gallardo erstehen.
Indice de los documentos del Monasterio de Sahagun.
Madrid 1874. 4».
P. 582 über einen Bezerro aus Sahagun in Gayangos'
Besitze.
GuTiBRREz DE LA Veoa, Josä, Bibliotcca Venatoria I (1877),
beschreibt p. CXXH — CXXV: Alfonso XI Libro de la Mon-
teria Ms. del siglo XVHI (Cödice Llaguno y Gerda) aus derselben
Bibliothek (vgl. im Handschriftenverzeichniss Nr. 24).
Ewald , p. 354 S. über eine Coronica de Espana s. XIV
und die Fuero y Privilegios de Sahagun s. XIH — ^XIV.
Der Name des ausgezeichneten Forschers bleibt mit der
Geschichte spanischer Handschriftenkunde in den letzten De-
cennien aufs Innigste verknüpft. Gayangos als Sammler von
Manuscripten, als Ordner einer grossen Zahl von Bibliotheken,
als Herausgeber einer langen Reihe sprachlich und historisch
wichtiger Werke, endHch als Förderer fast eines jeden Üntei^
nehmens, das sich auf dem bezeichneten Gebiete bewegt, bildete
allein schon den Vorwurf fllr eine interessante Monographie.
Bekannt ist die in den drei mächtigen Bänden: Catalogue of
the manuscripts in the Spanish language in the British Museum,
London 1875 ff. niedergelegte Gelehrsamkeit. Desto sehmerz-
hcher war es mir, diesen Nestor spanischer Geschichtsforschung
ebensowenig wie seine Sammlung kennen zu lernen, da sich
Gayangos 1886 — 1888 in London aufhielt. Nach mündUcher In-
formation zählt seine HandschriftenbibUothek circa 500 Bände.
371. t Biblioteca particular de D, Ricardo Heredia.
Morel-Fatio, Alfred, Rapport sur une Mission philologique
k Valence, Biblioth^que de T^cole de Chartes, tom. XLV (1884),
\
Bibl. Uebenicbt: S71— S78 (Madrid). 55
p. 619 berichtet, dass dieser Amatear die berdlimte äammlang
Salva (ob wohl vollständig?) augekauft. Im Uebrigen vergleiche
den Artikel Valencia, Biblioteca particular de D. Vicente y
Pedro Salva. ^
373. *f Biblioteca particular de D. Vicente de La FtLerUe.
Der bekannte Historiker besass , in seiner reichhaltigen
Büchersammlung zwei Handschriften theologisch-scholastischen
Inhalts, in welche er mir 1888 in liebenswürdigster Weise Ein-
bhck gestattete. Laftiente ist im Frühjahr 1890 plötzlich ver-
storben, und ich bin leider ausser Stande, über das Schicksal
seiner Bibliothek Bestimmtes anzugeben.
873. Biblioteca particular del Iliho Sr. D, Enrique de
Leguina.
GuTiERREz DE LA Vboa, Libro de la monteria del Rey
Alfonso XI (Biblioteca venatoria Vol. I), p. CXLV berichtet über
eine Hs. Libro de Caza de Halconeria Ms. del siglo XIV. Estä
en lemosin. Iniciales de adomo en colores. Escrito ä dos
columnas. Folio. 15 hojas. Las hojas 8, 9, 10 y 11 en verso.
Empieza ,Dancus rey estava en son palau^ Este Ms. lo posee
el Ilnio Sr. D. Enrique de Leguina. Ferner werden folgende
Handschrift;en Leguina's a. a. O. genannt: p. CXLVIH. (Nr. 15)
Lecciones teöricas sobre el m^todo de ensenar ä los Perros de
caza. (Nr. 16) Instrucciones para la caza; p. CLH Avil^, Angel
de, Recuerdos de caza. Vol. H, p. LXFV Guzman el bueno,
Arte de cazar.
Webth, Hermann, Altfranzösische Jagdlehrbücher nebst
Handschriftenbibhographie der abendländischen Jagdlitteratur
überhaupt, Halle a. S., 1889 bemerkt p. 4, das an erster Stelle
genannte Manuscript befinde sich jetzt im Besitze von D. Josä
de Ayala in Madrid.
^ Erst nachträglich geht mir der prächtig ausgestattete Katalog zu: Cata-
log^e de la hibliothöque de M. Ricardo Heredia, Comte de Benahayis.
Paris 1891. Yente du 22 au 30 Mai 1891. Man darf die Worte der von
Zarco del Valle und Menendez Pelayo verfassten Einleitung unter-
schreiben: un sentiment de profonde tristesse en songeant q*une sem-
blable collection va affronter les hasards de la yente dans un pays
^tranger, et se disperser pour jamais, en ue nous laissant que V amertume
du regret.
56 VIII. Abhandlang: Beer. Handscbriftenscb&tM Spuiieiis.
374« t Biblioteca particular del Sr. Oarcia Loaysa.
Florez erwähnt in der Espana sagrada wiederholt diese
Privatbibliothek, ^ ohne jedoch durchwegs beizof^en, ob die
citirten Werke Handschriften seien. Ein cödice götico mit
Pauli Diaconi Vita PP. Emeritensium aus dieser Sammlung
wird besprochen Espana sagrada XIII, p. 331.
Ueber den codex gothicus pervetustus a suo quondam
possessore Garsia Loajsa Loayso-Carvajaleus nominatus handelt
La Sema Santander, Praefatio historico-critica in veram et
genuinam coUectionem veterum canonum ecclesiae Hispanae
Bruxellae p. 20 f. und gibt zum Schluss Tab. V ein Facsimile.
275* Biblioteca particular del Duque de Medinaceli,
A. Druckwerke.
PoNZ, Viage, tom. V (1782), p. 300 kurze Bemerkung über
die bereits damals dem Publicum geöffnete Privatsammlung.
Egurbn beschreibt p. 48 zwei Psalterien dieser Bibliothek
(s- XII und s. Xin), p. 60 ein Devocionario s. XV.
Valentinelu, p. 53: alcuni codici manoscritti.
BoRAo, p. 81 gibt, wie Valentinelli, die Gesammtzahl der
Bücher auf 15.000 an.
Paoj^s Am^deb spricht in seiner ausführlichen Kritik von
Masse Torrents, Manuscritos catalanes de la biblioteca de S. M.,
Revue critique 1888, II, p. 377 — 379: über le ms. des CBuvres
d' Auzias March, qui provient de la bibUoth^ue de MedinaceU.
B. Schriftprobjen.
Amador de los Rtos, Historia critica etc., tom. VT bietet
auf der beigegebenen Tafel Proben aus dem Codex des Auzias
March. Vgl. ibid. p. 526.
276. Archivo de los Duques de Medinasidonia,
Fernandez de Navarrete, Martin, Disertacion histörica
sobre la parte que tuvieron los Espanoles en las guerras de
Ultramar 6 de las Cruzadas in Memorias de la Real Academia
^ Ueber Pierre Pantin, den Bibliothekar Loaysa's, vgl. Omont, Henri,
Catalogue des Manuscrits grecs de la Biblioth^ue Royale de BmxelleA,
Gand 1885, p. 6.
>
Bibl. üeb«nicbt: »74—979 (Madrid). 57
de la Historia, tom. V, App. p. 199 benutzt ein handschriftliches
Werk dieses Archivs ^Cartas de los Rejres 1607' und gibt ver-
schiedene Auszüge.
877. Biblioteca particular del Sr. Mesonero-Romanos.
Valbntinblli, p. 54 sagt von der Bibliothek: eletta di
libri a stampa e a penna, relativi alla storia, descrizione e
amministrazione di Madrid, che formano la piü completa Bi-
bliotheca Matritensis conosciuta.
278. f Biblioteca particular de D. Jose Ignazio Miro.
Catalooue de la Bibliothfeque espagnole de D. JosÄ Miro,
Paris, Bachelin-Deflorenne, 1878. 8®.
Dieser Katalog enthält erlesenste Raritäten, aber nur
Druckwerke. Ob jedoch die Sammlung Miro's wirklich nur
solche enthielt, ist mehr als zweifelhaft, und ich bringe seinen
Namen mit einer anderen von denselben Auctionatoren und zu
nämlicher Zeit versteigerten Collection sehr werthvoller Hand-
schriften in Zusammenhang. Vgl. Revista de Archivos VIII
(1878), p. 184 und 212 flF.
279. Biblioteca particular de D. Pedro Nufiez de Chizman^
Marques de Montealegre y Conde de Villaumbrosa.
MusEO 6 biblioteca selecta de el Excmo senor Don Pedro
Nunez de Guzman, marques de Montealegre, Madrid, 1677 fol.
Lag mir nicht vor. Vgl. Graux, Rapport p. 130 not.
Florez, Espana Sagrada, tom. XX (1765) spricht von
einer Handschrift der Historia Compostelana ,que hoy con otra
gran cantidad de Mss. se halla en Madrid', und zwar in der
bezeichneten Bibliothek. Vgl. auch Ferreira Gordo in seinen
Apontamentos, Memorias de la Litteratura Portugueza HI, p. 71
und 87.
RoDRiouBz DB Castro, Bibliotcca Espanola erwähnt nach
Pellicer's und Nicolaus Antonio's Vorgang tom. H, p. 484 und
725 zwei Handschriften: Cronica del Obispo Don Pedro (mit
Auszügen), femer Castigos 6 documentos que di6 el Rej Don
Sancho el Bravo d su hijo el Rey D. Fernando IV ,Exemplar
MS. en folio, con caracteres muy antiguos^ Die p. 491 erwähnte
Handschrift derselben Bibliothek mit der Historia Compostelana
,copia del Ms. que tenia el Brno S. D. Diego de Covarrubias,
58 Vin. Abhuidliing; Beer. Handscbriftextfeb&tie Spaniens.
Obispo de Segovia, el cual estaba asimismo copiado del que
existia en el Archivo de la Sta Iglesia de Toledo' ist offenbar
identisch mit der von Florez genannten.
MuNOz Y RoMSRO^ ToMAs, Diccionario p. 38 citirt aus dem
^Catälogo de la biblioteca del eonde de Montealegre' ein Manu-
script; Antiguedades de Antequera^ escritas en latin hicia el
ano 1586.
MARTiNEz Anibarro t Rives^ Intento de un diccionario . . .
de Burgos Madrid 1889, p. 27 citirt nach Sandoval's Vorgang
ein Manuscript derselben Bibliothek: Monachi Silensis Chronicon.
280. Biblioteca particular del Conde de Olivarez duque
de San Lucar (Huescar), llamada libreria Olivarienae.
A. Handschriftliche Kataloge.
Ein handschriftlicher Katalog existirt in der Palastbiblio-
tbek zu Madrid unter dem Titel: Bibliotheca selecta del conde
duque de San Lucar, gran chanciller, de materias hebreas,
griegaS; aräbigas, castellanas, francesas, tudescas, italianas, lemo-
sinas, portuguesas etc. und trägt vorne noch die Bemerkung:
Esta copia estä fiel j puntualmente sacada del original que se
conserba en la biblioteca del Exmo Sr. Duque de Huescar.
Also ein Duplicat des Originals, welches heute vielleicht in
Sevilla liegt. Vgl. unten.
Den Katalog benützte Munoz in seinem Diccionario und
Graux in seinem Rapport p. 130, besonders im Essai p. 337 ff.,
wo auch Auszüge aus demselben.
B. Druckwerke.
Auf einer gegenwärtig im Besitz des Herzogs von Albs
(vgl. diesen Artikel) befindlichen Bibel liest man den Schenkunga-
vermerk, que en 18 de Enero del ano de 1624 el Hustrisimo
obispo D. Andres Pacheco, entonces Inquisidor JenerÜ, recogi6
0 quitö esta Biblia; i se la di6 al Conde Duque de Olivares
D. Gaspar de Guzm^n, para que la pudiese ienir, le^, pose&r
i guardar en su Libreria, en atenciön & los favores i gracias,
que S. E. y su Padre el Conde de Olivarez, siendo embajador
en Roma habian hecho al Santo Oficio: i en consideraciön
ademÄs, a haber pertenecido dicha Biblia & uno de los de la
Bibl. üeb«raicht: 280 (Mftdrid). 59
casa de Gozmän, que fuä el qae la mand6 trasladar; i pag6 por
ella excesivos gastos etc.
Vgl. Noticia de BibHa . . . del Duque de Alba, Madrid
1847, p. 2 f.
Der Escorialcodex L. I. 15 enthält f. 25' flF. ein ,Glo8-
sarimn latinum ex Codice vetustissimo literis Langobardicis
(sen ut Yocant Gothicis) scripto ante annos sexcentos. Ex Biblio-
theca S^^ Joannis de la Pena in Regno Aragoniae qoi iam in
Biblioteca Comitis de Olivares asservatur^
Vgl Hartel-Loewe BPLH, p. 187.
Ramirbz del Prado, LAüRBNTiuSy in der Ausgabe: Jnliani
Petri archipresbyteri S. Justae chronicon cum eiusdem adver-
sariis et de eremiteriis hispanis brevis descriptio atque ab eodem
variorum carminum collectio ex bibliotheca Olivarensi, Lutetiae
Parisiorum 1628. 49 sagt p. 2 f. seiner excellentissimo Domino
Don Gaspari de Guzman Comiti de Olivares, duci de Sanlucar
gewidmeten Vorrede: E magna illa manuscriptorum Hbrorum
Bibliotheca, quam summa cura et non sine ingenti sumptu com-
parasti, non in ornatum nee in spectaculum, sed in doctrinam
et publicam utilitatem iam in lucem prodit Julianus Petri etc.
Bezüglich der Quellen heisst es p. 4 opus . . . a Domino An-
tonio Augustino pretio habitum, cui exscriptum exemplar misit
Abbas Abis, ex ipsius Juliani autographo, quod ea tempestate
Ticini asservabatur. Weitere Nachweise oder Notizen über die
Bibliothek fehlen.
Aus einem Briefe des Andres Uztarroz an Thomas Tamajo
de Vargas, Zaragoza 14. März 1639. . . . Dixome nuestro amigo
Don Francisco Ximenes de Urrea que V. M. havia cuidado de
la libreria Olivariense, y assi he querido escribir estas lineas . . .
El conde duque, quando vino con S. Magestad, el ano 1626,
deseoso de enriquecer su biblioteca manuscrita, desfrutö algunos
deste reyno; j las que mas Ustima j dolor nos causa, es la
libreria del secretario Gerönimo Qurita . . . Creiö Gerönimo
Qörita que sus trabajos estarian seguros . . . y dexölos como
en depösito en el convento de la Cartuxa de Aula-Dei. Desto
kigar los sacö el conde duque . . .
Biblioteca Nacional, cod. V 169, fol. 170, veröflFentlicht
von Graux, Essai p. 333 A. 1.
60 Vm. Abhandlung t Beer. Handsebriftenschitse Spaniens.
Antonio, NicolauS; Biblioth. vet. I, p. 88 erwähnt einen
codex des Martial aus dieser Bibliothek.
Clsmencin, DieoO; Elogio de la Reina Dona Isabel , Me-
morias de la Real Aeademia de la Historia, tom. VU, p. 452
erwähnt eine £[andschrift : Crönica del Rey Fernando L
Graüx, Rapport p. 130 gibt wichtige historische Details
über die Sammlung, von der 1648 ein Theil nach Sevilla kam.
Graux, Essai p. 331 — 351 die bis heute vollständigste und
gelungenste Darstellung der Geschichte der Bibliothek.
Martinez Anibarro t Rives, Intento de un diccionario . . .
de Burgos etc. p. 199 über eine Handschrift: Gundisalvi k Fino-
josa Burgensis Episcopi Chronica perg.; ferner p. 249, Crönica
de D. Älvaro de Luna, beide gleicher Provenienz.
281. Biblioteca particular del Marques de Pidal
A. Druckwerke.
EouRRN, p. 59 — 60 beschreibt ausführlich ein Devocionario
dieser Bibliothek s. XV, das besonders schöne Miniaturen ans
der besten Zeit flämischer Malkunst aufweist.
Martinez Anibarro y Rives, Intento de un diccionario de
... Burgos etc. p. 53 beschreibt eine Handschrift: Poema del
Cid, Ms. de Cardena, propriedad del Sr. Pidal : un vol. en 4^
en pergamino s. XIV. Die Subscriptio lautet
Quien escribiö este Ubro del Dios paraiso : amen.
Per Abbat le escribiö en el mes de majo
En era de mill e CG . . . XLV anos. ,
B. Schriftproben.
Akador de los Rios, Histöria ciitica, gibt auf der Bd. IQ
beigeschlossenen (zweiten) Tafel eine Probe aus dem Cidcodex.
282* Biblioteca particular del Conde de PufionroHrOu
Amador de los RioS; Histöria critica, tom. HI, p. 636^ das
Werk des Infanten Don Fadrique : Engannos y Assayamientos
de las mugieres besprechend bemerkt: El änico Ms., qae existe
de este precioso monumento literariO; es propriedad del Excmo.
Sr. conde de Punonrostro. Consta de ciento sesenta y tres
Bibl. üebenioht : SSI— S85 (ÜAdrid). 6 1
fojas en 4^; y con el titulo de Conde Lucanor encierra : V.
Este celebrado libro (del 1^ al fol. 62^); 2» el de los Assaya-
mientos et Engannos (del 62^ al 79^); 3^ una explicacion del
Padre Nuestro y el Testamente de Alfonso de Cuenca, fisico
del rey (del f61. 63 al 68) 4^ nna epistola de San Bernardo &
Ramon de San Ambrosio (fol. 69 al 85); y 5®, finalmente un
tratado de moral; de religion y de eiencias, compuesto de di&-
logos entre an maestro y discipulo y compartido en ochenta y
caatro capitolos, que oeupan el resto del cödice; en setenta y
siete fojas. La letra de todo el Ms. es del siglo XV. Vgl.
auch Bd. FV, p. 31 und besonders p. 597.
888. Biblioteca particular de D. Mamiel Rico y Sinobas.
Ueber die Privatsammlung dieses Gelehrten, Professors
der Madrider Universität, berichtet
Rada t Deloado Juan db Dios db la, BibUografia numis-
mätica espanola, Madrid 1886, 4^, p. XII und verzeichnet aus
derselben verschiedene numismatische ELandschriften : p. 56,
p. 79 (Ambrosio de Morales, Averiguaciön del verdadero mara-
vedi antiguo de Castilla), p. 92, p. 141 und p. 163.
284. Biblioteca particular del Marques de San Roman.
RiANO, Critical and Bibliographical notes on early spanish
music London 1887, p. 135 bespricht ein Manuscript dieser
Sammlung, fol. 707 p., enthaltend: Felipe Fernandez Vallejo,
Canonicus der Kathedrale von Toledo, Memorias y disertaciones
que podran servir al que escriba la historia de la Iglesia de
Toledo desde el ano 1085 en que la conquistö el Rey Don
Alonso VI de Castilla. 1785. Vgl. den Artikel Toledo, Biblioteca
del Cabildo de la Catedral A.
386. f Biblioteca particular del Excrho Sr, D, Pedro Caro
y Su/reda, Marques de la Romana,
MuNoz, Diccionario p. 130 erwähnt eine Handschrift:
jDescripcion histörica de los Alcdzares de Grenada por N. Sa-
ravia' aus dieser Sammlung.
Catalogo de la Biblioteca del Excmo Sr. D. Pedro Caro
y Sureda, Marques de la Romana, Capitan Qeneral del £jer-
cito y General en jefe, que fue, de las tropas Espanolas en
62 Vm. Abhandlung: Beer. Handschriflenscbitie Spaniens.
Dinamarca el ano de 1807 , trasladada & esta corte desde
Palma de Mallorca.i Madrid 1865, 4\
Beschreibt auf p. 188 — 194 gegen vierhundert Hand-
schriften in wunderlicher Aufeinanderfolge (Libros en 12® y 8®;
en 4®; en folio, innerhalb dieser Abtheilungen analphabetische
Einreihung); die einzelnen Nummern sind von ungleichem
Werth, neben einer gramdtica griega erscheint ein Libro en
latin de historia natural, femer Salustii Catilina, Jugurtha
s. XrV — XV S. Cypriani opera s. XIV; Roderici Toletani Hist.
Hispana et Romanor. (Ms. antiquisimo !) D. Isidori Cronica,
Dracontii Opera poetica cum divi Eugenii Tolet. PraeauÜB
supplemento et Azagrae schoUs originaUbus atque aliis opusculis.
286» Biblioteca particular del Sr, de Sola.
EouREN, p. 61 f. beschreibt ein Devocionario mit vielen
Miniaturen und besonders interessanter heraldischer Omamen-
tirung, einstens Besitz Kaiser Karl V.
287. Biblioteca particular del Sr, Marques de Salamanca,
BoRAo berichtet p. 81 : guarda en sus lujosas estantes pre-
ciosidades literarias y tipogräficas de gran märito, y mis de 200
tomos de manuscritos que, con todos los impresos de biblioteca
del duque de Hijar comprö hace dos anos & sus herederos.
288. Biblioteca particular del Dr, Ramon Sanchez Merino.
Egursn beschreibt p. 35 f. ausführlich zwei durch Sanchez
erworbene Bibeln, beide vitela 8^ s. XIV.
289. Biblioteca particular del Sr. D. Juan Trö.
EouREN beschreibt p. 26 eine Bibel s. XIV dieser Samm-
lung; p. L bemerkt er, von ejemplos de la escritura del siglo X
sprechend: es entre ellos dignos de mencion un fragmento de
un hermoso cödico biblico escrito en föUo, a tres columnas.
Posiele el Sr. D. Juan Trö, quien le pudo salvar con dificul-
tad, cuando hace pocos anos destruyö un tirador de oro el
hello libro de que hacia parte.
^ Die Bibliothek befand sich ursprünglich in Valencia; Tgl. VillanueTa,
Viage, tom. XIX, p. 2, wo von den Handschriften des Klosters La Morta
(s. d.) berichtet wird, que una buena porcion de ellos paran hoy dia en
la biblioteca del Marques de la Romana en Valencia, reputada por una
de las majores de la nacion.
BibL üolwnieh«: tM— MO (Ibdrid). 63
390. f Biblioteca particular de D, Enrique de Aragon
Igo Marques de Villena).
Ueber die merkwürdige Bibliothek dieses adeligen Ver-
ters alter spanischer Dichtkunst, aber auch einer phantasti-
en Weltanschauung (f 1434) besitzen wir ein beinahe gleich-
kiges Zeugniss bei
GoMEz DE Cibda-Real, Centou epistolario epist. 66: No le
tö ä D. Henrique de Villena su saber para no morirse, ni
ipoco le bastö ser tio del Rey, para no ser llamado por
santador . . . Dos carretas son cargadas de los libros
e dexö que al Rey le han traido. E porque diz que
. magicos e de artes no cumplideras de leer, el Rey
ndö que & la posada de Fr. Lope de Barrientos fuessen
'ados. E Fr. Lope, que mas se cura de andar del principe
) de ser revisor de nigromancias fizo quemar mas de cien
•08: que no los viö el mas que le Rey de Marruecos . . .
) Bon muchos los que en este tiempo se fan dotos; faciendo
»tros insipientes e magos; e peor es, que se fazan beatos
[endo ä otros nigromantes. Tan solo este denuesto' no habia
itado del hado este bueno e magnifico senor. Muchos otros
t)8 de valia quedaron d Fr. Lope, que no seran quemados,
tomados etc.
Auf diesen Vorgang bezieht sich wohl auch eine Stelle
Juan de Mena Cant. 127 f.,^ während Gomez' Bericht selbst
schiedene Commentare erfahren hat; vgl. Nicolaus Antonio,
»liotheca Hispana vetus II, p. 220 flF. Pellicer y Saforcada, Juan-
tonio Ensayo de una bibliotheca de traductores Espanoles,
drid 1778, II, p. 58 — 76 (bes. p. 66). — Clemencin, Diego,
gio de la Reina Catölica Dona Isabel, Memorias de la Real
idemia de la Historia VI, p. 466 nennt bei Anführung des
ktado de Adivinanza 6 sus esp^cies Lope Barrientos als
-fasser eines solchen und glaubt, Lope habe aus den band-
Porque Castilla perdio tal tesoro
No conocido delante la gente
Perdio los tus libros sin ser conocidos;
T como en exequias te fueron ja luego
Unos metidos al avido fnego
Y otros sin orden no bien repartidos.
64 Yin. Abbandlang: Beer. HandscbriftenscbfttM Spaniens.
schrifklichen Quellen Villena's geschöpft. Bezüglich des Autos
meint er: La quema fue en el monasterio de Santo Domingo el
real de Madrid j dieen que de ella pes6 despues al Rei D. Juan.
— Vgl. auch Torres-Amat, Memorias p. 669 f. — Amador de
los Rios, EListoria critica, tom. VI, p. 254 flF. Ibid. 256, Anm. 2
Näheres über die Zusammensetzung der Bibliothek Enriques.
— Wenig bietet der umständliche Aufsatz von Th. de Puy-
maigre Don Enrique de Villena et sa bibUothfeque Revue des
Questions Historiques, 6"*®ann^e, tome 11"**, Paris 1872, p. 526—
534, da hier blos versucht wird, die Unechtheit von Gomez'
Bericht zu erweisen, ohne dass ein positives Resultat geboten
wäre. Ganz auf Seite unserer Ueberlieferung steht Edmund
Derer, Heinrich von Villena, ein spanischer Dichter und Zau-
berer, Archiv für das Studium der neueren Sprachen Bd. 77
und separat Braunschweig 1887, p. 135. Ebenfalls referirend
V. M. Otto Denk, Einführung in die Geschichte der altcata-
lanischen Litteratur, München 1893, p. 245. Nach EJnrique de
Leguina, La Exposicion Histörica-Europea VI. La Biblioteca
Nacional in dem Tagesjoumal La Epoca vom 28. November
1892 zeigt das in der Madrider Columbusausstellung exponirte
Manuscript Tratado de Astrologia de D. Enrique de Aragon
(1428), auf den Einbanddecken Spuren von Feuer und Wasser.
,Comprueba,' sagt er, ,1a famosa quema de Lope de Barrientos,
pues, sin duda, este ejemplar fuö sacado de la hoguera^
291. Biblioteca particular del marques de Villena.
FERREmo GoRDO, Apoutameutos para a Historia Civil e
Litteraria de Portugal etc. in den Memorias de Litteratura
Portugueza, tom. III (1792), p. 46 berichtet von einer Hand-
schrift D. Joao Ribeiro Gaio, Bispo de Malaca, RelafSo de
Luchen, escrita a El Rei und bemerkt: Existe na Livraria de
Marquez de Vilhena, Estribeiro M6r de S. Magestade Catholica.
— Unzweifelhaft ist diese Bibliothek, über deren Besitzer mir
nichts Näheres bekannt wurde, nicht identisch mit der vorher-
gehenden.
292. * Biblioteca particular del Eocmo Sr, Cande de Va-
lencia de Don Juan,
Die reichhaltige Sammlung des gelehrten Directors der
Armeria Real zeichnet sich durch eine erlesene Zahl von
Bibl. üttberaicht: 291—295 (Madrid). 65
Docnmenten 9 insbesondere durch mehrere Fascikel mit ver-
schiedenen, die Geschichte der spanischen Habsburger be-
treffenden Acten aus ; sie sind hochinteressant und zum grossen
Theil unedirty darunter eigenhändige Briefe des Infanten
D. Carlos.
898. Biblioteca particular de D, Fernando Jose de Velasco,
FüERO, EIl, viejo de Castilla, sacado y comprobado con el
ejemplar de la misma obra, que existe en la Real Biblioteca
de esta Corte, y con otros Mss. Publicanlo con notas histöricas
y legales D. Ignacio Jordan de Asso y del Rio y D. Miguel
de Manuel y Rodriguez, Madrid 1847.
Ein bei der Ausgabe benutztes Manuscript stammt aus
dieser Bibliothek, vgl. p. VII, Anm. 1 : El extracto de este Ms.
adoma la copiosa y exquisita -libreria del Senor D. Fernando
JosÄ de Velasco, que ha ido formando .... Confesamos agre-
decidos que le debemos el favor de habemos franqueados una
copia exacta del cap. 6 de esta obra, la cual sabemos que con
otros muchos MSS. muy apreciables y curiosos vendiö original
el Librero de Madrid Francisco Lopez al ^Conde de la Ericeyra
de Portugal en el ano 1737 por el precio de 200 doblones.
294. Biblioteca particular del Sr. D. Domingo Vila.
RoTONDO, Antonio, Historia descriptiva ... del Escorial,
Madrid 1863, fol., p. 269 f. bemerkt, von dem codex aureus des
Escorials sprechend, Folgendes: Nuestro respetable 6 ilustrado
amigo el Sr. D. Domingo Vila posee en su biblioteca un cödice
catalän, cuyas letras capitulares estdn confeccionadas del mismo
modo que las del libro aureo del Escorial. Sus hojas son de
suave y delicado pergamino.
295. t Biblioteca particular de D. Jaime Villanueva.
Die Geschichte und endgiltige Beschreibung der hand-
schriftlichen Sammlungen dieses Gelehrten, neben Florez viel-
leicht der gelehrtesten Theologen, den Spanien besessen, er-
fordert eine specielle Studie. Nur ein Theil seiner Papiere
kam in die Akademie der Geschichte nach Madrid; andere
gewiss sehr kostbare Stücke wurden zerstreut, ohne dass wir
mit unseren jetzigen Mitteln im Stande wären, ihren Aufenthalt
SitzimgBber. d. phiL-hist. C\, CXTVm. Bd. 8. Abh. 5
66 VIII. Abhandlung: Beer. Handschrifleniehlta« Spanieni.
festzustellen.^ Wiederholt gibt er Proben aas den Manuscripten
seiner Privatbibliothek, z. B. tom. IV des Viage literario p. 272ff.
Petri Ransani, panormitani theologi, ordinis praedicatomm , ac
dein episcopi Lucerini, opuscula duo de vita et gestis S. Vin-
centii Ferrerii Conf., nunc primum in lucem edita ex cod. ms.
init saec. XVI, quem penes nos habemus. Vgl. auch den Ar-
tikel La Murta.
Mahon (Menoroa).
296* Biblioteca del Ayuntamiento,
ViLLANUBVA (Viage, tom. XXI, p. 4) sah daselbst ein libro
Colorado (Uibre vermell), enthaltend la legislacion que estableciö
el Rey Don Jaime 11 en 1301.
M&Iaga.
•
397. Biblioteca Epiacopal.
Haenel catalogi col. 1006: Codd. mss. nulli, eine unrich-
tige Angabe.
Heins (Serapeum Jahrg. VII [1846] p. 204) sah daselbst
einige Handschriften, jedoch nur einen membranaceus, ein
Missale s. XIV.
MüNOz, Diccionario p. 18 f. s. v. Antequera citirt aus
dieser Bibliothek ein Manuscript: Descripcion de la fundacion
y antiguedad ... de Antequera von Francisco de Cabrera.
Valentinelli p. 114 f. nach Heine.
BoRAo p. 81 gibt kurze historische Daten, keine Notizen
über Handschriften. Nach ihm ist die bischöfliche Bibliothek
die einzige öffentliche Malagas.
Manresa.
298. Iglesia del Hospital de Santa Lucia,
ViLLANUBVA, Viagc, tom. Vn, p. 190 ff. beschreibt eingehend
ein librito en 16^ con cubiertas de plata, adomadas de primorosa
filigrana, welches für das Original der Egercicios des Ignaz
von Loyola angesehen wurde. Es ist aber ein Gebetbuch, auf
feinstem Pergament mit vorzüglichen Miniaturen, geschrieben
^ Vgl. Knust Reise, Archiv f. ä. d. G. Vni, 120 u. ö.
Bibl. ütbtnieht: S96--aO0 (Xadrid— Mediu d«l Gampo). 67
vom Canönigo de Lieja^ llamado Roberto Chesnau für D. Gaspar
Espinola 1Ö83. Incipit und Expl. a. a. O.
2Ä9. Archivo del convento de los PP, Carmelitas,
ViLLANUBVA, Viage, tom. VII, p. 186 flF. beschreibt und ex-
cerpirt einen Codex dieses Archivs (caj. 4) s. XIV, enthaUend
miracnla B. Mariae virginis geschrieben in urbe Valentina anno
ab incamatione Domini MCCCXXVII in mense Aprilis qui fuit
inchoatus in mense Martii.
300. Sacristia de la Iglesia de Santa Maria,
ViLLANUEVA, Viagc, tom. VII, p. 174 und 182 berichtet
von einem cödice de los evangelios, Textus argenti genannt,
der noch zu seiner Zeit um Weihnachten benützt wurde. Aus
den in diesen Codex von zeitgenössischer Hand eingetra-
genen Urkundentexten theilt Villanueva die Introductio vitae
canonicae S. Augustini in ecclesia Manresensi, anno MXCVIII
mit (vgl. a. a. O. p. 272 ff.). Der Codex war also spätestens s. XI.
Matallana.
801. Biblioteca del Monasterio de la Orden de Cister,
MoRALEs, Viage, p. 195: No tienen mas libros antiguos de
un Breviario grande, y con grandes iluminaciones , mas deli-
cadas y de buen dibujo, que parece se podrian hacer en tiempo
del Rey D. Fernando el Emplazado, para quien se hizo, segun
los Monges afirman: ya yo di relacion en particular de este
libro y se hizo alguna diligencia sobre äl.
Medina del Pumar.
302. Biblioteca del Monasterio de los Cartuchos,
lieber einen Bezerro dieser Bibliothek berichtet Morbl-
Fatio, Catalogue etc., bei der Beschreibung von Paris. Fonds
Esp. Nr. 57.
Medina del Campe.
303. f Biblioteca del Colegio de Jesuitas.
Indice de los libros y manuscritos que se hallaron en la
Biblioteca de los Jesuitas de Medina del Campo. Handschriften
5*
68 Vni. AbbandlQDg: Be«r. HandscbrifkensehAtze Spsai«».
aus San Isidro (Nr. 476, 477, 478 und 479) jetzt in der Real
Aeademia de la Historia zu Madrid. Vgl. Revista de ArchiTOs VI
(1876), p. 263.
La Mejorada.
804. Biblioteca del Monasterio de San Gerönimo,
MoRALBS, Viage, p. 198: Tienen algunos libros de mano:
(1) Santo ndefonso de Virginitate Beatae Mariae. Saneti Isidori
Sinonima: en un volumen. (2) Etymologiae Divi Isidori: letra
y pergamino como de doscientos anos al parecer. (3) Un Vir-
gilo escrito de mano de Antonio de Lebrija, como al cabo se
dice. (4) Augustinus de civitate Dei, pergamino y letra harto
antigua. (6) S. Isidoro sobre el Pentateuco y sobre otros Libros
Sacros. (6) Liber eiusdem DiflFerentiarum ad Regem Sisebutum.
(7) Valerie Maxime trasladado en romance por el Cardinal de
Santa Sabina, y hijo del Infante D. Pedro de Arago, de mano,
en papel.
San Miguel de los Beyes.
305. t Biblioteca del Monasterio del drden de San Gerönimo.
Nur ein Theil der Handschriften, welche Don Fernando
de Aragon, Duque de Calabria, 1550 dem Kloster schenkte, ist
heute noch in der Universitätsbibliothek Valencia aufbewahrt
Die Klostersammlung, speciell ihr früherer Bestand, hat eine
eigene Geschichte und muss hier gesondert behandelt werden.
A. Handschriftliche Kataloge.
1. Libros del estudio del Exmo senor duque de Calabria.
(1550). 795 Nummern mit der Schlussbemerkung : Todos estos
libros que aqui estan, y otros muchos que se hallan en el mo-
nasterio y no en el ynventario y fueron de su Excelencia, se
cree que vinieron al monasterio y creo yo para mi que solos
los libros del estudio de su Excelencia segnn hallä dello yndicio
serian mill voluminös o cuerpos de libros entre grandes y pe-
quenos y pequenitos etc. Aus dem heute im Archive histörico
nacional zu Madrid aufbewahrten Originalcodex: Fundacion i
inventarios de San Miguel de los Reyes veröflFentlicht in der
Revista de Archivos IV (1874), p. 7—10; 21—25; 38—41;
54—56; 67—69; 83—86; 98—101; 114—117; 132—135.
2. Cf. unten die Mittheilung von Andres.
Bibl. Uebtnieht: 904—805 (Medina del Campo — San Mignel d« los Beyes). 69
B. Druckwerke.
PoNz, Viage, tom. IV, carta IX, p. 241 — 2ö0 ausführliche
Beschreibung des Boosters, Erörterung der Beziehungen des
Herzogs zu demselben und p. 250 die Notiz : ,Se conservan en
la Libreria porcion de Übros que fueron de dicho Senor^
ViLLANusYA, der die Sammlung noch in San Miguel sah,
charakterisirt sie, Viage, tom. II, p. 125 ff. richtig : La mayor parte
de ellos son de humanidades, escritos en Italia en los siglos
XrV y XV con mucha prolixidad en finisimas vitelas, ador-
nadas de buenas miniaturas. Verzeichnet werden ein Martiro-
logio escrito en el ano 1254; Romance de la Rose; Carta de
adventu Messiae s. XTV — XV (cf. Ap. Nr. XI; carta que escri-
biö rabi Izach d rabi Samuel, cuya Version lemosina existe en
San Miguel de los Reyes, en un MS del siglo XIV); Guillermo
de Peralta, De eruditione principum s. XVI; Expositio ordinum
missae.
Andres, Joannes, Anecdota graeca, Napoli 1816, p. VII:
Pretiosorum librorum suppellectilem secum in Hispaniam detulit
Ferdinandus Friderici filius, Calabriae Dux, cuius magnam
partem adhuc in monasterio Valentino S. Hieronymi, quod
S. Michaelis nomine nuncupatur, asservari manifesto testatur
manuscriptus index illius bibliothecae quem ad me olim inde
missum penes me retineo.
Torres-Amat, Memorias etc., p. 238 erwähnt bei Be-
sprechung der Dante-Uebersetzung Febrer's (vgl. den Artikel Es-
corial) ein ,preciosisimo ejemplar de este raro Ms. con muchi-
simos dibujos y figuras alusivas d la materia de que se trata'
aus dieser Bibliothek.
Haenel, Catalogi col. 999 berichtet bereits von dem Ent-
schluss der Regierung, die Bibliothek von S. Miguel nach Va-
lencia zu transportiren, und verzeichnet 211 Handschriften.
Vogel, p. 482 nach Haenel.
Vajlentinelli, p. 128.
Repulles, Manuel, Catälogo de los cödices procedentes
del monasterio de San Miguel de los Reyes. Revista de Ar-
chivos V (1875), p. 9—15; p. 52— 55; p. 68— 72; p. 87— 91;
p. 103—105.
70 YTll. Abhandlang: Beer. Handsehriftenach&tse Sp«iiiMia.
Morbl-Fatio, Alfred, Rapport sur une mission philologique
k Valence, Bibliothfeque de T^cole de chartes, tom. XLV (1884),
p. 618 über die Bibliothek; dazu noch die Note: Le marquis
de Cruilles dans sa Guia urbana de Valencia, Valence 1876,
tom. I, p. 285 parle d'une description des mss. de S. Miguel
par Zacar^s (Recuerdos de Valencia) que je ne connais pas.
Mir war weder das eine noch das andere der genannten Werke
zugänglich.
Die übrigen Daten über die Sammlung sind unter der
Rubrik Valencia, Biblioteca de la Universidad, vereinigt.
Mondonedo.
306. Biblioteca de la Catedral.
In einem Auto capitular vom 16. August 1506 heisst es,
dass ausgezahlt werden diez mil maravedis al librero que hizo
los libros und weitere diez mil ,para comprar las cosas nece-
sarias para un psalterio que hace Bastida para la dicha iglesia^
Dieser Bastida escriptor de libros erbietet sich acht Tage
später ,que enmendard cualquier falta que esta fecha en los
libros divinal y cantoral ... los cuales libros yzo £n9iso,
escriptor de libros^
Villa- Amil, Los Codices p. 26.
Mobales, welcher nicht selbst in Mondonedo war, be-
richtet auf Grund einer vom Bischof Lujan eingesendeten In-
formation ganz allgemein (Viage, p. II 5) : Libros tienen hartos
de mano, mas ninguno notable, si no es el Libro ScintiUaram
Alvari Cordubensis. Doch hat sich das ihm eingesendete Ver-
zeichniss in einer Copie erhalten. Vgl weiter unten.
Florez, Espana Sagrada, tom. XVIII (1764), p. 273 über
eine Handschrift, die Historia de la Santa Iglesia j sus prelados,
verfasst vom Bischof Manuel Navarrete auf Grund der in Mon-
donedo vorhandenen Archivalien (reconociö los monumentos de
ambos Archivos), welche zu Florez' Zeit noch in der Bibliothek
aufbewahrt wurde. Vgl. auch Villa-Amil, Los Codices a. u. a. 0.
Villa- Amil y Castro, Los Codices theilt p. 27flF. ans dem
Manuscript der Nationalbibliothek V, 197, fol. 323 ff. folgenden
Bericht der Licentiaten Molina (aus Malaga) und Maldonado
\
INM. ütbuticlii: 806 (San Mig;Qel de los Bayes— MoDdoil«do). 71
vom Jahre 1Ö12 mit: Vuscamos todos los libros de la dicba
iglesia de MondonedO; que estaban en casa . . . y fallamos :
1. Una exposicion del psalterio entera, que no se hallö en
ella el nombre del autor ni concorda con ningona de las que
aeä tenemos impresas, y el prölogo no se pudo bien leer y
comienza el libro: Iste Über apud hebreos propter diversas
causas tribus modis intitulatur, y fenece: Omnes psalini centum
qoinquaginta numerantur ^ in quo numero concordia duorum»
testamentorum significatur; quindenarius enim numerus decies
duetus suum numerum redit. Quindenarius vero eonficitur ex
Septem et oeto, sed septenarius in quindenario vetus testa-
mentum significat propter sabatum, quae est dies septima. Oeto-
narius vero de eodem quindenario novum testamentum designat,
propter domini resurrectionem octava die faetam Ebdomade.
Y d lo que parece es antiguo Cathölico : tiene adjunta tambien
una gloas sobre los cdnticos^ que se cantan por la semana con
el psalterio.
2. Otro libro de mano, que se intitula Liber scinthilarum,
por ochenta capitulos, el primero de Charitate y el postrero de
lectionibus: no tiene nombre de autor ; mas pensamos que es
de Beda.^
3. Algunas partes de la Biblia, que se conoce ser la glosa
ordinaria con la interlineal antigua.
4. Una glosa sobre los cänticos de Fray Egidio de Roma,
y con 6\ juntamente una glosa literal sobre Job, sin nombre
de autor. Comienza el prölogo: Sicut autem in rebus que
natoraliter generantur. Y el libro: Omnia sicut dictum est in-
tencio huius libri, y acaba: reposita est spes mea in sinu meo.
Creemos que es la glosa de Santo Tomas, y si lo es, anda
impreso.
5. Item, otro libro que parece una breve exposicion de
la sagrada escritura, sin nombre de autor: comienza el prölogo:
Venite ascendamus ad montem Domini et ad domum dei Jacob,
et docebit nos vias suas; y sobre estas mismas palabras comienza
el libro: Magnus ille Pauli Discipulus Apostolorum contempora-
nens divinorumque concius (sie) arcanorum Dionisius Areo-
pagita, y acaba : Et accedit quod scriptum est Cantorum 3^ (sie)
^ Alyar, nach Morales (s. oben).
72 YIII. Abhandlung: Beer. Handschriftenschitie Spaniens.
ascendit sicut virgula fami ex aromatibus mirre et turis et
universi pulveris pigmentarii. Pensamos ser de Pedro Aureolo,
que le intitulo Biblia Aurea; creemos que anda impreso, si es ^1.
6. Item, otro libro de sermones, que empieza: El primer
sermon de adventu Domini sicut adventus graciae divine non
semper est ad eosdem ita nee efectus idem. Y el postrero
sermon: Est in dedicatione ecclesiae; comienza: Sic est locus
fratres charissimi ubi modo convenistis, y acaba: Unde Apo-
stolus servate unitatem spiritus in vinculo pacis.
Hay otro librillo en este voldmen que contiene muchas
distincciones que parecen de la sagrada escriptura, ni tiene
titulo ni autor; comienza: Respectus Dei in sacra scriptura tribus
modis accipi solet, y acaba: Ideo et ipse est figura fidei et nos
filii eins in fide.
7. Item una Coronica, que comienza: Ego frater Martinus
Domni Pape penitentiarius et capellanus ex diversis cronicis ac
gestis sumorum Pontificum et Imperatorum etc.
Guillermus de Podio libellus disputationis contra incrudeli-
tatem aeditus Judeorum.
Y en el mismo volümen estä otro tratado sobre el psalterio;
cuyo titulo es: Incipit prologus super tractatu explanacionum
psalterii contra Judeos edito disputando, in quo declarantur
articuli et probantur quos credendos fides tradit Catholica et
tenendos. Comienza el primer psalmo: Ecce ergo Judei in
capite huius libri. Acaba en este verso: Exaltaciones dei in
guture eorum et prosequuntur officium predicandi et laudes; y
falta lo demas, y no tiene nombre de autor.
Y estä tambien en este volumen una glosa super Cantica
canticorum. Comienza el prölogo: Cum non nullos mores
Judeorum in libro quem hebrei sirasirin vocant Y el primer
capitulo comienza : Dicat ergo Salomon in suo cantico etc. Fäl-
tale el fin y no tiene nombre de autor.
8. Otro libro de sermones dei tiempo, sin nombre de autor,
que comienza el prölogo : Philosophia est divinarum humanarum-
que rerum speculatio. Parece ser de algun fraire de San Fran-
cisco. Comienza el primer sermon: Visitavo vos, y el postrero;
Homines peribunt, tu autem permanebis etc.
Los demas son de gramätica y otros estän impresos.
BibL üeb«nicht: 307—310 (Mondofiedo— MoDsemte). 73
Vgl. noch ibid. p. 75 f. über die Tumbos von Mondonedo
(weit zurückreichende historische Daten und Ewald p. 312).
Der gegenwärtige Bischof von Mondonedo hatte die Güte,
anlässlich seiner Durchreise durch Leon mir persönlich die
Mittheilung zu machen, dass auch heute noch einige liturgisch-
historische Handschriften in der Bibliothek der Kathedrale auf-
bewahrt werden.
307. fBiblioteca particular del Licenciado Gonzalo de
Molina.
Zum Schluss der von uns oben mitgetheilten Relation an
Ambrosio de Morales (v. J. 1572) heisst es: Y yo el dicho
licenciado Molina tengo entre mis libros (1) una glosa sobre el
Job, sin titulo de autor, y otra sobre el G^nesi, que tampoco
tiene nombre de autor, y son de mano antigua, d lo que parecen;
y tengo (2) otro libro de mano, que se intitula Liber distinc-
tionum, sin nombre de autor, y trata todo ^1 del frasis de la
Escriptura Sagrada: ^ste creo que no estd impreso y que es
cathölico.
Villa Amil, Los Codices, p. 31 f. Vgl. Ewald, p. 312.
Monforte de Lemus.
808. fBiblioteca del Colegio de la Compaflia de Jesus.
La GIndara, Felipe de, Armas i triunfos, hechos heroicos
de los hijos de Galicia, Madrid 1662, p. 669 f. (der Ausgabe in 4®)
berichtet, dass in diesem Convent ein Manuscript mui antiguo
sich befand, das früher Eigenthum des Erzbischofs von Sevilla
Rodrigo de Castro war, enthaltend diverses autores (i es co-
mento de los que escribieron los Perlados Obispos).
Vgl. auch Villa-Amil, Los Codices, p. 25.
Monsanto.
S09. Biblioteca del Monasterio.
Florez, Espana sagrada, tom. V (1750), p. 438 f. bespricht
eine Handschrift dieser Sammlung, Isidorus, De viris illustribus.
Monserrate.
310. Biblioteca del Real Monasterio de Santa Maria.
Serra y Postius, Pedro, Epitome historico del portentoso
santuario y Beal monasterio de nuestra Senora de Montserrate,
74 VI IT. Abhandlung: Beer. Handschriftenaoliitee Spaniens.
Barcelona 1747, citirt in dem Indice der benützten Bkind-
schriften zwei Manuscripte der Bibliothek, nämlich Francisco
de Ortega, Historia del Santuario de Montserrate nnd Fr. Lesmes
Raventos, Historia de nuestra Senora de Montserrate.
ViLLANUEVA, der die Bibliothek kurze Zeit vor dem Brande
(1811) in Augenschein nahm, beschreibt Viage, tom. VII,
p. 145ff. folgende Handschriften derselben: (1) Un misal propio
de la iglesia de Tortosa Ms. en el siglo XHI. (2) Libre de
les nativitats compilat de la medulla dels actors de la veridat
per maus de Bertomeu Tresbens, al ßey en Pere Darago Terg.
Astrologischen Inhalts s. XHI ex. (3) Tratado llamado Invin-
cionario, dirigido al muy reverendo 6 magnifico Senor D. Alfonso
Carillo, arzobispo de Toledo, primado de las Espanas, por un
SU devoto siervo Alfonso de Toledo, bachiller en decretos, ve-
zino de la cibdat de Cuenca, patria de dicho Senor. E el tra-
tado es asi llamado, conviene a saber, Invincionario, porque en
^1 se fallaran los primeros inventores de las cosas, asi tempo-
rales como espirituales. Villanueva bemerkt: El cödice Uega
hasta el ultimo capitulo que es del Maestro de las sentencias,
pero no estä completo.
(4) Pedro Juan Nunez: varios fragmentos de exposiciones
de Ciceron. (5) Derselbe Versiones al lemosin de algunas cartas
(de Ciceron) hechas en Barcelona aiio 1585.
(6) Fr. Antonio Alfaig, Libro llamado Camino de per-
feccion, s. XVI.
(7) Fr. Bemardo de Hontiveros, traduccion del libro ami-
citia de Ciceron. (8) Pedro Gonzalez de Mendoza, obispo de
Salamanca, Historia del concilio de Trento en su tercera con-
vocacion por el Papa Pio IV. Copirt vom Licentiaten Diego
de Colmenares. (9) Missal dels hermitans de Muntserrat (um
1408). Mit einer Probe: Prosa de defunctis.
ToRRES Amat, Memorias etc., p. 206: En la biblioteca de
Monserrate existian antes del incendio los dos vol&menes si-
guientes: P Incipit Über qui vocatur janua artis magistri Ray-
mundi Lulii editus a domino Petro Degui villae Montis albi
presbitero. 2^ Incipit opus . . . videlicet metaphisicam, phisicam
logicam et . . . distinctionem , editum per magistrum Petrum
Degui presbiterum et cathalanum villae Montis albi sequentem
veritatem artis magistri Raymundi Lulii 1489.
Bibl. üebenicht: SU (Mons«rr»to). 75
Haenxl, der bereits nach der Katastrophe Catalonien be-
reiste, berichtet Catalogi, col. 1006 von einem Sallustii exemplar
Tetustum, litteris uncialibus in membranis exaratam, das sich im
Kloster befunden habe. Woher er diese Nachricht geschöpft,
ist mir unbekannt.
CoRMiKAs, Suplemento a las memorias (de) Torres Amat,
p. 324 über einen cödice curioso para los peregrinos, que querian
cantar ... de cänticos honestos, siendo unos latinos y otros
lemosinos (es ist Nr. 9 bei Villanueva).
Valentinelli, p. 161 f. nach Villanueva, nur ist die Notiz
tlber die Handschrift des Sallust aus anderer Quelle — wohl
aus Haenel heriibergenommen.
Von den ehemaligen Hand Schriftenschätzen des Klosters
— man spricht von 500 Bänden — ist nach dem Brande im
Jahre 1811 so gut wie nichts übrig geblieben. Eine einzige
Handschrift von Monserrate befindet sich heute im Archive de
la Corona de Aragon zu Barcelona; eine zweite wurde, wie
mir der Bischof von Barcelona Se. Em. D. Jaime Catalä mit-
theilte, um hohen Preis von einem Privaten zurückgekauft und
dem modernen Bibliotheksbestand des Klosters einverleibt.
Ueber das Kloster in seiner gegenwärtigen Gestalt handelt das
mir nicht vorUegende Werk
CoRNisT Y MAs, Cayetano^. Trcs dias en Monserrat Guia
histörico-descriptiva de todo cuanto contiene y encierra esta
montana. Barcelona 1863, 507 pag., con un piano topogräfico.
Vgl. Boletin de la Real Academia de la Historia VI (1885),
p. 362.
811. f Archivo del Real Monasterio de Santa Maria.
Villanueva, Viage, tom. VH, p. 151 berichtet ganz all-
gemein über einen codice que contiene varios tratados curiosos
8. XrV und nennt p. 154 algunos martirologios, entre ellos uno
RipoUense del siglo XI, donde lo mas importante es el necro-
logio. Interessant sind die capitulos de concordia que hizo este
monasterio con el impresor Juan Luxaver ä 7 de Enero de 1499,
obligandose 61 ä imprimir varios breviarios y rituales y otros
Ubros eclesidsticos, como efectivamente se imprimieron.
76 VIII. Abhandlnog : Beer. Handschriftenschfctse Spaniens.
31ä. f Biblioteca del Monaaterio de Santa Cecilia.
ViLLANUBVA, Viagc, tom. Vn, p. 162 erwähnt ein necrologio
mantLscrito en el siglo XIV propio de aquella casa. Eis befand
sich zu Villanueva's Zeit im Kloster Santa Maria und dürfte
gleichfalls verbrannt sein.
Montealegre.
818. Biblioteca del Monasterio de los Padres Cartuchos.
ViLLANUEVA, Viagc, tom. XIX, p. 6: En la bibUoteca com-
mun, que*estä en la celda prioral segun costumbre, hay una
Biblia ms. s. XIII en vitela.
Valbsntinblli, p. 161, ohne Quellenangabe, aber zweifellos
nach Villanueva.
Montearagon.
314, fÄrchivo del Mormsterio de los PP, Augtistinos.
CoLECcioN de fueros y Cartas-Pueblas de Espana. Catälogo
Madrid 1852, p. 151 berichtet von einem ,inventario incompleto
de los papeles del Monasterio de Montearagon' (wahrscheinlich
das ,Lumen domus, ö indice de documentos', welches auch Canal,
Espana sagrada, tom. XL VI (1836), p. V der Vorrede erwähnt);
in diesem finden sich auch Auszüge aus Handschriften. Das
Kloster, welches im 13. Jahrhundert in voller Blüthe stand,
existirt heute nicht mehr. Vgl. auch die Notizen über ehemalige
Handschriften dieses Archivs bei Ewald p. 249 und 280, sowie
Hartel-Loewe p. 139.
Montes.
816. f Biblioteca del Monasterio de San Pedro.
In der Schenkungsurkunde, ausgestellt von König Or-
dono n. und seiner Gemahlin Elvira UUI Kai. Mai sub Era
DCCCCXXXVI (898), heisst es : . . conferimus : libros Eccle-
siasticos: (1) psalterium (2) comicum (3) Antiphonarium (4) ma-
nualium (5) orationum (6) passionum (7) sermonum (8) hordinum
(9) precum et (10) orarum.
Sandoval, Fundaciones, Abth. S. Pedro de Montes f. 21',
Eguren p. LXXXVIH (mit falscher Datirung), Tailhan p. 3 14 f.
S
Bibl. Ueb«rrioht: SIS— 315 (MooMmte — MontM). 77
Aus dem Testament des Gennadius Era 953 (915).^ In
thesauro denique memoratae Ecciesiae saneti Petri offero
(11) Evangeliarium . . libros EccIesiasticoS; id est (12) Psalterium
(13) Comiemn (14) Antiphonarium (16) manuale (16) orationom
(17) ordinam (18) passionum (19) et horarum.
Ein bisher noch nicht berücksichtigter Passus der Schen-
kung. Sandoval a. a. O., fol. 2V sq.
In Gemeinschaft mit Santjago von Penalba und San Andres
(im Vierzo) erhält das Kloster von Seite des Bischofs Gennadius:
libros tam divinos, id est (1) bibliothecam totam (2) Moralia
Job (3) Pentateuchum cum historia Ruth Über unus sive etiam
et specialiter doctorum id est (4) vitas patrum, (6) item Mo-
ralium, (6) Ezechielum^ (7) item Ezechielum* (8) Prosperum,
(9) genera officiorum (10) etymologiarum (11) catha Juanis (sic)^
(12) libros Trinitatis (13) liber Apringi (14) epistolae Hieronymi.
Item (15) etymologiarum (16) glossematum (17) liber Comitis
(18) liber regularum (19) virorum illustrium.
Sandoval, a. a. O. Morales, Viage, p. 173. Eguren p. XLV.
Taliban p. 315 mit instructiven Erläuterungen, insbesondere
tlber die Bestimmung des gemeinsamen Bücherbesitzes der drei
genannten Klöster.
Morales, Viage, p. 173 ff. sah noch von den durch Gen-
nadius legirten Büchern: Ethimologias de S. Isidoro sin prin-
cipio, ni fin, maltratado. Vitae Patrum, deshojado : tienen las
vidas de S. Paulino, Santo Augustin, S. Gerönimo, y pocas
mas : fue gran volumen. Un pedazo de los Morales de S. Gre-
gorio. Beati Basilii institutio monachorum, pequeno.*
Ausserdem fand noch Morales ,dos o tres Ubros pequeüos
. . del Coro de letra Gothica, que se puede pensar los dejö tambien
el Santo porque los nombra en su Testamente . . .^ Femer
,Concilios antiquisimos, tienen el quarto Bracarense, y todo lo
^ Morales nennt 905 nach Chr., dies wäre Era 943; nach Florez Citat
(Espafia sagrada, tom. XVI, p. 141 f.) era 957 (919).
' Tailhan a. a. O. liest Evangelium; das ist aber weg^n des vorangehen-
den specialiter doctorum nicht möglich.
' Tailhan a. a. O. richtig: des commentaires sur Tl^vang^le de saint Jean.
* Hiezn die Bemerkung des Herausgebers (Florez): Todos faltan: pero
hay la Historia de Eusebio Cesariense, no expresada aqui.
78 Yin. Abhftndlang: Beer. HaDdsohrifkeiuoliAIxe Spaniens.
baeno que en el de Carrion j los otros se halla. Mas estö el
libro sin principio, ni fin' u. s. w.
Florbz, Espana sagrada, tom. XVI (1762), p. 135 ff. über
die Restauration der Kirche San Pedro durch Gennadius , über
des Bischofs Biichersammlung und seine verschiedenen Legate
(XIV, 133 bei Tailhan p. 315 A. Druckfehler).
Eguren p. 68 über den Conciliencodex: ,de los informes
y averiguaciones que hemos adquirido .... resulta que este
antiguo libro ha pasado ä manos de un particular en el pre-
sente siglo*.
Monte- Saoro.
316* -fBiblioteca del Monasterio de San Sebastian,
Schenkung des Erzbischofs Sisnandus Era 952 (914
p. Chr.): Escritura, en que se muestr$i como el Ar9obispo Sis-
nando edificö el Monasterio de San Sebastian en el monte Ili-
cino .... Ego Sisnandus . . . conferimus libros (1) unum ordi-
narium (2) et unum sacerdotalem et (3) unum geronticum
(4) tertium cum officio passionis et Missae ipsius martyris.
Femer : Escritura en que el obispo de Iria Sisnando (des-
pues que ha edificado al Monasterio de San Sebastian) le en-
riquecio con diferentes dones; darunter libros ordinum sacer-
dotalium, Primo Jeroncion I. tertium cum suo officio idem
Martiris Sancti Sebastiani Passio et Missa — diese Angabe
scheint aber nur eine zusammenfassende und, wie man sieht,
auch corrumpirte Wiederaufnahme der Stelle aus dem vorigen
Document.
Yepes, Coronica general de la örden de San Benito,
tom. IV, Escritura XIII und XJV. Villa-Amil y Castro, Los
Codices, p. 8 f., welcher noch folgende interessante Notiz, leider
ohne Quellenangabe, beifügt : Als Sisnandus I. dem NantemiruB
Qutus und dem Presbyter Leodulfus die Errichtung des Klo-
sters anvertraute, ofrecio äste (Leodulfus), en 914, psalterium
orationum, passionum, commicum et manualium, libros que es
de presumir hubiese escrito el mismo Leodulfo; darauf beziehen
sich die Worte des Schenkungsactes : quod ibidem propriis
manibus, auxiliante Domino, laboravi vel ganavi seu quod ex
populo ibidem obtulerunt.
BiU. üebcnicht: 816— SSO (Montes— Masoodo). 79
MonBon.
817. Archivo de la Villa.
CoLECciON de Fueros y Carta - Pueblas de Espana^ Catd-
logo 1852, p. 152 über einen libro Uamado Lucero dieser Stadt,
ein Cartular. Einige Auszüge aus demselben befinden sich hand-
schriftlich in der Akademie der Geschichte zu Madrid.
Moy&.
318. fBiblioteca de la Iglesia de Santa Maria.
In den Acta dedicationis ecclesiae S. Mariae de Moyd
anno DCCCCXXXIX heisst es: Et ego Sanciolus dono ibidem
ad diem dedicationis (1) missalem I, (2) lectionarium I, (3) anti-
fonarium I, (4) actus apostolorum I, (5) quadragenario I.
Nach einer im Arciprestazgo der Stadt Moyä aufbewahrten
Copie veröffentlicht von Villanueva, Viage, tom. VI, ap. XIV
(p. 272). Vgl. auch ibid. p. 133. Ueber die Handschriften des
Priors von Moyd, Abad y Lasiera, vgl. unter Anderen Ewald
p. 341 und 342. Ibid. p. 347 wird eine Handschrift des Esco-
riab (2. J. 8) analysirt^ die unter anderem enthält: Indice de
lo que contiene un cödigo antiguo de letra götica escrito en
vitela; y se halla entre los manuscritos del Prior *de Meyä
(recte Moyd). Es ist eine Liste von 47 Schriftstücken. Vgl.
übrigens auch den Artikel Alaon.
819. Archivo de la villa.
In einem handschriftUchen Verzeichniss dieses Archivs
findet sich der Passus: Dos libros, escritos en pergamino, de
las leyes del fuero de Moya, uno en latin y otro en romance.
Original des Verzeichnisses im Bd. XXIX der Coleccion
de Abella, der Real Academia de la Historia zu Madrid. Vgl.
Coleccion de Fueros y cartas-pueblas de Espana. Catälogo,
Madrid 1852, p. 154.
Mozonoio.
830. f Biblioteca del Monasterio de Santa Maria.
In einem Tauschacte aus dem Jahre 925 nennt man
unter den Juwelen und Kostbarkeiten dieses Klosters ,libros
nimis abudanter^.
80 Vni. Ahh. : Beer. Handtchr. Spaniens. Bibl. üebera. : 8S1— 384 (KosoAdo—lffnreift).
Nach dem Tumbo des Klosters von Sobrado (jetzt im
Archivo Histörico Nacional zu Madrid) mitgetheilt von Egu-
ren p. LVII und Villa-Amil, Los Codices, p. 9 f.
Munebrega.
821. Biblioteca de la Iglesia.
La Fubntb, Vicente de, Espana sagrada, tom. L (1866),
beschreibt p. 84 f. ausführlich zwei Breviarien dieser Kirche,
eines derselben s. XIV in.
Muroia.
322. Biblioteca publica Episcopal,
La Borde, Voyage, tom. 11, p. 188.
Haenel, Catalog. col. 1006: Codd. chartacei 30, qui histo-
riam et iura civitatis Murgensis exponunt.
Vogel, p. 480.
Valbntinelli, p. 118, nach Haenel.
338. Biblioteca del Palacio Episcopal,
Diese Sammlung wird von den spanischen Forschem von
der BibUoteca publica getrennt; Haenel berichtet, dass der
,Celebratus Fori Judicum codex nunc asservatur Matriti inter
libros Academiae Regalis Hispanicae' und verweist auf das
von der Akademie herausgegebene Fuero Juzgo Matriti fol.
Prologe p. IV u. VI. Nach ihm notirt die Bibliothek Valbn-
tinelli p. 118. Den jüngsten Bericht liefert das
Anuario del cuerpo facultativo, das I, p. 334 neben einem
seltenen Wiegendruck einen prächtig ausgeflihrten Bibelcodex
beschreibt.
324, Biblioteca provincial (6 del Instituto).
BoRAo, p. 81 kurze geschichtliche Daten ohne Erw&hnung
von Handschriften.
Anuario del Cuerpo facultativo I, p. 445 (Tabelle) ver-
zeichnet 49 Handschriften.
n. k\lh.: N51deke. Die ron Gaidi bennsgegebene iTriBche dtronik. 1
IX.
Die von Guidi herausgegebene syrische Chronik.
Uebersetzt und commentiert
von
Prof. Dr. Th. Nöldeke,
oorretp. Mitglied« der kus. Akademie der WiBsenschaften.
Vorwort.
