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Full text of "Sitzungberichte"

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SITZUNGSBERICHTE 


DEU 


PHILOSOPlIISCn-UlSTOßlSCIIEN  CLASSE 


IIKK  KAl.^KULirHKN 


AKADEMIE  DER  WISSENSC^HAFTEN. 


HUNDERTACHTUNDZWANZIGSTER  BAND. 


(MIT  KINEll   TAFKL.) 


WIEN,  1893. 


IN    COMMISSIUN     BEI    F.   T  E  M  T  S  K  Y 

BÜCUUÄNDLCK  liKU  KAI».  AKAUEMIU   li£i:  WlSsENStilAl^lBN. 


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INHALT. 


I.  Abhandlunj^.  Meyer:  Tdrkische  Stadien.    I.  Die  griechischen  und  ro- 
manischen  Bestandtheile  im  Wortschätze  des  Osmanisch -Türkischen. 
II.  Abhandlung«  Siegel:  Das  erzwungene  Versprechen  und  seine  Be- 
handlung im  deutschen  Rechtsleben. 
III.  Abhandlung.  Reinisch:  Die  Beijauje- Sprache  in  Nordost -Afrika.  L 
lY.  Abhandlung.  Tomaschek:  Die  alten  Thraker  I.   Eine  ethnolog^he 
Untersuchung. 
Y.  Abhandlung.  Zingerle:  Zur  vierten  Decade  des  Livins. 
YI.  Abhandlung,  v.  Zeissberg:  Belgien  unter  der  Generalstatthalterschaft 
Erzherzog  Carls  (1793,  1794).    I.  Theil. 
YII.  Abhandlung.  Reinisch:  Die  Be^auye- Sprache  in  Nordost -Afrika.  IL 
Y'UI.  Abhandlung.  Beer:  Handschriftenschätze  Spaniens.  Bericht  über  eine 
im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  den 
Jahren  1886 — 1888  durchgeführte  Forschungsreise. 
IX.  Abhandlung.    NOldeke:    Die   von    Guidi    herausgegebene   syrische 
Chronik. 
X.  Abhandlung.  Zingerle:  Der  Hilarius- Codex  von  Lyon. 
XI.  Abhandlung.   Büdinger:   Mittheilungen   aus   spanischer  Geschichte 
des  16.  und  17.  Jahrhunderts.    (Mit  einer  Tafel.) 
XII.  Abhandlung.  Beer:  Handschriftenschätze  Spaniens.  Bericht  über  eine 
im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  den 
Jahren  1886 — 1888  durchgeführte  Forschungsreise. 


XVIL  SITZUNG  VOM  13.  JULI  1892. 


Sc.  Excellenz  der  Präsident  gedenkt  des  Verlustes,  den  die 
Akademie  durch  das  am  7.  Juli  erfolgte  Hinscheiden  des  c.  M. 
im  Inlandc  Professor  Dr.  Arnold  Busson  in  Graz  erlitten  hat. 

Die  Mitgheder   erheben  sich   zum  Zeichen  des  Beileides. 


Das  Präsidium  der  ,  Böhmischen  Kaiser  Franz  Josef- 
Akademie  der  Wissenschaften,  Literatur  und  Kunst*  in  Prag  über- 
sendet die  aus  Anlass  ihrer  Gründung  geprägte  Gedenkmedaille. 


An  Druckwerken  werden  vorgelegt: 

»Statistisches  Jahrbuch  der  Stadt  Wien  fllr  das  Jahr  1890*, 
übersendet  vom  Stadtmagistrate,  und 

,Nuntiaturberichte  aus  Deutschland*,  I.  Abth.,  1.  und 
2.  Bd.,  herausgegeben  durch  das  künigl.  preuss.  historische  In- 
stitut in  Rom  und  die  königl.  preuss.  Archivverwaltung,  über- 
mittelt durch  das  k.  k.  Ministerium  für  Cidtus  und  Unterricht. 


XVIII.  SITZUNG  VOM  20.  JULI  1892. 


Der  Vorsitzende  Secretär  der  königl.  preussischcn  Akademie 
der  Wissenschaften  in  BerUn  übersendet  ,Corpus  inscript.  Lat., 
Vol.  IL  Suppl.^  _     __ 

Das  w.  M.  Hofrath  Professor  Dr.  Otto  Benndorf  be- 
richtet über  eine  Reise  im  Orient. 


Sitznngsber.  d.  phil.-bisi.  Cl.  CXXYUI,  Bd.  a 


VI 


XIX.  SITZUNG  VOM  5.  OCTOBER  1892. 


Der  Präsident  begrüsst  bei  der  Wiederaufnahme  der 
Sitzungen  die  Mitglieder  der  Classe  und  das  neu  gewählte 
Mitglied  Herrn  Hofrath  A.  Beer  insbesondere. 

Hierauf  gedenkt  derselbe  der  Verluste,  welche  die  Aka- 
demie und  die  Classe  während  der  Ferien  durch  den  Tod  des 
wirkl.  Mitgliedes  Hofrath  Anton  Winckler,  des  coiTcsp.  Mit- 
gliedes im  Inlande  Regicrungsrath  lirnaz  v.  Zingerle  und  des 
corresp.  Mitgliedes  im  Auslande  geh.  Justizrath  Rudolf  v.  üiering, 
von  denen  der  erste  am  30.  August,  die  beiden  letzteren  am 
17.  September  gestorben  sind,  erlitten  haben. 

Die  Mitglieder  erheben  sich  zum  Zeichen   des  Beileides. 


Die  w.  M.  Herr  Hofrath  Dr.  A.  Beer  in  Wien  und  Pro- 
fessor Dr.  A.  Luschin  v.  Ebengreuth  in  Graz  und  das  c.  M. 
im  Auslande  Excellenz  C.  Graf  Nigra  erstatten  ihren  Dank 
fiir  die  auf  sie  gefallenen  Wahlen. 

Professor  Dr.  v.  Luschin  übersendet  zugleich  für  die 
akademische  Bibliothek  ein  Exemplar  seines  eben  erschienenen 
Aufsatzes  ,Herbersteiniana',  Graf  Nigra  sämmtUche  von  ihm 
publicirten  Werke. 

Der  Secretär  überreicht  eine  vom  c.  M.  Dr.  Gustav 
Winter,  Sectionsrath  und  Vice-Director  des  k.  u.  k.  Haus-, 
Hof-  und  Staats -Archivs,  übergcbene  Arbeit:  ,Der  Ordo  consilii 
von    1550.     Ein    Beitrag   zur    Geschichte    des   Reichshofraths^ 


Der  Secretär  legt  weiter  vor  eine  Arbeit  des  Herrn  Dr. 
Wilhelm  Altmann,  Cu^tos  an  der  Universitätsbibliothek  in 
Greifswald:  ,Zur  Resignation  Karls  V.  und  Kaisoi'wahl  Fer- 
dinands I.^ 

Beide  Arbeiten  werden  der  historischen  Commission  über- 
wiesen. 


VII 


XX.  SITZUNG  VOM  12.  OCTOBER  1892. 


Der  Präsident  gibt  Nachricht  von  dem  am  15.  August 
erfolgten  Ableben  des  c.  M.  im  Auslande  geheimen  Rathes 
August  Nauck  in  St.  Petersburg. 

Die  Mitglieder  erheben   sich  zum  Zeichen  des  Beileides. 


Das  c.  M.  im   Inlande   Professor  Dr.  G.  Bickell  in  Wien 
dankt  für  die  auf  ihn  gefallene  Wahl. 


Von  Druckwerken  werden  vorgelegt: 

,  Archäologisch  -  epigraphische  Mittheilungen  aus  Oester- 
reich-Ungarn,  herausgegeben  von  O.  Benndorf  und  E.  Bormann^, 
Jahrgang  XV,  Heft  2,  übersendet  von  den  Herausgebern. 

,Neu-Brünn'  von  Chr.  R.  d'Elvert,  1.  Theil,  eingesendet 
von  der  historisch -statistischen  Section  der  k.  k.  mährisch- 
schlesischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  des  Ackerbaues  u.  s.  w. 

,Sammlung  national -bidgarischer  Gedichte  und  Schriften*, 
übersendet  im  Wege  des  k.  k.  Ministeriums  des  Aeussem  von 
dem  fürstlich  bulgarischen  Unterrichtsministerium. 

,Papyrus  Erzherzog  Rainer.  Führer  durch  die  Ausstellung, 
1.  Theil.'  Wien  1892,  im  höchsten  Auftrage  Sr.  kais.  Hoheit 
des  durchlauchtigsten  Herrn  Erzherzogs  Rainer  eingesendet 
vom  w.  M.  Professor  Karabacek. 


Der  Secretär  legt  vor  eine  Abhandlung  des  Herrn  Dr. 
J.  Loserth,  Professor  an  der  k.  k.  Universität  in  Czemowitz: 
,Der  Anabaptismus  in  Tirol  vom  Jahre  1536  bis  zu  seinem 
Erlöschen',  um  deren  Aufnahme  in  das  Archiv  der  Verfasser 
ersucht. 

Die  Abhandlung  geht  an  die  historische  Commission. 


Ä* 


VIII 


XXI.  SITZUNG  VOM  19.  OCTOBKR  1892. 


Die  zur  Verwaltung  der  Widmung  Seiner  Durelilaueht 
des  regierenden  Fürsten  Johann  von  und  zu  Liechtenstein 
eingesetzte  Commission  fdr  archilologiselie  Erforschung  Klein- 
asiens übergibt  einen  Bericht  der  Herren  Dr.  Rudolf  Heberdcy 
und  Dr.  Adolf  Wilhelm  über  eine  zweite  Reise  in  KiUkien. 


XXII.  SITZUNG  VOM  2.  NOVEMBER  1892. 


Die  Nachrieht  von  dem  am  24.  October  l.  J.  erfolgten 
Ableben  des  wirkl.  Mitgliedes  Herrn  Professor  Dr.  Anton 
Gindely  in  Prag  wurde  bereits  in  der  Gesammtsitzung  der 
kaiserlichen  Akademie  vom  27.  October  1.  J.  zur  Kenntniss 
genommen  und  das  Beileid  über  diesen  Verlust  von  der  Ver- 
sammlung ausgedrückt. 

Der  Secretär  legt  eine  Abhandlung  des  c.  M.  Herrn  Dr. 
Wilhelm  Tomaschek,  Professor  an  der  Universität  Wien: 
,Die  alten  Thraker.     I.  Uebersicht  der  Stämme'  vor. 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  aufge- 
nommen werden. 

Der  Secretär  legt  weiter  eine  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Carl 
Wessely,  Professor  am  k.  k.  Staatsgymnasium  im  lU.  Bezirk 
in  Wien:  ,Neue  griechische  Zauberpapyri'  vor. 

Die  Arbeit  wird  einer  Commission  zur  Begutachtung 
übergeben. 

Derselbe  legt  endlich  vor  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Dr.  Adalbert  Abramowski  in  Bukarest:  ,Maximilians  Ge- 
fangennahme zu  Brügge  und  der  Reichskrieg  K.  Friedrichs  III. 
gegen  Flandern  1488'. 

Dieselbe    wird    der   historischen    Commission    überwiesen. 


IX 

Das  w.  M.  Herr  Ilofrath  Dr.  II.  Sie«rcl  Überreicht  eine 
Abhandlung:  ,Das  erzwungene  Versprechen  und  seine  Be- 
handlung im  deutschen  Rechtsleben^ 

Die  Abhandhing  wird  in  die  Sitzungsberichte  aufgenommen 
werden. 

Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Leo  Reinisch  übergibt 
eine  Abhandlung,  betitelt:  ,Die  Bedauye- Sprache  in  Nordost- 
Afrika.  I.  Texte  im  Idiom  der  Beni-Anier,  der  Ilalenga  und 
der  Bischari^  mit  gegenüberstehender  deutscher  Uebersetzung. 
Diesem  ersten  Theil  wird  in  Kürze  ein  Wörterbuch  und  die 
Grammatik  der  genannten  Sprache  nachfolgen. 

Auch  diese  Arbeit  wird  in  die  Sitzungsberichte  aufge- 
nommen werden. 


XXIII.  SITZUNG  VOM  9.  NC)Vf:MHp:K  1892. 


Der  Vorsitzende  der  ^Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher 
Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur  in  Böhmen*  Zi*igt  an,  dass 
diese  Gesellschaft  im  Monate  Mai  l^VU  ihre  Thiltigkeit  auf- 
genommen hat,  übermittelt  die  Statuten  und  den  ersten  Rechen- 
schaftsbericht und  sendet  für  die  akademische  Bibliothek  zwei 
mit  ihrer  Unterstützung  herausgegebene  Werke:  Dr.  Joseph 
Neuwirth,  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Böhmen  vom 
Tode  Wenzels  III.  bis  zu  den  llusitenkriegen,  1.  Bd.'  und  ,Mit- 
theilungen  der  deutschen  mathematischen  Gesellschaft  in  Prag. 

Die  Gründung  dieser  Gesellschaft  wird  zur  Kenntniss 
genommen  und  derselben  für  die  eingesendeten  Werke  der 
Dank  ausgesprochen. 

Die  Concilien-Commission  legt  vor:  Monumenta  conci- 
liorum  gencralium,  Concilium  Basileense  Scriptorum  tomi  tertii 
pars  III,  enthaltend  CoIIectio  XVII  von  loannes  de  Segovia, 
Ilist.  gestorum  gener.  synodi  Basileensis,  herausgegeben  von 
Dr.  Rudolf  Beer. 


Das  w.  M.  Hofrath  V.  Jagie  überreicht  eine  flir  die 
Denkschriften  bestimmte  Abhancllun<i: :  ^Slavische  Beiträge  zu 
den  biblischen  Apokryphen  I.  Die  altkirchenslavischen  Texte 
des  Adambuches^ 


XXIV.  SITZUNG  VOM  16.  NOVEMUER  1892. 


Der  Sccretilr  legt  eine  mit  der  Bitte  um  Aufnahme  in 
das  Archiv  übersendete  Arbeit  des  Herrn  Ferdinand  Men<!;ik, 
Scriptor  der  k.  k.  Hof bibUothek :  ,Die  Correspondenz  des  Land- 
grafen Georg  von  Hessen  aus  den  Jahren  1697  und  1698'  vor. 

Die  Abhandlung  geht  an  die  historische  Commission. 


XXV.  SITZUNG  VOM  30.  NOVEMBER  1892. 


Der  Secretär  übergibt  eine  für  die  Sitzungsberichte  be- 
stimmte Abhandlung  des  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  Anton 
Zingerle  in  Innsbruck:  ,Zur  4.  Decade  des  Livius^ 


Weiter  wird  vorgelegt:  ,The  Jätaka-Mälä  or  Bodhisatt- 
vfivadäna-Mälä  by  Ärya-^üra  edited  by  Dr.  H.  Kcrn^  und 
.Mittheilungen  aus  der  Sammlung  der  Papyrus  Erzherzog 
Rainer',  Bd.  V,  Heft  3  und  4. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Th.  Gomperz  berichtet  auf 
Grund  brieflicher  Mittheilungen  des  Herrn  J.  P.  Mahaffy  in 
Dublin  über  einen  zu  Teil  Ourob  in  Aegypten  aufgefundenen 
und  von  dem  genannten  Gelehrten  entzifferten  Plato-Papyrus. 


XI 


XXVI.  SITZUNG  VOM  7.  DECEMBER  181)2. 


Das  k.  k.  Ministerium  für  Cultus  und  Unterricht  über- 
mittelt: ,  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland^,  III.  Abth.,  1572 
bis  1585,  1.  Bd.,  herausgegeben  durch  das  königl.  preussische 
historische  Institut  in  Rom  und  die  königl.  preussische  Archiv- 


verwaltung. 


Der  Secretär  legt  die  Fortsetzung  und  den  Schluss  der 
Arbeit  des  Herrn  Dr.  Rudolf  Beer,  Amanuensis  der  k.  k.  Hof- 
bibliothek in  Wien:  , Handschriftenschätze  Spaniens.  Bericht 
über  eine  im  Auftrage  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften 
in  den  Jahren  1886 — 1888  durchgeführte  Forschungsreise'  vor. 

Dieselbe    wird    der    Kirchenväter-Commission    übergeben. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Dr.  Heinrich  v.  Zeissberg 
überreicht  eine  für  die  Sitzungs]>erichte  bestimmte  Abhandlung: 
,  Belgien  unter  der  Generalstatthalterschaft  Erzherzog  Carls 
(1793— 1794y,  I.  Theil. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Leo  Reinisch  überreicht 
für  die  Sitzungsberichte  eine  Abhandlung,  ])etitelt:  ,Dic  Be- 
dauye- Sprache  in  Nordostafrika.    II.  Grammatik^ 


XII 


I.  SITZUNG  VOM  4.  JÄNNER  1893. 


Das  Ehrenmitglied  der  kais.  Akademie  Se.  Excellenz 
Freiherr  Alexander  von  Bach  spricht  seinen  Dank  aus  ftir  die 
ihm  aus  Anlass  der  Vollendung  seines  80.  Geburtsjahres  ge- 
sendete Adresse. 

An  Druckwerken  werden  vorgelegt: 

je  ein  Exemplar  der  von  der  kais.  russischen  Botschaft 
übcrlassenen  und  durch  das  k.  u.  k.  Ministerium  des  Aeussern 
und  das  k.  k.  Ministerium  fllr  Cultus  und  Unterrieht  über- 
mittelten oflicicllen  russischen  Publicationen :  1.  Liste  der  wäh- 
rend des  Jahres  1^01  promulgirten  russischen  Gesetze  und 
Nachtrüge  zu  den  früher  bestandenen  Gesetzen,  2.  Fortsetzung 
des  russischen  Code  administratif,  3.  weitere  Folge  der  russi- 
schen Gesetzsammlung,  Ausgabe  181)1;  und 

,Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  von  Savoycn,  Orts-,  Namen- 
und  Sachregister',  übersendet  von  der  Direction  des  k.  und  k. 
Kriegsarchives. 

Dr.  JuUus  Samuel  Spiegier,  pens.  Schuldirector  in  Buda- 
pest, übersendet  für  die  akademische  Bibliothek  sein  gedrucktes 
Werk:  ,Geschichte  der  Philosophie  des  Judenthums'  und  eine  un- 
gedruckte Abhandlung:  ,Die  Unsterblichkeit  der  Seele',  um  deren 
Veröffentlichung   oder   Subventioiürung   der  Verfasser  ersucht. 


Der  Secretär  legt  eine  für  die  Sitzungsberichte  bestimmte 
Abhandlung  des  c.  M.  Professor  Dr.  Theodor  Nöldeke  in 
Strassburg:  ,Die  von  Guidi  herausgegebene  syrische  Chronik'  vor. 


XIII 


Herr  Franz  Müller  iu  Siegeiifckl  bei  Baden  übersendet 
beliui's  Wahrung:  der  Priorität  ein  versiegeltes  Schreiben  mit 
der  Aufschrift:  ^Beitrag  zum  Studium  der  Sprachen^ 


IL  SITZUNG  VOM  11.  JÄNNER  1893. 


Se.  Excellenz  der  Präsident  macht  Mittheilung  von  dem 
Verluste,  welchen  die  Akademie  durch  das  am  7.  Jänner  er- 
folgte Ableben  ihres  Vice -Präsidenten,  des  k.  k.  Hofrathes 
Dr.  Josef  Stefan,  erlitten  hat. 

Die  Mitglieder  erheben  sich  zum  Zeichen  des  Beileides. 


Das  w.  M.  Professor  H.  Schuchardt  in  Graz  über- 
sendet eine  flir  die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung: 
,Baskische  Studien.  I.  Ueber  die  Entstehung  der  Bezugsformen 
des  baskischen  Zeitwortes'. 


IIL  SITZUNG  VOM  18.  JÄNNER  1893. 


Se.  Excellenz  der  Präsident  überreicht  ein  im  Namen 
des  französischen  Ministers  des  Aeussern  durch  die  französische 
Gesandtschaft  in  Wien  übermitteltes  Werk:  , luven taire  som- 
maire  des  archives  du  d^partement  des  afiaires  ^trangferes. 
M^moires  et  documents.  Fonds  divers.' 


Der  Secretär  überreicht  eine  für  die  Sitzungsberichte  be- 
stimmte Abhandlung  des  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  Anton 
Zingerle  in  Innsbruck:  ,Der  Hilarius-Codex  in  Lyon'. 


Sitzangsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVni.  Bd. 


XIV 

Der  Secretär  legt  weiter  eine  flir  das  Archiv  bestimmte 
Abhandlung  des  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  Franz  v.  Krone s  in 
Graz:  ,Zur  Geschichte  des  Jesuitenordens  in  Ungarn  seit  dem 
Linzer  Frieden  bis  zum  Ergebnisse  der  ungarischen  Magnaten- 
verschwörung 1645 — 1671'  vor. 


Der  Secretär  übergibt  weiter  eine  für  das  Archiv  be- 
stimmte Abhandlung  des  Herrn  Professor  Dr.  Eduard  Wert- 
heimer  in  Pressburg:  ,Wien  und  das  Kriegsjahr  1813^ 

Die  Abhandlung  geht  an  die  historische  Commission. 


IV.  SITZUNG  VOM  l.  FEBRUAR  1893. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Biidinger  legt  für  die  Sitzungs- 
berichte bestimmte  Untersuchungen  vor,  welche  den  Titel 
führen:  ,Mittheilungen  aus  der  spanischen  Geschichte  des  16. 
und  17.  Jahrhunderts.  I.' 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  J.  Schipper  überreicht 
den  vierten  Theil  seiner  Arbeit,  betitelt:  ,The  Poems  of 
William  Dunbar^  zur  Aufnahme  in  die  Denkschriften. 


I.  Abhandlang:    Meyer.  Türkische  Stadien.  I.  1 


I. 

Türkische  Studien.  I. 

Von 

Gustav  Meyer, 

corresp.  Mitgliede  der  k.iis.  Akademie  der  Wissenschaften. 

I. 

Die  griechischen  and  romanischen  Bestandtheile  im  Wortschatze 

des  Osmanisch-Türkischen. 


Der  Wortscliatz  des  Osmanisch- Türkischen  erweist  sich 
der  etymologischen  Analyse  als  ein  ziemlich  bunt  zusammen- 
gesetzter. Zu  den  alten,  einheimischen  Elementen,  welche  den 
Zusammenhang  des  Osmanischen  mit  den  ost-  und  nordtürkischen 
Dialekten  begründen,  hat  die  Annahme  des  Islam  durch  die 
Osmanen  eine  so  grosse  Anzahl  arabischer  und  persischer  ge- 
fiigt,  dass  sie,  wenigstens  in  der  Sprache  der  Literatur  und 
der  Gebildeten,  den  alten  echt  türkischen  Grundstock  des  Wörter- 
buches völlig  überwuchern.  Die  Kluft  zwischen  der  Sprache 
des  Volkes  und  der  des  Gebildeten  ist  derartig,  dass,  wie  Vämb^ry 
(Das  Türken  Volk  615)  bezeugt,  in  der  Gesellschaft  von  Efendis 
eine  geheime  Converaation  geführt  werden  kann,  ohne  dass 
die  anwesenden  türkischen  Diener  die  türkische  Sprache  ihrer 
Herren  verständen.  Wenn  aber  auch  das  arabisch -persische 
Element  die  erste  und  dominirende  Stelle  im  türkischen  Lexikon 
einnimmt,  so  ist  dieses  doch  auch  von  der  Berührung  mit  anderen 
Sprachen  nicht  ganz  unbeeinflusst  geblieben.  Eine  etymologische 
Durchmusterung  entdeckt  Griechisches,  Lateinisches  und  Roma- 
nisches, Slavisches  und  Magyarisches,  ja  sogar  Deutsches  und 
Englisches  im  Wörtervorrath  des  Osmanisch-Türkischen. 

Die  slavischen  und  magyarischen  und  von  den  roma- 
nischen die  rumänischen  Elemente  im  Türkischen  hat  Miklosich 
in    einer   seiner   letzten  Abhandlungen   zum  Gegenstande  einer 

Sttzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  CXXVIII.  Bd.  1.  Abh.  1 


&  I.  Abhudlang:    Meyer. 

Untersuchung  gemacht  (Die  sla vischen,  magyarischen  und  rumu- 
nischen  Elemente  im  türkischen  Sprachschatze.  Wien  1889).  Ich 
trage  einige  hieher  gehörige  Worte  nach,  welche  Miklosich  ent- 
gangen sind.  »>^b  harda  ,Böttcheraxt;  Art  Schleifstein^  Barbier 
de  Meynard  I  257  ist  das  rumänische  hardä  ,Axt',  das  aus 
magy.  hdrd  stammt  und  im  letzten  Grunde  auf  ahd.  barta  be- 
ruht. Cihac  n  479.  Mi.  Et.  Wörterb.  19.  Eng  damit  ver- 
wandt ist  »5>\^  bradova  ,Art  Böttcheraxt^  Jussuf  124,  das  aus 
serb.  bulg.  bradva  =  aslov.  bradhVb  ,Axt*  entlehnt  ist.  lieber 
*^Ih  ^''^^^  jThürschloss'  Bianchi  I  342,  bei  Zenker  »y^.  parava, 
habe  ich  bereits  im  Etym.  Wörterbuche  des  Alb.  45  gesprochen: 
sein  Ursprung  ist  unbekannt,  es  stammt  im  Serbischen,  wo  es 
seit  dem  16.  Jahrhundert  belegt  ist,  vielleicht  aus  dem  Koma- 
nischen. Vergleiche  auch  Blau,  Bosnisch  -  türkische  Sprach- 
denkmäler 7.  yS  ginez  ,Fürst'  Zenker  764  b  ist  asl.  kbn^zh,  se. 
knez,  Ä^yUa»  kasatura  ,sabre-baionnette'  Jussuf  546  scheint  mit 
aslov.  icosa  kosort  ,Sense'  =  se.  kosa  ,Sense',  kosor  ,Art  Messer^ 
zusammenzuhängen  (daraus  magy.  kasza  ,Sense^);  vielleicht  ist 
das  alb.  kostre,  das  aus  kosor  entstanden  ist  (Etym.  Wörterb. 
des  Alb.  201),  die  vermittelnde  Form,  in  der  die  drei  zusammen- 
stossenden  Consonanten  s-t-r  durch  Vocale  getrennt  worden  sind, 
vgl.  unten.  dJ6>^  ladinga  ,Art  Patrontasche'  Jussuf  644  ist 
offenbar  das  magy.  Iddika  ,Ki8tchen,  Schatulle',  das  deutschen 
Ursprungs  ist.  Ueber  den  eingeschobenen  Nasal  vergleiche 
unten  unter  londJta.  ^U  major  ,Meierei'  Zenker  804  a  ist  ein 
durchs  Mag.  (major)  und  Deutsche  gegangenes  romanisches 
Wort.  o^V*  '"^ufcan  ,Schafhirt  oder  Schafzüchter  aus  Sieben- 
bürgen' Zenker  893  b  ist  rum.  m^can  aus  magy.  mokdny  ,bäurisch'. 
AaJU-o  mamaliga  ,Polenta'  Barb.  II  786  ist  rum.  mäm^äligäy  das 
auch  im  Magyarischen  (mamaligaj^  Serbisch-Kroatischen  (mama- 
Ijtbga),  Kleinrussischen  (mamalyga)  vorkommt;  der  Ursprung  der 
Bezeichnung  dieses  aus  Maismehl  bereiteten  Nationalgerichtes  der 
südöstlichen  Donauländer  ist  nicht  klar,  man  hat  an  Zusammen- 
hang mit  venez.  mslega  ,holcus  sorghum,  welsche  Hirse'  =  it.  me- 
lica,  gedacht.  o^>^^  paljo§  ,petite  ep4e  k  deux  tranchants,  poi- 
gnard,  coutelas'  Barb.1386  ist  magy.jpaiio«,  rum.^aZof,  serb. ^aZo«. 
Das  auch  sonst  weit  verbreitete  Wort  hängt  wohl  mit  tu.  dJb 
pala  jSäbol'  zusammen,  das  echt  türkisch  zu  sein  scheint  (Budagov 
I  310),  ist  aber  in  dieser  Form  wahrscheinlich  magyarisch,  ^ää-^. 


Tflrkiscbe  Studien.  I.  3 

• 

pUiiÜca  ,Beute'  Jussuf  957  aus  serb.  plja6ka^  vgl.  Etym.  Wörterb. 
des  Alb.  344.  j^:^^^  vampir  ,8orte  de  grande  chauve-souris; 
revenant,  vampire'  Jussuf  1223  kommt  auch  im  8erb.  und  Bulg. 
vor  und  ist  wohl  daher  ins  Türkische  eingedrungen;  die  Her- 
kunft des  Wortes  ist  noch  nicht  endgiltig  festgestellt,  vgl.  Mi. 
Nachtr.  11  61.  dS>^^  vladikaj  auch  ladika  ,m^tropolitain*  Jussuf 
1240  ist  die  slavische  Benennung  vladyka,  bulg.  vladika  für 
den  griech.  dean&fTjQ  ^Metropolit,  Erzbischof. 

Die  griechischen  Elemente  sind  ins  Osmanische  auf 
verschiedenen  Wegen  gelangt. 

Eine  beträchtliche  Anzahl  griechischer  Wörter  hat  schon 
in  früher  Zeit  ins  Arabische  und  Persische  Eingang  gefunden, 
fast  alle  durch  Vermittlung  des  Aramäischen,  und  ist  von  dort 
ans  ins  Türkische  gelangt.  Ich  habe  mich  bei  den  unten 
folgenden  Zusammenstellungen  bemüht,  jedesmal  auf  diesen 
Weg  der  Entlehnung  hinzuweisen,  bin  aber  weit  davon  entfernt, 
zu  glauben,  dass  dies  in  erschöpfender  Weise  geschehen  ist, 
oder  dass  ich  nicht  manchmal  Irrthümer  begangen  habe.  Man 
möge  dies  damit  entschuldigen,  dass  die  orientalistischen  Studien 
meinen  Arbeitsgebieten  fern  liegen,  und  dass  die  Vorarbeiten 
auf  diesem  Felde  sehr  dürftig  sind.  Es  scheint  mir  eine  sehr 
nothwendige  und  zu  gleicher  Zeit  sehr  lohnende  Aufgabe  zu 
sein,  den  Einfiuss,  welchen  das  Griechische  auf  die  Sprachen 
des  Ostens  geübt  hat,  auf  Grund  des  vollständig  gesammelten 
Materials  im  Zusammenhange  darzustellen.  Es  handelt  sich 
dabei  um  eine  Untersuchung  der  griechischen  Lehnworte  im 
Aramäischen,  Arabischen  und  Persischen;  ferner  um  die  grie- 
chischen Elemente  im  Armenischen  und  Georgischen;  auch  eine 
Zusammenstellung  der  ins  Indische  übergegangenen  griechischen 
Worte  wird  nicht  ohne  Interesse  sein.  GelegentHch  sind  ja 
diese  Sachen  schon  gestreift  worden,  so  die  griechischen  Ent- 
lehnungen im  Sanskrit  von  A.  Weber  in  den  Monatsberichten 
der  Berliner  Akademie  1871,  S.  613  ff.  und  von  H.  Kern  im 
I.  Bande  der  ^Elldg,  beidemal  mit  Rücksicht  auf  die  Geschichte 
der  griechischen  Aussprache.  Aber  eine  zusammenhängende 
Darstellung  fehlt  noch.  Einiges  enthält  die  Breslauer  Disser- 
tation von  Sigmund  Fränkel  De  vocabulis  in  antiquis  Arabum 
carminibus  et  in  Corano  peregrinis^  (Leyden  1880),  sowie  das 
vorzügliche  Buch   desselben  Verfassers   über   die  ,Aramäi8chen 

1* 


4  I«  Abhandlnng:    Heyer. 

Fremdwörter  im  Arabischen'  (Leyden  1886).  Die  griechischen 
Elemente  im  Persischen  hat  jetzt  Nöldcke  in  seinen  ^Persischen 
Studien'  11  34  ff.  untersucht  (Sitzungsberichte  CXXVI  12),  die 
mir  durch  die  Güte  des  Verfassers  in  den  Aushängebogen  zu- 
gängHch  gemacht  worden  sind. 

Zu  den  durch  Vermittlung  des  Arabischen  ins  Türkische 
gelangten  griechischen  Lehnwörtern  gehören  unter  anderen 
eine  Anzahl  Pflanzennamen,  wie  ahanoz^  afiuiiy  kantarion,  ka- 
ranfily  karnahity  pentafiliarij  türmüs  und  andere;  Ausdrücke, 
die  das  Christenthum  vermittelt  hat,  wie  faraklity  ind£il;  zu 
ihnen  sind  wohl  auch  zunnar ,  kanun^  santur  zu  rechnen; 
Wörter  des  Handelsverkehrs,  wie  dirhem,  keraty  Uile;  solche, 
die  wohl  zunächst  in  die  medicinische  Literatur  Eingang  fanden, 
wie  zernik,  masarika ,  belgam,  melhem.  Aus  dem  Persischen 
stammt  z.  B.  das  wichtige  und  interessante  sim  ,Silber',  das 
über  pehlevi  pc'DK  auf  griechisch  Uarniov  zurückgeht;  ferner 
THlid ,  defter ,  und  Pflanzennamen ,  wie  asfiradi ,  iskardiuriy 
ispanaky  nerdiis. 

Seitdem  die  Osmanen  Herren  über  den  grössten  Theil  des 
ehemaligen  byzantinischen  Reiches  geworden  waren,  lebten  sie 
in  ausgedehnten  Gebieten  ihres  Besitzthums  in  fortwährender 
Berührung  mit  griechisch  redender  Bevölkerung.  Die  Aufnahme 
türkischer  Wörter  in  das  Vulgärgriechische  war  infolge  dessen 
eine  massenhafte;  sie  haben,  allerdings  in  beschränkterem  Masse, 
selbst  in  die  Dialekte  solcher  Gegenden  Eingang  gefunden,  die 
niemals  unter  türkischer  Herrschaft  standen,  wie  in  die  der 
ionischen  Insehi.  Miklosich  hat  in  seinen  ,Türkisclien  Elementen 
in  den  südosteuropäischen  Sprachen'  auch  den  türkischen  Ein- 
dringlingen im  Griechischen  seine  Aufmerksamkeit  zugewendet, 
ohne  den  Gegenstand  zu  erschöpfen.  Es  war  das  um  so  noth- 
wendiger,  als  die  Griechen  nicht  selten  von  rein  türkischen 
Wörtern  die  spasshaftesten  Etymologien  aus  griechischen  Mitteln 
gegeben  haben.  Die  Literatursprache  und  der  Schulunterricht 
haben  begreiflicher  W^eise  im  Königreich  Griechenland  gegen  die 
türkischen  Lehnwörter  einen  unbarmherzigen  Vertilgungskrieg 
eröffnet;  aber  sie  nehmen  in  den  Volksmundarten  und  den 
Erzeugnissen  der  Volksdichtung  immer  noch  einen  sehr  breiten 
Raum  ein.  Besonders  interessant  ist  es,  dass  sich  der  türkische 
Einfluss  auch  auf  die  innere  Sprachform  erstreckt  hat.    So  sagt 


Türkische  Stadien.  I. 


man  nivw  tuxtvvöv  ,ich  rauche',  was  die  Uebersetzung  des  tür- 
kischen ^<  ^-^^  Qyy>  tiitün  iömeJCy  eig.  ,Tabak  trinken',  ist; 
man  fragt  rcov  nd-^erai  ,wo  wohnt  er?',  ganz  gleich  türkischem 
jyljyS^\  *>y  nerede  oturior,  eig.  ,wo  sitzt  er?',  was  der  Lebens- 
weise der  Osmanen  treffhch  entspricht,  wie  Fallmerayer,  Ge- 
sammelte Werke  I  293  richtig  bemerkt  hat. 