In den Schriften des Stockholmer Orientalistencongresses
(1889) hat Guidi eine kleine syrische Chronik herausgegeben.^
Er hat sie einer Handschrift des Museo Borgiano di Propaganda
Fide entnommen^ deren Hauptinhalt eine Sammlung nestoria-
nischer Canones bildet. Es ist eine von dem auch sonst um
die Wissenschaft verdienten Chorepiscopus David, späterem
Erzbischof von Damascus, besorgte Abschrift eines alten nesto-
rianischen Codex in Mosul.^ Die Chronik verdient es, weiter
bekannt zu werden, und da Guidi durch andere Arbeiten völlig
in Anspruch genommen ist, habe ich mich daran gemacht, sie
zu übersetzen und zu erläutern. Das lag grade mir nahe, da
das syrische Büchlein manche Bestätigung, Ergänzung und
Berichtigung zu den Nachrichten über die letzte Periode des
Säsänidenreiches giebt, die sich im Text und Commentar meiner
Tabari-Uebersetzung^ finden. NattirUch habe ich aber auch die
Stücke unserer Chronik mit den nöthigen Erklärungen versehen,
die nicht die persische Geschichte betreffen.
Dass die Schrift nestorianisch ist, bedarf keines besondem
Beweises. Aber die Frage ist, wie weit sie einheitUchen Ur-
' Un nuovo testo siriaco sulla storia degli altimi Sassanidi. Separatabdmck
Leyden 1891 (Brill).
* 8. Oaidi in ZDMG. 43, 389.
' Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der
arab. Chronik des Tabari . . . Leyden 1879.
Sitznngsber. d. pbil.-hist. Cl. CXXVIII. Bd. 9. Abb. 1
2 IX. Ablundlung: Nftldek«.
Sprung hat. Sie fllhrt die Weltgeschichte^ von Hormizd IV.
oder viehnehr von dessen Sturz (590), in freilich nicht sehr
gleichmässiger Weise und mit Einfügung mancher kirchenge-
schichtUcher Nachrichten, bis zum Zusammenbruch des Reichs.
Von da an tritt die Profangeschichte fast ganz zurück. Die
Zeitfolge wird in den letzten Abschnitten viel weniger beachtet,
ja das Ganze ist da* mehr ein Gemenge verschiedenartiger
Notizen. Grade im Anfang der Schrift erhalten wir aber so
viel gutes Detail, dass wir sicher sein können, diese Berichte
seien nicht durch mehrere Generationen hindurch mündlich über-
Uefert, sondern, wenn auch nicht gleichzeitig, doch nicht lange
nachher, geraume Zeit vor dem Abschluss des Buches nieder-
geschrieben worden. FreiUch werden manche wichtige Ereig-
nisse dürftig, ungenau oder auch gar nicht behandelt, aber das
sind solche, die fem im Westen oder doch in solchen Kreisen
gespielt haben, aus denen die Nestorianer überhaupt keine
sichere Kunde erhielten.
Der letzte Verfasser hat also wohl Aufzeichnungen benutzt,
welche bis zu der genannten Zeit gingen. Vielleicht bildeten
diese den Schluss eines grösseren historischen Werkes; so würde
sich der etwas abrupte Anfang erklären. Gewiss enthielt auch
diese ältere Schrift schon einiges, das sich auf die Kirche bezog;
ob aber alles derartige in den betreffenden Theilen des jetzigen
Buches aus ihr genommen ist, steht dahin. Zu beachten ist,
dass sich viele kirchengeschichtUche Nachrichten hier und auch
noch in den späteren Theilen auf Nisibia. und dessen Gebiet
beziehen. Vielleicht hat der Compilator diese aus einer be-
sonderen Quelle bezogen. Von den Ereignissen, die nach den
ersten Eroberungen der Araber fallen, schweigt er aber fast
ganz; so sagt er kein Wort von den Bürgerkriegen, die er
doch vielleicht noch selbst erlebt hat.
Die Zeit dieses letzten Verfassers bestimmt sich nach
folgenden Erwägungen. Im Buch wird nicht bloss der Tod
des Heraklios (641) und der des Patriarchen M4remmeh (646/7),
sondern auch die Eroberung von Afrika (etwa 670)* erwähnt.
^ Eigentlich sollte man weltliche oder Profan- Geschichte sagen, denn
der Ausdruck steht im Gegensatz zur Kirch engeschichte und beseichnet
nicht etwa die Universalgeschichte.
' S. unten 8. 46.
Di« Ton Onidi 1ier»ii8ge(e1>«ne vjrlsobe Chronik. 3
Besonders ist aber von Wichtigkeit, dass es* heisst, Con-
stantinopel hätten die Araber noch nicht genommen. Da
Eleinasien keine arabische Provinz war, so kam den Christen der
Gedanke gewiss nicht so leicht, dass jene sich Constantinopels
bemächtigen könnten ; er drängte sich ihnen aber auf, als wirklich
Versuche dazu gemacht wurden. Diese fielen bekanntUch un-
glücklich aus, aber nun konnte man doch leicht meinen, das
sei nur ein Aufschub. Nachdem jedoch längere Zeit vergangen
war, ohne dass neue Angriffe gegen die Kaiserstadt erfolgten,
musste diese Meinung zurücktreten. Das ,noch nicht' weist
also auf eine Zeit hin bald nach den Kämpfen bei Constantinopel
unter Mu'4wija. Zwar stehn die Jahre dieses Ringens nicht
ganz fest,* aber sie fallen sicher gegen oder um 670. Diese
Worte werden also etwa in den Jahren 670 — 680 geschrieben
sein. Mit ihnen hört die eigentUche Erzählung auf. Daran
reiht sich aber eng noch ein Abschnitt über die Araber oder
vielmehr ihr Land. Man sieht deutlich, dass die Welteroberer
damals noch ein neues Volk waren ; das passt ganz zu der eben
gegebenen Zeitbestimmung. Dieser Abschnitt bildet nun un-
zweifelhaft den wirkUchen Schluss des Buches. Ueberhaupt
sehe ich keinen genügenden Anlass, zu bezweifeln, dass wir
dieses im WesentUchen so haben, wie es aus der Hand des
letzten Verfassers hervorgegangen ist. Aus der Ueber- und
Unterschrift darf man nicht etwa schliessen, dass es ein Bruch-
stück oder ein Auszug sei. Da steht ja nicht ,au8 dem Buche
über Kirchen- oder Weltgeschichte'; die Worte bedeuten nur,
wir hätten hier allerlei aus dem, was geschehen sei. Möglich
ist freilich, dass der Compilator auch frühere Zeiten behandelt
hat; dann besässen wir nur den Schluss seines Werkes.
Wegen der hervorragenden Stelle, welche Nisibis in der
Chronik einnimmt, meint Guidi, dieselbe sei in dessen Nähe,
in einem der Klöster des IzalÄ-Gebirges, geschrieben. Ich kann
das aber nur für eine ihrer Quellen wahrscheinUch finden. Das
Hauptinteresse nehmen im ganzen Buche die Länder am untern
Tigris mit Einschluss von Susiana in Anspruch. Der, welcher
über die Geschicke des Perserreiches berichtet, kennt recht gut,
* 8. unten S. 46.
* S. meine Ziuammenstellang ZDMO. 29, 88; Aog. Müller, Islam 1, 361.
4 IX. Abhandlang: Nöldeke.
was dort; namentlich was in der Hauptstadt geschehen ist und
was sich da leicht erkunden Hess. Und auch der letzte Ver-
fasser weiss dort Bescheid. Gegen Nisibis spricht auch wohl,
dass das Buch nichts von dem letzten König Hormizd (V.) sagt,
der sich in der Gegend jener Stadt längere Zeit gehalten hat,
von Griechen, Armeniern und auch dem Nestorianer E^lias von
Nisibis erwähnt wird, aber den Persem und Arabern, deren
Nachrichten auf die Hauptstadt Ktesiphon zurUckgehn, gleich-
falls unbekannt ist.^
Wir dürfen also annehmen, dass sowohl die wichtigste
Quellenschrift wie die ganze Compilation im *Iräq oder etwa in
Chüzistän verfasst ist; gewiss sind beide klösterUchen Ursprungs,
aber ob sie in einem und demselben Erlöster geschrieben sind,
wird sich schwerlich ermitteln lassen.
Der Verfasser der Hauptquelle verdient alle Anerkennung;
die Nachrichten über die Ereignisse in Nisibis und seiner Um-
gegend sind gleichfalls werthvoll. Aber auch der letzte Ver-
fasser, ein in seiner Weise ziemlich gelehrter Mann, hat sich
nicht nur durch die Aufnahme der altem Berichte, sondern
auch durch das von ihm selbst Gegebene verdient gemacht.
Ueberhaupt sind wir diesen Ostsyrern fiir mancherlei Belehrung,
namentUch über die Geschichte und die Zustände des persischen
Reichs sehr zu Dank verpflichtet.
Für meinen Commentar waren mir die kurzen Anmer-
kungen Guidi's zu seiner Ausgabe von grossem Nutzen. Femer
habe ich starken Gebrauch von seinem Artikel in der ZDMG.
43, 388 ff. gemacht. Viel Hülfe gewährten mir natürlich Hoff-
mann's ,Persische Märtyrer'.* Dazu hat mich Hofiinann auch
bei dieser Arbeit wieder durch schriftliche Mittheilungen sehr
unterstützt. Ich verdanke ihm einige glänzende Textverbesse-
rungen. Ueber den Sinn einiger schwierigen Stellen haben wir
beide in längerer Correspondenz verhandelt.
Die Transscription der orientalischen Namen ist vielleicht
nicht in jedem kleinen Zuge consequent durchgeftLhrt Biblische
und römisch-griechische Namen habe ich in der uns gewohnten
Form gelassen.
^ 8. meine Tabaii-Uebersetzung 398.
* Auszüge aus syr. Acten persischer Märtyrer. Leipzig 1880.
Die Ton Gaidi herausgegebene syriselie Chronik.
Einiges ans der Ekklesiastike, d. h. Kirchen gesehlchte,
nnd ans der Eosmostike, d. h. Weltgeschichte, rom
Tode des Hormlzd, Sohnes des Chosran, bis znm Ende
des persischen Reichs.^
Hormizd regierte 12 Jahre. Er legte seinen Grossen und
dem ganzen Volk* ein schweres Joch auf. Da empörte sich
gegen ihn einer von seinen HeerfUhrern, der von ihm an die
Grenze der Türken gesandt worden war; der hiess Warahrän
aus Rai.' Er sammelte viele Truppen und machte sich zum
Kampf mit dem König fertig. Als aber die Grossen in der
Residenz;^ die gleichfalls den Hormizd hassten, von Warahrän's
Empörung hörten, verschwuren sie sich, stiessen*^ jenen vom
Thron, blendeten ihn und setzten seinen Sohn Chosrau an seiner
Statt ein. Beim Empfang der Nachricht darüber ergrimmte aber
Warahrän gar sehr, nicht weil er den Hormizd geliebt hätte,
sondern weil er nicht die Sache ausgeflihrt hatte.* Er machte
also seine Truppen fertig und rüstete sich zum Krieg mit
Chosrau, brach auf und kam über ihn. Da Chosrau sah, dass
Warahrän's Macht stärker sei als seine, floh er vor ihm, schlug
^ ,VermnthUch ward dieser Titel ron dem alten Compilator hinzugefügt,
der das 8tttck in das Sjnodikon einsetzte* (Guidi). Der Titel ist nicht
genau, da die Geschichte weiter geht als bis zum Untergang des S&s&-
nidenreiches. Auch ist er inconcinn, da dem fnen qlhtuliM das dqo9-
mosUki gegenübersteht. Koa^AOOtixii nach Art von 2xxX9)9(i)a9Ttxi^ ist schön
gebildet 1
' Ich mdchte 7, 6 *€mimd für 'dlmd lesen. — Ueber Hormizd s. meine
Tabart-Uebersetzung B. 264 ff.
' Durch de Boor's Ausgabe wissen wir, dass auch Theophylakt, wie die
morgenländischen Quellen, den Bahrftm Ö6bin aus Rai kommen lässt
(aic^ Tij( *PaC«xi]VT)( 8, 17, 6; genauer wäre 'PoCuopr^c vom Gentilicium
Bdgik, RdsAkJ, Rai (Rhagae) war ein oder der Hauptsitz seines Ge-
schlechts, der Mihrftn, s. Tabari-Uebersetzung 139; auch der Mihrftn
PSr&nguinasp war aus Rai, Hoffmann, Märtyrer 78.
^ ,Pforte des KönigthumsS Dass damit nicht der Hof, sondern die ganze
Stadt gemeint ist, zeigt besonders die Stelle unten S. 9, wo einer durch
die ,Pforte' zur Schau umher geführt wird.
» Wohl QiO-»9| zu lesen (7, 11).
* Der Bericht giebt in aller Kürze genau die Stellung der Drei an; vgl.
Tabari-Uebersetzung 273.
6 IX. Abhandlung: Nftldeke.
eilig den südlichen (?)^ Weg ein, d. h. er ging über P6r6z-
äabür, *Anät, Hit und Kirkesion und nahm seine Zuflucht zum
römischen Kaiser Maurikios.^ Weil nun seine Reise eine Flucht
war, so unterliess es der Katholikos M4r^ ISojabh, mit ihm fort-
zugehn. Maurikios tadelte seinerseits den Chosrau sehr, dass
8 er nicht vom Patriarchen seines Reiches begleitet sei, zumal
M4r idö'jabh aus Arzon^ ein weiser xmd tüchtiger Mann war.
So ward der KathoUkos dem Chosrau sehr verhasst, weil er
nicht mit ihm gegangen war, und ferner weil er, nachdem er
gehört hatte, dass ihm Maurikios Truppen gegeben habe und
er ausgezogen sei, um wieder zu kommen, ihm nicht zum
1 I^^aIIOa^ ,8üdlich* kann kanm richtig sein, denn die Riebtang des
Weges ist im Ganzen nordwestlich, und eine Linie, die etwa im Anfang
noch mehr nach Norden ginge, kommt nicht wohl in Frage. Der Gegen-
satz des Weges am Tigris her zu dem von Chosrau eingeschlagenen
wäre durch ,nördlich' und ,8Üdlich* sehr schlecht ausgedrückt Hoffmann
denkt daran, R*^ViiZ hedeute hier ,den Weg üher TaimA*, einen
unhedeutenden Ort nahe hei PSrdziftbür, allerdings zwiachen dieser
Stadt und der Residenz M&^6ze (s. Hoffmann, Märtyrer 89. 90); man
hätte dann Taimän&itd zu sprechen. Aber abgesehen davon, dass dieser
Ausdruck ziemlich ungeschickt gewählt wäre, da jeder nicht ganz orts-
kundige Leser ihn als «südlich* (taimndUdJ verstehn musste, so hätte er
doch nur die allererste Strecke, einen besonderen Weg nach der grossen
Stadt Pdröz'äbür, bezeichnen können, während der Zusammenhang dahin
geht, dass damit der ganze Weg ins römische Reich gemeint ist. — Die
Stelle Hoffmann n. 7Ö4 bringt uns nicht weiter, denn nach einer von
Budge und Bezold auf meine Bitte gütigst vorgenommenen Untersuchung
ist die Lücke in der Handschrift grösser als für ein Wort und ist der
letzte Buchstabe kein Alaf gewesen, sonst aber durchaus nichts mehr
zu erkennen. — Die Städte Pdrozsäbür = Anbär (s. Hoffmann a. a. 0.)
u. 8. w. liegen am Euphrat und werden alle oft erwähnt; Kirkesion lag
schon auf römischem Gebiet.
' Die an sich auffallenden Formen fn^^Q^ und ^^-09^ für Maup(xio< und
'Bpixkiioi kommen mehr vor; da sie mit ^aXU^q^o, va^^^iAToi wechseln, so
hat man Mautiqi, Heraqli zu sprechen.
' Mdr ,mein Herr* wird den Namen heiliger und sehr ehrwürdiger Männer
vorgesetzt.
^ S. über ihn Barh. bist. eccl. 2, 103 ff.; Assem. 8, 1, 108 ff. Er war bei
Hormizd beliebt gewesen eh. 108* . Diesen Tadel hat der Kaiser schwer-
lich ausgesprochen. In der Angabe spiegelt sich die, allerdings nicht
unbegründete, Ansicht der Nestorianer von der hohen Würde ihres Ober-
hauptes, des Katholikos oder Patriarchen. — Anon lag im südlichen
Theile des römischen Armeniens.
Die TOD Ooidi hAnxiBgegebene lyriscbe Chronik. 7
Empfang entgegengezogen war. Aber das hatte er ver-
mieden^ weil er Airchtete, Chosrau möge in seiner Bosheit die
Ekirche vernichten nnd eine Verfolgung wider die Christen er-
regen.^ Maurikios gab dem Chosrau viele Truppen, und sie
brachen nach dem Osten auf. Als Warahrlüi das hörte, ver-
lie» er M4b6z«» mit seinen Truppen und floh nach ÄdhorbÄigän.«
Chosrau rückte ihm mit den persischen und römischen Truppen
entgegen, die Römer erlangten den Sieg, und Warahr^n's Heer
ward geschlagen. Darauf kehrte Chosrau mit grosser Freude
heim. Wie man nämlich sagt, war dem Chosrau, da er eben den
Zaum seines Pferdes in der Hand hatte, um in den Kampf zu
gehn, die Gestalt eines alten Mannes erschienen; als er nach
seiner Rtlckkunft aus dem Kriege davon seiner Frau birin^ er-
zählte, sagte sie ihm: ,das ist Sabhiidö', Bischof von Laäum.'^
£r nahm sich's zu Herzen, schwieg aber.^
* Diese unklare Motivierung macht den Eindruck, das Richtige verhüllen
zu sollen. Der Katholikos fürchtete wohl nicht so sehr für seine Kirche
als für seine Person, da er den nun einmal legitimen König, so weit es
an ihm lag, im Stich gelassen hatte, und hielt sich deshalb nach seiner
Kückkunft von ihm zurück. S. unten 8. 9.
* MAffM, d. h. ,die 8tädteS nftmlich die KOnigsstädte Seleukia, Ktesiphon und
ein paar benachbarte Orte. Man zählt im Ganzen 7. Die arabische Ueber-
setzung von MAhM ist al-Metädin] doch bezeichnet man damit meist
nur Ktesiphon, die schon zur S&sänidenzeit bei weitem wichtigste dieser
StXdte.
' Hierdurch wird Hoffmann^s Ansicht (Märtyrer 248), dass das Schlachtfeld
in Atropatene unweit des Urmiasees gelegen habe, gesichert und meine
frühere Meinung (Tab.-Uebers. 285), der Kampfplatz sei in Assyrien ge-
wesen, entscheidend widerlegt. Allerdings gibt unser Chronist nur den
Anfang und das Ende des Krieges an und übergeht alle dazwischen-
liegenden Züge.
^ Diese seine Lieblingsfrau war eine Christinn. Mehr über sie unten. Vgl.
Tab.-Uebers. 283 u. s. w.
' lieber die Lage von Lft6um (unweit Tftüq = Däqüq&, etwa 20 deutsche
Meilen nördlich von Baghd&d) s. Hoffmann 274.
' Aus einem späten Nestorianer hatte ich das schon Tab.-Uebers. 483. Aber
dieser hatte den Aufistand des Bist&m mit dem des Warahr&n verwechselt,
nnd so fallen die Folgerungen fort, die ich aus der Geschichte für die
Chronologie jenes gezogen hatte. — Merkwürdig ist, dass sowohl die
persischen Christen wie die Zoroastrier dem sehr unheiligen König durch
eine himmlische Erscheinung Trost oder Hülfe bringen lassen.
8 IX. Abhandlong: N61deke.
Zu jener Zeit entkamen die Gebrüder Bindöi und Bistäm^
aus dem Gefkngniss, die Hormizd gefangen gesetzt hatte, ^ und
halfen dem Chosrau gar sehr, da sie vom Geschlecht seiner
Mutter waren.' Darauf sandte er den Bistäm mit einem grossen
Heere an die Grenze der Türken, Bindöi aber behielt er in der
Residenz. Weil nun Bindöi dem Chosrau wegen alleriei Reichs-
angelegenheiten wiederholt Vorwürfe machte , gedachte dieser
ihn zu tödten; da entfloh er, um sich zu seinem Bruder Bist&m
9 zu begeben. Als er jedoch durch das Land Adhorbäigän kam,
hörte der dortige MarzabÄn davon, richtete ihm ein Mahl an,
fing ihn so und schickte ihn zu Chosrau.^ Auf die Kunde
davon sammelte aber sein Bruder türkische und dölonüsche
Truppen^ und kam bis nach MÄ^özö.* Allein ein Türke über-
Ustete und tödtete ihn und sandte seinen Kopf an Chosrau.^
Dem Bindöi wurden auf Befehl des Königs alle Glieder der
rechten Seite abgehackt; dann Uess er ihn nach Bi Läpät^ schaffen
^ Bei Warahrdn hat der Chronist eine alte Namensform fest^halten (statt
des modernen Bc^rdm), bei diesen beiden gibt er die jnngen Formen;
die alten sind Wtnd&i nnd Wiatahm.
' Auch nach Theophylakt 4, 3, 5 hatte Hormizd den Bindöi eingekerkert
(aber nicht seinen Bruder). Beim AuÜBtand befreit, wurde er von Bahiim
mit seinem Bruder wieder eingesperrt.
' Sonst werden sie gradezu als Brüder seiner Mutter beseichnet; ver-
muthlich ist das aber nicht genau.
* Ich möchte diese Angabe der des historischen Romans (Tab.-Uebers. 479)
vorziehen. Natürlich hat sich der Statthalter (Marzabftn) des Bindöi treu-
brüchig und mit Verletzung des Qastrechts bemächtigt; yielleicht aller-
dings 3Cp^c lLpi\xoL x(9V]x{Ca>v.
* Nach Dölom (Gilftn) flüchtet sich Bist&m zuerst (Tab.-Uebers. 480), und
Leute aus diesem Lande bildeten einen Theil seiner Truppen (eb. 481).
Bahrftm Ööbtn hatte Türken in seinem Heere (eb. 275 Anm.), dessen
Reste sich dem Bistftm anschlössen. Dazu kamen noch andere nordische
Barbaren, die als ,Türken* bezeichnet werden konnten. So die Könige
Sog und Pariök (eb. 483).
* Das ist gewiss übertrieben.
* Also stimmt unser Erzähler, wie schon Guidi bemerkt, mit dem Armenier
Sebdos überein, der hier den eben erwähnten Pariök nennt Das hat
natürlich mehr Gewicht als die Erzählung des Romans (eb. 488).
* So hier wie auch sonst gelegentlich (z. B. Hoffmann n. S61, MAri 83, wo
noch die jüngste Form Bi Ldbddh daneben), nach der Amsprache, für
Bilh Läpd(, wie er sonst schreibt. Dieser Ort, persisch WendUdhür oder
Ound^iaMkrf war eine der bedeutendsten Städte Snsiana*s und zeitweise
Die TOD Onidi henasgegebene syrische Chronik. 9
Dd da kreuzigen.^ Den Kopf Bistam^s hängten sie dem Sapür^
em Sohne Warahrän's, der sich wider ihn empört hatte, an
en Hals, setzten ihn auf ein Kameel und führten ihn in der
[anptstadt umher.^
Da aber Ido'jabh, das Oberhaupt der Christen, dem Chosrau
3hr verhasst geworden, weil er nicht mit ihm nach dem Römer-
inde gegangen war, und femer wegen der Verleumdungen des
jrchiaters Timotheos von Nisibis, so nahm er sich vor dem
Könige sehr in Acht. Während er nun bald darauf nach dem
rabischen I^ira reiste, um den Araberkönig Nu'män, der sich
fttte taufen lassen und Christ geworden war, zu besuchen, er-
rankte er, eben in die Nähe von tJira gekommen, und starb
i einem Dorfe Namens Beth QuSi (?). * Als das Hind, Nu'man's
chwester, hörte, zog sie mit den Priestern und Gläubigen von
llra aus; sie brachten den Leichnam des Heiligen mit grosser
'eierlichkeit herein, und Hind setzte ihn in dem von ihr er-
auten neuen Kloster bei.^ Nachdem die Kirche eine Zeit 10
Residenz der KOnige ; s. Tab.-Uebeni. 41 ; Hoffmann a. a. O. Vermuthlich
war diese Stadt der eigentliche Sitz Bistftm^s gewesen.
^ Die Art der Tödtung stimmt mehr zum Roman als zu Theophylakt 5, 15,
der ihn in den Tigris werfen ISsst. Unser Autor ist hier gewiss am
besten berichtet.
' Also schon ganz das Verfahren, das unter den *Abbftsiden bei grossen
Staatsverräthem öfter vorkam (vgl. z. B. meine ,Oriental. Skizzen* S. 214).
Dieser S&bür hatte sich vielleicht mit den Resten von seines Vaters
Heer dem Bistftm angeschlossen. Die Namen Sftbür und Bahrftm
finden wir in dieser Zeit in der Familie Mihrftn auch sonst; s. Tab.-
Uebers. 139. Ein anderer Sohn des EmpOrers spielt wieder eine Rolle
im Kampfe mit den Muslimen Tab. 1 , 2062, 10, und so auch dessen Sohn,
Sijftwachtt ,KOnig von Rai* Ihn Athir 8, 18. Ebenso haben im Jahre 634
wieder zwei Sohne Bistftm*s, Bind6i und Tirdi, ein Commando Tab. 1,
2169. Also galt noch bei den SftsAniden wenigstens theil weise, was
Herodot 3, 15 von den Achämeniden erzählt. Das erkUirt sich bei ihnen
aber wohl hauptsächlich aus der Macht der grossen Adelshäuser.
* Bei Barh. bist. eccl. 2, 106 geht tsdjabh dahin, um den Nu'm&n vom
Monophjsitismus zum Nestorianismus zu bekehren, aber das gelingt ihm
nicht. Dies ist eine tendenzi()8e Erfindung, wie ich schon Tab.-Uebers.
847 vermuthete. Die Ehre, welche Hind der Leiche erweist, zeigt, dass
das Königshaus sich mit ihm im Qlauben eins fühlte.
^ Dies Kloster war noch lange nachher berühmt Es ist, wie Guidi be-
merkt, ,das Kloster der jüngeren Hind^ ^•ä^\ %jJJ^ jj>, s. J&qüt s. v.
Die arabischen Nachrichten (Ibn al-Kalbi) und Barh. 1. c. nennen diese
10 IX. Abhandlnng: NÖldeke.
lang ohne Leiter geblieben war^ yersammelte sich auf Befehl
des Königs die Synode, um sich ein Oberhaupt zu wählen. Der
König liess ihnen sagen: ^holt den Sabhiifio' von Lädum und
setzt euch den^ zum Haupt ein/ So holten sie ihn rasch und
machten ihn zu ihrem Haupt.^ Und er ward sein Leben lang
vom König und seinen beiden christlichen Weibern, der Ara-
mäerinn Sirin und der Römerinn Maria,' hoch geehrt.
In Nisibis war aber der Metropolit Gregor von Ka&kar.^
Den vielen Zank und Streit, den der Satan zwischen diesen
beiden seligen Männern (Gregor und SabhriSö') erregte, kann
Hind Numän's Tochter; mit unserer Schrift stimmt der späte Nesto-
rianer 'Amr überein (Ass. 3, 1, 109). Wir dürfen ihnen wohl mehr Ge-
wicht beimessen.
^ Lies ^atoiCLtJO,
* SabhriSd war ihm ja erschienen (oben 8. 7). Wir sehen ans dieser nnd
anderen Erzfthlnng«n, wie abhängig die Kirche vom KOnig, aber auch
welch wichtiger Factor sie für den persischen Staat war. — Nach Elias
Ton Nisibis (respective dessen Quelle; s. die Anm. zu Barh. 1. c.) starb
bdjabh 594/5 und ward sein Nachfolger eingesetzt den 19. April 596,
dazu stimmt genau die Angabe Donnerstag vor Ostern (im 6. Jahre des
Chosrau) Ass. 3, 1, 446, während der Bericht eb. 444 den Ostertag selbst
(22. April) nennt. Unmittelbar darauf (im Mai) ward eine Synode ab-
gehalten ZDMG 43, 390. — Die Sedisvacanz mag also ein Jahr gewährt
haben. Der Eifer Chosrau's für die Wahl Sabhr£§6*s war somit doch
nicht allzu heiss. — Der Mann, den man schon so früh in einer wunder-
baren Erscheinung auftreten liess, ward später zum grossen Wunder-
thäter; s. Ass. 3, 1, 443 ff. und die Mittheilung Guidi's ZDMG. 40, 559 f.
' ,Hier sind die beiden christlichen Frauen Sirin und Maria deutlich unter-
schieden und benannt* (Guidi). Insofern war also Gutschmid's Bedenken
gerechtfertigt, dass Maria nicht, wie die Araber angeben, eine Tochter
des Kaisers war (ZDMG. 34, 283), denn das hätte dieser alte Bericht
gewiss nicht verschwiegen. Sirin*s Nationalität als einer ,Aramäerinn'
wird unten noch genauer bestimmt: ein Mann ans Poräth (in der Gegend
des späteren Ba^ra) galt als ihr besonderer Landsmann. Merkwürdig
immerhin, da das Land Bith Arämäß, dessen Gentilicium wir hier
haben, sonst nicht einmal das Land Kaikar mit umfasst, das weiter
nördlich liegt (M&ri 78. 80), sondern der Provinz Küfa, der nördlichen
Hälfte des 'Ir&q, entspricht. Nach dem Armenier Sebdos war öirin ans
dem benachbarten Chüzist&n (Susiana), s. Tab.-Uebers. 283; unsere Schrift
weiss hierüber gewiss genauer Bescheid.
* Kaikar ist das Gebiet der späteren Stadt Wäsif iwiachen Baghdäd und
Bayra.
Die TOD Gnidi tenmjgef ben> tymeke Chronik. 1 1
die Zunge nicht erzählen. Gregorys Vorgänger^ in Nisibis war
aber kurze Zeit Qabriel, Sohn Rofin's gewesen.' Da sich dieser
stark mit dem Lauf der Gestirne und der Zodiacalzeichen ab-
gab;' hatte man ihn verjagt und den Gregor, Bischof von Eafikar,
mit Gewalt hergeholt. In Nisibis aber, d. i. Antiochia Myg-
doniae,^ das wegen der Gärten und Parks darin so zubenannt
wird,^ sammelten sich, weil es an der persisch-römischen Grenze
lag, thörichte, unruhige und streitsüchtige Menschen von überall
her, besonders wegen der dortigen berühmten Schule. Schrift-
ausleger war aber tJnUn^ von Qdhaijabh. ^ Als derselbe in seinen
Lehrvorträgen allerlei gegen den ökumenischen Schriftausleger^
einwandte, ertrug das dieser Eiferer Gregor nicht. Auch wollte
er die Cleriker, deren Wandel verderbt war wie auch der der ii
andern Gläubigen, bessern; sie fügten sich ihm jedoch nicht.
Und einen Diakon mit dem Beinamen ,Fuchssohn^ fand man
gar, wie er im Walde ausserhalb der Stadt einen weissen Hahn
opferte; diesen rief er zu sich und . . .® Auch überführte er
einige Mönche, die mit Werken . . .^ und rings um das ^igkr-
Gebirge ^^ wohnten und Messallianer ^^ waren, und vertrieb sie
* Nach ^^ (10, 10) ergänze ^0|-o oder ? ^oioSd^ä. Der vorhergehende
8ats ist ein Anakoluth.
' Alflo nicht A^ftdhabhüh, wie Hoffmann n. 1048 vermathet
' D. h. nach heidnischer Weise Astrologie trieb.
* Polyb. 6, 61; Strabo 747; Steph. Byz. s. v. 'AvTit^xe»«.
* Die Erkllning geht auf Mygdania, das zu )r^ ,Fruchf (PI. )r^.
und P^y^, wie P^^^ n. a. m.) gesteUt wird. 8. BB s. t. r^l (Daval^s
Ausgabe' 1S8).
* Vgl. Aber diesen Mann, seine Ketzereien and die Streitigkeiten mit ihm Ass.
3, 1, 81 ff.; Hoffmann 102. 104. 110 f. Die Aussprache Hnina (arab. UUa.)
scheint mir ziemlich sicher. »*^^|** = Ädiabene wird von BB aus-
drficklich vorgeschrieben. Es ist bekanntlich eine Landschaft Assyriens,
zwischen den beiden Zftb.
* Den fOr die Nestorianer kanonischen Theodoros von Mopsuhestia.
* Offene Lücke von zwei oder drei Worten. Dass wir so nicht direct er-
&hren, wie Gregor den Sünder unschädlich gemacht hat, ist kein grosser
Verlust; gern wüssten wir aber mehr über den heidnischen Glauben und
Brauch, der hier noch so spftt in einer altchristlichen Gegend auftritt
* Wieder eine solche Lücke.
'* Die Berge von Singäry das Jeztden-Gebirge, nahe bei Nisibis.
" «Beter*. Eine oft genannte Secte. In jener Zeit und Gegend hat sie auch
Ass. 3, 1, 91' Mitte; Hoffmann 104. Die oben env&hnte Synode vom
Jahre 596 fasste scharfe Beschlüsse gegen sie (ZDMG. 43, 390 ff.).
12 IX. ▲bbandlnng: Nöldeke.
nach allen Richtungen. Von da an führten die Nisibener und
die Umwohner über ihn starke Klage. Der König liess ihn
deshalb holen und befahl ihm, sich im Kloster des Sähdöst ^
niederzulassen. pDa sprach er gegen die Bewohner einen Fluch
aus,]* indem er sich an den Thoren Zoba's' den Staub von
den Füssen schüttelte;* dann ging er fort. Mär Sabhri&o*
wollte den Gregor absetzen, doch gingen die Bischöfe nicht
darauf ein. Da befahl ihm der König, in seine Heimat zu
gehn.^ £r that das und errichtete sich ein Kloster im Lande
KaSkar an einer Stelle, die Bazza dnahräwäthi^ heisst, und
führte Viele zur Gottesfurcht. Man sagt aber,'' dass dem Mir
Sabhriäo' nach der Abdankung Gregorys die ihm vorher ver-
liehene Kraft, Wunder zu thun, nicht mehr gebUeben sei.®
Darauf empörte sich Nisibis wider Chosrau. Als der
König das hörte, schickte er Nachwei^Än,^ einen Grosswürden-
träger des Reichs, mit grossem Heere und Elephanten ^^ und auch
den Mär Sabhriäd' mit ihm. Die Bewohner der Stadt schlössen
vor ihm die Thore, doch auf die Zureden des Katholikos und
12 weil Nachwergän schwur, ihnen nichts böses zur Vergeltung
zuzufügen, öfiheten sie sie ihm; aber als er eingezogen war,
brach er seine Verheissung, ergriff die Angesehensten von
ihnen, folterte sie, plünderte ihre Häuser, vernichtete all ihre
Habe und brachte sie zuletzt auf alle mögUche Weise um.
^ Lage nnbekannt.. Wahrscheinlich nach dem 342 hingerichteten Mlrtjrer,
Bischof von Seleukia und Ktesiphon, benannt.
* Etwas derartiges muss hier gestanden haben; s. unten 8. 13.
' Die Syrer identificieren gemeinlich Nisibis mit dem Zoba des A. T.;
freilich ganz verkehrt.
* Lnc. 9, 6 (Marc. 6, 11).
' Der Patriarch macht seinen Einfluss auf den Herrscher in wenig er-
freulicher Weise geltend.
' Baxssd (hexzaf) ist wahrscheinlich eine richtige Dialektform für 6ei'4;
s. BB 377; talm. Kra. Also ,Spalte der Flüsse*.
* Gdr steht hier und an anderen Stellen dieser Schrift als blosse Uebe^
gangspartikel, schon ganz wie bei weit späteren Nestorianem.
^ Dieser Bericht und die bei Ass. 3, 1, 441; Hoffmann 115 ergänzen und
erläutern einander.
' Ueber diesen Namen s. Tab.-Uebers. 152; Hoffmann in Qardagh (ed.
Feige) S. 10. Vielleicht ist hier, Tab.-Uebers. 353 Anm. 2, eb. 347 und
482 immer derselbe Mann gemeint.
" Doch wohl |lÄ»o fOr "«9 »u lesen (II, 3 v. u.).
•yzisck« CkroBik. 13
So erfüllte sich an Omen Gregor's Fhich, und auch llÄr Sabhriöo'
sah das ein.^
In jener Zeit lebte der Drostbadh Gkibriel aas Sigär,' der
Archiater, der beim König deshalb beliebt war, weil Mrin,
nachdem er sie am Arm znr Ader gelassen, einen Sohn bekommen
hatte y den sie Merdin^th nannte , während sie früher keine
Söhne geboren hatte.' Obgleich Gkibriel früher ein Häretiker
gewesen war, wollte er sich doch znr Partei der Rechtgläubigen
zählen hissen.^ Allein weil er seine rechtmässige Frao, die eine
Bekennerinn^ ans hohem Geschlecht war, fortgeschickt and zwei
heidnische Weiber genommen hatte, mit denen er in heidnischer
Weise Terkehrte,^ nnd dann den Zureden des Katholikos, die
Heidinnen fortzuschicken und eine rechtmässige Frau zu nehmen,
nicht folgte, so trat er wieder auf die Seite der Häretiker und
fügte unsrer Partei viel böses zu.
Wie man erzählt, war der Araberkönig Nu*män von
Chosrau, als er vor Warahrän nach dem Lande der Römer
floh, aufgefordert worden, ihn zu begleiten, war aber nicht
darauf eingegangen. Auch hatte er des Königs Bitte, ihm ein
* Von dieser EmpOning der Nuibener scheint keine andere Qnelle zu
sprechen. Zu beachten ist, dass der Katholikos nachher bei den Nisi-
benem in g^tem Angedenken stand, s. nnten S. 18.
' ,Gesnndherr' (vgL holländ. geneeaheer ,Ant*); s. Hoffmann n. 971.
Der Titel wird ^hJtrfi geschrieben in der Vita des Mirathft (cod. Brit.
Mos. Add. 14645, fol. 198 ff.), die ich früher einmal in der Abschrift von
Professor Slleyii habe benutzen können. Eigentlich ist dieser Titel wohl
eine Ueberaetzong von olp^^torpo^ das hier als den Syrern bekannter Aus-
druck noch daneben steht — Ueber diesen Gabriel, den Patron der
Monophjsiten, s. Tab.-Uebers. 358, Hoffmann 116 ff. Die Vita des M&-
rüth& gibt noch einiges weitere über ihn.
' Nach der Urkunde Theophylakt 5, 14 = Euagrios 6, 21, 7 ff. schrieb Chosrau
die Empfilngniss des ersten Sohnes der Sirin den Segnungen des heil.
Sergios zu. Vielleicht lassen sich beide Auffassungen yereinigen. Natürlich
hat aber das Schreiben des Königs ■ höhere Autorit&t, als was man sich
im Volke über diese Dinge erzählte, die hinter den unzugänglichen Pforten
der KOnigsschlOsser geschahen.
^ Häretiker sind hier die Monophjsiten, Rechtgläubige die Nestorianer.
* D. h., wie Hoffmann erkannt hat (n. 882. 897), eine Convertitinn. Ver-
muthlich wurden die Neubekehrten als ,Confe86oren* bezeichnet^ weil sie
wegen des Uebertrittes immer viel zu leiden hatten, namentlich wenn
sie aus vornehmer Familie waren.
' Das kann wahr sein, braucht es aber nicht
14 IX. AbhuidltAf : NAldeko.
seh)- werthvolles Ross zu schenken^ abgeschlagen. Femer hatte
er dem Chosran seine sehr schöne Tochter, die er von ihm
verlangte, verweigert, ihm vielmehr sagen lassen, einem Manne,
der sich in viehischer Weise vermähle, gebe er seine Tochter
nicht. Das alles nahm Chosran zusammen und bewahrte es in
13 seinem Sinne. Als er aber von den Kriegen^ etwas Ruhe
hatte, wollte er sich wie an seinen anderen Feinden, so auch
an Nu'mÄn rächen. Er lud diesen also eines Tages zum Mahle
ein, setzte ihm aber statt des Brotes Bissen aus Gras^ vor.
Hierüber ward Nu*mÄn sehr ärgerlich und schickte zu seinen
Stammesgenossen, den Ma'additen;' darauf durchzogen diese
dem Chosrau viele Länder, Menschen raubend und verwüstend,
und kamen bis nach *Arabh.^ Als Chosrau das hörte, wurde
er aufgeregt und suchte auf verschiedene Weise den Nu*mÄn
zu sich zu locken, aber er ging nicht darauf ein. Jedoch
einer von Nu*m&n*s Dolmetschern Namens Ma'ne von der
Insel DSrin ^ verabredete mit Chosrau heimlich einen Anschlag.
Er sprach zu Nu'män, der König liebe ihn sehr, und schwur
ihm auf das Evangelium, dieser werde ihm kein Leid anthun.
Auch redete ihm seine Frau Mäwijah^ also zu: ,es ziemt dir
^ Gegen Bahr&m und But&m.
* Eine glänzende Verbeaserung Ton Hoffmann: K^ ^^ (13, 4). Weil er
dem König viehisches Wesen vorgeworfen, bekommt er selbst Viehfutter.
' Hier = Beduinen. Die Banü. Saibftn, die an dieser Stelle in Betracht
kommen, sind allerdings Ma'additen im eigentlichen Sinne, aber Nn'm&n
selbst gehört, wenigstens nach der üblichen Ansicht, nicht zu den Kindern
Ma'add's.
^ Das von Arabern bewohnte mesopotamische Wüstengebiet, namentlich so
weit es zum römischen Reich gehört. So schon in dem sehr alten Dialog
de fato; s. Careton*s Spicil. syr. 19, 6, wo die Eroberungen des Septimim
Severus im Jahre 196 gemeint sind. Ueber das Land *<r),-\ könnte ich
noch allerlei geben. Der persische Theil des mesopotamischen Araber-
landes heisst meistens Bith 'Aräbhdji,
* Arabisch D&rtn, eine der Bahrain-Inseln, wahrscheinlich, wie schon Jiqftt
2, 537 annimmt, die grösste derselben, 'Ow&l. Im 6. und 7. Jahrhundert
öfter als Aufenthalt von Christen und als Bischofsitz genannt Ass. 8, 1,
136. 161*; ZDMG. 43, 406 f. (409 f.).
* Ich erinnere mich nicht, unter den Frauen Ku*m&n*s eine Miwfjah ge-
funden zu haben. Der Name ist übrigens nicht selten. Beachte, daas
der Syrer das auslautende < (!) als wirklichen Hauch hOrte, denn sonst
hätte er nicht 0* geschrieben; von einer blossen Transscription der ara-
Di« TOB Ovidi k«n«ig«f«^*>M tTriMk« Chronik. 16
mehr, mit dem Königsnamen zn sterben, als vertrieben nnd
des Königsnamens entblösst zu sein/ Als er nun in die Residenz
kam, tödtete ihn der König zwar nicht, sondern gebot ihm
nur, dort zu bleiben; allein, wie man sagt, brachte er später
diesen trefflichen Bekenner^ durch Gift um.^
Darauf empörte sich gegen den römischen Kaiser Mau-
rikios ein Mann Namens Phokas und tödtete ihn, seine Söhne
und seine Frau; nur einer von seinen Söhnen Namens Theodosios
bischen Schreibung wie bei Späteren kann hier nicht die Rede sein.
Ebenso im Anfang des 6. Jahrhunderts oi-I^^lo? = jj^' Quidi, La lettera
di Simeone . . . di B^th-Ar§&m (R. Acad. dei Lincei anno 278, Roma
1881, 8. 2 des Textes). In älterer Zeit erscheint n 6 für 2.
^ SS CouTertiten; s. oben b. 18, Anm. Ö.
' So sehr dieser Bericht im Einzelnen von dem arabischen (Tab.-Uebers.
311 ff.) abweicht, so haben sie doch wichtige Züge gemein. So, dass
Nu*m&n sich weigert, einen weiblichen Angehörigen für das königliche
Serail herzugeben. Femer, dass *er durch die List eines Beamten ara-
bischer Herkunft, der den Verkehr zwischen dem Hof und dem Araber-
fürsten zu vermitteln hat, ins Unglück geräth. Die arabische Darstellung
ist poetisch abgerundeter, indem sie Nu'm&n durch den Sohn des 'Adi
mit List ins Unglück stürzen lässt, der durch seine Schuld umgebracht
worden war. Unser Syrer ist hier aber gewiss zuverlässiger, auch darin,
dass er nach ihm erst zuletzt durch jenen Mann in die Gefangenschaft
gelockt wird. Dass Nu'm&n sich freiwillig stellt, haben beide Erzälilungen,
und wie man das im Volk auffasste, zeigt die Aehnlichkeit der Worte,
die hier seiner Frau, mit denen, welche dort dem H&ni* b. Qabt^a in
den Mund gelegt werden: ,alle8 kann der Mann mit Anstand ertragen,
nur nicht, nachdem er König gewesen, Unterthan zu werden. Der Tod
trifft doch jedermann; in Ehren zu sterben ist dir besser, als Demüthigung
herunterzuschlucken oder Unterthan zu sein, nachdem du König ge-
wesen bist u. s. w.* (Agh. 2, 31). Ob Chosrau von Nu*män wirklich ver-
langt hat, ihn auf der Flucht zu den Römern zu begleiten, ist zweifel-
haft; er war damals wohl nicht in seiner Nähe. Die Verwüstungen durch
die Beduinen können kaum stattgefunden haben, bevor er sein König-
tfaum aufgegeben hatte. Dass er länger gefangen gehalten und nicht
hingerichtet ist, wie die natürliche Auffassung der Worte des zeitge-
nössischen Dichters A'&& (Tab.-Uebers. 331) ergabt, bestätigt unser Bericht
Nach dem Vers Si^ft^ s. v. ^>^; Ihn Qotaiba, Ma'&rif 319 (wo er,
gewiss mit Unrecht, dem A'iä zugeschrieben wird), ward er allerdings
von Elephanten zerstampft — Nach der Anordnung der Chronik darf
man wohl annehmen, dass der Sturz Nu*mftns zwischen die Bezwingung
Bistäm's und den Beginn des ROmerkriegs fällt; das stimmt zu Elias
von Nisibis, der das Ereigniss auf 601 ansetzt (Tab.-Uebers. 847).
16 IX. Abhandlang: Nöldeke.
entfloh und kam zn Chosran.^ Der König nahm ihn mit grossen
Ehren anf und gebot dem Katholikos^ dass er ihn in die Kirche
führe, und dass nach römischer Sitte die Kaiserkrone auf den
Altar gelegt und ihm sodann aufs Haupt gesetzt werde.
Chosrau gab ihm darauf ein Heer, und er zog gegen die
Römer. Phokas schickte ebenfalls viele Truppen, und sie
14 lagerten sich vor B6th Wadi^ jenseits der Stadt Dftdl,^ kämpften
mit Theodosios und schlugen seine Truppen. Als dieser daher
dem Chosrau meldete, er könne den Römern nicht wider-
stehn, brach der König selbst im Winter von MäbözS mit
vielen Truppen auf und überzog das römische Gebiet; der
Katholikos war bei ihm. Die Truppen des Phokas zogen
ihnen entgegen, und die Heerschaaren wurden handgemein.
Zahlreiche Leute fielen auf beiden Seiten. Dem Chosrau selbst
warf man einen Strick über, aber einer seiner Helden* Namens
Müäkän schnitt diesen durch. Am folgenden Tage war eine
förmliche Schlacht, in der die Römer von den Persem ge-
schlagen wurden. Der König griff darauf Därä an und erbaute
BelagerungswäUe. Man führte Minengänge unter die Mauer,
steckte Feuer an und verursachte durch verschiedene Mittel
Risse in ihr. (Durch diese drang man ein.) Dann vei^oss
man dort Blut wie Wasser. Aber der Bischof von Där& öffnete
^ Da88 der Prinz echt war, steht trotz der yerschiedenen, namentlich orien-
taliBchen, Zeugnisse (Tab.-Uebers. 290) dorchaos nicht fest gegenüber
der bestimmten Aussage des sachkundigen Theophylakt 8, 13, 4 — 6.
* Die Vermuthung Guidi^s, dass BiCthJ WaH =: Bebaee Ammian 18, 7, 9.
18, 10, 1 sei, ist sehr wahrscheinlich. Nach den Angaben Ammian*s hat
man Bebase etwas westlich von D&r& zu suchen, und da liegt, worauf
mich Hoffmann hinweist, noch jetzt Td Bei, ungefähr 40 Eülometer von
Dftrft, gegen 30 Kilometer südlich von Mardin; s. Kiepert*« Karte des
westlichen T6r zu Sachau*s Abhandlung ,Ueber die Lage von Tigrano-
kerta' (Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften 8. No-
vember 1880) und die zu Sachau's Reise; vgL eb. 9- ^27. — Nach-
träglich erinnert mich Hoffmann noch daran, dass der Ort, genau wie
hier geschrieben, bei Joh. Eph. 404 ult und als x6 B(ßcic Theophylakt
1, 16, 15 vorkommt. — Wie die Kämpfe hier ganz an der Ostgrense
mit der EmpOrung des Narses in Edessa in Einklang zu bringen sind,
ist mir unklar. Vielleicht liegen sie doch hinter dieser.
' ,Jenseits^ vom Standpunct im Innern des persischen Reiches.
^ Jedenfalls Bezeichnung einer Gardeabtheilung; s. unten S. 32. Die Aus-
sprache Muikdn ist nicht sicher.
Die TOD Gnidi herftTisgeffeb«ne tyriMb« Cbronik. 17
sich mit einem eisernen Werkzeug die Ader^ so ;die allgemeine^ ^
des Körpers heLsst^ warf sich auf sein Lager und starb durch
den Blutverlust; denn er fürchtete sich vor dem Könige der
geschworen hatte, er wolle ihn auf vierzig Arten umbringen.
Von der Zeit an hatte Chosrau die Oberhand im römischen
Gtebiet. Därä ward aber im 14. Jahr Chosrau's eingenommen.^
Während nun der König Därä belagerte , begab sich ein
Radh^ zu den Kirchen von Siärzür^ und riss sie nieder. Als
die Gläubigen mit ihrem Bischof Nathanael das sahen, ertrugen
sie es nicht, sondern erhoben sich gegen den Radh und trieben 16
ihn fort. Er kam darauf nach Nisibis zu Chosrau und regte
ihn mit den Worten auf: ,du kämpfst fiir die Christen^, und
ich bin von den Christen vertrieben!* Da Uess der König
den Nathanael, Bischof von SiÄrzür, ohne weitere Untersuchung
* KaOoXtx:^. Weder habe ich noch mein College, der Anatom Schwalbe,
sonst irgendwo diese Bezeichnung für eine Ader finden können. Gemeint
ist aber wohl die Pulsader.
* Nach Land, Anecd. syr. 1, 15, war die Einnahme von Därft 915 Sei. Ind.
Vn = 608/4. Das 14. Jahr Chosrau's läuft vom 24. Juni 608 bis
22. Juni 604. Da er nach unserm Syrer im Winter angebrochen ist,
so hat man die Einnahme der Stadt in den Frühling 604 zu setzen.
Thomas von Marg& (Ass. 8, 1, 441) und Salomon von Ba^ra (Liber Apis
189), die dies Ereigniss in das 15. Jahr Chosrau^s verlegen (s. S. 18 Anm. 1),
können gegenüber diesen alten Zeugen nicht in Betracht kommen. In
der Quelle des Theophanes war das Jahr 6098 = 606/6 gewiss eigentlich
nur für den Abschluss der Eroberung Mesopotamiens gemeint, die mit
der Einnahme D&rft*s begann.
' Der Radh steht an der Spitze eines Bezirks; s. Tab.-Uebers. 447 f. Ich
könnte jetzt, namentlich aus dem 2. Bande von Bedjan*s Märtyreracten,
noch viele Belege geben. An der Stelle Moesinger 2, 68, 16 hat die
Handschrift, wie ich von Guidi erfahre, wirklich radh; so auch die ent-
sprechende Stelle bei Bedjan 2, 519, 10.
* So schreiben alle alten syrischen Texte, s. ZDMG. 48, 408 ff; Hoffmann 43;
Ass. 8, 1, 143. 457 (Thomas von Margft in einer Vita des 7. Jahrhunderts).
Entsprechend ib Ziapaoupcov Chron. Pasch. (Bonn) 730. 782; rbv Zut^oupov
Theophanes (Bonn) 499 (de Boor 325); in den Quellen stand sicher an
beiden Stellen to Siapl^oupcov. Die Araber aber schreiben j^xJ^^ und
so die späteren Syrer 9ol9ou4» oder '^©I^oua» (jenes schon bei Thomas
von Margft Ass. 3, 1,477 a; dieses öfter bei Barh.). Die sachliche Identität
steht fest, aber lautlich kann ndr (oder narf) nicht = iahr sein. Wahrschein-
lich ist ^ahrvdr eigentlich Name des Bezirks, Sidmür des Ortes; die Be-
deutung von 8idr ist mir aber unbekannt.
* Gemeint ist Prinz Theodosios.
SitiongBber. d. phU.-hist. Cl. CXXYin. Bd. 9. Abh. 2
18 IX. Abhandlong: Nftld«ke.
holen y hielt ihn sechs Jahre eingesperrt und kreuzigte ihn
darauf.^ Denn wenn Chosran gleich um des Maurikios willen
znm Schein Liebe zu den Christen zeigte ^ so war er doch in
Wirklichkeit ein Feind unsres Volks.
M&r Sabhridö* aber war in Nisibis von einer schweren
Krankheit befallen. Da liess der König an ihn die Forderung
stellen y er solle den Gabriel vom Banne lösen, den er ausge-
sprochen hatte; aber er ging nicht darauf ein. Dann machte
der Katholikos sein Testament und versiegelte es; darin be-
stimmte er, ihn' nach seinem Kloster zu bringen. Die Nisi-
bener wünschten zwar^ dass man die Leiche des Heiligen in
ihrer Kirche beisetze ^ aber der König gewährte das nicht, da
er die Bestimmung des Katholikos erfahren hatte. So setzten
seine Schiller seinen Leichnam auf ein Kameel' und brachten
ihn in sein Kloster.
Darauf ward durch den Einfluss der Silin ihr Lands-
mann Gregor von Por&th^ als Katholikos eingesetzt , obgleich
^ Dieser Bischof Nathanael von Siftrzür eiBcheint als Mitglied der Sjnode
Tom Jahre 588 (ZDMG. 48, 405, 1) und noch der, die sich im »Ntsftn
des Jahres 15 unsere Herrn Chosran, Königs der Könige* d. i. April 605
gleich nach Ernennung des neuen Patriarchen Gregor versammelte. Dies
Datum steht, wie mir Guidi schreibt, so in der Handschrift (vgl. ZDMO.
43, 406). Er muss also erat etwas später gefangen gesetst sein, ala man
nach unserm Text annehmen würde. Die Zeitbestimmung ganz so bei
Elias von Damascus (Ass. 3, 1, 452^). Mit Recht setzt demnach Thomas
von Marg& (Ass. 3, 1, 441) die Wahl Gregorys ins 15. Jahr des Königs,
unrichtig Elias von Nisibis (Anm. zu Barh. h. eccl. 2, 108) ins Jahr 16.
Wahrecheinlich hat Thomas das Jahr der Einnahme von Dftrft falsch
nach der Wahl Gregorys bestimmt, Elias von Nisibis oder seine Quelle wie-
der die ungefähr ein Jahr nach der Einnahme geschehne Wahl nach
der ^unrichtigen Ansetzung dieser ein Jahr zu spät gelegt.
* D. h. seine Leiche. Es fehlt die ausdrückliche Angabe, dass er darauf
gestorben sei.
» Vgl. Ass. 3, 1, 447*.
* S. oben S. 10, Anm. 3 ForeU Plin. 6, 145; ^((paOa Steph. Byz. (Arrian);
^6poAoM Waddington, Inschr. 2589; Enting, Epigraph. Mittheilungen 2, 108,
wo auch palmyrenisch irc: {V^on irc Talm. bab. Joma 10"; oft bei den
Syrern mit oder ohne Hinzufügung des Landesnamens Maiiän wie bei
den Arabern 0\Jü\ oder ^U««^ OUa* Eis lag in der Nähe des
späteren Ba^ra, wenn nicht gradezu an einer nachher in diese Gross-
stadt einbezogenen Stelle. Daher identificieren die Sjrer beide Orte oder
Di« TOB Ooldi bgrmaafefeW— sjrise^ Ckronik. 19
alle Söhne der Kirche mit dem König selbst den Gregor von
Kafikar haben wollten, der ans Nisibis vertrieben worden war.^
Jener zeigte ab Oberhanpt kein schönes Benehmen. Er lebte
aber nnr noch wenige Jahre nnd starb dann.' Wegen der
Ränke Ghibriels nnd seines Hasses gegen die Kirche' blieb
diese eine Zeit lang ohne Leiter , und in Folge der Anklagen
gegen Gregor wurde ihr auch das Wort abgeschnitten.^ Man
setzte nun in der Kirche als (stellvertretenden) Leiter Mär
AbhA ein, den Archidiaconus^ aus Ktesiphon, einen sittsamen 16
und weisen Mann. So blieb die Kirche lange ohne Oberhaupt.
Unterdessen bedrohte Gabriel aus Sigär die Rechtgläubigen
sehr und vertrieb die Unsem aus dem Kloster des Mär Pethi6n,^
dem der gtrin« und noch andern und setzte darin Anhänger
der häretischen Partei ein.
wenigstens die danach benannten DiOcesen, s. Elias von Nisibis in der
Chronographie (cod. Rieh 7197 fol. 16*) und im Wörterbuch (Novaria 302
= Lagarde, Praetermissa 53, 6) und vergleiche Mai, Nova Coli. 10, 318
mit Ass. 3, 1, 79*.
^ Also ganz übereinstimmend mit den spätem Angaben bei Ass. 3, 1, 441^.
460. Barh. h. eccl. 2, 107 identificiert die beiden Gregore; dadurch
musste sich Hoffmann 119 f. irre führen lassen.
* Dass er geldgierig war, sagt *Amr bei Ass. 3, 1, 450^, wie Barh. h. eccl.
2, 109. Elr führte das Amt nach Elias von Nisibis (s. die Anm. zu Barh.
h. eccL) ungefähr drei, nach 'Amr 1. c. vier Jahre.
' Der Gregensatz verschärfte sich noch, als das monophysitische Kirchen-
haupt, der Eiferer M&rüthä, nach der Hauptstadt kam und den schreck-
lichen Ifissbrauch abschaffte, dass die nestorianischen Laien mit ,den
Rechtgläubigen' zugleich das Sacrament nahmen (Vita des MärCith&).
Gabriel seheint anfangs auf eine Einigung der beiden Parteien bedacht
gewesen zu sein (dahin zielen auch wohl die Worte oben 8. 13 Z. 8).
^ Wohl: weil der angesehenste Mann der Kirche, Gregor von Ka&kar, beim
KOnig verklagt worden war nnd das Wort nicht erheben durfte.
* So *Amr Ass. 3, 1, 93*. 450*. Die nördlichen Gegenden überwachte
B&bhai eb. 91*. 93*. 450*. 472 f.
* Von den verschiedenen Kl Ostern, die nach dem heil. Pethi6n benannt
sind (s. J&qüt 2, 683. 693 [702, 2]; Ass. 3, 2, 678; Ass. 3, 1, 512^ u. s. w.),
kann hier wohl nur das an der letztgenannten Stelle erwähnte in einem
der Nebenorte von Ktesiphon (JuLwXa3\ dLojc«J\) oder aber das an der
Stätte seines Martyriums (bei Holwftn) in Frage kommen.
* Bei Holw&n Ass. 3, 1, 471. Auch in der Vita des Märüthft erwähnt
2»
20 IX. Abhudlnng: Nöldeke.
In jener Zeit ragte in der Kirche hervor^ Jonadab von
^dllaijabh9' der wegen seines vertrauten Umgangs mit Gk)tt
und seiner Beliebtheit beim König von diesem einen Brief
erhielt, dass er tlber das ganze Gebirge , darin die von St
MatthaeoB, die Irrlehrer von Mosul,^ wohnen, Gewalt haben
solle. Als ihm jedoch der König sein Begehren erfüllt hatte,
dass er sie vertreiben nnd in alle Winde verjagen dürfe, liess
die Verschlagenheit öabrieFs das nicht zu.* Als Schriftsteller
war Bar^adhbSabbd, von 5olwÄn * berühmt. Durch vorzüglichen
Lebenswandel zeichneten sich aus bubhhälmiran von Karchi
dbhSth Slöch,« Afrah&t (?) von den ZÄbh' und Gabriel von
Nhar Göl,® ein grosser und wunderthätiger Mann.
Darauf veranlasste^ Gabriel den König (zu dem Befehl),
dass wir (Nestorianer) zu einer Disputation mit seinen Partei-
* Der Plural oom ^^^ kommt wahrscheinlich daher, daas dem Verfasser
schon die andern Namen (äubh^ftlm&ran u. s. w.) im Sinne lagen.
' Seine Unterschrift bei der Synode von 606 ZDMG. 43, 406. Vgl. Ass.
3, 1, 90*. 472*.
^ Schade, dass man nicht weiss, ob der Name Maufü schon in der ältesten
Quelle stand oder ob ihn erst der wenigstens zwei Generationen später
schreibende Redactor eingesetzt hat Auf alle Fälle ist es eine der
ältesten Erwähnungen dieser Stadt. — Das Matthaeuskloster war yon
Alters her bis in die neuere Zeit die feste Burg der Monophysiten inner-
halb eines überwiegend andersgläubigen Landes.
^ Christliche Bruderliebe!
* Auf jener Synode ZDMG. 48, 406.
^ Der Ort wird viel erwähnt; manchmal bloss Karehd oder ,Karcli& in
Garamaea*. Heute Kerkük, ziemlich genau nördlich von Baghdäd, etwas
nördlich von T&üq (s. oben S. 7, Anm. 5). — Der Mann Aas. 3, 1, 189;
Hoffmann 107 f. 116. 121.
' Ich glaube, man darf ^c*^) für QJoif^) herstellen. Der Name findet
sich ausser bei dem bekannten Schriftsteller noch bei anderen Bischöfen
ZDMG. 43, 396, 15. 398, 14 •= 401, 6. Gemeint sind die südlichen
Zäbhflüsse oder Canäle im untern Babylonien. Oft als DiOcese genannt
(s. z. B. ZDMG. 43, 410). Die Araber sprechen nur von zwei Z&b, aber
die Plural form ^\ai)\ weist auf mehr, und bei M&rl 69, 2 wird ,der
mittlere Zäbhä' erwähnt, also gab es wohl drei.
* Die Formen Nhar CHir und Nhar €HU wechseln wie in unserer Chronik
so in den Unterschriften der Synoden ZDMG. 43, 412. Jäqüt meint,
j^^. y^ liege zwischen Mais&n und Ahwftz, also im Gebiete des untersten
Tigris. ~ Der Mann auf der genannten Synode ZDMG. 43, 406.
' Ich übersetze nach Hoffmann^s Verbesserung V*]) (16, 14). Das ? vor
y^ (1. 15) ist wohl zu tilgen.
Die TOD Gaidi heraas|re|pebene syrische Chronik. 21
genossen konunen sollten. Da nun kein Katholikos in der
Barche vorhanden war,^ so kamen freiwillig znr Disputation
Jonadaby Metropolit von ^dhaijabhy Subhh4lm4ran von Karchä
dhbSth Slöchy Georgios vom Berg Izalä,' sowie der Bischof
von Nhar Gül und Sergios aus KaSkar von Tel Pal?tÄr^,' und
disputierten am Hofe des Königs. Gabriel und seine Partei-
genossen wurden tiberwunden, und unsre Rechtgläubigen 17
siegten.* Der König machte deshalb dem Gabriel Vorwürfe
und hiess ihn diese Belästigung aufgeben, aber er folgte nicht
und stiess bittre Schmähungen gegen die Rechtgläubigen aus.
Auch klagte er den Georgios von Izala beim König an, dass
er das Den* des Magierthums verlassen habe, ein Christ ge-
worden sei und Hormizd und Kewän* schmähe. Da liess der
König diesen fiir ein Jahr' einsperren, und dann kreuzigte
er ihn in BehardaSir mitten auf dem Häckselmarkt.^ Die
^ Der hätte befehlen können, wer erscheinen solle.
' lieber ihn gleich mehr, lieber das tzalft-Gebirge im östlichen Mesopo-
tamien 8. besonders Hoffmann 167 ff.
' Der Ort liegt nahe beim späteren W&sit; arabisch Td Faehehdr J&q. 1, 604.
2, 456, 8. S. de Goeje ZDMG. 30, 3.
^ Gabriel mag wirklich in so fem eine Niederlage erlitten haben, als es ihm
nicht gelang, die Wahl eines zur Vermittlung geeigneten Mannes zum
Katholikos zu veranlassen. Denn er hatte vom KOnig Vollmacht ,sich
eine ihm bequeme Person auszusuchen und zum Katholikos zu machen*
(Hoffmann 104 unten; so ist da zu übersetzen).
' Persisch, = Religion, Glaube. So nicht ganz selten in den Märtyrer-
acten, bald ^?, bald ^)? geschrieben. Letztere Schreibweise fUhrt
darauf, dass damals noch din gesprochen ward, während schon das älteste
Neupersisch cRn hat.
* Hormizd, der höchste persische Gott, wird hier, gewiss nicht im Sinne
der wirklichen Ankläger, in seiner Bedeutung als Herr des Planeten
Jupiter genommen und so mit Kdw&n d. i. Saturn verbunden.
^ Also ist bei Hoffmann n. 999 für das von modemer Hand gesetzte ^Äl^
,Jahre* zu lesen rr^^r^ ,Monate*, worauf auch das männliche t^^V)^
hinweist. Für das eine Jahr hat die Biographie demnach genauer 15
(7 + 18) Monate.
• BehardaÜr ist Seleukia (Tab.-Uebers. 16 und sonst). — Für V^-^? ^o-^
steht Hoffmann n. 1000 V^OC'^? X^o^. Hoffmann spricht jetzt X^^^L
und jenes f^^, also ,Häckselverkäufer'. Vielleicht ist so ^^^Ls^\ ^
Agh&ni 12, 176, 8 v. u. zu verstehn ,unter den Häcksel Verkäufern* d. h.
^uf dem Markt der Häckselverkäufer* (natürlich stände in Prosa der
plur. sanus ^^^Cjc3\).
22 IX. AbhaQdlang: Nöldeke.
Gläubigen raubten aber seine Leiche und setzten sie in der
Kirche des heil. Sergios in Mabhrachthä bei.^
Damals war Jezdin von Karchä in Garamaea' in der
Residenz angesehn. Dieser war ein Fürsprecher der Barche
wie Constantin und Theodosios und erbaute in der ganzen Welt
Kirchen und Klöster als Abbild des himmlischen Jerusalem's.
Und wie Joseph in Pharao's Augen, ja noch mehr, so war er
bei Chosrau beliebt. Deshalb war er in beiden Reichen, dem
persischen und dem römischen, berühmt. Man sagt aber, dass
Jezdin dem König jeden Morgen 1000 Goldstücke gesandt habe.'
In jener Zeit ragte durch tugendhaften Lebenswandel
Mär B4bhai von Izala* hervor, der als Nachfolger des Rab-
bani Mär Abraham von Kaäkar^ jenes Kloster^ in guten
Stand setzte. Viele arbeitsame Brüder sind aus jenem Kloster
hervorgegangen; ich meine Mär Jakob, der das Kloster
18 Bßth 'Äbhe,® Mär Elias, der ein Kloster am Tigris bei
^esnä 'Ebhräjä erbaut hat,* und Mär Bäbhai, den Sohn der Nisi-
^ Das hier Gegebne stimmt durchweg mit der genauen Lebensbeschreibang
Georges von seinem Schreiber Bäbhai (Hoffmann 91 ff.) überein. Die
Hinrichtung fand statt am 14. Januar 615. — Mabhrachth&y wo er be-
graben ist, lag dicht bei M&^6zd, s. Neubauer, Geogr. des Talm. 857 f.
(Erubhin 47 ^ 61»»).
' D. i. das oben S. 20 besprochene Karchd dbhith Sloeh,
' S. was ich Tab.-Uebers. 383 f. über den Generalpächter Jezdin und seine
Familie gesagt habe. Das Geld, welches er dem König abliefert, sind
eben die Steuereinnahmen.
* ,Unser Meister*, ein namentlich Aebten g^egebener Titel.
^ Der schon oben S. 19, Anm. 5 und als Biograph Georg's Anm. 1 Genannte.
S. über ihn Ass. 3, 1, 88 ff.; Hoffmann 173.
* Ueber ihn s. Ass. 3, 1, 93 f.; Hoffmann 101. 172. Beachte, dajBs er auch
hier als Mann aus Kaäkar bezeichnet wird. Vgl. noch Wright, Catal. 187*.
^ Ueber das von diesem Abraham gegründete Kloster auf dem izalft s. be-
sonders Hoffmann 167 ff. und vgl. Socin's Karte ZDMG. 35, 237 (etwas
ONO von Nisibis).
" Ueber diesen Jakob und das berühmte Kloster Beth A*bhd s. Ass. 3, 1, 90.
458 etc. Die Lage (im eigentlichen Assyrien, nicht weit vom grossen
Z&b) bestimmt von Hoffmann 226. Vgl. auch Wright, Catal. 187^.
9 So V*f^^ (18, 1) nach Ass. 3, 1, 207 >> (Thomas von Margft) zu lesen,
auf welche Stelle Guidi hinweist. Er g^ebt auch die Lage des noch
heute Mdr Elija genannten Klosters unmittelbar bei Mosul an. Für das
,hebräische Schloss' erinnert Hoffmann an >y.^0^\ JÜLS^ innerhalb der
Stelle der späteren Grossstadt Mosul BeUdhori 332.
Die TOD Oaidi herausgegebene syrische Chronik. 23
bener.^ Dieser Selige* also verliess alles, was er besass, und be-
gab sich hinauf, um im Kloster des Mdr Abraham als Einsiedler
zu leben. Zuletzt ging er von da fort und erbaute gleichfalls ein
Erlöster, und zwar in der Nachbarschaft eben jenes Klosters; da
begab sich die Mehrzahl der Brüder zu ihm. Und obschon er zu
den Angesehnen der Welt gehörte, so zog er es doch vor, die
harten Werke der Askese zu üben. Sein Wandel aber geht
über alle Worte. Als Jezdin von ihm hörte, kam er, ihn zu
sehn. Nachdem er ihn nun in all seiner Entsagung und bei
todtem Leibe erblickt hatte, indem er aufrecht stehn blieb,
entliess ihn der Heilige.' Nach einiger Zeit brachte ihm
Jezdin dann ein goldnes Kreuz, worein viele Rubinen und
Smaragden von hohem Werth eingelassen waren und in dessen
Mitte sich ein Stück vom Holz des Kreuzes unsers Herrn,
des Erlösers, befand,* sowie noch andre Sachen zur Aus-
schmückung seines E^osters. Aber der Zank liebende Satan
erregte viel Zwist und grossen Streit zwischen diesen beiden
festen Thürmen der Gottesfurcht^ und ruhte und rastete nicht
bis zur Vollendung ihres Lebenskampfes. Die Anhänger des
grossen Mär Bäbhai liessen keinen in ihr Kloster ein, bevor
er den trefflichen Mär Bäbhai von Nisibis verdammte, indem
sie ihn ,den kleinen' Mär Bäbhai nannten. Dies berühren wir 19
nur kurz, weil (sonst) ihr Wandel heller und strahlender als
> Ein B&bhai ,Sohii der Nisibener' (d. h. dessen Eltern ans Nisibis waren),
blühte im Anfang des 8. Jahrhunderts (Abs. 3, 1, 177 ff.) • Wäre er ge-
meint, so müsste die Stelle ein späteres Einschiebsel sein. Gewiss haben
aber Qoidi und Hoffmann Recht, wenn sie ihn fUr einen Andern halten.
Hoffmann erkennt in ihm den gleich unten erwähnten «kleinen BftbhaiS
der ja da zweimal 1**^^^ ,der Nisibener* heisst Ob nun hier einem
Abschreiber statt des einfachen ,der Nisibener* durch falsche Beminiscenz
an den Andern, der den Spätem besser bekannt war, ,Sohn der Nisi-
bener* ins Rohr gekommen ist oder ob der Andre sich nach dem
Ersteren benannt hat, steht dahin.
* B&bhai von tzalft.
* Fttr das zweite ? ^«n (1. 9) machte ich einfach (t^)^, für das dritte (1. 11)
(9fibö) ^f^o% lesen.
* Wie Guidi (S. 20) bemerkt, von dem Kreuz, das die Perser in Jerusalem
erbeutet hatten, s. unten S. 24 f.
^ Den beiden B&bhai.
24 IX. Abhandlang: Nöldeke.
die Sonne ist und viele Schriften von ihnen bezeugen, dass sie
den rechten, reinen Glauben hatten. Der grosse Mar B4bhai
hat viele Schriften, Disputationen und Auslegungen verfasst, und
auch der heilige Mär B&bhai von Nisibis hat mehrere Bücher
über das Leben der Einsiedler geschrieben, die beim Hörer
grosse Bewunderung erwecken, nebst metrischen Reden über die
Busse.*
Darauf* zog Chosrau Truppen zusammen und drang ins
römische Gebiet ein. Er stellte zwei Feldherm an und sandte
sie nach dem Westen. Sie nahmen Mardö, Amid, MaifarqSt
und Edessa, schlugen Brücken über den Euphrat und passierten
ihn gegenüber Mabbog.^ Aber einer von diesen Feldherm mit
Namen Sahrbaräz^ rückte rasch gegen Jerusalem. Als sie
seiner dringenden Aufforderung, ihm die Thore zu öffnen, nicht
nachkamen, griff er die Stadt an, baute Belagerungswälle gegen
sie, legte Breschen in die Mauer und drang ein. Den Bischof^
und die Häupter der Stadt nahm er fest und folterte sie wegen
des Kreuzholzes und der Geräthe im Schatzhause. Und da
20 die göttUche Kraft die Römer vor den Persem niederwarf, weil
sie das unschuldige Blut des Kaisers Maurikios und seiner
Kinder vergossen hatten, so Uess Gott keine verborgene Stelle
übrig, die man ihnen nicht gezeigt hätte. So wies man ihm
auch das Kreuzholz, das in einem Krautgarten verbeißen lag.^
Sie machten nun viele Kisten und sandten es nebst zahlreichen
^ Vom grossen Mftr Bftbhai werden im Gottesdienst einige Hymnen ge-
braucht; ebenso von ,Mftr Bftbhai dem Sohn der Nisibener*; das ist aber
wohl der jüngere; s. die Cataloge von Rosen-Forshall 14; Wright 131.
136; Zotenberg 9.
2 Mit diesem Worte knüpft die Erzählung wieder an das oben S. 17 Ge-
sagte an.
' Die hier genannten Städte sind allgemein bekannt. Ma^farqH, arab.
MaijäfäHqvn = MartyropoUs; Mabbog, arab. Manbiff = ffierapolis.
* Eine von Guidi hierzu angeführte Stelle aus dem Urtext des Michael
Syrus stellt fest, dass Sahrharäz ein Ehrenname des früher Romisdn (oder
ähnlich) genannten Feldherm ist (s. Tab.-Uebers 290, Anm. 3). Dam
die Sache grade so zugegangen, wie sie Michael erzählt, braucht man
natürlich noch nicht zu glauben.
^ D. i. den Patriarchen Zacharias.
« Ganz wie Tab.-Uebers. 291.
Die Ton Guidi herausgeg;ebene syrische Chronik. 2Ö
Geräthen und kostbaren Sachen an Chosran. Als sie so zu
Jezdin kamen, veranstaltete er ein grosses Fest, nahrnj sich mit
Erlaubniss des Königs einen Theil von dem Elreuz und sandte
es dann an den König. Dieser legte es in Ehren mit den
heiligen Geräthen in das neue Schatzhaus, das er in Ktesiphon
erbaut hatte. ^
Darauf griffen die persischen Truppen das von Mauern
umragte, vom Wasser des Nils umgebene und mit starken
Thoren versehne Alexandria an, das Alexander nach den Rath-
schlägen seines Lehrers Aristoteles erbaut hatte. Nachdem sie
es schon einige Zeit belagert hatten, ohne es einnehmen zu
können, kam ein Mann Namens Petrus zu ihnen, der in seiner
Jugend aus dem Lande Qafar^ nach Alexandria gekommen
war, um Philosophie zu studieren, und sagte dem persischen
Feldherm, er wolle ihm die Stadt tiberliefern. Dieser Petrus
hatte nämlich eines Tages im Archiv der Stadt am Schluss
eines Buches folgendes gefunden: ,wenn sich tiber Alexandria
vom Westthor her, das nach der See zu Uegt, Drangsal erhebt,
wird die Stadt eingenommen.' Die Perser machten sich also fertig,
nahmen kleine Fischerboote, stiegen hinein, mischten sich in
aller Frühe, während es noch finster war, mit Fischerhtiten'
angethan, imter die Fischer, drangen so in die Stadt, tödteten 21
die Thorwächter, öffiieten ihren Genossen die Thore und riefen
auf der Mauer Chosrau's Sieg aus. Alle Leute ergriff da
Furcht. Dazu fasste der Wind viele Schiffe, in die man die
Schätze der Barche imd der Grossen geborgen hatte, um sie
* ,Damit scheint gemeint zu sein der olxoc tou ox($tou( Sv ocM^ c5x^pü>a6v ix
vlou xi{aa5 ilq cotdÖEaiv xpr^[iJtxtt}^ Theophanes 271 D* (Guidi) = 602 Bonn,
und, fttge ich hinzu, rb viov xaotiXXtov xh XTia6^ nap* aOtou hd napoOvjx^
TbW lutp* aOtou ouvo^BivTcov )(^pY)(jLiTb>v Chron. Pasch. 728.
' Die Halbinsel Baf^'ain. Qatar umfasst aber bei diesen Syrern alle Länder
des nordöstlichen Arabiens, wo damals viele nestorianische Christen
wohnten. S. unten S. 47 Anm. 2.
' Nor sehr zweifelnd übersetze ich so, indem ich ]1^^ dem talmudischen
113*^* luara gleichstelle (das übrigens wohl kaum mit Sigm. Fraenkel in
Knhn*s Literaturblatt 1, 416 aus pers. ^LoLa) zu erklären ist). Be-
denklich ist mir dabei die Präp. /O^. Aber der dreimalige Gebrauch
dieses WOrtchens in dem kurzen Satz erregt überhaupt Verdacht gegen
die Unversehrtheit des Textes.
26 IX. Abhandlung: Nöldeke.
zur See zu flüchten, und trieb sie ans persische Lager. ^ Diese
Schätze sandte man mit den Schlüsseln der Stadt an Chosrau
ab. Als aber der Bote mit den Schlüsseln zu Jezdin kam,
machte er noch in derselben Nacht goldene Schlüssel statt ihrer
und schickte diese dem König, um sich bei ihm noch beliebter
zu machen. Nachdem nun Jerusalem eingenommen war, legten
unsre Feinde, die Juden, an alle dortigen Kirchen Feuer. Bei
dieser Feuersbrunst ging auch die Auferstehungskirche* zu
Grunde, die von Constantin und Helena erbaut und mit un-
schätzbarem Marmor- und Mosaikwerk* geziert worden war.*
Die Söhne der Kreuziger begaben sich auch zum persischen
Feldherrn und sprachen: ,alles, was Jerusalem an Gold, Silber
und sonstigen Schätzen enthält, liegt unter dem Grabe Jesu.'
Das thaten sie arglistig, um die Stelle des Grabes zu verderben.
Als er ihnen dann Erlaubniss gegeben und sie ungefähr drei
Ellen tief rings herum gegraben hatten, fanden sie einen Sarko-
phag mit der Aufschrift: ,dies ist der Sarkophag des Baths-
herrn Joseph, der dem Leichnam Jesu ein Grab gegeben hat.'
Da der Feldherr aber die arglistige Absicht der Juden erfiihr,
jagte er sie schmählich fort. Und als Jezdin die Sache ver-
nahm, und sie dem König anzeigte, befahl dieser, die Habe der
Juden einzuziehn und sie zu kreuzigen. Joseph hatte vor
seinem Tode bestimmt, dass seine Leiche neben dem Grabe des
' Da haben wir endlich die wahre Erklärung des ,vom Wind herbei ge-
führten Schatzes* in den arabisch-persischen Quellen Tab.-Uebers. 378.
Mit Recht nennt also Ihn Qotaiba hier Alexandria.
* Hoffmann's Verbesserung JIäaoi für pQ^oi ist evident
* Ob ich ]m3Lo ,Würfel* hier richtig als »Mosaik* gefasst habe, ist mir nicht
ganz sicher.
* Dass die palästinischen Juden die Gelegenheit der persischen Eroberung
benutzt haben werden Jahrhundertlange Misshandlung empfindlich zu rächeiif
ist recht wahrscheinlich. Heraklios vergalt ihnen das nachher siebenfach.
Wie weit aber das Einzelne hier und bei Eutych. 2, 213. 221 f.; Theophanes
251 C richtig ist, können wir nicht beurtheilen. Orientalische Bhvählungen,
bei denen der Religionshass mitspricht, müssen wir noch viel vorsichtiger
aufnehmen, als es bei solchen occidentalischen nöthig ist. Entych. 2, 218
schreibt die Zerstörung der Constantinischen und anderer Kirchen schlecht-
hin dem persischen Feldherrn zu. Vielleicht haben auch hier Feuert*
brünste, die ohne bestimmten Plan entstanden sind, das Meiste gethan.
Vgl. Chrou. Pasch. 704.
Die Ton Oaidi herausgegebene syrische Chronik. 27
Herrn beigesetzt werde. Alsdann verlangte Jezdin vom Könige 22
Erlanbniss, die Eorehen in Jerusalem wieder aufzubauen. Da
schickte er viel Geld und erneuerte sie in allem Glanz. Auch
erbaute er aller Orten Kirchen und Klöster.^
Der persische Feldherr hörte aber auch^ dass die Kirche
des heil. Georg in Lydda* viele Reichthümer enthalte; daher
schickte er eine Menge seiner Soldaten hin, allein sie ver-
mochten nicht einzudringen, da sie von einer göttUchen Kraft
zurückgehalten wurden. Zuletzt ging er selbst in grossem
Zorne hin. An die Pforte der Kirche gelangt, spornte er sein
Ross an, um frevelhafterweise einzutreten, aber da klebten des
Rosses Ftisse am Boden fest, so dass es weder vor- noch rück-
wärts gehn konnte.' So zeigte ihm Gott, dass, wenn er ihn
auch in Jerusalem hatte eindringen lassen, seine Kraft doch
nicht schwach geworden sei, sondern dass er nur die Römer
hatte züchtigen wollen, die da behaupteten, Chosrau könne sich
Jerusalem's nicht bemächtigen. Da gelobte er, wenn er frei
werde, ein silbernes Geräth in Gestalt der Kirche des heil.
Georg's zu machen, und das ftlhrte er auch aus. Das wunder-
volle Geräth hängt noch jetzt in jener Kirche.*
1
Weil Jezdib hier genannt ist, darf man wohl annehmen, dass an der
Sache etwas ist. Der KOnig mag auf Jezdin's Zureden wirklich einige
Jaden, welche christliche Heilig^hümer verletzt hatten, hahen hinrichten
lassen und wird ihm erlaubt haben, einige Kirchen wiederherzustellen.
Ueber den Cultus des heil. Georg in Lydda (Diospolis) vgl. unter anderem
Gutschmid, Kleine Schriften 3, 184. Mit der Legende des Heiligen hängt
wohl irgend der Glaube zusammen, dass Jesus an der Pforte der grossen
Kirche dort (eben der Georgskirche) den Antichrist tödten werde Maq-
disi 176 etc. Das Fest St. Georg's in Lydda erwähnt ein Dichter aus
der Mitte des 8. Jahrhunderts Ibn Chord. (de Goeje) 79, 6; Agh. 6, 46 ult;
Jaq. 4, 354 (der Dichter hat ohne Zweifel .-^«^ .«^ i5%^ g^s^^ Ab^f
vielleicht hat schon der Verfasser der Agh&ni ^^«^ . y« gelesen). — Vgl.
noch Ibn Faqth 117; Socin-Baedeker, Palästina und Syrien', 16.
Ein ganz ähnliches Wunder begab sich etwa sieben Jahre später mit
dem Verfolger Muhammed's Suräqa Ibn HiSäm 331 f. und Buchärt (die
Stelle Krehl 3, 39 im Cap. Mandqib al-anfdr, mir von Goldziher nach-
gewiesen). Ibn Hagar, I^ftba 2, 135 hat gar zwei Verse, worin Surftqa
dies Wunder selbst bezeug^!
Der persische Feldherr mag wirklich der Georgskirche eine Dedicatiou
gemacht haben, vielleicht um den Zorn des mächtigen Heiligen Über
28 IX. Abhandlung: NAldeke.
Später sammelte aber Kaiser Heraklios viele Truppen und
zog wider Chosrau hinab, als er in Königs-Dasqarta^ sass; da
gerieth dieser vor ihm in Angst und empfand grosse Furcht
Heraklios war in die Nordländer gezogen und hatte da überall
grosse Verwüstung und Menschenraub verbreitet. Als er Das-
qartä nahe kam, floh Chosrau vor ihm und ging nach MabdzS.
Wie man erzählt, hörte er, als er aus Dasqartä entfliehn wollte,
23 den Schall einer Kirchenklapper;* da gerieth er in Angst, schlug
sich auf den Rücken und bekam Durchfall.^ Auf Sirin's
Worte: ,ftlrchte dich nicht, o Gott'* erwiderte er: ,wie bin
ich wohl ein Gott, da ich ja von einem einzigen Priester ver-
folgt werde?' Das sagte er aber, weil er gehört hatte, dass
Heraklios die Priesterweihe erlangt habe, während er ge-
schworen hatte, wenn er siege, in seinem ganzen Gebiete keine
Kirche und keine Kirchenklapper zu lassen.* Furcht und
Schrecken erfasste ihn aber deshalb über den Schall der
Klapper, weil er meinte, die Römer seien's, die eine Ellapper mit
sich führten und schon Dasqartä erreicht hätten.^ Da nahm Hera-
klios den ganzen Schatz des Reichs, durchzog mit Menschen-
raub und Plünderung viele Länder und kehrte darauf zurück.
irgend eine Unbill zu besänftigen. Hatte doch auch sein KOnig einst
den heil. Sergios reich beschenkt. So consequent waren die Leute nicht
in ihrer Religion, um nicht auch christlichem Volksglauben zugänglich
zu sein.
Lieblingsaufenthalt dieses Königs, heutzutage Eski-Baghd&d ,Alt-Baghd&d';
8. Tab.-Uebers. 296 f.
Das Geräth, welches die Christen im Orient zur Kirche ruft, wie bei
uns die Glocke.
Die Su(EvTep{a ebenso bei Theophanes (Bonn) 499 aus dem Bericht des
Heraklios. — Auch hier wird die Schmach der feigen Flucht betont
lieber die Bezeichnung des S&s&nidenkönigs als ,Gotf s. Tab.-Uebers. 45S,
Anm. 4; vgl. noch Aphraates 339. Dass grade der Sirln dieser heid-
nische Ausdruck in den Mund gelegt wird, geschieht wohl mit Rücksicht
darauf, dass sie ihre Hand von den Nestorianem abgezogen hatte.
Dieser Schwur ist natürlich eben so wenig historisch wie das Priesterthum
des Kaisers. Hätte Chosrau das Christenthum systematisch unterdrücken
wollen, so hätte er ja Gelegenheit genug gehabt, Kirchen zu zerstören.
Hier sind wohl zwei verschiedene Motive vermengt. Der Ton der
Klapper erschreckt ihn als christliches Zeichen, als Hinweis auf den
Sieg des Priesterkaisers. Dass er flieht, weil er die ROmer in unmittel-
barer Nähe wähnt, bt ein anderer Zug.
Di« Ton Ooidi heniMgefebeiM ■jrUche Chronik. 29
Alsdann empörten sich die meisten Trappen wider Chosrau,
und Samt&,' Sohn Jezdin's, und Nehonnizd> erhoben sich,
machten Chosraa's Sohn Seroi zum König und sammelten bei
ihm viele Trappen. Als Chosraa das hörte , erfassten ihn
Krämpfe and kamen Todeswehen über ihn^ er gab bei Nacht
sein Königthom aaf and floh mit zwei kleinen Knaben von
seinem Gesinde, die sich za ihm hielten. Sie flohen and ver-
bargen sich in dem königlichen Garten. Da er nan aber sah,
dass die Trappen ihn eingeholt hatten, weinten er and die
Knaben einander ins Gesicht. Er legte die Hand aaf einen
Zaon, am aaf die andere Seite za gelangen and za entfliehen,
aber aas Farcht vermochte er nicht dariiberzasetzen. Man er-
griff ihn also and brachte ihn gefangen ins Haas eines Mannes
Namens Mihraspend.' Man gab ihm nar so viel Brot, am eben
sein Leben za fristen.^ Daraaf forderten Samt4 and NShormizd
vom König Seroi, dem Sohne Chosraa's, die Erlaabniss, diesen
za tödten, and nachdem er eingewilligt hatte, traten sie za ihm 24
an den Ort ein, wo er gefangen sass. Samtä hob das Schwert
aaf, ihn damit za treffen; da ihm jedoch Chosraa entgegen
weinte and sprach: ,was habe ich an dir gesündigt, dass da
mich tödten willst?' schlag er nicht za. Aber Nßhormizd gab
ihm mit dem Beil einen Schlag aaf die eine and dann aaf die
andre Schalter.* Sein Sohn Seroi trag Leid am ihn, and man
* Ueber diesen Mann und die Stellang' der Christen oder Tielmehr der
Nestorianer tu diesen Ereignissen s. Tab.-Uebers. 368, wo ich aber
leider die Stelle des Elias von Nisibis (zu Barh. h. eccl. 2, 121) nicht be-
rficksichtigt hatte. Ueber diese ganzen Ereignisse eb. 356 ff Merk-
würdig, wie gleichmissig die von einander ganz nnabh&ngigen Erz&hlnngen
gewisse Einzelheiten haben; so den Garten, wo der KOnig gefangen
wird, nnd den Namen Mftraspend. Unser Bericht g^ebt aber noch neues
Detail.
* Ans Nhchormigd] s. Hoffmann n. 530. Dass Ntidpdr wirklich ans Nhjo
Sahpnhr entstanden ist (Tab.-Uebers. 59, Anm. 3), kann ich jetzt aus
der Schreibung «mxwi'J in dem Pehlewl-Tractat über die Städtegründungen
beweisen, von \ dem mir West gütigst eine Abschrift und Transscription
geschenkt hat.
' Die Araber und Armenier, gewiss richtiger, Märtupend (Tab.-Uebers. 362).
Der Name kommt auch unter den Mandäem vor vu^odikd Qolasta 50, 20.
* So Theoph. 502: apxov 3ccvt)^p^ toOtco StSovxfc xal GScop iXifiay^tfvouv.
* Zu ergänzen: ,und tOdtete ihn so*. — Dieser Ndhormizd ist derselbe, der
in der persisch-arabischen Ueberlieferung Mihrhormizd heisst Die Ge-
30 IX- Abhandlung: Nöldeke.
begrub ihn in der Grabstätte der Könige.^ Samtä handelte so,
weil Chosrau nach dem Tode seines Vaters Jezdin dessen Haus
ausgeraubt, Jezdin's Frau aber arg gefoltert hatte,* und
Nßhormizd, weil Chosrau seinen Vater getödtet hatte. Chosrau,
Sohn des Hormizd, hatte 38 Jahre regiert.
In den Tagen seines Sohnes Sßröi war Friede und Ruhe
für alle Christen. Die Grossen des Königs machten aber mit
§amt4 einen Anschlag und tödteten alle andern Söhne Chosrau's;
darunter auch Merdanääh, den Sohn der Slrtn.' Danach
ward Samtd, beim König angeklagt, dass er nach der Königs-
würde trachte. Er liess ihn deshalb holen und gefangen setzen,
und da er entfloh , ging man ihm nach und fand ihn im
arabischen l^ira. Da liess ihm der König die rechte Hand
abhauen^ und warf ihn ins Gefängniss.
In der Kirche aber wurde Idd'jabh von Gdhälä iJs Haupt
eingesetzt,^ der, obgleich er in seiner Jugend ein Weib ge-
schichte ist da romantisch ausgeschmückt and poetisch abg^mndet, aber
anter anderem stimmt zu unsrem Syrer, dass er den Tod seines Vaten
rächt und der Sohn eines sehr yomehmen Mannes ist; hier steht er ja
mit an der Spitze der Empörer. Auch der kleine Umstand, dass der Tod
durch das Beil erfolgt, findet sich an beiden Stellen. Wenn bei Thomas
von Marg& (Ass. 3, 1, 91^) Sam^ selbst den König tödtet, so ist das eine
Abkürzung der Erzählung.
Vgl. Tab.-Uebers. 382.
Damit sie die verborgenen Schätze anzeige. Ganz entsprechend der Hab-
gier dieses Königs, aber auch schon ganz die Praxis der 'Abb&siden!
Dass diese Frau §amt&^s rechte Mutter war, ist kaum anzunehmen, denn
das wäre wohl gradezu gesagt Aber durch diese Angabe wird sein Auf-
treten allerdings besser begrflndet als durch das, was Thomas angiebt
Bei Thomas tödtet Samt& mit seinen Leuten die Brüder Sör6rs schon
vorher. — Dass der Sturz des eben noch hoch mächtigen Königs weit
und breit tiefen Eindruck gemacht hat, sehen wir auch aus mehreren
arabischen Versen z. B. ,als den Kisr& seine Söhne (sie) mit Schwertern
zertheilten wie man Fleisch zertheilt' (Si)^&b s. v. ^Jaof*). Vgl. Agh. 4,
176, 4 V. u. 188, 23; Tab. 3, 907, 4 (und öfter citiert); Agh. 3, 29, 7
(Muzhir 1, 278 ist eine Fälschung).
Die er gegen seinen König erhoben hatte. Der, welcher diesen getödtet
hatte, wird wirklich hingerichtet worden sein, vrie die persisch-arabische
Ueberlieferung angiebt.
Frühling oder Sommer 628. Vgl. Elias Nis. (zu Barh. h. eocl. 2, 118).
Unrichtig hat Barh. 1. c. seine Einsetzung 626/6. Ueber diesen Katholikos
s. Ass. 3, 1, 105 ff. Gdhftl& lag nicht sehr weit von Mosol.
Die Ton Onidi kennsgegebMie syrische Chronik. 31
nommen hatte , durch sie sich nicht hatte abhalten lassen^ ^
sondern als Bischof der Stadt Balad' eingesetzt worden war;
znletzt ward er also zum Amt des Katholikos erhöht. Er war
mit allen Vorzügen geschmückt.
Als Sdr6i aber beim Eintritt des Sommers nach Sitte der
Könige gen Medien aufbrach ^^ überkam ihn Leibweh, und er
starb unterwegs nach einer Kegierung von acht Monaten.
Darauf machte man an seiner Statt den ArdaSir zum
König, den Sohn Seröi's und der Römerinn Anzoi (?), obgleich 25
er noch ein kleiner Knabe war. Doch als einer von den
persischen Feldherm, der sich dem Caesar HerakUos ange-
schlossen hatte, mit Namen Feruhän^, hörte, dass der Knabe
Ardadir König geworden sei, setzte er römische und persische
Truppen in Bereitschaft, kam nach Mähoze, besiegte das
persische Heer, drang ein und tödtete den Ardaäir. Den Samtä
aber, Jezdin's Sohn, holte er aus dem Gefkngniss und kreuzigte
ihn an der Pforte der Kirche von B6th Narqos,^ weil er eines
Tages die Tochter dieses Feldherrn geschmäht hatte. ^ Dann
entUess er die Römer, die mit ihm gekommen waren, und sie
gingen zu Heraklios.^ Mit ihnen sandte er diesem das Holz
* Zu gewissen Zeiten waren mehrere nestorianische Bischöfe verheirathet.
* Bekannter Ort am Tigpris einige Meilen oberhalb Mosul, jetzt Eski Mau^il
(yAlt Mosal*). — Nach 'Amr war er dort zwei Jahre lang Bischof (Ass. 2, 416).
' Ueber diese Sitte s. Tab.-Uebers. 353, Anm. 1 (Abu Dnlaf sagt: ^ch bin
ein Mann, der es wie die Chosroen macht; den Sommer bringe ich in
Öib&l [Medien], den Winter in *Ir&q zu' Ihn Roste 154). — Serde starb
in Dastagerd, eben auf der grossen Strasse nach Medien. Von seiner
Krankheit sprechen auch die arabischen Berichte.
* BUn anderer Name des Sahrbar&z = Femchdn {h and ck wechseln im
Persischen stark in der Nähe eines u). S. Tab.-Uebers. 292, Anm. 2.
Vermuthlich ist v'^r^ ^^r v^lf^ ^^^ lesen.
* So heisst ein Ort in Marg& (Ass. 3, 2, 178^, 10 v. u.), einer nestorianischen
Diöcese nördlich vom obem Z&b. In derselben DiOcese liegt ein Ort
Jezdin&b&dh (Ass, 3, 1, 601*); die Familie Jezdin's war wohl in der
Gegend begütert
^ Nahe liegt allerdings der Qedanke, Sahrbar&z habe den Rächer Chosran's
gpespielt Tab.-Uebers. 387, Anm. 1. Dagegen würde aber sprechen, dass
seine beiden Söhne mit an der Spitze der Empörung gegen diesen standen
Theophanes 501.
' Wenn er wirklich römische Truppen bei sich gehabt hat, so waren sie
gewiss wenig zahlreich. Aber sicher ist, dass HerakUos seine Rebellion
begünstigt hat.
32 IX. Abbandlnng: Nöldeke.
des Kreuzes Christi; das sie von Jerusalem gebracht hatten und
das im persischen Schatzhause niedergelegt war; dazu viele
Geschenke ohne Zahl.^ ArdaSir hatte aber ein Jahr und sechs
Monate regiert.* Dieser Feldherr Feruhän, der den ArdaSir getödtet
hatte ; regierte 40 Tage. Als er eines Tages M4hözS verliess,
stiess ihn einer seiner Helden^ von hinten mit einer Lanze
todt, und er wurde von allem Volk zertreten.
Die Perser machten darauf Borän,* das Weib Ößroi's*
zum König. Als diese zur Herrschaft gelangt war, schickte sie
weislich zu Heraklios den Katholikos Mar Idojabh^ um ftLr sie
mit ihm Frieden zu schliessen; ihn begleiteten Kyriakos von
NisibiSy Gabriel von Karchä in Garamaea^ und Märüthä von
26 Gusträ.^ Der Kaiser Heraklios empfing sie mit grosser Freude
' Also wie Seb^os und NicephoroB Cstpl. 115 weist auch diese alte Quelle
die Rückgabe des Kreuzes erst dem Sahrbarftz zu. ArdaSir lieferte es ans
nach 'Amr, der gewiss auch auf eine alte Quelle zurückgeht (Ass. 3, 1, 96).
Und ich glaube, man muss daran festhalten, dass dies schon 629 geschali;
s. Tab.-Uebers. 392. Die Yerschiedenen Unterhandlungen und Oeeandt-
schaften der rasch wechselnden Fürsten konnten schon von den Zeit-
genossen leicht verwechselt werden.
* Da sein Todestag der 27. April 630 (Tab.-Uebers. 388), Chosrau^s der
29. Februar 628 ist (eb. 382), so füllen die von Tabart und unsenn
Syrer gegebenen Zahlen die Zwischenzeit g^nau aus: acht Monate für
Sdroi, ein Jahr sechs Monate für Ardaätr = zwei Jahren zwei Monaten.
Diese Zahlen sind also zuverlässig.
' Dies alles stimmt gut zu Tab.-Uebers. 389 f., wo auch dieselbe Daner
der Regierung: 40 Tage. Zu beachten, dass sämmtliche Angaben über
die Regierungszeiten in unsrer Chronik richtig sind. — Die Nemesis
hat sich an allen grossen Frevlem der letzten Periode des Sftsftniden-
reiches furchtbar gezeigt: Chosrau selbst (der am Tode seines Vaters
mitschuldig war), Bahr&m, Bind6i, Bist&m, Sdrdi, Samt&, Nehormizd,
Sahrbar&z. Aber wie viele Unschuldige sind da mitgefallen!
* Für ^Joyö lies ^l'aö.
^ Dass sie Sdröi's Schwester war, steht fest Aber vielleicht war sie zu-
gleich seine Frau gewesen. Doch lieg^ die Annahme näher, dass ein
Abschreiber einmal aus Versehen 0i^>^) für otL^ ,seine Schwester* ge-
setzt habe und danach auch die andere Stelle corrigiert sei.
* S. oben S. 16, Anm. 4.
' Der Ort muss im nordwestlichen Mesopotamien gelegen haben. Mai, Nova
Coli. 10, 199 wird der Bischof von Gus^rft nach denen von Nisibis und
Maiferqdt und vor denen von Amid und Aghel genannt (als Theilnehmer
am Concil von Nicaea).
Die TOD Ouidi hennsgegebene sTiiBche Chronik. 33
und that ihnen alles , was sie wünschten.^ Börän, die Frau
Sßroi's, die Königinn der Perser geworden war, kam zuletzt
durch Erdrosselung um.*
Da machte man in der Stadt Istachr' den Jezdegerd
aus königUchem Samen zum König, mit dem das Perserreich
aufgehört bat. Der brach auf und kam nach Mäl^6z6 und
ernannte sich einen HeerfUhrer Namens Rustam.^ Darauf
führte Gott gegen sie die Kinder IsmaePs berauf, zahlreich
wie der Sand am Meeresstrande, deren Führer Muhammed
war, vor denen nicht Mauer noch Thor bestehn blieben, nicht
WaflFen noch Schilde, und sie wurden Herren des ganzen
Landes der Perser. Jezdegerd schickte ihnen zwar zahllose
Truppen entgegen, allein die Araber vernichteten alle und
tödteten auch den Rustam. Da schloss sich Jezdegerd in die
Mauer von Mi^^zS ein, flücbtete sich^ aber zuletzt und begab
sich in die Länder der Hüzier und der Merwer; dort endete
er sein Leben.* Und die Araber wurden Herren von Mäl^ozS
und allen Ländern. Aber sie zogen auch ins römische Gebiet
und plünderten und verwüsteten alle Theile Syriens. Der
^ Die beiden Ersten werden anch Ass. 3, 1, 91*. 472^ zusammen genannt
Für diese Mission hat Thomas von Marg& (Ass. 3, 1, 106*) neben dem
Katholikos, Kyriakos und Gabriel noch den Paulus von Hdhaijabh. Er
lasst die Gesandtschaft aber fälschlich schon unter der6i abg^ehn. Vgl.
Tab.-Uebers. 391 f.; Ass. 8, 1, 105.
* Das habe ich sonst nirgends g^efunden. — Leider flbergeht der Syrer
verschiedene kUrze und partielle Regierungen, die auf die Bdr&n*s folgten.
* So auch Tab.-Uebers. 397.
* Auch hier schon wird also nicht etwa Ruatahm oder Botaatahm ge-
schrieben (s. ZDMQ. 46, 141). Auch ein Mönch in der Mitte des 7. Jahr-
hunderts heisst >0k^o9 Ass. 3, 1, 454.
» Lies ^-^^^^^ (26, 12).
* Nach den arabischen Nachrichten floh er nicht ins Land der Hüzier
(Chüzistftn, Susiana), sondern zunächst nach Holw&n und dann nach
Medien, s. Bel&dhori 315; Tab. 1, 2439. — Das traurige Leben des
Königs, das endlich bei Merw endete, wird hier ganz kurz zusammen-
gezogen. — Für V«Jo^ (1. 13) ist vieUeicht W^r^ Ojsr«) "^ ^®^"
bessern, das gebräuchliche Gentilicium von Merw. Allerdings könnte
ZDMG. 43, 407, 2 jene Form zur Noth ,die aus Merw* bedeuten, aber
wahrscheinlich ist da, wie Hoffmann meint, V^o^ zu lesen; sicher so
Ass. 3, 1, 127^ 129». 135% wie ZDMG. 43, 402, 1. 404, 10 nach 396, 16
^o}lo fUr xO^ (über Maxün s. unten S. 47 Anm. 4).
Sitsnngsber. d. phiL-hist. d. CXXYin. Bd. 9. Abb. 3
34 nC. Abhandlung: Nöldeke.
römische Kaiser Heraklios sandte Truppen gegen sie, doch
die Araber tödteten von ihnen mehr als 100,000 Mann.* Als
aber der Katholikos Ig6'jabh sah, dass Mäböz6 von den Arabern
verwüstet und seine Thore nach 'Aqöli* gebracht worden waren,
indessen die, so dort blieben, vor Hunger dahinschwanden,
liess er sich in Garamaea im Orte KarchU nieder.
Nachdem Kyriakos von Nisibis entschlafen war, verklagten
die Nisibener aus Hass gegen ihn seine Schüler beim Emir'
27 der Stadt. Dieser liess sie einsperren, und man plünderte
auch die Celle ^ des Kyriakos und zugleich den Schatz im
Metropolitangebäude von Nisibis. Da fand man in seiner Celle
viele Kleider* und Leibröcke, seidene Vorhänge und goldene
Lämpchen,^ Sachen, welche Christi Schülern nicht anstehn.''
Darauf Uess der Katholikos M4r läo'jabh den Schriftausleger
von l^ira Bar^aumä kommen und machte ihn zum Metropoliten
im Kloster des heil. Sergios ausserhalb der Stadt (Nisibis);
auf dass sie sich mit ihm verständigten und ihn aufnähmen,
aber sie gingen nicht darauf ein.
Mär fäö'jabh führte aber das Patriarchat 18 Jahr lang.*
Seine Leiche ward im Martyrium der Kirche von ELarchä in
Garamaea begraben. Zum Patriarchen in der Kirche ward
^ S. unten S. 45.
« = Küfa, 8. unten S. 43.
' Wohl die älteste Stelle, wo uns das arabische j^\ im Syrischen begegnet
* So wird in den morgenländischen Kirchen das Wohnhaus der hohen
Geistlichen genannt.
» Oder jGeräthe*.
* Nach Hoffmann's Vorschlag lese ich (27, 3) "-^? pöb. Für ^r» ,8ättelS
das nicht wohl zulässig ist, setze ich ^r^> ohne meiner Sache recht
sicher zu sein. Bedenklich ist das Masc. )V^h^, da ^1^^^n doch wohl,
wie sein Sing., fem. sein wird; man könnte das männliche Attribut aller-
dings durch die Beziehung auf W^ erklären. Für das folgende ^? ^^
wäre wohl ^^^oi die nächstliegende Verbesserung. Jedenfalls kommen
hier mehrere Entstellungen zusammen.
' Ueber diesen Kyriakos s. ausser den S. 33, Anm. 1 genannten Stellen
noch Ass. 3, 1, 91». 141V 142». 2lö.
* Nach Elias von Nisibis (Baethgen 19) starb er 23. d. H. (beginnt 19. Nov.
643), nach *Amr (Ass. 3/ 1, 108^) 958 Sei. =r 646/7. Letztere Angabe
stimmt zu unserer Chronik. Mftri (*Amr) g^ebt ihm 19 Begierungsjahre
(Ass. 2, 416).
M&r Emmäi eingesetzt. Dieser wmr ans dem Gebiet tod
Arzon aus dem Dorfe Qozimar i?)^ und wmr zum Metropoliten
von B^ LipAt eingesetzt. Er hatte die Mönehstrmcfat im
Kloster des lIAr AlMiiliam Tom Izali angel^ nnd wnrde als
Mönch wie als Metropolit sehr gepriesen. Seit er nnn anf
den Lenchter des Katlndikosamts gesetzt worden war, ehrten
ihn aDe ismaelitisehen Machthaber.
Man erafthh folgendes: zwischen Mahöze nnd Qira li^
ein von Unter Jnden bewohntes Dorf Namens Mäthi Mhasji.*
Als nnn eines Tages ein Stndent da durchkam , packte ihn
einer von den Söhnen der Krenzigery nahm ihn in sein Haas
nnd hieb ihn eine ziemliche Tjöx gefangen , indem er ihn die
Mühle drehen Hess. Da ward nnn auf Befehl des Königs ein ss
Christ in irgend einer Angelegenheit in das Dorf geschickt
nnd kehrte durch Gottes Veranstaknng grade in jenem Hanse
ein. Als der Stndent ihn erblickte, jammerte er (nnd erzählte
ihm die Sache). Da packte der Christ den Hausherrn , und
dieser bekannte ihm die ganze Wahrheit mit den Worten:
yWenn du mir diese Missethat vergibst , weise ich dir einen
herrlichen Schatz nach^ Und er zeigte ihm eine SteUe in
seinem Hause, wo die Leichname Hananja's und seiner jugend-
lichen Genossen lagen.' Gott hatte die Sache mit dem Studenten
veranlasst, damit der Schatz der Leichname der Seligen auf-
gefunden werde. Wie man erzählt, musste Mar Eknm^h, als
er einst von Ma^öz^ nach Qira ging, grade in jenem Dorfe
1 Hoffinann denkt jm f^o^ac oder dgL = iV>*Sn Job. Eph. 415 ib XX(k>-
|Aip«dir Menjuider Prot fra^:m. 57; lo XXopipuv TheophjL 2, 7 und 8 (im
Gebiet Ton Arxon). 8. Gelxer*« Georg. Cjpr. S. 167 f. Diese Identification
bl^bt natürlich nnncher.
* Für diesen im babjL Talmud Öfter erwähnten Ort verweist Gnidi anf
Neabaner, G^ogr. da Talm. S44; Berliner, Beitrage aar Geogr. Babjl. 45;
de Goeje ZDMG. 39, 12. Ob Ma^MJä oder M^agjä an sprechen sei, lisst
sich nicht bestimmen. Der Ausfall des ff, im syrischen Text kann anf
einem Versehen bemhen, kann aber anch eine locale Aussprache wieder-
geben.
* Daas diese Gebeine in dortiger Gegend gefunden wurden, ist gans be-
greiflich. Babel war in der Kihe und ebenso die Gegend, wo die Legende
Ton Nimrod spielt, dessen Feuer dem Abraham eben so wenig hatte anthun
können wie das Nebucadnezar^s den GefiUirten DaniePs (Dan. 3).
3»
36 n^> Abhandlnng: Nöldeke.
tibernachten. Aus Furcht vor ihm nahmen sie ihn mit grossen
Ehren auf.*
M4r EmmSh baute die abgebrannte Kirche des Ellosters
des heil. Sergius von Mabhrachthä' wieder auf und schmtickte
sie mit aller Herrlichkeit. Denn dieser Regent war in seiner
erhabnen Herrlichkeit sehr ausgezeichnet. Zum Hirten von
BSth Läpät salbte er aber den Sergios^ Bischof von Nhar
G&r, einen tugendhaften und gerechten Mann, und sandte ihn
dahin. Auch begab sich Mär Emm^h hinauf nach Nisibis, um
die Bewohner zur Verständigung mit ihrem Metropoliten zu be-
wegen, aber sie unterwarfen sich nicht. Da Uess er den Isaac,
Bischof von Arzon, kommen und machte ihn zu ihrem Oberhaupt;
das war ein sittsamer und tugendhafter Mann. So lange er lebte,
ass er kein Brot von der Kirche von Nisibis und machte sich
nichts mit deren Besitzungen zu schaffen, sondern liess das fUr
ihn und seine Schüler Nothwendige aus seinem Lande kommen.'
In eben der Zeit trat ein Jude aus BSth AramÄjS auf,
29 aus einem Dorfe Namens Pallüghtä, wo sich das Wasser des
Euphrat zur Bewässerung der Ländereien zertheilt,* und sprach,
der Messias sei gekonmien. Er sammelte Weber, Teppich-
wirker^ und Wäscher um sich, etwa 400 Mann; die verbrannten
drei Kirchen und brachten den Oberbeamten des Landes um.
Da rückte aber ein Heer von 'Aqölä gegen sie aus, tödtete
sie nebst ihren Weibern und Kindern und kreuzigte ihr Ober
haupt in seinem Dorfe.
Femer wurden im Lande Behkawädh^ in einem Dorfe
Namens Satrü (?) einige Manichäer gefangen genommen. Wie
^ Die Auffindung der Gebeine selbst ist, wie die Erwähnung des (persischen)
Königs zeigt, früher geschehen. Die Geschichte wird nur erzählt, weil
der Patriarch einmal an dieser Stelle übernachtet hat.
* 8. oben S. 22 Anm. 1.
^ Er erkannte also seine eigne Metropolitenstellung nicht als legitim an.
Er wird erwähnt Ass. 2, 420.
* Qc^al Feüüge am Euphrat, ungefähr in gleicher Breite mit Baghdid,
liegt allerdings ziemlich am Anfang des Canalsystems. Der RelatiTsats
(mit methpalgm) giebt die Etymologie des Namens.
* Hoffmann verbessert t^r^ in V^?r^ (29, 2). ,Barbiere* konnte es unter
einer jüdischen Bevölkerung nicht in grösseren Mengen g^ben.
* Ein in drei Abtheilungen zerfallender Bezirk am Euphrat, wozu Babel«
Küfa und Hira gehörten.
I
Die TOD Guidi hezmosgegebeoe syrische Chronik. 37
man nämlich sagt^ sperrten diese einen Mann zu Anfang des
Jahres in einem Hause unter der Erde ein^ gaben ihm das
ganze Jahr hindurch alles zu essen ^ wonach seine Seele ver-
langte, tödteten ihn dann als Opfer für die Dämonen und
trieben das ganze Jahr mit seinem Kopf Zauber und Wahr-
sagerei. So schlachteten sie alljährlich einen.^ Ferner brachten
sie eine Jungfrau^ die noch kein Mann erkannt hatte, und
schliefen alle bei ihr; das von ihr gebome Kind kochten sie
auf der Stelle, bis sein Fleisch und seine Knochen wie Oel
waren, zerstiessen es dann in einem Mörser, bereiteten es mit
Weizenmehl zu, machten kleine Kuchen^ daraus und gaben
jedem, der sich ihnen anschloss, einen dieser Kuchen^ zu
essen; dann verleugnete er Mäni nie wieder.* Durch göttliche
1
Von den Heiden in Harrän berichtet ein Christ (Fihrist 321), dass sie
einen Menschen von einer gewissen (,mercurialen*) Beschaffenheit ge-
fangen nähmen und lange in Oel-und Borax setzten, bis seine Glieder
lose würden, so dass sich der Kopf leicht abziehen lasse, und dass sie
mit diesem Kopf dann Zauberei trieben, da er nach ihrer Meinung vom
Planeten Mercur beseelt werde.
« Lies l-H^ (29, 17).
' Lies K'r^ (29, 18).
*■ So erzahlt Epiphanius, haer. 26 (87 ^) von gewissen Gnostikem, sie trieben
einem von ihnen geschwängerten Weibe den Embryo aus, stiessen ihn
in einem Mörser, mischten die Masse mit Honig, Pfeffer und anderen
Gewürzen, um die Ekelhaftigkeit zu verdecken, und verzehrten sie dann.
Das nennten sie ,das vollkommene Passah*. Femer hat das mandäische
Sidrft Rabbft 1, 226 von den Christen: ,£in Judenkind tödten sie,
nehmen von seinem Blut, backen es in Brot und geben es zu essen, und
Menstruation von einem Hurenmädchen mischen sie mit Wein und geben*8
ihnen; im Kelch [!] zu trinken*. Und (S. 227) .Sieben Selige (V^Q-j)
kommen zusammen, schlafen bei einer Frau und werfen Samen in sie
hinein. Sie empfängt von ihnen, und dann schlagen sie sie nach sieben
Monaten, bringen ihn [den Embryo durch die Schläge] heraus, nehmen
ihn mit einer Nachgeburt mit Blut, Excrementen und Menstruation und
bereiten aus seinem Mark SegensOl. Dies Mysterium kochen sie in
Wasser. Und von seinen Knochen bereiten sie heilige .... (?). Das
braten sie in feinem Weizenmehl und reinem Honig (?) und werfen
Zauberei und Wollust hinein. Das wird das Heilig^hum der ,Kohle* ge-
nannt, das in den Herzen und Sinnen brennt* (,Kohle* nennen die Syrer
das Brot der Eucharistie!). — Aehnliches S. 228 von den Manichäem.
Und so erzählt ein Christ von den Harr&nischen Heiden (Fihrist 323),
dass sie einen neugebornen Knaben dem Götzen schlachteten, ihn kochten,
38 IX. Abhandlung: Nöldeke.
Einwirkung wurden aber alle gefasst; nämlich da sie einen
Studenten^ ergreifen wollten, dieser ihnen jedoch entkam. Sie
wurden nebst den Huren, die sie gefangen hielten und mit
denen sie Unfug trieben, gekreuzigt.* Es waren unge&hr
70 Leute.
30 Als Mär Emm^h das höchste Amt SVj Jahre lang ver-
sehen hatte, ^ starb er, und seine Leiche ward im Kloster des
h. Sergios von Mabhrachthä beigesetzt.
In jener Zeit ragten aber als Metropoliten und Bischöfe
hervor Mär Sabhiiäö' von Karchä,* der sein ganzes Leben
nur Kräuter ass, Isaac von Nisibis,* Sabhriäo' von IJtra, Jazd-
panäh von Kaäkar,^ Aristos von Nhar Gül, Moses von Ninive,'
Johannes von den Z4b, Sabhrifio' von TrihÄn® und Sergios
von B^th Läpät.»
bis er ganz weich wurde, dann mit feinem Weisenmebl, Safran, Narde, Ge-
würznelken and Oel kneteten, kleine, feigengrosse Kuchen daraus backten
und das als Opferspeise verzehrten. — Ueberall derselbe grause Unsinn,
dieselbe Roheit der Gesinnung, die dem Andersgläubigen jede Scheus-
lichkeit zutraut. Dass g^ade M&nfs Lehre dem Genuss lebender Wesen
widerstrebte, kam natürlich so wenig in Betracht wie trotz des Abscheiu
der Juden vor dem Blutgenoss das schändliche Märchen vom jüdischen
Blutritus zum Schweigen kommen kann, das in dasselbe Capitel gehört
wie jene Dinge.
^ Juden (s. oben S. 86) und Manichäer sollen also den jungen christlichen
Theologen besonders nachgestellt haben!
' Diese Kreuzigung ist leider gewiss so historisch wie das Abschlachten
und Verbrennen zahlreicher Juden wegen des ihnen ang^edichteten Blnt-
gebrauches.
' Barh. bist. eccl. 2, 127 giebt ihm drei Jahre. So M&ri (Ass. 2, 420),
nach dem er 958 = 646/7 während 'Othm&n*s Regierung starb.
^ S. Ass. 8, 1, 124^ unten. Dies und fast alle Citate in den nächstfolgenden
Anmerkungen schon bei Guidi.
^ Ass. 2, 420.
' Eb. und 8, 1, 188. Er war nach *AbhdiSd' ans Qatar.
' Ass. 2, 420. Der verschollne Name Ninive ward zur Bezeichnung der
DiOcese beibehalten.
' lieber die Landschaft, respective die DiOcese Tirh&n oder Trih&n (die
Gegend von S&marrft und Tagrit an der Ostseite des mittleren Tigris)
s. Hoffmann 188 ff.
' Ass. 2, 420. Die hier genannten Bischöfe von Karch&, Nisibis, KaSkar,
Ninive, Trihan und Beth L&p&t überlebten nach dieser Stelle noch den
Katholikos, der um 660 gestorben ist.
Die TOD Oaidi henuisgegebcne sjrische Chronik. 39
Aber Elias ^ Metropolit von Merw,^ bekehrte viel Volks
von den Türken und anderen Nationen. Merw ist nämlich
ein Flnss; nach ihm ist die Stadt und das Land benannt.
Man sagt, dass deren Innres 12 Parasangen gross ist und
dass innerhalb der äussern Mauer viele Städte und Burgen,
auch Weizen- und Gerstenfelder, Gärten und Parks liegen.*
Es ist aber von Alexander, Philipp's Sohn, erbaut und von ihm
Alexandria genannt worden. Nachdem er viele Völker im
Osten besiegt und unterworfen hatte, brach er auf, um nach
seiner Heimath zu ziehn, wurde aber von seinen Knechten
am Euphratstrom an einem Orte im Lande Babel, der B6
Niqj4 (?) heisst, durch Gift umgebracht. Er hatte 12 Jahr
und 6 Monate regiert.^ — Von diesem Elias, MetropoUten von
Merw, erzählt man folgendes: während er einst in den Gegenden 31
an den äussern Gränzen umherging, begegnete ihm innerhalb
^ Asa. 2, 420 und 3, 1, 148. An der letzteren Stelle werden seine Werke
aufgezählt
' Der Fluss bedingt allerdings die Fruchtbarkeit und Bewohnbarkeit der
Merw-Oase, aber den Namen (Marghu) hat doch wohl nicht zunächst
der Fluss getragen. Die nach dem Wortlaut nahe liegende Annahme,
hier sei das südliche ^Fluss-Merw* (Marvsi rddh arab. Marw arrüdhj ge-
meint, ist nicht haltbar; alles folgende weist auf das bei weitem be-
rühmtere und grössere ,künigliche Merw* (Marwi idhagdn; arab. Marw
aUdhagdn). — Vielleicht ist übrigens diese Beschreibung im Wesentlichen
richtig. Die ganze Oase war wohl mit einem Befestigung^wall gegen
die räuberischen Wüstenbewohner umgeben. Die 12 Parasangen (un-
gefähr 9 d. Meilen) konnte man als Längenausdehnung rechnen, so dass
die ganze Fläche bis zum Quadrat davon eingenommen hätte ; doch ge-
nügt es wohl, sie als Umfang zu nehmen. Natürlich haben wir hier nur
eine ungefähre Schätzung.
' Merw wird in den griechischen Texten des Alexanderromans nicht unter
den Gründungen des Königs genannt, wohl aber im syrischen und in
andern orientalischen (s. meine Abhandlung ,Beiträge zur Geschichte
des Alexanderromans' 24 u. s. w.). Auch die hier gegebene Zahl 12 Jahr
6 Monate stimmt nicht zu den griechischen Texten, wohl aber ziemlich
zum syrischen, der 12 Jahr 7 Monate nennt. Ich möchte also doch an-
nehmen, dass der Chronist den syrischen Text gekannt hat. Die besondere
Bestimmung des Todesorts, für den alle Andern schlechthin Babylon
nennen, beruht vielleicht auf einer Localüberlieferung. Ich halte fUr
wahrscheinlich, dass )^n*l^.r) ein Fehler für IaOaJ Lj^ oder l*n>1in =
Loüb (.SchaafhausenO ist; das ist ein Ort nahe bei Hira, also auf dem
Gebiet von Babel (s. u. a. Jaq. s. v.).
40 H* Abhandlung: Nöldeke.
dieser (Gegenden)^ ein Fürst, der mit einem andern König
Krieg führen ging. Als Elias ihn nun mit vielen Worten bat,
vom Blriege abzustehn, erwiderte er ihm: ,wenn du mir ein
Zeichen zu sehen giebst, wie es die Priester meiner Götter
machen, so glaube ich an deinen Gott/ Da riefen auf Befehl
des Fürsten die ihn begleitenden Dämonenpriester die Dämonen,
denen sie dienten, an: sofort trübte sich die Luft durch Gewölk
und Sturm, und Donner und BUtz folgten sich unaufhörUch.'
Allein da ward EUas von göttUcher Elraft bewegt; er machte
das Zeichen des himmlischen Kreuzes, verscheuchte dadurch
die von den abtrünnigen Dämonen bereitete Erscheinung, und
sie verschwand plötzUch ganz und gar. Da so der Fürst sah,
was der seHge Elias gethan hatte, fiel er in Verehrung vor
ihm nieder und nahm mit seinem ganzen Lager den Glauben
an. Der MetropoUt ftlhrte sie zu einem Fluss hinab, taufte
alle, stellte Priester und Diakonen flir sie an und kehrte heim.'
Seleukos hat aber 32 Jahre regiert* und Antiochia, Lao-
dikea, Seleukia, Apamea, Edessa d. i. Orhäi und Beroea d. i.
^ In der Uebersetzung nehme ich daa ? vor n^^N^ (31, i) als Wiederholung
des von fA? (30 ult). Aber ich bin meiner Sache nicht sicher. Vielleicht
sind eini^ Worte ausgrefallen, etwa 0^9 )^X»^ \ol^^ (^oouUo gl^9)
«innerhalb derer die Stadt Merw liegt*. Dass der Barbarenfürst mit einem
Heere innerhalb der Umwallung des Stadtgebietes gegen seinen Feind
ziehen durfte, konnte sich doch selbst ein syrischer Mönch kaum einbilden.
Sonst liegt allerdings die Uebersetzung am nächsten: ,in den Gegenden
an den äussern Gränzen, aber innerhalb dieser (Gränzen d. h. des
äussern Walles)*.
' Dass die Zauberer der Türken Unwetter (auch Schneegestöber) machen,
kommt auch in der persischen Ueberlieferung vor.
' Wir dürfen nicht bezweifeln, dass Merw, der bedeutendste Ort Chorfis&ns,
der Ausgang^punct für die Bekehrung vieler Hochasiaten geworden ist.
Grade der Zusammenbruch des SAs&nidenreichs mag zu neuen Be-
rührungen wilder Stämme mit den Nestorianem geführt haben. Das
Christenthum, das noch im 13. Jahrhundert in gewissen Gegenden Hoch-
asiens geblüht hat, scheint da im Lauf des 14. Jahrhunderts unter-
gegangen zu sein. Man hätte gern Näheres über den ,Exegeten der
Türken*, der einen ,hortus deliciarum* geschrieben hat und dessen Name
Abhd£§6* schon nicht mehr wusste, da er ihn sonst genannt hätte (Ass. 3,
1, 188; Assemani identificiert ihn falsch mit dem vor ihm Genannten).
^ Die Zahl ist richtig, von seiner Kückkehr nach Babylon 312 bis zu
seinem Tode 280 gerechnet.
Die TOD Quidi heraasgegebene syrische Chronik. 41
Qaleb erbaut.^ Babel^ das jetzt so heisst^ hat äemiramis er-
baut, aber das alte Babel ist da, wo der Thurm gebaut worden
ist.^ NinoSy Sohn des Belos, hat Erech d. i. Edessa, Acad d. i.
NisibiS; Chalne d. i. Ktesiphon, Calah d. i. Hatr^ Sanatrüg's
erbaut;' ebenfalls ist er der Erbauer von Ninive und Re-
hoboth.
In dieser Zeit, von der wir oben gesprochen haben,* 82
drangen die Araber, indem sie alle Länder der Perser und
Römer ^ unterwarfen, auch ins Land der Hüzier ein und Über-
schwemmten es.^ Sie nahmen alle festen Städte, nämUch Beth
^ Aas irgend einem Chronographen. S. Syncell 274 A (Bonn 520) ; Dionys
Telm. (Tullberg) 61. Dieselbe Nachricht hat J&qüt ans einem christ-
lichen Schriftsteller, s. 1, 171. 323. 2, 876. Eine ähnliche Angabe über
fünf von Seleukos erbaute Städte (Antiochia, Seleokia in Syrien, Selenkia
in Pisidien, Seleokia am Tigris und Karchä dbhSth Sloch) im ausführ-
lichen Text der Märtyrer Yon Karch& bei Be^an, Martyr. 2, 510. In
den ersten Partien dieses Martyriums ist überhaupt allerlei, was auf
griechische Quellen zurückgeht, in wirrer Verbindung mit biblischer und
einheimischer Ueberlieferung. Edessa ist auch nach Malalas 2, 142 (Ox.)
von Seleukos erbaut worden.
' Wahrscheinlich dachte der Verfasser bei der ersten Angabe an das Oert-
chen, das den Namen B6hil immer behalten hat, der andere an Boraippa
(arab. Bursy heutzutage B%r8 NimrüdJ,
' Diese, durchweg falschen, Identificationen der Gen. 10, 10 f. genannten
Städte sind bei den Syrern fast kanonisch geworden; s. Efr. 1, 58 B u. a. m.
Sie rühren vielleicht noch aus der parthischen Zeit her, sind jeden-
falls viel älter als die Angabe, dass Merw von Alexander gegründet sei.
Werthvoll ist, worauf Guidi hinweist, die Hinzufügung von ^Oj 1^ 1 Tff
zu der Stadt Hatr6 (^^Arpat in der mesopotamischen Wüste); hier haben
wir den parthischen Namen SancUrdk noch vollständig, und Tuch's und
Hoffmann^s Annahme, dass ^aJ»Ua), den die Araber als König von
Ha^S nennen, = o^^^Aso des BB sei, wird so gesichert (s. Hoffmann 185;
Tab.-Uebers. 500). Auch die falschen Formen yfi) für f«), V^^ für P^^
sind bei den Syrern von jeher recipiert.
* S. 83 f.
» Lies Uioo<ji5 für \»^^\ (32, 2).
« Trotz Efr. 2, 108 B ^o<n^9>Ä tiMjo und Joh. Eph. 402, 14 V^^^ö clilXO
,sie (die Babylonier, resp. Avaren) überschwemmten das (ihr) Land* bin
ich unsicher, ob ^^«^ hier richtig ist, denn eben ein Wort wie )^^V^
fehlt hier. Ich habe an ^^^ gedacht.