Aus  naheliegenden  Gründen  ist  der  Einfluss  der  Sprache 
der  griechischen  Raja  auf  die  ihrer  Beherrscher  nicht  von  der 
gleichen  Stärke  gewesen.  Trotzdem  ist,  wie  man  aus  meinen 
Zusammenstellungen  ersehen  kann,  eine  immerhin  beträchtliche 
Anzahl  von  Worten  in  den  osmanischen  Sprachschatz  einge- 
drungen, die  zum  Theil  durch  ihre  jüngere,  neugriechische 
Lautform  sich  von  dem  über  das  Arabische  und  Persische  ein- 
gewanderten griechischen  Sprachgute  abheben.  Eine  grössere 
compacte  Masse  bilden  hier  die  Benennungen  der  Seefische  und 
anderer  Seethiere,  die  fast  ausnahmslos  aus  dem  Griechischen 
stammen.  Die  Vorfahren  der  Osmanen  waren  ein  Binnenvolk, 
das  mit  den  Geschöpfen  des  Meeres  erst  bei  seinem  Vordringen 
nach  Kleinasien  und  Europa  Bekanntschaft  machte.  Dort  trafen 
sie  an  den  Meeresküsten  überall  auf  Griechen,  die  naturgemäss 
ihre  Lehrer  in  der  Benennung  der  Erzeugnisse  der  See  wurden. 
Auch  von  anderen  auf  die  See  und  das  Seewesen  bezüglichen 
Ausdrücken  sind  einige  griechisch,  wie  fener,  kad^rga,  karavi, 
Uf/rfüz,  liman,  navlun^  prame,  talas  und  die  Windnamen  imhatj 
lodos^  pojraz]  auf  die  wirkliche  Ausbildung  des  Seewesens  und 
die  marine  Terminologie  haben  freilich,  wie  bei  den  Türken, 
so  auch  bei  den  Griechen,  erst  die  Italiener  entscheidenden 
und  nachhaltigen  Einfluss  ausgeübt.  Aber  auch  auf  anderen 
Gebieten  ist  der  griechische  Cultureinfluss,  so  weit  er  sich  in 
der  Sprache  erkennen  lässt,  ersichthch;  so  sind  eine  Anzahl 
auf  Ackerbau  und  Viehzucht  bezüghche  Ausdrücke  griechisch, 
femer  Namen  von  Gefässen,  Geräthen  und  Werkzeugen  u.  s.  w., 
selbstverständlich  Alles,  was  sich  auf  den  christlichen  Cultus 
bezieht. 

Gegentiber  diesen  beiden  Hauptwegen,  auf  denen  grie- 
chisches Sprachgut  ins  Osmanische  eingedrungen  ist,  tritt  alles 
Uebrige  fast  ganz  zurück.  Bei  dem  einen  oder  dem  anderen  Lehn- 
worte kann  man  ja  vermuthen,  dass  es  durch  slavischen  Mund 
gegangen  ist,  ehe  es  das  Türkische  aufnahm.     Das  wird  z.  B, 


6  I.  Abhandlung:     Meyer. 

für  loijofet  wahrscheinlich  gemacht  durch  das  ^  f  für  &  an 
Stelle  des  diesen  Laut  sonst  vertretenden  Cj  oder  i>  t ,  was  der 
russischen  Vertretung  des  ^  entspricht  (auch  rumänisch  logofet). 
Griechisch  riqsiivov  scheint  auf  dem  Wege  aslov.  tremh  — 
rum.  tärim  —  (magy.  terem)  zu  türk.  tarem  geworden  zu  sein. 
Aber  solche  mehr  oder  weniger  entscheidende  Kriterien  lassen 
sich  sehr  selten  anflihren.  Auch  auf  dem  Umwege  über  das 
Italienische  hat  das  Türkische  hie  und  da  ein  griechisches  Wort 
recipirt;  so,  um  von  Neologismen  abzusehen,  die  heute  allen 
europäischen  Sprachen  gemeinsam  sind,  das  Wort  Hrinka, 
Siringa  ,Spritze',  das  gr.  aügiy^  ist,  aber  direct  erst  aus  ital. 
sciringa  stammt. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  griechischen,  sind  bei 
den  aus  romanischem  Sprachgebiete  stammenden  Lehnwörtern 
verschiedene  Schichten  zu  unterscheiden.  Lateinisches  im  Os- 
manischen  erklärt  sich  durch  die  Vermittlung  der  Byzantiner 
und  Araber,  Es  gibt  im  Arabischen  lateinische  Wörter,  die 
aus  dem  Griechischen  des  Ostens  Eingang  in  diese  Sprache 
gefunden  haben,  wie  für  einige  ihre  Lautform  bezeugt:  so  sind 
candela  dmarius  zunächst  zu  griech.  'Axxvdrßxx  dfjvaQiog  und 
weiter  zu  arab.  kandil  dinar  geworden;  in  dieser  Form  er- 
scheinen sie  auch  im  Türkischen.  Auch  Wörter  wie  camisia, 
ce7itenariu8,  follisj  sahurra  sind  so  als  kamisj  kantaVy  fehy  safra 
ins  Türkische  gelangt.  Den  Namen  des  grossen  Caesar  haben  die 
Orientalen  wohl  direct  aus  dem  Munde  der  römischen  Legions- 
soldaten aufgenommen:  nur  so  erklärt  sich  die  Bewahrung  des 
alten  ai,  das  in  griechischem  Munde  damals  gewiss  schon  zu 
ä  geworden  war.  Da  das  byzantinische  Griechisch  voll  von 
lateinischen  Worten  war,  die  zum  Theil  noch  heute  im  Neu- 
griechischen weiter  existiren,  so  konnte  es  nicht  fehlen,  dass 
auch  noch  nach  der  Eroberung  des  byzantinischen  Reiches  solche 
Lehnwörter  ins  Türkische  kamen;  hieher  scheinen  z.  B.  asprsy 
^ümrüky  isUftle,  isicemley  Kilery  tugla  zu  gehören. 

Der  bei  Weitem  grösste  Bestand  an  romanischen  Elementen 
gehört  dem  Italienischen  an  und  erklärt  sich  aus  den  bekannten 
Beziehungen  der  italienischen  Städte,  besonders  der  Venezianer 
und  Genuesen,  zur  Levante.  Wie  viel  die  Türken  hier  direct 
entlehnt  haben,  wie  viel  erst  durch  griechische  Vermittlung, 
ist  selten  mit  einem  grossen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  zu 


Tflrkische  Studien.  I.  7 

entscheiden.  Sehr  Vieles  ist  dem  Türkischen  jedenfalls  mit 
dem  Neugriechischen  gemeinsam ,  und  diese  Gemeinsamkeit 
würde  sich  vermuthlich  in  noch  grösserem  Umfange  nachweisen 
lassen,  wenn  wir  den  ins  Neugriechische  aufgenommenen  ro- 
manischen Wortbestand  irgendwo  zuverlässig  übersehen  könnten. 
Aber  das  ist  noch  nicht  der  Fall;  denn  die  Zusammenstellungen 
von  Deffner  in  der  Nia  *^EXldg  (1874)  Nr.  19.  20  und  von  Pappa- 
dopulos  in  der  Havöibga  XVH,  217—226.  265—272  erschöpfen 
den  Gegenstand  nicht  im  Geringsten.  Hieher  gehört  denn  auch 
die  Frage  nach  dem  Wesen  der  viel  genannten,  aber  wissen- 
schafUich  nicht  greifbaren  Lingua  franca,  die  wohl  nichts 
Anderes  war  als  Italienisch  im  Munde  der  Levantebewohner. 
Wenn  wir  Wörter  wie  ital.  harhone,  pisello  im  Türkischen  als 
harbunia,  pizelia^  also  mit  griechischer  Endung,  finden,  oder 
wenn  wir  in  tugla  aus  tubulum  einen  specitisch  griechischen 
Lautwandel  beobachten,  so  ist  ohne  Weiteres  klar,  dass  sie 
durch  ein  griechisches  Medium  gegangen  sind.  Aber  in  anderen 
Fällen  lassen  uns  solche  Kriterien  durchaus  im  Stiche. 

Die  venezianische  Herkunft  der  italienischen  Ijehnwörter 
wird  in  vielen  Fällen  durch  ihre  Lautgestalt  in  entscheidender 
Weise  bezeugt.  Man  beachte  z.  B.  die  Media  in  videlüy  vida^ 
kadena,  limonadaj  bugada,  foga,  sigurta^  den  dünneren  Zischlaut 
in  pisij  sia,  bekatsa,  brizola,  das  r  in  salamoray  den  Ausfall 
des  -ü-  in  manela  gegenüber  italienischen  vitelloy  vite,  catena, 
limonatay  bucatOy  fuocOy  sicurtäy  pescSy  sciare,  becaccia ,  bra- 
ciuolay  salamaja,  manovella. 

Eine  grosse  zusammenhängende  M^se  italienischer  Wörter 
bilden  die  im  vorletzten  Abschnitte  zusammengestellten  Aus- 
drücke der  marinen  Terminologie,  deren  Verzeich niss  hoffentlich 
nicht  allzu  unvollständig  ist.  Leider  ist  es  mir  trotz  aller  auf- 
gewendeten Mühe  nicht  in  allen  Fällen  gelungen,  die  türkischen 
Wörter  befriedigend  zu  deuten;  meine  eigenen  praktischen 
Kenntnisse  von  Dingen  der  Marine  sind  sehr  gering,  und  das 
vortreffliche  Glossaire  nautique  von  Jal,  das  der  Wortforschung 
auf  diesem  Gebiete  ein  unentbehrlicher  Wegweiser  ist,  versagte 
doch  in  einigen  Fällen. 

Noch  in  neuester  Zeit  sind  einige  italienische  Wörter  ins 
Osraanli  aufgenommen  worden,  die  aber  an  Zahl  nicht  mit  den 
französischen  Neologismen  zu  vergleichen  sind.    Das  von  Jahr 


8  I.  Abhandlang:    Meyer. 

ZU  Jahr  zunehmende  Eindringen  occidentalisehcr  Einrichtungen 
und  Erfindungen  in  die  Türkei  hat  eine  grosse  Menge  fran- 
zösischer Worte  in  das  türkische  Lexikon  eingeführt,  meistens 
solcher,  die  in  den  anderen  europäischen  Sprachen  längst  das 
Bürgerrecht  haben.  Die  neueren  türkischen  Wörterbücher,  wie 
das  von  Jussuf  oder  das  von  Sami-Bej,  verzeichnen  sie  sehr 
ausführlich.  Ich  habe  bei  den  einzelnen  Abschnitten  meiner 
Zusammenstellungen  auf  sie  Rücksicht  genommen,  auch  am 
Schlüsse  eine  bunte  Reihe  solcher  Neologismen  gegeben,  habe 
f  aber  geglaubt,  von  dem  Anstreben  einer  Vollständigkeit  bei 
ihnen  absehen  zu  sollen.  Dieser  Theil  der  romanischen  Elemente 
wird  erst  in  hundert  oder  zweihundert  Jahren  dem  Sprach- 
forscher und  dem  Culturhistoriker  ein  dankbares  Forschungs- 
object  bieten. 

Eine  besondere  Stellung  unter  den  romanischen  Elementen 
des  Türkischen  nehmen  die  paar  rumänischen  Fremdwörter 
ein,  die  sich  nachweisen  lassen.  Sie  sind  im  Principe  richtig 
von  Miklosich  in  der  am  Anfange  erwähnten  Abhandlung  mit 
den  slavischen  und  magyarischen  Elementen  gemeinsam  be- 
handelt worden.  Ich  habe  sie,  der  Vollständigkeit  halber,  nicht 
ausschhessen  wollen,  Thatsächlich  finden  sich  bei  Miklosich 
von  rumänischen  Wörtern  nur  drei,  nämlich  gelate  ,Kübelgebühr', 
kalaraS  ,Eilbote^  und  masa  , Speisetisch',  von  denen  die  beiden 
ersten  Provinzialismen  der  Walachei  und  dem  türkischen  Schrift- 
thum  fremd  sind,  das  erste  zudem  deutschen  Ursprungs  ist. 
Ich  habe  frand^ela,  kaHr,  lundraj  tnbla  hinzugefügt.  Es  mag 
an  dieser  Stelle  erwähnt  werden,  dass  bei  einigen  türkischen 
Wörtern  romanischen  Ursprungs  die  Thatsache  vorliegt,  dass 
sie  durch  slavische  Vermittlung  den  Türken  zugeführt  worden 
sind,  z.  B.  bei  ispilatUy  sapka  und  kopuska. 

Wenn  wir  das  ganze  Gebiet  der  Entlehnungen,  deren 
Wege  im  Vorstehenden  in  kurzen  Umrissen  zu  zeichnen  ver- 
sucht wurde,  überbHcken,  so  beanspruchen  ein  besonderes  Inter- 
esse diejenigen  Wörter,  welche,  ursprünglich  orientaUschen  Ur- 
sprungs, in  die  europäischen  Sprachen  Eingang  gefunden  haben 
und  aus  einer  derselben  in  das  Türkische  aufgenommen  worden 
sind,  also  eine  Wanderung  von  Osten  nach  Westen  und  eine 
Rückwanderung  von  Westen  nach  Oaten  durchgemacht  haben. 
So  stammt  das  persisch-türkische  ^\^i-.*»\  aus  griech.  äoTidqayog^ 


Törkiwho  Studien.  I.  9 

dieses  selbst  ist  aber  ein  Fremdwort  und  walirscbeirilich  ira- 
nischen Ursprungs.  d^-Jb  zeigt  europäisclie  Lautfonn,  aber 
das  zu  Grunde  liegende  ßdlaauov  ist  ursprünglich  semitisch. 
Ebenso  ist  tllrk.  o^yt-o  gegenüber  arabisch  o^r^^i  ^^'^  europäische 
Form  dieses  fremden  Namens.  Griechisch  dy/agsia  bezeichnet 
eigentlich  den  Dienst  der  persischen  Hyyagoi  oder  Eilpostboten, 
ist  aus  dem  Griechischen,  allerdings  in  wesentlich  erweiterter 
und  veränderter  Bedeutung,  in  das  Lateinische  und  die  roma- 
nischen Sprachen  übergegangen  und  erscheint  auch  im  Türkischen 
als  angarie. 

wJyUo\  ,Scharlachtuch^  ist  orientaKsch,  aber  in  dieser  Form 
europäisch;  ebenso  ist  »jIjL«  die  europäische  Form  des  arabischen 
^2^}^'  0>?^^  ^^*  griechisches  dqgaßfbv^  das  seinerseits  aus  dem 
Semitischen  stammt.  Der  arabische  Ursprung  von  Admiral 
und  lyragoman  ist  bekannt;  beide  finden  sich  in  der  occiden- 
tahschen  Gestalt  im  Türkischen  (amiral,  dragman).  Die  beiden 
Marinewörter  gomana  und  kalafat  geben  italienisches  gomena  und 
calafaUire  wieder,  aber  beide  stammen  vielleicht  aus  dem  Ara- 
bischen; das  erste  entspricht  vermuthlich  arab.  J-%a.,  dessen  Ur- 
sprung allerdings  auch  nicht  aufgeklärt  ist  (vgl.  Fränkel  228 
und  vgl.  xd^ilog  rd  naxi)  axoiviov  Suid.,  den  Scholiasten  zu  den 
Wespen  des  Aristophanes  1030  und  Theophylaktos  zu  Matthäus 
XIX  24:  Ttviq  de  ndfitjkov  oi  td  l^wöv  q>aaiv^  dilä  xö  7ta%v  axoiviov^ 
^  Xg<üyrai  ol  vavrai  rrgdg  rd  ^htreiv  rag  dyycvgag).  Noch  in  neuerer 
Zeit  hat  sich  solche  Rückwanderung  vollzogen,  z.  B.  in  dem 
Birnennamen  hergamot.  Auch  griechische  Wörter  haben  ähn- 
Hche  Schicksale  erlebt:  agr.  ^r^xivi]  ist  über  das  Lateinische, 
Arabische  und  Türkische  als  geraln  ins  Neugriechische  zurück- 
gekehrt, dnrtoi'  über  das  Arabische  und  Türkische  zu  ngr,  dcpidvi 
geworden. 

Weder  die  griechischen  noch  die  romanischen  Bestand - 
theile  des  türkischen  Lexikons  sind  bis  jetzt  Gegenstand  einer 
besonderen  Untersuchung  gewesen,  so  weit  mir  bekannt  ist. 
Allerdings  haben  die  Lexikographen  des  Türkischen  hie  und 
da  auch  dem  Ursprünge  der  nicht  arabischen  und  persischen 
Wörter  ihre  Aufmerksamkeit  zugewendet,  und  Älanches  ist  von 
ihnen  richtig  erklärt  worden.  Ich  nenne  hier,  ausser  dem  be- 
kannten Werke  von  Zenker,  besonders  Ahme<l  Vefyk  Pascha, 
den  Verfasser  des  ^^U-i*  i^^J,  und  Barbier  de  Meynard,  dessen 


I 


10  I.  Abhandlung:     Meyer. 

grosses  Werk  (Dictionnaire  turc-franyais,  2  Bände,  Paris 
1881  — 1886)  zum  Thcil  auf  dem  Material  des  eben  genannten 
tilrkischen  Buches  beruht.  Ein  kleines  Verzeichniss  griechischer 
Wörter  findet  sich  in  dem  ^EXkrjVo-  d&iofiavtyidv  iynölTtiov  von 
Alexandros  Konstantinidis  (Constantinopcl  1875),  S.  1  flf.  Es 
schien  nützlich  und  wünschenswerth,  die  vereinzelten  und  ver- 
streuten Bemerkungen  zu  sammeln,  zu  revidiren  und  zu  er- 
gänzen und  durch  Vorlage  des  ganzen  Materials,  soweit  dasselbe 
mir  erreichbar  war,  den  Gegenstand  aus  dem  Bereiche  zu- 
fälliger Observationen  in  das  Licht  wissenschaftlicher  Forschung 
zu  rllcken.  Die  unten  folgenden  Wörterlisten  sind  nach  sach- 
lichen Gesichtspunkten  zusammengestellt,  mit  Rücksicht  darauf, 
dass  auch  die  culturgeschichtliche  Betrachtung  an  den  aus  ihnen 
zu  ziehenden  Schlüssen  ein  Interesse  haben  mag;  innerhalb 
der  einzelnen  Abschnitte  habe  ich  die  Wörter,  soweit  nicht  eine 
Zusammenstellung  einzelner  zu  kleineren  Gruppen  wünschens- 
werth  schien,  alphabetisch  angeordnet,  und  zwar  nach  der  Buch- 
stabenfolge unseres  Alphabetes.  Die  Register  am  Schlüsse  werden 
das  Auffinden  des  Einzelnen  erleichtern.  Eine  Sonderung  der 
griechischen  von  den  romanischen  Elementen  habe  ich  nicht 
durchgeführt,  weil,  wie  aus  den  voranstehenden  Erörterungen 
hervorgehen  dürfte,  die  Sprachentwicklung  beide  vielfach  durch- 
einander gewirrt  hat.  Eine  Untci'suchung  der  Eigennamen  habe 
ich  vorläufig  ausgeschlossen. 

Ich  mache  hier  noch  einige  auf  die  sprachliche  Form  der 
Lehnwörter  bezügliche  Bemerkungen. 

Bei  der  Aufnahme  der  griechischen  Wörter  pflegt  die 
Endung  abzufallen.  So  axtapod  d/j^arcödi,  egreb  ygTrtogj  eskorpit 
axoQjridi,  izmarid  a(.iaQida,  Uefal  idcpa'kog^  levreU  XaßQdniy  livar 
ßißaqt(ov)^  mürsin  afisgvva,  palamud  Ttaixxfivday  sinarit  awa- 
YQida,  Sünder  acpavyy&qij  tun  9vwog,  gajzar  yatdaQog,  hüher 
TtiTtiqi^  fsndak  novrii^öv,  featsk  TtiardmoVy  fidan  (pvcam]^  ister eH 
aTVQdhii^  karanfil  naqvöcpvXkov^  kamabit  %qaiißidiOVy  Jciraz  xegd- 
aiov,  tnantar  fiavLzdQi,  mirsin  fivQaivrj,  nerdiis  vagiuaaog^  pentafil 
ftevrdcpvkXoVy  psrnar  nQivdgi,  portukal  noQZoyuxkli,  simfit  avfi- 
qwTOVy  terter  rdgragog,  tiriak  drjgiami^  tirßl  rgiqyvXh^  mermer 
(.idgixagogy  orfan  dgcpavdg^  rnarjol  fuxgyiöXog,  xoirat  xMgiorrjg^ 
matis  ^€&vaog,  tomar  ro^dgty  senier  aa^gt,  ipsid  inplday  defter 
diifd^igcxy  is/celet  aiukerögy  anafor  ävacpögtj  fmnin  (povgvogy  Keremit 


TQrkiKche  Studien.  I.  11 

'AE^fiidiy  kiler  ynild^i^  Uilid  nXeTöa,  teviel  &€^i),ioy,  anaxtar 
ävoixtaQiy  kandil  xay&i^lay  karacit  xQeßßuxi^  diHel  dmiXXi,  ergat 
i^öcTT^gj  kalem  xdXafiog,  öukal  Tffovycdkiy  tegan  Trjyävt,  kamis 
xafuaioy,  zunnar  ^(üvdgiy  üsUül  anovXly  dernet  defidti,  dögen  w- 
luhf],  evlefc  a^hSnu,  terpan  d^c/rcrvt,  giimrük  xovju^^xt,  fendek 
7rardo%Bioy,  dinar  drp^dQtov,  Hnik  yipivUiy  despot  dsanörr^gy  xristian 
XQUTTiayögy  indJtil  s^yyiliov,  faraklit  naqcniktjtog^  istifan  ati- 
(pavogy  latin  XarTvog^  manaster  (.lOvaari^Qiy  metropolit  (.irjTQOTCokitr^gy 
panajer  TtavtjyvQiy  patrek  7taTQiy,iogy  t^iks  rcr^ig,  telaem  TeXaafiay 
caftis  ßaTtrlaiUy  maH  (idq^ijgj  sidiill  tnyilkiovy  koiidak  xorrcbct; 
mendienik  ^ayyaviyidvy  dümen  Tifiöviy  fener  (pavaqiy  imhat  ifx- 
ndrrjgy  iskandil  auccyriXiy  liman  hfiivay  palamar  Ttakafiägiy  talaz 
&dXaaaa,  u.  a. 

Ebenso  ist  die  Endung  italienischer  Wörter  abgefallen 
z.  B.  in  izbandit :  shandito,  avokat  :  awocato,  estudJt  :  dstuccioy 
fotin  :  bottino  y  isicerlet :  scarlattOy  vardijan  :  guardianOy  feslcet : 
fischiettOy  paraöol  :  bracciuoloy  kapivdan  :  capitano]  kacalii'  : 
cavalierny  berber  :  barbierey  bukal :  boccalsy  varil :  barile,  kordun  : 
cardon€y  stmsar  :  Sensale ,  pinial  :  pugnahy  bastun  :  bastoney 
kaliun:  galeone,  puntal :  pontaley  vapor  :  vapore ;  üsKüf :  scufßay 
roUet  :  rocchetta. 

In  allen  diesen  italienischen  und  den  allermeisten  grie- 
chischen Beispielen  liegt  die  Tonsilbe  unmittelbar  vor  der 
Endung,  und  der  Abfall  dieser  kam  daher  dem  Bedürfniss  dos 
Türkischen  nach  Betonung  der  Endsilbe  aufs  Trefflichste  ent- 
gegen. Von  den  Ausnahmen  lassen  sich  vielleicht  noch  einige 
beseitigen;  man  wird  es  vorziehen,  pentaßl  und  istifan  auf 
n:€vjaq>vlXi  und  arecpavi  statt  auf  nevx&tpvXXov  und  azicpavog  zu 
beziehen,  fendek  :  novrindvy  nerdiis  :  v&qiuoaog  sind  als  persisch, 
karanßl :  xaQvöqwXlovy  tiriak :  ^rfiiomriy  inermer :  ^dq^iaqogy  kalem : 
TLdkafwgy  faraklit :  TtaQdiuXrjTog,  telsem  :  teXea^ay  m&ndienik  :  ^ay- 
yaviMiv  als  arabisch  von  dieser  Betrachtung  eigentlich  auszu- 
scheiden. So  bleiben  blos  gajzar  :  yatSaqogy  simßt :  avijupvcov^ 
terter :  rdqroQogy  orfan  :  dqqnxvdgy  matis :  fii&vaogy  isUelet :  G%BXBT6gy 
üskill :  ü'AOvXiy  fsndek  :  TtavdoYJBioVy  talaz  :  d-dkaaüa  übrig. 

Daneben  ist  nicht  selten  die  ganze  Nominativform  ins  Tür- 
kische übergegangen.  So  bei  griechischen  männlichen  Wörtern 
auf  -oi;,  das  im  Türkischen  als  jj  oder  ,^^  erscheint:  ispinoz 
OTtivogy   ciroz  taigog,   bedenos  Tteveivögy   koljoz  KoXiog^   likorinoz 


12  I-  AbliMidlaug:     Mey«r. 

IvxovQQLVOi;,  orliinoz  Sg^vvog,  vatoz  ßdzogy  saliangoz  adhayxog, 
abanoz  eßsvog,  marangoz  fiaQayyuig,  ispazvioz  anaa^dq^  diakoz 
didxog,  istavroz  atavgög,  martoloz  ägfiarcjldg^  eskarnwz  a'/xxXfiög; 
istakos  ara^dg,  kalinos  yXavög,  tir^os  Tgi^ög,  oarjos  ßagsiög, 
agustos  Syovarog,  seJciros  axiQQOg,  balios  ^TvaiXog,  fanos  q}av6g 
u.  a.  Für  merlanos  :  it.  7nerlano  kann  (.legkavog  vorausgesetzt 
werden;  af&roz  scheint  verkürzt  aus  äq)0Qt(Tfi6g;  konsolos  hat 
sich  diesem  Typus  angeschlossen.  Bei  diesen  Beispielen  sind 
die  griechischen  Wörter  zum  Theil  auf  der  Endsilbe  betont, 
zum  Theil  auf  der  vorletzten  oder  drittletzten.  Als  -ilz  erscheint 
-og  in  körfüz :  %6q(pog  für  yiökTtog, 

MännUches  -ag  ist  durch  türk.  -az  wiedergegeben  in  pojraz : 
ßoQiägy  papaz  oder  papas  :  Tranäg, 

-18  =  gr.  'Vig  oder  -ig  erscheint  in  majs  :  fid'ig  aus  f^diog 
und  anderen  Monatsnamen,  magnitis  :  fiayvrjrrjg  u.  a. ;  =  weib- 
lichem -ig  in  betaris  :  nrsqig. 

Sächliches  -ov  ist  -ort  oder  -un  z.  B.  in  afitm  :  Umovy 
ana^un  :  ätnjaovy  eleiiiuyi  :  klAviov ,  garikun  :  dyaQiy,6v,  iskolo- 
fendrion  :  ayLoXoTrivdgiov,  iskardiun  :  a-i^dqdiovj  kantarion  :  yLevrav- 
Qiov,  pentafilion  :  *  TtBwacpvXXiov,  ferfjun:  stfqniQßiov,  Hzfun  :  t^itv- 
(povy  navlun  :  vavXov.  Dazu  ist  zu  fügen  fesli^en  :  ßatrikmöv.  Die 
meisten  dieser  Wörter  sind  bereits  arabisch  oder  persisch. 

Das  weibliche  -a  ist  sehr  häufig  als  -a  oder  -e  herüber 
genommen,  z.  B.  in  bekasa  :  (,i7ts:idvaay  lakerda  :  Xayieqda,  lapina  : 
kaniva,  morina  :  f^ovQOvva,  pei^ota  :  Treraovda,  sipia :  arjTVid,  torina : 
Tovviva,  btirandita  :  fj.7tOQdvTaa,  engelika  :  dyyiXtxa,  gazja  :  %aaaia, 
papadia  :  naTtadid,  palavra  :  ftaXdßqa,  lo^usa  :  Xs^ovoa,  panukla  : 
navovYXa,  und  in  vielen  anderen.  Ebenso  das  italienische  -a 
in  balena  :  balena,  ringa  :  aringa,  sardela  :  sardella,  sarpa  :  sarpa^ 
eruka  :  eruca^  lavanda  :  lavanda,  veranika  :  veronica,  familia  : 
famiglia,  fantazia  \  fantasia,  pjasa  :  piazza,  vizita  :  maita  und 
vielen  anderen.  Weibliches  -rj  ist  i  z.  B.  in  pilaki  :  ^rAaxiJ, 
Xondrili  :  xovöqiXrj ;  sächliches  -i  ebenso  z.B.  in  ispari  :  *  GnaQi, 
vgl.  isUite  :  Gxa&iy  eskumru  :  axovfiTrqL  Italienisches  -o  z.  B.  in 
ßnOj  lifo,  dinko,  öeniento,  torno. 

-la  erscheint  als  -e  z.  B.  in  kestane  :  xaaravidy  titre  :  xedqid, 
ßäne  :  ßvaaivid,  gübre  :  xo/tqid,  kilisse  :  ixytXr^ala. 

Das  nominativische  -s  ist  abgefallen  in  lipari  :  XiTtaqig, 
pirebulu  :  jtQÖTtoXigy  efeiidi  :  dq)^vzrjg,  kerata  :  xsqardg. 


Türkische  Studien.  I.  13 

Die  Herübernahme  der  männlichen  Endung  -og  aus  grie- 
chischen Substantiven  findet  sich  vereinzelt  auch  bei  Ent- 
lehnungen in  andere  Sprachen;  vgl.  z.  B.  altslov.  christosh 
chimo8^  aus  Xgcarög,  xW^y  ^1^-  kopos  ristos  meine  Alb.  Stud. 
I  37;  in  ziemlich  grossem  Umfange  ist  die  Endung  -os  im 
Zigeunerischen  auch  über  den  ihr  ursprünglich  zukommenden 
Kreis  hinaus  verbreitet  worden,  nach  föros  :  cpögog,  chdros  :  xogdg 
u.  a.  hat  man  grdhos,  rizos,  zböros  u.  s.  w.  gebildet,  aber  fast 
nur  in  nichtindischen  Substantiven.  Vgl.  Miklosich,  Mundarten 
und  Wanderungen  X  4,  wo  von  der  Erscheinung  eine  unrichtige 
Erklärung  gegeben  ist,  die  der  Verfasser  selbst  später,  in  der 
Abhandlung  ,Ueber  die  Einwirkung  des  Türkischen  auf  die 
Grammatik  der  südosteuropäischen  Sprachen'  (Sitzungsberichte 
Bd.  CXX)  S.  8  zurückgenommen  hat. 

In  einer  Reihe  von  Fällen  ist  der  Nominativ  Plural  zum  Aus- 
gangspunkte der  türkischen  Nominalbildung  genommen  worden, 
und  zwar  fast  immer  der  sächliche  auf  -a.  So  verhalten  sich 
fduina  :  (pXihqi,  kanaria  :  %avaQi^  pupla  :  novrrovXoVy  barbunia  : 
^TtaQfifTOvviy  istridia  :  OTQidi ,  midiaifivdty  paguria  :  jtayovQi, 
kukulia  :  'AOVAOvh^  fasulla  :  (paoovXi^  izmaola  :  ay.iovQOv,  lahana  : 
XdxcePOVy  lastaria  :  ßkaardgi,  mukmxda  :  ixiairiXov,  pizelia  :  Ttil^ihy 
prasa  :  Ttq&aov,  radiJcla  :  ^adlyu,  ispitalie  :  aniTaXi,  /wZ/a  :  xoXiov^ 
salja  :  aakiov^  tugla  :  TOvßXoy,  piata  :  TtidroVy  Jcerata  :  xiqazovj 
kaderga  :  yuxteqyov.  Aehnlich  sind  entstanden  pines  und  domates 
von  den  Pluralen  zu  mwa  und  vrof-idra,  und  kaSer  aus  dem 
rumänischen  Plural  crtfuri.  Diese  Erscheinung  des  Ausgehens 
vom  Neutrum  Plural  erinnert  durchaus  an  die  romanische  Er- 
scheinung, dass  die  Neutra  auf  -a  in  die  erste  DecHnation 
tibertretend  zu  Femininen  werden  (Diez,  Grammatik  II  23),  eine 
Egenthtimlichkeit,  welche  das  Albanische  mit  den  romanischen 
Sprachen  theilt  (meine  Alb.  Studien  I  99). 

Eine  andere  aus  den  romanischen  Sprachen  wohl  be- 
kannte Erscheinung  ist  die  Verschmelzung  des  Artikels  mit 
dem  Substantivum ,  die  in  lostana  ,Gasthau8'  aus  it.  l'osteria 
beobachtet  wird. 

Von  lautHchen  Erscheinungen,  die  bei  der  Aufnahme  der 
fremden  Wörter  ins  Türkische  auf  ihre  Gestaltung  Einfluss 
gehabt  haben,  seien  hier  einige  kurz  besprochen. 


14  I.  .AbliandluDg :    Meyer. 

Ein  tonloses  i  oder  e  wird  im  Türkischen  zu  a  in  der 
Nachbarschaft  von  dunklen  Vocalen ;  vgl.  z.  B.  anaxtar :  ivoix^dQi^ 
anasun  :  ävrjaoVy  H^arun  :  cicerone^  kumandaria  :  7iov(.ieyTaQia, 
malluta  :  ^ijXwTi^y  panajir  :  TtccytjyvQL,  camariva  :  cima  arriva. 
Auf  diese  Weise  erklärt  sich  auch  J^U*o\  istambol  ,Constan- 
tinopel^,  das  zweifellos  aus  slg  rijv  IlöXtv  entstanden  ist;  man 
hat  thörichter  Weise  zur  Erklärung  des  a  an  ein  dorisches 
Täv  nöXiv  anknüpfen  wollen.  Durch  Volksetymologie  ist  der 
Name  in  J^^\Uo\  islambol  ,le  foyer  de  Tislam'  (Barbier  de 
Meynard  I  48)  umgedeutet  worden.  Analog  ist  ^^U-**>\  istaalcöj 
für  ,Kos^  =  '4;  T7JV  Kwj  woraus  das  ital.  htanchio  entstanden  ist* 
am  Schlüsse  liegt  wohl  volksetymologische  Anlehnung  an  türkisch 
^^  ,DorP  vor.  Sonst  ist  das  griechische  r^v  als  tin  zu  er- 
kennen, vgl.  istindil  =  Tfjvog,  Auf  das  hier  besprochene 
Lautgesetz  hat  schon  Korsch  im  Archiv  für  slavische  Philologie 
Vni  649  hingewiesen. 

Umgekehrt  ist  a  0  w  neben  hellen  Vocalen  zu  i  geworden; 
vgl.  z.  B.  iskite :  GY.a&i,  kalinis :  ylagog,  ivatine :  dßq&tovov,  misJcet : 
moschetto,  pinial :  pugnale.  Gewiss  steht  diese  so  wie  die  vor- 
hergehende Erscheinung  im  Zusammenhange  mit  der  Vocal- 
harmonie  der  Türksprachen,  die  hier  gewissennassen  noch  in 
ihren  letzten  Zuckungen  wirkt,  da  von  einer  gesetzmässig  be- 
gründeten Einwirkung  der  Vocalharmonie  auf  Fremdwörter  der 
osmanischen  Schriftsprache  und  der  von  ihr  beeinflussten  Volks- 
sprache kaum  die  Rede  sein  kann.  Vgl.  Radioff,  Phonetik  der 
nördlichen  Türksprachen  48. 

Auch  der  Uebergang  betonter  a  und  0  in  e  nach  soge- 
nannten palatalen  Vocalen  hängt  wohl  mit  der  Vocalharmonie 
zusammen.  Man  vergleiche  levreJc  :  Xaßq&yn  ,  ister elc  :  GTvqaxiy 
evleK  :  (xihSmi,  lüfer  :  kovq)dQi,  sünger  :  acpovyydqi,  semer  :  aa^idgi, 
fener  :  (pavdqi ,  kiler  :  -^eXX&qi ,  deviet  :  dsfidri ,  dümen  :  Tifiön, 
aber  mantar  :  iicxvndqi,  ispanak  :  anavdxi.  Merkwürdig  ist  liman  : 
Xi^eva, 

Von  den  in  das  Gebiet  der  Consonanten  gehörenden  Er- 
scheinungen ist  schon  öfters  auf  die  Behandlung  anlautender 
Doppelconsonanz  in  Fremdwörtern  hingewiesen  worden.  Vgl. 
z.  B.  Blau,  Bosnisch-türkische  Sprachdenkmäler  38 ff.  Miklo- 
sich.  Die  sla vischen  u.  s.  w.  Elemente  im  türkisclien  Sprach- 
schatz 24f.     In   den   aus   dem  Griechischen   und   Romanischen 


TArkiBcbe  atndien.  I.  15 

stammenden    Wörtern    wird     anlautende    Doppelconsonanz    in 
folgender  Weise  beseitigt: 

1.  durch  Vorschlag  eines  Vocules,  und  zwar,  allerdings 
nicht  ganz  regelmässig,  i  vor  e  und  i  der  nächsten  Silbe,  e 
(==  ^)  vor  a  0  Uy  ii  vor  ii. 

sk- :  isJcite  :  OTia&l,  eskorpit  :  GY.oqmdiy  eskumru  oyLov^TtQi, 
Bskur^une  :  scorzonera ,  iskardiun  :  OTuigdiov  (persisch),  isKelet  : 
OTiekerögy  eskorbut :  cxo^/u/roirro,  ilslciif :  scuffia,  isJcerlet :  scarlattOj 
iisiciil  :  aycovXi,  eskaia  :  scassa,  sskalera  :  acala  reahy  eskandite  : 
ncang-ioy  eskar^e  :  scarieo,  eskarmoz  :  axaXfiÖQj  eskarso  :  scarsOy 
eskopamar  :  scopamari^  sskute  :  scotte^  islcele  :  scala,  iskandil  : 
OTUxydili,  isUemle  :  axa(.ivi.  Auch  eskara  ist  auf  ngr.  aTMkqa,  nicht 
auf  ia%dqa  zu  beziehen. 

st- :  BBtakos  :  OTanög  (nicht  =  äaraytög),  istav^rit :  atavQlTrjgj 
istron^ilo  :  atqoyyvXa,  istridia  :  axqidiy  isterek  :  aTVQomi,  ilstiipii  : 
(noxmiy  sstofa  :  stoffa^  estufato  :  stufato,  istavroz :  aravQÖgj  istifan : 
(niqxxvogy  sstabel  :  stabulumy  ssturpa  :  stroppo,  istalia  :  stalUuy 
istif :  stivare^  istinga  :  oriyydQCjy  istralie  :  straglio ,  istramaöa  : 
stramazzo. 

8p-:  ispinoz  :  anivogj  espari  :  OTtdqogj  ispanak  :  aTiavdhii 
(persisch),  ispinöiar  :  speziale,  ispitalie  :  antxikh^  esporta  :  sporta^ 
upirito  :  spirito,  ispaoli  :  apaolo,  isparöina  :  sparcina^  ispati 
(auch  izhati)  :  OTta&L 

sb-i  izbandit  :  sbanditOy  isbir  :  sbirro. 

sm-i  izmarid  \  a^iaqida,  izinaola  :  afieovQOv.  Vgl.  den  Stadt- 
namen j.ycj\  izviir  ,Smyrna^ 
gr-:  egreb  :  ygiTtog. 
pt- :  ipteri  :  meqig. 

Der  Vorschlag  eines  Vocals  vor  mit  s  beginnenden  Con- 
sonantengruppen  ist  auch  aus  anderen  Sprachgebieten  bekannt, 
z.  B.  aus  dem  Vulgärlateinischen,  dem  Romanischen  und  dem 
Litauischen.  In  meiner  Griechischen  Grammatik*  116  habe 
ich  aus  einer  griechischen  Inschrift  Pisidiens  ^layivfivogf  ^latqa- 
Ttwrrjg  angeftihrt;  ebenfalls  aus  Pisidien  stammen  elaTQOTKbTtjg 
American  Journal  of  Archeology  II  266,  57  und  ' I(neq)avl(i)v 
Bulletin  de  correspondance  hell^nique  XI  U)4,  4.  Aus  den 
Inscriptiones  Siciliae  et  Italiae  graecae  von  Kaibel  notire  ich 
loTtr^  48  (aus  Syrakus)  ^^  GTrrjg  42,  lat.  spes,  und  €iaTaßß)aQi(g) 


IG  I-  Abhandlung:    Meyer. 

2253     (aus    Pesaro)    =    8tab(u)läriu8,    beides    natürlich    auf 
Rechnung  vulgärlateinischer  Lautgewohnheit  kommend. 

Es  mag  hier  bemerkt  werden,  dass  auch  in  den  türkischen 
Städtenamen,  die  auf  die  griechische  Verbindung  von  eig  mit 
folgendem  Accusativ  zurückgehen,  das  anlautende  i  auf  Rech- 
nung dieser  türkischen  Lautgewohnheit  zu  setzen  ist.  Man  hat 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nicht  mehr  von  der  vollen  Form 
der  Präposition  €ig,  sondern  von  dem  verstümmelten  vulgären  'g 
auszugehen:  imfambot  ist  nicht  slg  ttjv  Ilöhv,  sondern  g  rijv 
TTölir,  Es  gehören  hierher  ausser  den  schon  oben  genannten 
istindil  und  istanlcöj  noch  die  ohne  Artikel  gebildeten  Formen 
jw^j\  i2mid  aus  ^g  (Nixojfirjöeiav  (auch  j^^w^j\  iznilcmid  Bianchi 
I  ()()),  ,^^j\  iznik  =  ^g  NUaiav,  ^^^^m^Lo  samsun  =  ^g  ^Lifuaov 
konnte  des  Vorschlages  entbehren,  ebenso  ^U»^^  susam  =  'g 
2d^0Vf  wo  u  lautUche  Entwicklunff  ist.  Die  beiden  letzten 
Formen  beweisen  direct,  dass  V?  nicht  eig  ins  Türkische  über- 
ging. Ueber  die  Bedeutung  der  Verbindung  von  slg  mit 
Städtenamen  vgl.  Miklösich,  Nachträge  II  130. 

2.  Durch  Einschiebung  eines  Vocals  in  die  Consonanten- 
gruppe;  dies  geschieht  meistens  bei  solchen  Consonantengruppen, 
deren  zweiter  Bestandtheil  eine  Liquida  ist. 

kr-:  kereh  :  crepe^  kernnete  :  clarinetto.  Die  Insel  Kreta 
heisst  js^^  neben  j^,jS\. 

kl-:  kallnos  :  ylavög,  kilid  :  nleTöa,  U Hisse  :  htytXrjGia, 

tr-:  terapeza  :  TQüCTTS^a,  terages  :  TQayog,  tirifilcet :  trlnchetta. 
Vgl.  den  Stadtnamon  dJU^y  terxala  :  TgUaXa. 

pr-:  pirthulu  :  nQÖ7rohgy  paracol  :  bracciuolo. 

j)l-:  pilalci  :  TvlcrKrj  ^  pelatine  :  platina,  pelanja  :  /r^crwa, 
pslan^ete  :  planchttte. 

fl-:ßlamur  :  (pXafiovQtyfelun'a  :  (pXwQiffelnri :  q)X(0Ql,ßlama : 
flamma.  Ilieher  gehört  auch  das  durch  Vermittlung  des  bulg. 
flinta  aus  dem  Deutschen  stammende  3JJJSfiluita  ,kleines  Jagd- 
gewehr'. Barb.  II,  427. 

gr-:  gurus  :  grossus^  geram  :  grmnme, 

br-:  horos  :  hroche^  herage  :  braga,  beranda  :  branda,  berasia  : 
braccia. 


Tftrkiscbe  Studien.  I.  17 

Ausserdem  in  betaris  neben  ipteri  :  TVTBqig,  sikerlet  neben 
isUerlet  :  scarlatto,  suturlab  neben  usturlah  :  doTQoXdßog, 

3.  Bei  Consonantengmppen;  deren  zweiter  Bestandtheil  eine 
Liquida  ist,  kann  Umstellung  der  Liquida  mit  dem  folgenden 
Vocale  eintreten.  So  in  terpan  :  dqen&viy  ferkata  :  fregata  (gr. 
tpeQY(kda)y  gwräaia  :  crocettay  perJcende  :  brigantino. 

4.  Die  Consonantengruppe  wird  durch  Verdrängung  eines 
Consonanten  erleichtert.  So  in  fanila  iflanella;  hier  ist  Dissi- 
milation von  dem  zweiten  l  mit  im  Spiele.  9iinger  :aq)Ovyy&qi.  la- 
ttaria  :  ßhxaxAqi.  Vgl.  das  aus  dem  Slavischen  stammende 
ladika  neben  vladika. 

Wie  übrigens  dem  Osmanli  selbst  in  echt  türkischen 
Wörtern  doppelconsonantischer  Anlaut  nicht  ganz  fremd  ist 
{brakmak  ,wegwerfen',  tra>i  etmeU  ,rasiren*),  besonders  in  vulgärer 
Aussprache  (vgl.  Blau  a.  a.  O.  38),  so  kommt  er  auch  in  Lehn- 
wörtern vor,  z.  B.  trampa,  trampeta,  trapeza  neben  terapeza  u.  s.  w. 
Die  Stadt  Trapezunt  heisst  ^«»j-?^  ^j^^,  gesprochen  trabzun 
und  iarabozan,  Ueber  das  Verhalten  der  nördlichen  Türkdialekte 
zu  zweiconsonantischem  Anlaut  vgl.  Radioff,  Phonetik  170  ff.  Er 
ist  hier  in  einheimischen  Wörtern  meist  durch  Ausfall  eines 
Vocals  später  entstanden  und  wird  in  Lehnwörtern  durch  die- 
selben Mittel  beseitigt  wie  im  Osmanischen. 

Vorschlag  eines  VocäIs  stellt  sich  auch  bei  r  ein,  ,welches 
als  Anlaut  im  Westtürkischen  nur  mit  Hilfe  eines  vorgesetzten 
Vocals  ausgesprochen  werden  kann'  (Vämb^ry,  Etymologisches 
Wörterbuch,  S.  XVI).  Dies  gilt  nur  von  der  Volkssprache;  die 
Sprache  der  Gebildeten  kann  anlautendes  r-  sprechen,  wie  auch 
die  Schrift  den  Vorschlagvocal  nicht  consequent  ausdrückt.  In 
arabischen  und  persischen  Wörtern  ist  ^  häufiger  Anlaut,  und 
auch  ausserhalb  dieses  Kreises  spricht  man  ^^^  i^m  und  urum 
,Römer',  ,^^^  rus  und  urus  ,Russe',  ruba  und  uruba  aus  it.  roba, 
rial  und  irial  aus  span.  real. 

Inlautende  Consonantengruppen  sind  nichts  Ungewöhn- 
liches. Bei  solchen  mit  einer  Liquida  hat  sich  manchmal,  ganz 
analog  den  Verhältnissen  in  den  arischen  Sprachen,  ein  Vocal 
entwickelt,  so  dass  z.B.  aus  xiatgov  kestere,  aus  (povqvog  furun 
geworden  ist.  Aehnlich  tanida  neben  tanta  =  it.  tenda.  -gr-  zu  -r- 
in  ainarit  :  avvayqlda;  -vr-  zu  -v-  in  ivatine  :  äßq&iovov,  zu  -r-  in 

SitzvBgsber.  d.  phiL-hist.  Ci.  CXXVm.  Bd.  1.  Abb.  2 


18  !•  Abhandlung:    Mejer. 

suturis  neben  setevi'is  :  a€Ti(^)ßQcg,   axter is  :  dxTdßßqig,   dagegen 
aber  pedavra  :  Ttiravqov, 

Umstellung  der  Liquida  im  Wortinnem  zeigt  sich  neben  j 
in  %ojrad  neben  x^'^j^^  ^^^  X^Q'-^VSf  pojraz  neben  porjaz  aus 
ßoQiägy  baljos  neben  bajlos  aus  bailo.  Aehnlich  zelve  aus  ^evla 
^edyla.  Beim  Nasal  ^U  nianja  =  Mainaj  die  gr.  Mdyfj  ge- 
nannte Gegend  des  Peloponnes.  Zu  vergleichen  ist  hajrak  harjak 
,Fahne',  bajram  barjam  ,Fest',  aderbidianisch  'arvat  statt  'avrai 
jFrau',  Kerpi  statt  Köprü  ,Brllcke'.  Vgl.  Vämb^ry,  Etymologisches 
Wörterbuch  XVU;  Zenker,  Grammatik  der  türkisch-tatarischen 
Sprache  XIV.  Auch  yiimrülc  aus  ytovfUQXioyf  also  für  *yünmrK 
ist  in  diesem  Zusammenhange  zu  erwähnen. 

Dissimilation  zweier  r  liegt  in  silistra  aus  avqiazqa  vor, 
die  gleiche  Erscheinung  bei  zwei  fi  in  torina  aus  Tovviva,  Wie 
Nasal  und  Liquida  bei  Dissimilationen  sich  vertreten,  zeigen 
die  romanischen  im  Et.  Wtb.  d.  Alb.  S.  300  unter  ndsroü  zu- 
sammengestellten Beispiele. 

Was  die  Vertretung  einzelner  Laute  anbetrifft,  so  ist  etwa 
noch  Folgendes  zu  bemerken. 

Griech.  d-  ist  ttirk.  t  (o  und  i>);  z.  B.  isJcits  :  (rxor^i,  aterine : 
ä&SQivay  matis  :  /.lidvoog,  temel  :  d'€^hoy,  tolos  :  diilog^  kavata : 
xaßd&a,  talaz  :  d-dkaaaa.  Das  /  in  logofet  :  Xoyo&errjg  weist 
deshalb  auf  russische  Vermittlung,  vgl.  oben.  In  ^^*b\  ajaslug 
,Ephesus'  aus  ^'Ayiog  Qeolöyog  ist  &  durch  das  arabische  ^, 
das  ist  arabisch  =^  &,  wiedergegeben;  entsprechend  d  durch 
>  in  j\S^  gajzar  aus  yatdagog. 

Griech.  tc  ist  türk.  <^  in  fendek  aus  7tovti%6v  und  aus 
navöcmelovy  festek  aus  7tiGr&Y.iov,  faraklit  aus  7ta^yXr^Tog;  vgl. 
fulja  aus  it.  Puglia.  Ebenso  ist  ß  (=  v)  wiedergegeben  in 
fesli^en  :  ßaailixöv,  fe^^  :  ßovral,  ferfjun  :  Bi)q>6qßiov,  vgl.  fotin : 
bottini,    v-j  für  ß  deutet  auf  gelehrte  Herkunft. 

ts  wird  ^:  ^apa  :  zappa,  dukal  :  raovycdh  ,  öinko  :  zinco, 
poliva  :  polizza,  ma^una  :  mazzmia.  Die  slavische  Deminutiv- 
endung -ica  erscheint  als  -i^a  oder  -idita  (Miklosich,  Slav.  Ele- 
mente 25)  und  ist  an  ein  romanisches  Wort  angetreten  in  im- 
percUorÜa  ,Kaiserin^ 

k  ist  durch  Assimilation  zu  t  geworden  in  titre  :  ueägia; 
8t  zu  sk  in  patiska  :  batista,  koptcska  :  kapusta. 


Tlr«ts:äK!  Svm.^o.  1.  11) 


/  erscheint  ^  r  in  pUtoc  JPistole\  was  auf  ein  slavisches 
Medium  i  deutet.  Für  n  ist  /  eingetreten  in  lo\los  :  yoro^> 
womit  ^^-äI  ftr  „j^^-äS  zu  vergleichen  ist. 

In  der  Tranicscription  der  türkisehen  Laute  iH^zoichno  ich 
den  .unbestimmten  Vocal'  mit  e«  die  Zischlaute  st^  ^j-»  ^  nüt 
*»  3  ;  J»  »  mit  r,  ±  mit  >.  -^  mit  f,  c  mit  t%  r  mit  </i:  -  und 
^mit  /.  s  mit  ä,  im  Auslaute  gar  nicht,  ^  mit  k\  ^  mit  </, 
jf  mit  if,  ^J  mit  </.     Das  Uebrige  ist  st»lbstverständlich. 

Es  folgen  nun  die  Wortverzeichnisse  in  folgt*nden  .Ab- 
schnitten: I.  Vr»geL  IL  Fische  und  andere  Wasserthiere.  lll.  An« 
dere  Thiere.  IV.  Pflanzenreich.  V.  Mineralreich.  VL  IVr 
Mensch,  seine  Eiirenschaften  und  BeschHftijrunsren.  VII.  Der 
Körper  und  seine  Krankheiten.  VIII.  Natur,  Land,  Stadt. 
IX.  Haus^  Wohnung.  X.  Hausgeräth.  XL  Handwerke,  OerÄthe 
u.  ä.  XÜ.  Gefasse.  XIII.  Kleidung  und  Schmuck.  XIV.  Stolfc. 
XV.  NalirungsmitteL  XVI.  Ackerliau,  Viehzucht.  XVII.  Spiele 
und  Künste.  X\TII.  Handel  und  Verkehr.  XIX.  Münzen, 
Hasse,  Gewichte.  XX.  Christliche  Kirche.  XXI.  Staatswesen. 
XXU.  Mihtärwesen.  XXIII.  Seewesen.  XXIV.  Verschiedene 
Neologismen. 

I.  V«gel. 

&imLaj  bekasa  Bilguer  28,  bekatsa  Loebel  18S  ,Schnepfo*: 
it.  becaccia,  venez.  hecazzoy  ngr.  ^nexaraa, 

jjÄ, j3 Jo  bedenos  ,Art  Vogel  mit  einer  Haube'  Bianchi  I  337 : 
ngr.  Tfersivög  heisst  nur  ,HahnS  und  dies  bedeutet  das  Wort 
auch  im  Osttürkischen  nach  Pavet  de  Courteille  157, 

ÄxiLi  fanta  ,nom  d'origine  ötrangfcre  qui  s'appHque  ii  un 
oiseau  au  plumage  bleu,  de  Tordre  des  passercaux'  Barb.  11  398 : 
gr.  tparira  ,Hänfling'  Pandora  VIII  422  aus  it.  fanetto  ,canna- 
bina  linota'  Giglioli  I  82. 

ftj%JU  fduria,  feloi'JQy  florja  ,Goldammer,  emberiza  citri- 
nella'  nach  Jussuf,  richtig  oriolus  galbula:  gr.  (pXtoQi  Bik.  Vyz. 
,loriot,  verdier'  neben  x^^^Q^^^'  >loriot'  Legrand,  agr.  x^^^Q^^^ 
xXiOQig,  Ind.  Arist.  851,  wo  aus  Erhard,  Fauna  der  Cykladen 
44,  20  ngr.  q)i6Qi  angeführt  wird.  Auf  die  Form  mit  cp  ist 
vielleicht  schon  Suidas  II  1516  Bemh.  zu  beziehen:  q)X6Qog,  td 

SQveoVf  diä  TOv  o  lAingof). 

2* 


20  !•  Abhandlung:    Meyer. 

^^w^^  Jü»  filordHn  ^oiseau  de  la  famille  du  pinson'  Barb. 
II  427 :  wohl  it.  fringuello,  wovon  Giglioli  I  52  die  dialektischen 
Formen  frungilloy  frongillo,  filinguello  u.  a.  anführt. 

aüjCwut  isicite,  isHete  ^kleiner  Vogel,  arab.  L^'  Barb.  I  55; 
nach  Juss.  483  ,serin  vert^-  gr.  ayxx&i  ,tarin^  (,Zeisig')  Vyz. 
aus  agr.  äytav&lg. 

VaJuumI  ispinoz  ,Fink':  gr.  OTtlvog  dass. 

j,<yjujJU  kaluiisj  nach  Barb.  II  471  eine  Art  Möwe  mit 
essbarem  Fleisch,  nach  Jussuf  525  , Wasserhuhn^,  ,fulica':  wohl 
it.  galinazza  (de  mar)  Giglioli  I  580;  oder  einfach  gallina  mit 
griechischem  Plural  -eg. 

au*  Li  kanarja  ,KanarienvogeP:  ngr.  yiavaQt]  vom  Plural 
TcavdQia» 

^j^^yjjji  kuknus  ,wunderbarer  Vogel,  Art  Phönix'.  Barb. 
II  568  vermuthet,  das  Wort  sei  lediglich  die  Transscription  des 
gr.  xvxvog,  und  weist  darauf  hin,  dass  in  den  Sagen  von  diesem 
Wundervogel  sich  Züge  finden,  die  an  den  Gesang  dos  sterbenden 
Schwanes  ebenso  erinnern  wie  an  den  Tod  und  die  Wiederkehr 
des  Phönix.  Unrichtig  ist  auf  jeden  Fall  die  Ansicht  Barbier 
de  Meynard's  II  567,  dass  auch  ,^y>»  ^^  kogii  , Schwan'  aus 
griech.  Y.v%vog  stamme,  denn  das  Wort  findet  sich  auch  sonst 
in  den  türkisxihen  Sprachen:  osttürkisch  ^iyJ  ,cygne'  Pavet  de 
Courteille  433;  tat.  y>  kü  ,Schwan%  uigur.  y»y»  ,Wildgan8' 
Budagov  n  85. 

Jiyü  kuku  ,Kukuk'  ist  ein  lautnachahmendes  Wort,  das 
nicht  aus  den  occidentalischen  Sprachen  entlehnt  ist. 

^syi  lori  , rother  ostindischer  Papagei',  ,psittacus  lori'  Barb. 
II  707 :  frz.  lori  dass.    Das  Wort  ist  natürUch  ein  fremdes. 

.^XfO  marti  ,Eisvogel,  alcedo  ispida':  it.  martin  pesca- 
fore  dass. 

^IxLL),  (jLiAj  papagan  , Papagei'.  Es  ist  fraglich,  ob 
dieses  fremde  Wort  aus  den  europäischen  Sprachen  ins  Tür- 
kische gekommen  ist. 

aJLj^  pupla  , Flaumfeder'  Barb.  I  412:  gr.  7Covjiovlov 
, Flaumfeder,  Mik'hhaar',  das  wohl  romanisch  ist.  Vgl.  Et.  W^tb. 
d.  Alb.  358,  wo  Meyer -Lübke  pavesisch  pupla  ,mazzochio' 
nachgetragen  hat.    Unrichtig  Mi.,  Nachtr.  II  15. 


Tftrkische  Stadien.  I.  21 

yAjiC  »akr  ,Falke,  Sperber^  Bianchi  II  114:  arabisch,  aus 
lat.  sacer.    Hehn,  Kulturpflanzen*  526. 

,j**^Li9  tavivs  ,Pfau^  Barb.  II  271.  Aus  dem  arab.  oder 
})ers.  ,^_5^^.  Dies  ist  das  griech.  raco«;,  über  dessen  Ursprung 
Benfey,  Wurzellexikon  II  236;  Hehn,  Culturpflanzen  304  ge- 
handelt haben. 

^•JLfctv  zaganos  ,oiseau  de  chasse,  du  genre  faueon'  Barb. 
II 34,  der  an  griechischen  Ursprung  denkt.  Ich  weiss  kein 
griechisches  Wort  zur  Vergleichung ;  Taixviägy  an  das  man  allen- 
falls denken  könnte,  ist  nach  Bik.  14  ,Reiher',  das  ihm  ent- 
sprechende agr.  TiVKviag  wird  mit  ,weisser  Adler^  erklärt. 


II.  Fische  und  andere  Wasserthiere. 

t>^Ü^t  axtapod,  extapot  ,Art  Polyp^,  auch  ,Polyp'  und 
jKrebs^  als  Krankheit:  d'/raTtödt  ,Polyp^  ==--  duTartödi  DC,  (JxTor- 
Tiödrjg  bei  Nikandros.     Alb.  aftap6&^  eftap6&,  bu.  se.  nhtapod. 

Lijl  ama  ,Sardelle'  RadloflFI243:  frz.  anchois  ,Sardelle^, 
,Anchovis^ 

2Uj^'t  aterine,  nach  Zenker  7  b  atrana  ,atherina  hepsetus, 
Aehrenfisch':  gr.  ä^eqiva  ,halvet,  ^pi^,  agr.  id^eqivrj. 

xjJU  balena  , Walfisch':  it.  halena.  Aus  gr.  cpoXiavog 
stammt  ,^^^U  faUonos  ,baleine';  ,c^est  le  nom  scientifique  que 
les  auteurs  turcs  donnent  k  ce  c^tac^'  Barbier  11  398.  Ueber 
(pdhavogy  das  gewiss  von  q)dXaiva  stammt,  sagt  Vyzantios  497: 
jXrJTog  TÖ  StcoTov  q}aiv€i:ai  ivlors  elg  rdv  ©^^xixdv  BÖOTtOQOV^^  er 
ist  geneigt,  darin  den  Pottfisch  oder  den  delphinus  phocaena 
(Meerschwein)  zu  sehen. 


juüa^^U  harhunia,  barboiiie  ,Meerbarbe':  it.  harhone,  ,mullus 
barbatus^  Die  türkische  Form  stammt  zunächst  aus  dem  Plural 
von  gr.  fXTtaQfiTtovvL, 

^•JLcLä.  ^agaii08  ,Seekrebs^  Du  Gange  hat  xl^ayavdg 
,cancer'  aus  dem  Schol.  zu  Oppian.  Hai.  I  280:  xor^xr^of,  idim- 
Tixcjg  rl^ayavoL  Der  Ursprung  des  Wortes  ist  unklar,  das  von 
Du  C.  angeführte  span.  zangano  existirt,  wie  es  scheint,  in 
dieser  Bedeutung  nicht.  Budagov  I  477  nimmt  ft\r  das  tür- 
kische Wort  griechischen  Ursprung  an.  taayavdg  , Krabbe'  wird 


22  !•  Abhandlung:    Meyer. 

Syll.  VIII  604.  IX  353  aus  Konstantinopel  und  Kesan  (in  Rume- 
lien)  angeführt,  raayava  f.  ebenda  XVUI 168  aus  dem  Pontus. 

\%>^i^  ^i'TOz  ,seombre  s^ch^  au  soleil';  tibertragen  von  einem 
sehr  mageren  Menschen.  Jussuf  1327.  Ist  der  bei  Theod. 
Prodromos  I  28  Legrand  =  I  96  Korais  vorkommende  Tovgog, 
von  Legrand  mit  ,maquereau^  übersetzt,  von  Korais  als  (Ty.o^- 
ßqiov   ezi  ^itcqöv  Ttaarcj^ievov   erklärt;  aus   agr.  aiuQQÖg  ,hart^? 

^LaJIo^  ^LJLb  dalian,  talian  ,sorte  de  cahute  en  bois 
dispos^e  sur  V  eau  pour  prendre  le  poisson^  Barbier  I  727, 
n  267:  gr.  raXiavi  ,vivier,  piscine^  Ich  vermag  nicht  zu  ent- 
scheiden, welche  Sprache  die  entlehnende  ist;  das  griechische 
Wort  ist  im  Griechischen  fremd. 

^jiÄJt>  delfin^  dülfin  ,Delphin^,  Zenker  433  b:  it.  delfino, 
ngr.  dslcpivL. 


V^r^si'    «jf^«^  ,grosses    Netz   zum  Fischfang':    gr.    y^iTiog 
,Fi8chernetz^     Vgl.  kroat.  grip,  bu.  sc.  gHh  ,Netz'. 


jOsyL**!  eskorpit  ,Meerscorpion^,  ,scorpaena^:  gr.  ayLoqnldi, 

j  jM**—^  eskumru,  uskumru  ,Makrele':  gr.  axov^TtQi,  agr. 
axöfißQog.     Daraus  auch  lat.  scombery  it.  scombro. 

äJuuu««*ä.  xorospine  ,poisson  large  et  plat,  d^aspect  dös- 
agröable  et  qui  frötille  bcaucoup^  Barbier  I  699;  nach  Jussuf 
427  ,Mcer8chwein',  ,delphinus  phocaena^  OflFenbar  fremd;  ver- 
dorben aus  yovQOvvöxpaQOv? 

(jM^x^AMbjl  ipsoros  Art  Fisch,  den  die  Lexicographen  nicht 
näher  bestimmen.  Nach  Barbier  I  7  aus  gr.  tfJuQog.  Ein  solches 
neugriechisches  Wort  existirt  nicht;  xjJcxQi  ist  der  allgemeine 
Name  für  ,Fisch',  den  man  hier  schwerlich  erkennen  darf. 

^\Lua/I  isparij  espari  ,Meerbrasse^ ;  ,sparu8  Salvani^'  gr. 
OTidQog,  wahrscheinlich  zunächst  aus  einer  Deminutivform  artaqL 

viLjüju«!  ispindik  ,poisson  a  Ifevres  plates,  de  Tespfece 
du  e^j^'  Barbier  I  47.    Gewiss  fremd. 

(j*#^*LuA*l  istakos,  estakos  ,Hummer',  auch  ,Flusskreb8' : 
gr.  OTOKÖg,  aus  daiaTuig  ,Hummer^ 

Js^LXaaiI    istavrit,    nach    Jussuf   487    ,sansonnet',    nach 


Barbier  I  49  ,poi8son  qui  a  sur  le  dos   une   espicc   de   croix': 
gr.  azavQitrjg,  das  ich  aber  als  Fischname  nicht  nachweisen  kann. 


Tflrkiscbe  Stadien.  I.  23 

JLjCs« wUmI  istrongilo,  nach  Jussuf  498  ,girelle',  Art  Lipp- 
fisch: gr.  (STQoyyvXay  für  das  bei  Vyzantios  452  die  Bedeutungen 
^endole*,  ,girelle',  ,cagarel',  ,susole',  angegeben  werden. 

auJu^JUut  istridia,  estridia  ,Auster^:  gr.  avqidiy  , Auster' 
aus  dcTgidiov;  vom  Plural. 

Ju%Lo\t  tzmarid  , Meergründling':  gr.  (Tf^aQida  ^smaris  vul- 
garis', agr.  afiaQig. 

\«^Uü,  \yjo\ji\ji  jakamoz  ,phosphorescence  que  laissent  voir 
certains  poissons  pendant  la  nuit'.  Jussuf  1247 :  gr.  *  dia%a^6g 
(von  nuxlw)? 

^\Jqj3  kajtas  ,baleine,  c^tac^',  Barb.  II  596.  Wohl  gr. 
x^og;  aber  die  Lautgestalt  des  türkischen  Wortes  ist  sehr 
befremdlich.    Gelehrtes  Wort? 

nUJLs  kalamar  ,Tintenfisch' :   gr.  xaka(.idQi;    it.  calaniaro. 

jj*.yuJL5  kalinos  ,Wels,  silurus  glanis',  ein  Süsswasserfisch : 
gr.  yXavdg  Bik.,  yhxvog,  bei  Vyzantios  auch  yovXiavög;  agr.  yhivig 
oder  yXavig.  Den  Lauten  entspricht  besser  yX^vog,  yXtvog  Vyz.  95 
jbaveuse,  boujaron'. 

I^wla^  kanboty  kunbut,  nach  Barb.  11  540  ,mugil  cephalus': 
aber  cabot  oder  chabot,  das  er  sowohl  als  auch  Jussuf  529  als 
den  französischen  Namen  des  Fisches  angeben,  ist  vielmehr 
,cottus  gobio',  ,Kaulkopf^.  Der  türkische  Name  ist  aus  einem 
dem  frz.  caboty  chahotj  port.  chaboz  entsprechenden  italienischen 
Worte  entlehnt. 

jjmJojU  karidis  ^Meerkrebs':  gr.  TtaQida,  agr.  naQlg  jkleiner 
Seekrebs'.  Vom  Plural  ytagideg, 

\ykiyS  koljoz  ,Art  Makrele':  gr.  7U)Xuigy  agr.  xoXiag  ,scomber 
scombrus'. 

JUS'  Uefal  ,mugil  cephalus':  gr.  yUqfalog  dass.  Eine  Ab- 
art heisst  JU5  Ji. 

Si>%5^  laicerda  ,eingesalzcner  Thunfisch':  gr.  laxigda  aus 
lat.  lacerta,  das  auch  einen  der  Makrele  ähnlichen  Seefisch, 
den  Stöcker,  bezeichnete.  Korais  ^!ATceycTa  IV  277. 

ÄJuuiJ  lapina  ,roth  und  grün  gesprenkelter  Fisch  mit 
schlecht  schmeckendem  Fleisch':  gr.  Xarciva  ,tanche'  Legrand, 
d.  i.  ,Meerschleie',  labrus  tinca.  Bei  Bik^las  26  Xi^naiva  ,creni- 
labrus  lapina'. 


24  I-  Ahbaodlnng:    Meyer. 

vj^  J  leoreJc  ,Seewolf,  ,anarrhichas  lupus':  gr.  Xaßqdm  ,loup- 
marin^,  agr.  laßga^. 

\yxjyyÄjJ  Ukortnoz  ,Art  Meeräsche'  Barb.  11  710;  nach 
Jussuf  659  jgeräuchcrte  Meeräsche':  gr.  Xvhoqqivi  ,inulet  blanc' 
Legrand,  IvxovqqIvi  oder  IvnovQQivog  Vyz.,  der  hinzufügt  ,7ioiv6- 
TBQOv  dvo^&tovtai  xä  ^fjQä  i]  xxxTtviarä  •KBq>ak6iT0vhx  (Meeräschen)'. 

^.LuJ  lipari  , Fisch  aus  der  Familie  der  scombri':  gr. 
kmagig^  Bik.  27  nach  Belon. 

JfcJ  livar  , Fischbehälter':  byz.  ßißdqiov  aus  lat.  vivarium. 
Ngr.  hßdgi  aus  dem  Türkischen. 

jiJ  lufer^  Ulf  er  ,Art  Thunfisch':  gr.  XovcpaQiy  yovifctqi 
ylichia  amia'  Bik.,  ,bonite,  boniton'  Legr.  Vyz.  Berühmt  waren 
schon  im  Alterthum  die  bei  Byzanz  gefangenen  diiiai.  Der 
Name  stammt  von  yd^upoq, 

jw«  ^^y^  fiierlanoH ,  Weissling,  gadus  merlangus' :  it.  merlano. 

%jywv^i^  mürsin,  mersin  ,Stör,  acipenser  sturio'.  Ngr.  fUQffivt 
stammt  aus  dem  Türkischen.  Zu  Grunde  liegt  aiieqvva,  Gj^ivgiva, 
Nebenform  von  ^lovgovva,  ,esturgeon',  s.  u. 

2L>Juo  midja  ,Muschel':  gr.  fivdiy  Deminutiv  von  juuv:,  wie 
frz.  moule  deutsch  Muschel  =  musculus  ist.  Das  türkische  Wort 
ist  vom  Plural  gebildet. 

aUb\^  morina  ,Muräne',  ,muraena  helena  und  m.  conger', 
auch  ,Kabeljau',  ,gadus  morhua':  ngr.  fiovQOvva  (aiuqvva,  a^vQiva) 
aus  agr.  ^igana  ist  nach  Bik.  ,muraena  helena',  nach  Vyz. 
,esturgeon'. 

\«JU^«J  orJcinoz  ,Butzkopf,  delphinus  orca':  ngr.  öq%vvoq 
,tonno'  Somav.  454,  agr.  b'gxvgy  Sgyivvog  ,grosse  Thunfischart'. 
Vgl.  alb.  or^Üiiy  regün  Etym.  Wörterb.  316.  Die  für  das  Grie- 
chische angegebenen  Bedeutungen  sind  ungenau ;  vgl.  auch  Bonitz, 
Ind.  Aristot.  525. 

%*5^Lj  paöuz  ,espfece  de  gros  muge  ou  mulet'  Jussuf  933, 
also  mugil  cephalus  oder  muUus  barbatus.  Erinnert  an  gr.  rtaraög 
,8tumpfnasig'  Korais,  At.  V  280. 

Äj^^xL)  paguria,  paguHe  ykri  kleiner  Taschenkrebs':  ngr. 
TcayovQi  ,6crevissc  de  mer'  von  agr.  Ttdyovqog.  Vom  Plural 
gebildet. 