42 IX. Abhandlung: Nöldeke.
Läpä(; Karchä dLedhan^ und die Burg Südan^^ ein; und bloss
die sehr festen Städte SüS und SoStr^* blieben übrig, während
von allen Persem keiner mehr den Arabern Widerstand leistete
als König Jezdegerd selbst und einer von seinen Heerflihrem
Namens Hormizdän, ein Meder,* der Truppen zusammenzog
und Süä und Soätre besetzte. Diese Stadt SoStrfi nimmt einen
sehr grossen Raum ein und ist durch mächtige Flüsse und
Wasseradern, die sie von allen Seiten wie Stadtgräben um-
ringen, sehr fest. Einer von diesen Gräben heisst ArdachSirag&n
nach Ardachäir, der ihn angelegt hat, ein andrer, der durch
die Stadt hindurchgeht, Samiräm nach einer Königinn (die so
hiess); ein andrer Däräjagan nach Darius. Der grösste von
allen ist ein mächtiger Giessbach, der von den nördlichen Bergen
herkommt.^ Wider den Meder Hormizd4n zog da ein arabischer
* Der Ort Karchä dlAdhän (\r^, \?P, vr*^)» oft i^ syriachen, besonders
nestorianischen Schriften genannt, hiess nach den Acten des Mftri 83
ursprünglich Karchä dRidJidn. Bei den Moslimen Karchä, das Maq-
disi 408 als eine kleine blühende Stadt nennt. Die Rainen etwas eber-
halb derer von Susa am Flusse Kerchä, der, wie de Gk>eje zu der Stelle
Maqdisfs bemerkt, eben von der Stadt den Namen hat. Vgl. Tab.-Uebers. 58.
' ,Die Burg Susan* ist der biblische Name von Susa (Neh. 1, 1; oft in
Esther; Dan. 8, 2). Dies ist aber auch die Stadt DanieVs, die gleich
darauf richtig mit dem spätem SiÜ {Süa der Araber) gleichgesetst, hier
aber doch von jener Burg Sudan unterschieden wird. Ob die VerwirruDg
vom Verfasser oder einem Abschreiber herrührt, mag ich nicht entscheiden.
» Sostra PUn. 12, § 78. Bei den Syrern I^Z^oa., ^ht^^^ (ZDMG. 43, 393),
9^^aA>, auch ^|2>-iAA, (Martin, L'Hexam^ron de Jacque d'^desse 98, 8);
Talm. nnvnv (Neubauer 382), arab. TWtor, heutzutage SüHer. Gewiss
liegt auch dem SonraU Plin. 6, § 136 ein ZQZTPATE d. i. Zcodtpi ts
zu Grunde.
^ Der bekannte Mann, den die Araber alHormuxän nennen. Er war ans
Mihrgftnkadhak im südwestlichen Medien (Bel&dhori 380).
^ Aus dem reichen Material und der Darlegung, die ich beide von Hoff-
mann erhalten habe, konnte ich hier eine kleine Abhandlung über die
Topographie von SüSter geben. Ich will aber nur bemerken, dass der
Ddräjagdn als Darigan noch bei neueren Reisenden vorkommt, wie denn
diese Schilderung im Wesentlichen noch jetzt zutrifft. ArdaeküragAn
geht auf ArdachMrf eine etwas ältere Form von Ardai^ zurück. Bei
diesem denkt man allerding^s zuerst an den Gründer des SAs&nidenreichs;
doch kann es auch ein anderer Gross- oder KleinkOnig gewesen sein,
wie der Ddräjagdn (wohl aus Ddrajdwakdn) nicht nothwendig nach einem
der Achaemeniden dieses Namens genannt zu sein braucht Samirdm ist
natürlich Semiraniis. Der Hauptfluss ist der IhtgeUl, heutzutage Qdr^n,
Die Ton Oaidi herausgegebene syrische Chronik. 43
Feldherr mit dem Beinamen Abu Müsä, der dort, wo der Tigris
ins grosse Meer fliesst^ Ba§ra als Ansiedlang der Araber er-
baut hatte, ^ eine Stadt zwischen dem Culturlande und der
Wüste, so wie Sa*d Sohn des [Abu] Waqqä§ eine andre An- 33
siedlang fiir die Araber angelegt hatte, nämlich die Stadt 'Aqöla,
die wegen der Krümmung (kfifüthä) des Euphrats Küfa
genannt wurde.* Als nun aber Abu Müsa gegen Hormizdän
heraufzog, stellte dieser eine List an, um die Araber so lange
vom Kampf gegen ihn abzuhalten, bis er ein Heer zusammen-
gebracht hätte. Er Uess dem Abu Müsä also sagen, er möge
mit Menschenraub und Mord aufhören, er wolle ihm so viel
Tribut senden, wie sie ihm auflegten. So bheben sie zwei
Jahre lang. Dann brach aber Hormizdin im Vertrauen auf
die Mauern den Friedensvertrag, tödtete die Männer, welche
die Gesandtschaften zwischen ihnen besorgt hatten,' von denen
einer Georg, Bischof von Ulai,* war, und sperrte den Abraham,
Bischof von Poräth, ein. Er schickte viele Truppen gegen die
Araber, aber diese vernichteten sie alle, eilten herbei, belagerten
Süd, nahmen es in wenig Tagen ein und tödteten sämmtUche ange-
sehenen Leute darin. Sie besetzten das Haus dort, so das des
heil. DaniePs hiess, bemächtigten sich des da eingeschlossnen
^ Abu MÜ8& alAS'aii hat zwar nicht die Anlage Ba^ra begonnen, aber die
erste Moschee aus Ziegeln und das Haus des Statthalters erbaut Belft-
dhort 347.
* Da das STrische AqSld wirklich ,die krumme* (st abs. f. oder st. emph.
m.?) heisst, so ist sehr wohl mOglich, dass Ki\fa wirklich zu l3^ in
der Bedeutung gerundet, gekrümmt* gehört (vgl. <^Ji5üUo\ n. a. m.);
dazu stimmt die bessere Etymologie der Araber (Ihn Faqüi 162 u. a.
!j\jJl«A>^\ rj^y^Wi J^q. 4, 322). Der Name muss dann aber bei den
Arabern schon älter gewesen sein als die Gründung der grossen Stadt,
denn damals war das Wort gewiss schon nicht mehr allgemein verständ-
lich, und hätte man die Stelle ganz neu benannt, so hätte man ihr einen
deutlichen Namen gegeben. Ganz so ist es mit Ba^ra.
' Ich lese <^*NV>V>9. — Wir müssten das Einzelne besser kennen, um zu
beurtheilen, ob dies Verfahren gegen die Leute, die er früher zu den
Arabern gesandt hatte, wirklich so abscheulich ist, wie es beim ersten
Anblick zu sein scheint. Dem Manne, der nachher den Arabern gute
Rathschläge zur Eroberung seines Vaterlandes gab, ist allerdings manches
zuzutrauen.
* Ich fasse dies mit Guidi als den biblischen Namen des Flusses von Susa,
also ihn als Bischof dieser Stadt.
44 IX. Abhandlung: Nöldeke.
Schatzes ; der auf Befehl der Könige seit der Zeit des Darios
und Cyrus bewahrt worden, und den silbernen Sarkophag, worin
die einbalsamierte Leiche lag, die von vielen fiir die Daniel's,
von andern für die des Darius erklärt wurde, zerbrachen und
nahmen sie. Dann belagerten sie Södtre und mühten sich zwei
Jahr lang ab, es einzunehmen.^ Da verabredete sich ein dort
angesiedelter Mann aus Qatar^ mit einem, dessen Haus auf der
34 Mauer stand, und sie machten einen geheimen Anschlag, gingen
zu den Arabern hinaus und sagten ihnen: ,wenn ihr uns ein
Drittel der Beute aus der Stadt gebt, so bringen wir euch hinein.'
So schlössen sie einen Vertrag, führten dann Minengänge unter
der Mauer durch und brachten die Araber hinein. Diese
nahmen also ^dtrS, vergossen da Blut wie Wasser und tödteten
den Schriftausleger der Stadt und den Bischof von Hormizdar-
daäir^ nebst den Studenten, Priestern und Diakonen; ihr Blut
vergossen sie im HeiUgthum selbst. Den Hormizdän nahmen
sie lebend gefangen.
^ Darauf, dass die Eroberung Chüzüiftn^s, die durch die Besetzung düSter's
ziemlich abg^chlossen wurde, geraume Zeit in Anspruch genommen hat,
deutet' wohl auch die Verschiedenheit der Angaben über den Kampf um
diese Stadt, s. Ihn Athir 2, 421, wo die Jahre 17, 19, 20 d. H. genannt
werden. Die Belagerung selbst hat allerdings schwerlich zwei Jahre
gedauert; Ihn Athir 3, 427 hat dafür einige Monate. Bel&dhori erzählt
gleichfalls, dass erst Süd und danach SüSter genommen sei ; so eine Nach-
richt bei Ihn Athir 2, 431, während der Hauptbericht bei ihm das Um-
gekehrte hat.
* Auch nach Bel&dhorl 380; Ibn Athir 2, 427 f. fiel dü&ter durch einen
Yerräther, der den Belagerern zeigte, dass sie sich an der Stelle, wo
der Fluss in die Stadt tritt, einschleichen könnten. Das ist wahrschein-
licher, als was der Syrer erzählt — Dass SüSter sich erst friedlich unter-
worfen habe (= dem ersten Vertrage Homiizd&n*s) und dann abgefallen
sei, auch BeUtdhorl 381 ult. — Wunderlich, dass sowohl der Verr&ther
Alexandria's (oben S. 25) wie der düsteres aus Qa|ar gewesen sein soll!
Hat am Ende bloss die auch hier gebrauchte Redensart q(ar rdzi ,ge-
heime Anschläge machen* dazu geführt?
' Die unterhalb Südter am Q&rün liegende Stadt, die später meist nach
dem Namen der Provinz Ahwäz hiess und unter dieser Benennung noch
auf den Karten zu finden ist. Vgl. Tab.-Uebers. 19. Sie kommt noch
manchmal in syrischen Werken vor. Die Ebene von Chüzistftn war da-
mals zum grossen Theil christlich.
Die TOD Gaidi henuBgegebeoa sTiische Chronik. 45
Darauf ging von den Arabern ein Mann Namens Chälid
aosy zog nach dem Westen nnd eroberte Länder und Städte bis
nach 'Arab.^ Als der römische Eitiser Heraklios das hörte^
sandte er ein grosses Heer gegen sie, dessen Führer Sakellarios
hiess, aber die Araber schlagen sie, vernichteten mehr als
100,000 Römer und tödteten ihre Führer.* Auch den Bischof von
öira iSo'dädh, der dort bei *Abd Ma§th war und die Gesandt- 35
schafken zwischen Arabern und Römern besorgte, tödteten sie.'
So wurden die Araber Herren aller Länder von Syrien und
Palästina. Sie wollten auch nach Aegypten eindringen, konüten
es jedoch (zuerst noch) nicht, da die Grenze durch den Patriarchen
von Alexandria mit einem Heer und grosser Macht behütet
wurde, er die Ein- und Ausgänge des Landes verschlossen uAd
überall am Rand des Nils Mauern* erbaut hatte. Wegen deren
Höhe vermochten die Araber nur mit Mühe einzudringen und
Aegypten, die Thebais und Africa^ einzunehmen. Von Kummer
über die Niederlage der Römer überwältigt, ging Kaiser
> S. oben S. 14, Anm. 4.
* Dasselbe, was oben 8. 34 steht, nur ein bischen ^nauer. Gemeint ist
natürlich die Entscheidungsschlacht am Jarmük. Als das römische Heer
heranrückte, mussten die Araber fast ganz Syrien räumen. — Vgl. u. a.
ZDMG. 29, 79.
' Ch&lid hatte mit den Leuten von Hira und besonders mit 'Abdalmasit>
b. *Amr, den Guidi mit Kecht in diesem *Abd Mafit^ wiederfindet, unter-
handelt, ehe er noch seinen berühmten Zug durch die Wüste (,nach dem
Westen*) antrat, um in Syrien das Commando zu übernehmen. — *Abd
Maäi]^ war aus dem hochangesehnen Geschlecht Buqaila; seine hervor-
ragende Stellung bestätigt auch unsre Erzählung. Die arabische Ueber-
lieferung macht einen Witzbold aus ihm, indem sie ihm Antworten in
den Mund legt, die sich zum Theil in der Vita Aesopi c. 4, S. 16 (Wester-
mann) wiederfinden, s. Belftdhori 243; Tab. 1, 2019. 2043; Agh. 16, llf.
Auch noch andere Fabeleien hat man ihm angehängt, s. Tab.-Uebers. 254;
Mas'üdi 1, 217 ff.
*• Indem Hoffmann I'a^ (35, 6) mit den Pluralpuncten versieht, die auch
durch das ,an allen Orten* erfordert werden, bringt er die richtige Be-
zeichnung des Suffixes in ^ooi/ nSn^n zu Weg^. Die Praepositiou ^^
ist da allerdingfs auffallend.
' Wir brauchen hierbei wohl nur an die Einrichtung der östlichen Provinz
(Grtlndung von Qaimw&n 670), nicht an die Unterwerfung des ganzen
Küstenlandes (Gründung von Tanger 707/8) zu denken.
46 IX. Abhandlang: Nöldeke.
Heraklios nach seiner Hauptstadt, ward krank nnd starb. Er
hat zusammen mit seinem Sohne 28 Jahre regiert.^
Der Sieg der Kinder Ismaers, welche diese beiden mächtigen
Reiche tiberwunden und unterworfen haben , ist von Gott ge-
kommen. Aber tiber Constantinopel hat ihnen Gott noch keine
Gewalt gegeben.* Also ist sein der Siegl
Darüber, was die Kuppel Abraham's' eigentlich sei, haben
wir nur folgendes gefunden: weil der selige Abraham reich an
Vieh war und sich auch von dem Neide der Kanaaniter fem
halten wollte, beschloss er, sich in entlegenen und ausgedehnten
Wtistengegenden aufzuhalten, und da er in Zelten wohnte, so
erbaute er sich zur Verehrung Gottes und zur Darbringung der
Opfer jenen Ort, und von diesem früheren Bau hat auch der
heutige seine Benennung empfangen, da die Erinnerung an die
Stelle durch Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht be-
36 wahrt worden ist. Und fUr die Araber ist es nichts neues,
dort anzubeten, sondern diese Sitte herrscht schon längst seit
alten Tagen, indem sie dem Stammvater ihres Volks die ge-
bührende Ehre darbringen.* Auch Hazor, das die Schrift die
Hauptstadt der Reiche nennt,^ gehört den Arabern,® und Medina
ist so nach Midian dem vierten Sohn der Ketura,^ geheissen;
es wird auch Jathrib genannt. (Zu Arabien gehören ferner)^
Dömat gandaP und das Land der Hagaräer, reich an Wasser,
^ Richtig. Heraklios, der am 7. Oct. 610 den Thron bestiegen hatte, er-
hob am 22. Jan. 613 seinen Sohn Heraklios (Neos Konstantinos) zam
Mitregenten, und das blieb er bis zu des Vaters Tode, am 11. März 641.
' S. die Einleitung oben S. 3.
» Die Ka'ba.
* Der Verfasser nimmt die muslimische Legende ohne Bedenken an. Darin
hat er allerdings Recht, dass die Ka'ba nicht etwa erst durch Muhammed
zum Heiligthum geworden ist.
» Jos. 11, 10.
^ Worauf sich diese Behauptung gründet, ist mir völlig räthselhaft An
eine Verwechslung von '®^ mit ^Qi09^ Gen. 10, 26 oder an J^\,
)f-^ (s. oben S. 41) ist nicht wohl zu denken.
» Gen. 26, 1 f.
* Etwas derartiges ist zu ergänzen.
' Die bekannte Oase Dümat algandal im nördlichen Arabien, heute a^
ädf genannt. Zu Muhammed's Zeit war der dortige Fürst ein Christ
(Ihn HiS&m 903, 3).
Dia Ton Goidi bcnnsgcfebeiie tyrbcb« Ckronik. 47
Dattelpalmen nnd festen Gebänden.^ In dieser Weise ist aach
das Land Qatts^ gut ausgestattet, das am Meer in der Nachbar-
schaft der Qatar-Inseln liegt; es ist ebenfalls mit mannigfachem
Pflanzenwnchs reich versehen.* Ihm gleicht das Land Mazün,
anch am Meere liegend , das mehr als 100 Parasangen Raum
einnimmt,^ und das Land Jamama, mitten in der Wüste,* und
das Land Taif ^ und die Stadt Qira, von dem König Mundhir
erbaut, so ,der Held' geheissen ward und der sechste in der
Reihe der ismaelitischen Könige war.*
^ He^ar im Innern von Bahrain. Es kommt im 6. und 7. Jahrhundert
öfter als Wohnsitz nestorianischer Christen und als DiOcese vor ZDMQ.
43, 404. 407; Ass. 3, 1, 136. Der Dattelreichthum dieser Oase ist bei den
Arabern hochberühmt, vgl. z. B. K&mil 202. 441. Ueber die persischen
Schlosser dort s. Tab.-Uebers. 260. — Vgl. Wüstenfeld, Bahrein und Jem&ma
(Abb. der k. Oes. d. Wiss. zu GOtüngen Bd. 19) S. 6 ff. (178 ff.); Sprenger,
Das alte Arabien § 169.
' AlChaU, die Küste des jetzt LaJ}*d genannten Landes, seit Polybius oft
genannt, s. Sprenger, Das alte Arabien § 170; Wüstenfeld a. a. O. 9 (181).
Im 7. Jahrhundert nestorianische DiOcese Ass. 3, 1, 136. 143^ ZDMQ.
43, 407. — Ueber Qatar s. oben S. 25, Anm. 2. Mit dem Ausdruck Qtifrdje
werden die Leute aus allen diesen Gegenden zusammengefasst (s. B. Ass.
3, 1, 183% 11 ; die BriefUberschrift Ass. 3, 1, 134^). Beachte, dass im Catalog
des Abhdi&6* mehrere Schriftsteller aus Qatar vorkommen. — Der officielle
Name von Chatt H^?^) '•^^■^^ ZDMG. 43, 407 ist gewiss identisch mit
dem Tab. 1, 820 in verschiedenen Entstellungen erscheinenden, aber
Form und Bedeutung vermag ich wenigstens doch nicht festzustellen. —
Hinter V^? (1. 9) verbessert Hoffmann ? ^^ wie 1. 12 und 13.
• = 'Oman, s. Jaq. 4, 521 f. Als Diöcese ZDMG. 34, 396 und öfter (vgl. oben
S. 33, Anm. 7). Die Christen von 'Oman gingen schon früh zum Islam über,
s. die dort citierten Stellen aus Ass. 3, 1. — Der Verfasser hätte hier u. a.
noch die zwischen Bahrain und 'Om&n gelegene Insel Mdhndhig nennen
können, die gleichfalls als Diöcese vorkommt ZDMG. 43, 395. 404; Ass.
3, 1, 136*; (^oulQ-AlO; talm. rrertD Rosch hasch. 23*; arabisch ^U-^
Jaq. 3, 132). ^"
* Ein oft genanntes grosses Gebiet im Innern Arabiens. Auch da gab es
Christen; Haudha, der dort wohnende hochangesehne Häuptling der
Banü Hanifa, feierte Ostern; vgl. Tab.-Uebers. 258 mit 263. — S. noch
Wüstenfeld's, eben genannte Abhandlung Bahrein und Jemftma.
'^ Ich halte wenigstens Guidi*8 Vermuthung, dass ^^Q-j diesen nach Mekka
und Medina wichtigsten Ort des Hig&z (im weiteren Sinne) bezeichnen
soll, für sehr wahrscheinlich.
^ ,Damit scheint Mundhir I, der sechste la^mitische Fürst (nach den beiden
*Amr, beiden Imrulqais und N<i*m&n), gemeint; ich weiss nicht, ob der
48 IX. Abh.: Nöldelce. Die Ton Onidi heraasgegeb^ie syriacbe Chronik.
Zu Ende sind die wenigen Notizen aus der Kirchen-
geschichte.
\r^^ [,Held'] dem Mehm [,GrÖ8sten<] NMdeke, Gesch. 87 entspricht'
(Quidi). Wichtig ist auf alle Fälle, dass, wie wir hier sehen, schon die
Syrer die Keihe der Fürsten von Hira festzustellen suchten. Die Kelbfs
fanden also auf diesem Gebiet schon einigermaassen festen Boden.
)
X. Abbjuidliing : Ziogerle. Der HiUrios-Codez von Lyon.
X.
Der Hilarius-Codex von Lyon.
Von
Prof. Dr. Anton Zingerle»
correep. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
JNur in ein paar der zahlreichen nnd meine Bemühnngen
freundlich anerkennenden Besprechungen der Ausgabe des
hilarianischen Psalmencommentars wurde auf einen erst in
den letzten Jahren bekannt gewordenen Lyoner Hilarius-Codex,^
und zwar von competentcr Seite mit der Bemerkung aufmerksam
gemacht, dass nach Benutzung so vieler alter Handschriften,
worunter zwei aus derselben Zeit, dieser Codex wohl nicht
viele wesentliche Aenderungen veranlasst haben würde.* Dennoch
war ich, als ich schon vorher, eben nach Abschluss der Aus-
gabe, von dieser Handschrift als hilarianischer Kenntniss erhalten
hatte, in einer gewissen Aufregung; denn wenn auch die Nicht-
benutzung derselben durch die angedeuteten zeitUchen, sowie
durch die Verhältnisse unserer Bibliothek, die von den fran-
zösischen Katalogwerken damals noch nichts besass und auf
diesem Gebiete mich nur auf Excerpte von freundlichen Ge-
lehrten anwies, gewiss entschuldigt gewesen wäre, so würde
mir doch eine dadurch veranlasste wesentliche Schädigung der
» Vgl. Delißle» Notices et Extraits XXIX, 2, p. 364 und Album pal^o-
graphique pl. V. Er ist allerdings identisch mit Nr. 381 bei Deladine,
Bibl. de Lyon, dort war er aber noch nicht mit Hilarios, sondern blos
allgemein als Commentarius in psalmos, wie mehrere andere, bezeichnet
und dem 8. Jahrhundert zugewiesen. Mit derselben unbestimmten Be-
zeichnung hatte ich ihn auch bei Haenel S. 194 gefunden und darum
von der Bitte um Zusendung abgesehen, zumal da ich mit ähnlichen
Handschriften nutzlose Versuche gemacht hatte. VgL Studien S. 942
und Ausgabe p. 878. — Ich citire im Folgenden nach meiner Ausg.
• VgL z. B. Archiv für lat. Lexikogr. VH (1892), a 616.
SitzuDgsber. d. phil.-bist. Ol. CXXVm. Bd. 10. Abb. 1
2 X. Abbjuidlang: Zingerle.
Ausgabe, flir welche so viele Mühe verwendet und die Ueber-
lieferungsgeschichte sonst so vollständig verfolgt war, natürlich
sehr zu Herzen gegangen sein. Selbstverständlich daher, dass
ich mir möglichst bald durch Proben aus verschiedenen und
zugleich besonders bezeichnenden Partien, die sich aus den
nach Paris gekommenen Quaternionen,^ aus dem Haupttheile
in Lyon und aus dem Facsimile im Album pal^ographique
zunächst erreichen Hessen, über die Stellung und den Werth
dieses Codex ein Bild zu verschaiflFen suchte. Ich halte es für
nützlich, dasselbe in den Hauptumrissen mit hoffentlich bereits
ziemlich überzeugenden und tröstlichen Beispielen schon vor-
läufig vorzuführen, indem ich mir übrigens für die praefatio
des zweiten Bandes Mittheilung etwaiger flir Einzelstellen
irgendwie beachtenswerther Ergebnisse der vollständigen Col-
lation vorbehalte. Den Herren Professoren Hofrath v. Hartel,
Traube, Vrba, Wölfflin muss ich flir die gütige Unter-
stützung meiner Bestrebungen zur Erreichung dieses Bildes
den herzlichsten Dank aussprechen. Ich bezeichne im Fol-
genden den Lyoner Codex mit dem Buchstaben L.
In Bezug auf Buchstabenverhältnisse und Orthographisches
zeigt L dieselben Erscheinungen, die wir mehr oder weniger
in allen älteren Codices sichtUch aus dem Archetypus erhalten
trafen;* in der fast regelmässigen Wiederkehr mancher der-
selben berührt er sich besonders mit V und G; so schreibt er
mit VG adqußy eclesia, eseias, profeta^ adpraehendo^ optineo
u. dgl., mit G die Abkürzung fi, flir noster und seine Casus
(z. B. p. 367, 8 flir nostrum), mit V gerne aliutj istutj illut,
paruoliy p. 486, 21 mit demselben et uellit st. ut uelit,^ p. 366, 7
mit V*RC repperiatur. Viele der Textverderbnisse, in denen
er sich ebenfalls mit V am häufigsten und oft sehr auffallend
verwandt zeigt, erklären sich im Grunde auch durch derartige
^ Ueber dieselben, die dort unter Nouv. acq. lat 1593 (= Fonds Libri 3)
stehen, und über die Art, wie sie nach Paris gekommen, vgl. Delisle,
Les manascr. des fonds Libri et Barrois (1888), p. 13, Nr. XII.
' Vgl. meine Studien zu Hilarius, Sitzungsberichte der kais. Akademie in
Wien CVIII (1884), S. 878 ff.
' ut statt ei steht in VL p. 486, 20; et statt ex in YL p. 359, 3 u. dgl.
Der Hilarius-Codez too Lyon. 3
uns bekannte Verhältnisse, p. 355; 8 z. B.^ wo V statt esset
edenda (RCp) den Fehler esset tenenda bot, wird derselbe
durch das esset eneda des L weiter dahin beleuchtet, dass
auch hier die in unserer Ueberlieferung oft begegnende Ver-
wechslung der Buchstaben d und n^ zum Verderbnisse mit-
wirkte. Hat da aber L die zweite Weiterbildung des Ver-
sehens* vermieden, so ist er umgekehrt p. 370, 18 bei auch
wieder enger Verwandtschaft mit V seinerseits weiter gegangen :
honuniy inquit, est wieder richtig RCp, bonum quid est V,
bonum quidem est L; die Corruptel, entstanden aus der ge-
läufigen Schreibweise inquid und dem leichten Ausfalle des
in nach der vorangehenden Schlusssilbe, ^ bheb in V naiv stehen,
in L wurde sie scheinbar durch das quidem verbessert; ähnlich
p. 359, 20 se eS ingressos existimant R, sese ingressos existimant
VGp, se ingressos existimant L; 363, 14 sciret se nisi sub teste
peccare RCp, sciret se nsim sub testem peccare V, sciret sese
sub teste peccare L. Gerade auch in der Auslassung oder Zu-
gabe einzelner Buchstaben, Silben oder kurzer, respective abge-
ktlrzter Wörter tritt die Uebereinstimmung zwischen L und V oft
recht stark hervor oder hat L aujQTallende, selbst von V vermiedene
Fehler, z. B. p. 355, 10 in singulis RCp, singulis VL; 356, 14
lex enim domini (düi) inmaculata RCp, lex enim inmaculata
VL; 359, 18 non in uia fortuita et in incerta et in erratica
RCp, non in uia fortuita et incerta et in erratica VL; 360,
21 flf., wo die ganz concinne Aufzählung in primo uersu est:
qui ainbulant in lege domini ^ in secundo . . . in quarto ... in
quinto u. s. w. entschieden auch an der zweiten Stelle das von
Cp tiberlieferte und von R, durch blossen Ausfall des in (%)
nach düi nur leichter verderbte in secundo verlangt, haben V L
secundum oiflFenbar mit gleichzeitiger, in unserer Ueberlieferung
so häufiger Verwechslung von o und u und dann fehlerhafter
Zugabe des M-Striches;* 361, 15 propriam in se habet legis
^ Vgl. meine Ausgabe praef. p. XVn und Stadien S. 8S8.
' Eine Spar der letzteren, der Dittographie, respective Einschiebang des t
zeigt aber p durch die Rasur seiner richtig hergestellten Lesart: esset
g edenda.
■ Vgl. Stadien 8. 882.
* Diese fehlerhafte Zugabe oder Weglassung (vgl. Stadien S. 906) macht
sich gerade auch im Consens VL öfter bemerklich; z. B. p. 360, 3
1»
^ X. Abhandlung: Zingerle.
nuncupationem RCp, propriam in habet legis nuncupatianem
VL' 371, 7 lasciuos adulescentiae coetus derelinquens RCp,
lasaus adulescentiae coetus derelinqtiens V, lassus adulescentiae
coetus relinquens L; 369, 14 derelinquat RC, relinquat VLp;
371, 21 ex perfecta caelestis doctrinae ratione RCp, ex per-
fectae caelestis doctrinae ratione VL; 372, 3 sed absolutio dif-
ficultatum in his ipsis requirenda est, e quibus uidetur existere
RCp, sed absolutiu^ difßcultatum in his ipsis requirendum
est^ cet, VL; 372, 13 quia RCp, qui VL; 372, 20 repeüü
RCp, pellit VL; 374, 12 a iuuentute mandat-a dei custodiuntur
RCp, a iuxientute mandata dei custodiunt VL; 363, 4 curato
etiam leproso RCp, cur etiam leproso VL; 363, 11 qv4U $i
quis scrutari . . . uellet^ in beatitudine permaneret {permanerä
RCp, permanet VL); 365, 7 in qua quisque RCp, in^qw
quiq. VL; 486, 19 sed incipiendi a nobis origo est RCp,
sed (set V) incipienda nobis origo e«* VL; 487, 6 certtu scüicä
eafidei meritis reseraari RCp, certus scilicet se a fidei meritii
reseruari L, certus scilicet se ad fidei meritum reseraari V. —
354, 25 sanctus apostolus Paulus VCp, sandus Paulus apo-
stolu^ R, sanctus apostolus L; der hier in L allein sich findende
Ausfall des Wortes Paulus ist in Verbindung mit apostokt
und dessen bekannter Abkürzung leicht erklärlich;^ für die
Entscheidung der zweifelhaften Wortstellung bietet er freilkk
keinen Anhaltspunkt; ich bin aus den in den Studien ist
gelegten Gründen auch in solchen Dingen möglichst conseqneot
der durch GR, G oder R vertretenen Gruppe gefolgt, gebe
aber Petschenig Recht, dass hier wohl die erstere Stelluif
vorzuziehen war, da sie sonst die gewöhnlichere ist und R dt
isolirt steht. 360, 4 in futurorum spem extenditv/r VRCp,
cum ohUuionem; 366, 20 cum retterentiam; 370, 6 quia aera Ued
utilU 8Ü offliuumem uüiorum; 875, 23 machte V* tuper gratiam anf
ffratiaj L stimmt mit V überein; 684, 17 amoenUatem statt amoemtäeU
^ Zunächst war bei der häufigen Verwechslung von o und ti (ygl Stndifli
S. 890) cLbsoluHu entstanden und daraus weiter ab9oluUuß (Stadien 8.^
Aehnliches auch bei Livius Öfter, vgl. meine Beiträge cur 4. Decade&t);
requirendu entwickelte sich durch die ebenso häufige Yerwechsliing f«>'
sehen a und u (vgl. Studien S. 880) ; L hat z. B. auch fOr sich «^
thümlich p. 696, 16 caeUMü sUU cadestia^ 697, 6 cum itatt
^ Vgl. z. B. die adn. crit. zu p. 203, 19 meiner Ausgabe.
Der Uilarins-Codez ron Lyon. O
futv/rorum spem extenditur L; 487, 13 ut inimicos diligamus
VRCp, ut in inimicos diligamus. L; 364, 10 quos et nobiscum
manere {martere VRCp, mane L) . . . acimvs] 372, 21 hanc
enim propheta (profeta V) praetulit causam VRCp, hanc enim
protulit causam L; 373, 20 primu8 uersus de custodiendis ah
adulescente mandatis dei constitit RCp, V hat an letzter Stelle
constituity L Hess das Wort bezeichnend weg; 368, 15 cum in
omnia dei mandata respiceret (respiceret VRC*p, respiret C^,
resipisceret L) ; 225, 21 cauendum autem est, ne , . , , detrahatur
{detrahatur RPT, in der gekürzten Ueberarbeitnng V fehlt
diese Stelle, detrahebatur L); 596, 24 quod esse homo intelle-
getur {intellegetur R, intelligitur P, in G sind die betreffenden
Silben dieser und der folgenden Stelle nicht mehr leserlich, in
der Kürzung V ist dieses ganze erste Capitel weggelassen,
T fehlt hier, intellegeretur L); 597, 22 exddium antea ita
nuntiante: terra uestra cet RP, exddium ante adnuntiante:
terra uestra cet. L;^ 684, 10 in eo enim, quod ita coepit
propheta: ecce cet, docemv/r, quid bonum atqae iucundum sit
(in eo enim, quod ita coepit propheta PT, G beginnt erst mit
pit profeta, V hat in seiner Kürzung wieder dieses ganze
Capitel unterdrückt, in R fehlt dieser Psalm vollständig, in eo
enim quod ita est coepit profeta L). Einigermassen beachtens-
werth könnte von Derartigem aus den bisherigen Proben viel-
leicht p. 362, 19 erscheinen, wo L allein sicut et cetera bietet
gegenüber sicut cetera VRCp, wo aber in V diese Worte mit
mehreren anderen erst von zweiter Hand am unteren Rande
nachgetragen sind.* Bisweilen hat L sichtlich nicht nur kleinere,
sondern auch auffallendere Auslassungen, von denen trotz dieses
häufigen und in mancherlei Gruppirungen auftretenden Fehlers
unserer Ueberlieferung (vgl. Studien S. 898 ff.) die anderen
Handschriften insgesammt sich frei hielten. Z. B. p. 487, 3 sed
^ Aehnlich 362, 13 L in Uebereinstimmung mit V idcirco adiectum est:
prtieceptum cet. für idcirco ita dictum est : prcieceptum RCp.
' p. 363, 15 entdeckte ich durch L noch einen trotz alles Fleisses über-
sehenen, aber wohl zu entschuldigenden Druckfehler meiner Ausgabe.
Es muss heissen et omne hoc, uacuum quod putettur, repletum est angelis
dei nihilque est, quod cet. ; est nach repletum steht nicht nur in L, sondern
auch in YKCp und in meinem Manuscripte, es fiel nur durch Versehen
des Setzers am Schlüsse der Zeile aus.
4: X. Abhandlung: Zingerle.
nuncv/pationem RCp, propriam in habet legis nuncupationem
VL; 37 1, 7 lasciuos adulescentiae coetus derelinquens RCp^
lasaus adulescentiae coetus derelinquens Y, lassus adulescentiae
coetvs relinquens L; 369, 14 derelinquat RC, relinquat VLp;
371, 21 ex perfecta caelestis doctrinae ratione RCp, ex per-
fectae caelestis doctrinae ratione VL; 372, 3 sed absolutio dif-
ficultatum in his ipsis requirenda esty e quibus uidettir existere
RCp, sed absolutius difficultatum in his ipsis requirendum
est^ cet VL; 372, 13 quia RCp, qui VL; 372, 20 repellit
RCp, pellit VL; 374, 12 a iuuentute mandata dei custodiuntur
RCp, a iuuentute mandata dei custodiunt VL; 363, 4 curaJto
etiam leproso RCp, cur etiam leproso VL; 363, 11 qxuu si
quis scrutari . . . uellet^ in beatitudine permaneret (permaneret
RCp, permanet VL); 365, 7 in qua quisque RCp, in^qua
quiq. VL; 486, 19 sed incipiendi a nobis origo est RCp,
sed (set V) incipienda nobis origo estWL'j 487, 6 certus scilicet
eafidei meritis reseruari RCp, certus scilicet se a fidei rneritis
reseruari L, certus scilicet se ad fidei meritum reseruari V. —
354, 25 sanctus apostolus Paulus VCp, sanctv^ Paulus apo-
stolus R, sanctus apostolus L; der hier in L allein sich findende
Ausfall des Wortes Paulus ist in Verbindung mit apostolus
und dessen bekannter Abkürzung leicht erklärlich;^ für die
Entscheidung der zweifelhaften Wortstellung bietet er freilich
keinen Anhaltspunkt; ich bin aus den in den Studien dar-
gelegten Gründen auch in solchen Dingen möglichst consequent
der durch GR, G oder R vertretenen Gruppe gefolgt, gebe
aber Petschenig Recht, dass hier wohl die erstere Stellung
vorzuziehen war, da sie sonst die gewöhnlichere ist und R da
isoUrt steht. 360, 4 in futurorum spem extenditwr VRCp,
cum oUiuionem; 366, 20 cum reuerentiam; 370, 6 quia sera licet emendatio
utüis sit oUiuionem uUiorum; 875, 23 machte V* niper grcUiam aus mper
grcUia^ L stimmt mit V überein; 684, 17 amoenitatem statt amoenitaU L.
^ Zunächst war bei der häufigen Verwechslung von o und u (vgl. Stadien
S. 890) ahacluHu entstanden und daraus weiter abaclutiu* (Studien S. 898,
Aehnliches auch bei Livius Öfter, vgl. meine Beiträge sur 4. Decade S. 2);
requirendu entwickelte sich durch die ebenso häufige Verwechslung zwi-
schen a und u (vgl. Studien S. 880) ; L hat z. B. auch für sich eigen-
thümlich p. 596, 16 caeUaUu statt caelettia, 597, 6 eum statt eam.
' Vgl. z. B. die adn. crit. zu p. 203, 19 meiner Ausgabe.
Der Uilarias-Codex ron Lyon. D
futiirorum spem extenditur L; 487, 15 ut inimicos diligamus
VRCp, ut in inimicos diligamus. L; 364, 10 quos et nobiscum
manere (nianere VRCp, mane L) . . . scimus* 372, 21 hanc
enim propheta (jprofeta V) praetulit causam VRCp, hanc enim,
protulit causam L; 373, 20 primus uersus de custodiendis ab
adulescente mandatis dei constitit RCp, V hat an letzter Stelle
constituity L liess das Wort bezeichnend weg; 368, 15 cum in
omnia dei mandata respiceret (respiceret VRC*p, respiret C^,
resipisceret L); 225, 21 cauendum autem est^ ne . , . , detrahatur
{detrahatwr RPT, in der gekürzten Ueberarbeitung V fehlt
diese Stelle, detrahebatur L); 596, 24 quod esse homo intelle-
getur (intellegetur R, intelligitur P, in G sind die betreffenden
Silben dieser und der folgenden Stelle nicht mehr leserlich, in
der Kürzung V ist dieses ganze erste Capitel weggelassen,
T fehlt hier, intellegeretur L); 597, 22 excidium antea ita
nuntiante: terra uestra cet RP, excidium ante adnuntiante:
terra uestra cet, L;^ 684, 10 in eo enim, quod ita coepit
propheta: ecce cet, docemur, quid bonum atque iucundum sit
{in eo enimy quod ita coepit propheta PT, G beginnt erst mit
pit profeta, V hat in seiner Kürzung wieder dieses ganze
Capitel unterdrückt, in R fehlt dieser Psalm vollständig, in eo
enim quod ita est coepit profeta L). Einigermassen beachtens-
werth könnte von Derartigem aus den bisherigen Proben viel-
leicht p. 362, 19 erscheinen, wo L allein sicut et cetera bietet
gegenüber sicut cetera VRCp, wo aber in V diese Worte mit
mehreren anderen erst von zweiter Hand am unteren Rande
nachgetragen sind.* Bisweilen hat L sichtlich nicht nur kleinere,
sondern auch auffallendere Auslassungen, von denen trotz dieses
häufigen und in mancherlei Gruppirungen auftretenden Fehlers
unserer Ueberlieferung (vgl. Studien S. 898 ff.) die anderen
Handschriften insgesammt sich frei hielten. Z. B. p. 487, 3 sed
^ Aehnlich 362, 13 L in Ueberelnstimmung mit V iddrco adiectum est:
praeceptum cet. für idcirco ita dictum est : praeceptum RCp.
' p. 363, 15 entdeckte ich durch L noch einen trotz alles Fleisses über-
sehenen, aber wohl zu entschuldigenden Druckfehler meiner Ausgabe.
Es muss heissen et omne hoc, uacuum quod puteitur, repletum est angeHs
dei nihilque est, quod cet, ; est nach repletum steht nicht nur in L, sondern
auch in VKCp und in meinem Manuscripte, es fiel nur durch Versehen
des Setzers am Schlüsse der Zeile aus.
6 X. Abhandlung: Zingerle.
lioluntas et religio cor eins ex eo, in quo manehaty originis
uitio ad itLstificationum opera declinat. et declinat in omni
uitae 8uae tempore (opera declinat et declinat VRCp, opera
declinat L); 371, 8 adulescentiae coetus derelinquens et ab ipso
senum nuper credentium consessu remotus (senum VRCp,
om, L).
Sonst aber bricht auch in Anderem, wie im Bisherigen
so oft, die Verwandtschaft mit V immer stark genug durch.
Zum Beweise noch einige Beispiele verschiedener Art. p. 355,
26 namque qui simpliciter ea, quae inter manus sihi inciderint^
legunt (indderint RCp, inciderunt VL); 368, 25 faueat RCp,
foueat VL; 370, 18 iuueni uiro RCp, iuueni uero VL; 370,
24 prouectioris aetatis RCp, profectioris aetatis VL; 371, 2,
wo ich istud crudi nach cod. r herstellte (vgl. Studien S. 925),
hat V istute rudi, L istut erudi (R istud rudiy CpA istud
mdes)] 373, 4 meminimus et Paulum ad Corinthios adhuc in
fide paruulos quaedam dei eloquia occultasse {quaedam dei
eloquia [aeloquia R] occultasse [occuluisse Cp] RCp, quendam
dei eloquio occuluisse VL);^ 373, 11 dare RCp, donari VL;
376, 11 periculosa est humanarum mentium et molesta desidia
(mentium RCp, gentiü VL); 375, 9 conscientia (constientia E)
spectantium RCp, constantia spectantium VL; 375, 14 deUc-
tatur enim sicut in diuitiis omnibus; non tantum in diuitiiSf
sed in diuitiis omnibus. sunt opes in auro, sunt in argento cet,
RCp, delectatur enim sicut opes in auro sunt in argento cet,
V^, delectatur enim sicut in omnibus diuitiis; non tantum in
diuitiis^ sed in diuitiis omnibus, sicut opes in aurOy sunt in
argento cet, V* L.* Die Entwicklung des Versehens Hegt so
klar zu Tage, interessant aber ist dabei die schon früher ge-
legentlich bemerkte Uebereinstimmung von L mit V*; 371, 10
silebit etiam congruam fidei et iuuentuti existimans tacitumi-
tatem (etiam congruam fidei R, etiam cdgruam igtitur fide V *,
etiam congruam igitur fidei V^LCp). Die Einfdgung des igitur
wurde hier wohl durch die nachgewiesene öftere Verwechslung
^ Petschenig wünscht occuluisse im Texte gehalten; es ist dies aUerdings
ein ähnlicher Fall wie der ohen berührte 364, 25, und ich bin da in
der Consequenz gegenüber R wohl zu streng gewesen.
' Von y sind die Worte in omnibtu diuitiis bis in diuUiis omnibus sicut
am unteren Rande nachgetragen.
\
Ifc 'E.Jhnio-'' -ttüBi vtA LvML.
der Wörtclieii tttisä^ *rr^j. tiiavL. i^itmr • vgL praef. meiner Aus-
gabe p. XVI» in der Weise Tenmlaisst« dass frühe bei einem
Zweifel iyitur zu ttiam als Variante an den Rand geschrieben
und dann fiÜschEch anch noch an jene Stelle des Tesrtes ge-
setzt wurde.
p. 363, 22 scheint ein eigenartiges, in mehrfacher Be-
ziehung mittheilenswerthes Beispiel quu ad tcelus nisi secreimm
elegitt (eleyit LR, eli^ VC, tli^ p) quis €ui aduU^rimm Hon
aut 9olitudinem auf noct^m {^noctem VRCp, noci^ L") opt4Mnitf
(optauit RC, opt/ibit VLp et si quando incatesc^ntibus (in-
calescentibus VLR, incaUtcentihu* ttitiU Cp) iam ad crimen
animis promptum est (animis promptnm est VR, animus
pramptus est LCp), tarnen furor ifisanientis uoluptatis occursu
testis coercetur (coercetur V*, cohercetur RCp, coerceretur \\
coercet is L). Man ersieht hieraus nicht nur wieder das in
den Studien geschilderte mehrfache Ineinandergreifen kleinerer
Buchstabenverwechslungen, wobei der G nächst verwandte R
öfter im Richtigen consequenter ist als andere, sondern wir
haben da auch einen Fall, wo L in einer etwas bedeutenderen
Variante, die dann in Cp und in allen früheren Ausgaben eine
sichtliche Interpolation veranlasste, von V abweicht. Ich ver-
hehle nun nicht, dass die von der eigentlichen Interpolation
noch freie Lesart L bei persönlicher und substantivirter Auf-
fassung des incalescentibus noch haltbar wäre, glaube aber
kaum, dass gegenüber dem auch hier theilweise sonst recht
fehlerhaften L (vgl. am Schlüsse auch das coercet isl) der in
Ermanglung des G meist so erprobte Consens VR zu opfern
ist, da er sich im engen Anschlüsse an das Vorhergehende
leicht erklärt (et si quando [adulterium] incalescentibtts iam
ad crimen animis promptum est),^ Vielleicht fühlte dies auch
der zweite Corrector des cod. V, der sonst bei Einzolvor-
besserangen, respective Ergänzungen der nicht eigentlich über-
^ Die enge Beziehung dieses Satzes auf das vorher erwähnte aduUerium
wird auch durch das von allen Handschriften überlieferte uolupt<Ui»
(nicht tioluntatis) im Folgenden bestätigt. Da nun aber der animus doch
gewiss schon bei der Wahl des geheimen Ortes pramptua war, erwartet
man hier wohl auch eher die hervorhebende Steigerung, dass selbst,
wenn das aduUerium pnynvptum est, die wilde Leidenschaft (vgl. furor
insanieiUis uduptatisj durch Störung der Einsamkeit gehemmt wird.
8 X. AbhAndlaDg: Zingerle.
arbeiteten Partien nach manchen Anzeichen einen ähnlichen
Codex wie L vor Augen hatte, hier aber an V ^ nichts änderte,
p. 596, 21 bestätigt L meine leichte Herstellung TnonHramv^
(monatrantes G, monstremxis RP). p. 225, 1 jedoch, wo V wieder
in Folge der starken Kürzung fehlt und auch G nicht zu Ge-
bote steht, wird nun L, die verderbten Spuren der sonst oft
verdächtigen Genossen PT aufhellend und gegenüber R die
Gruppe LPT in gewisser Weise herstellend,^ die Einschiebung
des 8e nach gutem Sprachgebrauche veranlassen: res non sui
86 temporis (misetemporis L, sui ^ /eras. s7 et temparis P ^, sui
sed temporis T, sui temporis R), quo scriptum est, continere
testatur. Sonst könnte unter den bisherigen Proben auch noch
p. 357, 4 Nachdenken erregen, wo L innocentiae secundum
iudicium saeculi Studium bietet (gegenüber innocentia secundum
iudicium saeculi)^ dabei wenigstens im innocentiae auch mit
V tibereinstimmt und an Verbindungen erinnert wie 359, 3;
370, 5. In der Fassung der Bibelcitate weicht L von V, dem
gerade auf diesem Gebiete wichtigen Zeugen,^ manchmal etwas
auffallender ab, als man dies nach der im eigentlichen Hilarius-
texte meist so stark hervortretenden Verwandtschaft erwarten
könnte. Z. B. p. 224, 17 dum depraecor ad te V, cum precor
ad te L, cum deprecor R (== Vulg.); 355, 4 sciens a quibus
didiceris V, sciens a quibus didicisti LRC, sciens a quo didi-
cisti p; 6 in salutem VRCp, ad salutem L; 359, 7 serite in
iustitiam VRC (oxefpaxs £t^ $ixa(0(7uyr^v LXX), serite in iustitia
Lp (doch im Folgenden hat auch L mit VRC in fructum)]
361, 23 bouis triturantis VRCp, boui trituranti L; 362, I
unum ex libera VRCp, unum de libera L; 364, 18 nescis
quid Sit V, nescis quid (quia C) est LRCp; 369, 2 non
derelinqvAis {non derelinquas VRCp, ne derelinquas L) nos in
temptationey quam sufferre (sufferre V, ferre LRCp) ntm pos-
sumus {possumus VR, possimus LCp); 370, 3 in quo corrigit
{corrigit VL^p, corriget RL^C) adulescens {adulescens VRCp,
^ Im 118. Paalm finden sich auch vereinzelte Berührungen mit der Gruppe
Cp; z. B. p. 368, 3 ud neglegerUiae VR, euU negUgentiiie LCp; p. 357, 16
in U9U Vp, in luu R, in unu LC.
' Vgl. meine diesbezügliche Untersuchung in den Pbilolog. Abhandlungen
IV, 76flf.
Der HiUrins-Codex von Lyon. 9
iunior L)^ uiam suam] 487, 23 et matrem suam V, et matrem
LCp, om, R; 596, 10 qui habitat in Hierusalem VR, qui
habitat Hiervsalem L; 597, 25 et desolata et subuersa GRP
(V ist hier gekürzt), et desolata subuersa L; 224, 18 ervs V,
eripe LR (vgl. die Addenda meiner Ausgabe p. XXI).
Im Uebrigen offenbarte sich ein bemerkenswertherer Unter-
schied hauptsächlich nur darin, dass in L die in V und r hie und
da gekürzten oder überarbeiteten Partien unverkürzt und voll-
ständig, wie in den übrigen Handschriften, geboten sind. Im
Ganzen aber kann Derartiges fllr den Kenner an den sonst
80 bestimmt hervortretenden Verwandtschaftsverhältnissen wenig
ändern, da einzelne Bibelcitate in allen Codices, auch in den
verwandtesten, aus anderswo dargelegten Gründen schwanken*
und jene theilweisen Kürzungen, respective Ueberarbeitungen in
V, sowie im jüngeren r, welchen letzteren ich nun nach allen
Erfahrungen nur mehr ftir eine aus V geflossene Abschrift
ersten oder zweiten Grades halten kann,^ lediglich auf Ent-
stehung in einem zum praktischen Gebrauche in der Veroneser
Kirche angelegten Exemplare hindeuten.* Der Grundstock
dieses ,Handexemplares' der italienischen Gemeinde, um den
Ausdruck zu gebrauchen, war aber, wie die obigen Beispiele
intacter Partien aus verschiedenen Gruppen des Werkes gewiss
schon auffallend genug gezeigt haben, aus einer ganz ähnlichen
Vorlage geflossen wie der im Heimatlande des heil. Hilarius
wieder entdeckte Lyon er Codex. Einen Gedanken, der sich
mir unter solchen Verhältnissen fast aufdrängt, kann ich hier
* VR haben iunior nur in der Ueberschrift p. 369, 16; die Vulg. bietet
ddolescentior.
* Vgl. Philolog. Abhandl. IV, 82 ff. Frühe Correcturen mit Benützung von
Varianten lassen sich da in unserer Ueberlieferung mehrfach nachweisen;
manche Spuren, namentlich im alten G, weisen auch darauf, dass ein-
zelne Bibelverse am Anfange der Tractate nicht immer sofort zugleich
mit dem hilarianischen Texte vollständig abgeschrieben, sondern nach-
träglicher Ergänzung überlassen wurden. Vgl. Studien S. 878.
* Dies nun zur näheren Formulirung des in den Studien S. 960 An-
gedeuteten.
* Vgl. Studien S. 917, wo auch darauf hingewiesen ist, wie dieses hila-
rianische Werk gerade in der Veroneser Kirche frt&e populär wurde und
auf ähnlich gekürzte Arbeiten Zeno's einwirkte.
10 X> AbhftndluDg: Zingerie.
nicht unterdrücken. Beachten wir, wie Correcturen und Er-
gänzungen, welche die zweite Hand im erhaltenen ,Hand-
exemplare der Veroneser Kirche' sicher nach einer anderen,
aber verwandten Vorlage vornahm, schon in den bisherigen
Beispielen mehrfach mit L sich deckten, so liegt die Vermuthung
nahe, dass der Corrector (V*) zur Verbesserung der blos aus
Nachlässigkeit entsprungenen Fehler und zufälligen Auslassungen
in sonst nicht überarbeiteten Partien des Handexemplares einen
damals noch in Verona befindlichen vollständigen Codex, der
mit L aufs Engste verwandt war, benutzt habe. Dass er
dabei nicht auch die stark gekürzten und eigentlich über-
arbeiteten Theile des Handexemplares darnach verbesserte oder
ergänzte, könnte nicht gegen diese Ansicht geltend gemacht
werden; hätte er in diesem Falle ja die betreffenden Partien
ganz umschreiben müssen, wie es bei unseren Collationen auch
geschehen musste, und den Charakter imd Zweck des von
ihm corrigirten Exemplares verändert, was offenbar nicht in
seiner Absicht liegen konnte.^
Die Sache ist, hoffe ich, nun schon ziemlich klar ge-
worden. Wesentlich Neues von Bedeutung werden wir wirklich
auch von einer vollständigen Vergleichung des L kaum mehr
zu erwarten haben. Der Gewinn dürfte sich etwa auf Auf-
hellung mancher Punkte in den Verhältnissen V^ und V* be-
^ Einigermassen überrascht war ich, in einer sonst auch sehr dankens-
werthen Recension die Ausstellung zu lesen, dass ich bei den verkürzten
Partien im kritischen Apparate nur stellenweise angegeben habe, was in
y fehle, nachdem ich darüber mich doch praef. p. XV deutlich ge&ussert
hatte. Wo eben nicht mehr nur einzelne Sätze ausgelassen waren,
sondern die Verkürzung zu einer eigentlichen Ueberarbeitung geworden
war und nur mehr hie und da eine hilarianische Phrase enthielt, konnte
ich die einzelnen Ausfiille und Aenderungen unmöglich mehr notiren,
ebensowenig wie der Corrector des cod. V, sondern musste mich für
meinen Zweck mit der gewissenhaften Angabe der noch aus Hilarius
erhaltenen und für die Textgeschichte bei Vergleichung mit den Va-
rianten der übrigen Handschriften noch irgendwie verwendbaren Worte
begnügen. Zur vollständigen Klärung wurden zudem Proben solcher
Ueberarbeitungen auch aus Y im Anhang vollständig abgedruckt, und
wer dieselben näher eingesehen, wird die Nothwendigkeit des befolgten
Planes mehr und mehr würdigen. Es handelte sich da ja um eine
kritische Ausgabe des echten Hilarius; ein Corpus der Pseudohilariana
musste einen Band für sich bilden.
\
Der UiUrins-CoUex von Lyou. 11
asiehen, hie und da, namentlich wo V überarbeitet ist, auch
zur noch besseren Beleuchtung der Entwicklungsgeschichte einer
Fehlerreihe beitragen, wie wir ein solches Beispiel auch schon
gelegentlich getroffen, und ein paar andere hier schUessUch
noch anfügen wollen, p. 225, 13, wo G und V uns fehlen,
bieten RPT unigeniti dei filiiy in L ist dei (dt) durch leichtes
Versehen, wie auch sonst öfter in ähnhchen Handschriften,^
ausgefallen; dieses Versehen erklärt nun aber, wie alte Aus-
gaben bei nachträglicher Einschiebung zur Wortstellung unigeniti
filii dei gelangen konnten. 226, 2 hat R, der, wie nachgewiesen,
verhältnissmässig am nächsten an G heranreicht und deshalb
da, wo GV im Stiche lassen, in erster Linie auch mit kleinen
Eigenthümlichkeiten zu notiren war, quid % de diuinitatis suae
natiuitate; der richtig gelöschte Buchstabe zeigte ein früheres,
leicht erklärUches Versehen an. L mit seinem quidediuinitatis
cet, hellt dasselbe als ein altes vollständig auf; der Schreiber
des cod. R hatte zuerst sichtlich auch nach einer Vorlage guide
geschrieben, war dann aber bald auf das richtige quid de auf-
merksam geworden und tilgte jenes zu früh gesetzte e. 596, 16,
wo V gekürzt ist, lesen wir in G relinquent, richtig schon
wegen des folgenden durch GRP* und nun auch L bestätigten
constituent; relinquunt LP*, relinqunt R, vgl. über Verwechs-
lungen von e und u in unserer Ueberlieferung Studien S. 891.
596, 27 intellegimus G, intellegamua L mit RP; da nun in
dieser kleinen, ebenso leicht erklärlichen Variante (vgl. über
a und i praefatio m. Ausg. p. XVII) L zu RP tritt, dieselbe
auch in den Zusammenhang gut passen würde, kann Zweifel
entstehen. 597, 17 sacrilega caedes prophetarum richtig P, wie
schon die Sache selbst und die folgenden Verbindungen zeigen;
sacrilegia caedes profetarum GLR und selbst der gekürzte V
im hier beibehaltenen Wortlaute; L bestätigt also da nur den
leichten Zusatzfehler der übrigen ältesten Handschriften, während
er umgekehrt 226, 22 allein durch Auslassung ein inprohahili
statt inprohabilia verschuldet hat. 684, 14, wo V überarbeitet
ist und R den ganzen Psalm ausliess, treffen wir folgende Reihe:
ea ratio profetae est G, ea ratio a propheta est PT, a profeta
ea ratio est L — dieselbe ist in ihrer Entstehung gewiss auch
^ Vg;!. auch oben S. 3 die Auslassung von dhi in VL.
12 X. Abhandlang: Zingerle. Der HilariuR-Codex yon Ljon.
durchsichtig genug. ^ Wer endlich zugleich die auch in L oft her-
vortretenden starken Nachlässigkeiten beachtet^ die also der
Gruppe VL in allen Phasen bedeutend anhafteten, wird um
so mehr die hervorgehobene verhältnissmässige Sauberkeit des
fast gleich alten G und namentlich auch die Bedeutung des
Consenses GR anerkennen müssen.
* Die Stelle 697, 20 (urha eadem ßinditus dinUa estj, wo G* dentla aus
enäa corrigirte, L nun denUa bietet, kOnnte den Gedanken wecken, dnas
eruta statt dirtUa zu schreiben sei, da ja seit Vergil in der Dichtung
und dann in der späteren Prosa eruo in solcher Bedeutung sich findet;
da aber der Hilarian. Gebrauch sonst nicht dafür spricht, femer ausser
RP auch y hier, trotz der Ueberarbeitung, wenigstens daa Wort dirula
schützt, ist die Sache sichtlich nur auf die so häufige Verwechslung von
t und e zurückzufahren (vgl. Studien S. 883). Daas übrigens ein so
leichter Einzelfall etwa nicht gegen die sonst so schlagend hervortretende
nähere Verwandtschaft des L mit V geltend gemacht werden kann, liegt
auf der Hand.
XI. Abb.: Bftdinfer. Mittheilnnffen ans spanischer Geschichte des 16. und 17. Jahrh. 1
XI.
Mittheilimgen aus spanischer Geschichte des
16. und 17. Jahrhunderts
Ton
Max Büdinger,
wirkl. Mitf liede der kais. Akademie.
(Mit einer Tafel.)
I.
Schlossbauten in Madrid.
Die älteste mir bekannte Abbildung des Schlosses von
Madrid findet sich in dem Foliobande,^ welcher in dem Directions-
locale der Wiener Hofbibliothek aufbewahrt wird und auf dem
neuen Einbände den Titel führt: ,Wingarde, villes d'Espagne
1563 — 1570/ Es ist eine Sammlung anschaulich gezeichneter
und einigermassen colorierter Ansichten spanischer Städte, wohl
der sämmtlichen nach Ansicht PhiUpp's II. flir solchen Zweck
geeigneten. Wiederholt, z. B. auf Blatt 3 (Barcelona), Blatt 4
(Molvedro = Murviedro) liest man unten den Namen des
Ktlnstlers: ,Ant[oni]o van den Wyngaerde*, auf diesen beiden
Blättern auch die Zahl 1563. Auf anderen Blättern soll sich,'
was mir entgangen wäre, der Name Georgius Hoefhagel mit
den Jahreszahlen 1564 bis 1567 finden; das wäre dann die
Zeit von dessen Mitarbeit in Spanien. Nach dem Bilde eines
englischen Palastes in ,Urbium praecipuarum mundi theatrum
autore Georgio Braunio Agrippinate', im fUnften Theile dieses
Werkes auf Blatt 1 mit der Unterschrift: ,effigiavit Georgius Huf-
naglius anno 1582^, war dieser flir Palastabbildungen sehr genau.'
1 Mit Sig. Min. 41 bezeichnet
* Das betreffende Bach befindet sich seit dem Sonuner 1892 als entlehnt
auf der Colambusausstellung in Madrid.
» Nagler, Künstlerlexikon VI (1888), 214, bringt in den Nachrichten über
Hufnagel nichts unsere Untersuchung Berührendes.
Sitsungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXYm. Bd. 11. Abh. 1
2 XI. AbhuidlvDg: Bfldinger.
Aber andere Blätter jener spanischen Städteansichten
haben weder Künstlernamen noch Jahreszahl, und zu diesen
gehört leider auch Blatt 73 ,Palacia (sie!) reail de Madrid'.
Es ist eine flüchtige und doch trotz ihrer Ungenauigkeit bei
dem Mangel sonstiger Nachrichten überaus erwünschte farbige
Skizze der Schlossfront von Süden, also von der Stadtseite.
Im Folgenden benenne ich sie doch kurz nach Wyngaerde.
Vergleicht man diese Abbildung mit der ebenfalls von
der Stadtseite sich darstellenden auf dem später zu besprechenden
Plane Peter Texeira's aus der Mitte des siebzehnten Jahr-
hunderts, so kommt man zu einem den bisherigen Annahmen
keineswegs entsprechenden Ergebnisse.
Wyngaerde ist im Dienste des Königs Philipp im Jahre
1561 aus Belgien nach Spanien übergesiedelt/ wo er früher
nicht gewesen zu sein scheint. Wenn das Bild des Palastes
von ihm gemalt ist, so dürfte er, wie sich zeigen wird,
(s. u. Seite 4), bald nach seiner Ankunft und gleich nach
der vorläufigen Vollendung, genauer: der Unterbrechung, des
Schlossbaues das Bild angefertigt haben, also ehe der Palast
von dem königlichen Hofe bezogen wurde. Denn es ist schon
von Carl Justi* bemerkt worden, dass die Thürsturzinschriften
des sechzehnten Jahrhunderts nur die Namen KarFs V. und
Philipp's II. mit den Jahreszahlen 1539 und 1561 trugen.'
Auch hebt Justi hervor, dass die südliche Fa9ade erst später
vollendet wurde: ,Diese moderne Front war aus weissen
Hausteinen aufgeführt und von zwei mächtigen, viereckigen
und vierstöckigen Pavillons aus Ziegelsteinen flankirt, deren
westlicher von dem genannten König (Philipp dem Zweiten),
der östliche (la torre de la Reina) erst zur Zeit der Minder-
jährigkeit Karl n. aufgeführt wurde', also zwischen Herbst
1665 und 1677.
^ . . . en Bel^sch kunstenaar in dienst van kOning Philips, vertrok in 1561
mit sjn gezin naar 8panje. Van d. Aa, Biographisch Woordenboek der
Nederlauden XX (Harlem 1877), 480.
' Diego Velasquez und sein Jahrhundert (Bonn 1888) I. 180 — 186.
* Oil Oon<^lez Davila su (Philipp's IV.) coronista, teatro de las grandesas
de Madrid (1623) bringt S. 312 die beiden Inschriften. Der Wortlaut
der zweiten ist des Datums wegen wichtig für uns: PhilippuB II. Hi-
ppaniarum rex A. MDLXI.
ViübMlrafni mn vfaiackw 0«8okiobt« dn 1«. mnd 17. J»krlimnd«rta. 3
Es fragt sich nnn, wie weit diese ^vornehme, ganz
regelmässige Fa9ade eines Cinquecento -Palastes' überhaupt
von Philipp IL aufgeführt wurde. Hierüber äussert sich schon
Justi zweifelnd: ^Ueber dem Erdgeschoss mit kahlen Mauern
und stark vergitterten Fenstern erhoben sich zwei Stockwerke,
das obere das höhere , beide reich geschmückt mit Pilastern,
Fensterverkleidungen und Verdachungen von weissem Marmor
mit vergoldeten Balcons, das Werk Philipp's III. V Dass
aber wirklich der dritte, nicht der zweite Philipp die Ver-
schönerung der Südfa9ade zu Ende ftihrte, dürfte auch im
Jahre 1738 durch Tradition oder Urkunde noch bekannt
gewesen sein, da man damak (Justi I, 181) auf den Grund-
stein des heutigen Palastes die Inschrift setzte: ,aedes Mau-
rorum, quas Henricus IV. composuit, Carolus V. amplificavit,
PhiUppus m. omavit, ignis consumpsit' etc.