Türkische  Studien.  I.  25 

ö y/o)^[ji  palamvd  ,scoinber  pelamys  (Bonito)^  oder  ,8comber 
thynnus  (Thunfisch)':  ngr.  naXa^ida  von  agr.  TrrjlaiJvg. 

äioyjOkji  peiota  , Fisch  aus  der  Familie  der  scombri':  ngr. 
rteraovda  ,grosser  Thunfisch'.  Der  Name  bedeutet  ,ein  grosses 
Stück'  und  ist  ein  Augmentativum  zu  dem  Deminutivum  nsTGOvöt 
(vgl.  Hatzidakis,  Einleitung  in  die  ngr.  Grammatik  93.  364), 
das  von  it.  pezzo  stammt.  Auch  rthaa  und  Ttevai  gehören  dazu. 

aUjy^^  pelatrine,  platrina  ,poisson  de  la  famille  du  muge 
DU  mulet'  Barb.  I  405.  Jussuf  958 :  ngr.  ist  TtlatLtaa  der  Name 
einer  Art  mutet  (Vyz.  388),  doch  das  kann  nicht  die  Quelle 
des  türkischen  Wortes  sein.  Man  ist  versucht,  an  ein  gr.  *  Ttla- 
Tv^ivog  zu  denken:  derselbe  Fisch  heisst  geräuchert  kvnoQQivi, 
8.  o.  unter  jyo^yLJ. 

^1^5)ü  pilaUi  ,Art  Fischgericht  mit  pikanter  Sauce':  ngr. 
rricfxij.  Vyz.  388. 

jyyjuu  pines  ,Art  essbare  Seemuschel':  gr.  Ttirva  ,Stech- 
muschel'.    Die  türkische  Form  ist  der  Nom.  Acc.  Plural  nlvveg, 

fct^i  pisi  ,turbot  ou  barbue'  Barb.  I  400,  wohl  ,pleuro- 
nectes  maximus'.  Ist  nach  Barb.  it.  pesce  (venez.  pesse):  der 
Fisch  soll  pesce  di  mare  heissen. 

ikkX^s  ringa  ,Häring':  it.  aringa;  daraus  auch  ngr.  dqiyya, 
^iyya. 

^^yA'ik^  salamon  ,Lachs,  Salm'  Zenker  572c:  it.  salamone. 
Aus  dem  Türkischen  ngr.  aaXapuiv  Legrand. 

ift>\LAw,  LJ4>^Lö  sardela,  sardelja  ,Sardelle':  it.  sardella, 
gr.  aaQÖlXXa.  Die  zweite  Form  ist  Plural  aaqdeXXia  von  aagdelXi, 

Äj^Lo  sarpa  ,Art  Fisch'.  Jussuf  1025:  it.  sarpa  ist  sparus 
salpa,  Goldstrich. 


vao^LjU^  sinarit  ,8orte  de  requin'  Jussuf  1069:  gr.  (Tvva- 
ygida  ,8parus  dentex,  Zahnbrassen'  aus  agr.  avvayQig. 

Luum,  ü^yM^  sipia,  sübje  ,Tintenfisch':  ngr.  arjTCid,  aovjtid 
aus  agr.  arjma. 

yS^y^  sünger  ,Schwamm':  ngr.  aq)ovyy(XQi  von  agr.  aq>6yyog. 

jüUyfc  tsrpaiie  ,Art  Haifisch'  ,dont  la  queue  se  termine 
en  faucille'  Barb.  II  283:  also  offenbar  gr.  dq&Trdvi,  obwohl  ich 
dies  als  Fischname  nicht  nachzuweisen  vermag. 


26  '•  Abbandluug:    Meyer. 

^..y^^'s  tirxos  ,Sardclle':  gr.  tqix^Q}  ^^*X^^  ,8ardiiie',  agr. 
TQixiag,  TQiXig- 

xa\  vf  U  traxonjay  traxunja  ,Art  Fisch  aus  der  Familie  der 
ßcombri*:  man  kann  an  trachinus  draco  denken,  gr.  dQdxaiva 
oder  dQaxaivig  (vrelleicht  ein  Deminutivum  *  ÖQaxainoy?)  oder 
an  den  von  den  Alten  TQaxoi^Qog  genannten  Fisch. 

&xJsy^  torina,  tv/rina  ,Art  Delphin':  ist  wohl  gr.  zovvLya 
aus  it.  tonnina  ,Thunfisch';  die  Bedeutung  wäre  dann  ungenau. 
Vgl.  übrigens  zu  dieser  Verschiebung  der  Bedeutung,  sowie  zu 
der  Dissimilation  des  ersten  n  gaUzisch-portugiesisch  touliiio  ,del- 
phinus  phocaena,  Meerschwein'. 

^j  tüny  tun  ,Thunfisch':  gr.  dvwog.  Das  Wort  ist  aus 
dem  Griechischen  bereits  ins  Arabische  und  von  da  ins  Tür- 
kische eingedrungen.     Arabisch  neben  ,j^y  auch  ^^y^* 

)JoU  vatoz,  nach  Barb.  11  837  eine  Art  Haifisch,  nach 
Jussuf  1227  eine  Art  rhombus  (turbot):  ngr.  ßdtog  ,Stachel- 
roche',  ,raja  pastinaca';  vgl.  Ind.  Aristot.  135. 

lüx^t\  zargana  ,Meeraal,  muraena  conger'  Jussuf  1296: 
ngr.  aaqyQvog,  aaqyüvq  ist  nach  Bik.  ,belone  acus'. 

Occidentalischen  Ursprungs  verdächtig,  aber  mir  vorläufig 
nicht  klar  sind  noch  folgende  Fischnamen:  fU*^b  oder  ^^^^^ 
barsam  oder  varsan  ,poi8Son  de  la  famille  des  scomb^roides' 
Barb.  I  257 ;  ^^^b  barlam  ,gros  poisson  de  la  famille  du  scombre' 
Barb.  I  25i);  ^^^U-o»-  Htari  ,gade'  Jussuf  172;  »yU^  megra 
,poisson  de  la  famille  des  murines;  grosse  anguille'  Barb.  11  806; 
^J^y^  sülna  ,petit  coquillage  de  mer'  Barb.  II  113;  J5f>j>i>  torik 
,petit  päamide'  Jussuf  1195;  ^^^  vunus  ,petit  d'une  espfece 
de   scombre   de  petite  taille'  Barb.  II  846. 


III.  Andere  Thiere. 

xljucc  gaizar  ,Esel'  Bianchi  II  337:  ngr.  ydtdaqog.  Vgl. 
meine  Ausführungen  in  den  Indogermanischen  Forschungen 
I  320f. 

j^.Jyj  hirzun,  hilrzun  , Wallach;  Lastpferd'  Bianchi  I  348: 
arabisch,  aus  byz.  ßovgdußv,  lat.  hurdo,    Fränkel  106. 

.  .vA^Ukj,  ,  .vA^u  pi^n  .kleiner  Affe^  vieux  mot  nach  Jussuf 
955.     Man  denkt  an  it.  piccino  ,klein'. 


Türkische  Studien.  I.  21 

«Jj.  videla  Junges  Kalb';  auch  ,Kalblcder':  it.  vitello 
^Kalb,  Kalbfell',  venez.  vedelo;  ngr.  ßiöiXo. 

v^AjLJLo  saliaiigoz  ,Schnecke':  ngr.  (rcfAtayxog  dass.    Das 
Wort  kommt  von  aialov  ,Speichel,  Geifer',  ngr.  aäku>v. 
Ich  schliesse  hier  an: 

luJ^^,  2üo*Jtt5  kukulja,  kukunja  ,Cocon  der  Seiden- 
raupe': ngr.  Yjoxmov'ki^  vom  Plural.  Vgl.  Etym.  Wörterb.  des 
Alb.  211. 

^•j5jo  pirebulu  jVorwachs,   Bienenharz':    gr.  nqditoXig, 

Ju^Lwo  mürvarid  ,Perle'  Bianchi  II  872:  persisch,  aus 
gr.  ^laQyaQitr^g.     Nöldeke,  Fers.  Stud.  II  44. 

IV.  Pflanzenreich. 

,j**«Jül,  S^üt  abanos,  ahanoz  ,Ebenholz':  agr.  eßevog.  Das 
Wort  stammt  im  Türkischen  zunächst  aus  dem  Arabischen. 
Mi.,  Tu.  El.  15.  Man  vergleicht  hebr.  D-jsn,  das  auch  fremd 
zu  sein  scheint.  Vgl.  Pott  in  Lassen's  Zeitschrift  V  74.  Aus 
dem  Türkischen  ngr.  d^fravd^i  Legrand. 

v^aamoI  absent  ,Absinth'  Jussuf  3:  Neologismus  aus  frz. 
absinthe  für  ^^^U^.  Aus  äxpivd'wv  stammt,  mit  Umstellung  von 
-ps-j  arab.  k-LA-M>\. 

^•jLil  afiuUj  afion  ,Opium':  agr.  Srtiov,  Das  türkische 
Wort  stiimmt  zunächst  aus  dem  Arabischen,  aus  dem  Türkischen 
ngr.  dq)i(bvi  u.  s.  w.  Mi.,  Tu.  El.  I  G.  Nachtr.  I  2.  Anders  Korsch, 
Archiv  für  slav.  Philol.  VIU  047.  ^^\  ebiun  Bianchi  I  13 
stammt  direct  aus  ÖTtiov. 

^•Ju%,£l  agridos  ,e8p&ce  de  daphnö,  Kellerhals,  Seidel- 
bast' RadlofFI  175;  nach  Barb.  I  78  ,daphne  gnidium'.  Scheint 
aus  Tividiov  entstanden. 

^•jyuil  akantiun  ,Distelart'  Bianchi  I  160:  gr.  äytdv&LOv; 
auch  arabisch. 

LumU'I   akasia  .Akazie':  frz.  acacia, 

ly-bLjl  cinanas  ,Ananas':  frz.  ananas. 

^yA00jji\  anisun  Zenker  l  lOa,  bei  Radloff  1 230  ^y**>U\  anason 
,Anis':  mgr.  ngr.  äviaov;  bei  Herodot  IV  71  liest  man  Syyjjaovy 


28  I.  Abhandlung:    Mejer. 

als  attische  Form  wird  üvijd'ov  angeführt.  Arabisch  ist  ^5-vmwÖ\ 
oder  ^y^\^,.  Vgl.  Mi.,  Tu.  El.  I  12.  Nachtr.  I  5.  Korsch  im 
Archiv  für  slav.  Philol.  VIII  649.  Arabisch  sind  dviaovv  und 
Avaadv  bei  Du  Gange. 

XA^J^li^J  aristoloxia  Bianchi  I  54:  äqiaxoXoxict. 

XAAj  J    arnika  ,arnica  montana'  Jussuf  44:  it.  aniica. 
^\jJu^\  asßrad^y  isfiradi  ,Spargel'  ist  persisch;    das  pers. 

Wort  nach  Vullers  I  98  griechisch.  Gr.  äcTTtagayog  ist  selbst 
iranisches  Lehnwort  (awestisch  spareya),  Ngr.  ist  aTtaqdyyi  oder 
äaqtaqayyi, 

^jKtXJL  balderan  ,Schierling'  Bianchi  I  318.  Budagov 
I  237 :  nach  Mi.,  Tu.  El.  I  19  lat.  it.  Valeriana,  unser  Baldrian, 
Die  Bedeutungen  weichen  von  einander  ab. 

JLMflJLi  halsama  Barb.  I  277,  bei  Jussuf  74  (ft-»*Jb  haisam 
jBalsarastrauch' :  gr.  ßdXcra^ov,  it.  balsamo  u.  s.  w.  Das  lautliche 
Verhältniss  von  ßdXcrafiov  zu  hebr.  D\p9  ist  nicht  klar,  vgl.  Benfey, 
Griech.  Wurzellexikon  II  65;  Muys,  Griechenland  und  der 
Orient  25.  Arab.  ^U^Jb  stammt  ebenfalls  aus  dem  Griechischen, 
und  daher  türk.  v^X^L^^Jb.     Vgl.  Lagarde,  Abhandlungen  17. 

^*j^LLu/%L  haHstarion  ,Eisenkraut,  verbena  officinalis^ 
Zenker  160  c  :  gr.  TtSQKTTSQewv, 

\j^y^j-?  barkuk  ,prune  jaune'  Bianchi  I  351:  arabisch,  aus 
byz.  TTgaiytÖMOv,  von  praecox,  woher  Aprikose  u.  s.  w.  stammt. 
Vgl.  Kluge  u.  d.  W. 

y**  JoU  hatos  ,Art  Johannisbeerstrauch'  Bianchi  I  312:  gr. 
ßdrog.     Nach  Ausweis  von  «^  für  ß  gelehrtes  Wort. 

c^«-«x%j  bergamot,  bergamut  ,Art  Birne':  frz.  bergamote. 
Dieses  selbst  stammt  aus  türk.  ^ycj\  v2>o  bej  armude  ,Herren- 
bime'.  Pott  in  Lassen's  Zeitschrift  VII  107. 

U**%Uaj  betaris  oder  \^y^}   ipteri  , Farnkraut':  gr.  nreQig. 

fjjjXLyj  bugals,  ^j>aXty^  buglusun  ,anchusa  officinaUs' 
Zenker  222  an  gr.  ßovylwaaov, 

o«-?  büber,  %-o  biber,  zuweilen  auch  (^v^L^  beberi,  Pfeflter' 
Barb.  I  317.  251:  ngr.  TtiTteqi  oder  Ttinsqi^  agr.  Ttirtegc,  Vgl. 
Loew,  Aramäische  Pflanzennamen  317. 


Tftrkische  Stadien.  I.  29 

AJ^syj  hurandia  ,borrago  officinalis,  Borretsch':  ngr.  HTto- 
QayTGa  aus  it.  barage,  borrace,  vgl.  Strekelj  iin  Archiv  für  slav. 
Phüologie  XIV  517. 

LJI%JUfi^  Htieralia  , Aschenpflanze;  cineraria  maritima^:  it. 
cinerarnxi,  ceneraria. 

&JLi4>  defney  tefne  ,Lorbeerbaum,  laurus  nobilis':  gr.  3aq>yrj. 
Bei  Blau  271  lefne.   Vgl.  Xdqivrj.  ddq)vr] .  Tlegyatoi  bei  Hesychios. 

i^^)^  duralcij  deraKi  ,Art  Pfirsich^:  lat.  persicum  dv/ra- 
cinum.  Das  türkische  Wort  stammt  zunächst  aus  arab.  ^^\^>^ 
und  dies  aus  mgr.  dioQcnLivov;  letzteres  ist  auch,  mit  volksety- 
mologischer  Anlehnung  an  ^öSov,  zu  ^oddiuvovy  ^odayuvöv  (So- 
phoklis,  Lex.  971;  Korais,  At.  I  189)  geworden.  Vgl.  Mi., 
Nachtr.  n  106. 

UmJLoJc  domateSj  tomates  ,Liebesapfel,  lycopersicum  escu- 
lentum':  ngr.  vro^dra,  TO^iäTa  =  span.  tomate.  Vom  Nom. 
Acc.  Plural. 

^^y)  &jL>  JüÄ.  dient iane-rumi  Blau  156,  32,  mit  slav.  Havje 
erklärt,  d.  i.  nach  Öuiek  3ii8  rumex  acutus:  eig.  römische  Gen- 
tiana,  ngr.  yevtiavrj. 

*i1,  yxS\  egir,  Blau  160,  68  ager  ,KaImus',  efiir  Barb.  I  96 
,6algant':  gr.  ü%oqov,  Mi.,  Nachtr.  I  34.  II  111.  Zunächst  aus 
persisch  ^  (VullersI116)  ,acorum'.  Im  Griechischen  wohl  fremd. 

^  «julII  eleniun  ,Alant'  Zenker  92  a :  gr.  iXeviov, 

UuJUol  engelika  ,Engelwurz,  angclica^:  gr.  dyyiXiMx^  äyye- 
linrj.    Barb.  I  128.    Nach  Zenker  108  c  3JiJSj\  angeline. 

^LJuI  enginar  ,Artischocke^  RadloflF  I  736.  Barb.  I  128: 
ngr.  dyyLivdqa, 

^yAMs\  ergamuni  ,Anemone,  Windrose'  Zenker  28  c : 
arabisch,  aus  gr.  dQysficüvr], 

&3^^l  eruka  ,Gartenkres8e'  Barb.  I  40.  Radioff  I  774:  it. 
eruca.  Daneben  äj^^  roka,  aus  ngr.  ^öyta,  ^ody^a,  das  auf  eruca 
zurückgeht. 

&3^^%yuwl  eskuröune  ,SchwarzwurzeP  Barb.  I  55:  it. 
scorzonera, 

^^ju*#lvi  ftrasiun  ,marjolaine  bätarde'  Bianchi  II  359: 
arabisch  ,  wild  er  Lauch',  aus  gr.  ngdaiov. 


30  I*  Abhandlung:    Meyer. 

auJLu^U,  auJ^diai  fasulia  ^Bohne^:  ngr.  q>a(JoiKi  aus  lat. 
phaseolus  und  dies  von  agr.  qxxarjXog.  Vom  Plural  q>aaoiha, 

ijjiXAi  fendek  ,Haselnu8s':  gr.  Ttovrindv  (ndgvov)  dass.  Aus 
dem  Türkischen  wieder  ngr.  q>ovvT(nnu.  Vgl.  Mi.,  Tu.  El.  I  60. 
Pers.  ^jJ^j  arab.  Jj^.  Vullers  11  693.  Fränkel  139.  Der  weiche 
Dental  kommt  auf  Rechnung  der  griechischen  Aussprache. 

yjyf^j^  firfjun  ,Euphorbium^*  gr.  ei>q>6qßiov.  Es  ist  möglich, 
dass  das  griechische  Wort  die  volksetymologische  Umgestaltung 
eines  Fremdwortes  ist.  Arab.  ,^5^^  oder  j^^ ;  daraus  q)aQ(fi6vt, 
bei  Du  Gange.    Pott  in  Lassen's  Zeitschrift  VII  98. 

^^^XL^Ai  fesligen,  feslijen  ,Basilicum':  gr.  ßaaiXiyuiv.  Mi., 
Tu.  El.  I  60.  Mein  Et.  Wtb.  d.  Alb.  44.  Pott  in  Kuhn's  Bei- 
trägen VI  321. 

(3^UMi  festek  ,Pistazie':  arabisch,  aus  gr.  matömiov.  Et. 
Wtb.  d.  Alb.  109.     Persisch 


jjItXi  fidan   junge  Pflanze,   Schössling':    spätgr.   g>vTdyi], 
Dasselbe  bedeutet  ^j^  ßde,  aus  ngr.  (pvreid. 


,^  fisney  viSne  , Weichselkirsche' :  gr.  ßvaaivid.  Et.  Wtb. 
d.  Alb.  473. 

LJ^  fulja  Name  einer  Pflanze,  die  um  1480  aus  Apulien 
nach  der  Türkei  gebracht  wurde,  vulgär  sogaii  ciöeji  ,Zwiebel- 
blume^  genannt.   Barb.  II  434:  it.  Puglia  ,Apulien'. 

^^Jü\Lc  garikun  ,Blätterschwamra'  Zenker  644  a:  gr. 
dyaQiKÖv, 

iU'Xt  gazja  ,Kassie,  mimosa  farnesiana'  Barb.  II  379: 
gr.  xaaala. 

^^-Lj^JJ^   Xondrili  ,chondrilla  juncea':  gr.  x^^^Q^^* 

^^4>  JLu/l  iskardiun  ,wilder  Lauch,  allium  silvestre'  Blau 
163,  17.  Persisch  ^^jk^^jUo\  nach  Vullers  I  99:  gr.  a^uigdiov 
,eine  Pflanze  mit  Knoblauchsgeruch'  zu  a7t6Q(o)dov. 

^yjsiXxi ^}jLm\  iskolofendrwn  Bianchi  I  91 :  gr.  axolo- 
TtevdQiov. 

,jjLUm*I  {sj)anak  ,Spinat':  ngr.  aTravdni  aus  mgr.  (TTtivdrciov 
=  lat.  spinaceum.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  390.  Auch  pers.  5;1>U^\, 
arab.  ^LLLm}\. 


Türkische  Studien.  I.  31 

vJ^umI  istereJc  ßtoreLxheLumy  Storaxharz':  gr.  OTvqa^^  vulgär 
(nv^dnu  Langkavel  64. 

(jM^  Jl&xamI  istoxodos  ,öternelle*  Bianchi  I  89 :  wahrschein- 
lich gnaphalium  stoechas^  also  aus  gr.  aroLX(^gy  *aTOix&dt., 

(jA'yÜLbl  JoaaiI  istraUkos  ,Päonie'  Zenker  48  c :  oflFenbar 
griechisch,  doch  kenne  ich  keine  Bezeichnung  der  Pflanze, 
welche  passte.  Etwa  OTQccTfjyög?  die  Päonie  heisst  auch  ,Königs- 
blume,  Königsrose^ 

xjJo^yj}   ivatine  ,Eberraute':  gr.  ißqö^ovov, 

^^Lo\t  izmaola,  ezmavla,  ezmavula  Barb.  I  44.  Jussuf  281 
,Himbeere',  nach  Barb.  gewöhnUch  eine  ,Art  gelber  Maulbeere' : 
ngr.  a^ovQOv  ,Himbeere',  ,rubu8  idaeus^  Die  Herkunft  des 
Namens  ist  mir  unbekannt. 

^yjsUaJJ  kantarion  ,Centaurea':  gr.  xsvtovqiov.  Zunächst 
aus  dem  Arabischen. 

dJi^yS  karanßl  ,Gewürznelkenbaum,  Nelke'  Barb.  II  511: 
gr.  yLaQv6q)vXXoy;  weit  verbreitet.  Mi.,  Tu.  El.  I  91.  Nachtr.  I  59. 
Das  griechische  Wort  ist  nach  A.  Weber,  Indische  Streifen 
in  121;  Beriiner  Monatsberichte  1890,  S.  912  volksetymo- 
logische Umgestaltung  von  ai.  ka{ukaphalam.  Arab.  J-^Jy»; 
kurdisch  karafil  Justi-Jaba  307.   Unrichtig  Fränkel  144. 

aüjo^jU*  kardimene  ,Kardamome'  Zenker  678  b:  gr.  xaQÖa- 
^IvTj;  die  Bedeutung  bei  Zenker  wird  ungenau  sein. 

ouub^i  karnahit  ,Blumenkohl':  gr.  y^qa^ßiSiOv  von  XQdfißr^, 
für  das  allerdings  diese  specielle  Bedeutung  nicht  nachzuweisen 
ist.  Arab.  ia^y»,  ^-:^-  Vgl.  ngr.  ytowovnidi.  Aus  HQdfißrj 
stammt  s^jS  kurunb  =  lahana  Blau  1G4,  102.  Vgl.  Low, 
Aramäische  Pflanzennamen  S.  214.  Nöldeke,  Pers.  Stud.  II  44. 

{jf'yü^  kemedris  ,Gamander'  Zenker  761  a:  gr.  x^xficcid^g. 

9^\SmS  Kestane  ,Kastanie^:  gr.  Tcaaravea,  xaCTavitk  ,Ka- 
stanienbaum'  -adararov  ,Kastanie';  lat.  castanea  ,Kastanie^  Ueber 
den  vermuthlichen  Ursprung  des  Kastaniennamens  s.  Lagarde, 
Armen.  Studien  Nr.  1115,  S.  75  und  Niichrichten  der  Gott. 
Ges.  d.  Wiss.  1889,  S.  299  flF.  =  Mittheilungen  III  206  ff. 

s%JuM^  HjXmS  kestere,  köstere^  köstere  ,betonica  officinalis' 
gr.  meaTQOv, 


32  !•  Abhandlung:    Meyer. 

sSS  Uiraz  ,Kirsche':  gr.  %Bqdaiov.  Zunächst  aus  arab.  ^^. 

^ojiiLs  kolafun  ^Geigenharz' :  gr.  xoloq)ü)via,  nämlich  ^i^- 
rivrjy  von  der  Stadt  Kolocpwy, 

\Lä11S^  JcuJcnar  ,Art  Fichte'  Zenker  776  c:  ngr.  noimowagid. 
Et.  Wtb.  d.  Alb.  211.  Nach  Vullers  II  919  ist  pers.  ^\JS^ 
,capsula  papaveris',  ,8emen  papaveris'. 

s^aJL5  kuneb  ,Hanf :  gr.  xdwaßig.  Zunächst  aus  dem  Ara- 
bischen, wo  das  Wort  griechisches  Lehnwort  ist.  Low,  Ara- 
mäische Pflanzennamen  348.  Das  Wort  ist  im  Griechischen 
selbst  fremd. 

«ui  lahana  ,Kohl':  gr.  Idxavov,  vom  Plural.  Aus  dem 
Türkischen  kurd.  lahand  Justi-Jaba  377. 

L>*Juu;bf  lastaria  ,Art  grosse  Runkelrübe  oder  Kohlrabi' 
Barb.  II  695:  ngr.  ßXaavdqi,  besonders  ,Stengel  des  Kohls'; 
vom  Plural.  Auch  aslov.  Instarh  ,Knospe',  se.  lastar  junges 
Reblaub',  rum.  lästar  ,Schoss,  Sprössling';  alb.  Tastnr  ,Spross' 
Et.  Wtb.  476. 

sjü^^  lavanda  ,Lavendel':  it.  lavanda,  ngr.  Xeßdvra 
Langkavel  53. 

jjJüuwMyÜ  logostikon  ,Liebstöckel'  Zenker  794  a:  lat 
ligusticum  durch  ein  griechisches  Medium. 

y**^ljjL«ö  magdanos  ,Petersilie' :  ngr.  /laxfidonjct ,  von 
Makedonien.     Et.  Wtb.  d.  Alb.  253. 

LJyjJüo  magnolija  ,Magnülie':  aus  einer  der  europäischen 
Sprachen,  wo  das  Wort  auch  Fremdwort  ist. 

\Ua3Lo     inantar   ,Pilz':    ngr.   ^aviTdqi    von    agr.  d^aviTrjg, 

J^^Lo  marul  ,Lattich'  Barb.  II  715:  byzant.  fiagovliov, 
Sophoklis  Lex.  734,  wo  es  mit  lat.  amärus  in  Zusammenhang 
gebracht  wird.  -ovXiov  wäre  deminutives  -ulltis.  Die  Neben- 
formen (.laiovliov  und  (laiovviov  sind  volksetymologisch. 

^j^juA/j^  mir  sin,  mersin  ,Myrte':  gr.  ^vQaivr].  Daneben  das 
persische  >^^*  rmird  aus  fivQTog,  Aus  dem  Türk.  ngr.  fiegalvi, 
z.  B.  in  Cypern,  Sakellarios  KvTTgiaKd  I  (1890)  254. 

Lyo-Lo  melissa  ,Gartemnelis8e' :  gr.  fieXiaaa,  als  Kurzform 
von  ueXi(T(Toß6iavov  oder  ueXiaaöxoQTOv. 


Türkische  Studien.  I.  33 

dJi^^^yfO  muimula  ^Mispel':  gr.  fiiarttXoy,  Aus  dem  TUrk. 
wieder  ngr.  iiova^vXov,  P^iiie  Contaminationsbildung  ist  ^lova- 
novXov  Korais,  At.  V  223;  ^iova%ovl.ov  Somavera  1  250  b  ist 
Volksetymologie,  vianavqov  ebenda  it.  nespolo. 

3  \j**Syj  nerdiisy  neryis  ,Narzis8o^*    persisches  Wort 


(VuUers  II  1304)  und  dies  aus  gr.  v&Qiuaaog.    Kurdisch  narffisy 
nergiz  Justi-Jaba  418. 

%^^L^I  oxlamury  ij(lcimnr ;  \yja%^^\  oglamur ;  )y^^^ 
ßlamnr  ,Linde'  Barb.  I  24.  II  425.  Radlotf  I  lüOf).  1023:  ngr. 
flafiovQi  ,Linde^  Das  Wort  ist  den  übrigen  Türksprachen 
fremd,  und  sein  wechselnder  Anlaut  sowie  dessen  Qestalt 
scheinen  auf  Entlehnung  hinzuweisen.  Zudem  ist  die  Linde 
kein  asiatischer  Baum.  Aber  ich  weiss  q>Xa^ovQi  nicht  zu  deuten. 
Sollte  das  Wort  türkisch  sein,  so  wäre  von  ixlaviur  auszugehen, 
(pXafiOVQi  daraus  entlehnt  und  dann  als  filnmur  ins  Türkische 
zurückgewandert. 

ÜuLSLuMjrl    oksiakanta    .Berberizenstrauch'    Zenker   78  b : 
gr.  d^anavd'a. 


^  jLi^^t   ortanöay    auuM^Üu^l    ortansia   jHortensie*   Barb. 
I  148.  Juss.  910.  Radioff  I  lOGo:  it.  ortensia,  frz.  hortensia. 


.^1   öicse  ,Vogelleim'  Barb.  I  182:  gr.  t^ög. 

vs^^ÜU,  4>^bfL  jsaZamuf,  palamud  ,Eichel':  ngr.  ßahxvidi. 
Die  Lautentsprechung  empfiehlt  die  Zusammenstellung  nicht, 
die  von  Zenker  herrührt. 

äJ4>ÜLj  papadiay  papatia  ,Kamille':  ngr.  nanadukj  das 
ich  aber  als  Pflanzennamen  nicht  nachzuweisen  vermag.  Rum. 
päpadiie,  se.  papntija.  Vgl.  Mi.,  Slav.  El.  im  Türk.   IG. 

^LlL4«L  pastinaj  ,Pastinake^  Zenker  163b:  \t  pastinaca, 

lü'Ülo  iüli>b  patatSy  hadate  ,KartoffeP:  it.  patata,  ngr. 
nardra.  Der  Name  ist  missbräuchhch  auf  die  Kartoffel  über- 
tragen worden.  Vgl.  Candolle,  L'origine  des  plantes  cultivöes  43. 

yj^.  Pyg^^  ,Raute'  Bianchi  I  432:  persisch  (Vullers 
I  400),  daraus  arab.  ^^yct^.     Aus  gr.  urffavov, 

JjLiÜCo  pentafil  ,potentilla  reptans,  Fünffingerkraut'  Barb. 
n  410,  neben  (arab.)  ^j^JiiU^.  pentaßlion  Bianchi  1  391:  gr. 
7r£vTdq>vXXovy  *7r€VTacpvXXiov, 

Sitzongsber.  d.  phil.-liiBt.  Cl.  CXXVUI.  Bd.  1.  Abb.  3 


34  I-  Abhandlung:    Meyer. 

%b%j  pe^rnavy  JL^^.  pernal  nach  Barb.  I  396  ^Stechpalme^ 
ilex  aquifolium^ ;  ,on  la  confond  quelquefois  avec  le  chene-vert 
ou  yeuse  [quercus  ilex],  k  cause  de  la  ressemblance  de  leur 
feuillage^  Letztere  Bedeutung  wird  von  Jussuf  950  angegeben: 
ngr.  TtQivaQVy  jiovqvclql  von  agr.  Ttqlvog  bezeichnet  verschie- 
dene Eichenarten  (Heldreich,  Nutzpflanzen  Griechenlands  18. 
Fiedler,  Reise  durch  Griechenland  I  520),  schon  TtqZvoq  wurde 
fUr  quercus  ilex  und  ilex  aquifoliura  gebraucht 

LaJw,  L^^W  pizelitty  bizelia  ,grUne  Erbse*:  ngr.  TiiCeh  aus 
it.  pUelfo.  Vom  Plural.  Das  b-  aus  venez.  biso,  biseto,  daher 
auch  ngr.  ^rtil^eh, 

JLäj\«j  portukal  y  portokal  ,Orange^:  ngr.  TtOQToyidXXi. 
Hehn  390.    Mi.,  Türk.  El.  II  42.    Nachtr.  II  14. 

&amIo,   '^^Iy^.  p-rasa  , Lauch*:  gr.  nqäaov^  vom  Plural. 

LaS^K  radiUia  ,cichorium  divaricatum* :  ngr.  ^adUi,  vgl. 
Heldreich,  Nutzpflanzen  28.  Vom  Plural.  Zu  Grunde  liegt 
lat.  radix. 

fJ^^))  rezaki  ,Art  Traube  mit  grossen  Beeren*:  ngr.  ^o^axi, 
^a^cnti  ,Art  weisser,  wohlschmeckender  Traube*.  Hatzidakis, 
Einleitung  331  sieht  darin  das  lat.  rosaceus,  wobei  mir  der 
Accent  nicht  verständlich  wird.  Man  könnte  an  die  Trauben- 
bezeichnung diiracinum  denken,  wenn  Keller,  Lateinische  Volks- 
etymologie 234  richtig  dafür  langes  i  erschlossen  hat:  es  läge 
dann  Umstellung,  wie  in  ^oöaxivöy  (vgl.  oben  unter  diiraJci), 
und  Anlehnung  an  qö^a  =  it.  rosa  (Legrand)  vor.  Indessen 
ist  das  türkische  Wort  arab.  ^^^^  razakij,  was  ausser  einer 
Traubenart  auch  einen  Stoff  bezeichnet  und  persisch  zu  sein 
scheint  (Fränkel  44). 

aUU^%  reHney  reöina  ,Baumharz*:  ngr.  ^evaivi^  it.  resina. 
Die  Wanderung  des  Wortes  ist  wahrscheinlich  folgende:  agr. 
qr]Tivr]  —  lat.  resina  —  arab.  ^iL^Ä.^  —  türk.  <^-^oj.»  —  ngr. 
qBxaivi,  Seltener  ist  das  direct  auf  das  Griechische  zurück- 
gehende ^\^  ratin  Barb.  U  8.  Vgl.  arab.  ^g-Lo\  „  auch  türkisch 
bei  Blau  160,  71. 

jjlwA-o  Safran  ,Safran*  ist  gegenüber  arab.  o^r^j  ^^^f^'ro^n 
die  europäische  Form  dieses  fremden  Namens. 


Ttrkische  Studi«D.  I.  35 

u^Lum^  juXxjio    sapaniay   saparine   ,smilax    sarsaparilla' : 
entstellt  aus  it.  saUapariglia, 

\saa9^.m/  simfit  ^onobiychis  sativa,  Esparsette^:  gr.  avyupvzov 
ist  ,Schwarzwurz^,  ,8ymphytum  officinale^ 

wf^ÜLiw    ssnavhz   ^Hundszunge^   Zenker   520  a :   gr.  xwö- 
yhüaaovy  aus  einer  Mundart,  die  tlv-  wie  xai-  spricht. 

yjySjAjSdy  ^yfyXMt  Üzfuiiy  Hzgun  ,Brustbeerbaum^  Bianebi 
n  76:  gr.  l^iCvq>ov, 

^^jfc^in  tarxun  ,Dragun,  artemisia  dracunculus' :  gr.  dga- 
tärtiov.    Vgl.  Mi.,  Naehtr.  II  48. 

^Jüjiyi^  ^JujoJio  tere^minti  ,Terpentinbaum,  pistacia  tere- 
binthus^-  gr.  TSQeßtv&og,  riQfiiv&og. 

^aIoJo  terter  , Weinstein'  Juss.  11 74:  it.  tartaro,  gr.  zÜQTagOi^. 

vJLw)  tiriafc  ,Theriak%  altes  Universalbeilmittel  aus 
Pflanzenstoflten :  gr.  &f]Qia%r^.     Arab.  Jjb^'- 

JuLsJo   tirßl  ,Klee':  ngr.  xqKpviXi^  agr.  TQicpvXXov. 