Nun liegt ein. Schreiben Philipp's II. vom 7. Mai 1561
vor,^ welches an den damaligen leitenden Architekten des
Palastbaues, Ludwig de la Vega, gerichtet und fUr die Bau-
geschichte des merkwürdigen Schlosses erheblich ist. Der
König lässt hier eröffnen, dass er beschlossen habe, mit seinem
Hause und Hofe nach Madrid zu gehen, welche Stadt damals
wegen der Gesundheit und Ergiebigkeit ihres Klimas aufgesucht
ward;* er verlange, dass innerhalb Monatsfrist die Arbeiten
beendet werden;* auch befiehlt er, dass ohne seine ausdrückliche
Weisung (mandato) Niemand die Palastgemächer, irgend einen
Durchgang (atajo), eine Werkstätte oder sonst etwas sehen
solle. Mit eigener Hand fügte er hinzu: , Ludwig von Vega!
Schickt mir eine andere, vollständige* Darstellung, wie Ihr
mir eine gesendet habt, von den Zimmern nach Süden, welches
die vornehmsten Gemächer sind, in welchem Zustande sie
^ D. Ramon de Mesonero Romanos: el antiguo Madrid, nueva edicion, ISSl,
I, 149.
' . . . promete a sus vesinos una salud muy constante. Davila 6.
' . . . deseaba que estuviesen concluidaa para de alli k un mes kann doch
nicht der richtige Wortlaut sein; ich denke, dass nach conclnidas die
Worte ,las obras' ausgefallen sind.
^ . . . ,como la baja y alta que me enviaste*. Der Architekt hatte hienach
schon bei der ersten Sendung, wenn nicht ein anderer technischer Aus-
druck vorliegt, die nOthigen Messungen von oben bis unten angestellt,
bei denen aber die SUdfa^ade noch fehlte.
1»
4 XI. Abhandlang; Bfldinfor.
sich jetzt befinden, und es geschehe sogleich I^ Der Architekt
stellte vor, jdass aus Mangel an Handwerkern nicht Alles mit
solcher Schnelligkeit beendet werden könne. Und der König
befahl dem Corregidor Don Georg von Beteta, er solle Für-
sorge treffen, dass alle Handwerker der Stadt, ohne irgend
einer anderen Arbeit obzuliegen, hiermit beschäftigt werden.
Kurz darauf und schon in den letzten Monaten desselben
Jahres 1561 befand sich notorisch (consta que) der Hof in
Madrid und hatte Philipp seine Absicht verwirklicht, ihn dort
ständig zu haltend Es sollte doch Localforschern in Madrid
oder Simancas möglich sein, die Zeit der bleibenden Residenz
des Hofes in der neuen Hauptstadt genauer zu bestimmen.
Sieht man nun die Abbildung in der Wyngaerde'schen
Sammlung,^ so empfUngt man den dem Willen Philipp's über
die plötzliche Einstellung des Schlossbaues entsprechenden £lin-
druck. Man hat den südlichen Neubau vor sich, der in zwei
Abtheilungen begonnen ist. Links von dem Beschauer, also
vor der Südwestecke des Innern Hauptbaues ist der oben
(S. 2) erwähnte Pavillon oder vierstöckige eckige Thurm
gänzlich bis zur Spitze vollendet. Er war nach dem Bilde zu
schHessen mit Verjüngung der Stockwerke polychrom gehalten,
doch vorwiegend blau gefilrbt. In dem Palastgrundriss aus
den letzten Jahrzehnten vor dem Brande wird dieser Pavillon
goldener Thurm (torre dorada) genannt.* Rechts von dem
Beschauer, also an der Südostecke des Schlosses ist der zweite
Pavillon. Dieser ist, obwohl ohne die Verjüngung der Stock-
werke, doch wohl dem andern ähnlich beabsichtigt, dermalen
aber noch im Bau, etwa bis zu einer Höhe geführt, welche
das dritte Stockwerk des Südwestthurmes erreicht. Auf dem-
selben scheint der Krahn erkennbar, durch welchen weitere Werk-
stücke hinaufgefördert werden sollten. Möglicher Weise Uegt
aber auch nur der Umbau eines älteren Befestigungsthurmes vor.
An diesen Thurmbau schUesst sich nach links oder Westen
der von dem Beschauer rechte Theil und der Mittelbau der
neuen Fa9ade, und zwar mit nur ^iner Reihe von zwei grossen
^ Die anliegende Federzeichnung ist eine verkleinerte Wiedergabe der
Originalskizze und soll nur die wesentlichen Z(lg^ wiedergeben.
» Bei Justi I, 184.
S
MittlieilDnfeD aus spaoUcher üe.'tchichto des IC. und 17. Jahrhunderts. Ö
Fenstern im Mittelbau und sieben in der Fa9ade über dem
hohen Erdgeschosse. Der obere, unter dem Dache gelegene
Fa9adentheil ist verziert; an demselben sind neunzehn ganz
kleine Fensteröfinungen in dem Theile zur Rechten und neun
in dem Mittelbau erkennbar. An diesen neuen Fa9adentheil
Btossen jedoch gegen Westen, bis zu dem vollendeten Pavillon
von so eigenthümlicher Schönheit, vier ganz anders geartete
tektonische Stücke.
Drei von diesen kleineren Bauten mögen auf das vorige
fünfzehnte Jahrhundert, die Regierung Heinrich's IV., wenn
nicht gar auf die ursprüngliche arabische Anlage zurückgehen
oder auf deren Umwandlung durch Peter den Grausamen.^
Zweifellos aber zeigen sie, dass die Südfa9ade keineswegs, wie
man allgemein angenommen hat,^ vor den altern Bau gelegt
worden ist. Die vierte Baulichkeit erscheint als schmales,
zweifensteriges Haus zwischen zwei schweren alten Befestigungs-
stücken. Dieses Haus ist in der Weise der neuen Fayade ge-
halten und lässt neben dem Portale einen kleinen Vorbau mit
mindestens zwei Säulen erkennen. Es erscheint fast wie ein
erster Versuch der neuen, zur Anwendung bestimmten Archi-
tektur des uns beschäftigenden Schlossflügels.
Ganz anders ist nun freilich das Bild, welches der Grund-
riss des Palastes bietet. Dieser stammt, wie schon bemerkt,
aus dem achtzehnten Jahrhundert, vor dem Brande des Schlosses
* Davila a. a. O. 312 hat freilich eine andere, ganz abweichende Reihe
von KOnig^namen für die Baugeschichte: ,en los tiempos muj antiguos
di<S principio a este palacio el rey Enrique Tl., augmentaronle los reyes
Enrique III y IV y el emperador Don Carlos.' Einer arabischen An-
lage wird hier nicht gedacht, der Bau sei von dem ersten Trastamara
begonnen und von Karl V. fortgesetzt.
* ,Der Neubau bestand hauptsächlich in der Erweiterung des südlichen
und Eingangsflflgels durch einen parallelen, dessen Tiefe verdoppelnden
Anbau. Dies lehrt ein Blick auf den Grundriss. Die überaus starke
Zwischenwand, welche die Folge von Gemächern im südlichen Flügel
trennte, war die alte Aussenmauer. An der Kante des . . . südwestlichen
Pavillons sieht man noch den alten runden Eckthurm hervorragen, jetzt
zurückgeschoben in die Flucht der Westseite.* Justi, Velasquez I, 181,
mit Rücksicht auf die Wiedergabe der Schlossansicht im Beginne des
Capitels nach den unten (8. 6) zu besprechenden Stichen des siebzelinten
Jahrhunderts.
6 XI. Abhandlung: Bfldinger.
ZU Weihnachten 1734 nach dem am 1. November 1700 erfolgten
Tode KarPs II. ; das Appartement von drei Räumen^ in welchen
dieser starb, ist bezeichnet: ^el alcoba y dos piezas donde muriö
el S"^ Carlos Seg® (undo). Die Bezeichnung eines andern Ge-
maches als ;dormitorio de sus Magestades' lässt die Abfassung
nach dem Einzüge Philipp's V. und seiner ersten Gemahlin im
Jahre 1701, aber sonst nicht näher bestimmen; denn trotz aller
Wechsel&lle des Erbfolgekrieges konnte das Oemach seinen
Namen behalten; nur etwa nach dem Tode jener ersten Ge-
mahlin am 14. Februar 1714 war die Bezeichnung bis zu der
noch in demselben Jahre geschlossenen zweiten Ehe des bomv
bonischen Königs unpassend und wohl ausser Gebrauch. Die
Bezeichnung eines Leibwachenraumes als ,guardia de corps'
deutet einigermassen auf die eingewöhnte bourbonische Hen^
Schaft.
Der rechte Fltlgel der Stldfa^ade tritt hier in seiner öst-
lichen grossem, als Spiegelsaal bezeichneten Hälfte, wenn auch
nicht erheblich, hervor. Im Uebrigen verläuft dieser südliche
Flügel, von den beiden Eckthürmen abgesehen, sonst in zu-
sammenhängend gerader Linie. Der südöstliche Theil des
Palastes scheint nach dem Grundrisse als das einzig genannte
Toilettezimmer (tocador) der Königin einscUiessend nach diesem
bezeichnet werden zu sollen.
In ganz gerader Linie erscheint nun auch die Südfa9ade
in den vier von mir eingesehenen Abbildungen des siebzehnten
Jahrhunderts.
Als die mit grösster Sachkunde und Genauigkeit ausge-
führte ist die jüngste der Abbildungen zu bezeichnen. Sie
findet sich in einem handschriftlichen Werke in GrossfoUo,
welches der jetzige Director der k. k. Wiener Hofbibliothek,
Herr Hofrath Ritter von Hartel, auf einem Schranke des Hand-
schriftensaales wieder zu finden so glückUch und mir zur Ein-
sichtnahme vorzulegen so gütig war. Das Werk ist als yArchi-
tekturischer Schauplatz' bezeichnet, von Wolfgang Wilhelm
Praemer, Ritter zu San Marco, verfertigt und dem Kaiser
Leopold I. zu seiner Instruction über Architektur mit ausführ-
lichen technischen Erklärungen gewidmet, übrigens nicht paginirt.
Ein Blatt ist als ,Frontispicium der königl. Burgg zu
Madrid in Hyspanien' bezeichnet und enthält eben die gänzlich
HittheilDDgen ans spanischer Geschichte des IG. und 17. Jahrhanderts. 7
beendete Süclfa9ade mit dem, genau nach dem Muster des süd-
westlichen, ^goldenen', bis zur Spitze aufgeführten siidöstUehen
Pavillon oder Thurme. Das ist der Thurm der Königin, der
Erzherzogin Anna oder Mariana, welche denselben, wie schon
bemerkt, als Regentin (1665 bis 1677) vollendet hat.
Die drei anderen Abbildungen, sämmtlich Stiche, zeigen
beide Thürme ohne ersichtliche Verjüngung der Stockwerke,
wie sie doch bei Wyngaerde am Südwestthurme dargestellt ist.
Aber auf allen drei Stichen ist der südöstliche Thurm nur bis
zum voUendeten dritten Stockwerke gefUhrt, das Erdgeschoss
nicht mitgerechnet. Dieser Pavillon ist auch nur mit einem
gewöhnlichen Uausdache versehen. Hieraus ergibt sich, dass
die Königin Anna nichts als die Erhöhung dieses Stockwerkes
und den eigentlichen Thurmaufsatz hat bauen lassen.
Der älteste dieser drei Stiche scheint jedoch der zu sein,
von welchem ich ein Exemplar der gütigen Zusendung des
Herrn Professor Karl Justi in Bonn verdanke: ,Veue et per-
spective du palais de Madrid, demeure ordinaire des Rois
d' Espagne fait par AueUne avec privilfege du Roy/ Der allein
dargestellte Südflügel des Schlosses zeigt, abgesehen von dem
Thurmaufsatze des südöstUchen Pavillons,^ die vollendete Fa^ade
eines nach itaUenischem Muster gebauten Palastes. Das Erd-
geschoss ist, auf der von dem Beschauer rechten, an den süd-
östlichen Pavillon stossenden Seite mit wenigen, im Ganzen
sechs Fenstern versehen, wie mit vier bei Wyngaerde, wo doch
eines oder zwei durch ein niedriges vorgebautes Häuschen ver-
deckt sein mögen. Wenn das eine Bauhütte ist, wie es scheint,
so wird das Bild vermuthUch noch vor Ankunft des Hofes, also
1561, entstanden sein (s. oben S. 3). Statt der Bogenfenster
dieses Erdgeschosses, wie sie bei Wyngaerde gesehen werden,
erscheinen jetzt, mit anderer Vertheilung in der Mauer und
neben zwei Thoren statt eines, rechteckige mittelgrosse Fenster.
^ Mesonero Romanos, £1 üntiguo Madrid (1881), der in der Abbildung der
Südfa^ade zu S. 137 einen dem Aveline'schen ähnlichen, aber nach
der hohem Fensterverkleidung des reclitsseitigen Erdgeschosses doch
jungem Stich wiedergibt, hebt S. 158 mit Recht hervor, dass dieses
Fa^enbild noch der Zeit Philipp's IV. angehören müsse, da erst
dessen Witwe ,Dofia Mariana de Austria' den ,Thurm der Königin' auf-
geführt habe.
B XI. Abhandlung: Blidinger.
Statt des einen früher (S. 4) beschriebenen Stockwerkes sind
jetzt zwei mit je zwölf Fenstern, die oberen etwas grösser und
reicher verziert als die unteren; die früher ebenfalls erwähnte
kleine Fensterflucht und darüber der breite Fries anter dem
Dache sind bei diesem Umbau verschwunden; dies Alles wieder-
holt sich auf der linken, an den goldenen Thurm stossenden
Seite, nur dass hier das Erdgeschoss blos ein Thor und neun
Fenster links von dem Thore in ununterbrochener Folge zeigt.
Der Mittelbau ist entsprechend verändert. Man sieht hier je
sechs Säulen, zwischen denen sich je drei Fenster in beiden
oberen Stockwerken, im Erdgeschosse zwei auf beiden Seiten
der Doppelthür finden. Auf der Höhe des Mittelbaues, das Dach
der beiden Seitentheile überragend, in grossem, mit je zwei
Säulen verziertem Vierecke erscheint das königUche Wappen.
Die Bäumlichkeiten, welche durch die obere kleine Fenster-
flucht der Wyngaerde' sehen Skizze angedeutet waren, haben
einen eigenthümlichen Ersatz gefunden. Ueber den Galerien
vor dem Dachbeginne beider Seitentheile der Fa9ade erscheinen
nämlich, auf der linken Seite vollständig, den Fensterreihen
der Stockwerke entsprechend, zwölf Mansardenfenster in das
Dach gebaut oder in demselben ausgespart; auf der rechten
Seite — immer vom Beschauer gemeint — sind doch nur sieben
ebensolche; denn der übrige Vorraum des Daches bis zum
Mitteltracte ist durch einen einfachen, keineswegs schönen
Aufbau unterbrochen, der in einer Art niedrigen oberen, das
Dach überragenden Stockwerkes die fehlenden fUnf Fenster,
in dem unteren Stocke eine thürähnliche Oeflnung zeigt, welche
vielleicht auf eine schmale Dachfläche ftlhrt, um höhere Luft
und Aussicht zu geniessen.
Aber auch dieser Fa9adenbau ist nicht unverändert ge-
blieben, und zwar noch vor dem Bau des Thurmaufsatzes auf
dem südöstlichen Pavillon. Dies ergiebt sich aus einem der
drei Palastbilder, welche sich von dem Holländer Pieter van
den Berge und aus dessen Theatrum Hispaniae^ in der Wiener
^ Die Zahl 1700, welche sich mit einem Fragezeichen findet in ,The fint
proofs of the anivenal catalogne of books on art' (London 1870, I) s. v.
Berge, ist, da der Stich der Südfa^de den Zustand vor 1666 bis 1677
zeigt, als Zeit der Publicatiou des Buches recht onwahrBcheinUch.
iW^:k»tli» 4m 1«^ »4 IT. likrti—iirti. 9 ^
Uofhihliodkek ^Vaes^ Mappe lo, Mjulntom) g^iiuideu haben.
Dieaar Such stelk zwar wie der ATeline'dclie die Slklfii^ade
dar — mit einem durch zahlreiche Piachtcarossen, Pferde und
Menschen belebten Vordergrunde — und stimmt auch im
Wesentlichen mit demselben überein; aber an dem Mittektücke
der Fenster des rechtsseitigen Erdgeschosses sind jetzt gitter-
artige SchntzTorrichtungen,^ femer sind unter dem mittleren
Fenster des zweiten Stockes am Mittelbau steinerne Festons
angebracht und das Fenster selbst verkürzt worden.
Von den beiden anderen Stichen Berge*s bietet der eine
etwa drei Viertheile der Sudseite des Schlosses und die ganze,
freilich klein gehaltene Westseite , welche auch die Abbildung
in Justi's Velasquez ähnlich veranschaulicht. Der dritte Stich
Berge's schildert den zweiten Hof des Grundrisses oder, wie
die Unterschrift besagt: den ^conspectus regiae Madritensis ex
area interior^; diese Erklärung wird auch spanisch, holländisch
und firanzösisch übersetzt gegeben. Es ist ein anschauliches
Bild des Drängens und Treibens vor den Localitäten der in
diesem Theile des Schlosses untergebrachten zahlreichen Be-
hörden und vor der königlichen Prachttreppe.
Nun erst bin ich in der Lage, über Bedeutung und Werth
des Werkes Peter Texeira's für die Kenntnis des Madrider
Schlosses zu sprechen. Den grossen Plan Texeira's, welcher
Madrid in Militärperspective und mit dem Ansprüche auf
grösste Genauigkeit darstellt, berichtet Herr Mesonero Romanos
wieder entdeckt zu haben ;^ doch erwähnt er auch ein zweites
Exemplar in dem Madrider Rathhause; beide Exemplare seien
von zwanzig Blättern grossen Formates. Ein drittes und, wie
sich sogleich zeigen wird, ursprünglicheres bewahrt die Wiener
Hofbibliothek.
Die von Herrn Mesonero Romanos (I, 60) wiedergegebene
Dedication an König Philipp IV., die Anzeige des Verfertigers
über seine Leistung und die Ankündigung des Herausgebers
wie der Vervielfkltiger stimmen bis auf Einzelheiten auf den
Madrider Elxemplaren mit dem Wiener. In einem wesentlichen
Punkte differieren sie aber. Das Jahr der Abfassung oder
» Vgl. 8. 7, Anm. 1.
* . . . que hemos tenido la suerte de exhumar del olvido. I, 69.
10 X'> Abhandlung: Blidinger.
mindestens des Stiches ist nicht I6069 wie bei Romanos in der
betreffenden Inschrift und sonst zu lesen^ auch nicht 1654, wie
von Anderen gemeint wird. Das Wiener Exemplar zeigt viel-
mehr deutlich auf dem unteren Mittelblatte: ^Topographia de la
viUa de Madrid descrita por Don Pedro Texeira ano (sie!) 16Ö3'.
Die Ziffer 3 ist kleiner und mit dem Stichel schwach hinzu-
gefügt; wie unter der Loupe zweifellos sichtbar wird, um bei
späteren Abdrücken geändert werden zu können.
Auf demselben Blatte steht unten rechts: ^Philippe IV.
regi catholico, forti et pio urbem hanc suam et in ea orbis sibi
subiecti compendium exhibet MDCIiu.' Diese Zahlzeichen sollen
1653 bedeuten. Denn es ist keineswegs, wie Mesonero Romanos
berichtet, MDCIV geschrieben; die erste, fast wie ein Zeichen
für eins aussehende Ziffer nach MDC ist, trotz Verlängerung
unten mit dem Stichel, eben nur nicht gerathen und soll L vor-
stellen. Endlich findet sich nicht in dem Wiener, man darf
sagen: dem ersten, Abdrucke der an sich gewiss richtige Ur-
sprungsort Antuerpiae genannt, den Mesonero Romanos in den
Madrider Exemplaren las, xmd zwar nach den Worten (unten
links auf dem erwähnten Blatte): ,Salamon Saury fecit cura et
solesitudine (sicl) Joannis et Jacobi van Veerle.'
Der Palast ist auf zwei Blättern abgebildet: auf dem einen
rechts oben der grössere mittlere und südliche Theil mit dem
Manzanares im Westen, auf dem andern Blatte links unten
der nördliche Theil mit vier oder fünf Thürmen, in der obem
nordwestlichen Ecke auch ein viereckiger Thurm mit Dach.
Dieser mag der auf dem Grundrisse als der des Hermaphroditen
bezeichnete Thurm, der Verwahrungsplatz Franz I. und der
Haft- wie Sterberaum sein, von welchem in Don Carlos' Ge-
schichte so oft zu reden ist. Man gewinnt aber gerade von
dem für die in dessen Leben zu behandelnden Ereignisse so
wichtigen nördlichen und westUchen Theile des Palastes
schlechterdings keine Vorstellung aus diesem kleinen Perspectiv-
bilde, eher noch von der Vertheilung der beiden Haupthöfe.
Die flüchtige Arbeit erkennt man recht an der Südfa9ade, von
der unrichtig rechts zehn, links neun Fenster bei beiden Stock-
werken zu sehen sind, nur in der Mitte richtig drei. Weit
besser sind die Umgebungen des Schlosses, namentlich die
Gärten ausgeführt.
MittheiluDgen ans spanischer Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. 11
Nur die folgende Ergänzung der Stiche ist durch Davila's
(s. o. S. 3) Beschreibung des Palastes ermöglicht. Auf der
Nordseite waren nach dessen Angaben die Gemächer des Thron-
erben, zu welchen ein Zimmer im Thurme Franz I. oder des
Hermaphroditen gehörte; eben dort befand sich auch der für
die Cortesberathungen bestimmte Saal, so dass in denselben
einzutreten dem Kronprinzen in einem dringenden FaUe, wie
Don Carlos einmal einen solchen zu haben meinte, eine nahe-
liegende Versuchung war.^
Nur zu sehr wird man bei dieser Unzulänglichkeit der
Information an Justi's Klage (a. a. O. I, 180) bei dem Ver-
suche der Beschreibung des Palastes erinnert, dass ,Niemand
von den Hunderten von Gelehrten und Künstlern, die in ihm
gelebt und verkehrt haben, sich bemüssigt gesehen hat, der
Nachwelt ein Bild desselben zu erhalten/ Unter Philipp IV.
hat mindestens der Südflügel helle Räume und eine anmuthige
Front gehabt, die wohl schon unter Philipp IH. im Wesentlichen
ihre spätere Gestalt erhielt. Demnach wird flir dessen Zeit
und vollends für die seines Vaters, fUr welche wir in Bezug
auf die Südfa9ade auf Wyngaerde's Abbildung angewiesen sind,
der Vorwurf der vornehmen Italiener in seinem Rechte bleiben,
den Justi (I 185) dahin formuliert: ,man merkte den Räumen
die Anpassung an den mittelalterlichen Bau und die spanische
Neigung zum Dunkel an.^
Trotz dieser Mängel, vielleicht auch mit Rücksicht auf die
unter Philipp HI. vorgenommenen Verschönerungen konnte ein viel-
gelesener Schriftsteller im Jahre 1623 den AnbUck des Schlosses
von der West- und Südseite als entzückend bezeichnen. Wir
aber werden eher zwei neueren Gelehrten beipflichten müssen,
welche freilich das uns heute vorliegende Material einzusehen
nicht in der Lage waren. Im Jahre 1848 erklärte Madoz in
seinem grossen Real-Wörterbuche den Bau flir hässUch und ohne
künstlerischen Werth; der im December 1885 hingeschiedene
zuverlässige Gachard aber klagte, dass man keine recht genaue
* Cerca desta ^leria (del cierzo) estA la sala, donde los Reynos de Castilla
y Leon se juntan a conferir en Corte« lo que conviene k los Reynos.
Mas adelante el qnMito del principe. Davila, iprandezas de Madrid 311
und dasu meine Darstellung in «Don Carlos' Haft und Tod* 81 f.
12 X^ AbhandluDg: Blidiuger.
Abbilduug oder Beschreibung von demselben besitze.^ Das gilt
nun freilieh noch viel mehr von dem Zustande des Schlosses
in dem sechzehnten als im siebzehnten Jahrhunderte.
n.
Zum Ableben des ESnigs Philipp des Zweiten.
Neuerlich hat Herr Pfarrer Josef Fernandez Montana' ein
ganzes Capitel seines zum Lobe des Königs geschriebenen
Buches dem Hinscheiden desselben gewidmet. Neben einer
Anzahl aus der umfangreichen Literatur über den Gegenstand'
ohnehin bekannten Nachrichten hat er hiebei einige neue or-
kundUche Belege gebracht. Der Tod erfolgte Sonntag den
13. September um 5 Uhr Morgens im Escorial (S. 124). Unter
den eidUch abgegebenen Aussagen der ^authentischen Bezeu-
gung' sind (S. 114) mehrere, welche die vollkommen un-
getrübte Gemüthsruhe und das sichere Vorgeftihl des Sterbenden
von dem Eintreten des Todesmomentes ausser Zweifel stellen.
Minder gut bezeugt sind Ansprachen des Königs, darunter gar
eine (S. HO), wonach er vor dem Thronerben Philipp HL seine
wunde Brust entblösst habe, um ihm die Vergänglichkeit und
Nichtigkeit menschlicher Grösse einzuschärfen. Vgl. unten S. 23.
Ehe ich nun meinerseits zur Mittheilung und Besprechung
einiger unbenutzten Nachrichten schreite, mögen Erörterungen
gestattet sein, durch welche der sanfte Ausgang dieses Lebens
bei und nach qualvoller Krankheit noch von anderen als den
bisher betonten Seiten seine ethische Erklärung findet.
Ich habe in meinem Buche über ,Don Carlos' Haft und
Tod' darzulegen gehabt, von einer wie tief begründeten religiösen
Ueberzeugung einerseits und anhänglichen Liebe zu aUen
* Die Citate in meinem ,Don Carlos' 3 f.
' Mas luz sobre Felipe n el pmdente y so reinado con docamentos ineditos
y descripsiön novisima del Escorial. Madrid 1892, p. 109 — 140.
' Don Modesto Lafuente, Historia general de Espaila XIV (1864), 470 bis
480 bringt als besonderes XXVI. Capitel : ^^ankhelt und Tod Philipp*8 IX/,
indem er die erheblicben Ergebnisse des bis zum Erscheinen dieses
Bandes gedruckten, Seite 474 verzeichneten, und auch einiges ungedruckten
Materiales mittheilt.
MittheiloDgen aas spanischer Geschieht« des 16. und 17. Jahrhunderts. 13
Gliedern seiner Familie anderseits dieser König erfllllt war.
Auch das hat sich zur Evidenz nachweisen lassen , eine wie
schmerzliche Verkettung von Umständen ihn nöthigte^ die schein-
bare Entzweiung mit seinem schwachsinnigen ältesten Sohne in
das tiefste Geheimniss zu hüllen. Das Hinscheiden desselben
bietet nun, wie der Leser sehen wird, manche Vergleichungs-
momente mit dem Ableben Philipp's 11. selbst und andere mit
den letzten Momenten von dessen Vater Karl V., dessen Sterben
ja Don Carlos förmlich nachzuahmen suchte.
Wie man zur Erkenntnis von des Königs Empfindungen
über Leiden, hoffnungslose Erkrankung und Tod dieses Sohnes
zu gelangen hatte, ist in der Geschichte von dessen Ende auch
in Einzelheiten auseinandergesetzt worden. Inzwischen hat
sich noch ein Zeugniss in einem Briefe desselben vom 18. Juli
1568/ dem fünften Tage vor Don Carlos' Tode, während dessen
letzter Krankheit gefunden. Dieser Brief ist an den zweiten
der beiden spanischen Gesandten in Wien, Ludwig Vanegas,*
gerichtet und zur Mittheilung an des König geliebte Schwester,
die Kaiserin Maria und deren Gemahl Kaiser Maximilian TL.
bestimmt. Da dankt Philipp IL innig, dass das Kaiserpaar zwei
Söhnen, seinen Neffen, noch bei ihm zu bleiben gestatte: ,da
ich sie so sehr liebe, ist mir ihre Gesellschaft sehr angenehm.
Und so möget Ihr ihnen (dem Kaiserpaare) sagen, dass ich
hierüber eine ganz besondere Befriedigung hege, und dass ich
ihnen die Hände küsse.'
Nach dieses Sohnes Tode hat er aber ein unvergängliches
Zeugniss seiner väterlichen Liebe über ihrem gemeinsamen
Grabe im E^curial aufrichten lassen. In dem dortigen Mau-
soleum sieht man nach PhiUpp's 11. sorgfältig bis auf die Nische
* Coleccion de documentos ineditos para la historia de E^paila, tomo 101
(1891), 449. Ebendaselbst Seite 453—461 Berichte, welche die Wiener
Briefe vom 27. Juli 1568 im 27. Bande, S. 25 f. ergänzen, von den beiden
Gesandten, dem gichtkranken Chantonay und Vanegas. Sie referiren,
wie dem Kaiser des Prinzen Krankheit Kummer bereite, er aber noch
immer Herstellung und Vermählung mit d^r Erzherzogin Anna hoffe.
Thatsächlich war Don Carlos in der ersten Stunde des 24. Juli gestorben.
* Die Schreibart Vanegas (immer in dem in voriger Anmerkung citirten
Bande p. 101) hat sich als die bessere neben der von Venegas, deren auch
ich mich früher bediente, erwiesen. In den «Venetianischen Depeschen
vom Kaiserhofe* Band n (1892) findet sie sich zweimal schon im Jahre 1550.
14 XI. Abhandlung: Bfldinger.
für seinen Sarg verfligten Anordnungen dessen eigene Statue
zwar in vorgerückten Jahren, doch in voller Lebenskraft aus-
geführt. Von seinen drei hier ebenfalls bestatteten Gemahlinnen
— die zweite, Maria Tudor, ist in England beigesetzt —
sieht man die lebenswahren statuarischen Abbildungen aber
Philipp zugewandt ist das Abbild seiner ersten Gemahlin Maria
von Portugal und zwischen diesen seinen Eltern Don Carlo's
Statue. Kein anderes Kind Philipp's 11., welches vor ihm
gestorben ist, wurde hier dargestellt, auch nicht die drei im
Bandesalter gestorbenen Thronerben Ferdinand, Karl Lorenz
und Diego, von denen der Letztere zu grossen Hofiiiungen be-
rechtigt hatte; aller drei Mutter, die von ihrem Gemahle so
besonders geliebte Königin Anna, ist ohne eines ihrer Kinder
abgebildet. Alle Figuren sind ohne Kopfbedeckung, knieen mit
flachgeschlossenen Händen in vollem königlichen Schmucke, doch
ohne Kronenzier, Don Carlos mit der Kleidung des feierlich
anerkannten Kronprinzen. Eine lateinische Erklärung bezeichnet
ihn ausdrücklich als den Erstgeborenen.^ König und Kronprinz
sind wohl mit Absicht gleich gross gehalten und goldblonden
Haares.
* Die Inschrift besagt zuerst, dass Philipp II. das Grabmal fDr sich er-
richtet habe, und bemerkt dann: V(bi) P(acifice) quieacant simal Anna,
Elisabetha et Maria uxores cum Carole Princ(ipe) primogen(ito). Ab-
bildung' und Inschrift bei D. Valentin Cardereras y Solano, Iconogpraphia
Espaffola. Madrid 1855 y 1864, t. II, fol. LXXIV. Man hat es in einem
gewissen literarischen Kreise Frankreichs als Kränkung empfunden, dass
ich in meinem Buche über diesen ,Erstgeborenen* Philipp*s II. gar nicht
der Schrift des Verfassers von ,Raymond* und ,grands seig^eurs et gprandes
dames du temps pass^S des Herrn Charles de MoUy ,Don Carlos et
Philipp II. Nouvelle ^ition Paris 1864*, doch nach einer Schlussnotis
S. 316: ,1859—1862* verfasst, Erwähnung gethan habe. Es ist freilich
seltsamer Weise nach dem Titelblatt ein ,ouyrage couronnö par TAca-
d^mie Fran^ise*, obwohl ohne alle Kunde von dem umfangreichen
deutschen und dem wichtigen englischen Materiale mit einer nur mechani-
schen Benutzung der inzwischen gedruckten fraiizösischen, spanischen und
italienischen Acten und mit gänzlichem Mangel an kritischer Disciplin
abgefasst Statt der nichtigen Verse des Fray Luis de Leon über des
Prinzen Tod hätte Moüy (S. 308 f.) eine genaue Beschreibung von dem
Grabmale oder doch von Cardereras* Abbildungen, auf welche ich selbst
durch Prof. Justins GUte hingewiesen worden bin, für seinen belletristischen
Zweck liefern sollen.
mttheÜQngen avs spMiiacher 0«8cb{obte des 16. und 17. Jahrbnndtrts. 15
Vergessen war selbstverständlich, was dem Vater und Könige
von Don Carlos' wilden und gefahrvollen Absichten und Plänen
AnstosB gegeben hatte. Ob er freilich jemals Kunde erhalten hat
von den abscheulichen Aeusserungen tödtlichen Hasses des
kranken Thronerben, welche nach dessen Tode durch einen eid-
brüchigen Edelmann aus Don Carlos' Bewachung, vielleicht auch
durch einen Aufwärter desselben, zur Kunde eines Correspon-
denten des Herzogs von Alba gelangt sind,^ mag zweifelhaft sein.
Auf alle Fälle wird der Beichtvater, der Dominikaner
Diego von Chaves,* Alles gethan haben, um derartige schmerz-
* Er habe seines Oheims (Johann von Oesterreich) und seiner Tante Jo-
hanna Blut trinken und die Stücke der Leiche seines Vaters verunehren
zu wollen erklärt. 14. August 1568 (buquesa de Berwick y Alba, Do-
camentos escogidos 1891, p. 410), Brief des Doctor Milio. Ueber die
Stellung des Letzteren bemerke ich, dass bei Diego Josef Domer (pro-
gressos de la historia en el reg^o de Aragon y elog^os de Geronimo
Zurita, SU primer coronista. Zaragoza 1680), p. 497 sich ein Brief von
Alba^s Sohne Friedrich, dd. Mons, 15. December 1568, findet, nach welchem
derselbe die Nachricht von der Ernennung Zurita^s zur Geschäftsleitung
der Inquisition zuerst von Doctor Milio erhalten habe. Auch die Be-
merkung möge hier ihre Stelle finden, dass man nicht wohl gethan hat,
die in den Alba-Documentos p. 414 — 421 gedruckte Relation, einen ge-
wöhnlichen Zeitungsbericht (Don Carios' Haft und Tod, S. 302—308)
wegen einer in der Einleitung jenes Werkes S. XVII bemerkten an-
geblichen Gleichheit mit Zurita*s Handschrift (escrita de mano de Zurita)
solche Tageserzählungen diesem Geschichtschreiber Aragoniens mit seinem
sehr ausgeprägten, sachlichen, gar nicht subjectiven Stile zuzuschreiben.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass man für eine angemessene Schil-
derung Diego Hurtado de Mendoza^s, der auch in dieser Madrider Zeitung
8. 418 bei einem kurz vor des Kronprinzen Hinscheiden auf dem Corridor
der königlichen Wohnung stattgehabten Degenkampfe erwähnt wird,
noch immer die längst gedruckte, gerühmte, aber nicht in den Buch-
handel gekommene Arbeit von Schultheiss entbehrt. Zu meiner eigenen
Correctur (Don Carlos 302) mnss ich über den Namen des hochverdienten,
als Staatsmann wie als Dichter gefeierten Herrn bemerken, dass Hurtado
nur ein zweiter Name ist, welcher auch von einem Cardinal seiner Ver-
wandtschaft geführt wird; vgl. J. Fesenmair, D. Diego H. de Mendoza
(Programme des Münchener Wilhelms-Gymnasiums I, 1882; II, 1884) I, 5.
' Vgl. über ihn, wo im Folgenden kein anderer Beleg gegeben wird, die
im Register zu ,Don Carlos^ Haft und Tod* S. 311 verzeichneten Nach-
richten. In welch hohem Ansehen er schon 1568 stand, beweisen zwei
Briefe, welche am 8. März und 9. Juni der spanische Botschafter in Rom,
Johann von Zufiiga, an ihn richtete: Documentos . . . p. 1. bist, de Espana
t 97 (1890), p. 403 und 492.
16 XI. Ablumdlnng: Bfidinger.
liehe Erinnerungen zu verwischen; auch davon wird in der
nach Philipp's TL. Tode gemäss Testamentverftlgung verbrannten
Correspondenz mit demselben die Rede gewesen sein. Ohnehin
sollen alle Dominikaner das Hinscheiden des sonst von Wenigen
beweinten Thronerben beklagt, Chaves aber die Ueberzengung
ausgesprochen haben, Don Carlos sei nur filr kurze Zeit im
Fegefeuer; auch soll er lebhaft die Meinung von dessen Irrsinn
bestritten haben; der Prinz sei vom Barte aufwärts gesund,
seine Intention auch nicht so verdammlich wie seine Worte
gewesen. ^
Solch ein pathologischer und psychologischer Befund des
guten Menschen ist für unsere Beurtheilung freilich gleichgiltig.
Da aber der ehrenhafte Mönch dieser seiner Anschauung ent-
sprechend seine Entlassung aus dem Hofdienste erbat, ^ so muss
das auf den in gänzlicher Unzugänglichkeit trauernden Vater
um so mehr einen tiefen Eindruck gemacht haben, als er sich
auch erinnern mochte, dass eben dieser Geistliche Mitglied der
discreten Commission war, welche sich mit einer neuen Prüfung
des ohnehin mit aller Rücksichtsnahme geführten Processes
gegen den der Häresie verdächtigen Erzbischof Carranza von
Toledo zu beschäftigen hatte.^ Da lehnte König Philipp II. die
Entlassung ab und bestellte Chaves zu seinem eigenen Beicht-
vater; Chaves scheint bis zu seinem Tode in dieser Stellung
verblieben zu sein.
Seine Rathschläge dürfen aber bei der oben beschriebenen
Anordnung der Figuren in dem königUchen Grabmale des Es-
curial nicht unterschätzt werden: Don Carlos' Erscheinung im
Mausoleum, obwohl ungemein mager, macht doch ,vom Barte
aufwärts^ einen durchaus ,gesunden' Eindruck: er betet, mit
seinen Eltern in Liebe vereint.
Von den Angehörigen seiner Familie befanden sich zu-
verlässig nur sein ihn allein überlebender Sohn PhiUpp (HI.)
und die älteste, von der dritten GemahUn, der französischen
Elisabeth, geborene Tochter Isabella Clara Eugenia an des
Königs Sterbelager und auch diese anderthalb Tage vor dem
Ende. Von beiden wird noch näher die Rede sein.
^ Bericht des Doctor liilio an den Herzog von Alba ddo. 16. August 1568:
Alba, docnmentos escogidos 412.
• FernaTidez Montan», M«h hiz 427.
Mittheilnngen aus spuiUober Oescbioht« des 16. und 17. Jfthrbimderta. 17
Es fehlte die Grossmutter des Thronerben, der im October
1580 verstorbenen Königin Erzherzogin Anna Mutter, Philipp's
geliebte Schwester,^ die Kaiserin Maria, welche nach ihres
Q^mahles Tode (1576) bis zu ihrem eigenen (1603) meist nicht
fem von dem königlichen Bruder in Spanien lebte, wohin sie
im Spätherbste 1582 wieder gelangt war. Wie sich ihr Fehlen
bei dem seit Wochen mit Sicherheit vorauszusehenden Aus*
gange erklärt, vermag ich nicht zu sagen. In dem Wiener
k. und k. geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchive finden sich
aus diesem und den nächsten Jahren überhaupt keine Briefe
der Kaiserin Maria. Ein undatiertes Schreiben mit ihren
kräftigen, grossen und viel verschlungenen Schriftzügen, deren
volle Entzifferung ich in diesem Falle doch Anderen über-
lasse,' wird freilich im k. k. Statthaltereiarchive zu Inns-
bruck aufbewahrt. Das Schreiben ist an ihren dort resi-
dierenden Sohn, den Titularkönig von Polen und Hochmeister
des deutschen Ordens, Maximilian gerichtet. Dieser fUhrte
damals die Verweserschaft über die seit des Erzherzogs Fer-
dinand Tode (1595) streitigen Länder deutsch-habsburgischen
Besitzes. Im Eingange wird ein ,gestern^ angelangter Brief
desselben vom 20. December des Vorjahres erwähnt. Die
vorliegende Antwort mit ihrem schön geschnittenen kleinen MI
unter der Kaiserkrone in dem rothen, Trauer ausschliessenden
Siegel könnte sonach den ersten Monaten des Jahres 1598
angehören. Besorgt, wie sie um dieses Sohnes Gesundheit ist,
über welche sie am Schlüsse neue Nachricht verlangt, erwähnt
sie im Eingange, dass atlch der Botschafter Khevenhüller ihr
mündlich bestätigt habe, dass Erzherzog Maximilian sich
wirklich, wie er schreibe, wohl befinde; auch der Hoffnung
auf Erhaltung ihres königlichen Bruders scheint sie Ausdruck
* Ich erlaube mir, nochmals auf meinen ,Don Carlos* (S. 39 und 111) über
das VerhältnisB der Geschwister zu einander zu verweisen.
' Die Adresse lautet: A mi hijo el Archiduque Maximiliano. Der Anfang:
Ayer recibi vuestra carta de XX de Diziembre . . . holgu^ mucho de
Ter por ella y lo que me ha dicho el embajador Quebenhiler que estais
bueno. Auf den kranken Philipp II. gehen auf der zweiten Seite Zeile 9
die Worte : que somos buenos a conservar mi her(ma)no, wenn die Lesung
richtig ist. Der Schluss : plazer que mi podeis hazer decirme como estais
como ya (?) deseo. Vuestra madre Maria.
SitximgBb«r. d. phU.-hist. Gl. CXXYIU. Bd. 11. Abh. 2
18 XI. Ibbandlnng: Blidinger.
ZU geben. Dass sie selbst, wie sie auch dem Sohne versichert,
sich wohl befand, wird in einer im Wiener Staatsarchive als
Hofcorrespondenz aufbewahrten Reihe von meist lateinischen,
formell kühlen Briefen ihres ältesten Sohnes, des Kaisers
Rudolf n. aus den Jahren 1598 und 1699 allem Anscheine
nach vorausgesetzt; genauere Prüfung dieser Schreiben, als
sie in meinen Zwecken lag, könnte hier noch eine der Pietät
entsprechendere und über die öesundheitsverhältnisse der ehr-
würdigen Fürstin begründetere Mittheilung bringen. Immer-
hin liegen fUr die Monate der schwersten Erkrankung und des
Todes des Königs im Wiener Staatsarchive keine Nachrichten
vor. In der Hofcorrespondenz mit Spanien aus dem Jahre
1598 fehlen alle auf den dortigen Thronwechsel bezüglichen
Acten, und auch in den Berichten des kaiserlichen Botschafters
an Rudolf IL ist eine bedauerliche Lücke vom 30. Juli bis
zum 22. October dieses Jahres.
Aber man dankt doch diesem zuverlässigen Gesandten
einige erwünschte Nachrichten über unsern Gegenstand. Es
ist Johann von Khevenhüller, seit dem Juli 1593 Graf von
Frankenberg, der im Mai 1606 neunundsechzigjährig in Madrid
starb. ^ Die ganz ungewöhnlichen hohen Eigenschaften, welche
diQ Relationen des langjährigen frühem kaiserlichen Vertreters
Adam von Dietrichstein so überaus anziehend machen, darf man
in den Depeschen dieses letzten Botschafters der österreichischen
Linien des habsburgischen Hauses am Hofe Philipps H. nicht
erwarten. Doch ist es eine ausflihrliche und geschäftlich genaue
Berichterstattung. Besonders zutreflfend wird man sein Urtheil
über Personen nicht finden. Noch am 30. Mai 1598, nur drei
und einen halben Monat vor Philipp's Tode berichtet er von
dessen Thronerben nicht nur, dass er täglich kräftiger werde,
höchst fromm und seinem Vater durchaus gehorsam, sondern
auch, dass er höchst verständig sei.* Der geistesstarke könig-
1 Wurzbach XI, 220.
' ,Der Prinz wird von Tag zn Tag 8t()rckher und ist ein feindtlich godt-
forchtdger und verstendiger Herr, der sy ihn Allen seines Herrn Vattem
Willen (gemäss) verhalt.* Innsbrucker Statthaltereiarchiv, wo sich auch
die nächsterwähnte Depesche vom 10. April 1595 befindet mit dem charak-
teristischen Satze: ,Der Khönig khracht on Unterlass und ist yom Leib
feindtlich abkhumen.*
Mittheilangen ans spanischer Qescbicbte des 16. und 17. Jalirhanderts. 19
liehe Vater gab sich doch in dieser Beziehung keiner Täuschung
hin, sagte gelegentlich: ,Gott, der mir so viele Reiche gewährt
hat, weigert mir einen zu ihrer Regierung fähigen Sohn' und
klagte noch wenige Tage vor seinem Ableben dem Markgrafen
von Castel Rodrigo: ,Ach, Herr Christoph! Wie es mich besorgt
macht, dass sie ihn zum Herrschen haben !'^
In eben jener Depesche, in welcher er das irrige Urtheil
über den künftigen PhiUpp IH. abgibt, berichtet Khevenhüller
doch dem Erzherzoge Maximilian in Innsbruck mit denselben
Worten, wie schon im April 1595: ,Die Kaiserin, meine aller-
gnädigste Herrin (Frouv), ist wohl auf/ So gleichmässig guter
Gesundheit erfreute sich die greise Fürstin. Um so seltsamer
ist, aus der Nähe des in so qualvoller Weise hinsterbenden
königlichen Bruders nichts von ihrer Gegenwart zu erfahren.
Noch in dem erwähnten Berichte nach Innsbruck vom
30. Mai 1598 hatte der Gesandte aus eigener Anschauung ge-
schildert,* wie die Kaiserin nach der feierlichen, durch Elide
auch des Thronerben bestätigten Abtretung der Niederlande
an die Infantin Isabella eine Vollmacht ihres Sohnes, des mit
päpstlicher Bewilligung aus dem geistlichen Stande getretenen
^ ,Dio8 qne me ha concedido tautos estados me miega nn hijo capaz de
goveruarlos !' — ,Ay Don Christoval, que me temo qne le han de go-
vemarl* Lafuente XV, 271.
' Euer kuu(iglicheu) W(ürde) solle ich nach Erinderung meine gehör-
samisten || und ganz willigen Dienst unterthenigist zu erindeni nit
underlassen, wasmassen verwichner Tagen der Kunig die Donation i| der
Niderlandt der Infanta seiner Tochter gethan. Sölliche habbe Ihr
F(ü)r(stliche) D(urchlauc)ht acceptierdt unnd der Prinz ihr Prueder und
sy paiderseits mit starkchem Juramendt ratificieredt und confirmiredt.
Paldt darauff habbe die Kaijserin, mein allergenedigiste Frouv ainen
Gewaldt vom Erzherzog Albrechten angehendigit, und nachdem derselb
ihn Peysein Ihrer M(aye8tä)t des Khunigs, des Prinzen, der Infanta, des
Marques de Yelada, des Don Christöval de Mora, des Don Juan de Idia-
quez und mein, verlössen worden, hat man zun Heiratscapitulationibus
griffen. — — — Wenige Tag ehe vermelte Tractation abg^loffen ist
der Kunig gar (?) übl auss gewest, Jederman pesorgt, wurde von Landt
rukchen, aber widerumben pösser worden; gleich woU des Fiebers noch
nit quit; pesorgen, sye eticus (= hetico). Wie dem Alem, (wollen)
Ihr M(ajestä)t, dass alle negotia durch ihr Uendt lauffen: dardurch nit
wenig prejudiciredt wird.* (Innsbrucker Archiv).
2*
20 XI. Abhftndliinf : Bfldinger.
Erzherzogs Albrecht, überreichte, nach deren Verlesung die
Ehepacten mit der Infantin aufgesetzt wurden.
Es fand aber schon dieser feierliche Doppelaet ^wenige
Tage^ nach einem schweren, unmittelbaren Tod drohenden
Krankheitsanfalle des Königs statt, bei welchem die Aerzte
zum ersten Male alle drei Uebel erkannt zu haben scheinen,
deren vereinigte Wirkungen ihm Leiden nicht von dem Historiker
zu beschreibender Art* verursachen sollten. Schon seit 1579
hatte sich die Gicht, an welcher ja auch sein kaiserlicher
Vater schwer gekrankt hatte, bei ihm eingestellt; dieses Uebel
hatte ihn im Laufe der Jahre in zunehmendem Masse heim-
gesucht und hat ihn bald mit all seinen schmerzhaften Folgen
nicht verlassen. Ein hektisches Leiden scheint schon in seiner
Jugend vorhanden gewesen zu sein, da ihm damals oft jede
stärkere Bewegung unmöglich erschien' und die grösste Sorg-
falt für seine Gesundheit zur Pflicht gemacht worden war; wie
es häufig geschieht, trat dies in der Vollkraft des Lebens
zurückgetretene oder vernarbte Uebel jetzt im Greisenalter bei
dem fast Einundsiebzigjährigen, schon seit mehr als Jahresfrist
vermuthet, unzweideutig hervor. Zu diesen beiden Krank-
heiten gesellte sich jenes Wechselfieber, an welchem auch
Karl V. zuweilen gelitten hatte und dessen dreijährige Dauer
fUr Don Carlos so verhängnissvoll geworden war.
Noch war dies Fieber nicht ganz geschwimden, als in
des Königs Gegenwart dessen Lieblingstochter die Ueber-
tragung der niederländischen Herrschaft und jene von der
Kaiserin vorgelegte Vermählungserklärung empfieng. Zwei
Tage früher, bei der Frohnleichnamsprocession am 28. Mai^
liess er sich durch den Kronprinzen vertreten, zu dessen
Gunsten man schon im April von der Abdankung des Er-
krankten gesprochen hatte; doch sah er der Procession hinter
geschlossenem Fenster zu. Kjievenhüller' fand ihn an diesem
Tage wie todt aussehend.
^ Lafaente XIV, 471—475, wo derselbe sich entschnldigt: sensible nos es
tener que trazar este repugnante cuadro.
* ,Don Carlos* 130.
An den Kaiser am 12. April 1698: .... ,weil aber der Chonig nochmallen
Leibs Schwachheit halber, mit der noch pyha£f(tet)'. Die Depesche vom
21. Juni, einem Sonntag, trägt diese Zahl am Schlüsse und auf dor
9
]Cittbeiliing«n au spaniioher 0«Bchiohte dM 16. nnd 17. Jahrhunderts. 31
Uud doch trat sein Verlangen der Uebersiedelong nach
dem Escurial seitdem immer stärker hervor, aller Einsprachen
der Aerzte ungeachtet, welche den Transport für gefährlich
erklärten. Dennoch wurde derselbe^ unter heftigen Schmerzen
vom 30. Juni bis 5. JuU, also in sechs Tagen, derart voll-
zogen, dass der Kranke von Menschenhand in seinem Lager
diesen etwa fünfzig Kilometer langen Weg getragen wurde.
In dem Escurial angelangt, wohnte König Philipp in seinem
Krankensessel nicht nur der kirchlichen Feier der Ueber^
tragung aus Deutschland gekommener Reliquien bei, sondern
besah sich noch einmal aUe Räume dieser seiner wundersamen
Bauschöpfung, traf auch einzelne neue Anordnungen. Man begann
wieder Hoffnung zu hegen; am 13. Juli meldete Khevenhüller
dem Ejiiser, dass ,des Königs Indisposition sich täglich besseret
Am 22. Juli begann jedoch der Zustand des Kranken hoffnungs-
los zu werden; noch vor Ablauf des Monates wurde eine
Operation am Knie vorgenommen,^ deren Schmerzen der König
zum Erstaunen der Aerzte ruhig ertrug. DreiundfUnfzig Tage
für die damalige Heilkunst nicht zu lindernden, unaufhörlichen
Leidens zählte man so bis zum Tode am Morgen des
13. September.
Da sind nun zwei im Innsbrucker Archive erhaltene Be-
richte aus den beiden diesem Abschlüsse vorangehenden Tagen
erwünscht. Sie Hegen einer für den Zweck dieser Abhandlung
Adresse; doch scheint der Gesandte nach dem Inhalte sich beide Male
rerschrieben zu haben; es dürfte ,12- Juni' gemeint sein. Am Ende des
Berichtes über die Frohnleichnamsprocession über den KOnig: ,hat vill
ehe ainem todten COrper, alls ainem lebendigen gleich gesehen. Ihr
M(igestä)t pegem starckch nach dem Escurial, das aber die Mediei nit
approbiren wOUen. Wie dem Allem, so vermainen sy, ehr werde sj nit
halten lassen, das nun nit an Gefahr ihrem Vermueten nach steet'
(Wiener Staatsarchiv.)
^ Auf der dritten Seite von KheyenhüUer^s Depesche an den Kaiser vom
30. Juli 1598 findet sich der medicinische Bericht, beginnend: La salud
del Key, vieUeicht fUr die Geschichtschreibung der Medicin von Werth.
(Wiener Staatsarchiv.) Dies ist vor des K()nig8 Ableben, wie oben (S. 18)
bemerkt, die letzte Depesche an den Kaiser, welche erhalten ist. Da
aber auch aus Don Carlos' letzter Zeit und über seine Bestattung die
Dietrichstein'schen Depeschen fehlen, so darf man die Hoffnung nicht
aufgeben, dass beide Fascikel noch irgendwo erhalten sind.
22 XI- Abbandlnng: Bfldinger.
irrelevanten Depesche Khevenhüller's an den Erzherzog Maxi-
milian vom 14. September 1598 zur Information bei. Wie
sie beide sich als Abschriften einer, freilich zuweilen das Ver-
ständniss durch Abkürzungen und durch eine widersinnige
Interpunction erschwerenden, Kanzleihand darstellen, so haben
sich vielleicht auch anderwärts, namentlich in Spanien selbst,
solche Abschriften erhalten. Auch ist es ganz möglich, dass
sie schon einmal in einer mir unbekannt gebliebenen spanischen
Monographie gedruckt worden sind. Auf alle Fälle verdienen
sie, auch weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Das erste Schreiben ist ein Billet des leitenden Ministers
und hochgeachteten Vertrauten des Königs, der ihn auch an
erster Stelle mit dem Vollzuge seines Testamentes betraute.^
Christoph von Moura, wie dieser portugiesische Edelmann
eigentlich hiess, oder Mora, wie ihn die Spanier nannten. Ge-
richtet ist der Brief an Johann von Boija, nach dem Namen
ein Abkömmling jenes gleichnamigen zweiten Sohnes des
spätem Papstes Alexander VI., welcher zu dem Herzogthume
Gandia und der Ehe mit einem Sprossen des aragonesischen
Königshauses gelangte.* Vom 11. September um 12 Uhr
Nachts ist das Billet datiert, welches vorzeitig das Eintreten
der Todesstunde meldet. ,Wir sind zur letzten Stunde gelangt,
welche flir Seine Majestät mit so viel Grund ersehnt worden
ist, damit (der König) von den Leiden und Nöthen entledigt
werde, in denen er sich befindet, und zum Genüsse der Ruhe
komme, welche Gott nach seiner Barmherzigkeit und um
dessen willen ihm gewähren wird, womit er ihm in diesem
Leben gedient hat. Jetzt können wir Eurer Herrlichkeit keine
anderen Nachrichten senden.^ In den Schlussworten scheint
der Fall einer ganz unwahrscheinlichen Besserung des Befindens
noch vorbehalten.*
* Näheres über ihn: ,Don Carlos' Haft und Tod* 168 bis 174.
' C. von Höfler. Die Katastrophe des herzoglichen Hanses der Boija von
Gandia (Denkschriften der kais. Akad. XLI, 1892), 8. 10, 53 f.
' Don Christoval de Mora a Don Jnan de Boija de San Lorenzo el Real
4 11 de Seti(embr)e a las doze de la noche 1698. Somos lleg^ados k la
ultima hora tan desseada por su Mag(esta)d con tanta razon, pues saldri
de las miserias y trabajos en que esta y ira i gozar del descanso qae
Dios le darA por su misericordia y por que el en esta vida le ha seniido.
]CilthtiliiBf«n »u tpMiischtr OeMbiohte dM 16. und 17. Jahrhundert«. 23
Die andere Einlage ist als Theil eines Briefes ans dem
Escnrial bezeichnet, also etwa als Zeitung für die vertrautesten
oder vornehmsten Kreise Spaniens abgefasst und vom folgenden
Tage, 12. September 1598, datiert.^ ,Seine Majestät ist gestern
um 2 Uhr Nachmittags von einer Ohnmacht befallen worden.
Man dachte, sie werde ihn hinraffen, also gab man ihm die
Kerze in die Hand.* Um 6 Uhr Abends kam darauf Herr
Christoph von Mora sehr niedergeschlagen zu der Frau In-
fantin und sagte zu ihrer Hoheit: „Herrin! Seine Majestät
will, ehe sie stirbt. Eurer Hoheit den Segen ertheilen." Ihre
Hoheit war gar beunruhigt, erschien sehr geröthet und erhob
sich zu gehen. Herr Christoph sagte zu ihr: „Eure Hoheit möge
sich nicht so beeilen I Denn ich gehe zu dem Prinzen, damit
Sie Beide mit einander gehen." Und so giengen sie, und
Seine Majestät konnte nicht zu ihnen sprechen, sondern ihnen
nur seinen Segen ertheilen. Und sogleich kehrten sie Beide
in tiefster Rührung zurück, dass es die Herzen brach.^ Der
Prinz begab sich in seine Wohnung und schloss sich zum
Gebete ein, und die Prinzessin gieng in die Emporkirche,
um dasselbe zu thun, wo wir die Mönche ein- und ausgehen
sahen. Und um 7 Uhr Morgens (12. September) hatte seine
Majestät einen weiteren Anfall, kam aber sogleich wieder zu
sich. Man gab ihm einen Trank, und als diesen der Arzt
Mercado darreichte, fragte er ihn, aus was er sei; der ant-
Ta no podemos embiar k V. S. otras nuevas, si no fueren las (los?) . . .
tras (contras? portugiesisch) esto se pueden esperar. GroBsoctavblatt.
^ Cap(itu)lo de carta del Escurial & 12 de Seti(embr)e 1598. Folioblatt.
' Gleich dieser Anfang, von dem Schreiber unmöglich interpungiert, soll
lauten : A su Mag(esta)d le di6 ayer k las dos despues de medio dia un
desmayo. Pensando que le llevaria, assi le pusieron la candela en la
mano.
' T assi fueron, y no les pudo hablar su Mag(esta)d, sino hechar les su
bendicion, y Inego se bolvieron tiemissimos entrambos, que quebraua los
coTSu^onea. Die auch von Lafuente XIV, 478 aufgenommene Erzäh-
lung von der zärtlichen Ansprache des Königs an seine beiden Kinder
saramt Ermahnung zu Frömmigkeit und kluger Regierung ist also grund-
los. Was von der hiemit zusammenhängenden Weisung an seinen Beicht-
vater zu halten ist, Beiden die Ermahnung vorzulesen, welche Ludwig
der Heilige an seinen Thronerben gerichtet hatte, erscheint jetzt mindestens
zweifelhaft. Die Nichtigkeit einer andern Nachricht (s. o. S. 1 2) ist zweifellos.
24 XI. Abb.: Btdinf er. Xittheilnofen »os tpftoiseber Oewhiobte dM 16. v. 17. Jftbrb.
wortete ihm: „Aus Hyacinthen." Hierauf sprach der König:
„bei einem anderen Tranke wie diesem starb die Kaiserin,
meine Herrin, bei Einbruch der Nacht; aber ich werde in
dieser Nacht nicht sterben," [den Anbruch des Tages hatte er
also nicht bemerkt] „noch am Morgen; denn ein Mönch hat
mir gesagt, er wisse die Stunde, hatte grosse Wissenschaft.''
Und die ganze Nacht waren die Mönche damit beschäftigt,
den Psalter aufzusagen und Gott ftLr die Seele Seiner Majestät
zu bitten.'
Schon vorher war auf seinen Befehl seines kaiserlichen
Vaters Sarg geöffnet und waren aus demselben zwei Kerzen
und das Crucifix genommen worden, welches Karl V. bei
seinem Tode in Händen gehabt hatte; man musste dasselbe,
damit er es stets sehe, an des Königs Bettvorhang befestigen;
in seine Hände sollte dies Kreuz ebenfalls beim Sterben gelegt
werden. Hatte doch auch Don Carlos, als ihm die Nähe des
Todes angekündigt wurde, die Umstehenden ihn zu unterstützen
gebeten, das von seines kaiserlichen Grossvaters Lippen in
der Sterbestunde gehörte Gebet zu sprechen. Unter kleinen
Zuckungen wie dieser sein ältester Sohn ist auch Philipp II.
verschieden.
in. Abb.: Beer. Hao<Uebr. Spuiens. Bibl. Uebers.: 325—828 (Murci*— La Mnrto).
XII.
Handscbriftenscbätze Spaniens.
Bericht über eine im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in den Jahren 1886 — 1888 durchgeführte Forschungsreise.
Von
Dr. Budolf Beer,
4nuuiuezi9is der k. k. Hofbibliotbek.
M u r o i a.
325« Biblioteca de San Felipe.
Haenel, Cat. col. 1006 nonnulli libri mss. parvi momenti.
Valentinelli, p. 118 nach Haenel.
326. Archivo de la ciudad.
CoLECcioN de fueros y cartas-pueblas de Espana, Madrid
1852, p. 156 flf. Mittheilungen über einen ,cödice del Fuero
Juzgo que se guarda en el mismo archivo' mit reichlichen
Auszügen.
327. f Biblioteca de los Frailes menores de San Francisco.
Diese Bibliothek erhielt die Privatsammlung des Bischofs
Diego de Arze y Reynoso, nach Vogel verzeichnet im
CatAlogo general de la hbreria del senor D. Diego de
Arze y Reynoso, Obispo, Inquisidor general en todos los Reynos.
Vgl. auch Wadding, Scriptores Ordinis Minorum, Romae
1650, p. lOOf.
Antonio, Nicolaus, Biblioth. Nov. I, p. 268 über Diego
de Arze und seine Bücherschenkung.
Vogel, p. 479.
Valentinelli, p. 117 f. nach Vogel.
La Murta (Prov. de Valencia).
328. Biblioteca del Monasterio de Nuestra Seüora.
ViLLANUEVA, Viagc, tom. rV, p. 83 f., beschreibt (1) ein
Horario ö Devocionario, prächtig auf Pergament geschrieben,
mit vielen Miniaturen, welches nach einer Note ,di6 D. Diego
Vieh entre otras pinturas ä este convento de la Murta ä 26 de
SitaungBber. d. pbil.-bist. a. CXXYUI. Bd. 18. Abb. 1
2 XII. Abhandlung: Beer. Huidschriftenschitze Spaniens.
Julio de 1641^ Interessant wird das Kalendar durch zwei
auf den eigentlichen Text folgende Abbildungen; die eine
stellt das kaiserüche Wappen dar, und um dasselbe finden
sich die Worte: , Maximilianus imperator romanorum semper
augustus' und unter denselben wie folgt: HALI-MAS. Die
zweite Abbildung bietet gleichfalls ein Wappen und darum die
Legende: Franciscus de Taxis, magister postarum serenissimi
principis Ka. archiducis Austriae/ Ad calcem die Note: Vidit
Fr. Joannes Vidal 23 Maji 1585. (2) Lactantius, sieben Bücher
der Divinae institutiones, s. XII mit zahlre'ichen Varianten von
Belang. Diese Handschrift ging in den Privatbesitz Villa-
nueva's über.
Valentinelli, p. 126 f. nach Villanueva.
La Murta (Prov. de Barcelona).
339. Biblioteca del Monasterio de los P. P. Gerdnimos.
Villanueva, Viage, tom. XIX, p. 2 berichtet über die
einst reiche, vom presbitero Jaime Ramon Vila gestiftete Hand-
schriftensammlung des Klosters,^ die theilweise in den Besitz
des Marques de la Romana zu Valencia gelangte. Villanueva
sah noch an Ort und Stelle: (1) Eine prächtig geschriebene
Bibel mit der Schlussnote: Explicit liber Machabeorum secundus.
Scripsit Nicolaus Berti de Gentiluciis de Sancto Geminiano,
civis Florentinus, pater Amantii et Francisci, complevitque die
sabbati dccima nona mai MCCCLIII u. s. w. (2) Devocionario
en vitela, Ueno de primorosas miniaturas. (3) Sermo quem
coram Domino Papa et Cardinalibus Avinione in Capella
Domini Papae explicavit venerabiHs F. Bemardus Oliverii . . .
sub anno Domini MCCCXXX quarto. (4) Santoral lemosin.
(5 — 8) Coleccion herdldica in vier grossen FoUobänden.
ToRRES Amat, Memorias etc., bespricht p. 481: Pertusa,
Francisco, Memorial (de la f^ cristiana), un tomo en fol. menor
MS. de 204 foleos. Fuit scriptus liber iste in monasterio isto
dicto S. Hieronymi de Bethelem, alias de la Murta et fuit . . .