5%Jl3  titre  ,Cedemharz'  Juss,  1191:  gr.  uedgia^  ycedgtd. 

sjUiJo,  tiöuJy3  turfanda  ,Erstlingsfrucht'  hat  man  auf 
gr.  ngunocpavr^  ,frlinreif*,  von  Erstlingsfrüehten,  zurückgeführt; 
doch  vgl.  pers.  tjSjt^jS  ,re8  quaevis  ornata,  recens  ac  vigens' 
Völlers  I  442;  arab.  ^^  ,re8  primum  visa,  nova^  Aus  dem 
Türk.  ngr.  rgoyccvrö  in  Cerigo,  Tlavdibqa  XIX  20. 

jjA«yO*J  türmils  ,Lupine,  Wolfsbohne'  Barb.  I  461:  gr. 
^iQ^og,  Aus  dem  Arabischen. 

aüu3l\^  veranika  , Ehrenpreis'  Barb.  II  839:  it.  verontca] 
gr.  ßeQOvixf]. 

jöKzrtffir  ,Gartensaturei,  conila  sativa':  aus  arab.y!:*^,^:»^. 
Lat.  satureja.    Vgl.  Low,  Aramäische  Pflanzennamen  Nr.  270. 

y.  Mineralreich. 

^3^yLiM^I    araenik  , Arsenik':  gr.  dgaevtyiöv, 

^j»Jajsyjj  ^jJajsyj  hüritis  y  hüritU  ,  Feuerstein'  Zenker 
217  c :  gr.  jrvQiTtjg, 

jJuUfl^  (smento  Barb.  I  597.  630,  Neologismus  fUr  jr^^: 
it.  cimento, 

3* 


36  I-  Abhandlnng:    Meyer. 

•ÄJUa»    dinko  ,Zink^  Zinkoxyd^:  it.  zlnco. 

\jJ^\  elmas  ,Diainant':  gr.  dddfiag,  durchs  Arabische. 
Vgl.  Lagarde,  Bildung  der  Nomina  220.  Das  Wort  ist  in  alle 
Türksprachen  eingedrungen:  Radioff  I  438. 

%ool   ibriz   ,reines  Gold'   Bianchi    I  8:   arabisch,   aus   gr. 

^•Juwl,  ^.JuÄ^I  istubediy  üMühei^  jBleiweiss' :  entstellt 
aus  gr.  iffl^vd-og,  ipif.ivd'toy,  wie  arab.  ^j^^^.^,  ^\j^^^i^\. 

v:y^Lj  jakut  ,Rubin':  arabisch,  aus  gr.  vdycivS^og,  Fränkel  61. 
Persisch  ,^JsS\j. 

^jLä«-ö  kahu^an  ,nicht  geschnittener  Edelstein'  Barb. 
II  489:  frz.  cahochon, 

(jmjJoxJJLo,  ^jm^JoLüLo  viagnitisy  makuatisy  vulg.  msxladiz 
,Magnet';  Barb.  II  776.  780:  gr.  ^ayvrjTyjg, 

y^y>o  mermer  , Marmor':  gr.  fidgfiaQOg.    Arab.  niarmar. 

^^Xj^jJj  ^Jkj^yj  pirlantlj  herlante  ,Brillant':    it.  brillante, 

&Ju^L>  pelathuij  idatina  , Piatina':  aus  dem  Spanischen. 
Gewöhnlich  ^y^\  j|\. 

5ö^,  punza^  ponza,  \\\[^^v  j>amza  ,Bimstcin'  Barb.  1421: 
lat.  2>M«M«;,  it.  pumice,  frz.  poiice.  Die  türkische  Form  dürfte 
zunächst  aus  russ.  pemza  stammen,  dies  ist  deutsch. 

^JaiyjCy^^  pusulan  ,Art  Erde  zu  Mörtel'  Barb.  I  418: 
it.  pozzolana. 

^)y)    ^^^^^  ,Diamantrosette'  Barb.  II  28:  it.  rosa. 
KAyjM^   )uoy^  senna  ,Goldfaden':  gr.  avQ^a.  Vgl.  Mi.,  Türk. 
El.  II  55. 

I^jum  sim  ,  Versilberung,  Silberplattirung':  pers.  ^^-^^t*»  ,Silber' 
und  dies  aus  mgr.  äarj^iov  (,un geprägtes)  Silber'.  Lagarde, 
Bildung  der  Nomina  221.    Ngr.  iafi^t  ,Silber'. 

^^yiyM/^  ^^♦Xaa^  siilnmerij  mimen  , Quecksilberpräparat, 
Schminke':  aus  sublimätuin. 

jjXL*.  sülUyen  ,Zinnober'  Bianchi  I  1049:  pers.  ^^>^ 
,Mennig'  aus  gr.  avQinöv,     Nöldeke,  Pers.  Stud.  11  45. 

HyMyo  sumptre,  vulg.  sumpara  ,Schmirgel'  Bianchi  11  133: 
gr.  GfivQcg,     Pers.   Sjl^J^,  kurd.   <;^^j. 


TArki$ck«  j^ndien.  I.  37 

^«jyuwl  uskurun  ^Schlacke'  Zenker  40  a:  gr.  (TMoqia. 
Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  387. 

(^AJxj  zernik  .gelber  Sehwelfelarsenik*  Barb.  II  39:  arab. 
^j»j,  pers.  -0,3  aus  gr.  äqasvivLov.  Zur  Metathesis  vgl.  ngr. 
ae^rixö^  ,männlich*  Syllogos  VIII  411.  Jean  Pio,  Contes  popu- 
laires  1  (Epirus).  Aus  dem  Türkischen  ^igvUj  ,Arsenik'  im 
Pontus,  Syllogos  XVm  135. 

Owc^  zümrüdy  zümürrüd  ,Smaragd'  Barb.  1144:  pers.  ^J-^j 
(VuUers  11  141),  das,  wie  arab.  Jsä.^j  (Fränkel  61)  wegen  des 
anlautenden  Zischlautes  auf  gr.  auaQaydoqy  nicht  auf  dessen 
indisches  Original  zurückgeführt  werden  muss. 

Tl.   Der  Xensch,   seine  Eigenschaften   nnd 

BesehSftigungen. 

^JüLil  efendi  ,Herr^:  gr.  dipimjg  aus  agr.  aid^evrr^g]  viel- 
leicht vom  Vocativ.  Das  lautliche  Verhältniss  der  beiden  grie- 
chischen Formen  zu  einander  ist  nicht  ganz  klar,  vgl.  Hatzidakis, 
Einleitung  287. 

^^juLiAi  sinior  ,mein  Herr^,  Anrede  an  Fremde,  Barb.  11 103: 
it.  signore.  Auch  mnsju  =  frz.  nioiisieur  wird  bei  der  Anrede 
an  Fremde  gebraucht. 

^•l4>Lo,  aucfjLo  madamj  madama  von  europäischen  Frauen, 
Juss.  666:  frz.  madanie,  it.  madania. 

&jtt3*3  kokona  , vornehme  griechische  Dame^:  gr.  %07uava] 
für  das  Wort  hat  Cihac  II  649  zum  Theil  zutreffende  Ver- 
gleichungen  beigebracht,  wo  nur  %ov'AXa  unrichtig  beigemengt  ist. 

^U^^l  orfan  ,Waise'  Barb.  I  153.  Radloflf  I  1077.  xjLijjf 
orfana^  orfane  , Waise',  nach  Budagov  I  125  in  Constantinopel 
,Hure',  sonst  ,Dienerin':  gr.  dqq>av6g, 

^^\  zevdi  , Ehegatte',  *^^)  zevdie  ,Gattin'  Barb.  II  49: 
arab.  ^^;  ,Paar'  aus  gr.  l^edyog.    Fränkel  106. 

&a3Iw5  karanta  ,Mann  im  besten  Alter'  Zenker  696  b : 
it.  quaranta  ,vierzig'. 

^j^^Lää.  dUaron  ,geschwätzig'  Barb.  I  580:  it.  Cicerone 
,FremdenfUhrer^. 

s^^bfL  palavra  ,Prahlcrei':  ngr.  jtaX&ßqa  ,Geschwätz' 
aus  span.  palahra  ,Wort'.    Das  Wort  ist  wahrscheinUch  durch 


38  I'  Abhandlung:    Meyer. 

die  katalanischen  Söldner  ins  Griechische  und  von  da  ins  Tür- 
kische gekommen;  das  zu  Grunde  liegende  lat.  parabola  ist 
selbst  wieder  griechisch. 

J^%Lo  marjol  ,Schurke'  Zenker  800  b:  it.  maritiolo] 
ngr.  liogyiöXog, 

y;:^\yjiy^y  cyL>^^  Xoirat,  x^^j^^  jgrobcr,  ungeschlachter 
Mensch'  Barb.  I  719:  gr.  xiagiarriq  ,Bauer'  von  x^^Q^ov. 

s:;ajJoLj\I  izbandit  yRäuher]  gefährlich  aussehender,  starker 
Mensch'  Barb.  I  43:  it.  shandito  ,landesverwiesen'. 

[jQj  Uss  ,Räuber,  Dieb'  Zenker  793  a :  arabisch,  aus  gr. 
hßOTTjg,     Fränkel  Voc.  peregr.  18. 

&^^  loxusa  , Wöchnerin':  gr.  Isxofkrccj  Xoxovaa  von 
agr.  lex^' 

O^^Mbij^i  fejlesuf  ,Philosoph',  übertragen  ,schlcchter,  gott- 
loser Mensch'  Barb.  11  437:  arabisch,  aus  gr.  q>iX6aoq)og. 

i^yo  8ofi,  vulg.  8ofu  ,mystischer  Philosoph,  Fanatiker' 
Juss.  1U7G:  arabisch,  aus  gr.  aoipög?  Aus  dem  Griechischen 
stammt  auch  xto  «,»«*<>  safaata  ,8ophi8mu8'  Juss.  1005:  arab. 
^^1»<m<JLm}  ,oophist . 

%La^suulm^I  ispinöiar,  ispeHary  vulgär  speiiöer  , Apotheker' 
Barb.  I  47.  Juss.  485:  it.  speziale  , Apotheker,  Droguenhändler'. 

La4jP  Jcimia  ,chimie,  alchimie'  Juss.  606:  arabisch,  aus 
Xv^isla.  Vgl.  über  das  Wort  Gildemeister,  Zeitschr.  der  deutschen 
morgenl.  Gesellschaft  XXX  534  flF.  Anders  Pott,  ebenda  XXX  6  ff. 

v:yLi^^f  avokat  ,Advokat',  übertragen  ,spitzfindiger  Mensch'. 
Juss.  1323:  it.  awocato, 

>jJI^  kavalir  ,Ordensritter ,  besonders  Malteser'  Barb. 
II  544:  it.  cavaliere, 

iü\yS  Kerata  ,Hahnrci'  Barb.  II  619:  gr.  xegazäg.  Vom 
Vocativ. 

b^Xijo  mantona  ,Mätressc,  ausgchaltcnc  Frau'  Barb.  II  788: 
wohl   von   it.  mantenuta',   vgl.  mantenir  Et.  Wtb.  d.  Alb.  259. 

S(>^^,  riöyjy/o  molada,  moloda  ,vieillc  servante  d*origine 
etrangcrc;  servante  agöe  et  maladroite'  Barb.  II  799:  it.  (am)- 
malato  ,krank'? 


TArkische  Studien.  I.  ö" 

LJLeU  familia  ,Familie,  besonders  Frauen  und  Töchter', 
aber  nur  von  nicht  muselmännischen  Häusern  gesagt.  Barb. 
n  398:  it.  famiglia-j  ngr.  ya^llia  und  cpafieXux, 

Äj^UüI  angarie  ,Frohndienst;  Zwangsarbeit;  Mlihe,  Schwie- 
rigkeit^ Barb.  I  126:  gr.  äyyaqda.     Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  12. 

ÄjxLkiU  fantazia  ,Prunk,  Luxus;  pomphafter  Aufzug' 
Barb.  II  398 :  it.  fantasia.  Im  Arabischen  bezeichnet  das  Wort 
besonders  eine  Art  Uebung  bewaffneter  Reiter;  in  Egypten  hat 
es  die  verschiedensten  Bedeutungen,  es  wird  von  einer  Prome- 
nade, einem  besuchten  Kaffeehaus  u.  ä.  gesagt. 

^^^müljLo   matis  ,betrunken'  Barb.  11  713:  gr.  fjiidvaog. 

•JUi  fino  ,klein  und  zart;  beste  Qualität  einer  Sache' 
Barb.  11  437:  it.  fino]  ngr.  q>ivo. 

&jj|(>,  &aJÜ0  dalja,  talja  ,parfait,  complet'  Barb.  I  727. 
n  268:  gr.  TeUioq^  vom  Ntr.  Plural. 

&jK«^  Xorata  ,Scherz,  Spass'  Barb.  I  716.  Wird  allgemein 
flir  griechisch  erklärt,  z.  B.  von  Budagov  I  541,  und  Barbier 
de  Meynard  nennt  gr.  x^Q^^^  ^'s  Quelle.  Ngr.  xfaqaxäg  oder 
%(oqat6y  Jeu,  badinage,  plaisanterie',  sammt  x^^Ofrart^g,  ^w^of^ßi^w, 
HüQ&reviAa ,  stammt  aus  dem  Türkischen.  Falls  das  türkische 
Wort  griechisch  ist,  muss  ihm  gr.  xo^fii/rijc;,  x^Q^^^^  oder  xo^t- 
rijg  von  X'^Q^  ,Tanz'  zu  Grunde  liegen.  Korsch,  Archiv  für 
slav.  Phil.  IX  503,  denkt  an  x^Q^  ^^d  vergleicht  dazEiog 
von  SoTv. 

A^ü  bai^e  jKuss'  Barb.  I  254:  it.  bacio. 

aXia^\  estare,  esture  ,Erzählung  in  Prosa  oder  in  Versen' 
Barb.  I  53:  arabisch,  aus  gr.  IffzoQia, 

yXii^  defter,  vulg.  tefter  ,Heft,  Register  u.  ä.'  Barb.  I  743 : 
gr.  diq>^iqa  ,Haut,  Buch,  Urkunde'.  Auch  persisch  und  arabisch ; 
aus  einer  dieser  Sprachen  ins  Türkische  aufgenommen. 

xtnu^  Xaritay  x«r<a  ,Karte,  Plan,  Landkarte'  Barb.  I  700: 
gr.  X^^^S-  *^jLs  kartay  aus  it.  carta,  ist  ,Visitkarte'  Juss.  545. 
Joj^,  JUo^  XartaVj  x^^^^  ,Schreibtafel ,  Pergament  zum 
Schreiben'  Zenker  406  a:  gr.  x^Q^^Q^^^- 

%Lc^  tomar  ,Rolle,  besonders  Papierrolle'  Barb.  II  328: 
gr.  TOfiaQiovj  byzantinisch  im  Sinne  von  TÖ^og  (x^iQTOv)  ,Rolle'. 
Heut  bedeutet  to(i&qi,  ,IIaut,  Fell',  eigentlich  ,ein  Streifen  Haut', 


40  !•  Abhandlung:     Meyer. 

y^jM  semer  ,Saum8atteP  Zenker  518:  ngr.  aofidgi  von 
adyfjux.     Vgl.  Mi.,  Tti.  El.  II  53. 

JuumjI  ipsid,  auch  iapid  gesprochen,  ,Radfelge'  Barb.  I  7; 
bei  Blau  238  ispit^  spit:  gr.  &ipig]  von  äiplda. 

{j»*y^yS  karahxLs  ,partie  pro^minente  de  la  seile'  Bianchi 
II  458:  arabisch,  aus  gr.  'AQT^nig,     Fränkel  104. 

^^Jojli  fajtun  ,Art  viersitziger  Wagen',  veraltetes  Wort. 
Barb.  II  399:  frz.  phadton-^  vielleicht  zunächst  aus  russ.  4>a3T0H'b. 
Mit  Unrecht  sieht  Justi,  Dictionnaire  kur.de-fran9ais  295,  dieses 
Wort  auch  in  kurdisch  ^JüJ  finto  ,calfeche';  dies  ist  vielmehr 
türkisch  yJJ)^  hintov,  hinto  ,Wagen'  aus  magy.  hirvbö^  das  Mi. 
Slav.  El.  8  bespricht.  Andere  Bezeichnungen  fUr  Wagen  euro- 
päischer Art  fuhrt  Zenker  592  c  an,  wie  Aj>y»,  ^^,->  ^y^^- 

iLs^  kukla  ,Puppe' :  ngr.  xouxAa,  das  man  aus  lat.  pupula 
herleiten  will,  schwerlich  mit  Recht.  Es  hängt  eher  mit  den 
Wörtern  zusammen,  die  auf  lat.  cuciillus  ,Kapuze'  zurückgehen. 

«JLjo  Je  tombalaj  ^^ifLyoJe  tombalak  ,Purzelbaum'  Juss. 
1193:  it.  tombolo  oder  tomholata  ,Purzelbaum'. 

z3^  toka  ,Anstossen  mit  den  Gläsern ;  Trinkspruch'  Juss. 
1192:  it.  toccare,  vom  Imperativ. 

^j^U  kanun  ,Gesetz,  Regel':  arabisch,  aus  gr.  %av(bv. 
^^L  rnd^un  ,Grund,  Argument'  Barb.  U  8:  it.  ragione. 
ä-wwJU'^    cakaiisa  ,Ferien'  Zenker  934  a:  it.  vacanze. 

Ich  schhessc  hier  den  Zuruf  ^^'^  bravo  Barb.  I  2i)3,  aus 
dem  Italienischen,  an.  Auch  die  Interjection  »o  bre  ist  fremd? 
wenn  meine  Herlcitung  Et.  Wtb.  d.  Alb.  286  das  Richtige 
trifft:  gr.  ßgi  =  stgs.     Anders  Mi.  Nachtr.  II  89. 

kaka  ,pfui!'  Zenker  705  c  ist  gr.  xaxcr. 


VII.  Der  KSrper  und  seine  Krankheiten. 

^JlXj  belgam  ,Schleim'  Barb.  I  312:  gr.  q>Xeyfia.    Zunächst 
aus  dem  Arabischen. 

Lu^a.  ;fwZ;*a  ,Gallc'  Barb.  I  719:  gr.  x^^S^  tol%  Deminutiv 
Xoliov.      LJ^U    malixidja    ,Melancholie' :    uelayxolla ;    arab. 


Türkische  Studien.  I.  41 

AxiLd  salja,  >LaJL'0  saljar  ,SpeiclieP  Barb.  I  191:  gr. 
üakiov  filr  ai&Xiov  von  alaXog]  vom  Plural,  saljar  zunächst 
vom  Adjectivum  aahÜQVjg  ,baveux^ 

oJX*A#f  isJielet  ,Skelett^  Juss.  482:  gr.  axekerög. 

xÄj^LwLo  masarika  ,Gokröse'  Juss.  685:  gr.  (.leaagainövy 
von  ^ita&qaiov  ,Gekrö8e^     Zunächst  aus  dem  Arabischen. 

8«Juo  medre,  metre  ,Gebärmutter*  Zenker  831  b:  gr.  iirjxqa, 

I^^JLumÜ  hasiUk  ,Königsader  an  der  inneren  Seite  des 
Armes^  Bianchi  I  308:  gr.  /JaaiAixcfe;  aus  dem  Arabischen, 
natürlich  gelehrtes  Wort,  wie  schon  das  ^  flir  ß  zeigt. 

L4^%jLj4>   diafroffma  ,ZwerchfelP   Zenker  445  b :   gr.  did- 

^^jJL^  glin  ,Gelenk^  Blau,  Bosn.  ttirk.  Spr.  233:  nach  ihm 
gr.  yli^y  das  bei  Medizinern  in  der  Bedeutung  ,Knochengelenk- 
vertiefung'  vorkommt. 

5J*5  kolera   ,Cholera^'   it.  colera   aus   dem  Griechischen. 

v:i>«jjl^iuyt  Bskorhuty  iskorpit  ,Skorbut'  Barb.  I  55.  Juss. 
483:  it.  scörbutOy  ngr.  aiwQfiTtodto,  Der  Ursprung  des  Wortes 
ist  wahrscheinlich  deutsch,  vgl.  Weigand  und  Kluge  unter 
Scharbock, 

^jJy»*  kulend£  ,Kohk'  Barb.  11  576:  gr.  xco^txdc;,  von 
%(bh)v.     Zunächst  arab.   ^y»;  pers.  ^>^ 

xiiUÜ  panukla  ,Pest'  Zenker  172:  gr.  navoi^ka^  aus  lat. 
paiiiculay  panuculay  panucla  ,eine  Art  Geschwulst^ 

jj*#^waX-i*/  «efc'tro«  ,DrUsen Verhärtung' Juss.  1040:  gr.aytiQQog, 

\y/o'Xj^\   ispazmoz  ,KrampP  Barb.  I  46:  gr.  aTtaofiög. 

y^  ^ifo,  u^y^  tifos  ,Typhus'  Barb.  1508.  Juss.  1188: 
it.  tifo,  gr.  rikpog, 

sjül^  büvanda  ,Arzneitrank,  Krankenthee'  Barb.  I  316: 
it.  bevanda  ,Trank^ 

iLieyjy^  xirizma  ,Pa8te  zum  Entfernen  der  Haare'  Barb. 
I  700:  gr.  XQ^^l^  ,Salbe'. 

%jum^5I  ilcsir  ,Elixir,  Panacee,  Stein  der  Weisen'  Bianchi 
I  166:  arabisch,  aus  gr.  ^rjQÖg.  Vgl.  Gildemeister,  ZDMG. 
XXX  534.     Aus  dem  arabischen  Worte  stammt  unser  Elixir. 


42  I-  Abhandlnng:    Moyer. 

l«.jXo  melhemj  vulgär  fdr  f^y^  nierhem  ,Pfla8ter,  Salbe' 
Barb.  11  785.  754:  arab.  ^^  neben  ^JUu  aus  gr.  fiAkay^a  ,er^ 
weichendes  Pflastert 

2uJÜüumI  üpitalie  ^Krankenhaus'  Barb.  I  47:  it.  spedale^ 
ospeddUj  ospitahf  ngr.  aniraXi. 

^\lvif  lazareto  ,Lazaret'  Juss.  650:  it.  lazzaretto, 

•JxaJ^xL  parlatorio  ,Unter8uchung8ziramer  im  Lazaret' 
Barb.  I  378:  it.  parlatorio  ,Sprechzimmer^ 

aüCs^j  ri^ete  ^ärztliches  Rezept'  Barb.  II  14:  it.  ricetta, 

&Xjyj^  vizita  ,ärztlicher  Besuch;  Honorar  dafür'  Barb. 
II  848:  it.  visita]  ngr.  fitjCira,  z.  B.  in  Thera  (Petalas,  Glossar  76). 

^Uaju  haitar  ,Thierarzt ;  Hufschmied'  Bianchi  I  431: 
arabisch,  aus  gr.  XnmaTqoq.  Fränkel  265. 


VIII.  Natur,  Land,  Stadt. 

^^Ul  anafor  ,Wasserstrudel'  Barb.  I  121.  Radioff  I  230. 
Auch  ,Gegenwind':  ngr.  &vctq>6qi  ,contrecourant'. 

wul  esir  ,Aethcr,  Lichtkreis,  Himmel'  Zenker  10  b:  gr. 
atdrjQ.  Bianchi  I  14  hat  vJ'l  eter  ,liqucur  spiritucuse  et  volatile', 
aus  frz.  ether. 

«Jüö  hale  ,Hof  um  den  Mond':  arabisch,  aus  gr.  äfAco^, 
wie  frz.  AaZo,  it.  alone, 

JLlS   kanal  ,Kanal'  Jussuf  528:   frz.  canal,   Neologismus. 

Juyo  mil  ,Meilc,  Meilenstein'  Bianchi  H  1068:  arabisch, 
aus  lat.  nulle,   Fränkel  282. 

yji^  kasr  ,Schloss,  Festung'  Bianchi  II  482:  arabisch, 
aus  gr.  ycdargoy  =  lat.  castrum.  Nöldeke,  Zeitschr.  der  deut- 
schen morgenl.  Gesellschaft  XXIX,  423. 

-.o   bur(U  jThurm,  Bastion,  Fort'  Barb.  I  294:  arabisch, 

aus  vulgärlat.  burgus.  Nöldeke,  Zeitschr.  der  deutschen  morgenl. 
Gesellschaft  XXIX,  426.  üas  lateinische  Wort  ist  gr.  TtvQyog,  Aus 
diesem  direct  stammt  türk.  ^ja*^o  bargos  ,Schlo8s,  Thurm' 
Barb.  I  295.  Auch  das  alte  Pyrgos  in  Thrakien  heisst  heute 
^^jj  oder  jU^^. 


•% 


Türkische  Studiou.  l.  43 

auwLu,  1^^^  PJ^^^j  pijci^o,  ,üfFentlicher  Platz,  Markt; 
Marktpreis;  Bezeichnung  des  Quais  in  Büjiikdere'  Barb.  I  422. 
Jussuf  957:  it.  piazza. 

x^Um,  j(jCu<y  sinor,  sihor  ,Grenze^'  byzant.  avvoqov  ,Grcnze^ 

auU,  ^W  hana,  hanjo  ,Bad^  Barb.  I  282:  it.  bagno, 
yxt^  bagno  ist  ,Zuchthau8'  Zenker  168  b. 

\Sy^;^  Ä^^rÄ  jBrücke^  hat  man  auf  gr.  yiq)VQa  zurück- 
geführt; doch  vgl.  koibal-karagassisch  köbergä  ,B rücke*  Vjlm- 
b^ry  Et.  Wtb.  66. 

ÄJüoLi  fabrika  ,Fabrik,  Manufactur'  Barb.  II  394:  it. 
fabbrica, 

^U:)  J  dejmas  ,GefUngniss'  Bianchi  I  895 :  arabisch,  aus 
gr.  df]fiö<nov.   Fränkel  281. 

Juw  berid  ,di8tance  de  quatre  parasanges,  ou  quatre 
heures  de  voyage  k  cheval;  courrier'  Bianchi  I  358:  arabisch, 
aus  lat.  veredus^  gr.  ßeQtjdog.  Fränkel  283. 

AjJlil  eklim  ,cliinat,  partie  de  la  terre'  Bianchi  I  160: 
arabisch,  aus  gr.  xXifia  ,Kliuia,  Gegend^ 

^yAäOJJ\  efend£iun  ,Erdfeme  eines  Planeten'.  ^yjjpJyiS 
efretid^iun,  ^«jl^^^jI  efriditiun  ,Erdnähe  eines  Planeten, 
Zenker  75  a.  73  a :  gr.  dindyeiov,  TtcQiyeiov, 

UyS  Iura  ,Stembild  der  Lyra'  Zenker  796  b:  gr.  Xvga. 

jjÜCI^  voUcan  , feuerspeiender  Berg'  Zenker  935  b:  it. 
volcano. 

IX.  Haus,  Wohnang. 

(l^l?  J^,  yi^\  avUj  havh  ,Hof,  Viehhürde,  Hausflur': 
gr.  aiXt), 

Jo^U  balat  ,alte8  Bauwerk,  Ruine'  soll  nach  Barb.  I  276 
von  gr.  TtaXaiörr^g  stammen!  Es  ist  offenbar  arab.  t^U,  das  auf 
nahxTiov  =  lat.  palatium  zurückgeht:  Fränkel,  De  vocab. 
peregr.  6;  Aramäische  Fremdwörter  28. 

^jjjiüLj    balkun  ,offener  Balkon':  it.  balcoiie. 

J^Jo^t  estabßlj  istabl  ,Stall':  lat.  stabulum.  Zunächst  aus 
dem  Arabischen.  xJ^Üo,  äJj^Uö  tavhf,  tavile  ,Pfcrde8tall'  geht 
wohl  auf  ngr.  aravXog  zurück. 


44  !•  Abhandlung:    Meyer. 

^^%i  furun  ,Backofen':  lat.  für  aus,  mgr.  (povgrog.  Arabisch 

^^  funi:  Fränkel  27. 

^j^M  kafes  , Vogelbauer;  Käfig;  Fenstergitter'  Barb.  U  526: 
arab.  o-aü,  nach  Nöldeke,  Zeitschr.  der  deutschen  morgenl.  Ge- 
sellschaft XXXIII 516  aus  lat.  capsus  ,Behälter  für  wilde  Thierc^ 

100^*%^  Jceremit  ,Ziegel':  ngr.  -/.sgauldi.  Arabisch  iX^yS 
kirmid  aus  dem  Aramäischen.  Fränkel  5. 

s'ikS  Jcihr  jKeller,  Vorrathsge wölbe/:  gr.  TLslldQi  aus  lat. 
cellarinm.    vLeXkdqiov  ist  schon  byzantinisch. 

Jujy  Uüid  jSchloss  an  der  Thürc':  gr.  ylelda  (Accusativ) 
,Schlüssel^  Zunächst  aus  dem  Persischen,  wo  j^U5  aber  jclavis' 
bedeutet  (Vullers  II  876).  Arabisch  j^^*\.  Beide  stammen  aus 
aramäisch  qlidäj  iqlldä.    Fränkel  15. 

ÄAJy»,  auuJ^  kitluha,  kuUbe  ,HUtte'  Barb.  11  574:  gr. 
yiaXvßr/.    Vgl.  Mi.,  Tttrk.  El.  I  88. 

s«jj%*3'  korniza  ,Gesims,  Karniess':  ngr.  yLovqvixaa  (Soma- 
vera)  aus  it.  coiniice. 

&Ioil  lata  , flaches  Stück  Holz  zu  Verschlagen'  Barb. 
II  695:  it.  latfa  ,flaches  Holz'.  Das  Wort  ist  deutschen  Ur- 
sprungs. 

2l:^J  lod^a  ,Loge,  Zelle;  Handelsbörse,  Theaterloge'. 
&2^*.J  londza  ,Börse;  Versammlungsort  von  HandAverkern':  it. 
loggia'j  ngr.  Xövrllay  se.  londza.  Vgl.  Mi.,  Türk.  El.  II  17. 
Nachtr.  I  78.  Das  n  von  londza  gehört  zu  den  von  Schuchardt, 
Slawo-Deutsches  16  f.  besprochenen  Erscheinungen. 

JljoLc   mandal  ,Riegcl':  ngr.  (.laviah,  agr.  (xdvöalog. 

Joikj  palatsr  ,Fen8ter'  Zenker  206  b:  gr.  naqddvQOVy 
TTaqahvqi.     Das  gewöhnliche  Wort  ist  «^^uo. 

^•.sxj  pandiur  ,Jalousie,  Fenstergitter':  frz.  abat-jour. 

s^^l  Jo  pedavra  ,Holzschindel  zum  Dachdecken ;  kleine 
Holzplatte  für  Drechslerarbeiten'  Barb.  I  389:  gr.  neravqov 
jStange,  Latte'. 

*^^0^  podrumj  hodrum  ,Keller,  Erdgeschoss;  Gefilngniss' 
Barb.  I  320:  gr.  vrröÖQOfiog.  Vgl.  Mi.,  Nachtr.  II  14.  Das 
griechische  Wort  kommt  bei  Philon  in  der  Bedeutung  ,Schutz- 
hafen'  vor. 


Türkische  Studien.  I.  45 

ÄÄJo,  »JuuLJ  tant^j  tanida  ,Zeltdach'  Barb.  I  491  :  it. 
teiida.    Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  429. 

l»«Uo  tanm,  tarnni  ,Kuppel,  rundes  Zelt^:  gr.  tbqe^vov] 
vgl.  rum.  tärini , Halle,  ÖaaP,  uiagy.  t^rtm  dass.,  asl.  trhm  ^turris*. 
Der  Weg  wird  vom  Griechischen  ins  Slavische,  von  da  ins 
Magyarische,  dann  ins  Rumänische  gewesen  sein;  aus  letzterem 
oder  dem  Magyarischen  direct  stammt  das  türkische  Wort. 

JL|J    temel  ^Grundlage,  Fundament':  gr.  &e^iaXiov. 

(jMttJJe  toloü  ,Wölbung,  Kuppelt*  gr.  &ölog. 

ikXtyio  tuijla  jZiegel',  auch  tu  via  Jussuf  1202.  Mi.,  Türk. 
EL  II  77  meint,  das  Wort  beruhe,  wie  magy.  U^gla,  auf  lat. 
Ugula  und  sei  durch  germanische  Vermittlung  nach  dem  Osten 
zu  den  türkischen  Völkern  gekommen,  bevor  das  Deutsche  t 
in  z  verwandelte.  Diese  Annahme  hat  unläugbare  Schwierig- 
keiten. Mir  scheint  tugla  auf  ngr.  TOvßovXov  (Legrand)  tovß'kov 
zu  beruhen  und  dies  von  rovßovXov  ,tubulus,  sipho'  Du  Gange 
aicht  zu  trennen,  wie  ich  Et.  Wtb.  d.  Alb.  451  gethan  habe. 
Dies  TOvß(ov)Xov  bedeutete  zunächst  Röhre,  dann  einen  röhren- 
förmigen Dachziegel,  wie  sie  noch  jetzt  in  Anwendung  kommen. 
gl  aus  vi  wie  in  den  Et.  Wtb.  d.  Alb.  283  unter  mjergvie  zu- 
sammengestellten Fällen. 

Mit  Unrecht  hat  man  griechischen  Ursprung  angenommen 

in  sy^^  ^X^'^y  ^X**'  jStalP,  das  man  mit  dxvqdq  in  Verbindung 
gebracht  und  als  ,Ort  ftir  Streu'  erklärt  hat:  Mi.,  Nachtr.  II  72. 
Es  ist  persisch  und  aus  iranischem  Sprachgut  zu  erklären,  vgl. 
Darmesteter,  Etudes  iraniennes  I  114.  II  136.  Auch  ^yXi'lciredi 
,Kalk'  ist  schwerlich  gr.  x^^*^>  ^S^-  osttürk.  ^^  j&ypse? 
plätre'  Pavet  de  Courteille  484.  Das  griechische  Wort  erscheint 
im  Arabischen  als  ^y^JS-  Fränkel  8. 

X.  HausgerSth. 

^Ll^UI  anaxfnr  ,SchlüsseP:  ngr.  äyoixidgtf  z.  B.  in  Cypcrn, 
Sakcllarios  KvrtQiayA  11^,  453;  schon  bei  Machaeras,  S.athas, 
Mtaaiwvi'A^fj  ßißXio&i^rj  II  599.  ävotKTaQid  ist  von  Somavera 
mit  der  Berleutung  ,scaricatoja,  trabocchetto'  verzeichnet. 

»JumI,  »^Liu^l  eskarn  ,Rost^*   ngr.  andga  aus  agr.  iaxdga. 


46  I.  Abhandlung:    Mejor. 


:^yS  fer^a  ,Bürste':  ngr.  ßovQxaa,  Ich  halte  ßovqxaa  für 
romanischen  Ursprungs,  zu  der  Gruppe  prov.  hrosaa,  frz.  hroase, 
afrz.  hroce,  span.  hroza  oder  zu  span.  hruza  gehörig  (Körting 
Nr.  1374.  1428).  Aus  dem  Griechischen  stammen  rum.  vir\ä^ 
alb.  vurtse  und  das  türkische  Wort.  Das  von  Barb.  II  408  an- 
geflihrte  it.  furcia  existirt  nicht. 

Jys^yi  firdzevl  ,StriegeP  Bianclii  II  363:  arabisch;  man 
führt  das  arabische  Wort  auf  byz.  cfgayelkiov  aus  \a.t.  ßagellum 
zurück,  dessen  Bedeutung  allerdings  nicht  übereinstimmt. 
Fränkel  113. 

aJUX^wi  islcemle,  vulg.  auch  islcemiii  ,Stuhl':  mgr.  (Txafivovy 
(r/,di4vog,  OTLaf^vlov,  ngr.  a%a^vi,  aus  lat.  scamnum.  Das  lautliche 
Verhältniss  macht  Schwierigkeit.  Korsch,  Arch.  für  slav.  Phil. 
IX  504  denkt  an  ein  slav.  *skaviljd  als  Vermittlung.  Man 
kann  lat.  scamellum  vergleichen,  das  ahd.  scamal  ergeben  hat. 
Wahrscheinlicher  ist  mir  aber,  dass  von  der  Form  mit  -nni-  aus- 
zugehen ist,  in  der  -mn-  zu  -ml'  geworden  ist.   Vgl.  lodos  :  vÖTog. 

Jojüi»  kandil  ,Lampe^:  mgr.  Y.avdi]kci  aus  lat.  candela. 
Das  türkische  Wort  ist  aus  dem  Arabischen  aufgenommen. 
Fränkel  95. 

xJ«-)^ü)  kariola  ,europäisches  Bett,  Chaiselongue*  Barb. 
II  456:  it.  carriuola  ,Rollbett',  venez.  cariola,  ngr.  -MxqidXa  z.  B. 
in  Kreta  Jann.  338. 

oo^ vi»  karavity  viio^^y'  Icerevit  ,niedriges  Ruhebett,  Sofa' : 
gr.  TLQsßßari  ,Bett'  von  agr.  xQdßßatog.  Vgl.  Mi.,  Türk.  El.  II  7. 

auyo^  lampa  ,Lampe'  Barb.  II  697:  it.  lampa,  ngr.  IdfiTta. 

auwLo  masa  ,Tisch,  Speisetisch'  Barb.  II  716:  rum.  maMi 
aus  lat.  mema.   Mi.,  Slav.  El.  im  Türk.   14. 

JotVJL«  viendüy  inindil  , Serviette,  Tischtuch'  Bianchi 
II  1022:  arabisch,  aus  gr.  f.iavTihj  lat.  mantile.  Vgl.  Et.  Wtb. 
d.  Alb.  258. 

Laäj  pe^eta  ,Serviette' :  ngr.  Tteraera  aus  it.  pezzetfa 
jLäppchen'. 

^o  pimo  ,Gabel'  Barb.  I  397:  ngr.  neiqovvi.  Vgl.  Et. 
Wtb.  d.  Alb.  338. 

&jJum  sedjn  ,Sänfte,  grosser  Stuhl':  it.  sedia.  jls3Uw  ned&e 
, Sessel'  Zenker  500  a:  it.  seggia. 


Türkische  Studien.  I.  47 

&JbÜ,  xJLJo  t^bla  ,Esstisch;  Auslagstisch  von  Bäckern  und 
Fruchthändlern;  Holzplatte  der  ambulanten  Verkäufer'  Barb. 
I  428.  II  278:  ngr.  vdßla  aus  it.  tavola;  vgl.  rum.  tabläy  asl. 
tabla,    Cihac  II  309. 

b'yj^yioy  »W^J  terapezu,  Uraheza  ,drei-  oder  vierfüssiger 
Tisch,  Esstisch':  gr.  Tqd7teC,a, 


XI.  Handwerke,  Geräthe  und  Aehnlielies. 

%j*j    herber  ,Barbier':  it.  barbiere. 

sjL£^  bugada  ,Lauge'  Hindoglu  92:  ngr.  ^Ttoyadoy  fiitov- 
ydda  ,Lauge',  ^inovdda  ,Wäsche'  in  Thera  (Petalas  75),  Ttovydda 
,das  Waschen  mit  Lauge'  in  Leukas  (Syllogos  VIII  378),  aus 
venez.  bugada  ,imbiancatura  di  pannilini'  -■ —  it.  hucato.  Das 
Wort  ist  deutschen  Ursprungs.     Körting  Nr.   1405. 

2uL^  i^apa  , Hacke,  Haue*:  it.  zappa,  ngr.  ToaTtL  Vgl.  Et. 
Wtb.  d.  Alb.  382  unter  »späte. 

JLGj  dilcel  ,Haue':  ngr.  dix^AAi  ,zwcizinkige  Haue'  aus 
agr.  diWAa.     Vgl.  Mi.,  Türk.  El.  I  48.  Nachtr.  I  28.    H  103. 

hsd<Xs>  diendere  ,Pre8se,  Walze  zum  Filzen  von  Stoflfen; 
enger  Durchgang'  soll  nach  Barb.  I  539  it.  cilindro  , Walze' 
aus  xvXivÖQog  sein.   Das  Wort  ist  aber  pei*sisch.  Vullers  I  532. 

aJol^j^  dJtivata  ,Art  Nagel'  Barb.  I  549:  venez.  giaveta 
—  it.  chiavetfn.  Dagegen  ist  v5r^  ^^^  ,Nagel'  türkisch:  cagat. 
&igi  ,Nagel',  öuv.  iuga  ,penis'.  Vämb^ry,  Et.  Wtb.   191. 

v::^!^^!  ergat  , Arbeiter':  gr.  iQydrrjg,  Mi.,  Türk.  El.  I  58. 
Auch  in  der  Bedeutung   ,cabestan,  Schiflfswinde'  entspricht  gr. 

kSXs  falaka  ,Block,  Strafstock':  ist  arabisch,  das  arabische 
Wort  aber  wohl  nichts  anderes  als  gr.  yd^yyag,  von  agr.  (pdhxy^. 

&Ä^Li  faieta,  iCu^Xi  faseta  ,Facette  beim  Schneiden  von 
Exlelsteinen':  it.  faccetta^  frz.  facette.    Barb.  II  395.  396. 

[jyi  foja  ,kleine  dünne  Gold-  oder  Silberblättchen  fiir 
Juwelierarbeiten':  it.  foglia, 

ikxJyS^  gänja,    ijiinje   ,Winkehnass':    ngr.  ytovid   aus  ywvla. 


48  I*  AbhftDdlnng:    Meyer. 

f^y^  X^^^  jTrichter':  ngr.  xovvl  von  agr.  x^^Oß- 
wJLj  kaleb  kalup  ,Form,  Modell^    Aus  dem  Arabischen; 
das  arabische  Wort  führt  man  auf  agr.  xaXÖTtovg  ,Schu8terleisten^ 
zurück,  aus  dem  Türkischen  stammt  wieder  ngr.  yuxXovni  ,moule^ 

iJLi  kalem  ,Schreibrohr;  Pinsel,  Meissel;  Schrift;  Bureau': 
arabiscli,  aus  gr.  luxlafiog. 

ÄaSli  kand^a  ,Haken'  Barb.  II  475.  Budagov  II  27:  it. 
gancio  , Haken'  span.  gancho.  Der  Ursprung  der  romanischen 
Wörter  ist  freilich  nicht  aufgeklärt,  und  daher  hat  sich  Miklosich, 
Türk.  El.  I  89  zu  der  umgekehrten  Annahme  entschlossen, 
das  italienische  Wort  aus  dem  Türkischen  herzuleiten. 

aJ«j  kola  ,Stärke  für  die  Wäsche'  Jussuf  613:  it.  colla 
,Leim,  Kleister'. 

nJi^syS  kordela  ,Schnürchen,  Bäudchen':  it.  cordella;  ngr. 
xoQdslXa. 

}ijji**S  Uüstere  ,langer  Hobel;  Schleifstein'  Barb.  II  629. 
Jussuf  642:  gr.  xiarga  ,Spitzhacke'.  Zweifelhaft,  da  die  Be- 
deutungen nicht  übereinstimmen. 

jff^yi  lustro  ,Schuhwichse'  Barb.  II  707 :  it.  lustro  ,Glanz, 
Politur';  ngr.  lovoTQog. 

Lu^Lo  makina  .Maschine'  Barb.  II  718:  it.  macchina. 

aJöLo  manela  ,Hebel':  ngr.  fxaviXXa  aus  venez.  manoela 
-. —  it.  manavella  ,Hebel'. 

j^JüKLo  marangoz,  seltener  ^yuKLo  inarangon  ,Tischler' : 
ngr.  ^ia^ay%6g  ,Tischler';  it.  marangone  ,Zimmcrgesell'. 

tjXj^  mengeiie  ,Oel-  oder  Weinpresse' :  gl'.  fidyyavoVf  daher 
auch  it.  mangano, 

J^  mil  ,Nadel  zum  Färben  der  Wimpern  und  Augen- 
brauen; chirurgische  Sonde'  Barb.  II  807:  arab.  J.^  ,Sonde', 
das  man  aus  gr.  f^rjXr]  dass.  herleitet  (Fränkel  261).  Aber  woher 
stammt  das  griechische  Wort? 

Kiyjo  mola  ,Mühlstcin'  Barb.  II  799:  it.  mola  dass. 

xa3^,  pslanja,  planja  ,Art  Hobel':  ngr.  rtXdvia  aus  dem 
Romanischen.    Et.  Wtb.  d.  Alb.  343. 

ÄxÄJikj  pelanctte  ,Messtisch  der  Feldmesser'  Barb.  I  405: 
frz.  planchette. 


Tbrkbclie  Sn»di«n.  1.  49 

xjuhi*!^   raspa  ,Strie^eI':  ital.   raspa  ,Rasj)el^ 

sjML^  sakur  ^Hammer  zam  Steineklopfen*  Bianchi  II  86: 
arabisch y  aus  lat.  securis.  Fränkel  84.  Dass  das  Wort  im 
Griechischen  des  Orients  heimisch  war,  beweist  noch  ngr.  r<7€- 
xov^iy  vaixovQi  (z.  B.  Sy II.  8,  397.  Kanellakis  Xicmä  l/irakexta 
301,  668). 

Hyjum^  sistra  ,Art  Tischlermesser;  Reibeisen  der  Bäcker; 
§triegel*  Jossof  1073.    Barb.  II  82:   ngr.  ^vaiQa  ,rape,  ^trille*. 

^^^JLkM  ^ünez  , Messerschmied^  Zenker  517  a:  wahr- 
scheimich  it.  Solitighese  von  Solinga,  SoUngen,  von  wo  die  be- 
rahmten Messer-  und  Schwertklingen  weithin  exportiert  wurden. 

BjJyM^  sonda  ,Sonde'  Jussuf  1079:  it.  somla. 

Kiüü^A  iirinkaj   Hringa  ^Spritze':    it.  sciringa   von   agr. 

ftjllo    tapa  ^Stöpsel'  Jussuf  1115:  it.  tappo  dass. 

^y^\jio  teraÄfiifon ,Pfropfenzieher'  Zenker  596b:  frz.  tire- 
houchon. 

y^)Jo  tumOy  tomo  ,Drehbank':  it.  tonio. 

v«>^«Ixm#I  usturlab,  estsrlab^  sy ^^  ti  m>  siUurlab  ^Sternhöhen- 
messer^  Zenker  509  a.  Barb.  I  53:  gr.  AazqoXäßog, 

y^^yjLmS^     ^yjimS    ÜStÜpÜy  IStubt^  tstupl  yWoTg^l   UgT.  OTOVftl 

von  aTVfttj. 

U^ri)^y  t?ar/o«  ,schwerer  Hammer  der  Steinklopfer^ :  ngr. 
ßoQeid  ^masse;  massue^  Legrand.  Von  einem  gleichbedeutenden 
männlichen  ßaQSiög.  In  Ophis  ftageag,  Syll.  XVIII  127. 

Iju^,  sjo^  mda  ,Schraube^:  venez.  vida  =  it.  vite.  Et. 
Wtb.  d.  Alb.  472,  wo  ngr.  ßlda  hinzuzufügen  ist. 

XII.  eemsse. 

JLs^  hukal  ,dickbauchige  Flasche':  it.  boccale.  Barb.  I  338. 

JLS»^  öuJcal  ,TopP:  ngr.  TOOVKdXi.  Letzteres  ist  genauer 
durch  Jts^  6ukali  wiedergegeben.  Barb.  I  610.  Das  Wort 
dürfte  eine  Ableitung  von  it.  zucca  ,Kürbis,  Kiirbisgefäss'  sein; 
TaovTMu  als  Geftlssname,  ,Kalabas8e',  kommt  bei  Prodromos  I  112 
Legrand  vor.  Vgl.  Korais  ^raxTa  I  183.  Verschieden  davon  ist 
JlSyw  ycuirasse,  barde  d'acier  ou  de  fer',  bei  Pavet  de  Cour- 

Sitsnngsber.  d.  pliil.-hist.  Cl.  CXXYlll.  Bd.  1.  Abh.  4 


50  I-  Abhandlang:    Meyer. 

teille  295  ,armure  qui  couvre  le  chevaP,  bei  Budagov  495  öagat. 
und  osm.  Jl»>^  J^^  ,Panzer,  Pferdehamiscli'. 

^•JumI  estudi  ,Etui,  Futteral'  Barb.  I  51:  it.  astuccio. 

adbpyA^t  sSporta  ,gro8ser  Korb  für  Früchte,  bes.  fllr  Wein- 
trauben' Barb.  I  61:  it.  sportWj  auch  ngr.  ajtö^a. 

^^,  ^^AxS  feöe,  fööi  Jussuf  287.  Barb.  11  436  ,Tonne, 
Fass':  ngr.  ßovtaL    Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  43. 

j.h»V  ksmatr  ,Bticherschrank,  Büchertasche'  Bianchi  II 506: 
arabisch,  man  leitet  es  aus  spätgriech.  xdfinTQa  im  Sinne  von 
xönpa  her.    Fränkel  252. 

aüUj  kanata  ,irdenes  Geftlss  für  Flüssigkeiten':  ngr.  xavdra 
aus  dem  Romanischen.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  187.  Das  Wort  ist 
deutschen  Ursprungs. 

üJjcyS  kartalle  ,Korb,  bes.  flir  Früchte'  Bianchi  II  462: 
arabisch,  aus  gr.  xdQTaXlog.  Fränkel  77. 

ifuAs  kasa  ,eiserne  Geldtruhe,  Kassenlocal'  Barb.  II  462: 
it.  cassa, 

Kic\yS  kavata  ,grosse  Holzschüssel':  ngr.  yaßd&aj  naßd&a 
aus  lat.  gavata.    Et.  Wtb.  d.  Alb.  127  f. 

»^•i*,  &£Jf  kovay  koga  ,Eimer'.  Ein  weit  verbreitetes  Wort, 
das  ich  Et.  Wtb.  d.  Alb.  203  versucht  war  als  Fremdwort  im 
Türkischen  zu  betrachten.  Doch  vergleiche  man  ^\y,  o^>* 
,Bienenkorb',  Jj^y,  i3^^  ,Loch,  Höhlung'  und  was  VÄmWry, 
Et.  Wtb.  64  f.  zusammengestellt  hat.  Danach  scheint  hier  eine 
turko-tatarische  Wurzel  kav  kov  kob  vorzuliegen,  die  an  arisches 
Sprachgut  anklingt.  Vgl.  auch  osttürk.  lÄ^y»,  ^^y»  ,seau  k  tirer 
de  Teau'  Pavet  de  Courteille  421.  Dagegen  ist  osm.  Lj^>  äj^ 
kupa  ,Trinkbecher'  trotz  seines  Vorkommens  im  Osttürkischen 
(Pavet  420)  gewiss  romanisch,  zunächst  ngr.  xotVra.  Et.  Wtb. 
d.  Alb.  215. 

KfiyÄAy»  kumkuma  ,kleine  Metallflasche'  Bianchi  U  530: 
zu  arab.  ^^jL^i*  ,Kochtopf,  aus  lat.  cucuma.  Fränkel  70. 

^'^,  c5^V^'  iS^y^  Awfu,  kute  ,Schachtel':  gr.  xovri  dass., 
zu  agr.  xvTog  ,Höhlung,  Urne',  xrr/g  ,Kistchen,  Schachtel'. 

^^^XJ  lejefi  ,Becken,  Schale':  persisch  und  arabisch,  aus 
gr.  leyuivrj.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  234.  Aus  dem  Türkischen 
wieder  ngr.  Xsyiviy  z.  B.  Pio,  Contes  populaires  8. 


T&rkiscbe  Studien.  1.  51 

&JÜiu<yjo  mastela  ^Butte^  Kufe^  Barb.  II  767:  it.  mastella; 
ngr.  fiaaiXloy, 

bjojo  matara  ^Schlauch  für  Getränke  zum  Reisen'  Barb. 
II  770:  arab.  i^k^  das  man  auf  gr.  fiSTgr]Ti^g  zurlickfUhrt. 

&A*i^U  parsa  ^Holzschale  zum  Almosensammeln  fUr  Der- 
wische und  Bettler^:  soll  it.  boraa  sein.  Barb.  I  378.  Nach 
Zenker  160  c  bedeutet  das  türkische  Wort  ,Börse^ 

JüüU,  &ijül^  patily  patile  ^Kessel,  Pfanne'  Zenker  158  a: 
it.  peUina  oder  padella. 

xJLa^  piale  jBecher'  Bianchi  II  419:  persisch  (Vullers 
I  389),  aus  q>ukXfj.  Nöldeke,  Pers.  Stud.  11  38. 

aIoLo  piata  .Schüssel,  Teller':  it.  piatto,  zunächst  vom 
Phural  des  ngr.  mdvov, 

^I^Jb  pinJ6an  ,Schüssel  zum  Aderlass'  Jussuf  955;  penJcen 
,Gtetreide8chwinge'^  Bianchi  I  393;  pingan  ,Schröpfeisen'  Barb. 
I  412:  pers.  o^^-'  o^^^  ,Schale,  Wasseruhr',  aus  gr.  nivcnux 
(Acc.).  Justi,  Kurd.  Gramm.  XIV.  Die  arabische  Form  des 
Wortes  ist  ab  ^lÄi  ßndian  ,kleine  Kaffeetasse'  im  Türkischen 
gebräuchlich. 

ftk^  pota  ,Schmelztiegel,  irdenes  Gefkss'  Barb.  I  418: 
it.  poUa.  *Et.  Wtb.  d.  Alb.  349. 

ibSLlo  tctbaka  yTabaksdose':  von  it.  tabacco  ,Tabak'.  Das 
ttlrkische  Wort  daflir  ist  ^^yy  oder  (arab.)  c>^>- 

^Udo  tegan  ,Röstpfanne'  Barb.  11  289:  gr.  xiffovov  rrjydvt. 
Vgl.  arab.  ^;^U>  ,po61e',  Fränkel  69.  Ueber  ri^avov  im  Roma- 
nischen vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  69. 

JuJ^    varil  ,Fass,  Tonne'  Barb.  II  836:  it.  barile, 

y\\j  vazo  ,Vase'  Barb.  II  837:  it.  vaso, 

XIII.  Kleidung  and  Schmuck. 

«jKL  bareta  ,Mütze'  Barb.  I  256:  it.  berretta. 

Jm^o  baros  ,Broche  (Frauenschmuck)'  Barb.  I  297:  frz. 
brocke. 


^  Vgl.  die  Bedeutung  von  pers.  sJiii  ,Scheibe  von  Stroh ,  die  beim  Qetreide- 
worfeln  gebraucht  wird*  aus  mvaxAQwv  nach  Nöldeke,  Pers.  Stud.  II  36. 

4* 


OZ  I-  Abhandlnng :    Meyer. 

)y^)y^  hv/rnuz  ^arabischer  Mantel  aus  weisser  Wolle'  Barb. 
I  326  ist  arab.  ,^^j^,  das  man  auf  byz.  ßlqqoq^  lat.  birrua  ,WoU- 
mantel  mit  Kapuze'  zurtickfUhrt.  Fränkel  50 f. 

s:>rl^  (aJcet  ^kurzer  Rock,  der  bis  an  die  Kniee  geht' 
Barb.  I  566:  it.  giaccheita,  frz.  jaquetie. 

I%^(>  dihim  ,persische  Königskrone,  Tiare'  Bianchi  I  899: 
persisch,  aus  gr.  diddfjfia,    Nöldeke,  Pers.  Stud.  11  35. 

&».f^  ferediey  ferad&e  ,Oberkleid  mit  langen  Ärmeln; 
Überwurf  über  die  Kleidung  der  Frauen':  ist  arabisch  i^^j»y 
Plural  t^^\j»'  Dozy,  Dictionnaire  des  noms  de  v^tements  327  flf. 
Man  leitet  es  aus  spätgriech.  cpogsaia,  q>OQsai&  ,Kleid,  Rock'  her. 

,jjj^  fotin  ,Damenstiefel'  Barb.  II  431:  frz.  bottine  ,Halb- 
stiefel',  it.  hottini;  ngr.  fiTtovrlveg  ,Frauenschuhe'  in  Chios,  Pas? 
patis  Xicmdv  yXiaaadqiov  245. 

\jt^j^\  iyris  ,Aii;  Bauernrock'  Bianchi  I  165:  ven.  (panno) 
griso  ,grober  Stoflf  zu  Kleidern'  Boerio. 

,^^jcsülj>  kalten  ,hohe  Gamaschen,  Jagdstiefel'  Barb.  11 467 : 
it.  calzo  ,Schuh',  calzone  ,Hose';  von  letzterem  stammt  das  tür- 
kische Wort. 

jji^Lß  kaloSy  galoh  ,Holzpantoffel  zum  Ueberziehen  über 
die  Schuhe':  frz.  galoche,  it.  galoscia, 

}i\yi\ji  kalora  ,pantoufles  raccommodöes  et  autres  vieiUeries' 
Barb.  II  470.  Nach  dem  Lehdzc  soll  das  Wort  griechisch  sein. 
Barbier  de  Meynard  fragt:  ,serait-cc  Tabbreviation  de  xaXevga?^ 
Dieses  Wort  steht  bei  Legrand  und  Vyzantios  mit  der  Bedeutung 
,socque',  ist  aber  selbst  Fremdwort.  Bulg.  kalevra  ist  ,Schuh',  aber 
serb.  kalavre  ,eine  Art  kurzer  Hosen',  ebenso  rum.  calevrii  ,Art 
Schuhe'  $aineanu  22.  Korsch,  Arch.  f.  slav.  Phil.  IX  509,  denkt 
an  gr.  /crAau^a,  aber  dieses  Wort  scheint  nirgends  zu  existiren. 

(jöJLiJ  kamis  ,Hemd'  Jussuf  528:  arabisch  und  im  Ara- 
bischen romanisch,  lat.  camisia,  byzant.  ^afiiaiov.  Vgl.  Et.  Wtb. 
d.  Alb.  187.    Fränkel  44. 

xÄjUi  kapanifa  ,früherer  Galamantel  der  Sultane'  Zenker 
690  a:  \i.  gabbdno  (Körting  Nr.  1448),  zunächst  serb.  kabanica 
oder  rum.  cabanifä. 

v;y^^ül  kaput  ,Art  Mantel  mit  Kragen  und  ohne  Aermel' 
Barb.  11  442:  it.  cappotto  ,Regenmantel'. 


Türkische  Stndien.  I.  53 

HxyiaJj  kuiidv/ta  ,europäischer  Schuh^:  soll  it.  coturno  aus 
Tuid^OQvog  sein.  Barb.  II  541.  Mi.,  Türk.  El.  I  98  nach  Zenker. 
Doch  ist  coturno  nur  gelehrtes  Wort,  den  Schuh  der  tragischen 
Schauspieler  bezeichnend.  Vgl.  auch  Et.  Wtb.  d.  Alb.  197,  wo 
ngr.  yyuowTOvqi  ,Pantoffel'  aus  Syra  nachzutragen  ist.  Arab. 
<^j3^  leitet  man  aus  xö^OQvog  her:  Justi,  Kurd.  Gramm.  91. 

^^OvS  kardun  ,Uhrkette'  Barb.  11  508:  it.  cordone,  frz. 
cordon.  Dasselbe  ist  ^j^t^^yS  kordon  ,0rdensin8ignien'  Barb. 
U  554. 

7Ü3y9  kukula  ,Kapuze,  Mantel^  &xJ*i**i  kukuleta  ,Mönch8- 
kapuze;  Mantel  mit  Kapuze'  Barb.  11  568.  569:  it.  cocolla,  co- 
collettaj  ngr.  xorxoOA^,  aus  lat.  cuculla.   Et.  Wtb.  d.  Alb.  211. 

\^j3  kereb  ,durchsichtiger  Schleier,  Jaschmak'  Barb.  11 506 : 
frz.  crepe. 

&jt«y  Icerata  ,Horn  zum  Schuhanziehen'  Barb.  11  619:  gr. 
Plural  xigara  von  xi^ag  oder  ngr.  xeQcnov. 

»JryJi^  malluta  ,Art  Oberkleid' :  arabisch.  Dozy,  Vetements 
412.  Aus  gr.  ^Tjlanfj  ,Mantel  der  Schafhirten',  byzantinisch 
häufig. 

•JC^Lo  manUß  ,Mantel'  Jussuf  68 1 :  it.  manto  oder  frz . 
manteau, 

^^^1   omrela  ,Sonnenschirm'  Jussuf  907:  it.  ombrella, 

•JoJü  palto  ,weite  Blouse  der  Bootsleute';  jetzt  ,Uberzieher' 
Barb.  I  385:  frz.  paletotj  span.  paletoque. 

^•JJisjLj  pantolon  ,europäische  Hose':  it.  pantalone. 

**^7v  P^'"^^^  ,Perrücke'  Bianchi  I  356:  it.  parrucca  per- 
rucca,  ngr.  TtSQQOima. 

yri  P^^  ,Ohrgehänge'  Barb.  I  397:  it.  pera  ,bimenfbrmiges 
Ohrgehänge'. 

JjüLiM  sendet  ,Sandale,  Pantoffel'  Bianchi  I  1059:  persisch, 
aus  gr.  advdalov,  aavdahov,    Nöldeke,  Pers.  Stud.  II  40. 

aübUtf  i^abka  ,europäischer  Hut';  auch  ,Spitze  des  Mastes' 
Barb.  II  128:  lat.  cappa.  Das  Wort  stammt  im  Türkischen 
zunächst  aus  einer  slavischen  Sprache.    Mi.,  Nachtr.  II  37. 

JüjuM  äinil  ,Art  Mantel  mit  Pelzkragen'  Barb.  II  168: 
frz.  chenille  ,weiter  Oberrock  mit  einem  Kragen'. 


54  I-  Abhandlang:    Meyer. 

^^I*J  tiranti  ^Hosenträger^  Barb.  I  453:  it.  tirante.  Vom 
Plural. 

a^^^^l  v/rubay  iu^s  ruba  ^Kleidung;  Kleidnngsstttcke': 
it.  roba, 

oyO^I,  o^C^^I  üsMf,  iisUuf  ,Art  Mütze^,  alte  Kopf- 
bedeckung der  Janitscharenofficiere,  seit  1826  verschwunden. 
Barb.  I  56.  168:  it.  scuffia  ,Haube,  Mütze^;  ngr.  axoiqua. 
Deutschen  Ursprungs. 

jü\  ztcnnar  ,Mönch8gürteP  Barb.  11  45:  arabisch;  aus 
gr.  ^wvdqiov. 

XIV.  Stoffe. 

^jvU  bazin  ,Doppelbarchent'  Barb.  1261:  frz.  bastUy  das 
man  als  Kürzung  von  bombasin  (von  lat.  bombyx)  erklärt. 

Lo4>  diba  ,Art  Seidenstoff  Jussuf  202:  soll  gr.  dlßatpoq 
sein.  Mi.,  Nachtr.  I  28.  Im  Türkischen  stammt  das  Wort  aus 
dem  persischen  (Vullers  I  946)  U3>,  d^>,  arab.  ^Uj^.  Es  ist 
orientalischen  Ursprungs,  vgl.  Schrader,  Zur  Handelsgeschichte 
I  255. 

^i>  dimi  ,Barchent':  ngr.  difiiTOv  ,basin'  von  difurog  ,k 
double  fil^  Schrader  a.  a.  O.  254. 

yuwLolo  damasko  ,Damast'  Barb.  I  727:  it.  damasco. 

ik3yX^^  Bsiofa  ,Brocat^  Barb.  I  52:  it.  stoffa  im  Sinne  von 
stoffa  broccata. 

aJbLi  fanila,  fanela  ,Flanell,  Flanellhemd^  Barb.  H  399 : 
it.  flanella. 

^UyjAj  fasone  ,geblümter  Seiden-  oder  Wollstoff:  frz. 
fagonni,  Barb.  H  396. 

j^jJai  fildekoz  ,leichter  Flanell';  ,Art  Strümpfe*  Barb. 
H  436:  frz.  fil  d'Aosse, 

v5/7*>  ^)y^f  ßvfi'^  ,purpurfarbig';  äS^  ^^y  firfiri 
^ka  ,Purpur8toff:  arab.  j^j»  ,Purpur',  ^Sj^j^  ,purpurfarbig', 
von  gr.  7toQ(pvQa. 

^yy^  gerun  ,^toffe  de  soie  d'un  grain  ^pais  et  fort;  sorte 
de  gros  de  Naples'  Barb.  H  384:  der  Stoflf  heisst  gros  graiwj 
daraus  entstellt? 


TOrkische  Studien.  I.        .  56 

vsJüCmiI  islcerlet,  v:;^^JuMt  sskarlat,  auch  y^yü^^  s^if^tyäjku 
nlcerlety  sekarlat  ^Scharlachtacli;  scharlachroth^ :  it.  scarlatto. 
Obwohl  der  Ursprung  des  Wortes  im  Orient  zu  suchen  ist, 
muss  seine  türkische  Form  als  die  occidentalische  angesehen 
werden. 

v:l9«XJLj  kalikot:  frz.  calicot  aus  dem  EngUschen. 

kj^^Llj  kanaviöa    ,Caneva8,   Stickgaze':   it.    canavaccio. 

wue\U  kazmir  ,Kasimirtuch'  Jussuf  360:  frz.  Casimir, 

<l£m*jlI  lepsika  ,imitirter  Seidenstoff  Barb.  11  699:  frz. 
leipaicois  ^aus  Leipzig^ 


XjsiiJyi  londrina  ,nachgemachtes  engHsches  Tuch'  Bianchi 
n  721:  it.  londrino  von  Londra  ,London'  dass. 

\j»yJ^yo  merinoa  ,  Merinowolle ' :  frz.  m^rinoa  aus  dem 
Spanischen.   Jussuf  720. 

&£möL>  patiska,  &aamJL  batista  ,Art  feine  Leinwand' 
Barb.  I  373:  it.  batista,  frz.  batiste,  so  genannt  nach  ihrem 
ersten  Verfertiger. 

^yüKL)  parangon  ,scharlachroth,  Purptu*'  Zenker  160  a: 
it.  scarlatto  di  paragone,  Mi.,  Türk.  El.  II  38. 

Llm/^o  prusia  ,Berliner  Blau'  Barb.  I  398:  it.  Prussia 
,Preussen'. 

ä-äI\  ral^a  ,Art  grobes  Tuch'  Barb.  II  10:  it.  rascia,  von 
der  Stadt  Arras. 

ft^Lo  saja  ,grobes  Tuch  zu  Regenmänteln'  Jussuf  1028: 
it.  saja  ,Wam8',  sajo  ,ein  Zeugstoff,  vgl.  Körting  Nr.  7077; 
Mi.,  Tlirk.  Ell.  11  47  hat  unrichtig  it.  sargia  verglichen. 

Jljüud  sandal  ,Taffet':  arabisch,  aber  im  Arabischen 
Fremdwort,  das,  über  mlat.  cendalum,  sindalum,  it.  zendado 
u.  8.  w.,  auf  agr.  aivdibv  zurückgeht.  Cihac  11  610.  Dozy,  V6t. 
378.  Da  aivdfbv  im  Griechischen  fremd  ist  (es  gilt  flir  ägyptisch), 
hat  das  Wort  eine  merkwürdig  weite  Wanderung  von  Ost  nach 
West  und  zurück  von  West  nach  Ost  erfahren. 

JjCm^I  üsUül  ,gereinigte,  feine  Leinwand'  Barb.  I  168: 
ngr.  OTLOvXi  ,Un  card^'  von  agr.  aifuiXXvg. 


56  '      1-  Abhandlung:    Meyer. 

XV.  Nahrnngsmlttel. 

1*^   bira  ,Bier':  it.  birra. 

^^Wo    brizola    ,Art    Kebab    von    Hammelfleisch'    Barb. 

I  297:  venez.  brisiola  =  it.  braciuola  ,Ro8tbraten,  Carbonade^ 

&j^«5^  iokolata  ^Chocolade':  it.  cioccolata. 

JoU^uumI  BBtufato  ,gedämpftes  Fleisch,  Schmorbraten':  it. 
stufato. 

^dWM^Li  farai  ,Füllsel,  mit  Füllsel  bereitete  Speise'  Zenker 
654  b:  frz.  farci. 

&-La^l*i  frand^tela,  firandHla  ,feines  Weissbrot':  eigentlich 
jfränkisches ,   d.  i.    europäisches   Brot',  von    yi^j3.     Vgl.    Cihac 

II  578.    Mi.,  Türk.  El.  I  61.     Das  Wort  scheint  zunächst  aus 
dem  Rumänischen  zu  stammen. 

LioJLD  galetüy  2üjuU  kalieta  ,runder  Kuchen,  rundes  Brot'. 
Barb.  11  379.  533:  it.  galetta  ,Brotkuchen,  Schifi*szwieback'. 

Jn%A*At\  ispirito   ,Essenz,  Likör'   Barb.  II  47:   it.  spirito. 

&£\ttj[«i*,  KÄj^yjJ  kopuzga,  kopuska  ,Kohl  in  Oel  oder 
Butter':  russ.  kapusta  aus  mhd.  kumposty  im  letzten  Grunde 
lat.  composita.  Mi.,  Slav.  El.  im  Türk.  12.  Osttürkisch  bei 
Pavet  de  Courteille  422  dJLuj^.yi  ,chou'. 

wäU  kaSer  ,Art  Käse,  der  in  Thrakien  gemacht  wird' 
Jussuf  515:  rum.  ca^  , Quarkkäse',  vom  Plural  cofuri, 

JI«XÄli  kchikaval  ,Art  trockener  Käse'  Barb.  11  460: 
it.  cacio  cavallo'^  ngr.  ycafryMßdXt,  rum.  ca^caval,  magy.  kaskavdl, 

&jjtjüLo«iJ  kumandaria  ,0y perwein'  Jussuf  625:  ,xoi;fi€v- 
ragia,  commandcrie:  oVto)  'AaXovvrai  rd  iv  KvTtQcp  riaaaga  %wqla 
niarctviatöy  OivUl,  MovaygovXi  xai  KoXöm  rd  vrrö  rov  Odyov 
A'  (1210)  dü)Q7]d'ivTa  efg  rd  Tdy[.ia  ruJv  ^ Iwavvirwv,  &g  Ijtd  ra- 
^idqxov  (commandeur)  dtoivtovfieya  *  iyt  rovrwv  di  na^yBTO  xal 
b  liixQi  v^v  7CSQi(bw^iog  KvTtQiog  olvog  xofifiavraQia^,  Sathas 
Meaaiiovtycij  ßißXio&rpn]  II  614.  Vgl.  auch  Sakellarios  Tä  Kv- 
TtqiaTLa  I  (Athen  1890)  243. 

jSSii  langer  ,Art  minderwerthiger  Wein'  Bianchi  II  693, 
nach  Zenker  790  a  auch  langoros:  n^T.  X&yy^qog^  X&yyeQag^  das 
nach  Korais,  ^'Axama  IV  95  aus  hx^vqog  bei  Hesychios  ent- 
standen ist. 


Türkische  Studien.  I.  57 

äio[jy^  limwiada  ^Limonade'  Jussuf  659:  it.  linioimta, 
venez.  limonada, 

kjAJLio  makama  ,Art  Nudeln*  Jussuf  675:  it.  niaccheroni, 

&2^Le  mandia  ,Nahrung,  Essen,  Portion'  Barb.  11  721 : 
it.  manffiare. 

^ICxamLo  mastiiciy  a^AxÄ^Lo  mastika  ,Mastix,  Mastixschnaps' 
Barb.  11  716.  Jussuf  685:  ngr.  iiaaxixi,  ^arlxa. 

%Üiamuo  mistar  ,Most'  Bianchi  II  897:  arabisch,  aus  gr. 
*liOva%dQiov  von  lat.  mustum. 

SwA^wo  mizitra  ,frischer  Ziegenkäse*  Barb.  11  756:  gr. 
fit^i^&Qa,  fiiCi^d^Qa  jButtermilch*,  auch  ^ovCi^d-ga.  Korais,  ^AT(xia:a 
IV  332  flf.  Die  Herleitung  ist  unsicher.  In  Megara  sagt  man  ^«;fi^- 
dqay  was  vielleicht  die  ältere  Form  ist,  zu  t,vu6u}  ,mache  gähren*. 

3ÜUA/U  pasie  ,Art  Süssigkeit,  Mischung  von  Mehl  mit 
Datteln  u.  s.  w.'  Barb.  I  381:  it.  pasta. 