Die novembris sabato primo de adventu, anno domini MDV.
Deo gratias; p. 632 Trias, Juan, Bibliotheca seu coUectio
aliquarum sententiarum Sacrae Scripturae, sanctorum Patrum
^ lieber diese auch Torres Amat, Memorias, p. 614.
^
fiibl. Uebenicht : 329— SSO (La Murta— Nijera). 3
et aliorum auctorum etc. Cuatro volüinenes en folio. Beide
Werke aus dieser Bibliothek.
Valbntinblli, p. 161 nach Villanueva.
N&jera.
330. t Biblioteca del Convento de Santa Maria.
Empfangsbestätigung König Alphons X.: Sepan quantos
esta carta vieren, como yo Don Alfonso, por la gracia de Dios
Rey de Castiella .... otorgo que tengo de vos el prior ^ con-
vento de Santa Maria de Näjera quince libros de letura antigua
que me emprestastes, ^ los libros son aquestos. (1) Las edi-
tiones* de Donato. (2) Statio de Tobas.^ (3) El Catalogo de
los Reyes Godos. (4) El libro juzgo de ellos. (5) Boecio de con-
solacion.^ (6) Un libro de justicia. (7) Prudencio. (8) Geor-
gicas de Vergilio.^ (9) Ovidio epistolas. (10) La historia de los
Reyes de Isidro el menor.^ (11) Donato el Barbarisio.^ (12) Vo-
colicas' de Vergilio. (13) Liber illustrium virorum. (14) Pre-
ciano maior. (15) Boecio sobre los diez predicamentos. (16) El
comento de Ciceron sobre el sueno de Scipion.
Dada en Santo Domingo de la Calzada, veinte ^ cinco
dias de Febrero, era de mill ^ trecientos ^ ocho anos (25. Fe-
bruar 1270).
Zuerst veröffentlicht von Gaspar Ibaiiez de Segovia, Peralta
y Mendoza, Marques de Mondejar, Memorias historicas del Rei
Don Alonso el Sabio, Madrid, 1777 p. 452, dann von Fray
Liciano Säez, Demostracion del verdadero valor de todas las
monedas que corrian en Castilla durante el reynado del Sefior
Don Enrique UI. Madrid 1796, p. 371; am besten im Memorial
histörico espanol. Coleccion de documentos opüsculos y antigue-
dades I, 1851, p. 258, Doc. Nr. CXVIII, nach der Documente in
der Coleccion del Conde de Mora, tom. XXIII, O. 23. (Jetzt in
der Bibliothek der Akademie der Geschichte zu Madrid.) Vgl.
* Der von IbafSez veranstaltete Abdruck gibt: Addiciones.
* Estacio de Thebas, Abdruck Ibaflez.
■ Consolatione, A. I.
* Virgilio, A. I.
* Reyes, Isidro el menor, A. I.
* Barbarismo A. I, corrig^rt.
^ yocolicas — predicamentos weggelassen im A. I.
4 Xn. Abhandlung: Beer. Huidschriftonsch&tze Spaniens.
ferner Eguren p. LXXIX, Tailhan p. 309, Amador de los Rios,
Historia critica de la Literatura Espafiola^ tom. IH, p. 592, end-
lich Marcelino Menendez Pelayo, Horacio en Espana, p. 9, Anm.
Navaloamero.
331« t Biblioteca del Colegio de Jesuitas.
Ein handschriftlicher Indice de los libros del Colegio de
Jesuitas de Navalcarnero wird verzeichnet unter Nr. 467 und
468 der jetzt in der Real Academia de la Historia aufbewahrten
Codices aus San Isidro (Madrid); er besteht aus 12 Heften in
Folio. Vgl. Revista de Archivos VI (1876), p. 263. Navalcar-
nero ist ein kleines Städtchen zwischen Madrid und Talavera
de la Reina.
Obona.
333. t Biblioteca del Monasterio.
Adelgastar schenkt Era DCCCXVHI (780) diesem Kloster
verschiedene Kirchengeräthe und Güter et (1) unum misale . . .
et (2) lectionarium et (3) responsorium et (4, 5) duos psalterios
et (6) uno dialogorum et (7) passionarium et (8) una regula
de ordine Sancti Benedicti.
Vgl. Risco, Espana Sagrada, tom. XXX VH (1789), Ap.
Nr. 5, p. 308 Mitte. Eguren p. LXXXVHI, Tailhan p. 314. —
Coleccion de fueros y cartas-pueblas de Espana p. 163 f. heisst
es mit Bezug auf diese Urkunde: Esta escritura ha sido caH-
ficada por algunos de apöcrifa.
Olveyroa.
333. t Iglesia de Santiago.
Dona Leonor Gonzalez, Gemahlin Ruy Soga's, bestimmt
in ihrem Testament vom Jahre 1334: It. mando a Santiago
dolveyroa CC soldos para hun salteyro.
Aus dem Tumbo von Tojosutos (gegenwärtig im Archivo
Histörico Nacional zu Madrid) edirt von Villa-Amil, Los cödices
p. 20.
Oliva (Navarra).
334« Archivo del Monasterio,
MuNOz Y RoMERO, Diccionario p. 204 erwähnt ein Ms.
Chronologia regii Ohvae monasterii, que existia original en su
archivo; lateinische Annalen, die bis zum Jahre 1647 reichen.
\
fiibl. Uebenicht: 331— SS7 (Nijerm — Ofta).
Olxnedo.
335« Biblioteca de la Iglesia parroquial del Arcangel San
Miguel.
MüNOz Y RoMERO; DiccioDario p. 204 f. citirt Libro del
novenario sagrado ä la milagrosa imägen de Nuestra Senora de
la Soterrana, patrona de la villa de Olmedo . . por el Licenciado
Antonio de Prado y Sanefao. Ms. ,Esta obra se guarda en la
citada iglesia/ Berichtet unter Anderem über die Gründung der
Stadt und ihrer Convente.
Los Olmos.
336. f Archivo del Convento de los P, P. Franciscanos,
MartInez Anibarro y RrvES, Intento de un diccionario
de . . . Burgos etc. p. 54 berichtet über eine Handschrift ^Manual
de fundaciones de conventos^ (ohne nähere Beschreibung), sowie
Originalmanuscripte der Werke von Francisco de Salinas (des
Gründers des Klosters), welche in diesem, heute zerstörten Con-
vente aufbewahrt wurden.
Ona.
337. t Biblioteca y Archivo del Real Monasterio de San
Salvador,
Der codex Escorialensis R. 11. 7, Saec. Xu enthält auf
fol. 113*^^ und 147^ folgendes Handschriften verzeichniss:^
(1.2) Dos bibliotecas. (3) Vna omelia. (4) decada psal-
morum. (5) Los canones nueuos. (6) Los canones uieios
(7) Moralia Job. * (8) Las dirivationes nueuas. (9) Las ystorias.
(10) Liber orationum. (11) Thimologia. (12. 13) Dos libros super
Johannem. (14) Paulus orosius. (15) Liber omeliarum gregorii.
(16 — 19) Quatuor libros passionarios. (20) Liber augustinus de
civitate dei. (21) Liber augustinus de doctrina christiana. (22)
Liber ambrosius de questionibus evangeliorum. (23) Liber de-
creta romanorum. (24) Virginitas sancte marie. (25) Psalterium
cantoris parisiensis. Quod iussit fieri dompnus abbas. (26) Vita
* lieber die Varianten vgl. Hartel a. a. O.
• In beiden Abschriften findet sich Job zweimal, wohl Dittographie, da kaum
anzunehmen, dass dem Werk Gregors die Schrift selbst beigegeben war.
ß Xn. Abbandlang: Beer. Handscbriftenscbitze Spaniens.
sancti enneconis. (27) Quadraginta omeliarum.* (28) Ezechiel.^
(29) Liber cintillarii. (30) Vita sancti Martini. (31 — 34) Quatuor
libri dialogonim. (35) Ystoria ecclesiastica. (36) Jerenticon.
(37) Vita sancti ildefonsi. (38. 39) Apocalipsin.* (40) Institu-
tiones patrum. (41) Collationes patrum. (42. 43) Prognosticon
dos libros. (44. 45) Ad dominum cum tribularer. dos libros.
(46) Vita sancti gregorii. (47. 48) Vitas patrum dos libros.
(49) Zmaragdu. (50) Prosper. (51. 52. 53) Sumum bonum tres
libros. (54) Super ysayam. (55) Quam bonus. (56) Liber duo-
decim prophetarum. (57) Flores psalmorum. (58) Liber pastoralis.
(59) Liber iohannis belet. (60) Liber allegorias de ezechiel.
(61. 62) Dos reglas. (63. 64) Dos missales. (65. 66) Dos domin-
gales . unu nuevu y otru vieiu. (67. 68. 69) Dos santorales
nuevos en dos cuerpos . y unu vieiu. (70. 71) Dos collectarios
de coru . unu nuevu y otru vieiu. (72 — 74) Tres officeros. (75.
76) n°* proseros. (77 — 83) VIT libros pora dezia missas. (84 —
87) im antiphonarios. (88—102) XV psalterios.
Estos son libros de gramatiga (103. 104) libros de decretos.
(105) Pricianus. (106) Arator. (107) Papia. (108) Sinonimus.
(109) Terentius. (110) Juvenalis. (lll) Virgilius. (112) Ovi-
dius maior. (113) Lucanus. (114) Salustius. (115) Sedulius.
(116) Aurea gemma. (117) Duo paria partium. (118) Suma
de Priscian. (119. 120) Liber lex H. (121—132) La biblia glo-
sada in XII libris divisa singulatim per ordinem per corporum
distinciones.
Zuerst vollständig mitgetheilt von Hartel-Loewe BPLH,
Bd. I, p. 125 f. Schon frliher hat Perez Bayer in seiner ausführ-
lichen Beschreibung des Escorialensis (veröfFentHcht von Rodriguez
de Castro, Biblioteca Espanola U, p. 328 ff.) auf den Katalog auf-
merksam gemacht (vgl. a. a. O. p. 331) und zunächst erwiesen,
dass die Orthographie in den Sentenzen Isidors (dem Hauptinhalt
des Codex) auf eine alte heimische Vorlage hindeute; aus den
^ Wahrscheinlich Gregorii Magni Homiliae XL in Evangelia und Homiliae
XII in Ezechielem.
* Nach Apocalipsin folgt in heiden Abschriften dos libros. Ich ziehe dies
als Vermerk zu 31 (vgl. Nr. 41 ff.) und glaube, dass hier des Beatus
Comnientar zu verstehen sei, jedoch nicht in zwei Bänden — wenigstens
ist mir unter den zahlreichen Cojüen keine zweibändige bekannt — sondern
zwei Exemplare.
)
Bibl. Uebersicht: 387 (Oüa). 7
spanischen Bemerkungen des Katalogs (unn nueuu, y otro vieiu)
ergebe sich, dass der codex ,certe ad veteris Castelle Astu-
rumve aut Galleciae partes pertinuisse/ Ausschlag gebend für
die Ortsbestimmung scheine aber die Note (Federprobe) am
Schlüsse: Clemens Episcopus servus servorum Dei dilectis filiis
Abbati et Conventui Oniensi in Ecclesia Sancti Salvatoris, d. h.
Salvador de Ona. Das Kloster wurde 101 1 vom Grafen D.
Sancho gegründet, vom König D. Sancho dem Grossen (f 1035)
reformiert und hiebei Benedictinern, die er aus Cluny berief,
übergeben (vgl. Pascual Madoz, Diccionario geografico-estadistico-
historico, tom. Xu, s. v.).
Aus diesem Umstände erklärt sich vielleicht die Eintragung
der später beigeschriebenen vitae, die meist französischen Ur-
sprung aufweisen. Ueber die in demselben Codex befindliche
Note des Petrus Femandi de Graiion vgl. den Artikel Cogolla,
Anm. Bemerkenswerth ist, dass Anibarro y Rives, der von
dem vorliegenden Katalog anscheinend keine Kenntniss hatte;
auf Grund seiner archivalischen Studien (vgl. unten) die wieder-
holte Scheidung der Onienser Ritualbücher in antiguos und
nuevos nachweist, wie sie unser Verzeichniss deutlich darbietet.
Die ausfuhrlichste Schilderung der Schicksale Ona's gibt Argaiz,
Soledad Laureada, tom. VI, p. 443 ff. (vgl. unten).
Dona Sancha Jimenez schenkt zu Beginn des 13. Jahr-
hunderts dieser Kirche Kirchengeräthe et (l) un breviario do-
minical et (2) alio sanctoral (3) et un evangeüsterio et (4) ofi-
ciero et (5) un psalterio.
Aus einer ,carta partida por A. B. C der Bibliothek der
Real Academia de la Historia veröffentlicht von Eguren p. XC.
Argaiz, Gregorio de, La Soledad Laureada por S. Benito,
tom. VI, Madrid 1675, p. 453 in dem Abschnitt Exercicios de
letras en Ona, en tiempo del Abad Don Juan de Alcucero, re-
sumirt: Ay de el tiempo deste Abad un testimonio de la vida
de sus monges, y su observancia en los Libros que oy perse-
veran escritos de mano, al fin de quinientos y cincuenta y mas
anos de diferentes assumptos, y todos en orden k mayor virtud
y perfeccion. Pondrfe uno por exemplo en que estk la Regia
de San Agustin, compuesta de diferentes capitulos, sacados de
las obras de aquel Santo Doctor. Luego se sigue la Regia de
San Rufo que compuso para los Canonigos de la Iglesia de
8 Xn. Abhandlung : Beer. HandseliriftenscbitM Spaniens.
Tolosa de Francia, y estk con este titnlo: Incipit Liber Ec-
clesiastici et Canonici Ordinis in Claustro Sancti Rnffi tempore
Liberati Abbatis institutus. Contiene 358 capitxdos sacados de
diferentes Concilios de Pontifices, de Decretales y de los Sa-
grados Doctores S. Agustin, San Leon Papa, San Qregorio, San
Ambrosio, San Isidoro, Amalario, Fortunato, y otros, que es
cosa muy curiosa, y en la primera hoja tiene estas palabras.
Centies undena ter quina ter duodena Atque duodena Liber
hie factus fuit Aera (1163 = 1125 p. Chr.).^
Beroanza, Francisco de, Antignedades de Espana, Madrid
1719, tom. I, p. 307 erwähnt und excerpirt die wiederholt von
verschiedenen Autoren benützten Memorias antiguas del Ar-
chive de Ona (eine Art Hauschronik).
Florez, Espaiia sagrada, tom. X (1753), p. 92 berichtet
von Sandoval, dass dieser in Oiia ,hallö lo que escribiö (Ful-
gencio, obispo de Ecija) sobre el Psalterio con letras Gothicas,
que es un libro grande, precioso y raro.^
Am ausführlichsten sind die älteren Nachrichten über die
Bücherbestände Onas zusammengestellt bei
MartInez Anebarro y Rives, Manuel, Intento de un diccio-
nario biogräfico y bibUogräfico de autores de la provincia de
Burgos. Madrid 1889.
p. 10 in der Biographie des Abtes von Ona Juan de Al-
cucero (f 1115): dispuso la apertura de libros en que se hicieran
constar los hechos de sus monjes y se formasen colecciones eccle-
siästicas comprensivas de varias disposiciones de pontifices, cÄnones
de concilios, sentencias de los padres y doctores de la Iglesia y
otros asuntos analoges. Bezüghch der von Argaiz erwähnten
Büchersammlung bemerkt Vf.: hoy ignoramos el paradero de
tan valiösos volümenes.
p. 55 wird der Bestand des Archives auf Grund der alten
Notizen reconstruirt wie folgt:
Gran nümero de documentos referentes ä donaciones,
privilegios, bulas, escrituras de cesiön y compra, y papeles refe-
rentes ä lo espiritual y temporal; lujosos libros de catästro y
propriedad; gran numero de volümenes de litigiös, ejecutorias
y memoriales; libros administratives de gaste y cosas semejantes;
* Also nicht 1163 (1115), wie Argaiz irrig berechnet.
N
Bibl. Ueb«r9icbt: SS7— 839 lOna — OribneU). 9
cnademos de escrituras (copias); libros de gradas de monjes
y prelados, uno llamado antiguo y otro moderno; libro de
6bitos; libro de pesquisas; la tabla 6 memoria de monjes ilustres;
dos becerros, uno en folio y otro en 8®, llamado el pequeno;
un libro de Kalenda 6 Martirologio ; nn Menologio, que supongo
seria el mismo de öbitos nuevo; tres libros de donaciones,
nno llamado el viejo; otro titulado el Norte de las escrituras;
la Regia del Abad D. Domingo; el libro de la Regia del Archivo,
adicionado como el anterior.^
Ebenda noch über Werke von Anonymi Onieneses 1. Me-
morias antiguas de Ona (s. oben). 2. Monachi Oniensis car-
mina. 3. Libro del Concilio de Perpinan.
p. 310 f. Ueber das Fuero, gegeben von Pedro Ivdnez de
Calzada (1190): ,MS que se conservaba en el Monasterio y cuyo
paradero ignoramos/*
Vgl. noch ibid p. 261 und 327.
Der von Ewald p. 361 beschriebene Toletanus 15, 10 gehörte
nach seiner Angabe eine Zeit lang gleichfalls dieser Bibliothek.
Orense.
338« Biblioteca provincial.
Das Anuario del Cuerpo facultativo I, p. 311 berichtet von
dieser Sammlung: entre sus cödices tal vez solo merece citarse
un Pasionarium en pergamino, folio, de mäs de 400 pdginas letra
de fines del siglo XIII 6 principios del XIV. Sus manuscritos
son unos 14. Die Gesammtzahl wird p. 445 auf 24 angegeben.^
Orihuela.
389, Biblioteca publica.
Diese Bibliothek besitzt nach dem Anuario del Cuerpo
facultativo de Archiveros I, p. 445 (Tabelle) 52 Handschriften.
Einige werden p. 303 specificirt, darunter eine Historia antigua,
* Nach Ansicht des Vf, muss sich ein grosser Theil dieser Archivalien jetzt
im Archivo Hist^rico Nacional vorfinden; nur Weniges verblieb in Bürgos.
' Ueber dieses Fuero auch Argaiz, Soledad Laureada VI, p. 465 und Asso
del Rio, El Fuero viejo de Castilla, p. IQ.
' Vgl. auch Ewald's Beschreibung des Codex der Madrider Nationalbibliothek
F. 99 (Reise, p. 308).
10 Xn. AbhAndlnng: Beer. HuidscbrifteDsebAtze Spuu«n8.
letra del siglo XV, und ein Tratado de Astrologia, letra de los
sigios xvn y xvm.
340« Biblioteca Episcopal,
BoPARüLL Y Sans, Francisco, Apuntes bibliogräficos y
noticia de los manuscritos etc. de la exposiciön oniversal de
Barcelona en 1888, enthalten in Conferencias dadas en el Ateneo
Barcelonas relativas ä la exposiciön universal de Barcelona.
Barcelona 1890. 8»
P. 531 wird über ein ausgestelltes ,Pontifical del siglo XIV'
berichtet, ,escrito ä dos columnas, en pergamino, letra götica
encuademado en terciopelo y con cierras'. Ueber die in der
Handschrift enthaltenen schönen Miniaturen a. a. O.
841. Archivo del Ayuntamiento.
MüNOz Y RoMERo, Diccionarfo p. 207 nennt: Orandezas y
antiguedades de la ciudad de Orihuela y su fundacion, por el
Licenciado D. Josef de Alenda. Ms. en fol. de unas 230 hojas
en el archivo del Ayuntamiento, segun creemos.
342. t Biblioteca particular de D. Juan Roca de Togores.
MuNOz Y RoMMRo, Dicciouario p. 207 berichtet über eine
Historia de Orihuela, escrita por Don Jos^ Montesinos. Ms.
en diez y ocho tornos en fol., nach Fuster, Biblioteca valenciana,
tom. n, p. 465.
Osxna.
343. Biblioteca del Cabildo de la Iglesia Catedral.
ViLLANUEVA, Viagc, tom. m, p. 306 S. veröflFentlicht ein Frag-
mente y adicion ä la historia de S. Isidoro de los Reyes Van-
dalos, conforme ä un cödice de Osma, que copiö el Senor Perez.
Vgl. auch ibid. p. 203.
FiTA Y CoLOME, FiDEL, Bosqucjo dc la Exposiciön historico.
Europea, Madrid, 1892, p. 40 erwähnt als aus dieser Bibliothek
exponirt: un precioso cödice en vitela ilustrado con miniaturas
con la exposiciön del Apocalipsis de San Beato y otros docu-
mentos.
Der Codex Escorialensis e FV. 13 gehörte einst derselben
Kirche. Vgl. Hartel-Loewe p. 47 und Ewald p. 247.
Bi1>l. Uebersicht: 340—344 (OrihueU— Oriedo). H
Oviedo.
344« * Biblioteca de la Santa Iglesia Catedral- Basilica.
Von dem einst so bedeutenden, bis ins hohe Mittelalter zu-
rückreichenden Schatz westgothischer Handschriften der Kirche
von Oviedo, welchen Morales in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts noch als grösser schildern konnte denn ,alle andern
Sammlungen in Leon, Galicien und Asturias zusammengenommen',
ist auch nicht ein Stück mehr an Ort und Stelle erhalten. Ja
selbst bezüglich der jüngeren Bestände musste bereits Risco
(Espana Sagrada XXX VHI, p. 115 f.) klagen: ,De tantos libros,
como han existido en la Iglesia de Oviedo, no hay sino solo
uno de que diö noticia Ambrosio de Morales . . . que . . . no es
en realidad sino un tumbo de testamentos antiguos/ Es muss
daher der Versuch gemacht werden, durch genaue Ermittelung
der Geschichte der Sammlung den Spuren der ehemaligen Ove-
tenses in den heutigen grösseren Sammlungen Spaniens nach-
zugehen. Ich habe mich darum im Folgenden mit der ein-
fachen Wiedergabe der bezüglichen Zeugnisse nicht begnügt,
sondern auch nachzuweisen getrachtet, inwieweit die vor-
handenen Kataloge, Berichte, Schenkungs-, Besitzer- und Co-
pistennotizen praktisch zu verwerthen seien. So konnten, wenn
auch ein grosser Theil des ursprünglichen Handschriftengutes
als unwiederbringlich verloren gelten muss, die Filiationen der
Originale erkannt und auf Grund der urkundlichen Angaben
die Reconstruction sämmtlicher mittelbar oder unmittelbar er-
haltenen Bibliotheksbestände angebahnt werden. Wenn es hiebei
gelang, weiter zu gehen, als es früheren Forschern, speciell
Tailhan, möglich war, so wird dies den von Ewald und Loewe
mitgetheilten Provenienznotizen aus den Handschriften im Es-
corial und in Madrid verdankt, die ich zu diesem Zwecke neu
verglichen habe.^
* Daa von Vigil, Asturias Monumental^ Tom. I, p. 48 erwähnte Werk:
Fuertes Acevedo, ,Bo8quejo de escritores asturianos^ welches fol. 138 — 140
eine ^resefia de los libros y cödices antiguos que fueron extraidos dal
archivo de la Santa I^^Iesia, en epocas diversas* enthält, scheint nur
handschriftlich zu existiren und war mir nicht zugänglich.
Bibl. üebeisicht: 344 (Oviedo). 13
pore. (3) Expositum Ezecielis. (4) Libros Orosii. ^ (5) Lib.
psalterium. ^ (6) Libros storie ^glesiastic^. * (7) Libros beati
Agustini de civitate Dei.* (8) Libros Apringi §piscopi et lanilli.
in uno corpore. (9) Lib. omeliarum beati Gregorii.^ (10) Lib.
conlationum. (11) Libros virorum illustrium. (12) Lib. progno-
Bticon. apud Vigilanem diaconum. (13) Lib. cronicorum beati
Isidori. (14) Lib. domni Agustini ad Probum (Probam?). (15)
Lib. antiphonarium maiore. (16) Lib. pastoralium. ^ (17) Lib.
ordinum. (18) Lib. antiphonarium ex coditianis. (19) Lib.
sanct§ §glesiastic§. apud An . . . (20) Lib. martirologium Ro-
mense. apud . . . (21) Lib. cenam nubtiarum beati Cipriani.
(22) Lib. Elipandi. (23) Lib. de predestinatione et libertate
arbitrii domni Iheronimi. (24) Lib. glossomatum. (25) Lib.
ugemetrice artis. (26) Lib. canonum.^ (27) Lib. nature rerum
qui et in manus est.** (28) Lib. ex diversis opusculis beati
lensis R. U 18 erhalten, vgl. Hartel-Loewe p. 131 u. 136. Ebenso berichtet
Morales bei der Beschreibung eines Ovetensis (Isidor, Sententiae, in der
folgenden Liste Nr. 26) von einigen Deckblättern mit Bibeltext ,de letra
mayscula muy delicada' ; er nahm von denselben eine Probe mit, die sich
vielleicht noch unter seinen Papieren findet. Codex Escorialensis b I 9,
saec. XV enthält eine Compilation, betitelt ,Incipiunt genealogiae totius
bibliothecae ex omnibus libris veteris novique testamenti collectae'
mit der Bemerkung : Uic Über genealogiae fuit desumptus ex libro vetu-
stissimo ecclesiae Ovetensis in membranis literis goticis scripto. Vgl.
Ewald p. 232, Revista de Archivos II, p. 234.
* Vgl. Morales in der folgenden Liste Nr. 6.
' Von Tailhan p. 301 mit dem von Morales beschriebenen Psalterium (in
der Liste Nr. 17) identificirt.
» Morales Nr. 23.
* Eguren berichtet p. 82, dass die in dem Katalog erwähnte Handschrift
von Augustinus de civitate Dei sich heute im Escorial befinde, ohne
(wie gewöhnlich) eine Signatur zu nennen, und Tailhan ist ihm in dieser
Mittheilung gefolgt Ich kenne .nur eine ältere Handschrift von De
civitate Dei im Escorial, nämlich S. U. 16, welche von Loewe-Hartel
8. 150 dem 11. Jahrhundert zugewiesen wurde. Vgl. auch Exempla
tab. XXXVII. Eguren behauptet bestimmt: El car4cter de la letra corre-
sponde k la primera mitad dei noveno siglo.
» Vgl. Morales Nr. 9 und 21.
* Morales Nr. 20.
^ Der Canonencodex theilte dasselbe Schicksal wie die Bibelhandschrift
(Nr. 1). Vgl. Morales 1.
^ Es ist die Handschrift, in welcher der Katalog steht. Morales Nr. 3.
14 Xn. Abhandliing: Beer. Handschriftenschitze Spaniens.
Eugenii. apud lohannem assenint haberi. (29) Libros beati
Prosperi ad lulianum. fol. 95'. Item ex opusculis poetarum. (30)
luvenci presbiteri libros TTII. corpore uno. (31) Alchimi §pi-
scopi libros VI. corpore uno. (32) Adelhelmi ^piscopi lib. I. (33)
Sedulii presiteri lib. V. (34) Catonis lib. Uli. (35) In laude
lustini minoris lib. In laude Anastasii lib. (36) Dracontii lib. ^
(37) Vita Vergilii, Ovidii Naeonis in libris Eneidarum et qu^dam
sententie filosoforum. corpore uno.^ (38) Virgilii poete libros
XII Enedas. corpore uno. (39) luvenalis libros V. corpore
^ Dass der Codex der Nationalbibliothek zu Madrid 14, 2, welcher ausser
dem Panegjricus des Corippus noch Gedichte von Cato, Dracontius, Se-
duliuSf Eugenius Toletanus, Jnvencus und die carmina ,In laudem Justini
minoris, in laudem Athanasii* enthält, einst der Kirche Oviedo gehOrt
habe, wird zuerst von Juah Bautista Perez behauptet und dann von Jos.
Partsch, Corippi . . . libri qui supersunt, Monumenta Germaniae, Auetores
antiquissimi, Tom. III, 2, Berolini 1878, p. L, hierauf p. LYII unter Hin-
weis auf die sehr enge Verwandtschaft zwischen dem heutigen Matritensis
und dem von Ruiz benützten Fragmentum Ovetense (Panegyr. III, 271 —
407) näher zu begründen versucht Wenn Ewald, Reise p. 316, gegen
die Identificirung des Matritensis mit den in unserem Kataloge ent-
haltenen Stücken erwogen wissen will, ,da88 dort im Inventar weder die
gleiche Reihenfolge des Inhalts beobachtet wird, wie in unserem Codex,
noch auch die Aufzählung auf ein Volumen deutet% so fällt der Einwand
leicht bei der Annahme, dass die einzelnen Stücke später in ein Volumen,
natürlich ohne Rücksicht auf die im Katalog beobachtete Aufzählung,
vereinigt wurden. Ein Beispiel bietet der Katalog-Codex selbst (Esc. R.
II. 18), sowie Esc. a. I. 13 (,de la yglesia de Oviedo*), in dem fol. 188—
204 Theile einer zweiten Handschrift bilden. Schwerer wiegt ein anderes
von Ewald nicht erwähntes Moment, nämlich das Alter des Codex, das
er selbst mit saec. X angibt, während der Katalog 882 abgefasst wurde;
Hartel-Loewe bestimmen saec. IX — X, und das dürfte auch, wie das von
Partsch gegebene Facsimile des Codex der Nationalbibliothek zu Madrid
lehrt, zutreffen. Vielleicht ist aber doch der jetzige Matritensis nur eine
frühe Copie, wenn man will, eip Florileginm ,ex opusculis poetarumS
welche die angeführten Ovetenses enthielten. Auch das Fragmentam
Ovetense. welches Partsch nur aus den Noten des Michael Ruiz Azagra
kannte, hat sich in einer — freilich viel jüngeren — Copie erhalten;
über diese ,ex vetustissimo foliorum membranaceorum codice literis
gothicis conscriptorum qui in bibliotheca ecclesiae Ovetensis asservatnr'
vgl. Ewald p. 234, Hartel-Loewe p. 37 f.
' Vgl. über diese Angabe Th. Gottlieb, Handschriftliches zu lateinischen
Autoren, Wiener Studien XII (1890), p. 149 f. Desgleichen Egoren, Me-
moria, p. 89.
\
Bibl. Ueb«reicht: 344 (Oviedo). 15
uno.^ (40) Prudentii libros II. corpore uno. (41) Lib. con-
lationom artis grammatice.
Aus dem Cod. Escor. R. II. 18 fol. 95 und 95' edirt von Mo-
rales, Viage p. 94 f. ; ausführlich besprochen von Taliban p. 300
bis 304, nach revidirter Copie veröflfentlicht von Ewald p. 278 f.,
Becker, Catalogi p. 59 f., Loewe-Hartel p. 135 f. Eine facsimilirte
Wiedergabe bietet Muiioz y Rivero, Paleografia Visigoda, Madrid
1881, lam. IV.
Alfons DI. der Grosse und seine Gemahlin Jimena schenken
die Xni Kalendas februarias discurrente era DCCC'X^III (905)
der Kirche Pallia et siriga plurima: Libros etiam divinae paginae
plurimos.
Aus dem Libro götico der Kathedrale fol. 18' herausgegeben
von Risco, Espana Sagrada XXXVU (1789), App. XI, p. 330.
Vgl. Eguren, p. LXXXVIII und Vigil, Asturias monumental
I, p. 60 (mit Angabe der weiteren Literatur).
Mumadonna (Muma Domna), Witwe des Grafen Gunde-
maro Pinioliz, schenkt 15 Kalendas Aug. Era 1050 (1012) der
Kirche: libros. Diese sind in einem fast gleichlautenden In-
strument vom Jahre 1045 specificirt als Libros: antiphonario
P. Salterio P. Ordino uno. Preco uno. Libro iudico P. Regula
I* et passio sancte marinne virginis. Et hbrum sapientiae.
Aus den Originalen des Kathedralarchives zum ersten Mal
veröfFentUcht von Vigil, Asturias monumental I, p. 66 und 72.
Testamentum* Comitis Froylani Velaz de Cartavis quod
fecit Ovetensi ecclesiae. Darin: libros Ecclesiasticos.
Risco, Espana Sagrada XXXVUI (1 793), App. XXIH, p. 327.
Ueber die Bibhotheksverhältnisse um das Jahr 1500 be-
sitzen wir nur folgende von Risco aus den Capitularacten ge-
schöpfte Notizen, die wir mit seinen Worten wiederholen müssen
(Espana Sagrada XXXVIU, p. 113 f.). En 25 de Juho del ano
de 1498 tomö posesion del Obispado de Oviedo Don Juan Daza,
Presidente de la Chancilleria de Granada. Halldndose este Pre-
lado en Sevilla en el ano de 1500 en compania de los Reyes
CatöUcos, escribiö ä su Cabildo en 23 de Febrero pidiendo que
le remitiesen algunos Codices antiguos, y en especial los que
» Vgl. Einleitung p. 36 f.
' Ein für alle Mal sei hier bemerkt, dass Testamentnm wiederholt für
Schenkungsurkunde gebraucht wird.
16 xn. Abhandlnng: Beer. Handsehiiftenecbitxe Spuiiens.
trataban de los Obispados de Espana j sos limites, para satis-
facer al deseo de los Reyes que querian verlos. El Cabildo
respondiö en 24 de Abril del mismo ano remitiendo dos escelentes
Codices, que contenian la Division de Obispados, los quales llevö
ä Sevilla el Doctor Herrera, Maestre Escuela de Oviedo, como
Consta de los acuerdos capitulares de este ano. En fines del
ano 1512 tom6 posesion del mismo Obispado Don Diego de
Muros, fundador del insigne Colegio mayor de San Salvador de
Oviedo en la Universidad de Salamanca, al quäl dex6 su libreria
con la que fueron algunos Codices Göticos de su Iglesia.
Für den Bestand der Ovetenser Bibliothek in der zweiten
Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts ist bekanntUch unser Kron-
zeuge.
MoRALES, der in seiner ,Viage' unter der eigenen Rubrik
Libros antiguos de Oviedo p. 93 und 96 flf. folgenden ausfÜhrUchen
Bericht bringt.^
En la Libreria de la Iglesia de Oviedo hay mas libros
Gothicos que en todo junto lo demas del Reyno de Leon, GaUcia,
y Asturias, y puedolo decir con la seguridad de haberlo visto
todo, y todos los que yo aqui pusiere, son de letra Gothica,
hasta que al cabo senale unos pocos que estan en letra comun.
^ Wie schon früher bemerkt gibt der von Florez edirte Bericht des Morales
nur von einem relativ kleinen Theil der Arbeiten des rührigen Forschers
Kunde. Noch heute gilt das Urtheil Siguen^a's (Tercera parte de la
historia de la Orden de San Gerönimo p. 771) von seinen ,particulares
memorias, ansi de libros y tratados que no se han impresso*. Zu
diesen gehören, von mehreren differirenden Copien der eigentlichen Viage
(vgl. den Artikel Escorial A XU. 6 und Amador de los Rios, Historia
critica IV, p. 85, sowie Graux, Essai p. 136, not. 4 über Esc. & HL 9
Relaciones del viaje etc.) abgesehen: Cod. Esc. & U 15 mit den Be-
richten des Reisenden über die Bibliotheken zu Biirgos Yalenclay Oviedo,
Granada (vgl. Ewald, p. 250 f., Graux, Essai p. 88, 131 ff. u. 0.) Cod. Bibl.
Nat. Matritensis F. 58, Copie des Pelajo-Codex nach Morales (Ewald
p. 303). Cod. Bibl. Nat. Matritensis Q. 317 Papeles varios, copia de un
c6dice del Escorial que fu6 de Ambrosio Morales, ähnlichen Inhalts, nebst
der Correspondenz Philipps U. mit dem Gelehrten u. Ae. m. (Ewald
p. 312). Cod. Esc. b I 9 mit den Noten zu den genealogiae aus dem
vetustissimus Ovetensis (Ewald p. 232). Vgl. auch Morales in der Fort-
setzung von Ocampo, Coronica general de Elspana, Libro XIII, cap. XXVII
über die Beatushandschrift. Nach ihm Rodriguez de Castro, Biblioteca
Espafiola, tom. II, p. 412.
Bibl. Uebereicht: 344 (Oriedo). 17
(1) Un Volumen grande de Concilios antiquisimo todo de
letra Gothica maynscula, asi que es muy diferente de la que
comunmente Uamamos Gothica, 6 Mozarave. Es muy cumplido
original, pues tiene las Epistolas del Arzobispo Montane.
La Homelia de S. Leandro.
Los diez j siete de Toledo bien enteros.
El Emeretense y ei quarto Bracarense.
Puedese muy bien creer que este libro se trujo de Toledo,
quando huyeron los Christianos de alli en la destruicion de Espana,
y se llevaron k Asturias con las Reliquias los libros de las Igle-
sias, como nuestras Chronicas lo refieren.*
(2) De la misma letra mayuscula, y antiguedad, es otro libro
que tiene al principio una exposicion sobre los Canticos, y no
se entiende cuya es, por no leerse el Titulo de muy gastado:
parece muy buena. Siguen luego algunas vidas de Santos: y
tambien tiene lo de S. Juan Chrisostomo de reparatione lapsi,
que es mucho estar trasladado de tan antiguo. Tambien como
el pasado parece de los que se llevaron de Toledo: estä mal-
tratado de la faumedad.'
(3) Tambien se puede teuer por de los mismos libros de To-
ledo, por la semejanza de la letra y lo demas, un libro donde
estä lo de S. Isidoro: De natura rerum ad Sisebutum. Item
hay en el mismo libro: Breviarium Ruffi Festi Victoris. Anto-
nini Imp. itinerarium, y otras cosillas pocas: y por que al prin-
cipio y al fin le faltan algunas pocas hojas, se las anadieron
^ Die Behauptung, dass die hier genannte wie die spftter angeführten Uncial-
codices, ,de letra Gothica mayusculaS wie Morales sie nennt, aus Toledo
stanuneUf scheint richtig. Wenigstens ist es nicht bekannt, dass in Oriedo
in so früher Zeit ein Scriptorium bestand. Die Entwicklung desselben
fällt in die Regierungszeit Alfons II el Casto (796 — 843), worüber noch
weiter unten. Die Concilienhandschrift selbst ging ein Jahrhundert nach
Mondes' Besuch verloren (vgl. die Anm. zu Nr. 26 des Katalogs). Näheres
hierüber bei Eg^ren p. 67. Abschriften aus diesem Codex glaube ich
in dem cod. Esc. b. HI. 14, saec. XYI zu erkennen; bei den Copien von
Hieronymi opusculum de fide catholica und Martini Episcopi ad Boni-
facium Episcopum de trina mersione in Baptismo steht n&mlich der Ver-
merk : Ex Ecclesiae Ovetensis Codice antiquissimo litteris Gothicis exarato,
qui Decreta. Canonum Praesulum Romanorum inscribitur de-
sumptum. Vgl. Knust p. 811, Ewald p. 233. Reyista de Archivos II, p. 234 f.
' Zur Schrift de reparatione lapsi cf. Toletanus nunc Matritensis 5, 36.
Hartel-Loewe p. 263.
Sitznngsber. d. phil.-hist. Ci. CXXYUI. Bd. 19. Abh. 2
18 Xn. A1>baDdlang: Beer. Handscbriftenseb&toe Spaniens.
de otra letra Gothica, mas muy diferente de la mayuscula
del libro.*
(4) Esposicion del Apocolapsi. Es la misma qne ya he sena-
lado en lo de S. Isidoro de Leon: y por mny bnena coDJetura
entiendo que la recopilö muy pocos anos despues de la destmicion
de Espana un Clerigo bien docto Uamado Beato, qne tambien
escribiö otra obra contra el Arzobispo de Toledo Elipando, en
compania de Etherio Obispo, k lo que parece, de Osma. Este
libro estä en la Iglesia mayor de Toledo de letra Gothica.*
(6) HomilisB Origems in Leviticum, Numeros & alios sacros
libros, Ruffino interprete.
(6) Paulus Orosius.
(7) Un Testamente nuevo, que en letra y pergamino parece
notablemente mas antiguo^ que otros Gothicos. En la cifra
ordinaria al principio dice: Justi Liber. Y al fin dice: Obiit
Justus Notarius die Xu. Kai. Januarij Era DCCCL. Ha mas
de setecientos y cinquenta anos que se escribiö.
(8) Un libro grande mas que los Ordinarios, y de lo muy
antiguo. Contiene vidas de Santos con sus Autores graves. Eis
insigne libro, y muy de preciar, y senaladamente por teuer una
grande Obra en prosa y en verso del Abad S. Valerio en tiempo
de los Godos, de quien se dirä adelante. Asi tiene tambien
algunas otras cosas de S. Fructuoso, y otros Santos.'
(9) Otro Libro tiene al principio el retrato de la Cruz de
los Angeles, y en la cifra ordinaria dice: Adefonsi Principis sum.
Contiene exposicion breve de S. Gregorio sobre todo el Testa-
mente Nuevo. Es insigne libro y de mucha estima, por no
andar aun impreso.^
^ Hier folgt in dem Bericht der Abdruck des alten Katalogs aus dieser
Handschrift, jetzt Esc. R. U. 18. (Vgl. oben Nr. 27).
' Es ist thatsächlich Beatus Comm. in Apocalypsin, von dem zahlreiche
Exemplare vorhanden. Anffallend ist, dass Morales keinen Bilderschmnck
erwähnt, dessen sonst die Handschriften nicht entbehren.
> Aehnlicher Text bei Tolet. 10, 26 (Hartel-Loewe p. 265 ff.).
* Diese Handschrift, wie auch Nr. 23 gehörten also zu der BQchersammlnng,
welche Alfons II. El Casto der Kirche im Jahre 812 schenkte (vgl. oben).
Bibliotheca erklärt hier Tailhan p. 300 richtig als bibliothöque proprement
dite, et non un exemplaire de la sainte ^criture, comme le prouvent les
quelques lignes laiss^es en blanc, qui, dans la copie dont Bisco se servait,
suivent immödiatement, et devaient recevoir les titres des divers ouvrages
Bibl. Uebersicht: S44 (Oriedo). 19
(10) Un Libro que recopilö el Obispo Pelagio de Oviedo en
tiempo del Rey D. Alonso el Sexto, que ganö k Toledo, k quien
contenus en cette collection. Wenn aber Taliban fortfäbrt: Nous serions
dont r^duits k de vaines conjecture« sar le nombre et la valeur des
livres l^u^s k Saiut-Sauveur d'Oviedo par Alpbonse II, si, en 882, un
des notaires de cette basiliqne naVait eu Tbeureuse pensäe d*en dresser
rinventaire, so ist dies nicbt zutreffend, scbon deshalb nicht, weil in
dem Inventar, wie oben bemerkt, mehrfache Handschriften viel früheren
und fremden Ursprungs erwähnt werden; andererseits fehlen in dem
y erzeich niss Codices, die Alfons II. sicherlich damals der Ovetenser
Kirche schenkte: so die Escorialenses P. I. 7 und Q. II. 25, Isidors ,Et7-
mologiae* und ,SententiaeS mit dem Vermerk: ,Del Colegio de Oviedo
de Salamanca' ,Del colegio de san Salvador de la yglesia de oviedo de
salam«^**. Ewald (p. 220 Note) erkannte richtig in ihnen Ovetenses, ohne
nähere Gründe für die Identificirung anzugeben; durch Risco erfahren
wir, dass sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts von dem Ovetenser Bischof
Diego de Muros, dem Gründer des erwähnten CoUegs, der Kathedral-
bibliothek entnommen und nach Salamanca gebracht wurden (vgl. oben).
Da für Salamanca ein altes Scriptorium nicht nachweisbar ist, und die
aus Oviedo dahin gebrachten Handschriften ausdrücklich als ,goticos%
also in westgothischen Charakteren geschrieben, charakterisirt werden;
da femer ein Import älterer Manuscripte nach Salamanca von anderer
Seite nicht bezeugt ist, so können wir annehmen, dass bei älteren Sal-
manticenes zunächst an Ovetenser Provenienz zu denken ist, so bei dem
heute im Escorial befindlichen Codex Q. II. 24, saec. VUI — IX mit dem
späten Vermerk (saec. XVI) ,De la jglesia de salamanca' (Hartel-Loewe
p. 112, Ewald p. 272). Mit dieser Annahme stimmt die übrigens ohne
bestimmte Beweise von Eguren p. 82 vorgetragene Behauptung ,Perteneci6
k la Santa iglesia de Oviedo*. Das gleiche g^lt von den ,alten west-
gothischen Handschriften aus Salamanca', aus denen Escor, b. I. 14 zum
Schluss Copien enthält (Ewald p. 234). Es sind Isidors Soliloquien, der
Dialogus inter rationem et appetitum u. a. Zu den Ergebnissen der von
Alfons II. angereg^n Handschriftenfabrication gehört auch Esc. a. I. 13,
geschrieben reg^ante alfonso principe in era DCCCL, später der Kirchen-
bibliothek Oviedo einverleibt (vgl. unten unter Nr. 14). Für eine Ab-
schrift aus einem Manuscript dieser Sammlung halte ich auch den west-
gothischen mit der crux Ovetensis versehenen Escor. P. I. 8, saec. IX — X
(Hartel-Loewe p. 102). lieber die eben genannte crux vgl. ausser den
von Tailhan p. 301 genannten Quellen: Chronica monachi Silensis Nr. 30,
Risco, Espafla Sagrada XXXVH, p. 117, 143 und 146, Hübner Inscr.
Hisp. Christ. Nr. 145 noch Morales, Coronica de Espana XIH, 36; Ernst
Gustav Vog^l, das Kreuz der Engel, ein Kriterium in Spanien [man
kann hinzusetzen: im nördlichen Spanien] geschriebener Handschriften
des 10. und 11. Jahrhunderts, Serapeum VII [1886], p. 94—96; Amador
de los Rios, Monumentos arquitectönicos, Cdmara Santa de Oviedo, p. 24 ff.
und Vigil, Asturias, H (LÄminas) L4m. A VII, A VIU, K I, K IV u. ö.
20 XII. Abhandlung: B e e r. Handschrif tensch&tM Bpaniens.
el diö este libro y en el hay escritas cosas de mano del mismo
Obispo. Contiene las Historias mas antignas de Espacia: de
Sebastiano Obispo de Salamanca: de Sampiro Obispo de Astorga:
j del mismo Pelagio, j otra. Estan alli tambien obras que escri-
biö el Rey Sisebuto de los Godos, y otras cosas de aquel tiempo.
Libro raro.*
(11) Otro Libro que recopilö el mismo Pelagio, y es Historia
de la.Iglesia, y de la Ciudad de Oviedo, con poner en el todos
los Privilegios y Bolas que los Sumos Pontifices otorgaron k
la Iglesia y k la Ciudad. Con esto es verdaderamente Tumbo,
que Tumbos llaman en Asturias, Galicia, y Portugal, k sus Libros
semejantes, que en Castilla Uamamos Becerros.'
(12. 13) En dos cuerpos muy grandes estan cosas de Santo
Augustin, y de S. Ambrosio, de las que andan impresas. Creo
no hay cosa nueva.
(14) Un Libro que tiene al principio la Regia de S. Benito,
y mas adelante algunas cosas de S. Geronimo. AI cabo tiene
un Prologo de S. Isidoro, sobre los Canticos: y otro del Abad
Valerio sobre los Psalmos, que parece escribii sobre ellos.*
^ Abschriften aus diesem Codex sind erhalten im ESscor. b. L 14 (Knust p. 811,
Ewald p. 233 f. und besonders Revista de Archivos U, p. 284 ff.). Matrit
bibl. Nat Dd. 104 (Ewald p. 298f.), F. 86 (Ewald p. 307), F. 192 (Ewald
p. 309) and Q. 317 (Ewald p. 312). Eine vollständige Copie scheint die
Handschrift der Madrider Nationalbibliothek F. 58 zu bieten (Ewald
p. 303). Einzelne Stücke im Toletanns 27, 26 (Ewald p. 365). Ueber
die genaue, von Morales angefertigte und von Risco publicirte Beschreibung
der Handschrift vgl. weiter unten.
' Unter allen in diesem Berichte beschriebenen Handschriften die einzige,
welche noch in der Kirche aufbewahrt wird. (Jetzt allgemein ,libro
götico* genannt, vgl. unten). Ausser den zahllosen von Vigil, Asturias
Monumental I verzeichneten Abschriften erwähne ich noch Elscor. b. I. 14
(Ewald p. 233), Matrit Bibl. Nat. F. 192 (Ewald p. 309). Eine Copie:
Donaciones reales i la Iglesia de Oviedo. Libro de los Testamentos j
Donaciones reales y otras etc. bildet Vol. IX der HandschriftencoUectioD
im Instituto de Jove-Llanos zu Gijon. Vgl. Somoza y Montsoriu, Cati-
logo p. 20.
' Es ist zweifellos der heutige Escorialensis a. 1. 13 ,de la yglesia de Oviedo*;
vgl. Hartel-Loewe p. 10 ff., deren Beschreibung in allen wesentlichen
Stücken mit der vorliegenden übereinstimmt. Durch diese Identification
wird auch die Datirung (des ersten Theiles des Codex) 812 (Jahr der
Alfonsinischen Schenkung, nicht 912) gestützt.
Bibl. Uebeniebt: 344 (Oriedo). 21
(15) Un Santoral grande. Codice insigne, y de mucha
estima, pues se escribiö mas ha de ochocientos anos^ porque en
una letra grande al principio de la vida de S. AIejandro Obispo
y Martir dice: Froylani Principis über. Y lo mismo dice otras
dos veces en la letra grande de la Vida de S. Bartholomi, y
en la de S. Afra, y sus Companeros, y el Rey D. Fruela, Fun-
dador de la Ciudad de Oviedo, y su Iglesia, comenzö k reynar
ano DCCLin. y reynö once anos, y para el primero de este
nombre se hizo, y no para Fmela el Segundo, como se deja bien
entender. Ha mas de DCCC. anos que se escribiö.
(16) Homelias de S. Gregorio sobre los Evaugelios: y no
puedo cotejar, mas creo cierto que hay mas que las impresas^
b hay otras, y tienen una Prefacion k Secundino Obispo. AI
cabo dice como se acabö de trasladar k los diez y ocho de Julio
ano de nuestro Redemptor DCCCCI.
(17) Un Psalterio falto de principio, tiene algunas breves
anotaciones y Argumentes por la margen.
(18) En im Libro pequeno de qüarto, hay Homelias, y por
no teuer titulo no pude entender cuyas son. Mas parecieronme
muy buenas. Y hay sin esto otras obras pequenas, como al
cabo parece.
(19) La Vida de S. Martin por Sulpicio Severe, y la de
S. Millan por S. Braulio, y otras cosas pocas de S. Geronimo. de 4.
(20) El Pastoral de S. Gregorio. AI cabo estä un titulo para
sola lastima: pues dice: Epistola Beati Liciniani de libro Regu-
larum ad Sanctum Gregorium Papam. Esto era muy bueno,
y de Autor Espanol, y nunca impreso, mas no hay mas de una
hoja: todo lo demas falta.
(21) Algunos qüademos de Homelias de S. Gregorio, de
letra Gothica muy grande.
(22) Un Libro de 4. tiene algunas Vidas de Santos, y al
principio confusamente parece haberlo escrito, 6 poseido Valerie,
que parece el Santo, de quien atras se ha dicho.
(23) Historia Eclesiastica Eusebij, & RufHni. Tiene al prin-
cipio la Cruz de los Angeles, y en la cifra dice: Adefonsi Prin-
cipis sum. AUi escribiö uno al principio que habia setecientos
anos que se escribiö. Mas no tubo por donde lo pudiese afirmar.
(24) Sermones de Santo Augustin, de letra grande y harte
linda, y antigua: no tiene fin.
22 XII. ▲1>buidlnDg: Beer. HandschriftenscbAtse Spaniens.
(25) Un Libro de muchas Historias juntas, donde estä todo
lo que en el otro libro de Pelagio: Codice insigne y raro.
(26) Liber Sententiarum Beati Isidori. Tiene por gnardas
k los cabos algunas hojas de Biblia de letra mayuscala muy deli-
cada. Yo trüge una hoja por la estrafieza. Puedese tener esta
Biblia por de los libros que se tmgeron de Toledo.
(29) Hay otro libro: Sententiarum Divi Isidori, de 4. pe-
queno, letra menuda, y muy antigua.
No hay mas libros de letra Gothica.
(30) Etymologias de Santo Isidoro: letra y pergamino como
de doscientos anos.
(31) Unos Comentarios sobre el Psalterio, que al prineipio
se dice es tomado de Casiodoro, Ambrosio, Geronimo, Augustino,
y Remigio. Parece de mas de trescientos anos^ y es buen Co-
dice, y raro por lo menos.
(32) Doctoris fratris Joannis -35gidij Zamorensis de Prae-
coniis Hispanse. El libro parece tan antiguo como su Autor,
que fue Maestro del Rey D. Sancho el IV.*
(32 — 35) Hay sin estos una Biblia grande, y algunas cosas
de S. Gregorio, y S. Thomas, y quatro, b cinco Tomos de la
Glosa Ordinaria.
Albuacen Alli, liber de Judiciis Astrorum: impreso antiguo,
que ya no se halla.
Florez, Espaoa Sagrada IV (1749), p. 195 spricht von dem
Libro . . . con el titulo de Itacio escrito en letras gothicas, que
se llama Ovetense por haverse conservado en la Santa Iglesia
de Oviedo, und fährt dann fort: yo no he passado ä Oviedo,
pero tengo la fortuna de hallarme con un manuscrito de Morales
en que da puntual noticia de todo, y del cotejo que hizo con
otros tres.
Dies manuscrito de Morales ist identisch mit dem von
Bisco, Espana Sagrada XXXVIII (1793), p. 111 flf. behandelten.
Vgl. überdies die sehr ausführliche Beschreibung der Handschrift:
Noticias que escribiö Ambrosio de Morales de lo contenido del
famoso Cödice Ovetense de Don Pelago, Obispo de esta Sede,
ibid. p. 366 — 376. Ueber die von Morales benutzte, zur Zeit
^ Es ist cod. Escor. Q. U. 17, wie Ewald (p. 271) und Fidel Fito (Boletin
de la Real Academia de la Uistoria, V, p. 131 ff.) erkannten.
Bibl. Uebenicht: S45 (Oviedo). 23
Florez' verlorene Eulogiushandschrift aus Oviedo vgl. Espaua
Sagrada X (1753), p. 450 f.
Ford, A handbook for travellers in Spain II, p. 638 kurze
historische Bemerkungen und Hinweis auf den libro götico.
Valbntinelli, p. 55 zum grössten Theil nach Morales.
Amador de los Rios, Josfi, Historica critica 11, 162 über
den libro götico.
Derselbe: Miniatura del Testamente del Rey Casto en el
libro llamado Götico de la Catedral de Oviedo. Monumentes
Arquitectönicos de Espana, Abtheilung Oviedo, Catedral, Cä-
mara Santa.
Derselbe: La pintura en pergamino, en Espana etc. Museo
Espanol de Antiguedades DI (1874), p. 15 über die nämliche
Handschrift.
Tailhan, p. 300 — 304 treflfUche Darstellung der Geschichte
der Bibhothek auf Grund documentarischer Daten unter Berück-
sichtigung der nachweisbar der Kirche angehörigen, jetzt ver-
lorenen oder verstreuten Handschriften.
ViGiL, CiRiAco MiGüBL, Asturias monumental, epigräfica y
diplomätica. Datos para la historia de la provincia, Tomo I:
Texte, Tomo H: Läminas.
p. 47 f. gibt Vf. ein Verzeichniss der Handschriften, die
ihm als Quellen dienten; dasselbe wird später Berücksichtigung
finden. Ueber die Bedeutung des Werkes, speciell für Hand-
schriftenkunde vgl. die Anzeige in der Berliner phil. Wochen-
schrift IX (1889), Nr. 25, Sp. 781—789.
Ueber meine Arbeiten an Ort und Stelle enthält einige
Notizen der ,Carbayon^ von Oviedo vom 2. December 1887. Es
wurden im Ganzen 7 Handschriften beschrieben, im Allgemeinen
von geringer Bedeutung; von der alten reichen Bibliothek ist,
wie eingangs erwähnt, auch nicht ein Stück mehr vorhanden.
345« * Biblioteca de la Universidad,
BoRAo, p. 81 f. Historischer RückbUck und die irrige Notiz
über die Bücherbestände: todos impresos.
RoDRiQUEz Arango, Rcscna historica de la Biblioteca Uni-
versitaria de Oviedo. Revista de Archivos VUI (1878), 225 ff.
in verschiedenen Absätzen behandelt, p. 242 wird die Zahl
24 Xn. Abhuidlnng: Bear. Haadsohrifteiwehiise Spuiieiu.
der Handschriften auf 120 angegeben^ p. 259 findet sich ein
dankenswerthes Verzeichniss der wichtigsten derselben.
Dieser Aufsatz erschien zu gleicher Zeit in dem um-
fassenden Werke:
DiSTRrro Universitario de Oviedo. ReseBa histörica. Oviedo
1878. 4®, p. 88 — 103, sowie, was den Katalog der Handschriften
anlangt, auch im Anuario del Cuerpo facultativo de Archiveros I
(1881), p. 274—276.
Die Bibliothek besuchte ich zu Beginn des December 1877,
wobei zwei der wichtigsten Handschriften beschrieben wurden.
Vgl. hierüber eine vorläufige Notiz im ,Carbayon* von Oviedo
vom 2. December 1887.
346. Ärchivo del Äyuntamiento,
ViGiL, CmiACo Miguel, Coleccion histörico-diplomätica del
Äyuntamiento de Oviedo. Oviedo 1889.
Der Herausgeber des Werkes, welches eine Ergänzung zu
den beiden Bänden Asturias monumental bildet, nennt seine
Quellen wie folgt: p. 3 (1 — 5) Cinco tomos, gran foho en pasta
mit Documentensammlungen s. XUI — XVI; p. 285 (6) Libro
titulado ,Fueros j privilegios de la ciudad de Oviedo', ordenado
por el Escribano San Juan Ortiz en 16 de Junio de 1536. (7)
Libro en pasta blanca, comprensivo de 201 hojas, bajo el Epi-
grafe de ,Pragmäticas de D. Fernando y Dona Isabel, D. Felipe I.
y Da. Juana y del Emperador D. Carlos^ Son copias literales
de fines del siglo XVI, y comprenden los anos desde 1493 hasta
1548. (8) Libro maestro de Pragmäticas, Provisiones y Reales
ördenes modemas, encuadernado en pergamino y sin foliatura.
In sechs Theilen. (9) Libro maestro de fueros, ordenanzas
honores etc.
Aus diesen Quellen werden die einzelnen Sttlcke chrono-
logisch, entweder vollständig oder im Auszug mitgetheilt.
347. Archivo del Convento del Rosario,
MüNOz, Diccionario, p. 209 erwähnt nach einem mir nicht
vorliegenden Werke: Gonzalez Posadas, Memorias histöricas
p. 306 einen Becerro dieses Archivs, welcher auch die Noticia
de la fundacion del convento del Rosario de la ciudad de Oviedo
von Alvaro de Rojas enthält.
Bibl. Ueberaicht: 346— S50 (Oriedo— Pftlm«). 25
34S. Biblioteca del Circulo Asturiano jLa Quintana^,
SoMOZA DE MoNTSORiu, JuLio, Catälogo de manascritos i im-
presos notables del Institute de Jove-Llanos en Gijon seguido
de an indice de otros docomentos in^ditos de su ilostre fondador.
Oviedo 1883. S^
Das unter dem Artikel Gijon bereits ausRlhrlicher be-
sprochene Buch bringt von p. 231 ab einen fndice de los docu-
mentos varios relativos ä Don Gaspar Melchior de Jove-Llanos
que posee el circulo Asturiano. Unter diesen ^documentos' finden
sich vollständige Werke, so unter anderen die historisch und
bibliographisch wichtigen Tagebücher und eine Descripcion de
la Catedral de Palma de Mallorca aus der Feder des berühmten
Forschers und Sammlers.
Falenoia.
349. Biblijoteca de la Iglesia mayor.
Murales, Viage, p. 23 berichtet von einem libro deshojado
de letra gothica, harto antiguo, en pergamino . . . contenia vidas
de Santos escritas por buenos Autores: Vita Sancti Paulini per
Oranium Presbyterum ad Pecatum. Vita Sancti Germani. Diese
ohne Autorangabe. Spätere Nachrichten fehlen fast vollständig;
vgl. übrigens Rodriguez de Castro, Biblioteca Espanola II, p. 327
und Bibliotheca Patrum latinorum Hisp. I, p. 108 (Notiz auf
f. 1^ des cod. Esc. P. III. 17). Endlich verzeichnet
FiTA Y CoLOMä, Fidel, Bosquejo de la Exposiciön historico-
Europea, Madrid 1892, p. 40 unter anderen von dieser Bibliothek
ausgestellten Manuscripten (zumeist Archivalien): libro escrito
en pergamino que contiene los Estatutos de esta Iglesia. — Con-
stitutiones del Obispado de Palencia.
Fahna.
850. * Biblioteca provincial y del Instituto balear (Biblio-
teca de Montesion),
Eröffnet am 1. October 1847. Heine, Serapeum Vm (1847),
p. 95 berichtet nur über die Arbeiten zur Aufstellung und
Ordnung der Bibliothek.
Valentinellt, p. 176: i pochi manoscritti si riferiscono
tutti a Raimundo Lullo e alla sua dottrina.
^6 Xn. Ablumdlang: Beer. HttodschrifkenschAtse Spaniens.
BoRAo, p. 82: sobre 530 manuscritos.
FuLLANA T GoNZABRBZ, FRANCISCO (Resona de la Biblioteca
de Palma), Revista de Archivos VI (1886), p. 77 ff.
Historische und descriptive Bemerkungen. Die Zahl der
Handschriften wird auf 893 angegeben.
Anuario del cuerpo facultativo de Archiveros I (1881),
p. 242 — 253. Detaillirtere Ausführung des vorstehend ver-
zeichneten Aufsatzes. P. 252 f. Beschreibung einiger Hand-
schriften. Zahl derselben nach neuester Aufnahme (vgl. p. 445):
940. Der Bericht im H. Bande enthält nichts Einschlägiges.
Morel -Fatio, Alfred, Rapport sur une mission philologique
k Majorque. BibUothfeque de P^cole des chartes XLHI (1882),
p. 474—497.
Dieser genau und gründlich abgefasste Bericht ^ gibt über die
BibUotheken Palmas, insbesondere über die BibUoteca provincial
p. 487 ff. wünschenswerthe Aufschlüsse und Notizen über einige
Handschriften.
Erzherzog Ludwig Salvator, Die Balearen in Wort und
Bild (vgl. den nächsten Artikel), Bd. IV, p. 236: ,394 Hand-
Schriften^ ,Erwähnenswerth sind auch ein Palimpsest aus dem
13. Jahrhundert, der das Buch von Boetius de Consolatione
Philosophiae enthält, ein Codex in Ealbspergament und Papier
mit eigener Hand von Juan Valero, dem Secretär Alfonso V.
de Aragon, geschrieben, welcher das Compendium der philippi-
schen Geschichten von Trogus Pompeius von Justinus enthält,
ein unveröffentUchtes Werk von Bartolom^ Ximenes Paton:
Primera y segunda Parte del Virtuoso discreto' u. a. —
Auf freundliche Empfehlung des Archivars von Barcelona
D. Manuel Bofarull y Sartorio hatte der derzeitige Archivar des
Archivo histörico in Palma Don Josö Maria Quadrado die Güte,
mir eine Liste des älteren Handschriftenbestandes der Provincial-
bibUothek zu übermitteln. Sie umfasst zwölf Nummern und
wird mit den durch das Anuario, sowie Morel-Fatio's Bericht
gebotenen Ergänzungen zusammen veröffentUcht werden.
851 • Archivo gener al histörico de las Baleares (Archivo
del antiguo reino de Mallorca).
^ Vgl. die Anzeige in Le Cabinet historique XXVllI (1882), p. 599.
Bibl. Ueb«r8ieht: S51 (Palma). 27
A. Handschriftlicher Katalog.
Ueber die Abfassung eines solchen vgl. Anaario del cuerpo
facultativo de Archiveros I (1881), p. 115 (Abschn. III). Vgl.
auch Morel -Fatio, Bibliothfeque de P^cole des chartes XLIII
(1882), p. 483.
B. Druckwerke.
ViLLANUEVA, Viagc, tom. XXI, p. 25 von dem Codex der
Historia de la conquista de Mallorca des Pedro Marsilio sprechend,
sagt: Otro ejemplar igual de esta obra me han asegurado que
existe en el archivo de la ciudad; pero yo no lo he visto, porque
tampoco he visto el archivo.
Anuario del cuerpo facultativo de Archiveros I, p. 113 — 118.
Ausflihrliche historische Darstellung und Verzeichniss des Fonds,
p. 114: 34 Codices 6 libros de cadena, en vitela los mäs. Der
zweite Band des Anuario bringt p. 77 — 82 eine ausflihrliche
Noticia sobre los Codices del Archivo General Histörico de
Mallorca mit Inhaltsangabe der geschichtlich hochwichtigen
Handschriften, darunter die Chronik des Fray Pedro MarsiUo
sobre la conanista de Mallorca in gothischen Charakteren s. XIV.