Jüoyüa^,  aüc  %  Juaj  pasturma  ,eingesalzenes  und  geräuchertes 
Fleisch*  Bianchi  I  369.  Barb.  I  403:  gr.  TtdaTwfia  ,salage  de 
viande,  de  poisson  etc.*  Legrand,  von  naariüvü)  ,salze  ein*;  agr. 
TtaGTÖg  ,bestreut,  eingesalzen*.  Aus  dem  Türkischen  wieder  gr. 

TtaOTOVQfläQ. 

_A^3u  psxte  ,Gelatine,  Gallert*  Jussuf  944:  aus  dem 
Persischen  (i^^^^^,  ,gelatina*  Vullers  I  333);  gr.  ttijxt^.  Mi., 
Nachtr.  II  13. 

nj^xjpide  ,dtinner  Brotkuchen*  Jussuf  955:  ngr.  nka.  Eine 
Vermuthung  über  den  Ursprung  des  weit  verbreiteten  Wortes 
habe  ich  Et.  Wtb.  d.  Alb.  340  ausgesprochen. 

*^^  P^^^  ,Hefe,  Bodensatz*  Barb.  I  418.  Nach  Zenker 
221  it.  posatura.  Es  mtisste  etwa  posata  im  Sinne  von  posa- 
twra  sein. 

^IJljK  rafedan  ,weich  gekochtes  Ei*  Barb.  II  10:  gr. 
cdyä  (^oxHpTjtA  ,weiche  Eier*,  von  ^oq>iü)  ,8chlürfe*. 

S\*^^Lm,  n\yo)kj>o  salamora,  salamura  ,Salzlake,  Fisch- 
ragout* Barb.  II  62:  venez.  salamora  =  it.  salamoja. 

&k^Lid  salata  ,Salat*:  it.  (in)  salata,  ngr.  aaX&xa.  (^J&te^Lo 
salataUk  ist  eine  Bezeichnung  für  ,Gurke*  Jussuf  1013. 


Ö8  I.  Abhandlung:    Mejer. 

iuaJLm,  a^süLo  salsttj  saUa  ^Sauce,  Ragout'  Barb.  II  62. 
189:  it.  Salsa]  die  zweite  Form  zunächst  aus  ngr.  adkzaa  oder 
aus  nun.  salce, 

JuLMiM  simidj  semid  , rundes  Weissbrot'  Barb.  II  98. 
Arabisch  Xy^^  ^fleur  de  farine'^  das  man  aus  gr.  aefildaXig 
herleitet:  Fränkel  32.  Mi.,  Tiirk.  El.  II  53.  Das  griechische 
Wort  scheint  selbst  ein  Fremdwort  zu  sein.  In  späten  Sanskrit- 
texten findet  sich  das  ebenfalls  entlehnte  samitä]  auch  lat.  simila, 
similago  ist  fremd,  ob  aus  dem  Griechischen  (Keller,  Volks- 
etymologie 83)? 

^jmjM^Jc  tsragss  ,Art  Weizengrütze'  Barb.  11  281:  gr. 
tqäyog  ,groats  of  hXvqa  or  %bi&^  Sophoklis;   lat.  tragoSj  tragum. 

Als  fremd  ist  noch  zu  nennen  f^y^^  pundi  ,Pun8ch*  aus 
dem  Englischen. 

Schwierig  zu  beurtheilen  ist  das  Wort  oL^^^Xj  beJcsimad^ 
gewöhnlich  geschrieben  isL^wwyX)  pelisimat  ,  harter  Zwieback' 
Barb.  I  308  wegen  seiner  Beziehung  zu  ngr.  rra^i^ddi.  Das 
griechische  Wort  ist  nicht,  wie  Korsch,  Arch.  für  slav.  Phil. 
IX  662  meint,  altgriechisch,  sondern  erst  byzantinisch;  es 
kommt  in  den  Formen  Tta^afi&gj  rra^a^u;,  Tia^a^Adiov,  Tta^ifi&diVy 
Tta^afjuiTiov,  Tra^afilrfjg  vor,  vgl.  Sophoklis  839.  Das  weist  auf 
fremden  Ursprung,  und  so  wird  das  persische  OU-***5o  ,pani8 
butyro  illitus'  Vullers  I  254  die  Quelle  des  griechischen  wie 
des  türkischen  Wortes  sein.  Türk.  l>U**Jo  ist  durch  volks- 
etymologische  Anlehnung  an  vi>9,  peU  ,hart'  und  l>U-a»  simat  ,Mahl' 
entstanden. 

XYI.  Ackerbau,  Viehzucht. 

ouoO  demet  ,Heubündel ;  Bund,  Paket  im  Allgemeinen' :  gr. 
deiidri  ,botte,  fagot,  paquet',  von  difia.  Vgl.  Mi.,  Nachtr.  II  101. 

^jÄ  dö^en  ,Dreschflegel'  Hind.  227 :  spätgr.  rvnävt]  ,ein 
Werkzeug  zum  Dreschen'. 

dü^f  evleU  ,Furche'  Barb.  I  190:  gr.  aihhu  von  agr. 
aila^.  Dagegen  hat  (3^^!  oluk  ,Rinne,  Dachrinne'  nichts  mit 
aiXa^  zu  thun  (Mi.,  Türk.  El.  K  35). 

^^iLÄJ  feSks  ,Mist,  Dünger'  Zenker  667.  Budagov  I  786: 
erinnert  an  ngr.  ßovzöay  ßovTaid  ,Mist',  das  aus  afrz.  botise 
stammt.     Ngr.  (povaul  ist  das  türkische  Wort. 


T&rkiBche  Studien.  I.  59 

^y^'i  ^yS  ^übre  , Dünger'  Zenker  735  c:  ngr.  xoTtQid 
yDtinger*  von  xÖTtQog. 

s^JüLo  mandra  ,Viehhilrde'  Barb.  11  721:  ngr.  fxdvxQay 
it.  mandra  aus  agr.  fidyÖQa. 

^LJo  terpan  ,Sichel'  Barb.  11  283:  gr.  dQsn&vi  von 
d(^ijtavO¥. 

}iyi\  zelve,  äJ^v  zevle,  zevile  ,Jochring',  Barb.  II  44.  51 ; 
bei  Blaa  312  bosnisch  auch  tj^y.  ngr.  l^evXa  aus  l^eiryla.  Vgl. 
Et.  Wtb.  d.  Alb.  484,  wo  kurdisch  zevle  ,cercle  qu'on  met  au 
cou  des  bcBufs  pour  tenir  le  joug^  Justi,  Wörterbuch  226  nach- 
zutragen ist. 

XYU.  Spiele  und  KOnste. 

Jüol4>  dama  ,Damen8piel'  Barb.  I  727:  it.  dama, 

yüuo^O  domino  ^Dominospiel'  Jussuf  217:  it.  dominb,  aus 
dem  Französischen,  vgl.  Scheler  u.  d.  W. 

yüLu  pianko  ,Lotterie'  Barb.  I  422.  Jussuf  953:  soll 
(nach  einer  mündlichen  Mittheilung)  von  dem  Inhaber  der  ersten 
in  der  Türkei  concessionirten  Lotterie,  einem  Italiener  Bianchi, 
den  Namen  haben. 

xJ^Ü,  iJ^Llo  tavla  ,Damenbrett,  Schachbrett,  Trictrac' 
Barb.  I  436.  H  274 :  it.  tavola.  Vgl.  Mi.,  Türk.  El.  H  69. 

^Lax^^  rumbale  ,Ball  beim  Ballspiel*  Bianchi  1955:  it.  rom" 
6oZa, Schleudert  Die  Angabe  der  Bedeutung  bei  Barb.  11 29  ,quille 
pour  jouer*  (angeblich  nach  Bianchi)  scheint  ungenau  zu  sein. 

lj«jL«  mar 8  ,terme  de  jeu:  perdre  double,  6tre  capot'  Barb. 
II  715;  ,double  gain  au  jeu  de  trictrac'  Jussuf  683:  ist  mir 
nicht  klar. 

VÄ*J^  ßt  Spielausdruck,  ßt  olmak  ,seinen  Gewinn  mit  einer 
Spielmarke  bezeichnen'  Barb.  II  436:  it.  fitio? 

v;:^^Ij  kaput  Spielausdruck,  k,  olmak  ,^tre  capot  au  jeu' 
Jussuf  536:  frz.  capot. 

Ausdrücke  des  Kartenspiels. 

JüujoLaamI,  JüuJL&amI  eskambily  iskanbil  ,Spielkarten'  Barb. 
I  54,  richtiger  ,Art  Kartenspiel'  Jussuf  482:  frz.  brusqtiembille 
,Art  Kartenspiel',  dessen  Etymologie  zweifelhaft  ist.   Littr^  I  434. 


60  I.  Abhandlnng:    Meyer. 

^L^f,  ^Luwl  isbatij  iapati  ,Treff  im  Kartenspiel  Barb. 
146.  Jussuf  484:  ngr.  anad^i  dass.;  it.  spade  ,Sch werter'  waren 
eines  der  vier  Kartenembleme. 

to.Lö  ma^a  ,Pique  im  Kartenspiel'  Jussuf  666:  ngr.  fA^Srraa 
dass.,  aus  it.  mazza  ,Stock,  Keule',  vgl.  hastoni  als  Kartenemblem. 

LJ^^I  oria  ,Carreau  im  Kartenspiel'  Jussuf  909:  span.  oros 
dass.  Wohl  auch  durch  griechische  Vermittlung.  Allerdings 
lauten  bei  Somavcra  II  99  die  vier  griechischen  Farbennamen 
Tor  anad^id  le  spade,  tcc  firvaarovvia  i  bastoni,  ol  xovTteg  le  coppe, 
rä  devdgta  i  denari.  Doch  gibt  Legrand  das  oben  erwähnte 
fidraa  für  Pique;  ftir  Coeur  xoC/ror,  für  Carreau  reTQAyapvov,  fUr 
Treff  airad^L 

ÜU  pata  ,cartes  Egales  au  jeu'  Jussuf  939:  venez.  pata 
=  paritk,  it.  patta. 

Nicht  klar  ist  mir  \yS  koz  ,Trumpf,  Atout'  Jussuf  636, 
woraus  ngr.  nöl^iov,  rum.  coz  und  die  bei  Mi.,  Türk.  El.  I  99 
verzeichneten  sla vischen  Wörter  stammen.  Schwerlich  ist  es 
dasselbe  wie  osttürkisch  jyJ  ,noix'  bei  Pavet  de  Courteille  429. 
Legrand  hat  ftir  ,atout'  /.ötgi]  ob  richtig?  dies  bedeutet  sonst 
,Knochen'  und  ist  slavischcn  Ursprungs.  Nach  Korsch,  Arch.  f. 
slav.  Phil.  IX  512  wäre  rum.  coz  aus  russisch  kozyn  ,Trumpf 
verkürzt,  und  dies  stamme,  durch  öech.  kozir,  aus  deutsch 
Kaiser, 

Musik. 

^JLkMiyA  musiki  ,Musik':  gr.  fiov(n%rj.  Aus  dem  Arabischen. 
Dagegen  stammt  ^\yo  rnuzika^  blos  für  ,Militärmusik',  zu- 
nächst aus  dem  Italienischen.  AjUM^yx  musikar  ist  eine  Art 
Querpfeife. 

^j^ü>  kämm  ,instrument  de  musique  k  cordes  triangu- 
laire;  psalt^rion'  Jussuf  531:  ausgehend  von  gr.  xotvcAv  in  seiner 
Bedeutung  im  byzantinischen  Kirchengesange,  s.  SophokUs  627. 
^yUJ  ist  ins  Türkische  aus  dem  Arabischen  übergegangen, 
allgemein  in  der  Bedeutung  ,Gesetz,  Regel';  im  Arabischen 
wird  es  als  Musikinstrument  mit  ,Hackbrett'  erklärt. 

Jü^if,  vicyi',  aJo^ü*  lauta,  laguta  ,Laute'  Barb.  II  697. 
698:  it.  liuto^  afrz.  leiit.  Das  europäische  Wort  stammt  aus 
arab.  ^yJ^ . 


Tftrkiiche  Stadien.  I.  61 

^•ioJLio  santur  ^Masikinstruinent  mit  Saiten,  die  mit  Stäb- 
chen geschlagen  werden*  Barb.  11  220:  gr.  tpaXji^Qioy,  zunächst 
ans  arab.  j^;^'^^^,  und  dies  aus  aram.  TntD3pB.  Justi-Jaba  245. 

nXXj^  sitara  ^esp^ce  de  cithare  k  trois  cordes*  Jussuf  1073: 
frz.  citharey  aus  dem  Oriechischen. 

^yj  buk  ,Horn*  Bianchi  I  407 :  arabisch,  aus  lat.  bucina, 
Fränkel  284. 

ia^o  berbut  ,Laute'  Bianchi  I  343:  arabisch,  aus  gr.  ßüg- 
ßi%ov.   Fränkel  284. 


sjJjo\Ji  trampeta  ,Trompete',  jetzt  ,TrommeP  Barb.  I  452: 
it.  trambetta. 

yi[jL^  6embalo  ^Schellentrommel'  Barb.  I  596:  it  cembalo 
aus  dem  Griechischen. 

xb^^  ßlaota  ,Flöte'  Barb.  II  436:  it.  flauto. 

tükjnjS  keranete  ,Clarinette'  Barb.  II  514:  it.  clarinetto 
aus  dem  Französischen.  Vgl.  ngr.  ylagho  Kanellakis  Xiaxdr  l^vd- 
leKTa  356. 

^IXdl    Ukala  ,Tonleiter'  Barb.  I  67:  it.  scala. 

Andere  Neologismen  sind  licyj   nota  ,Note',   l^^l    opera 

jOper*,  ^^  jwano  ,Clavier*.  Jlyj  kaval  ,Schalmei^  hat  man 
wohl  mit  Unrecht  mit  gr.  yuxvkög  in  Verbindung  gebracht  (Mi., 
Nachtr.  I  60).  pandv/ra  ,Guitarre,  Laute'  Mi.,  Nachtr.  II  10  kann 
ich  im  Türkischen  nicht  nachweisen;  das  Grundwort  nav- 
do^Qay  TtavdovQiov  war  lydisch  (Lagarde,  Gesammelte  Abhand- 
lungen 274);  zur  Verbreitung  des  Wortes  vgl.  noch  Möhl,  M^m. 
Soc.  Ling.  VII  402  f. 

Tanz. 

Uy^  %ora  ,Tanz',  bei  Bianchi  I  759  (j^^>^  %oro8j  I  788 
'i\y^  Xoraz:  gr.  xogög.  Vgl.  osttürk.  O^^yii.  ,danse  en  se  tenant 
les  mains'  Pavet  de  CourteiUe  313. 

y>vu*^  sirto  ,Art  Tanz'  Barb.  II  121 :  gr.  Gv^ög,  von  avQw. 

Neologismen  sind  sJU  bale  ,Ballet',  i^jyo  Ja^U  pantomim 
,Pantomime';  ebenso  ^J>Laj  telatro  ,Theater,  Schauspiel',  UcV5lJb 
ttragidia  ,Tragödie',  Ujuo^*  komedia  ,Schau8piel'.  Hier  seien 
auch  ttJU  balo  ,Ball,  Tanzunterhaltung',  it.  ballo,   bei  Zenker 


62  I.  Abhaadliuig :    Mejer. 

171  c  (jMaJLj  balos;  ^O^^Lo,  ^4>«LJLu  bilardoy  biliardo  ^illard^^ 

it.  higliardo;  UuajI  antika  , Antike,  alter  Eunstgegenstand^  er- 
wähnt. 

XYIII.  Handel  und  Verkehr. 

viJw5'  ^mrüK  jDouane'  Barb.  IT  676:  mgr.  -Mii^qyLiov 
TcovfiiQKLOv  aus  lat.  commercium.  Das  neaarab.  ^sfJ^  ,Zoll'  ist 
türkisch. 

SiXiUy  lokaiida,  vulg.  lokanta  ^europäisches  Hdtel^  Re- 
staurant' Barb.  II  708:  it.  locanda. 

L>*üuA««J  lostaria  ,kleine,  schlechte  Herberge'  Barb.  II  707: 
it.  V  osteria  mit  dem  Artikel;  ngr.  koaragia  Vyz.  569. 

svübo  magaza  ^Magazin':  ist  die  europäische  Form  des 
arab.  ^^.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  253.  Mi.,  Ttirk.  El.  U  19. 

nyXAMmjo  mostra  , Waarenprobe' :  it.  mo8tra, 

ft^SuJo,  auwuJftj|  polüay  polisa  ^lettre  de  change'  Barb. 
I  420:  it.  polizza,  Mi.,  Türk.  El.  II  41.  Aus  dem  Griechischen? 
vgl.  Körting  Nr.  6258. 

auuelo,  M^yic  trampa  ,öchange,  troc;  commerce  d'^change' 
Barb.  I  453.  H  282:  it.  tramuta.  Mi.,  Türk.  El.  II  74. 

»3yykxMt  sigurta  , Versicherung'  Barb.  II  122:  it.  sicurtä^ 
venez.  segurtä.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  384. 

«Lm^4^  simaar  ,Mäkler'  Barb.  II  97 :  arabisch  und  persisch. 
Man  hält  für  die  Quelle  des  orientalischen  Wortes  it.  Sensale^ 
das  aus  lat.  censualu  stammen  soll.  Aber  das  lateinische  Wort 
bedeutet  einen  Einschätzungsbeamten.  Das  Wort  ist  persisch 
und  aus  dem  Persischen  in  die  semitischen  und  europäischen 
Sprachen  gewandert. 

,j»jkI,  [jy^)^  urhun,  armun  ,Handgeld'  Zenker  24:  gr. 
dQQaßcjv,  das  semitischen  Ursprungs  ist:  hebr.  flD'jJ,  arab.  ,j^^, 
j^b^.  Vgl.  Lagarde,  Bildung  der  Nomina  203.  Im  Arabischen 
Fremdwort  und  vielleicht  auch  aus  Aqqaßmv  entlehnt:  Fränkel, 
Aramäische  Fremdwörter  190. 

ijjJüJ  fendßk  ,Wirthshaus'  Barb.  II  431:  gr.  7tavdo%Biw, 
Neuhebr.  pi:B  Fürst,  Glossarium  graeco-hebraeum  172. 


Ttrkische  Stadien.  1.  63 

ilSUoj  pitaka  ^Etikette  auf  Waaren'  Barb.  1403:  schwer- 
lich, wie  Barbier  de  Meynard  meint,  gr.  Ttirxdiuov^  das  diese 
Bedentong  nicht  hat,  sondern  Entstellung  des  frz.  etiquettej  ngr. 
uxizray  mit  Dissimilation.  Im  Sinne  ,billet,  petite  lettre*  könnte 
es  TtiTwdn/Liop  sein;  doch  sagt  Barbier,  diese  Bedeutung  sei  dem 
osmanischen  Türkisch  unbekannt.  Indessen  finde  ich  in  den 
Mittheilungen  von  Tsakyroglu  über  die  Sprache  der  kleinasia- 
tischen Jürüken  (Ausland  1891,  341—344.  366—372)  UtikH 
,Schreiber',  hiti  ,kaufmännisches  Buch^ 

^^L4^K^  dragman^  vulgär  draman  ^Dolmetsch'  Barb.  1 733: 
it  drugomanno^  europäische  Form  des  arabischen  o^^tr^* 

Fälschlich  leitet  Barb.  I  121  sLol  anbar,  ambar  ,Scheune, 
Speicher,  Magazin*  aus  gr.  ifinÖQiov  her;  es  ist  arabisch,  aus 
persisch  anbär  (=  ai.  9aihhhärd-)y  wozu  ein  arabischer  Singular 
j^  später  zurtickgebildet  wurde:  Hoffmann,  Zeitschrift  der 
morgenländischen  Gesellschaft  XXXTI  761. 

Hieher  gehören  eine  grosse  Menge  moderner,  meist  italie- 
nischer Ausdrücke  des  Handelsverkehrs,  wie  alivre  ,Wechsd- 
termin*  (frz.  ä  livrer),  adJsio  ,Agio*,  aksiun  ,Actiengesellschaffc* 
(fr^.  aciion)y  hankay  hanknot,  bilety  bono  ,Bon',  borsay  bilanöOy 
biUie  ,Waarenballen*,  6ek  ,Check',  depositOy  diiVo,  dzirante, 
eskanto  (vulg.  sinkonta  Barb.  H  125),  faturay  fireh  , Verlust  an 
einer  Waare'  (frz.  frais)  y  frangobarday  istimara  ,da8  Aichen* 
(it.  8tifnare)y  kambitd,  kambioy  kompaniay  konuämentOy  kontratOy 
manifaturay  ordinOy  partitUy  protestOy  provay  passaport  (Bianchi 
I  307  \jyyAM[^  pa8portd)y  patentay  postay  sekuestrOy  sindik  oder 
Bfndsk  ,öyndicus',  Uransit  ,Transit*. 

XIX.  MOnzen,  Hasse,  Oewichte. 

s%^l  aspre  ^Art  Münze*:  gr.  äan^ov.  Ueber  dessen  Her- 
kunft aus  lat.  asperum  vgl.  Psichari,  Möm.  Soc.  Ling.  VI  312  ff. 
üeber  die  Geltung  des  aapre  siehe  mein  Et.  Wtb.  d.  Alb.  18, 
wo  Paspatis  Xicntjdv  yhjuaa&^iov  96  nachzutragen  ist. 

nLuO  dinar  ,Goldmünze':  byzant.  drjv&qiov  aus  lat.  de- 
narivs.  Zunächst  aus  dem  Arabischen  oder  Persischen.  Ueber 
den  Wandel  in  dem  Werte  der  Münze  vgl.  Lagarde,  Bildung 
der  Nomina  221  f.  nach  Hultsch. 


64  I.  Abhandliing :    Meyer. 

jfjO  dirhem  ,alte  Silbermünze*;  gewöhnlich  als  Gewichts- 
bezeichnung der  vierhundertste  Theil  der  Oka.  Barb.  I  737: 
arabisch  ^j>  aus  persisch  ^.y  und  dies  aus  gr.  dqayui'ij.  Vgl. 
Nöldeke,  Pers.  Studien  II  35. 

^aJL^O  dublun  ,Art  spanische  Goldmünze'  Barb.  I  755: 
span.  dohloiij  it.  dobblone, 

jj*JLi  feh  ,kleine  Münze*  Jussuf  289:  ist  arabisch,  und 
dies  aus  mgr.  cpöXlig  =  lat.  follis,  Direct  aus  cpöilig  oder 
qiökXa  stammt  türk.  J^.  pul  , kleine  Kupfermünze;  Fisch- 
schuppe* ^  Barb.  1419.  Vgl.  Blau,  Zeitschr.  d.  deutschen  morgenl. 
Gesellschaft  XXI  672;  Lagarde,  ebenda  XXII  330.  Mi.,  Türk. 
El.  II  42.  Nachtr.  II  15.  Spanisch  foluz  aus  dem  arabischen 
Plural 

^%JLi,  ^yyXi  falv/rij  felurin  hiess  früher  der  venezia- 
nische Ducaten,  jetzt  der  österreichische  Gulden.  Barb.  11427: 
it.  fiorino,  alt  ßorino-^  gr.  q>k(aQiy  (pXovqi,  Dasselbe  bedeutet 
&ä3.^  florenia  Mi.,  Türk.  El.  I  61  vom  Namen  der  Stadt 
Florenz. 

"^Mj  i3^^y^  fi'ci'^ka,  frank  ,Frank*  Barb.  II  408.  Jussuf 
303:  it.  francOy  frz.  franc. 

JUy,  JIj>  irjal ,  rial  ,spanischer  und  österreichischer 
Thaler*  Barb.  I  41.   II  31:  span.  real, 

Jai^*^  gv/rui  jPiaster*  Barb.  II  383:  mlat.  grosstusy  it.  grosso. 
Vgl  Mi.,  Türk.  El.  I  64.  Kluge  u.  Groschen, 

}iyxi  lira  ,Goldmünze,  =  100  Piaster*  Barb.  11  710:  it. 
lira.  Aus  der  Doublette  it.  lihhra  stammt  »vaJ  lihra  ,livre, 
monnaie*  Barb.  II  698. 

^^jJUuo  metalik  ,monnaie  de  cuivre  m^W  d'argent*  Jussuf 
727;  ,les  Turcs  donncnt  h  ce  mot  le  sens  de  monnaie  altöräe, 
rogn^e;  cependant,  en  langage  de  boursc  et  d'affaire,  ils  Tem- 
ploient  avec  ses  variantes  e^üLX-«  et  ^^iJJU  pour  designer  les 
valeurs  remboursables  en  numöraires*  Barb.  II  728:  gr.  (istaX- 
hiiög  von  jn/raZAoy;  engl,  metallic  currency  ,klingcnde  Münze*. 


*  In  dieser  Bedeutung  vielleicht  an  griech.  (poX^g  »Schuppe*,  anzuknüpfen, 
aus  dem  auch  arab.  ^^yiJL>  »Schuppe*  (Fränkel,  Aramäische  Fremd- 
wilrter  192)  entlehnt  ist. 


Türkische  Stadien.  I.  65 

^♦3  nümme   ,kleine,    schlechte  Münze*,   Bianchi   II  1138: 
arabisch,  aus  gr.  vov^^lov  von  nummus.   Fränkel  196. 


Jü\^  J  dozine,  duzina  ,Datzend'  Barb.  I  759:  it.  dozzina. 
Junge  Entlehnung. 

*l*^  gsram  ,Gramm'  Barb.  II  382:  frz.  giamme.  Neo- 
logismos. 

slSciXS  kantar  ,Gewicht  von  vierundvierzig  Oka';  auch 
,Wage'.  Barb.  11  541:  arabisch,  aus  gr.  -Mwrp^iQiov  =  lat. 
centenarium.   Fränkel  203. 

ioLj,  ^'y^  kerat  ,poid8  de  quatre  grains,  carat'  Jussuf 
576:  arabisch,  aus  gr.  Ttegariovy  byzantinische  Bezeichnung  eines 
kleinen  Gewichtes.   Mi.,  Türk.  El.  I  96.   Fränkel  200  f. 

^j\^y  U^^  ^^^''^9  ^^p(^n  , öffentliche  Wage'  Bianchi 
II  560:  pers.  j^^U^,  aus  gr.  TtafiTtavög  oder  xafiTtavöv^  von  lat. 
campäna.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  168.  Aus  dem  Persischen 
arab.   ^US.    Nöldeke,  Pers.  Stud.  II  39. 

sJjjy  Uelender  ,Mass  für  Flüssigkeiten,  etwa  zwei  Oka* 
Barb.  II  642:  gr.  xvXivdQog, 

idjS  Teile  ,Hohhnass  fiir  Getreide'  Barb.  II  689 :  arab.  J^ 
aus  gr.  nLothov, 

nyXi  litra  Jussuf  660,  n^öyi  lodra  Barb.  II  707  ,Pfund' : 
gr.  Xirqa,     Vgl.  arab.  Ji>^. 

^yoo  metro  ,Meter'  Jussuf  727:  it.  metro'^  aus  dem  Grie- 
chischen. 

yikkXÄj&t  Hnilc  .Getreidemass,  der  achte  Theil  des  kile' 
Barb.  11  168:  gr.  xoXvi^  (xoivUi)  ,Getreidemass',  das  dialektisch, 
z.  B.  auf  den  östlichen  Sporaden,  SiniKi  gesprochen  wird. 

**^l  oka  ,Oka'  =  400  Drachmen:  arab.  iSJi^j  aus  gr. 
otyxia  =  lat.  uncia.     Justi,  Kurdische  Grammatik  XIV. 

(j*^^^l  obolo8  ,Gewicht  von  drei  Karat'  Bianchi  I  232: 
gr.  dßolög. 

syyA  müzur  ,Mass'  Zenker  840  c:  it.  misura, 

SiUongsber.  d.  phiL-hist.  Cl.  CXXYUI.  Bd.  1.  Abh.  5 


66  I.  Abhandlung:    Meyer. 

XX.  Christliche  Kirche. 

v^^eil ,  O*^;^'  aforozj  aforos  (efurus  Radioff  I  938) 
,Kirchenbann^-  von  gr.  dq)OQi^ü),  dq>0QLa^i6g.  Vgl.  asl.  afurUatiy 
rum.  afurisi  ,excommuniciren'. 

bl  aja  ,heilig^:  gr.  4y/cf,  in  Aja  Sofia,  Aja  Soluk  (Ephe- 
sus)  ^  u.  a. 

aücvUI  ajazma  ,wunderthätige  Quelle',  bei  den  Christen 
des  Orients.  Barb.  I  212.  Radioff  I  217:  gr.  Hyiaaiia  aus  äyiaüfia^ 
eig.  ^Weihwasser',  dann  ,wunderthätiges  Wasser'. 

^yXL^\  arganun  ,Orgel,  Glocke'  Bianchi  I  55:  gr.  hqyavov, 
ngr.  auch  Hqyavov, 

^:ifyj^i>  despot  ,c*est  le  titre  que  le  gouvernement  otto- 
man  accorde  aux  m^tropolitains  du  synode  grec,  aux  dölögu^s 
du  patriarche  en  province,  etc.'  Barb.  I  739:  gr.  deGftörrjg,  Die 
bulgarische  Uebersetzung  dieses  deaftötfjg  ist  aü»i>if^  vladika, 
auch  ladika  Jussuf  1240  ,Bisehof*. 

\^Ljt>  diakoZj  (^•L>t>  diak  ,Diakon':  ngr.  didxog  aus 
didxwv  fUr  didxovog.  diak  ist  auch  ,Lateiner,  lateinisch'  Zenker 
445  b,  vgl.  magy.  diäk  ,Student'. 

ykin'dX,»  filakUr  ,zauberisches  Schutzmittel'  Zenker  670  b: 
gr.  (pvhxviTriQiov  ,Aniulet,  Talisman'. 

iajJi^Li  faraklit  ,der  heilige  Geist'  Bianchi  II  343:  ara- 
bisch, aus  gr.  naQOKXrjTog, 

^^ülolye  herateke  ,Ketzer':  aigeriTcög.  Vgl.  arab.  iSS\j\, 
kurd.  f^^j\  artoki.  Justi-Jaba  4. 

^jLuUwjÄ  x''^9^io,f^  ,Christ':  gr.  x^terTiCfveJg.  Auch  ^LuUmo 
keristian  Zenker  697  b  aus  it.  cristiano. 

^^*rfjuLI  iblü  ,Teufel'  Bianchi  111:  arabisch,  aus  gr.  didßoXog. 

Joua^l  ind&il  ,Evangelium' :  arabisch,  aus  gr.  siayyiXiov. 
Auch   ^jajJLOt  ingiliun  Zenker  108  c. 

\^^^Uu«l,  (jw%yu**l  istavrozj  istavros  ,Kreuz,  Crucifix':  gr. 
(navQÖg. 


*  Ephesus  heisst  ^^*b\  von  einer  Kirche  de»  "Aytog  SeoX6yog. 


THrkiscbe  Stadien.  I.  67 

^UüumI  istifan  ,Brautkrone',  überhaupt  ,Diadem,  Blumen- 
krone':  ngr.  (n€q>avog,  aTB(p&vi.    Pers.   ,^UZa»\  Nöldeke,   Pcrs. 

stud.  n  40. 

{S^)y^  j^>^^  jchristliches  Fest':  gr.  ioQti^y  ngr.  Yioqzrj. 

\jiSyX3  kalo^erja  ,Nonne'  Bianchi  II  503.  Zenker  683  c: 
ngr.  yuxXoyQiä  von  TuxXdysQog  ,Mönch'. 

Jly>v3    kamaval  ,Carneval'  Zenker  698  c:   it.   cameoale. 

4LJ^ü?  katoUK  ,Katholik'  Barb.  II  444:  gr.  xa&oXi7uig. 
Bei  Zenker  338  c:  (^Jb'l^  iSatUky  (^aIjI:^    diaslek  dass. 

LkMuJi^  kilisay  Kilise  ,christliche  Kirche':  gr.  ixxXrjala, 
hjüLfjaca.  Arab.  ^^**JLS  Fränkel  275. 

^jjü^  latin  ^römischer  Katholik':  mgr.  Xartvog  aus  lat. 
kuinus.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  238. 

[jisyjjJ  liturja  ,Messe':  gr.  XeiTOVQyia  iBizovQyid. 

\:>3yki  logofet  ,Vicar  des  ökumenischen  Patriarchen ; 
Barchen  Vorsteher';  früher  ^Kanzler  des  Hospodars  der  Moldau 
und  Walachei'  Barb.  11  702:  gr,  Xoyod-htjg, 

jXmXjuo  manastsr  ^christliches  KJoster':  gr.  fiovaarTJQi,  (juxva- 
OTij^t.  Vgl.  asl.  manastyrb  neben  monastyrh,  se.  manastir.  Et. 
Wtb,  d,  Alb.  286. 

oJft^^yuo  metropolit  ,griechischer  oder  armenischer  Erz- 
bischof*: gr.  fifiTQOTtoXltrjg. 

oLü  panaiVy  panajer  ,Markt':  gr.  Ttctyfjf/VQigy  Ttavtffvqi 
,Kirchweihfest,  Fest,  Markt'.  Vgl.  Mi.,  Türk.  El.  II  37.  Ueber 
das  a  der  zweiten  Silbe  vgl.  S.  14.  Die  türkische  Form  hat 
wieder  ngr.  7tavai}Qi  hervorgerufen,  mit  dessen  a  sich  Thumb 
Idg.  Fo.  II  80  umsonst  abmüht. 

UU  papa  ,Papst':  it.  papa;  ngr.  ndnag.  Dazu  v:;/uaoU 
papisty    ocäjU  papiU  ^römischer  Katholik'  Zenker  157  b. 

^UU,  3^.^  papas,  papaz  ,griechi8cher  Geistlicher,  Mönch ; 
Heide'  Barb.  I  371.  jl>(>UL>  papadia  ,Frau  eines  griechischen 
Geistlichen'  Barb.  I  370:  gr.  naftag^  rtarcadui. 

LaJLaamÜ  paskalia  ,Ostem',   gewöhnlich  hüjiik  p,   (,grosse 

Ostern'),   während   kii^ük  p,   (,kleine   Ostern')   das  christliche 

5* 


68  !•  Abbandlung:    Meyer. 

Weihnachtsfest  bezeichnet:  gr.  /racrxaAid.    pa^kalia  heisst  auch 
eine  Art  Flieder,  die  zu  Ostern  blüht.  Bianchi  I  307. 

viL^L  patreü,  <JJ;iöb,  j^J^.  patrsk^  <JJ^  batTBk 
^Patriarch',  Titel  der  Häupter  der  christhchen  Gemeinden  in 
der  Türkei.  Barb.  I  303.  373.  383.  403:  gr.  natgUiog  aus  lat. 
patricius, 

(j*-o«iuMj  psskopoSj  piskopos  ,Bischof*:  gr.  imayuyrtoq. 
Daneben  das  arab.  vJuLm>\  Bianchi  I  91,  sowie  viXx^&a^  piibelc 
aus  magy.  püspök.  Zenker  235  c. 

oyUw  8inod  ,Synode'  Zenker  522  a :  gr.  Gvvodog. 

kAiJipy,i&,  Sertunije  , Weihung  des  Geistlichen'  Zenker 
542  b :  gr.  xaiq&vovia. 

jjaJIIo  taks  jchristlicher  Ritus':  gr.  tA^ig.  Auch  arabisch. 
Kurd.  taks  Justi-Jaba  276. 

a^mÜJo  teUemj  vulg.  tilisim  ,Talisman,  Amulet':  gr.riXsofia, 
das  im  Mittelgriechischen  diese  Bedeutung  hat.  Arab.  »^mmJJp 
tilsem.  Kurdisch  tilisim  Justi-Jaba  276. 

fj**jJü\^  vaftis  ,Taufe':  gr.  ßaTztiaia  n.  pl.  ,Taufe',  auch 
ßüfttiatg.  Dazu  yjüCd^ül  anavaftiz  ,  Wieder  tauf  er'  Zenker  99  b. 