Vgl. oben.
Morbl-Fatio (vgl. oben) p. 481 — 485 gibt einige historische
Daten und Notizen über verschiedene Manuscripte, auf die wir
noch zurückkommen.
Die ausführUchste Beschreibung sämmtlicher im Archiv
aufbewahrten Codices ist mitgetheilt von
Erzherzog Ludwig Salvator, Die Balearen in Wort und
Büd, Leipzig 1869—1884. fol. (5 Bände), Bd. IV, p. 43—49; ich
lasse hier einen Auszug folgen:
(1) ,Der älteste und schönste Codex, in ganz Spanien
ohne gleichen', Reales cedulas in zwei Theilen; zwischen den-
selben die Usatjes de la Cort de Barcelona, im 11. Jahrhundert
vom Conde Berenguer el viejo compihrt. Geschrieben von
Romeo des Poal aus Manresa (von 1334 angefangen). Dessen
Bild am Fusse einer der prächtigen Miniaturen, welche den
Codex schmücken. Lateinisch und lemosinisch. (2 — 5) ,Nahe-
zu eine Reproduction' von Nr. 1. Lemosinisch. (6) Jaime II,
Jurisdicciones y Estilos. 134 Blätter. Enthält Capitulos de Cortes,
Ordenes, Bandos, Edictos y Decretos. (7) Codex de Corte
28 XU. Ablumdlong: Beer. HAndaclirifkeasch&tie Spiiient.
generals. Mit schönen Miniaturen. Theil 2 enthält Alfonso V.,
Regimen de Sort e de Sach, mit fiUgranartigen Initialen. (8)
Codex Sant Pere (vgl. unten). (9. 10) Rossellö viejo y nuevo,
,zweifelsohne Name des Compilators^ saec. XTV und 1506—1512.
Copien aus den vorher genannten Codices. (11) Codex Abellö;
zum Theil Copien aus Nr. 8, 9, 10, femer Pragmatiken des
Vicekönigs Anglesola (1398) über das Regimen universal, Privi-
legien von Juan I, Alfonso V., Königin Maria (1436) von Carl V.
(1519) und die Reglements der Tabla numularia. (12) Sindicato
forense fol. s. XV. 160 Verordnungen (ördenes). (13) Des-
selben Inhalts wie Nr. 12. (14) Codex del Sindicato, Privilegien
Alfonso V. und Juan 11. Lateinisch und mallorquinisch. (15)
Usatjes de Barcelona. Constitucions de Catalunja. Paz y Treuga.
Flors de las Lleys. saec. XIV, med. (16) ,Repartimiento' der
Insel zwischen dem Conquistador und seinen Dienern. 1267 nach
dem Original des Temple-Archivs geschrieben. (17) Desselben
Inhalts wie Nr. 16. (18) Cabreo de Agua (Wasservertheilungs-
register). 1381 auf Befehl des Gouverneurs Ca-Garriga ange-
fertigt. (19) Libro vert. Kalender, Evangelien und hierauf Ur-
kunden, ähnlich wie bei den Corts generals. (^ Wie Nr. 7,
Theil 2. Von dem Schreiber Rafael Perera 146T geschrieben.
(21) Estamento de Caballeros. Freiheiten des Ritterstandes.
8. XV. (22 — 25) Ordenaciones del Reino. Urtheile der Jurados.
Nr. 22 etwa 1475 vom Notar Jorge Pastor geschrieben. (26)
Privilegien des Almotacen (Inspector von Gewichten und Massen)
und des Ejecutor mit E^alender und Evangelien, über welchen
der Eid geleistet wurde. (27) Polizeianordnungen bis zum
Jahre 1449, in welchem das Buch von dem Schreibermeister
Juan Palles um den Preis von 12 Libras geschrieben wurde.
(28) Privilegien und Anordnungen der Almotaceria. saec. XVII
bis XVIII. (29. 30) Imposicions, Ajudas y Drets universals
(Steuervorschriften). Nr. 29, a. 1390, Nr. 30, saec. XV ex. ge-
schrieben. (31. 32) Register zu den Cedulas reales und anderen
Documenten (ca. 1000 an Zahl).. (33) Recopilacion de Fran-
quezas y Derechos von den Advocaten Canet und Mesquida
1622 verfasst. (34) Aehnlichen Inhalts, verfasst 1649 von dem
Geschworenen Nicolas Armengol und dem Advocaten Mora y
Mulet. (35) Denunciaciones de Notas de Notarios 1479. saec.
XVI fin. (36) ,Valentina.' Generalindex der Freiheiten und
Bibl. Uebereicht: SA8— 354 (Palma). 29
Privilegien, 1495 von Micer Teseo Valentl begonnen. (37. 38)
Copien von Nr. 36. (39) Actos extraordinarios de los Jurados.
(40) Fray Pedro Marsilio, Cronica (vgl. oben).
QuADRADO, JosÄ Maria, El cödice de los Reyes 6 sea le
Rey de los Codices en el Archive de Mallorca. 8^. Aus dem
Museo Balear de historia y literatura, ciencias y artes.
Ich kenne den Aufsatz nur aus dem Boletin de la Real
Academia de la Historia zu Madrid, tom. X (1887), p. 172. Es
handelt sich wohl um den Sant Pere betitelten, im Anuaro de
Archiveros 11, p. 78 beschriebenen Codex. ^
853. Archivo del Patrimonio,
G(üEMEs), J(osä) DB, El Archivo del Patrimonio que fu^
de la Corona, en las Baleares. Revista de Archivos HI (1873),
p. 209—213.
Enthält ein Verzeichniss der einzelnen Bestände.
Morel -Fatio, Bibliothfeque de T^cole des chartes XLHI
(1882), p. 485 f. gibt nebst historischen Daten Beschreibungen
verschiedener Manuscripte, so der Libres de dades e rebudes,
femer der ,Literae regii officii regiae procurationis' genannten
Register. ,Pour Thistoire,' sagt er, ,ces livres de compte ont uu
immense int^rSt.'
353. Biblioteca Municipal,
Fischer, Gemälde von Valencia, tom. HI, p. 22.
Valbntinblli, p. 175: ,Alcuni buoni manoscritti.'
354. Biblioteca publica episcopal,
ViLLANUBVA (vgl. Viagc, tom. XXII, p. 206—208) sah da-
selbst: (1) Summa fratris Monetae, ordinis fratrum Praedicatorum
contra haereticos. Ms. fol. parte de pergamino, parte de papel,
escrito ä dos columnas, de fines del siglo XHI. (2) Franciscus
Eximenex, pastoralis liber Ms. papel s. XV. (3) Sallustio entero
con todas sus invectivas; hierauf Bartolomei Faccii ad Karolum
Vintimilium de origine inter Gallos ac Britanos belli s. XV.
Heine, Serapeum, VIII (1847), p. 95: ,enthält keine Manu-
scripte^.
Valbntinelli, p. 174 f. nach Villanueva.
* Copirt von Maestro Bartolomö de Rius (Rivis) ca. 1450.
so Xn. Abhandlnng: Beer. Handschriftenscliätze Spaniens.
855. "f Biblioteca de la Catedral,
Aus den Capitnlaracten sammelte Villanaeva folgende Daten
über diese Bibliothek, welche zu seiner Zeit bereits nicht mehr
bestand (vgl. Viage, tom. XXI, p. 92 f.). La biblioteca debia ser
ya bastante copiosa en el ano 1399, cuando por haber muchas
llaves de ella se omitiö hacer inventario de sus libros, como se
hizo de todas las demas alhajas de la iglesia. En 1411, el ca-
nönigo Francisco Yalariola regalö ä la misma el Comentario de
Alejandro de Ales in IV. Sent. El Obispo Don Diego de Amedo
en 1562 . . . subiö ä la libreria ,et vidit illam bene stare^ Es-
täbalo tambien en 1591, cuando ä 9 de Julio concediö el Cabildo
llaves de ella ä algunos para estudiar. Tres anos despues hallo
que se hicieron algunas ordinaciones para su buen servicio y
se nombrö bibliotecario.
Die Reste der Bibliothek wurden im Jahre 1798 der bi-
schöflichen Sammlung einverleibt.
356. Archivo de la Catedral.
ViLLANUBVA, Viagc, tom. XXI, p. 19 ff. beschreibt: (1) Car-
toral, im Auftrage des Bischofs Pedro de Morella (f 1282) vom
Notar P. Amaldo verfasst. (2) Ein zweites s. XIII — XIV,
Libro amariUo genannt. (3) Ein drittes, ,La cadena^. (4) Actas
capitulares, das älteste Manuscript im Jahre 1372 begonnen.
(5) Libros de cargo y data de la fäbrica de esta iglesia, das
älteste aus dem Jahre 1327. (6) Libro antiguo de aniversarios,
in der Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen. (7) Cabreo general
de los beneficios antiguos de la iglesia. (8) Cronicon ,de Salcet',
von Villanueva aus verschiedenen Aufzeichnungen des Notars
Mateo Salcet zusammengestellt. (Proben derselben im Ap. III.)
(9) Cabreo general de todas las posesiones que tocaron ai Rey,
verfasst im Jahre 1253; Villanueva benützte eine Copie aus dem
Jahre 1307, von welcher Auszüge geboten werden. (10) Pedro
Marsilio, Conquista de Mallorca, libro 11 con su traduccion le-
mosina.
357. Archivo episcopal,
Villanueva, der sich über den wenig entsprechenden
Zustand des Archivs beklagt, verzeichnet Viage, tom. XXI,
p. 18 f. mehrere registros antiguos (Copialbücher), das älteste
Bibl. üebersicht: 855—861 (Palma). 31
mit 1364 beginnend. Die registros de ördenes beginnen mit
dem Jahre 1377.
358. t Biblioteca del Convento de los P, P, Capuchinos.
ViLLANUBVA (vgl. Viage, tom. XXII, p. 178 u. 231) benützte
daselbst: Tres 6 cuatro Codices (rituales) . . . singnlarmente nn
Breviario que se escribiö antes del ano 1303; Diario de los sa-
cesos de la armada de la liga^ mandada por el Serenisimo Senor
Don Juan de Austria en los anos 1571, 72, 73 y 74, escrito por
Fr. Miguel CerviA, religiöse Franciscano, natural de Maliorca,
Vicario general de la armada y confesor de dicho Don Juan,
como ^i mismo lo dice, al fin del ano 1572; manuscrito en 4^,
das Villanueva abzuschreiben gedachte.
Valbntinelli, p. 177 f. nach Villanueva.
359. Biblioteca del Convento de los P, P. Dominicanos,
Villanueva, Viage, tom. XXII, p. 212 — 219 berichtet nur
von alten Drucken und nicht (wie Valentinelli, p. 176 f^schlich
angibt) von Handschriften dieser Bibliothek. Doch müssen solche
früher im Convent vorhanden gewesen sein; so die Geschichte
des Königs Jaime I. von Aragon, geschrieben von MarsiUo,^
vgl. Villanueva, tom. XV 111, p. 248 und ibid. p. 259, Anm.
360. t Archivo de los Templarios,
Im Jahre 1267 wurde in diesem Archiv eine Copie des
,Cabreo general de todas las posesiones que tocaron al Rey (de
Mallorca)^ niedergelegt. Die Handschrift wurde aber bereits
von Villanueva nicht mehr vorgefunden. Vgl. Viage, tom. XXI,
p. 23 u. 166 ff.
361. Biblioteca particular del Conde de Ayamans,
Morbl-Fatio, Bibliothfeque de T^cole des chartes, tom. XLIH
(1882), p. 490 f. beschreibt eine Handschrift der Chronik des
Königs Jaime I. von Aragon: Ce volume en parchemin de 172
feuillets, k deux colonnes, a ^t^ copi^ en 1380 par Joan de Bar-
bastro, scribe de la chancellerie de Pierre IV. de Aragon. Com-
par^ au manuscrit de la biblioth^que universitaire de Barce-
lona, qui vient d'^tre publik par D. Mariailo Aguilö dans sa
* Vielleicht identisch mit dem jetzt im Archivo general (8. dieaes) aufbe-
wahrten Exemplar.
32 Xn. Abhandinng: Beer. Handschriftensch&tze Spsniens.
Bibliotheca catalana, le ms. du comte d' Ayamans präsente un
certain nombre de variantes dont il y a Heu tenir compte. Aus-
züge aus dieser Handschrift ibid. p. 495 — 497.
863. t Biblioteca particular de D, Joaquin Maria Bover,
Zuerst erwähnt Heine^ Serapeum, tom. VIII (1847), p. 95
diese Privatbibliothek, ,eine ganz artige Sammlung von Blichem
und jüngeren Handschriften'.
MuNOz, Diccionario, p.* 212 notirt: ,Crdmca de los sucesos
ocurridos en el colegio de Jesuitas de Montesion en Palma de
Mallorca Ms. original en tres gruesos volAmenes en fol'; ,preciosa
obra', in Bover's Besitz.
Valbntinblli, p. 176 nach Heine. In dem Werk: Biblio-
teca de Escritores Baleares Palma, 1868, 2 tom. 8^, gibt Bover
Daten über verschiedene jtlngere Handschriften seiner Sammlung.
Bover starb am 1. April 1865.
368. Biblioteca particular del Conde de Montenegro.
Bover, I. M., Noticia historico-artistica de los museos del
Excmo Sr. Cardenal Despuig existentes en Mallorca. Palma 1845.
Die Bibliothek ist p. 216—223 behandelt. Das Werk lag
mir nicht vor.
Heine, Serapeum, tom. VHI (1847), p. 95 über die Welt-
karte des Gabriel Valseca.
Valentinblij, p. 175 f., behauptet irrig, dass die Sammlungen
der Despuig, Grafen von Montenegro zu Beginn dieses Jahr-
hunderts an D. Antonio Ignacio de Pueyo gelangt wären. Dieser
Sammler besass eine von ihm selbständig creirte Bibliothek, vgl.
unseren Artikel.
Mobell-Fatio, Biblioth^que de Töcole de chartes, tom. XLIII
(1882), behandelt die Bibliothek p. 478 u. 490 und nennt aus
ihr ,le portul^n de Gabriel Valseca de Tan 1439 et un manu-
scrit du Tratado de Annas et du Ceremonial de principes de
Diego Valera'.
864, Biblioteca particular de D, Antonio Ignacio de PaeyOy
marques de Campo-franco,
ViLLANUEVA, Viagc, tom. XXH, p. 232 f. beschreibt: (1) Un
cödice fol. men. en vit. ms. en 1291, contiene todos los privi-
legios y franquezas concedidas hasta aquella ^poca A los habita-
Bibl. üebenieht: se»— 367 (Palnm— Pamploiut). 33
dores de Mallorca, asi por el Rey Don Jaime I. de Aragon,
como por su hijo Don Jaime. Copie ibid. p. 285 — 327 (Ap. XII).
Beigebunden Privilegien der Juden in Mallorca saec. XIIT — XIV.
(2) Stacio Papinio Surtulo XII. libros del Thebaidos (sie) los
V del Achileidos y los IV de Silvas, saec. XII. (3) Fragmento
del Concilio FV. Toledano saec. XL
Hbike, Serapeum, tom. Vill (1847), p. 95 nennt die
Bibliothek blos.
Valentinblli, p. 176 nach Villanueva.
Morbll-Fatio, Bibliothfeque de T^colede Chartes,tom.XLin
(1882), p. 478: D. A. I. de Pueyo ^tait fils du second marquis
de Campo-franco et poss^dait une biblioth^ue^ qui a ^t^ trans-
mise par höritage aux repr^sentants de ce titre: aujourd'hui
D. Adolfe de Rotten y Guzman, marquis de Campo-franco par
sa femme en est le propri^taire.
865. Biblioteca particular de D, Gerönimo Rosellö.
Morel Fatio a. a. O. p. 491 citirt aus dieser Privat-
sammlung: Raimundus Lullus Arbre de sciencia (copi^ en 1418
par un scribe de Perpignan), und Francesch de Oleza, La nova
art de trobar. Folgen noch Details über diese interessante ars.
Famplona.
366. Biblioteca de la Iglesia Catedral.
Michel, Francisqub, Rapport sur une Mission en Espagne
Archives etc., UT S^rie, tom. 6, p. 284 beschreibt aus dieser
Bibliothek ,un manuscrit des satires de Juv^nal in-folio, du
XI* ou XII® sifecle, avec scholies interlin^res et marginales,
et un recueil de lettres de Pierre de Blois, au nombre de 169,
volume sur v^lin d'une Venture du XIV* si^cle.
867. t Biblioteca particular del Rey D, Carlos III, de
Navarra.
,E1 Rey Don Carlos III de Navarra no fu^ m^nos amante
de libros que Don Alonso el Sabio, y para satisfacer su deseo,
comprö diferentes librerias, y entre ellas la de los Padres Do-
minicos de Estella, y la de su Cambarlen Mosen Pierres de
Laxaga. £1 numero de Codices de que se componian algunas
de estas librerias no Consta. De la de su Cambarlen se sabe
Sitxnoftber. d. pbiL-lust. Ol. CXXYUL Bd. 18. Abb. 8
Bibl. üeberaioht: 368-^71 (Pamplona— Pedaflel). 36
Brütails, Jban Auguste, Docmnents des Archives de la
Chambre des Comptes de Navarre (1196 — 1384) publi^s et anno-
tös. Paris 1890.
Urkundenpublicationen, wie aus dem Titel ersichtlich.
El Faular.
869. Biblioteca de la Cartuja.
ViLLANUEVA, Viagc, tom. Vn, p. 148 von einer Handschrift:
Historia del concilio de Trento en su tercera convocacion por
el Papa Pio TV,, escrita per D. Pedro Gonzalez de Mendoza
sprechend (vgl. den Artikel Monserrate, Biblioteca del Real
Monasterio de Santa Maria) erwähnt einer Note in diesem Manu-
scripte, welche besagt, dasselbe sei Abschrift des Originals, ,que
se guarda en la Cartuja de Paular^
Fena.
370. f Biblioteca del MonaMerio de San Jiuin.
Egüren, p. 96 erwähnt eine Handschrift saec. XIV: Hi-
storia del Reino de Aragon y condado de Barcelona, die sich
in diesem Kloster befand und von einem Mönch desselben, Pedro
Marfilo geschrieben war. Von dem heute verlorenen Original
existirt eine Copie in der Bibliothek der Real Academia de
la Historia.
Amador de los Rios, Josty Historia critica de la literatura
espafiola, tom. V (1864), p. 334 (und nach ihm Martinez Ani-
barro y Rives, Intento etc., p. 485) erwähnt eine Copia von dem
Werk: Pablo de Santa Maria ,Edades trovadas' sacada del. co-
dice de San Juan de la Pena por el Acadömico don Joaquin
Traggia. Wahrscheinlich heute gleichfalls in der Akademie.
Ueber den westgothischen Glossencodex, ehemals in Pena, dann
in der Bibliothek der Grafen von Olivarez zu Madrid, von dem
eine Abschrift im cod. Escor. L. I. 15 vorhanden ist, vgl. oben
Bibl. Nr. 280.
FenafleL
871. t Biblioteca del Monasterio de los frailes Dominicos.
Prinz Juan Manuel schenkte diesem Kloster — die genaue
Zeitangabe fehlt — ein Exemplar seiner vollständigen Werke,
welches bis heute nicht zum Vorschein gekommen ist. Vgl.
3*
36 ^Ul. Abluuidlang: Beer. HuidschriftaDschitse Spanieiu.
Amador de los Rios, Historia critica^ tom. IV, p. 206 (Polemik
gegen Bayer), und p. 233 sowie Gutierrez de la Vega, Biblio-
teca Venatoria, Madrid 1877, tom. I, p. CLX.
Fenalba.
372. Biblioteca del Monaaterio de Santiago.
Bischof Gennadios schenkt in seinem Testamente Era 953
(915)^ diesem Erlöster libros (1) psalterinm, (2) comicum, (3) anti-
phonariom, (4) orationam; (6) manuale, (6) ordinnm, (7) pas-
sionum.
Sandoval, Fundaciones, Abth. S. Pedro de Montes f. 28*.
Fenamayor.
373. t -4rcAiüo del Mana^terio.
Villa-Amil, Los cödices etc., p. 76 berichtet von einem
Documente dieses Klosters aus dem Jahre 1348, in welchem
von dem Libro j cuademo de la iglesia die Rede, und zieht
hiebei den Schluss, dass mit diesem libro der Tumbo des BLlosters
gemeint sei.
Feralada.
874. t Biblioteca del Convento,
In einem alten Necrologium des Convents findet sich
folgende Notiz: Anniversarium R. Magistri Michaelis Massoti in
Sacra pagina doctoris peritissimi et in decretis Baccalaue (sie)
famosissimi; huius conventus filii, qui obiit in conventu praesenti
anno Domini 1462 et 17 mensis octobris, qui dimisit librariae
multos hbros sermonum quos ipse compilaverat et quosdam alios
Ubros iuris et pro servitio Ecclesiae ordinale et unum psal-
terium etc. Vgl. Torres-Amat, Memorias etc., p. 411 in dem
Artikel Massot, Fr. Miguel.
Piasoa.
375. t Biblioteca del Monasterio San Julian y Santa
Basilisa,
Toda und Argonti schenken dem Monasterio San Julian
j Santa Basilisa ,quorum basiUca in locum Piasca territorio
lieber das Datam vgl. den Artikel Montes.
KU. r*Wrnckt: S7S— 979 (P»mJ»1— PlMMck). S7
Levanensi ftindata sive restaurata esf . . . ^die VJII* Kai. aug^ostas
Era DCCCCLXVm* (25. JuH 930) . . . ,Libro8 tarnen etiam
ecclesiasticos (1) pasionnm I, (2. 3) antifonarios II, (4) ora-
tionnm I, (5) ordinnm I, (6) commicom I, (7) racionale I,
(8) precmn I, (9) libellmn de virginitate Sancte Marie I,
(10) Bibliotecam ibidem pater mens domnos Aldroitus dedit,
ego tarnen eonfirmo.
Perez-Escalona Historia de Sahagnn, p. 387 (Ap^nd. III^
Escritnra XIV), ELgoren p. LXXXVIII. Indice de los docu-
mentos del monasterio de Sahagan de la orden de San Benito.
Madrid 1874, p. 114.
Piedrahita.
876« Archivo municipal.
Dieses wohlgeordnete Archiv enthält nach der Revista de
Archivos, tom. II (1872), p. 53 unter Anderem zehn Bände in
fol. historisch wichtige ,mercedes, privilegios y ordenanzas^ con-
cedidos por el Duque de Alba' vom Jahre 1435 an.
Flasenoia.
377. t Biblioteca del Colegio de los Jesuitas,
Indice de los Ubros que se hallaron en la libreria y apo-
sentos del Colegio de Jesoitas de Plasencia en el ano 1767.
Handschrift aus S. Isidro (Nr. 469) jetzt in der Bibliothek der
Real Academia de la Historia zu Madrid. Vgl. Revista de
Archivos, tom. VI (1876), p. 263. Wie aus den anderen a. a. O.
verzeichneten Indices hervorgeht, befanden sich unter den ,libros'
gewiss auch Handschriften.
878. t Biblioteca del Monasterio de los Frailes Dominicos,
Egurbn, p. XLIX über einen cödice conciliar, saec. X, der
ehemals in diesem Erlöster existirte. Einige Handschriften kamen
in die Madrider Nationalbibliothek: so enthält cod. X, 161 die
Provenienznotiz: Fue de los Dominicos de Plasencia; V, 264
und P, 95 den blossen Namen : Plasencia. Vgl. Hartel-Loewe s. n.
379. t Biblioteca particular de los Duques de Bejar,
Von dieser Bibliothek sind zwei ältere Verzeichnisse be-
kannt: En un inventario de los bienes que tenia en el ano de
1452 Don Alvaro de Zuniga, Duque de Bejar, se lee et titulo
38 Xn. AbhaDdlvng: Beer. Handschriftensch&txe Spaniens.
siguiente; los libros que el dicho Senor tiene en la Cämara son
estos; un libro de rezar, cubierto de tapete negro con una guar-
nicion de plata; un libro de Texto primero del Regimiento de
los Principos: la Crönica del Rey Don Fernando el Magno;
otro libro del Regimiento de los Prineipes en romance, 6 el
trato del Rey Don Ferrando; otro libro que fiso el Obispo de
Cuenca del tratado de Caso fortuno; otro libro del Marmotreto;
una Brivia escrita en latin; unos quadernos de pergamino que
comienzan en la Crönica del Rey Don Enrique III.; un libro
escrito en latiu; cuuierto de cuero Colorado; un libro de con-
sideratione: otra Crönica.
Cf. Säez, Liciniano, Demostracion histörica del verdadero
valor de todas las monedas . . . durante el reynado del Senor
Don Enrique IIE. etc. Madrid 1796, p. 374.
Cargo contra el Camarero del duque de B^xar Sancho de
Perero (1494). In demselben Libros.
(1) Un libro grande, enforrado en terciopelo negro, con
SU guarnicion de plata dorada, y tejillos, y esmaltado con las
armas de la duquesa, estoriado de letras de oro y figuras, que
se llama el libro de las fiestas, el quäl estä envuelto en un
pedazo de sarga amarilla. (2) Otro libro, enforrado en damasco
morado, con su guarnicion de plata dorada, que era horas de
rezar, las hojas negras, escrito de letras de plata blancas. (3) Un
libro de coberturas de cuero morado, escrito en pergamino, que
hizo el maestro fray Juan Lopes, de clarisimo sol de justicia,
estoriado 6 iluminado con letras de oro, 6 figuras, con las armas
del duque y duquesa. (4) Otro libro de coberturas de cuero
morado, que biso el dicho maestro Frey Juan Lopes^ estoriado
con las armas del duque y duquesa, y su guarnicion de plata,
que es el libro de la casta nina. (5) Otro libro, con coberturas
de cuero morado, y encima un lienzo que biso, como la duquesa
aparta de si todos los instrumentos y placeres. (6) Otro libro,
flos santorum, con sus coberturas blancas, viejas. (7) Otro libro,
que hiciöron los dos sabios Calila ö Dimna. (8) Otro libro, de
coberturas de cuero morado, de don Izaguidili, alfaqui de los
moros de Segovia, que biso contra la fö, al quäl responde frey
Juan Lopes. (9) Otro libro de coberturas moradas, que habla
de los temores y miedos. (10) Otro libro de coberturas dati-
ladas que habla de la mesquinidad de la codicia humanal.
I
Bibl. üebeniebt: 380 (PUaeneia). 89
(11) Otro libro de cobertnras moradas, de la historia del apostol
sant Andres. (12) Otro libro, de coberturas moradas^ que biso
el maestro frey Juan Lopes, el quäl es segundo libro de clari-
simo sol de justicia. (13) Otro libro, con cobertnras moradas
en que comienzan los evangelios moralizados, que biso el dicho
maestro, de los domingos de todo el ano. (14) Un libro de la
pasion, estoriado, con letras de oro, i coberturas moradas que
tiene dos tachones de plata. (15) Un libro de horas, de cober-
turas moradas, con su guamicion de plata, que comienza: Gare
tristis es anima mea et care conturbas me. (16) Un libro de
pergamino sin coberturas, que es confisionario de la duquesa
que haya gloria. (17) Otro tratado, fecho por Diego de Valera,
contra otro que fiso frey Juan Serrano, que es en favor de los
judios. (18) Nueve qüademos que es un libro de la disension
de los pecados, como un pecado es mayor que otro. (19) Otro
libro de coberturas moradas, escrito de mano, que es el que
biso don Caqui Dilimost de los moros de Segovia. (20) Un
libro pequeno, de coberturas moradas, con dies boUoncitos, en
que estA un sermon en que declara que significa la pasion, y
adelant la resurreccion. (21) Veinte y tres cuademos escritos
de mano que es un libro de los sermones de todo el Adviento
sobre los evangelios.
Veröffentlicht von Liciniano Säez, Demostracion histörica
del verdadero valor de todas las monedas que corrian en Castilla
durante el reynado del Sefior Don Enrique IV. Madrid 1805,
p. 543 f. Vgl. auch Clemencin, Elogio de la Reina Dona Isabel,
1. c, p. 438 und 463.
380« f Biblioteca particular del Ohispo D, Pedro Ponce
de Leon,
A. Handschriftlicher Katalog.
Der Codex Escorialensis &, II, 15, von Graux schlechtweg
,dossier Ponce de Leon' genannt, bildet eine Sammlung von
Actenstücken, welche den Büchernachlass dieses berühmten (und
auch gefUrchteten!) Sammlers enthält; der werth vollste Theil
der Bibliothek — Bücher und Handschriften — war testa-
mentarisch an Phiüpp H. vermacht, Ambrosio Morales zur Ein-
ziehung dieser und behufs Ankaufs weiterer Werke aus dem
Nacblass nach Plasencia gesendet worden. Nebst zahlreichen
Bibl. Uebttnicht: 381— S88 (PUaencift— Pöblet). 41
Marcos Burriel. Colecciön de docnmentos in^ditos para la hi-
storia de Espana^ tom. XIII [1848], p. 297).
Die übrigen Daten über diese Bibliothek sind vortrefflich
zusammengestellt von
Graüx, Essai, p. 54 ff.
Pöblet.
383« f Biblioteca del Monasterio de Santa Maria,
Ueber den älteren Bestand der Bllosterbibliothek besitzen
wir ein werth volles, zuerst durch Hartel-Loewe zugänglich ge-
machtes Zeugniss saec. XII:
In nomine domini incipit commemoracio de libros populeti
inprimis (1) historia. (2) Moralia. (3. 4) Duos briviarios. (5) Pro-
phetarum. (6) Collaciones cassiani. (7) Rabanus. (8) Sermonarii.
(9. 10) Duos antiphonarios. (11) Regula. (12) Psalterium glosad.
(13. 14) Epistolas duas Epistolarii. (16. 16) Duos textos. (17) Offi-
ciarii. (18. 19) EL®' collectaneos. (20) Expositio cantica canticorum.
(21) Dialogorum. (22) Consuetas. (23) Apochalipsin.^ (24. 25) H«-
Himnarios. (26. 27) II~ Pastorales. (28) Liber de sacramentis.
(29. 30) Missales U^. (31) Epistolas chanonicas. (32) Ser-
monari. (33 — 37) Psalterios V. (38. 39) Flores Sentiarum
(sie) II^^ (40) Flores psalmorum. (41) Liber salamonis. (42) Liber
plurimorum sanctorum. (43) Epistolas diumi I. (44) Epistolas
Pauli I.
Aus dem ehemals Salmantiner (Colegio mayor de Cuenca),
jetzt in der Privatbibliothek Sr. Majestät des Königs aufbe-
wahrten Codex 2. B. 3 (VII. E. 3) veröffentlicht von Hartel-
Loewe p. 464.
Auf die Schreibschule zu Pöblet um die Wende des XIV.
und XV. Jahrhunderts bezieht sich die von Munoz y Rivero,
Manual de paleografia, Madrid 1880, Lam. 1, Nr. 14 (ohne
Quellenangabe, jedoch nach Merino) reproducierte Notiz: Iste
liber fuit scriptus in Monasterio Populeti anno a nativitate do-
mini MCCCC.
Hauptzeuge fUr die Bestände der Bibliothek zu Beginn
dieses Jahrhunderts ist wieder Villanubva, Viage, tom. XX,
^ Dies ist wohl die (Beatus-) Handschrift, in welcher das Verzeichniss steht;
sie kam später in das Colegio major de Cuenca.
42 Xn. Abbandlong: Beer. Handscbriftenschitse Spuiieiis.
p. 149 — 153. Er beschreibt: (1) Las obras de Pindaro en griego,
con comentarios en el mismo idioma.^ (2) La Liturgia de San
Juan Crisöstomo, toda en griego. (3) Un vol. fol. ms. del
siglo XrV que contiene: S. Basilii Exameron, S. Angustini
Retractationes et librum de Natura et gratia, S. Hilarii Picta-
viensis de Synodis, Origenis Periarchon interprete Ruffino, y
Pamphili martiris Apologia pro Origine. (4) Saec. XIV: S. Am-
brosii de Offieiis libr. lU y de Morte Satiri fratris sui. (5) Clau-
diani de Raptu Proserpinae et S. Basilii libellus ad Nepotes, a
Leonardo Aretino translatus. (6) Senecae Epistolae, con todas
sus obras en italiano. (7) Las mismas traducidas en espanol por
Pedro Diaz de Toledo, de örden del Rey Don Juan 11. de
Cadtilla y Leon. (8) Virgilii et Catulli opera. (9) Las Coplas
de Juan de Mena, excelente manuscrito del siglo XV. (10) Poesias
de Don Diego de Mendoza y Pedro de Villalva, saec. XVII.
(11) Julii Frontini opera. (12) Las obras de Tito Livio, Floro,
Sexto Rufo. (13) Compendio dell' historie Romane ricavato da
diversi autori, anönimo ms. fol. vit. 1420. (14) Facta et dicta
memorabilia Regis Alphonsi ab Antonio Panhormita collecta.
(15) Vidas de los Maestres de la religion de San Juan de Malta,
anönimo. (16) La Crönica en lemosin de Montaner y Desclot;
al fin se dice: Aquest libra (sie) sa acaba an layn que hom
conta de la Nativitat de nostre Senyor ver Dens del ayn de
MCCCLni disapte ä XX del mes de juyol. (17) Crönica de
los Rey es Catölicos por Nebrija, traducida al espanol. (18) Sexti
Julii Frontini Strategemata, y el Valerio De rebus memorabilibus.
(19) Crönica del Rey Don Enrique IV. de Castilla por Diego
Henriquez de Castillo. (20) Antiguedad y grandezas de la villa
de Alcalä de Guadayra por Cristöbal de Monroy y Silva; Genea-
logia de los Condes de Cardona, escrito en 1664 por Bemardo
Llobet. (21) Diego Lopez de Ayala, libro de linages.* (22) Com-
mentarius Scipionis in bello Venetorum et Mediolanensium Ducis,
libri IX, per Porcelium, poetam laureatum, historicum clarissimum
et divi Alphonsi Regis secretarium, compuesto en 1452. (23) Pedro
Trosillo, Libellus regiae successionis regnorum Siciliae, Hieru-
^ Zweifellos identisch mit dem Pindarcodex der Bibliothek des D. Bandilio
Carreras in Barcelona.
' Schien Villanueva verschieden von dem bekannten Libro de linages des
Pedro Lopez de Ajala.
Bibl. Ueboreicbi: 888 (Pöblet). 43
salem et aliorum. (24) Aristoteles De mundo, traducido por
Alonso Cnriel. (25) Georg Baibel, Instmccion de ordenanzas
de la guardia alemana. (26) Genitura del Exmo. sig. D. Joachime
d' Aragon, figlio primogenito del Exmo. sign. Duca di Segorbe
e di Cardona: calcolata dal P. Fr. Blasio Mano. Cälculo astro-
nömico de aquel momento. (27) Traetatus septiformis de mo-
ralitatibus rerum, anönimo. (28) Francisco de Eximeniz, Doctrinal,
en lemosin. (29) Hilario de Rossi, Opus salis arifici. (30) Au-
gustini Niphi de Medicis, de Rege et tyranno. (31) Giudizio
del Cardinal Colona intorno a quel che scrisse il Card. Ces.
Baronio della monarchia di Sicilia: coUa riposta del Baronio.
(32) Missale Romanum. Scripsit D. Lucas de Carovineo: vivat
in caelis cum Angelo Michaelis anno 1469. (33) Martyrologion
Usuardi fol. max. vit. adomado con buenas miniaturas; ,Mar-
tirologium hoc scriptum anno MCCLUll^ ac postea temporis
iniuria laesum iussu Illmi. et Rmi. Principis D. D. Francisci
Cardinalis a Dietrichstain, Episcopi olim integritati restituit
Adamus Paulino Wsky episcopalis latinae cancellariae amanuensis.
Anno salutis CIOIOCXIH.
Ausserdem fand Villanueva eine Reihe von Diarios aus
den Zeiten von D. Pedro de Toledo, D. Fadrique de Toledo
und des Herzogs von Monteleon, ferner Geschichtswerke über
verschiedene Conclave, sowie Biographien von Cardinälen: end-
lich Gesandtschaftsberichte, durchwegs BLandschriften, saec. XVI
bis xvn.
Canal, Espana Sagrada, tom. XLEU (1819), p. XIX der
Vorrede berichtet über seine im Jahre 1817 unternommene
Forschungsreise: pasö al Monasterio de Pöblet por verle j
examinar su hermosa Biblioteca, conservada en la Invasion
francesa como milagro. Mas de quatrocientos Codices se halla-
ban en ^sta. Lo mas son obras de Santos Padres j Codices
canönicos de mal gusto (?). No hallö la vida de Jaime el I.
escrita por ^1 mismo, pero si los manuscritos del Dean de Vique
Moncada, que son Anales eclesiästicos de Cataluna y el Epi-
scopologio de Vique.
CoRMiNAs (Suplemento p. 298) sah 1821 in der sogenannten
Biblioteca nueva ein ausgezeichnet schön geschriebenes Martyro-
^ Es ist aber nach Villanueva eine Copie, saec. XV.
44 XII. Abbandlnng: Beer. Handschriftensohiise Spanieoe.
logium : ^ ^era de vitela finisima y tenia una grande Umina ilumi-
nada para cada dia. Creemos que se estraviese/ Vgl. auch p. 351.
ToRRES Amat, Memorias, p. 318 über eine Handschrift:
Jahne de Aragon^ Comentarios de sus hazanas. Am Schluss:
Aquest Uibre feu escriurer honrat en Pons de Copons . . . abad
del honrat monastir de Sta. Maria de Pöblet . . . E fou escrit
en dit Monesti de Pöblet de la ma de Celesti Destorres, fe fon
acabat en lo dia de S. Lambert ä 18. dias del mes de sep-
tembre en V any 1343; p. 378 s. v. Marquina, Martin wird
dessen Historia del monasterio de Pöblet in zwei Bänden, als
Frucht einer im Jahre 1552 von ihm vorgenommenen Neuordnung
des Archives Pöblet erwähnt.
Eguren, p. XLIX u. XCI.
Valbntinblli, p. 137 — 139 gibt unter vorzüglicher Berück-
sichtigung Villanueva's einen guten Ueberblick über Geschichte
und Bestand der Sammlung Poblet's.
Das schöne Kloster, der Escorial Aragoniens, in welchem
die Könige des Landes ihre Ruhestätte fanden, wurde von
Suchet und später während der Bürgerkriege vollkommen ver-
wtlstet,* in diesen auch die herrliche Bibliothek zerstreut. Einige
Handschriften kamen auf merkwürdigen Umwegen nach Bar-
celona in Privatbesitz (D. BandiUo Carreras, Antonia Sostres'
und Jaime Cortada), andere nach Tarragona; doch wurden schon
früher BLandschriften Poblet's an andere Bibliotheken abgegeben,
wie der jetzige Matritensis Regius mit dem oben mitgetheilten
Katalog, der dem Colegio mayor zu Salamanca gehörte.
388. t Biblioteca interior del Monasterio de Santa Maria.
ViLLANUBVA, der diese BibUoteca interior von der vorher-
gehenden streng scheidet, berichtet, tom. XX, p. 154 S. über
,obras de Santos Padres, que aunque son preciosos, ne lo parecen,
* Wohl das von Villanueva (33) erwähnte.
' Vgl. Ford, Handbook, p. 406.
' Vgl. hierüber Bofarull y Sans, Apuntes bibliogrificos in den Conferenclas
dadafi en el Ateneo Barcelona, Barcelona 1890, p. 534. Bofarull nimmt
jedoch an, dass nur der Einband von einem Pobleter Buche stamme.
Ein triftiger Grund für diese Behauptung Uegt aber nicht vor.
Bibl. Uebcniicbt: 883— S86 (Pöblet - PortMeli). 46
comparados con una Biblia del siglo XI, j acaso anterior^ fol. max.
vit. de 218 hojas^ Folgen ausführliche Beschreibung und Auszüge.
EgureN; p. XLIX u. 48 über diese Bibel, wie gewöhnUch
ohne Quellenangabe.
Fontevedra.
884. Biblioteca del Instituto,
BoRAo, p. 83 nennt als Gründungsjahr 1849 und die Höhe
der Bestände im Jahre 1859 wie folgt: 2306 impresos, 6 manu-
scritos y 83 folietos, ohne weitere Details. Das Anuario schweigt.
386. t Biblioteca particular del notario Gomalo Perez,
Dieser Rechtsgelehrte hinterlässt in seinem Testament vom
Jahre 1381: Mandas (1) de ,Degredo', (2) de la setima Partida,
(3) del Ordenamiento de Alcalä, (4) del foro de Leon, (5) del
,speculum* de ,belovacen8e', (6) del ,speculum' de Durando,
(7) del Inocencio el DI., (8) j del archididcono (?).
Citirt nach VUla-Amil, Los Codices, p. 20 f., der als Quelle
Sarmiento's Copie des im Benedictinerkloster Lerez aufbewahrten
Originals nennt.
Fortaoeli.
386. Biblioteca de la Real Cartuja.
A. Handschriftlicher Katalog.
ChvBRA, Jüan Bautista, Anales de la cartuja de Portaceli
j fundacion de todas las cartujas de la santa provincia de Cata-
luna (Manuscript in zwei Bänden) berichtet nach Villanueva
über einen solchen Katalog, von Pedro Ferrer im Jahre 1424
angelegt: ,catdlogo de todos los libros Msg. que habia en el mona-
sterio, y que este indice existia all! en 1664, y que el nümero
de Codices llegaba ä 699^ Dieser Katalog fehlte bereits zur Zeit
Villanueva^s.
Vgl. Villanueva, Viage, tom. IV, p. 50. Jimeno Escritores
de Valencia H, p. 7 (lag mir nicht vor) und Munoz, Diccionario,
p. 218.
Dagegen bietet der noch heute erhaltene Gratianopolitanus
Nr. 1132 (297) olim conventus Maioris Carthusiensis eine von
demselben Verfasser (J. Baptista Civera, 17 mar90 1619) her-
rührende ,Breve relacion y historia de la fundacion de la car-
tuxa de nuestra Senora de Portaceli y de algunos religiosos in-
46 XU* Abhandlung: Beer. Handsebrifkenseb&txe Spaniens.
signe Ben Banctidad; que en ella florescieron' (vgl. Catalogae gi-
n^ral des manuscrits etc. Departements, tom. VII, p. 331).
Dieses Manuscript, welches ich während der Sommerferien
1892 in Grenoble einzusehen Gelegenheit hatte, liefert auch in-
teressante Daten über die in Portaceli aufbewahrten Hand-
schriften, insbesondere über ein Diumale des heil. Bonifacius
Ferrer. Vgl. den folgenden Artikel (Sacristia).
B. Druckwerke.
ViLLANUEVA a. a. O. sagt mit Bezug auf den erwähnten
Bücherreichthum des Klosters im Mittelalter: ,en el dia apönas
quedarän unos doce de ellos', leider ohne Angaben über diese
spärlichen Ueberreste. Sie wurden in die UniversitätsbibUothek
Valencia gebracht; vgl. diese.
387. Sacristia de la Real Cartuja,
Die wenigen Handschriften, welche Villanüeva als in dem
Kloster befindlich beschreibt, waren als Reliquien in der Sacristei
aufbewahrt (vgl. Viage, tom. IV, p. 45s8.): (1) Tomito de 20
hojas en 4®, sermones escritos de mano de Santo Tomas de Villa-
nüeva. (2) Fragment© de una carta original de Santa Teresa
de Jesus. (3) Otro de S. Vincente Ferrer ä su hermano D.
Bonifacio. (4) Santo Tomas in Ubrum IV. sentent. Auf den
Deckeln folgende Notizen: ,Iste Über est Petri Johannis, qui
emit cum a Ven. Raymundo de RupuU, rectore ecclesiae de
Oliva, praetio viginti florinorum de Aragonia* und von der Hand
des heil. Vicente Ferrer: ,Liber iste est domini Petri Johannis,
civis Valentiae et est commendatus per eundem mihi fratri Vin-
centio Ferrarii^ Darauf die weitere Note: ,Item post haec dictus
venerandus dominus Petrus Johannes dedit istum librum libe-
raliter domui de Portacoeli, ordinis cartusiae; ... Et fuit facta
donatio anno Domini 1396, circa festum S. Joannis Baptistae.
Et hoc fuit scriptum hie per fratrem Bonifacium Ferrarii, mo-
nachum dictae domus de PortacoeU, germanum dicti fratris Vin-
centii Ferarrii, ordinis praedicatorum u. s. w.
388. Archivo de la Real Cartuja,
Die handschriftlichen Anales Civeras (vgl. den Artikel
Portaceli Biblioteca) befindet sich nach Jimeno a. a. O. im Archiv
der Cartuja.
BiVL Uebenickt: 397-191 (P«rtac«U— Bif»ü>. 47
Fosuelo.
389. Biblioteca del Monasierio San Salvador.
Ansur und seine Gattin Elduara schenken im Jahre 073
diesem Kloster (1) antifonario, (2) comnigo ^sic) et iß) regfula,
(4) manual.
Vgl. Indice de los documentos del monasterio de Sahagun.
Madrid 1874, p. 159.
Puig.
390« Biblioteca del Monasterio.
Chabret, Antonio, Sagunto, su historia y sus monumentos,
Barcelona 1888 erwähnt tom. II, p. 268 ein Manuscript: El Archivo
en la mano und bemerkt: Se guarda en el moasterio de Puig.
BipoU.
891. f Biblioteca del Monasterio de Santa Maria,
Unter den zahlreichen älteren Zeugnissen für die Bücher-
bestände des Klosters vom 10. Jahrhundert ab ist leider nur
eines vollständig auf uns gekommen, wenigstens bis jetzt zu-
gänglich geworden. Doch beweisen auch die fragmentarischen
Notizen, welche wir hier folgen lassen, den ungewöhnlichen
Reichthum RipoU's an sehr alten Handschriften der verschie-
densten Disciplinen im Mittelalter.
A. Handschriftliche Kataloge.
1. CatAlogo de los Codices manuscritos que oy dia existen
en la biblioteca del real monasterio de RipoU en el principado
de Cataluna saec. XVIII.
Ueber diesen im Codex der Real Academia de la Historia
Est. 27, gr. 4» E. N. 122 enthaltenen Katalog vgl. Ewald, p. 389,
(p. 338, 341). 2. Katalog vom Jahre 1823. Vgl. Ewald, p. 389.
3. Katalog vom Jahre 1835. Vgl. Ewald ibid.
B. Druckwerke.
Das Inventar der Kirchengliter, welches am 30. Juli 979
nach dem Tode des Abtes Vuindisclus (Gindisclus, Windisclus)
für Don Miro, Bischof von Gerona und Grafen von Besalü,
gefertigt wurde, führt nebst Anderem libri numero ß5 et eo
amplius an.
48 XII. Abhaadlnng: Beer. HandscbriftenseUtM Spaniens.
Vgl. Ewald, p. 389, Gottlieb, Mittelalterliche Biblio-
theken p. 270.
Das nach dem Tode des Abtes Oliva (f 1046) zusammen-
gestellte Inventar der ,alajas j libros' des Klosters enthält die
Bemerkung ,et sunt libri 192^
Villanueva, Viage, tom VIII, p. 35. Ewald, p. 389. Gott-
lieb, 1. c.
Hie est brevis librorum Sanctae Mariae.
(1—3) Bibliotecas m (4. 5) MoraUs H (6. 7) Gart. H (8. 9)
Estival. n (10—13) Pa^sionar. IHI (14. 15.) CoUationes H (16. 17)
Vitas Patrum H (18—20) Textus Evangel. in (21—31) Missal. XI
(32—35) Lection. HH (36—48) Ant. XIH (49. 50) Prosarios H
(51—53) Prophetarum m (54. 55) Epistolas Pauli 11 (56) Ger-
archia (57) Josephum (58) Bede De temporibus (59) Confessiones
(60. 61) Pastoral. H (62—64) Summum bonum m (65. 66) Dia-
logor. n (67. 68) Exameron H (69) Ethimologiarum (70) Liber
de Trinitate (71) Omeliarum super lezechielem (72. 73) XL Ho-
meliae 11 (74) super Matheum, super Lucam, super Johannem
(75) Claudium (76. 77) Liber Bede cum Evangel. II (78) Aimonis I
(79. 80) Historia Ecclesiastica 11 (81) Tripartita (82) Canticum
graduum (83) Prosperum I (84) Prophetarum grecum collect. I
(85) Liber Sancti Benedicti (86) Liber de natura boni (87)
Doctrina Xpiana (88) Gesta Julü (89. 90) Amelarii 11 (91) Ex-
positum regulae (92) Sententiarum Gregorii (93) Registrum Au-
gustini (94) Evipium (95. 96) Eptaticum II (97) Regum (98) Ge-
nera officiorum (99. 100) Augustinus 11 (101—103) Martirolog. HI
(104) Ortographia (105) Capitularem K.^ (106—110) Cannones V
(111—116) GlosaÄ VI (117—119) Liber Judices lU, duo vetu-
Btissima (120. 121) DecadaH (122) Metodium (123) Topica (124)
Sententiarum parvum (152 — 128) Medicine* IUI (129) Plutargus
(130—140) Alios XXI (141. 142) et unum Toletanum et alterum
TripUcum (143—152) Ims X (153—159) Orationarios VH (160.
161) Breviars lectionum 11 (162) Legem romanam (163) qua-
temiones de Boecii, de Juvenal, de Atanasio (164 — 168) Missal.
Toletan V (169) Liber de Horis (170) quatem. de computo 11
* E(aroli) erg-änzt Ewald p. 389 und vermuthet richtig, dass der heutige
codex Rivip. 40 (p. 386) gemeint sei.
' Medicinl Villanueva.
Bibl. Uebenicht: 391 (SipoU). 49
(171)alius liber de computo. Libri artiam (172 — 175) Donatos Uli
(176. 177) Priscianos II (178. 179) PriscianeUos H (180. 181)
VirgU n (182—184) Sedal. EU (185. 186) Constructs. H, una cum
Aratore (187. 188) Isagoges H (189) Categorias (190) Peri-
hiermenias (191) Macrobius (192) Boecius.
Aus einem ehemals mit der Nummer 40 bezeichneten,
heute wahrscheinlich verlorenen Codex Rivipullensis zum ersten
Male unter dem Titel Catalogus librorum qui sec. XII exstabant
in monasterio Rivipollensi ^ herausgegeben von Villanueva, Viage,
tom. Vin, p. 216 f.; aus einer Copie des Benedictus Rivas im
Cod. Est. 27 gr. 4» E. N. 122 der Real Academia de la Historia
zu Madrid auszugsweise mitgetheilt von Ewald p. 388. Vgl.
Gottlieb, p. 270.
Im Jahre 1147 schrieb ein Mönch von Ripoll die Geschichte
seines Klosters. Vgl. Baluze, Marcä hisp. Ap. nüm. 404. Esp.
sagr., tom. XLIII, p. 130, tom. XL VI, p. 346.
Im Jahre 1173 schreibt der frater A. de Monte an Abt
und Capitel zu Ripoll:
Reverendis patribus et dominis suis R^,* Dei gratia Rivi-
pullensi electo, B., maximo^ priori, et universo eiusdem ecclesie
venerando conventui, frater A. de Monte, humilis filius atque
vestre societatis devotissimus servus, salutem et plenitudinem
debiti famulatus. Consistens in ecclesia beati Jacobi apud Com-
postellam, quem propter indulgentiam peccatorum meorum visitare
studueram, et nihilominus ob desiderium visendi loci cunctis
gentibus venerandi, vestre beatitudinis non minus* licentia fultus,
reperi volumen ibidem, quinque libros continens, de miraculis
apostoli prehbati, quibus in diversis mundi partibus, tanquam
mercatoribus steUa, divinitus splendescit,^ et de scriptis sancto-
rum patrum, Augustini videlicet, Ambrosii, Hieronymi, Gregorii*^
Leonis, Maximi, Bede.' Continebantur in eodem volumine scripta
aliorum quorumdam sanctorum, in festivitatibus predicti apostoli
^ XII halte ich fUr einen Druckfehler und Ewald's Angabe (p. 389) saec. XI
für richtig; ja man dürfte nicht fehlgehen, wenn man diesen Katalog mit
dem 1047 (vgl. oben) angelegten identificirt, da die Zahlenangabe: et sunt
libri 192 übereinstimmt.
' R. Bai. 'et B., maiori Bai. ^ mirum Bai.
* splendescente, Bai. als Variante. ® Gregorii om. Bai.
^ Maximi et Bede Bai.
SitzungBl)er. d. phU.-hist. Gl. CXXVm. Bd. 18. Abb. 4
50 XII. Abhandlung: Beer. Handschriftenscb&tze Spaniens.
et ad laadem illius per totum annum legendum,^ cum responsoriis,
antiphonis, prefacionibus et orationibus ad idem pertinentibus
quam plurimis. Considerans igitur paternitatem vestram circa
beatum apostolum devotissimam, memoriterque retinens quod,
secundum consimilem devocionis formam, felicis memoria pre-
decessores vestri, divini amoris intuitu, simulque apostolice
venerationis speculatione , sub sepe nominandi apostoli titulo
infra basilicam Rivipullensem altare sacro sanctum erexera[n]t,*
proposui Volumen predictum transcribere, desiderans ampliori
miraculorum beati Jacobi, quibus tamdiu caruerat, ubertate
ecclesiam nostram ditari. Verumtamen, cum copiam sola^ vo-
luntas ministraret,* sumptuum^ vero penuria^ et temporis me
coartaret angustia, de quinque libris tres transcriptos atuli,'
secundum scilicet et tertium et quartum, in quibus integre
miracula continentur; atque translatio apostoli ab Hierosolimis
ad Yspanias, et qualiter Karolu^ Magnus domuerit et subiuga-
verit iugo Christi Yspanias. De primo quidem aliqua^ licet* pauca
de dictis Calixti secundi coUegi in presenti volumine conscripta.
Quintus Über supradicti voluminis scribitur de diversis ritibus
et varia consuetudine gentium; de itineribus quibus ad Sanctum
Yacobum venitur et qualiter omnia fere ad Pontem Regine ter-
minantur; de civitatibus, castellis, burgis, montibus, et de pravi-
tate simul et bonitate aquarum, piscium, terrarum, hominum
et ciborum, et de sanctis qui sub precipua veneratione coluntur
per viam lacobitanam, scilicet de sancto Egidio, sancto Mariano^
et ceteris. Continentur et in eodem libro quinto situs civitatis
Compostellane, et nomina circumfluentium aquarum et numerus,
neque preterit fontem qui dicitur de Paradiso. Comprehendit
etiam sufficienter ^^ formam ecclesie sancti Jacobi, et institutionem
canonicorum, quantum spectat ad distributionem oblacionum,
cum numero eorundem, et qualiter sedis metropolitane dignitas
auctoritate Romanorum pontificum ab Emerita translata sit ad
Compostellam, propter predicti apostoli favorem. Ex bis Omni-
bus excerpsi que in presenti volumine fidelibus oculis beatitudo
vestra contueri potest, si dignatur presentibus. Quid autem
^ legenda Bai. ' erexerat cod. ' solam cod. * mitostraret cod.
* sumptum cod. • pecnnia Bai. ' attnli Bai.
" primo quolibet pauca Bai. * Martino Bai. ^^ sufficientem Bai.
BibL üeberskkt: 391 (RipoU). 51
legendum sit in ec^lesia, sive in refectorio, de suprascriptis
Omnibus ex epistola domini Calixti dive memorie, Romani
pontificis, nulli fidelimn contemnenda prebetnr auctoritas, qui
et predietum volumen inter auctenticos Codices in ecclesia legen-
dum apostolici cnlminis sententia sanccire curavit, venerando
Innocentio, ecclesie Romane summo ^ pontifice, supradictam scrip-
turam postea roborante. Ceterum quando presentis voluminis
transcriptio facta fuit, MCLXXIII ab incarnatione Domini nu-
merabatur annus.
Dieser für das Handschriftenwesen des Mittelalters wichtige
Brief existirt heute noch im Original, und zwar als Schluss des
Cod. Ripoll Nr. 99 im Archive de la Corona de Aragon, und
wurde von mir copirt; erst später gelangte mir der Abdruck
Delisle's in Le Cabinet historique XXIV (1878), p. Iflf., Note sur
le Recueil intitulö De miraculis sancti Jacobi nach einer Copie
Baluze's (Bai.) zur Renntniss.
Villanueva, der zu Beginn dieses Jahrhunderts Ripoll be-
suchte, fand dreihundert Handschriften vor (cf. Viage, tom. VI,
p. 191 und Vni, p. 35 — 60), von denen heute noch 240 im Ar-
chive de la Corona de Aragon zu Barcelona aufbewahrt werden.
Wir verweisen bezüglich der weiteren Schicksale der Sammlung
auf diese Rubrik. Ueber die ältere Geschichte und die Bestände
der Bibliothek handeln ausser Villanueva (vgl. auch Viage, tom.
XVHI, p. 246 f., Chronicon Rivipullense) noch
ToRRES Amat, Memorias, der p. 337 s. v. Juan, Monje de
Ripoll erwähnt: Coleccion de cänones decretales por örden del
Conde Borrell en 958 mit dem Beisatz: Existe este codice en la
iglesia de Anicien. A la fin hay estas palabras: Anno Incarn.
Dominicae 958 indict. prima 2 cal. Octobris . . . Ego Joannes
monachus atque Diaconus transscripsi . . . Vgl. auch p. 715.
CoRMiNAs, Suplemento p. 297 (siehe auch den Artikel 01-
zinellas), p. 318 (ms. del siglo XI, ,qualiter corpus beati Stepliani
Iherosolimis Constantinopolim sit translatum XVIU ianuarii',
obra de Arnallo scolastico).
Egüren, p. XXXIV und LI f., endlich
Valentineli, p. 164 f. Carini, p. 49.
RiANO, Early spanish music, p. 7 (Latin poem by Oliva).
* sumo cod.
4»
52 XII. Abhandlung: Beer. HondschriftenschÄtze Spaniens.
Roda (Aragon).
893« Biblioteca de la Iglesia d^ San Vicente.
A. Druckwerke.
In der Consecratio ecclesiae Rotensis vom Jahre 957 findet
sich folgender Passus : Donamus in ornaraentis Ecclesiae . . . tres
libros (1) Missale (2) Lectiorario (sie) atque (3) Antiphonario.
Canal, Espafia Sagrada, tom. XLVI, Apend. III, p. 230.
(Aus dem Archiv der Kirche.).
ViLLANUEVA, Viagc, tom. X, p. 13 berichtet als der Erste
von dem cödice santoral 6 leccionario fol. vit. ms. en caracter
götico cursivo lo mas tarde d principios del siglo XI, que solo
contiene sermones en las fiestas de nuestra Senora. Nach dieser
und zwei anderen Handschriften ist der Sermo sancti Justi,
Urgellensis episcopi, in natale sancti Vincentii martyris ibid.
p. 216—221 abgedruckt.
Sainz y Baranda, Espafia Sagrada, tom. XLVII (1850),
p. 223 flf. über die Geschichte der Kirche p. 225 die Bemerkung
jSabemos que esta Iglesia poseia mss. muy preciosos; pero igno-
ramos si todavia se conservan.^ Im Apend. LV dieses Bandes
gibt Sainz den Aufsatz von
Abad y Lasierra, Manuel, Descripcion del Sacramentario
de Roda, eine sehr schwache Arbeit.
B. Schriftprobe.
Eine solche, in Farben ausgefilhrt, bietet der oben ge-
nannte Band der Espafia Sagrada (p. 228) von dem Sacramentar.
Roda (Prov. de Barcelona).
393. Archivo del MoncLsterio San Pedro.
A. Handschriftliche Kataloge.
Nachweise über solche bei Ewald, Reise, p. 338 und 441
(Varios bibliogräficos der Nationalbibliothek).
B. Druckwerke.
ViLLANüEVA erwähnt Viage, tom. XV, p. 124 (1) ein Cartoral
mayor saec. XII und (3. 4) zwei andere Exemplare saec. XII und
XIII; p. 156 ein Colectario (5) saec. XIU. P. 167 — 178 werden
Bibl. Uebenicbt: 392— S9S (Roda). 53
folgende Handschriften beschrieben; (6) Summa dictaminis ma-
gistri Guidonis. Eiusdem De privilegiis Sedis Apostolicae. — De
Distinctionibus seu descriptionibus omnium vitiorum et virtutum,
Alles in einem Bande saec. XIV fin. (7) S. Isidori Hispalensis
Expositio in Pentateuchum u. s. w. vgl. weiter unten Heiners Be-
schreibung. (8) Arator, Historia Apostölica. (9) Fragmentes
abundantes de las epistolas de Horacio saec. XII. (10) Otros
Fragmentes de Homero. (11) Breve comentario incögnito de
algunas comedias de Terencio ms. saec. XIII. (12) Antonii Pan-
hormitae in Alphonsi Regis Aragonum dicta ac facta memoratu
digna. AI fin la oracion del Key Alfonso in expeditionem contra
Theueros ms. saec. XV. (13) Augustinus in Evangelium secun-
dum Johann em. Eiusdem Explanatio Beati Augustini Episcopi
in epistolam Johannis Apostoli de caritate Dei et proximi. Eius-
dem Cur Deus homo. Eiusdem de casu diaboli et de veritate
et de libero arbitrio. (14) Donatus (?) De Grammatica saec. XI.
(15) Laurentius de Aquilegia, Practica sive usus dictaminis
saec. XrV. (16) Cassianus, collationes saec. XI. (17) Isidorus
de summo bono, Augustini soliloquia; ferner: Liber alit garit de
viciis et virtutibus. (18) Leccionario saec. XI. (19) Santoral
saec. XIV. (20) Leccionario de tempore saec. XII. (21) Cere-
monial de Obispos saec. XI. (22. 23) Dos breviarios Derdenses
saec. XIV. (24) Epistolario de todo el ano saec. XIV. (25) CoUec-
tario saec. XV. (26) Breviario vom Jahre 1138. (27) Consueta
Ilerdense saec. XIV. (28) Gerönimo de Santa F^, Disputa con
los ludios de Tortosa. 1412. Copien und Auszüge aus diesen
Handschriften in den Apendices LV — LXI.
Heine fand noch (vgl. Serapeum VIH [1874], p. 94 f.) ausser
jVerschiedenen werthvollen Breviarien^ 1. Isidori Expositio in
Pentateuchum, Jos. Judic. Regg. Esd. Maccab.^ Eiusdem versus
titulorum bibUothecae. Eiusdem in parab. Salam. Danach Ex-
cerpta S. Gregorii, Commentarii in Ecclesiast., Sapient. und Gant,
cant. Danach ein neuer Commentar über das Hohelied (Frag-
ment) als Werk des Gregorius Magnus gegeben, aber verschieden
von dem diesem gewöhnUch zugeschriebenen, und derselbe, der
sich in einem Codex der Kathedrale in Barcelona befindet.
Danach zwei Briefe des Justus Urgelitanus mit seinem Com-
mentar in das Hohelied; und verschiedene kleinere Tractate
von Augustinus u. a., cod. membr. saec. X, und fand noch 2. Hi-
54 XII. Abb&ndlnng: Beer. Handschriftenscbitze Spamens.
storia apostolica auctore Aratore Romano Subdiacono libr. 2 mbr.
saec. XI (= Villanueva Nr. 8). 3. Augustinus in Evangelium et
litteras Joannis Apostoli. Additur Tractatus de casu diaboli
et de veritate et de libero arbitrio (= Villanueva Nr. 13)
Vgl. noch Egubbn, p. LXXVII und 96 (Cödice de Cronicones
saec. IX) und Valbntinblli, p. 172 (nach Villanueva).
Bosas (Prov. de Huesca).
894. t Biblioteca del Monasterio de S, Pedro,
Villanueva, Viage, tom. XV, p. 38 sagt: De la biblioteca
tan celebrada nada ha quedado. Hay aqui una tradicion vaga
de que un general Frances, Uamado Noailles, trasportö . . . varios
Codices ä Paris, entre ellos una preciosa Biblia.
Valentinblli, p. 173 nach Villanueva.
396. Archivo del Monasterio de San Pedro.
Villanueva, Viage, tom. XV, p. 38 erwähnt zwei Cartorale
saec. Xn und XIII, die Documente von der Mitte des 10. Jahr-
hunderts ab enthalten. Ausserdem ein ,cartel' saec. XV, welches
ein Verzeichniss der in dem Kloster aufbewahrten Reliquien
enthält. Vgl. Ap. VIII (p. 229, 19).
Ford, Handbook, p. 439 f. nur über die Lage und Ge-
schichte des Klosters.
Sas^unto (Muryiedo).
896. t Biblioteca particular del Judio Jaffuda Cofe.
In der: Indemnisaciön que pidio el judio JaflFuda Cofe de
los objetos robados por los de la Union en la villa de Murviedo
vom 30. Januar 1348 fordert der Geschädigte Ersatz flir Libres
que Valien CCC sous (gehört zu den höchsten Ansätzen des
Verzeichnisses) und aus dem Besitz de mon germa (hermano)
Mainio Cofe Libres LX sous.
Aus dem LUbre de certificacions im Archivo municipal zu
Valencia herausgegeben von Antonio Chabret, Sagunto, su hi-
storia y sus monumentos. Barcelona 1888, Vol. II, p. 422 flF.
Die ausgehobenen Stellen p. 427 und 428.
I
Bibl. Ueborsicbt: 394—397 (Roda — Sahafun). 65
Sahafi^on.
897. Biblioteca del Monasterio.
,Hermenegildus confesor cum omnibus fratribus' schenkt
dem Kloster Sahagun 922 Libros Ecclesiasticos, id sunt (1) anti-
fonarium (2) comicum (3. 4) manuale in duobus corporibus di-
visum (5) salterio cum canticis et imnis (6) ordinum. (7) libellus
alius^ de cotidiano officio cum lectionibus vel missas, (8) orarum
(9) sententiarum (10) precum.
Facta hac scriptura a nobis et roborata simul et testibus ad
roborandum tradimus. Sub die lU ides magias, Era DCCCCLX'.
Nach dem Original des Klosterarchivs veröflFentlicht von
J. Perez-Escalona, Historia . . de Sahagun p. 383 f. (Apend. HI,
Escr. 11), Yepes, Coronica, tom. V, escr. 9, fol. 435 und Indice
de los Documentos del Monasterio de Sahagun, Madrid 1874,
p. 111; cf. Tailhan, p. 319.
Salud, presbitero ,cognomento Meliki' schenkt 959 dem
Kloster Sahagun die Kirche San Salvador ,quod modo nuncupant
Sanctorum Justi et Pastoris secus rivulo Forma territorio legio-
nense^ und ferner de misteria ecclesiastica libros (1.2) comattos*
duos (3. 4) duos manuales (5. 6. 7) antiphonales tres^ (8. 9) Ora-
tiones festivos 11 et (10) tertium Psalmorum* (11) orarum et
precum in una forma et (12) alium orarum in una forma
(13) Passionum I (14) Psalterium I (15) Canticorum & imnorum
in una forma.
Perez-Escalona, Ap. II, p. 405, welcher das Document in
das Jahr 960 setzt. Indice p. 141; der Schluss des Inventars
in diesem Abdruck gekürzt.
Im Jahre 1347 schenkt König Alfons dem Kloster ein
Exemplar des von ihm promulgirten Cödigo, welches sich noch
zu Escalonas Zeit wohl erhalten im Archiv vorfand (vgl. Perez-
Escalona p. 172).
MoRALES, Viage, p. 38, sah und beschrieb: (1) Concilios
de letra Gothica, enquadernados en envesado, y no tiene fin.
Dice en la cifra ordinaria Superi Abbatis Über . . . parece ser
* libellis aliis der Abdruck des Indice.
* Perez-Escalona comunes.
' II bei Perez-Escalona.
* Psalmo grauü (sie) Perez-Escalona.
56 XU. Ablumdlang : Beer. Handscbriftenscb&tze Spftniens.
mas antiguo aün qne el de Carrion. (2) Augustini De civitate
Dei, letra Gothica y pergamino muy grande. (3) Liber Senten-
tiarum Beati Isidori, en pergamino, letra comun, mas muy an-
tigua en tablas coloradas, y pliego pequeno. (4) Petrus Lom-
bardus in Psalterium, pergamino grande, tablas envesado: al
cabo se dice como se escribiö el ano ICLXXVII para el Abad
Guterio. (5) Las obras de Santo Augustin en siete Tomos de
pergamino grande: tambien se dice alli como se escribieron para
el Abad Guterio, y asi son del mismo tiempo que el pasado.
(6) Biblia en Hebreo. (7) Santorale en pergamino, letra antigua.
(8) Liber Scintillarum Alvari Cordubensis, collectus de Sententiis
Sanctorum Patrum. V. Kalendas Octobris. Era MCCXHI.^ Aus-
geliehen waren zur Zeit Morales' verschiedene Handschriften,
darunter eine Concilienhandschrift (2. Exemplar) und algunos
libros de S. Isidoro de letra Gothica.
Die späteren Nachrichten über Sahagun's Bibliothek lauten
spärlich. Die Nekrologien (Kaiendarien) und Bezerros wurden
von Joseph Perez und Escalona benützt (vgl. deren Historia,
p. IV — VI und über Perez, Munoz, Diccionario, s. v. Sahagun).
Florez, Espana Sagrada, VI (1751), p. 48 bespricht ein von
Carranza herangezogenes Manuscrito Göthico mal conservado
mit den Toletaner Concilien. Die Notizen über die älteren
Bestände sind theilweise behandelt von Eguren, p. LXXXIX
und 82, von Tailhan, p. 319 und 322. Aus dem Becerro 11 von
Sahagun saec. XIII wurde die Renta del Portazgo de Sahagun
abgedruckt, Revista de Archivos I, 268 — 270. Ein Missale
saec. XI aus Sahagun ist heute unter den Toledaner Hand-
schriften mit der Signatur 35, 14 der Biblioteca Nacional zu
Madrid einverleibt (vgl. Hartel-Loewe, p. 298). Die Ueberreste
des Archivs kamen bekanntlich in das Archive histörico nacional
zu Madrid (vgl. diesen Artikel).
Salamanca.
898, Biblioteca Universitaria,
Von Alfonso el Sabio 1254 gegründet, gilt die Bücher-
sammlung der Salmantiner Hochschule als die älteste Uuiversitäts-
^ Ueber diese Handschrift auch in der Coronica Lib. XIV, cap. in und
Rodriguez de Castro, Bibl. £sp. II, p. 448.
Bibl. Uebersicht: 398 (Sahagun — Salümanca). 57
bibliothek Spaniens.^ Die bedeutendste Bereicherung vor 1500
erhielt die Sammlung durch das Legat des berühmten Doctors
dieser Universität, des Canonicus von Toledo D. Alonso Ortiz,
welcher 1497 gegen 600 Bände mit Werken griechischer und
lateinischer Schriftsteller schenkte. Leider sind wir über das
numerische Verhältniss der Druckwerke und Handschriften in
dieser Schenkung nicht genügend unterrichtet.* Ueber die
späteren Bereicherungen und die Geschichte der Sammlungen
vgl. die unten angeführten Quellen.
A. Handschriftlicher Katalog.
Memoria de los libros que en su biblioteca tiene la Uni-
versidad de Salamanca. Gegen 1750 verfasst.
Handschrift 4 — 6 — 2 der Bibliothek; vgl. Graux, Rapport
p. 127.
B. Druckwerke.
Ortiz de LA Pena, Bibliotheca Salmantina seu Index libro-
rum omnium, qui in publica Salmaticensis academiae bibliotheca
asservantur. Ex decreto Universitatis editum Salmanticae 1777,
3 vol., 4^.
Das Werk stand mir nicht zur Verfügung. Ueber den
Werth desselben vgl. Valentinelli p. 60 und Graux, Rapport
p. 128.
PoNz, Viage, tom. XH, p. 185.
Alfonso EL Sabio, Las siete partidas . . . por la Real Aca-
demia de la Historia. Madrid 1807, 4^, pröl. p. IX.
La Borde, Voyage H, p. 264; V, p. 149.
FuERO JuzGO en Latin y Castellano . . . por la Real Acä-
demia Espanola. Madrid 1815, fol., pröl. III.
Haenel, Catalogi col. 976. Kurzer Abriss der Geschichte
der Universitäts-Bibliothek und der Colegios mayores.
Vogel, p. 480 (Artix Druckfehler für Ortiz).
* Vgl. Borao p. 83. — Anuario del cuerpo facultativo I, p. 208.
* Vgl. La Fuente, Vicente y Urbina, Juan CatAlogo p. 5. Vidal, Memoria
p. 55, insbesondere Granx, Kapport p. 127. Die Schenkungsurkunde Ortiz*
dürfte sich vielleicht noch in Salamanca finden, da auch seine Aufzeich-
nungen und Papiere in den Besitz der Universitätsbibliothek übergingen.
Vgl. Anuario II, p. 150.
58 ^U. Abhandlung: Beer. Haadscbriftensch&tze Sp»niens.
(La Fübnte, Vicentb y Urbina, Josä), Catälogo de los
libros manuscritos que se conservan en la biblioteca de la Uni-
versidad de Salamanca, formado j publicado de Orden del
Senor rector de la misma. Salamanca 1855. 75 p. 8^
Ein Exemplar dieses seltenen, seit Jahren vergriffenen
Werkchens wurde von mir 1890 in Paris benützt. Zunächst
berührt die Vorrede (p. 5) die eingangs erwähnte Schenkung;
viele Bücher waren von Ortiz im Ausland gekauft und mit
seinen Bemerkungen versehen worden. Ausser diesen Manu-
scripten finden sich a. a. O. noch die Codices autögrafos del
conciUo de Basilea erwähnt (vgl. weiter unten). Dann folgen
weitere Notizen über die Geschichte der Bibliothek, die auch
in anderen Quellen zu finden. Unter den Handschriften nimmt
nach Ansicht der Verfasser den ersten Rang ein la preciosa
traduccion de las obras de Seneca; p. 8 heisst es: El nümero
de volümenes que hoy en dia existen es de 1406. — Der eigent-
liche Katalog beginnt p. 9. Wir finden unter Anderem: (1)
Aristophanes (Plutus, Nubes, Ranae). (2) Cicero de amicitia,
Paradoxa, De finibus bonorum, Rhetorica. (3) Demosthenes
orationes. (4) Aesopus, obras en griego. (5) Euripides, tra-
goediae. (6) Floro de letra antigua. (7) Martialis saec. XV.
(8) Oppianus Halieuticon et Cynegeticon. (9) Ovid, Metamor-
phoseon Ubri. (10) Persius, Juvenalis und PubUus Victor in
einem Bande; aus dem Besitz des Ortiz. (11) Plutarchi moralia:
algunas de las hojas parecen palimpsestos.^ (12) Pollux, Ono-
masticon. (13) Julii Pomponii Grammatica. (14) Prisciani Ars.
(15) Procopius Sophista, Commentaria in Genesim, Exodum et
Jeremiam graece. (16) Propertius, Elegiae. (17) Prosper Aqui-
tanus, Carmina. (18) Quintilianus, De institutione oratoria. (19j
Theocritus, Scholia in idylla. (20) Terentius, Comoediae Andria
et Eunuchus foL, vitela fina, con notas de Alfonso de Palencia,
quien dice en una de las cubiertas que lo comprö en Valencia
por 19 florines de Aragon. (21) Thucydides, Historia beUi
Peloponnesiaci, 3 Exemplare. (22) Isocrates, Orationes (unter
Y, p. 72).
EouREN, p. 45 beschreibt eine Bibel dieser Sammlung,
vitela, folio.
* Vgl. Graux, Rapport p. 128.
Bibl. Uebersicbt: 898 (Salamanca). 59
Vatentinelli, p. 69 — 61 gibt einen kurzen Abriss der Ge-
schichte der Bibliothek und Zusammenstellung sonstiger dankens-
werther Notizen. Die copia coeva, documentata del Concilio
de Basilea, trascritta in duo volumi membranacei dal notayo
del Concilio (1431 — 1446) ad instanza e spese dell' Universitä
ist offenbar eine beglaubigte Abschrift des Originalwerkes von
Juan de Segovia.^
BoRAo ftlgt p. 83 f. einem kurzen historischen üeberblick
den Index der werthvollsten Handschriften bei, auf den wir
noch zurückkommen.
Amador de los Rios, Historia de la literatura Espanola,
tom. IV, p. 169 über einen Salmantinus mit dem ,Libro' des
Juan Ruiz, Archipreste de Hita. Tom. VI, p. 266 über den
cödice de la Biblioteca de la Universidad de Salamanca, MS.
de gran lujo, en vitela, de mediados del siglo XV, mit dem
Libro de las virtuosas i ciaras mugeres des D. Alvaro de Luna.
Vidal y Diaz, Alejandro. Memoria histörica de la Uni-
versidad de Salamanca. Salamanca 1869, 4®.
Graux, Rapport p. 126 — 129 gibt eine vortreffliche Ueber-
sicht über die Quellen fllr Geschichte und Fonds der Samm-
lung, welche nach seinen Constatirungen 43 griethische Hand-
schriften zählt. Nur eine derselben, Nr. 1 — 2 — 25 Plutarchus
moralia, wird genauer beschrieben.
VisriA regia ä la Biblioteca y al Archiv© de la Universidad
de Salamanca, Revista de Archivos VH, 277 ff.
Verzeichniss der Cimelien (nahezu ausschliesslich Hand-
schriften), welche Don Alfonso XH bei einem Besuche gezeigt
wurden.
Ewald, p. 372 f. beschreibt nach kurzer orientirender Ein-
leitung sieben Handschriften.
Anuario del cuerpo facultativo de Archiveros I, p. 206 —
212; n, p. 134—155.
Bis jetzt die beste Quelle über Genesis, Bestände, An-
ordnung und Verwaltung der Bibliothek. Für uns besonders
^ Vgl. Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti tom. II.
Vindobonae 1873, enthaltend Joannis de Segovia presbyteri cardinalis
Tit. Sancti Calixti Historia gestorum generalis synodi Basiliensis ed.
ErnestuB Birk.
60 XU. Abhandlung: Beer. Handschriftensch&tze Spaniens.
interessant ist die Zusammenstellung der Dotationen (I, p. 208 ff.),
sowie der Apöndices : Manuscritos (11, p. 149). Die Zahl dieser
wird I, p. 445 auf 866 angegeben. Doch sind hier wohl nur
die Werke gemeint und La Fuente's Angabe der Bände gewiss
authentisch.
MartInez Anibarro y RivES, Inten to de un diccionario . . .
de Burgos, p. 114 über eine Handschrift der Universitätsbiblio-
thek, enthaltend Cartagenas Uebersetzung von Seneca's Werken :
jtiene 150 pdginas, es en fol., escrito en el siglo XV con bellas
miniaturas y capitales y orlas policromas.'
In Loewe's Nachlass fand sich noch ein kurzgehaltenes
Inventar über eine Reihe von Handschriften, die er in Salamanc^
eingesehen. Trotz der Bündigkeit der* Aufnahme schien mir
das von Loewe Gebotene ftlr spätere Publication bei Berück-
sichtigung der anderen Quellen genügend und ein neuerlicher
Ausflug nach Salamanca nicht nothwendig.
899. Archivo Ufiiversitario,
Ausser dem schon im Artikel Biblioteca de la Universidad
erwähnten Bericht der Revista enthält diese Zeitschrift noch H
(1872), p. 54— 57; 71—72; 100—103; 117— 120 einen Aufsatz:
Urbina Juan, Extracto de los documentos mäs principales
que encierran los Archivos de la Universidad de Salamanca,
mit höchst interessanten Aufschlüssen über die Studien an den
Colegios mayores und zahlreichen kleineren Lehrinstituten.
Die officiellen Daten über die Bestände des Archivs
bringt das
Anuario del Cuerpo facultativo de Archiveros I (1881),
p. 121 — 124. Die Gesammtzahl der Libros manuscritos beläuft
sich auf 1400, darunter finden wir die Libros de matricula
desde 1546, Libros de grados desde 1526 u. s. w.
400. Biblioteca especial de la facultad de Filosofia y letras.
Graüx, p. 113 in der Liste der Handschriftenbibliotheken,
ohne weitere Bemerkung. Auch das Anuario enthält keinen
Aufschluss über dieses Zweiginstitut.
401« Biblioteca del Seminario Conciliar Central,
Valentinelli, p. 62 sagt zwar ausdrücklich: volumi tutti
a stampa, Graux aber führt in seinem Rapport p. 113 die
I
Bibl. Uebersicht: 399—104 (Salamanca). 61
Bibliothek unter den Sammlungen, die Handschriften enthalten,
an, leider ohne weiteren Commentar. Das Anuario del cuerpo
tacultativo de Archiveros I (1881), p. 209 erwähnt einen numero
determinado de volumenes aus der alten Jesuitenbibliothek,
que qucdö en el magnifico Colegio que poseian aquellos regu-
läres en esta capital, para formar la libreria del Uamado Colegio
Oarolino, y que hoy sin duda constituyen la Biblioteca del
Seminario Conciliar Central.
402. Biblioteca del Cabildo de la Santa Iglesia Catedral.
Graux nennt diese Bibliothek p. 113 in der Liste der
Handschriftensammlungen. Nähere Daten fehlen.^
403. Biblioteca del Convento de los Dominicanos de San
Esteban,
BuLLARiüM Ordinis Praedicatorum V, p. 565 — 567 enthält
eine diese Bibliothek betreffende Urkunde (nach Vogel p. 481).
(La Fubnte, Vicentb y Urbina, Juan), Catälogo de los
libros manu scri tos, que se conservan en la Biblioteca de la
Univcrsidad de Salamanca. Salamanca 1855.
P. 8 linden wir die Notiz: La comision (der Bibliothek)
espera poderlo aumentar en breve con otros 60 volumenes
( manuscritos) procedentes de la Biblioteca del celebre Convento
de S. Esteban en esta ciudad, los cuales han sido reclamados
judicialmente de la testamentaria de un exclaustrado por el
ör. Rector.
Valentinelli, p. 62 f.
404. f Biblioteca del Colegio mayor de Santiago el Zebedeo
(vulgo de Cuenca).
Diese Sammlung war einst ausserordentlich reich an Hand-
schriften, die auf Befehl Carl HI. zum Theil nach Madrid in
die Palastbibliothek gebracht wurden. Ihre Provenienz ist in
der Regel durch drei senkrechte geringelte Striche \ \ \ mit bei-
gefügter Nummer auf einem der ersten Blätter kenntlich. Hie
und da findet sich aber auch der deutliche Vermerk: De la
Bibliotheca del Col^ m^' de Cuenca, ^ z. B. Matr. reg. 2. B. 5
* Die Handschriften des Escorial Q. II, 24 und Q. lU, 20 tragen die Auf-
schrift: De la yglesia de Salamanca. Vgl. Hartel-Loewe p. 112 und p. 120.
* Vgl. auch die Beschreibungen bei Loewe-Hartel p. 473 ff.
62 ^m* Abhandlung: Beer. HandscliiiftenschfttM Spaniens.
(Diversas Historias als Rückentitel), 2. C. 4 (Ruderici Chronicon);
Ood. 2. C. 4 trägt die Signatur Nr. 413 S H, 2. D. 2 die Nummer
470, man kann daher annehmen, dass die Handschriftenbibliothek
etwa ein halb Tausend Bände umfasste.
405« t Biblioteca del Colegio de San Jeronimo (el Trilingüe).
Antonio, Nicolaus, Biblioteca ffispana vetus, tom. 11, p. 296.
Anüario del Cuerpo facultativo de Archiveros I (1881),
p. 210 über die Incorporation der Sammlung in die Universitäts-
bibliothek.
406« f Biblioteca del Colegio Mayor de S, Salvador (vulgo
Oviedo),
Ueber diese Sammlung vgl. auch den Artikel Oviedo,
Biblioteca de la Catedral. Die Einverleibung der Büchersamm-
lung des Diego de Covarrubias in die Bibliothek dieses Collegs
besprechen Rodriguez de Castro, Biblioteca Espanola H, p. 491
und Graux, Essai, p. 276.
Antonio, nicolaus, Bibliotheca Hispana vetus II, p. 20.
407« t Biblioteca del Colegio Mayor de San Bartolome
(el Viejo).
Für diese Handschriftensammlung gilt als Quelle:
RoxAs Y Contbras, Historia del CoUegio viejo de San Bar-
tolomi, Madrid 1770.
Im HI. Bande, p. 308 — 343 ist der Bestand der Manuscripte
in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gegeben. Ausser-
dem vgl.
Antonio, Nicolaus, welcher Biblioteca Hispana vetus H,
p. 249 folgende Handschriften bespricht: D. Alvaro de Luna,
Claras mujeres; p. 282 Carlos de Viana, Chronica de los Heyes
de Navarra; p. 293 Joannes de Turrecremata De unitatiB fidei;
p. 312 Gomez de Zurara, Chronica del Rey D. Juan I. de Portugal.
Amador de los Rios, Historia critica de la literatura espa-
nola, tom. Vn, p. 45 erwähnt die Bücherschenkung (,E1 mis
precioso legato') Alfonso's de la Torre an das Colleg (saec. XV).
SoMozA DE MoNTsoRiu, Catälogo de Manuscritos . . . en
Gijon, p. 86 beschreibt vol. XXXIX der Sammlung als: Crönica
de Enrique IV de Castilla, trasladada de una original que estA
I
Bibl. Uebenicht: 405 — 411 (Salamanca — San Salvador de Sahelicea). 63
en la libreria del Colegio Mayor de San Bartolom^ de Salamanca,
cuyo autor con certeza no se sabe, pero dice al prineipio ser
de Alfonso de Palencia, Cronista de los Reyes Catölieos, otros
dicen ser de D. Juan Arias, Obispo de Avila. Ella coneuerda
con SU original, que estä en dicha libreria en el Cajon 59.
Die Handschriften kamen, wie die des Colegio Cuenca,
in die Madrider Palastbibliothek, vgl. Hartel-Loewe p. 479.
408. t Biblioteca del Monasterio de los Ei'emitas,
Antonio, Nicoijiüs, Biblioteca vetus I, p. 304 erwähnt eine
handschriftHche epistola ad Isidorum Hispalensem directam,
Artuagi nomine inscriptam aus diesem Kloster.
409. Biblioteca del Colegio de los Irlandeses.
Von dieser Bibliothek gilt dasselbe wie von der Kathedral-
bibKothek.
Salinuas.
410. t Biblioteca del Monasterio de San Cristöforo,
In der Restauratio et dotatio ecclesiae S. Christophori
prope castrum Salinuas anno 949 wird geschenkt: ministerio
ecclesiastico (1) antiphonario (2) missale (3) lectionario (4) psal-
terio (5) ymnorum (6) homeliario (7) et alium Hbrum qui dicitur
Flores evangelii cum lectionibus omnium sanctorum, sive et de
dedicatione ecclesiae et (8) de libris moralie Job in uno codice
libros II.
Villanueva, Viage, tom. X, p. 257 f.
San Salvador de Sahelioes.
Hl* 'f Biblioteca del Monasterio.
Donino presbitero schenkt 922 diesem Kloster — ob sich
dasselbe in oder bei der sonst nicht nachweisbaren Stadt Sahe-
lices^ befunden, ist unklar — inprimis ecclesiasticos libros, id
sunt (1) antifonarium (2) comicum (3) manuale in duas formas
divisum (4) psalterium (5) ordinum libellus (6) alius de cotidiano
officio cum lectionibus et missis (7) orarum (8) sententiarum
(9) precum. Facta atque data scriptura testamenti III idus.
Maii Era DCCCC*LX.
* Sahechores in der Nähe von Sahaguu erwähnt Madoz.
64 Xll* Abhandlung: Beer. Handschriftenscliitze Spaniens.
Aus dem Becerro von Sahagun I, fol. 135 veröffentlicht
im Indice de los Documentos del Monasterio de Sahagun. Madrid
1874, p. 111.
SamoB.
412« -fBiblioteca del Monasterio,
Eine dankenswerthe Uebersicht über die Entstehung der
alten KlosterbibHothek bringt Villa -Amil, Los Codices etc. p. 6 ff.
Ihm folgend verzeichnen wir:
Schenkung Ordonos I. vom Jahre 853 an den Bischof
Fatal, bestehend in dem Kloster Samos mit seinen ,libros' (jS^-
Esp. Sagr. XL, p. 234).
Bereicherung der Bibhothek im Jahre 872 mit den Büchern
quo trajeron de Cördoba Ofilon, su hermano Maria y el pres-
bitero Vicente.
Ueber die Copie des Mönches Trasamond und der ,religiosa
Leodegundia' vgl. den Artikel Bobadilla.
In dem Privilegium Ordonii II. Regis Legionensis in gra-
tiam monasterii de Samos Era DCCCCLX (anno 922) bietet
der König dem Kloster: Libros Eglesiastes, id sunt (1 Anti-
phonarium (2) Orationum (3) Comicum (4. 5) Manuales duos
(6) Psalterium (7. 8) Passionum duos (9) Orationum (10. 11 1
Ordinos duos (12) Precum. Libros spirituales, id est: (13)
Homeliarum (14) Dialogorum (15) Homelia Prophetarum (IG)
Dispositio Jesaie Prophete (17) Parte dcMorario^ (18) Degada
Psalmorum (19) Testum Evangeliorum (20) Librum Regularum
(21) Generae Officiorum (22) Scinonimarum (sie) (23) Aepi-
stolarium (24) Ethimologiarum (25) Abtätigum (26) Laterculum.
Florez, Espana Sagrada XIV, escr. 3 (p. 367 — 373), Tali-
ban p. 316, Villa-Amil, Los cödices p. 8, La Fuente, Historia
de las Universidades I, p. 57.
Sandoväl.
413. f Biblioteca del Monasterio de la orden de Cister.
MORALEs, (Viage, p. 40) sah in diesem ehemals Sotonoval
genannten Kloster (bei Mansilla): ein (1) Santoral de los muy
* Moralia Gregor».
Bibl. UebersetzoDg : 412—415 (San Salvador de Sahelioea — Scala Dei). 65
buenos, letra y pergamino de mas de trecientos anos; (2) En
iin libro viejo de Vidas de Santos todo lo que escribiö el Papa
Calixto del Apostol Santiago, letra y pergamino del pasado.
Comunmente atribuyen aquel libro al Papa Calixto, hermano de
los dos Yernos del Rey D. Alonso el VI., mas yo tengo por
cierto que no lo escribiö el. (3) Libro de la misma letra y per-
gamino, todo deshojado: era exposicion de Berengario sobre el
Apocalipsi. Ferner: Obras de los Santos (4) Augustino, (5) Am-
brosio (6) Bernardo {!) Gregorio . . . en algunas se dice como
ha mas de trescientos anos que se escribieron. (8) Libro antiguo
sin nombre de Autor, que en partieular trata quantas cosas se
entienden en la Sagrada Escritura por cada cosa, como virga,
brachium etc.
Santillana.
414. Archivo de la Iglesia Colegiata.
BERGANZA FRANCISCO DE, Antigucdadcs dc Espana, Madrid
1719, Vol. I, p. 123 beschreibt ein Libro de Regia o Bezerro
dieser Kirche.
Soala Dei.
415. Archivo del monasterio de los Padres Cartujos.
Nach ViLLANUBVA, Viage, tom. XX, p. IGl schenkte der
Patriarch von Alexandrien Don Juan de Aragon, Sohn des Königs
Jaime IL, Bischof von Toledo, im Jahre 1333 dem Kloster su
Biblia glosada, que tui de su tio San Luis, Obispo de Tolosa.
Son once volumenes fol. vit. escritos de aquel tiempo, y estan
bien conservados en la celda prioral. Ferner sah Villanueva:
(12) Spert, Gerönimo, Comentario e interpretacion de los libros
de San Dionisio Areopagita. (13) Valero, Juan, ,Virtuoso, donde
se ensena la prätica de las principales virtudes, asi teologales
como morales^ (14) Desselben Vida de Santa Tecla. (15) Libro
de ingresos e profesiones, mit interessanten Notizen, die 1420
beginnen. In der botica (Apotheke) des Klosters befand sich
handschriftlich ein Liber agregationum de virtute simplicium
medicinarum von Johannes Ben Serapion, lateinisch, über die
Heilkraft der Pflanzen, deren Abbildungen in den Text ein-
gefügt waren (a. a. O. p. 165 f.).
Sitzongsber. d. phil.-hiat. Ol. CXXVm. Bd. 18. Abb. 5
66 XII. Abhaadlang: Beer. Haodsclirifteoschätze Spaniens.
Soälas.
416« t Biblioteca de Monasterio de San Pedro.
In der Urkunde: Erectio Ecclesiae Canonicomm S. Petri
de Sealas in comitatu Urgellensi in abbatiam et monasterium
ordinis S. Benedicti anno 960 kommt die Schenkung des France-
mirus Presbiter vor: (1) Eptatico I. (2) Apocalipsim et actus
apostolorum et Regum. Sapientia Salomonis, disposito (sie) I.
(3) passionario I. (4) chanano^ I. (5) missale, lectionario, anti-
phonario in uno volumine (6) psalterio I (7) prosario I (8) et
Profetarum I.
Villanueva, Viage, tom. Xu, p. 229.
Segorbe.
417. Archivo de la Iglesia Catedral.
Juan Bautista Perez (f 1597) bestimmt in seinem Testament:
Item dexo y lego al Cabildo i Iglesia Catedral de Segorbe todos
mis libros de varias y diversas facultades, ansi teologales, histo-
riales, griegos, latinos, como de otras qualquier lenguas, y de
qualquier gönero que sean, contenidos y especificados en el dicho
inventario por mi hecho de mis bienes patrimoniales y hazienda
que tenia äntes de ser Obispo de Segorve . . . como de los demas
libros, que yo he comprado despues de ser Obispo de Segorve.
Vgl. Villanueva, Viage, tom. III, p. 174.
Dieses ,Inventario' bildet den vorletzten Theil des Testa-
mentes und wird unter dem Titel ,Memoria de lo que manda
SU seuoria que se haga de los papeles de mano que tiene en
SU Ubreria' von Villanueva 1. c. p. 294 flF. mitgetheilt, wie folgt:
(1) Primo, un libro de vida de sanctos de Espana manda
que se dö ä la Ubreria de la Seo de Segorve.
(2. 3) Item dos tomos de bullas y privilegios tocantes ä la
iglesia de Toledo, y ä otras de Espana, manda que se da ä la
libreria de la Seo de Segorve.
(4 — 6) Item tres libros, en el uno juntaba su senoria pa-
peles tocantes ä la dignidad episcopal de Segorve, que tiene
titulo que dice Episscopus: otro donde juntaba fundaciones de
^ Für chanone, canones.
I
Bibl. Ueb«rsetztmg: 416—417 (Scalas — S«gorbe). 67
beneficios de la Seo de Segorve, que tiene Ütulo Beneficia sedis
Segobricen.; y otro tercero donde juntaba las fundaciones de
los beneficios de la diöcesi, que tiene por titulo Beneficia Diö-
cesis; estos tres manda y quiere su senoria que queden para
el archivo episcopal, y ruega se cosan los quadernos porque no
se pierdan.
(7. 8) Item otros dos libros que ay de mucha sustancia,
en el uno estä la relacion de todos los beneficios de la Seo,
con las rentas dellos, y los patronatos y succesion de bene-
fieiados de la Seo de Segorve; y otro libro de los beneficios
de la diöcesi; manda su senoria que dichos libros queden en
el archivo episcopal de Segorve; aunque si Dios diere vida ä
su seiioria, tiene intencion de acaballos, y dar copia al cabildo
de dicha Seo.
(9) Item un otro libro que ay de tres dedos de gordo de
la vida de los arzobispos de Toledo en borrador, este ruega su
senoria que se ymbie ä Toledo, y se de al P. Hierönimo de
la Higuera, de la Compania de Jesus, porque scribe desta ma-
teria, y le aprovecharä mucho.
(10. 11) Item otros libros hay, y tiene su senoria de mano
en dicha libreria, de historias espanolas, que comienzan por
Victor tunensis, y otros libros de sanctos de Espana, que co-
mienzan por sant Leandro; estos manda su senoria queden
para la libreria de la Seo de Segorve, porque son un tesoro.
(12) Item otro libro de concilios götthicos, manda su se-
noria quede para la libreria de la Seo de Segorve; en el quäl
libro hay correctiones de concilios.
(13—15) Item una historia de Rasis ärabe. — Item una
historia de Don Alonso VIII de mano. — Item una historia de
Lucas Tudense de mano, manda su senoria queden para la
libreria de dicha Seo.
(16. 17) Item dos libros de declaraciones de cardenales
manda su senoria que queden para la libreria de la Seo de
Segorve.
Item por quanto su senoria ha hecho muchos borradorcillos
en materias beneficiales y canönicas, manda que dichos papeles
y borradores se den y entreguen al doctor Melchior Ocanya,
arcidiano de Alpuente, para que rasgue los que le paresciere;
y los demas los comunique, si le paresciere, al doctor y can6-
ö*
68 XII. Abhandlung: Beer. Handschriftensch&tse Spaniens.
nigo Miguel Martinez^ porque no son libros de comnnicarse ä
otros qne no sean de tanta familiaridad.
Villanueva's äusserst genaue Beschreibung von den Hand-
schriften, die sich aus Perez' Nachlass noch in Segorbe finden,
möge hier im Auszuge folgen :
1. Primeramente un tomito en 8^, 200 fojas, apuntaciones
sobre la lengua hebrea: Dictata a Petro Lodoico Ruviale, die
25 Octubris 1555. Escrito de mano del Senor Perez. Zum
Schlüsse das Datum 28 Februarii 1556; Rudimenta linguae
hebraeae dictata a Johanne Baptista Perez, Valentiae die
6 Octobris 1559, u. ä. m. Aus diesen Vorleseheften hat man
auf die Existenz eines hebräischen Collegs an der Universität
Valencia zu jener Zeit geschlossen.
2. Dictionarium arabicum.
3. Otro volümen en folio, que contiene la historia del
moro Rasis, ,1a quäl tiene Ambrosio de Morales en un original
harto antiguo, escrito en pergamino. Agora tiene este original
Gonzalo Argote de Molina, vecino de Sevilla. Otro original
hay en Santa Catalina de Toledo^ In demselben Bande Aus-
züge aus Eterius und Beatus gegen Elipandus, mit verschiedenen
Anmerkungen; ferner: Chronologia bibUorum, mit einem Certi-
ficat, welches besagt, Perez habe erhalten por mano de D. Juan
Lopez de Velasco un cödice götico de concilios de la libreria
de S. Lorenzo el Real ,el quäl es uno de los dos que enviö
de Soria D. Jorge de Veteta'^ (3. Juni 1577). Zum Schlüsse
unzählige, zum Theil ftir eine Isidorausgabe berechnete Notizen,
unter diesen ilustraciones al Ubro de S. Isidoro de viris illustribus.
4. Otro tomo en foUo: Comentario de cosas memorables
que en la Europa han acaecido en tiempo del Rey Catölico y
del Emperador Carlos V y del Rey D. Felipe IL Traducido
del latin en romance por Miguel Bou de Villanova, escribano
de registro de su Magestad, y en algo anadido. Umfasst die
Jahre 1452 — 1581. Beigeschlossen sind zahlreiche, zum Theil
unedirte Documente, pertenecientes ä los Santos de Espana.
^ Ein interessanter Beitrag zur Geschichte der Escorialenses a II 9 und
e 1 13, welche beide den Vermerk tragen: Diole . . . Don Jorge de Beteta
(vgl. Hartel-Loewe p. 19 und 46). Noch eingehendere Nachrichten über
die Betetacodices finden sich in den Commentaren Villanueya's zu dem
Chronikencodex. Vgl. weiter unten.
>
Bibl. Uebenetzung : 417 (Hegorbe). 69
5. Vol. fol., igualmente actas y documentos de los Santos
de Espana.
6. Vol. fol. Coleccion de concilios ^ mit ausführlichen Noten,
welche Villanueva mit dem Wunsche analysirt, dass dieses
Manuscript vollständig veröffentlicht werden möge.
7. Vol. fol., mas de trescientas fojas. Copias de docu-
mentos pertenecientes ä la Iglesia de Toledo y otras de Espana.
Die wichtigsten derselben werden verzeichnet.
8. Vol. fol., tambien colleccion de documentos. Gleichfalls
Auszüge.
9. Vol. fol. Catalogus beneficiorum omnium Eicclesiarum
fundatarum in Ecclesia Segobricensi et ceteris Ecclesiis totius
dioecesis.
10. Episcopologio de esta Iglesia.
11. Libros de las visitas que hizo en su catedral en los
aSos 1592 y 1596.
Villanueva a. a. O. p. 177 — 196.
Aus der sehr detaiUirten Noticia del cödice de cronicones
que copiö el Senor Perez de varios originales antiguos, el quäl
se conserva en el archivo de la Santa Iglesia de Segorve a. a. O.,
p. 196 — 220 heben wir folgende Hauptrubra hervor, bezüglich
der Details der Beschreibung und der abgedruckten Excerpte
auf den Bericht selbst verweisend:
1. Victoris Tunnensis in Africa Episcopi chronicon ec-
clesiasticum per Imperatores et Consules continuans chronicon
Prosperi Aquitanici ab anno Christi 444 ad 567 cum anno-
tationibus marginalibus, ut puto Joannis Biclarensis.
2. Joannis Abbatis Biclarensis, et postea Episcopi Gerun-
densis chronici continuatio post Victorem Tunnensem ab anno
Christi 566 usque ad 590.
3. Sancti Isidori Archiepiscopi Hispalensis Über de gotthis,
suevis et wandalis usque ad annum 625, scilicet quintum
Suinthilae.
4. Idacii Lamicensis in Galletia Episcopi chronicon ab
anno Christi 403 usque ad 568.
5. De regibus wandalorum fragmentum incerti auctoris
ad finem chronici D. Isidori.
^ Vgl. oben Nr. 12 der Memoria des Testamentes.
70 Xn. Abhaudlnog : Beer. Handschrifteasohitxe SpanieuB.
6. S. Isidori Archiecopiscopi Hispalens. de vins illustribus
ab anno 250 ad 610 additis tredecim viris, qui in aliis deerant,
cum additione S. Braulionis Episcopi Caesaraug. de vita S. Isidori.
S. Ddephonsi Archiep. Toletani de viris illustribus; cum
additionibus S. Juliani, et Felicis, Archiepiscoporum Toletanorum
de vita S. Ddephonsi et S. Juliani.
7. S. Isidori Hispalens. obitus scriptus a Redempto.
8. Vita Septem primorum Hispaniae Episcoporum Torquati
etc. qui ab Apostolis sunt missi, ex vetustissimo complutcnsis
bibliothecae codice litteris gotthicis scripto.
9. De Osio Cordubensi, et Gregorio Eliberritano Episcopis
historia incerto auctore, ut puto, Marcellino praesbytero; ex
codice biblioth. complut. gottliico.
10. S. Aemiliani Abb. vita scripta a S. Braulione Caesaraug.
Episcopo missa ad Fronimianum praesbyterum, cum hymno
Eugenii tertii Toletani Archiepiscopi in laudem S. Aemiliani. =
Ex codice soriensi.
11. Pauli Diaconi emeritensis liber de vita, et miraculis
patrum emeritensium.
12. S. Ildefonsi Archiepiscopi Toletani vita scripta a Cixila
Archiepiscopo Toletano.
13. De visione habita Taioni Episcopo in Romana ecclesia,
et de Ubro morali in Spania ducto.
14. Incerti auctoris additio ad chronicon Joannis Biclarensis
ab anno 601 ad 742.
15. Adefonsi regis tertii Legionensis cognomento Magni,
chronicon ad Sebastianum, de Regibus gotthorum a Wamba,
et ovetensium usque ad Ordonium primum; scilicet ab anno
672 usque ad 866.
16. Sancti Isidori Hispalensis chronicon hebraeorum et
romanorum ab ortu mundi usque ad ann. Christi 627, scilicet
4 Sisebuti.
17. Sancti Juliani Arch. Tolet, historia de coniuratione
Pauli Ducis GaUiae Narbonensis adversus Wambam Regem
gotthorum.
18. Chronicon Regum wisigotthorum Hispaniae breve, sed
diligentissimum per annos et menses, quod puto esse S. Juliani
Tolet. Arch., licet aliqui tribuant cuidam Vulsae Episcopo.
I
fiibl. üebersetzung: 41d (SegorLe — Segovia). 71
19. Isidori Pacensis Episcopi epitome Imperatorum et
arabum, una cum Hispaniae chronico ab anno Christi 611 usque
ad 754.
20. Sampyri Asturicensis Episcopi chronicon Regum Legio-
niensium, continuatum post chronicon Adefonsi Regis ab Ade-
fonso III ad Raniminim III, id est, ab anno 866 usque ad 982.
21. Cronicon del Obispo Pelayo.
22. Chronicon albaildense editum ab incerto auctore anno
Christi 883 auctum a Vigila monacho albaildensi anno Christi 976.
23. Ruderici Ximenez Arch. Tolet. de historia arabum
Hispaniae Regum a tempore Machomet pseudo-prophetae ab
anno Christi 618 usque ad ann. 1 140, nempe annum arabum 539.
24. S. Iklephonsi historia de Regibus gotthorum sui temporis.
Valentinelli, p. 129 f. ganz nach Villanueva. Die Hand-
schriften Perez' belinden sich, wie ich durch eine auf Anregung
Theodor Mommsen's erfolgten Information seitens des Chronisten
von Denia, D. Roque Chabas, erfahre, heute noch unversehrt
in Segorbe.
Segovia.
418, Biblioteca de la Iglesia,
In dem Testamentum Fortuni Episcopi Segoviensis a. 1460
findet sich folgende Bestimmung: dabitis . . . ecclesiae Segoviensi
illos libros, quos dimisi segregatos pro ipsa; et quia iam dedi
ei unum Missale et unum Breviarium Magnum, licet sit secundum
usum et consuetudinem Segoviensis, detur ecclesiae Legionensi.
Risco, Espana Sagrada, tom. XXXVI (1787), p. CLXXXVI.
Vgl. auch p. 66.^
Florez, Espana Sagrada, tom. HI (1748), ap. XXXVTI
und XXXVm (vgl. auch tom. II [1747], p. 204), von dem so-
genannten libro del Cerratense sprechend, bemerkt: Tengo noticia
que en la Santa Iglesia de Segovia se halla otro egemplar de
este libro; pero tambien estoy cierto de que es de menor anti-
guedad; pues all! parece que se incluye la Festividad del Corpus,
que en el mio no estd, por quanto entonces no se havia insti-
tuido. Demäs de esto he leido una vida extractada de alli, la
* Als Testamentsvollstrecker fungirte Juan de Segovia. Vgl. ibid. p. 59 und
CLXXXI.
72 Xn. AbhaDdlDDg: Beer. HAndschriftcnsch&tze Spaniens.
qual estä mucho mas aumentada; que en el mio; con interpolaciones
mäs modernas anadidas por otro Religioso.
FiTA, Fidel, anknüpfend an diese Notiz, beschreibt die
Handschrift ausführlich im Boletin de la Real Academia de la
Historia, tom. XIII (1888), p. 227 f. Sie hat die Unterschrift:
Et ego humilis cerratensis gratias ago Deo qui michi licet in-
digno dedit incipere et perficere librum istum quem vitas sanc-
torum intitulavi. Qui incipit et explicit vitas sanctorum. Folgen
die von Fita gegebenen Auszüge, von p. 237 ab Bulas inöditas
de Alejandro III. y Honorio III, im Original aufbewahrt und
von Fita copirt im Archivo de la Catedral de Segovia.
419. t Biblioteca particular de la Reina Dofia Isabel en
el Älcazar,
Inventario de los libros pröprios de la reina dona Isabel
i, cargo de Rodrigo de Tordesillas, vecino y regidor de dicha
ciudad en ano de 1503. (201 Nummern.)
Veröffentlicht von Diego Clemencin, Elogio de la Reina
Dona Isabel, Memorias de la Real Academia de la Historia,
Madrid, tom. VI (1821), p. 435—471.
Cargos de libros proprios de la Reina Dona Isabel que se
hizieron ä su camarero Sancho de Paredes. (52 Nummern.)
Ibid., p. 471—481.
Segura de la Sierra.
430. t Biblioteca del Colegio de Jesuita^.
Inventario de los libros del Colegio de Jesuitas de Segura
de la Sierra.
Handschrift aus San Isidro (Nr. 472 und 473) jetzt in der
Bibliothek der Real Academia de la Historia. Vgl. Revista de
Archivos VI (1876), p. 263. Unter den ,libros* befanden sich
gewiss auch Manuscripte, wie die anderen a. a. O. verzeichneten
Indices lehren.
Sentilias.
421. t Biblioteca del Mona^terio de San Acisclo,
Sisebutus H., Episcopus Urgellensis, bestimmt in seinem
Testament a. 839: Do et concedo ad domum sancti Aciscli Sen-
tihas monasterium librum Expositum beati Augustini contra
hereses quinque.
h
Bibl. UebersetzuDg: 411'— 128 (Segoria— Serilla). 73
Villanueva, Viage, tom. X, p. 235, aus dem I. Cartoral von
Urgel, n. 802, fol. 237.
Serrateix.
433. Biblioteca del Monasterio.
ViLLANUEVA beschreibt Viage, tom. VIII, p. 132 ,uti buen
leccionario', saec. XII, sowie ein ,martirologio', saec. XI, dieses
Klosters ,donde estan alargadas las aetas de los märtires^ Aus-
züge im Ap. XXV.
CoRMiNAs, Suplemento, p. 298 nach Villanueva.
Sevilla.
433. Biblioteca del Cabildo de la Santa Iglesia Catedral.
Die Notizen über die ältere Geschichte der Bibliothek (vor
der grossen Schenkung des Sohnes Colones) lauten spärlich.^
Bekannt ist, dass der berühmte Bibelcodex (Toletanus 2. 1, jetzt
in Madrid, Biblioteca nacional) im Jahre 988 vom Bischof Jo-
hannes von Cördoba der Kirche von Sevilla geschenkt wurde.
Die Literatur hierüber am besten zusammengestellt von Ewald -
Loewe, Exempla, zu Tafel IX.
A. Handschriftliche Kataloge.
1. Inventario de los libros que tenia la Santa Iglesia de
Sevilla, antes de la donacion de la Biblioteca de D. Fernando
Colon: hizose en 19 de diciembre de 1522.^
Leider nur Excerpte aus diesem vom Archidiaconus Luis
de Puerta angefertigten Katalog mitgetheilt bei (Henri Harrisse)
D. Fernando Colon, Historiador de su padre, Ensayo critico.
Sevilla 1871 (Publication der Sociedad de Bibliöfilos Andaluces).
P. 169 — 172. Vgl. desselben Autors Excerpta Colombiniana p. 36,
n. 3, wo auf die Worte Loaisas in der Vorrede (zum Katalog 3)
verwiesen wird: el ano de 1454 ä 9 de Juho consiguiö Bulla
de Nicoiao V. de excomunion mayor reservada al Sumo Pontifice,
m^nos in articulo mortis, contra los que tuvieran 6 sacaran libros
* Unmittelbar vor die Einverleibung der Privatbibliothek Femans ftUt
die Abfassung des an erster Stelle genannten handschriftlichen Verzeich-
nisses. Die übrigen wichtigeren Handschriften aus den älteren Fond«
sind von Valeutinolli a. a. O., p. 96 f. sorgsam zusammengestellt.
' Kein Originaltitel, wie aus der Fassung ersichtlich.
74 ^n. AbhAndlang: Beer. Handsclirifleiischfttze Spaniens.
de ella (vgl. übrigens Haenel, Catalogi col. 978 und Valenti-
nelli p. 96).
2. Die Indices Fernan Colons. Diese bestehen aus sieben
Theilen: sogenannte Registra (A, B, C) und Abecedaria (A, B,
B bis, C). Ausführlich handelt hierüber Harrisse, Fernan Colon
p. 22 flF. und Excerpta p. 259 — 266, ohne jedoch auf die ver-
zeichneten Handschriften speciell Rücksicht zu nehmen. (Vgl.
weiter unten.)
3. Inventario hecho por Don Juan de Loaisa (Este abece-
dario se acabö de hazer en 11 de abril de 1684).
Die (für die Geschichte der Bibliothek wichtige) Einleitung
publicirt von Harrisse, Fernan Colon, p. 172 — 182.
4. Indice de todos los cödices manuscriptos que se con-
servan en la biblioteca de la santa patriarchal yglesia de Sevilla.
D. D. Didacus de Galvez direxit. Aiio de 1780. Rafael Tabares
scripsit.
Valentinelli p. 99 f. Graux, Rapport, p. 129. Ewald p. 373 f.
Harrise, Fernan Colon, p. 31. ,Catalogue officiel' nach dem-
selben, Excerpta Colombiniana p. 47 ; ibid. p. 42 not. der lateinische
Titel Index librorum omnium u. s. w., jedoch mit der Jahreszahl
MDCCLXXXm.
B. Druckwerke.
Antonio, Nicolaüs, Bibliotheca nova I, p. 146 erwähnt
ganz kurz im Artikel Antonio Montero einen ,codex eins ear-
minum vernaculae linguae antiquioris in folio' aus der Colombina
(nach ihm Amador de los Rios, Historia critica VI, p. 152).
Ortiz de Zuniga, Diego, Anales eclesiästicos y seculares . . .
de Sevilla, Madrid 1795, tom. I, Vorrede erwähnt unter den
benützten Quellen den libro blanco de las dotaciones antiguas
de la Contaduria und andere Hbros antiguos de la Contaduria
aus dem Archiv der Kathedrale. Im Texte tom. I, p. 97 : Ueber
das Schicksal der Codices der Cantigas Alfonso X., welche im
Archiv der Kathedrale aufbewahrt waren, bis sie auf Befehl
Phihpp IL nach dem Escorial gebracht wurden. Noch ausführ-
licher über die betreflfende Stelle des Testaments Alfons X. und
die Handschriften selbst ibid. p. 342 f. — Tom. H, p. 221 werden
die Registerbücher der Contaduria del Cabildo besprochen. —
Tom. lU, p. 378 die Schenkung Colons. Schon hier die Klage:
Bibl. Uebersetzong: 42S (SeTilla). 75
Permanece (la biblioteca) despojo del tiempo, inas olvidada y
mönos frequentada que la quiso su dueno, dificil de gozar j
fäcil de eonsumirse.
RoDRiGüEz DE Castko, Josbph, BibHoteca Espanola ü,
p. 622 verzeichnet die Handschriften der Werke des Petrus
Hispanus: Textus omnium tractatuum (mit handschriftlicher Ein-
zeichnung Fernan Colons); Glossulae; Summulae cum commento
Bartholomaei.
Haenel, Catalogi gibt col. 978 S, einen kurzen geschicht-
lichen Abriss und die bis heute noch vollständigste Liste der
Handschriften.
ToRRES Amat, Felix, Memorias para . . . un diccionario
de los escritores Catalanes, Barcelona 1836, p. 59, gibt Auszüge
aus einem ,tomo en cuarto, miscellaneo, cubiertas de pergamino,
que se halla en la biblioteca de la santa iglesia de Sevilla bajo
la E. Y. Tab. n^ 1^ (1316) Serventa Guitard ,Cartas latinas^
BoLETiN bibliogräfico espanol, Ser. H, tom. 1 (1858), p. 184
kurze Bemerkungen über die Bibliothek.
Eguren, Memoria, bespricht p. 94 eine handschriftliche
Version catalana de los aforismos de Hipöcrates.
Amador de los Rios, Josä, Historia critica de la literatura
Espanola, tom. VI, p. 533 über einen Cancionero general; tom. VlI,
p. 107 über eine Handschrift von Gomez Manrique, Prosecucion
del tratado de los Siete Pecados mortales; ibid. p. 198 Epistola
exortatoria ä las letras de Juan de Lucena. Consörvase en la
Biblioteca Colombina en un tomo MS. que lleva titulo Tractatus
Diversorum. Von allen hier erwähnten Handschriften finden
sich Copien im Codex der National -Bibliothek Dd. 61.
Valentinelli, p. 96 fi^. gibt einen Ueberblick über die Ge-
schichte und von p. 100 an ein Verzeichniss der werthvollsten
zur Zeit seines Besuches in der Kathedrale aufbewahrten Hand-
schriften.
Gallardo, Bartolomä Josä, Ensayo de una biblioteca Es-
panola de libros raros y curiosos, tom. H, Madrid 1866, veröffentlicht
col. 514 — 557 aus dem Registrum librorum don Fernandi Colon
primi Almirantis Indiarum filii (vgl. oben) umfangreiche Aus-
züge. Die überwiegende Mehrzahl der Bücherbeschreibungen
betrifft Druckwerke. Interessant sind die genauen Angaben
über Erwerb und Preis. Von Handschriften seien hervorgehoben :
76 XII. Abhandlung: Beer. Handschriftenscli&toe Spaniens.
N. 2086^ Vocabulario de mano escrito de los sinönimos
nombres, asi griegos, como latinos y hebraicos de la medicina^
por Orden del a-b-c, declarado en romance. Comienza: Alfita;
que quiere decir farina de cebada. Y acaba: De la corrida del
vientre. Estä con el siguiente.
2087 Macer de herbis, diviso por 77 capitulos . . . .* AI
fin estä una tabia de cuadros de los signos. Es en fol. de 2
coL, escrito de mano. Este con el de arriba, costaron en
Sevilla 102 maravedis.
2091 Libro que contiene todas las profecias tocantes al
descubrimiento de las Indias ... In principio est epistola Domini
Xpofori Colon . . . Est in fol. ... 2 col. Est manuscriptus.
2526 Liber MS, et est Cancionero de canto de örgano . .
es viejo y mutilado y parece ser bueno. Costö en Roma 62
cuatrines, por Setiembre de 1515.
4129 Libro en espanol, de mano, llamado Secreto de los
secretos de Astrologia, compuesto por el infante D. Enrique de
Portugal . . . Es en 4^. Costö en Salamanca 3 rs., i 21 de Abril
de 1525.
4173 Testamentum Raymundi Lulii manuscriptum de opere
majori, seu de lapidis philosopbalis compositione. ... Et in fine
totius operis habentur quidam rhitmi latino sermone scripti:
Amor me facit rimare . . . Costö en Sevilla, por Junio, ano de
1527, un real.
Vgl. ausserdem die Nummern 2635, 3327, 3330, 3366, 3787,
3963, 4163, 4164, 4169, 4175.
Fernandez Guerra y Orbe, Aureliano, Noticia de un pre-
cioso cödice de la biblioteca Colombina. Madrid 1864.
Behandelt den codex T. 4 mit jüngeren Werken der spani-
schen Literatur.
BoRAo, Boletin bibliogräfico, tom. VII (1866), p. 92 gibt
einen kurzen historischen Abriss über die Bibliothek, erwähnt
die vorher citirte Abhandlung Guerra's und die Abschrift einer
merkwürdigen Redaction von Cervantes' Tia fingida.
' Die (von Gallardo beibehaltene) Nummer des Reg^trums.
* Folgt incipit und explicit wie auch bei den folgenden nur auszugsweifle
mitgetheilten Nummern.
\
Bibl. Uebersotzung: 428 (Sevilla). 77
Graux, Rapport, p. 129 Notiz über den Codex AA-144-19.
Wace, Rhythmae de gestis Bretonum, et baronum genealogiis.
(Harrisse, Henri) D. Fernando Colon, Historiador de su
padre. Sevilla 1871. Werth voll durch die oben bereits erwähnte
Beschreibung der Kataloge und die im Anhange veröflFentlichten
Actenstiicke zur Geschichte der Bibliothek.
BoüTELOu, Claudio, Codices ilustrados de la Biblioteca
Colombina. Museo Espanol de Antiguedades, tom. I (1872),
p. 149— 1G2.
Bespricht ausfuhrhch: 1. Ein Pontificale, saec. XIV, auf
Befehl des D. Juan, Bischof von Calahorra, am 10. Mai 1390
begonnen. 2. Ein Missale des Cardinais Mendoza. 3. Missale
Hispalense, saec. XV — XVI (Hie incipit sanctorale secundum
consuetudinem ecclesie yspalense etc.). 4. Officium B. Mariae,
saec. XV, französischen Ursprungs.
GüTiERREz DE LA Vega, Bibliotcca Venatoria, Madrid 1877
seqq. verzeichnet tom. I, p. CLXXXI f. ein handschriftHches
Werk der Jagdliteratur aus der Colombina: Messen Juan Valles,
Libro de Cetreria y Monteria.
Francisque- Michel, Rapport sur une mission en Espagne.
Archives des missiones seien tifiques, HI. s^rie, tome 6 (1880),
p. 269 flf. berichtet über cod. 5 ... 177, mit dem schon von Graux
erwähnten Werk, welches sich als der ,Roman de Brut^ erwies.^
Cod. 91, Nr. 13 enthält: 1. Le Savi (guide de la vie humaine,
veröfi^entlicht unter dem Titel Libre de Senequa von Bartsch,
Denkmäler der proven9alischen Literatur, Stuttgart 1856, p. 192
bis 215) 2. Lo Gardacors de nostra Dona Santa Maria, verges
e pieuzela 3. Espozalizi de nostra Dona Sancta Maria Verges e
de Josep. — Cod. 204 (J) Opuscula varia: unter vielem Anderen
ein proven9alische8 Gedicht über die Passion Jesu Christi. Cod.
7. 72. Pierre de Lucembourg (Dyete de Salut).
Ewald, p. 373 — 381 beschreibt, zum Theil unter Benützung
des von Tabares angelegten Katalogs circa 70 Handschriften;
die wichtigste Ergänzung zu Hänel.
Harrisse, Henri, Revue critique d'Histoire et de Littö-
ratur Paris 1885, Nr. 20, pp. 388—401; Nr. 23, p.459; Nr. 30,
' Heute in Paris, Bibl. Nationale, nonv. acq., fond« fran^ais Nr. 1415 vgl.
Harrisse, Grandenr et d^cadence de la Colombine, Paris 1885, p. 41.
78 XII. Abhandlung : Beer. Handschriftenschätze Spaniens.
pp. 78 — 81, 240 — 243. Derselbe: Grandeur et d^cadence de la
Colombine, seconde Edition, revue etc. Paris 1885. Derselbe: La
Colombine et Clement Marot, Paris 1886.
In diesen Aufsätzen lenkte der ausgezeichnete Gelehrte
die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt auf die Spoliirung,
deren Opfer die berühmte Sammlung erst in den letzten Jahren
geworden. Umfangreiche Pakete von kostbaren Büchern und
Handschriften, deren Provenienz aus der Colombina sich un-
zweifelhaft erweisen lässt, wurden Ende 1884 direct von Sevilla
nach Paris gesendet und an den dortigen Quais zu Schleuder-
preisen verkauft. Die von Harrisse gebotene Identification
der entwendeten Stücke mit den von früheren Forschem be-
schriebenen unzweifelhaften Columbianis ist meisterhaft. Hand-
schriften wurden in gleicher Weise in Mitleidenschaft gezogen
wie die Impressa. Vgl. Grandeur et d^cadence p. 38 — 44 und
insbesondere p. 48 fi^.
RiANO Jüan-Facündo, Critical & Bibliographical notes on
early spanish Music, London 1887 beschreibt p. 66 cod. Colomb.
Z. 135. 33, saec. XV ex.: Canto de Organo; p. 67, cod. Colomb.,
Z. 135, 32 Variorum de musica.
Engel, Arthur, Notes sur quelques manuscrits arch^o-
logiques conserv^s k Seville. Revue arch^ologique XVII (1891),
p. 100 bis 103. Verzeichnet 1. Handschrift des Jesuitenpaters
Hierro 1765. 2. Explicaciones numismäticas von Guillcrmo Thyrry
1748. 3. Pergamenthandschrift mit verschiedenen archäologischen
Abhandlungen. 4. Varias antiguedadcs von Jos^ Maldonado.
C. Schriftproben.
Harrisse bietet zu p. 26 seines Buches D. Fernando Colon
(vgl. oben) eine Seite des ,Registrum B' (Autograph Femans\
BoüTELOu gibt zu dem oben erwähnten Aufsatz einige
farbige Miniaturproben.
Bei den angedeuteten schwierigen Bibliotheksverhältnissen
— fast alle Berichte der Forscher klagen über die in den Weg
gelegten Hemmnisse — einer-, sowie bei dem Umstände anderer-
seits, dass Loewe die Colombina bereits besucht und die wertb-
vollsten patristischen Handschriften ausführlich beschrieben,
konnte ich von einer erneuten Durchforschung derselben ab-
BiU. Uebcreetzung: 4S4 -426 (SevilU). 79
sehen. Das Verzeichniss Loewe's, das in den Besitz der Aka*
dcmie überging, wird im zweiten Bande der BPLH. zur Ver-
öffentlichung gelangen.
424. Bihlioteca del Coro de la Santa Iglesia Catedral,
Beumudez Jitan-Agostino, Dcscripcion artistica de la Cate-
dral de Sevilla, Sevilla 1 804, 8», p. 50 f. bespricht die Chorbibliothek
mit Nennung der Meister, welche die Bände mit Miniaturen
schmückten.
QuESNADA, Antonio de, Indice general y particular de la
libreria del coro de la Santa Iglesia Metropolitana y Patriarcal
de Se\nlla. Madrid 1816. 8«. 24 p.
Valentinelli, p. 102 f. gibt einen guten resumirenden
Ueberblick.
RiANo, Jüan -F., Critical and Bibliographical Notes on early
Spanish music, London 1887, p. 130 gibt gleichfalls eine aus-
führliche Beschreibung dieser stattlichen Sammlung, die (nach
ihm) gegen 200 Bände zählt.
(FiTA Y CoLOM*, Fidel) Bosquejo de la Exposicion hist6rico-
Europea Madrid 1892, p. 31 f. erwähnt als von Seite des Capitels
und Palacio Arzobispal ausgestellt: (1) Un libro coral, que con-
ticne la misa de la Ascensiön hasta el martes despuös de Pente-
costes, con preciosas orlas; (2) otro libro coral cuyas margenes
estan adornadas con hojas y variadas flores (3) otro libro,
tambicn coral, de la Asunciön y la Coronaciön de la Virgen
con el Padre Etemo y cuatro dngeles (4) otro, tambien coral
estilo mudejar, siglo XVI, con finisimas labores azul y rojo.
435« Bihlioteca del Arzopispo,
Haenel, Catalogi, col. 978: nuUos Codices.
Valentinelli, p. 103 f., der über die Geschichte der Biblio-
thek eingehender handelt, bemerkt aber: Conta appena trenta
codici manoscritti . . . fra' quali fe una copia dello Statute di Si-
vigUa, eseguita nel secolo decimosettimo in un codice membra-
naceo in foglio.
426, Bihlioteca Universitär ia.
Die Bibliothek wurde 1838 durch könighches Decret ge-
grilndet, welches ihr als Hauptfonds die Bestände der aufge-
liobencn Klttelcr bestimmte; erst im Jahn Ib-ti;
Inatfllliniug be);<)uniiu.
stailu <ln la liibliutccs pniTincüil y
1. MiioicirüiH »obre el
ittdvrreitnria de St^villa cn ol aiio de ISöl . , , cit-'rita por el
Dr. D. Ventura Camiiebo y Carbajo, Sevilla lf<63.
Amlliclicr Bericht, in den liandschriftlichen Aafxeicitimiigcn
Lodwc'fl ri^siatrirt. Die Maniiseripto werden nur i^clcßoDÜiiJi
iHdumdcIt
2. Zetklkatnlog, den Ewald und Loewo btmlUzten.
B. Druckwerke,
Valentinbli-i. p. 104 — 106 geschiclidichfir RUckbliek, p. 106
Anfgablmig einiger Ilandschriftcn.
GitAux, Rapport, p. 120 f. spricLt von einf-m ,Gabincl des
nuuiDBerit« asscz riebe'. Diese Be»eiehunng w^re, waa den
Werth der Handschriften anlangt, zu limitircn. Unter den codd.
findnt sich ein ^iecbischu» &laniiflcri]>t, Demosthenes aaoc XVI>
UBch Granx ,k p&u prits sans valeur'.
EwAui büsebrcibt p. 381f. drei Handscbriflen.
Aniiakio dcl Cuerpü facultativo de Archiveroa I. (1881),
p.220f. über GrUndimg und Bostände der Bibliothek; IL (18S2),
p, IGl ff. brin^ nebst Fortsetzung der Berichte ans dem I. Bani)a
auE p. 16!t einen apändicc : manuaeritoa.
Martin -Viujt, Antomo, Hemiiia histdricA de U Univcrsidnd
do Sevilla y deacripciön de bu jglesia. Sevilla Ifiät!,
P, 86 Über die Einverleibung der Bibliothek des AyoD-
UUniento aus Ü. Acacio (vgl. dieei^n Artikel), leider ohne Nunuuitg
der einzelnen RestAnde.
(FiTA V OoLOMk, FißHi.) Botii^nejo de la Expt)sicjitu liiatari«o>
ICnropea, Madrid lHfl2, erwftbnt p. 44 als von dlcacr Uibliothuk
HiBpcstellt ; una Sagrada Hibliu, eou glosas du Xteidis de l-yn,
de la primera mitad deJ siglo XV, eäcritii en cinco volAmencC|
m vitela, con lajosa ornanientAeiAn por manilnto de l'ür AlVla
de Rivcra.
Luewe bat autt der Sammlung einige wenige llunilacliriftt'll
Ab bonchtenswcrth verzeichnet, die zasummcn mit der Ui*U: na«
dorn Annario ver/iflenüicht werden sollen.
Aiugogeben am IT. Mai 1893.
3 6105 127 166 077
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