Hier  schliesse  ich  die  europäischen  Monatsnamen,  die 
aus  dem  Neugriechischen  stammen,  an: 

jLäj,   )j^?    LT^)^^  janaVj  janariz,  janaros:  yevdQig. 
(jwsl^-Li  ßluvarisy  flevaris:  (pXeßaqig, 
\;:^Xfi  mart:  ix&q%ig. 
Jool   ahril:  äTtgikig. 
jj**jLo   maisy  majos:  jurfig,  [Mziog. 
^y^yj>  junios:  lovviog. 
\j^^yJt  Julias:  iovhog. 
(jM*JuMw£t  agustos:  icyovarog, 
{jMxyXMi  sitevrisy  suturis:  asntifißQig, 
(jmOva^I,   ^yjyji^\    axterisj  axterios:  ductfbßQig, 
(j*#jl^  nuvaris:  voifißgi^. 
(j**j^«yi>5   ^jtA}yAXSi>  deUeoris,  deUembris:  dexifißgig. 


TftrkUche  Studien.  I.  69 

Unrichtig  ist  bei  Zenker  920  c  fllr  nuvaris  die  Bedeutung 
Januar'  angegeben^  mit  der  Erklärung,  es  sei  aus  *januvaris 
verkürzt.  Die  Lautveränderungen  gehören  fast  alle  schon  der 
griechischen  Volkssprache  an,  so  das  Verklingen  des  Nasals  in 
riievris  nuvaris  deJcevris  aus  asnrißQig  voißQig  dexißgigy  das 
'Xt-  aus  -kt'  in  axteris.  sitevris  geht  auf  aerißgcg  zurück,  das 
mundartlich  vorkommt,  z.  B.  in  Cypern  (Sakellarios  KvnQicmd 
n  779),  und  durch  Einfluss  des  ital.  settemhre  zu  erklären  ist. 

jj«-IJuJU  kalendas  ,erster  des  Monats'  Bianchi  11  425. 
Zenker  684  ist  ngr.  yLahxvzsg  Nom.  Plural,   von  lat.  calendae. 

XXI.  Staatswesen» 

Ausser  den  neu  aufgenommenen  au^(>^  bilddie  ,budget', 
c^LoJjoJ  diplomaty  xj^^LsOL»  kanfelaria  (ital.),  wMjuOttj> 
komiser  ,commissaire',  ^•^umjuo^  komision  ,commi8sion', 
^jMw3lJb«j»  konferans  ,conf6rence',  ^y^y^  kongre  ,congrfes', 
yjJüo^Xj   parlamento  (ital.),  {j^y^,  polis  ,Polizist'  (frz.  police), 

9iAxXxiyj   politika    ,Politik',    übertragen    ,Schmeichelei%    (j**j>j 
prens  ,prince',  und  anderen  sind  etwa  zu  nennen: 

(jw«jJLj  balioSj  jj^^J^Lj  hailos y  früherer  Titel  der  diplo- 
matischen Agenten  Venedigs  und  Frankreichs  bei  der  Pforte: 
venez.  hailo,  gr.  ^Tt&'iXog. 

&^^0,  x^^lo  dodie  ,venezianischer  Doge':  it.  doge,  n3^ö 
duka,  it.  duca,  bezeichnet  den  Grossherzog  von  Toscana,  dü»^^ 
^ß>  das  tyrrhenische  Meer.   Zenker  441  a. 

^4X3^  fondo  ,fonds  publics,  dette  publique'  Barb.  II  434: 
it.  fando, 

^•iol^^l  imperator  ,Kaiser%  xsio^Jol«^!  imperatoriöa 
^Kaiserin':  it.  imperator e, 

y^cj3  kaisary  römischer  und  byzantinischer  Kaiser':  arabisch, 
aus  lat.  Caesar.  Der  Name  des  gewaltigen  Mannes  ist  von  den 
Orientalen  in  seiner  alten  römischen  Aussprache  aufgenommen 
und  als  Eigenname  mit  derselben  erhalten  worden.  Vgl.  armen. 
^'ujt'P.  So  erklärt  sich  auch  das  ai  von  got.  kaisar,  ahd:  keisar. 
vLimL^.  öasar,  wie  die  Türken  früher  den  deutschen  Kaiser 
nannten  (Barb.  I  561),  ist  zunächst  magy.  csdszär. 


TO  I.  Abbaadlaag {    Meyer. 

^J0*yXAM^y3  konsolos  ^Consul  einer  fremden  Macht'  Barb. 
11  581:  it.  consohy  ngr.  növaolag.   Arabisch  ^J-o-UJ. 

(j^yuIo^U  Palatinos  ^ungarischer  Palatin'  Bianchi  I  317: 
lat.  palatinus, 

^\  re  ,König'  Zenker  473  c:  it.  re, 

J^  sidiill  ,registres  des  tribunaux,  recueils  de  jugements 
prononc^s  en  justice'  Barb.  II  70:  arab.  ^J^  aus  byzantinisch 
aiyiXXov,  aiyiXkiov  =  lat.  sigillum.  Fränkel,  De  voc.  peregr.  17. 
Lagarde,  Bildung  der  Nomina  101.  Unrichtig  Korsch,  Archiv 
für  slav.  PhUol.  IX  668. 

XXII.  HllitSrwesen. 

jü?^T  abloka  ,Blokade'  Barb.  I  5.  Radioff  I  634:  venez. 
ahlocOy  bloca  für  it.  hlocco, 

Jiy  arl^  das  Commando  Marsch!  Barb.  I  36:  vom  frz. 
marche,  durch  Vermittlung  des  deutschen  Commandos.  Radioff 
I  331. 

yXiuJLi  baliemez  ^grosse  Kanone':  nach  Barb.  I  281  it. 
palla  e  mezzo  (richtig  mezza)  ,boulet  et  demi';  das  Volk  fasst 
es  volksetymologisch  als  w^  Jb  hal  jemez  ,qm  ne  mange  pas 
de  miel'. 

IJuU  banda  ,bewaffnete  Truppe;  MiHtärmusik':  it.  banda. 

xiKU  baraka  ,Feldlager  der  Soldaten'  Barb.  I  256:  it. 
baracca. 

^^jüumo  bastiun  ^Bastion'^  Bianchi  I  307:  it.   bastione. 

LjjUaj  batarja,  auch  bJöb  batria  Bianchi  1311  ,Batterie': 
it.  batteria. 

JL^^«Ä.  öurdial  ,cordelette  ou  ficelle  avec  laquelle  on  fait 
mouvoir  T^toupille  qui  met  le  feu  au  canon'  Barb.  I  607 :  ,mot 
^tranger'. 

Jlwi^  diteneral  ,General  in  einer  fremden  Armee'  Barb. 
I  540:  it.  generale, 

}kky3  foga  Commandoruf  ,Feuer!'  Barb.  11  433:  it.  fuocOy 
venez.  fogo. 


Ttirkische  Studien.  I.  71 

ioLyJ,  JoLli  fisat^  fussat,  >:LfLu^  fustat  ,Zelt'  Bianchi 
n  383:  arab.  LLli,  klk-M^i,  aus  gr.  (poaaaxov  ,Lager,  Heer^  = 
lat.  fossätum,    Fränkel  237. 

9^y9  funja  ,Zündpulver^  Barb.  11  434  ist  westlichen  Ur- 
sprungs verdächtig. 

^y^X^j   ^yjy^  hartudi,  xartudi  ,Patrone'  Barb.  I  635. 

692:  it.   cartuecia,  frz.  cartouche. 

vAA^I  ishir  ysoldat  charg^  de  Tcntretien  des  chevaux^ 
Barb.  I  46:  it.  sbirrOy  dessen  Bedeutung  aber  nicht  überein- 
stimmt. 

j^^Ij  kanun:  ,on  nomme  kanun  une  plaque  de  m^tal 
sur  laquelle  ce  mot  (la  loi)  est  grave;  de  Ik  le  surnom  donn^  k 
la  gendarmerie  militaire  dont  les  soldats  portent  cette  plaque  sur 
la  poitrine'  Barb.  11477:  gr.  TLavcjv,  durchs  Arabische.  Vgl.  S.  60. 

J^amjLs  kapsul  ,  Lunte  der  Feuerwaffen^  Barb.  11  440 : 
frz.  capsuhj  it.  Capsula. 

&JUjI^  karabina  ^Karabiner'  Jussuf  537:  it.  carahina. 

s  JuLe^'  komanda  ,Commando',  ^\d^\j6y9  komandan  ,Be- 
fehlshaber^  aus  it.  comando,  comandante,  Aelter  ist  «JuLoy» 
komandar  ,chef*,  besonders  ,chef  de  Tordre  des  Chevaliers  de 
Malte^  Barb.  U  578. 

1^1  Juy»  kondak  ,Schaft  der  Flinte^  Jussuf  615:  gr.  %ovTa%i 
von  agr.  TLOvrög  ,Stange^  ^^J^y^  in  der  Bedeutung  ,Windeln^ 
kann  gr.  xovrdxtov  ,Rolle'  sein  (Sophoklis);  ngr.  yLOvrai^j,  %ovyza% 
,in  Windeln  gewickeltes  Kind^  im  Pontus,  Syllogos  XVIII  141. 

»s^Luo  manevray  manovra  ^Truppenübung^:  it.  manovra, 
frz.  manoRuvre. 

syiJiXji  martoloz  ,ancien  corsaire  du  Danube^  Jussuf  683; 
nach  Zenker  ,Art  christlicher  Soldat  in  der  Türkei^:  gr.  äQ^Aa- 
Twlög  von  lat.  arma.  Mi.,  Türk.  El.  II  21.   Nachtr.  I  81. 

{^^xxAxx  mendienik  ,Belagerungsmaschine'  Barb.  II  788: 
auch  im  Persischen  und  Arabischen,  aus  gr.  fiayyaptnöv  bei  den 
Byzantinern. 

vaJCyMüg    misJcet  ,Mu8kete'  Jussuf  743:  it.  moschetto. 

{j*»«j^l   obu€  jGranate^:  frz.  obua, 

aJ«\U  parola  ,mot  d'ordre,  mot  de  passe^  Barb.  I  379: 
it.  parola. 


7^  I.  Abhandlung:     Meyer. 

JLuo  pinial  ,couteau  h  lame  longue  et  effil^e,  synonyme 
de  arnaut  H$s,  ^p^e  albanaise^  Barb.  I  412:  it.  pu^ale,  alb. 
geg.  pindl  Et.  Wtb.  d.  Alb.  3;J8. 

^ZÄo  piHov  jPistole^-  it.  pistola.  Vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  339. 

'^)yv^)^  y^)y^))  '^^P^^^y  raporto  , militärische  Meldung^ 
Jussuf  971:  frz.  rapport  und  it.  rapp&rto, 

v:yUd«-o  soltat  ,Soldat^  ,Ce  n^ologisme  d^signe  prinei- 
palement  les  fusiliers  des  milices  organis^es  k  Teurop^enne' 
Barb.  II  234:  frz.  soldat. 

^yj  türa  ,Schild*  Bianchi  I  482":  arabisch;  aus  gr.  &vQ86g. 
Fränkel  241. 

^L)4>^l^,  jjL-)4>xL^  vardijan,  gardijan  , Wächter,  Wache, 
Schild wache^  Barb.  II  835.  Jussuf  1332:  it.  guardiano,  vardiano, 
[jfi>Xh.  gardija  ,garde,  faction,  corps  de  garde'  Barb.  II  378: 
it.  guardia. 

XXIII.  Seewesen. 

»JoUifl  alahanda  ,das  gleichzeitige  Abfeuern  aller  Ka- 
nonen auf  der  einen  Seite  des  Schiffes^;  tibertragen  ,heftige 
Vorwürfet   Barb.  I  99.    Radioff  I  366:  it.  alla  handa. 

^\yi^\  alabura  ,das  Umstürzen  von  Schiffen'  Radioff  I  367: 
gewiss  italienisch,  doch. finde  ich  den  Terminus  nirgends. 

xjLo^I  alamana  ,kleines  Schiff,  grosses  Fischerboot',  auch 
,gro8ses  Netz'  Barb.  I  101.  Vgl  alamena  qatghy  ,barque  arm^e 
de  quatre  ou  cinq  paires  de  rames,  qui  fait,  dans  la  Mer  noire, 
la  pßche  de  la  bonite'  Jal  92 :  ngr.  äg^iov  ,Segel,  Schiff'. 

Ä^jifl  alarga  ,offenes  Meer';  als  Zuruf,  um  eine  An- 
näherung ans  Schiff  zu  verhindern,  alarga  etmeK  ,das  offene 
Meer  gewinnen'  Barb.  I  100.  Radioff  I  360:  it.  allarga!  ,fern 
gehalten',  allargarsi  ,auf  die  hohe  See  gehen',  =  mettersi  al 
largo,  prender  la  larga,     Ngr.  äXccQyay  äXaQydQo).    Vgl.  Jal  93. 

K^l  albora,  mit  etmefc  ,die  Segel  hissen'  Barb.  I  102: 
it.  alberare  ,den  Mast  aufstecken'  Jal  93.  Vom  Imperativ. 

UuaJI  alesta  ,fertig,  bereit',  mit  etmelc  ,ein  Schiff  ausrüsten' 
Barb.  I  106.    Radioff  I  106:   it.  allestire  una  nave,   ,ein  Schiff' 


TftrkiMrh«  .StvdieD.  I.  73 

aüsr&sten^'.     Jal    104   Aihrt   auch   ale^ftare   und   lestare   als    ita- 
Henisch  an. 

I«y»l  amuray  mit  etmelc  ,die  Segel  des  Hauptmastes  und 
des  Fockmastes  losmachen'  Barb.  I  118:  it.  Cajmurarty  frz. 
amurer  Jal  122.  123. 

Jf«jutl  amiral  ^Admiral'  Barb.  I  119:  frz.  amiral.  Das 
Wort  ist  arabischen  Ursprungs. 

jJLa3I  aniU  ^eiserner  Ring  am  Ende  des  Ankers'  Barb. 
I  129.    Radioff  I  233:  it.  anello,  altit.  anella  Jal  136. 


Uxjl  arUena  Jussuf  38,  9Jui^\  artena  Radioff  I  312  ,Segel- 
Stange,  Raa':  it.  antenna. 

yLul  apikoy  mit  etmeU  ^m  Anker  so  ziehen,  dass  die 
Kette  vertical  ist*;  als  Adj.  ^geschickt*.  Barb.  I  7:  it.  a  picea 
Jal  32. 

U  J  ariOj  mit  etmelc  ,ein  Segel  aufmachen,  es  g^en  den 
Wind  steUen'  Barb.  I  41:  it.  dare  delV  aria  alla  nave  ^ugmenter 
sa  Titesse'  Jal  644  unter  erre. 

jüt  J  arma  ,Takelwerk  eines  Fahrzeuges';  auch  ^Wappen'. 

Barb.  I  39.  Radioff  I  339:  it  arme.  )y*>^^  armadur  ,Au8- 
rOster  eines  Schiffes'  Barb.  I  39.  Radioff  I  340:  iL  armatore, 
s.  Jal  169  unter  armaieur. 

UJJ  ataria  ^Seeschaden'  Jussuf  53:  it.  avaria,  Jal  206. 

I  JUb  bakalera  ,plaque  de  fer  qui  gamit  les  mortaises, 
alumelle'  Barb.  I  305:  it.  baccalaro  Jal  213. 

B^JüU  banderoy  handira  ,Schiffsflagge'  Barb.  I  281 :  iL 
handiera. 

juuU  harka  ,Barke,  grosses  Boof  Barb.  I  258:  iL  barca. 
a^«Lj  barie  ^grosses  Boot,  chaloupe  de  guerre'  Barb.  I  257  ge- 
hört zu  afrz.  bar^y  prov.  barja,  it.  bargioj  russ.  (iapsa  ,barque, 
canot  de  parade'  Jal  247  ffl 

^^iflLMrL  boHun  ,Stock',  in  der  Marine  Barb.  I  261 :  it. 
hattone  Jal  267. 


74  !•  Abhandlung  t    Meyer. 

it^^ül^Lj,  »t^JC^L  bastarda,  baHarda  ,gro8se  Galeere,  be- 
sonders die  Luxusgaleere  des  Kapudan  Pa^a^  Barb.  I  261.  265: 
it.  bastarda  Jal  263. 

LaajL  batenta  ,Gesundheitspass'  Zenker  157  b:  ii.  patente, 

ülo  berage  ^Vorrichtung,  um  die  Kanone  an  Bord  un- 
beweglich zu  machen'  Barb.  I  293:  it.  braca,  venez.  braga 
,Ho8e',  braca  del  cannoney  s.  Boerio  96.  Jal  330. 

sjöl^  bsranda  ^Lagerstätte  der  Soldaten  an  Bord  eines 
Kriegsschiffes'  Barb.  I  293:  it.  branda  ,Matrosenbett'. 

LumIo,  LumIo  berasia^  perasia  ^Brassen'  Barb.  I  292: 
it.  braccia, 

äJöI^  bivata  , Jungfer,  Jungfemblock,  cap  de  mouton' 
Barb.  I  316:  it.  bigotta  Jal  291. 

9^y^  bodia  ,Commandoruf  an  den  Steuermann  =  frz. 
arrive'  Barb.  1319:  it.  poggiare  ,laisser  arriver'  Jal  1191. 

\^yJ  bora  ,heftiger  Sturm'  Barb.  I  321:  it.  bora.  Vgl. 
Et.  Wtb!  d.  Alb  42. 

KLk^\syj  borandiine  ,virole  de  mätal  k  Textr^mitä  de  la 
poulie',   frz.   ,cercles,   frettes'   Barb.  I  321:  unklar. 

^f>\y^  borda  ,Schiffsseite,  Bord'  Barb.  1323:  it.  bordo. 

xJüjo  borine  ,Art  Taue'.  aüLü*^  borinete  ebenso.  Barb. 
I  328:  venez.  borina,  borineta  =  it.  bolina,  Jal  316. 

auu.^,  ^yi  böse,  bosa  ,Art  Tau'  Barb.  I  332.  334:  it. 
bozza  Jal  330. 

^^ü^  bonavila  ^trou  du  chat,  Soldatengat'  Barb.  I  347 : 
unklar. 

&3  «j  o  bojuna  ,godille,  grosser  Bootsriemen'  Barb.  I  353 : 
unklar. 

aüülo,  '^'t^.  ^'''^^t^^}  pranka  ,Kette  der  Galeerensträf- 
linge* Barb.  I  293.  390 :  altit.  branco  ,chaines  qui  servaient  k 
attacher  k  un  banc  tous  les  rameurs  de  ce  banc'  Jal  334.  Vgl. 
Et.  Wtb.  d.  Alb.  350  unter  prange, 

(3j*j  brik  ,Art  Fahrzeug'  Barb.  I  297,  (^Jyjf  ihrek 
Bianchi  1  8 :  frz.  brick  aus  engl,  brigg,  wahrscheinlich  Abkür- 
zung von  brigantine. 


TftrkiBcbe  Studien.  I.  75 

5i>^Luo»j  bumbarda  ,Art  Fahrzeug'  Barb.  I  347 :  it.  iow- 
barda  ,galiote  k  bombes,  petit  navire  latin'  Jal  306. 

&ijo^  bumbe  ^Raa  des  Besanmastes^  Barb.  I  347 :  scheint 
it.  bomay  Jal  306  unter  bome, 

xicl^^yj  bv/rgata  ^planche  trfes-plate  qui  sert  k  mesurer 
r^paisseor  des  cäbles^  Barb.  I  324:  unklar. 

I^jLoIä  6amariva  ^commandement  pour  hisser  les  grie- 
ments,  les  vergues,  le  pavillon  etc.'  Barb.  I  571:  wohl  it.  cima 
arriva. 


öima  .Tauende,  kleines  Tau,  das  man  beim  Landen 
ans  Land  wirft'  Barb.  I  630:  it.  cima. 

yj^^^   diimen  ,Steuer'  Barb.  I  768:  it.  timone]  ngr.  ft^re. 

8^(>I•J^^  diivadera  .civadifere'  Barb.  I  549:  it.  civadera 
,nom  d'une  voile  k  peu  prfes  abandonn^e  aujourd'hui,  qui  s'atta- 
chait  k  une  vergue  suspendue  sous  le  mkt  de  beauprä'  Jal  477. 

&£^LiLAMl  Bska^a  ,carlingue  de  mat,  assemblage  de  char- 
pente  sur  laquelle  est  fix^  le  pied  du  mät'  Barb.  I  54:  it.  scaasa 
Jal  1326. 

sJLLm»!  eskalera  ,^chelle  de  commandement ,  au  flanc 
droit   du  navire'  Barb.  I  54:  it.  scala  reale. 

&2^Liuwt  eskandie,  mit  etmek  ,die  Wache  ablösen'  Barb. 
I  54 :  it.  scangiarey  scangio. 

*Ä.%lJuwt  eskar^e  ,charger  en  estive,  Güter  laden,  die  zu- 
sammengepresst  werden  können'  Barb.  I  54 :  it.  carica. 

\yAXjLkät\  sskarmoz  ,Ruderspiker,  Rudernagel,  cheville  k 
laquefie  on  fixe  la  rame'  Barb.  I  54:  gr.  axaX^iÖQy  woher  it. 
scalmOj  scarmo  stammt.  Jal  1460  unter  tolet 

ycjjLJ  Bskarso  , Gegenwind'  Barb.  I  54:  it.  scarso 
Jal  1326. 

^LoLyuwl  eskopamar  ,Leesegel,  Beisegel'  Barb.  154:  it. 
icopamari  Jal  1331. 

aJo^AMil  eskute  ,SegeUeinen,  Schoten'  Barb.  I  55 :  it.  scotte, 
aus  dem  Deutschen. 

«Jj^CamI  esturpa  ,Besen  aus  Tauenden'  Barb.  I  52,  bei 
Bianchi  I  75  o  vÄ.«mI  istropa  ,perche,  verge' :  it.  stroppo. 


lO  I*  AbhandloDg:    Meyer. 

jj**«jLi  fanvSyfanos  ,Laterne,  Leuchtthurm^  Bianchi  II 346. 
Aach  arabisch  und  persisch:  gr.  qxxvdg. 

^Lxi  fener  ,Fanal,  Laterne'  Barb.  11  429:  gr.  qtav&qi  von 
qxxvög.  Auch  im  Arabischen^  Fränkel  96. 

K3fh  ßluka,  fuluka  ,Art  Schiff'  Barb.  11  428 :  it.  feluca. 
Auch  arab.  is^  stammt  daher.  Das  italienische  Wort  selbst 
aber  ist  arabischen  Ursprungs^  vgl.  Körting  3372;  das  arab. 
folk  will  man  von  gr.  iq>6Xiuov  herleiten. 

&Ai«J  farkata  ,Fregatte'  Barb.  11411:  it.  fregata,  span. 
fragatay  ngr.  q>€^dda.  Das  Wort  ist  unbekannten  Ursprungs. 
i^y^y^j  C^^T*  fa''^^^^'^^}  fi'fkatin  entspricht  span.  fragatin, 
it,  fregatina  ^kleine  Fregatte';  it  fregaUme  ^grösseres  Schiff'. 
Vgl.  Jal  718  ff. 

ssJCm^J  fesket  ^Schiffspfeife'  Barb.  II  417 :  it.  fischietto. 

aüe^  filama  ,Wimpel'  Barb.  II  425:  it.  fiamma,  lat. 
flamma  Jal  699.  Das  gewöhnlichere  Wort  fllr  ,Wimpel'  ist 
Bj  Jo^ki  filandra,  flandera  Jussuf  299.  Barb.  II  425,  woher  ngr. 
q)iXdvTQa]  es  scheint  eine  Contamination  von  flamma  und  it. 
bandiera  zu  sein. 

yXxi  filo  ^kleine  Escadre  von  Kriegsschiffen'  Barb.  II  437 : 
it.  filo. 

«^LlU  filenk  ,barres  de  bois  transversales  sur  lesquelles 
gUsse  le  rouleau^  en  usage  dans  les  chantiers  de  construction 
et  les  remisages  de  bateau;  poutres  paralleles  sur  lesquelles 
repose  la  chaloupe,  quand  eile  a  ^t^  hiss^e  k  bord'  Barb.  II 427 : 
it.  fianco,  frz.  flanc? 

Ss4>^  f ödere  ^Fütterung  des  Schiffes';  auch  überhaupt 
,Futter'  Barb  11  432:  it.  fodero  aus  dem  Deutschen. 

Uyi  fora  ^Commandoruf  zum  Oeffiaen  der  Segel'  Barb. 
n  432 :  it.  fuoray  venez.  fora, 

sjü^  funda  ,Commando  zum  Ankerwerfen'  Barb.  U434: 
it.  fondo. 


ftJLlfiu^,  ^f^)yi  firtsna,  furtuna   ,Sturm'   Barb.    II  432: 
it.  fortuna^  ngr.  qxwQZOvva, 

auuL^  gabia  ^Marssegel'  Barb.  II  377:  it.  gabbia.  Jal  728. 


THrkiiche  Studien.  I.  77 

^(\j\y£  grandi  ^Hanptmast^  Barb.  II  382:  it.  grande, 

lüuoy^  gomanaj  gumena  ^starkes  Tan  zum  Ankern'  Barb. 
n  391:  it.  gomona,  gomena^  gumina  , Ankertau',  das  man  für 
arabischen  Ursprungs  hält.   Vgl.  S.  9. 

«JoIäj^  gurdata  ,Art  Bj*euzhölzer  am  Mast'  Barb.  11  390: 
it.  crocetta  Ja!  546. 

B3^y^  §iijertay  §iiverta  ^Oberdeck'  Barb.  II  671:  it.  co- 
pertay  venez.  coverta, 

v;:^Ia4jI  imhat  ,bon  vent,  vent  du  large  ou  d'amont;  bonne 
brise  qui  Souffle  tantöt  du  levant  et  tantöt  du  ponant'  Barb. 
1241.  ^*U  hati  ,Westwind;  Sonnenuntergang'  Bianchi  I  295: 
gr.  ifirr&Ttjg  ,occident'  Legrand ;  ifmdrTjg  ,vento  foraneo'  Soma- 
vera.     Von  ifißaivw, 

iJXamI  isUele  ^Landungsplatz'  Barb.  I  55:  lat.  scala;  über 
e  vgl.  Et.  Wtb.  d.  Alb.  406  f. 

JoJuüLmI  iskandil  ^Senkblei'  Barb.  I  54:  it.  acandaglio] 
Jal  1324  gibt  auch  die  Form  scandiglio]  ngr.  (TxayrdAt,  anuxvtlXv, 

(^^LumI  ispaoliy  ispavli  ,Art  dünne  Taue'  Barb.  I  46:  it. 
spago.    Vgl.  Jal  1375  unter  spaolo, 

xÄA^^LxMit  isparöina  ,noeuds  de  chanvre  enroul^s  autour 
des  cordages'  Barb.  I  46:  it.  sparcina,  aparzina  Jal  1376  (ge- 
nuesisch und  venezianisch). 

jü^LiAM^t  ispilata  , Fähre,  Fahrzeug'  Zenker  36b:  ro- 
manisch, vgl.  mlat.  platta,  it.  piatta,  frz.  plate  , Wasserfahrzeug 
mit  plattem  Boden',  aber  zunächst  se.  splata  ,Fähre,  Floss'. 
Mi.,  Slav.  El.  9. 

LüLumI  istalia  ,Liegezeit  eines  Schiffes'  Barb.  I  48:  it. 
stallia. 

«^.ajuumI  istif,  mit  etmeU  ,Ballast,  Waaren  einladen'  Barb. 
I  52:  it.  stivare  ,BalIast  einladen';  ngr.  axLß&q^a. 

9JüJim\  istinga  ,die  Segel  aufgeien'  Barb.  I  51 :  port. 
estingar  ,die  Segel  einholen',  ngr.  ariYydQw,  Jal  425  unter 
carguer.  Das  Wort  ist  wohl  mit  it.  stringare  ,zusammen- 
schnüren'  identisch. 

lüJlwuyul  istralie  ,Art  Taue,  Stag,  Stütze'  Barb.  I  50: 
it.  straglio. 


78  I.  Abhuidlang :    Meyer. 


^Lo^wZiA^f  istromaia  ,corde8  ou  chaines  entortill^es,  entre- 
lacees^  Jussuf  498:  it.  stramazzo  ,paqnet  de  vieilles  cordes  ou 
nattes  pour  soutenir  le  recul  des  canons  dans  un  vaisseau' 
Jal  1394. 

^L  jaliy  jale  ,Ufer  des  Meeres  oder  eines  Flusses;  Lust- 
haus am  Meeresstrande'  Barb.  II  871:  gr.  yiaXög  ,Ufer'  aus 
alytaXög. 

Lmju  jisa  Commandoruf  zum  Hissen  der  Segel.  Barb. 
II  897:  it.  issarSf  frz.  hisser.   Jal  830.   Aus  dem  Deutschen. 

&3oU  kadena  ,Kette  der  Galeerensclaven'  Barb.  II  447: 
it.  catenay  venez.  cadena. 

xÄj4>U,  &ejjui'  kaderga  ^grosse  Galeere^  Barb.  II  447: 
gr.  yidreoyov. 

VKiiLftJj  kalafat  ,da8  Kalfatern'  Barb.  II  530:  it.  calafatare'^ 
das  türkische  Wort  gibt  jedenfalls  die  europäische  Form  des 
in  seinem  Ursprünge  noch  nicht  ganz  klaren  Wortes  wieder. 
Vgl.  Dozy-Engehnann  376.  Fränkel  230. 

iuaJU  kalema  ^Haufen  zusammengerollter  eiserner  Taue 
zum  Halten  des  Ankers'  Barb.  H  470:  it.  calumarej  span. 
calomar  bedeutet  ,ein  Tau  nachlassen'.  Eher  aus  it.  colmo  oder 
colmata  ,Haufen,  Anhäufung'. 

aüuJjJ   kalieta  ,Schiffszwieback'   Barb.  II  533:   it.  galetta. 

&aaJU  kalieta  ,Art  SchiflP^  Barb.  H  533:  it.  galeotta,  frz. 
galiote,  Jal  760. 

^ftjJU,  lO^^  kaliun  ,Art  Kriegsschiff'  Barb.  H  535: 
it.  galeone,  Jal  757. 

Swoli  kamara  ,Schiffscabine'  Barb.  II  472 :  it.  camera. 
Davon  v:y^%joU  kamerot  ,Diener,  Kellner  an  Bord',  it.  canierotto, 

aJojftAJ  kapurta  ,Luke'  Barb.  II  498:  it.  boccaporta,  gr. 
(ifCOvxartÖQTa.    Jal  614. 

^jUjli  kaptan  ^chiffscapitän'.  ^\i>yxS  kapudan  ,Ad- 
miral'.  Barb.  H  440.  498:  it.  capitano.  Das  zweite  ist  das 
ältere  Lehnwort. 


aUAA^lJg  karantina   ^Quarantäne'   Barb.    II  505:   it.   qua- 
rantina. 


80  I.  Abbandlang:    Meyer. 

j^^yi'  Uörfüz,  Uörfez  ,Golf'  Barb.  II  659.  Jussuf  590:  ngr. 
xÖQqfog  aus  lidXftog.  jij^  ist  auch  der  türkische  Name  der  Insel 
Korfu,  der  von  noQvq)^  herstammt,  s.  Hatzidakis,  Einleitung  373. 

i^A^  Kila  ,BaeP  Barb.  II  689 :  it.  chiglia,  frz.  quille,  aus 
dem  Deutschen. 

Ä&Äif  la§ka  ^halbgeapanntes  Tau'  Barb.  11  695:  venez. 
lascare  Boerio  361.  Jal  913. 

« 

jXÜ  lenzer  ,Anker'  Barb.  11  705:  persisch  (Vullers 
II  1099).  Arabisch  ^\  geht  auf  gr.  äyxvQa  zurück.  Das  per- 
sische Wort  ist  nicht  klar  (Nöldeke,  Pers.  Stud.  11  39) ,  die 
Erklärung  aus  it.  Vancora  mit  festgewachsenem  Artikel  (Mi., 
Tu.  El.  n  16)  ist  unmöglich.  Bianchi  I  224  kennt  auch  ein 
türkisches,  dort  ftlr  persisch  ausgegebenes  y^\  enger  , Ankert 

1^  leva  ,Commando  beim  Rudern,  aux  rames!'  Jussuf 
655:  it  levare,  leva  remo  Jal  925. 

^jUaJ  liman  ,Hafen'  Barb.  II  711:  gr.  Atjwijy;  ngr.  Xifidvi 
ist  aus  dem  Türkischen  zurück  entlehnt. 

lu^jJ  limbe  ,Transportschiff  auf  der  Donau'  Barb  11  711: 
gr.  Ufxßog. 

jj*#^t>^  lodos  ,Südwind'  Barb.  II  707:  gr.  vötog.  l  aus  n 
auch  in  ^J^J^  latrun  fUr  natrun  ,Natron';  vgl.  nehlehi  für 
Uhlebi  Et.  Wtb.  d.  Alb.  302.  525. 

^U/o^  lomhar  ,Stückpforte',  auch  )y^y^  lomhur  Jussuf 
661:  mit  ngr.  lovfiirdQda  ,Bombe'  (Et.  Wtb.  d.  Alb.  251)  zu- 
sammenhängend ?  vgl.  it.  cannoniera.  Bretonisch  lamhourz 
Jal  1302  klingt  an;  auch  der  Ursprung  von  frz.  sabord  ist 
nicht  aufgeklärt:  steckt  in  allen  diesen  Wörtern  porta  (vgl.  it. 
portello  u.  ä.  für  ,StückpforteO  ? 

s%Ju«J  lundraj  lundura  ,Art  Boot'  Barb.  II  709:  rum. 
luntre  ,Art  Kahn'  aus  lat.  Unter ^  lunter,  Alb.  Tundra,  ngr.  hiv- 
tQa,  it.  londra  Et.  Wtb.  d.  Alb.  251.  Macedorum.  Undure 
(X(poftovQ<jc)  nach  Kavalliotis  S.  17  unter  ßägna]  dies  ist  nicht 
unrichtig,  wie  Mi.,  Rum.  Unters.  I  2,  22,  Rum.  Lautl.  11,  55 
annimmt,  sondern  gibt  das  türk.  lundura  wieder.  Auch  serb. 
bulg.  lontra  nach  Jal  941.  Mir  scheint  das  wahrscheinlichste, 
dass  das  türkische  Wort  aus  dem  Rumänischen  stammt,  und 
dass  die  Türken  es  weiter  verbreitet  haben. 


TftrUfohe  Sindito«  L  81 

Jü^Lo    maiuna    ,Winde    zum    Aufrichten    der    Masten* 
Barb.  II  714:  venez.  mazzona  ,pestello  grande*  Boerio  407. 


mandiana    ^grosser    Bottich    fUr   Trinkwasser   an 
Bord^  Barb.  H  788.     Unklar. 

xl^M^Lt  maneska  ,grand  paran  [soll  wohl  heissen:  palan] 
muni  d*une  poulie  k  languettes^  Barb.  U  721:  it,  manescof 

aLAjuLo  manika  ^Windsegel,  Windbeutel'  Barb.  II  723 :  it. 
manica.  Jal  962.  965.  Dasselbe  manica  in  der  Bedeutung 
^Trupp  Soldaten'  ist  wohl  «iüLo  manka  ^r^union  des  matelots 
autour  de  la  gamelle'  Barb.  11  723. 

«J.jL>Le  manivela  .Kurbel  des  Steuers'  Barb.  11  723:  it. 
manovella, 

SwuauLo  majistra  ^H^uptsegel  am  Hauptmast'  Barb.  11  724: 
it.  maestra.    Jal  952. 

LoLt  majna  Commando  zum  Streichen  der  Segel.  Barb. 
II  725:  it.  mainarey  ammainare. 

_x3Le  mantiy  jl  JüLo  mandar,  LJLyl^Lo  mantilia  ^Hisstau' 
Barb.  11  720.  721:   it.  mante^    amante,   (ajmantiglio,    Jal  968  f. 

KJjuC^yLo  masteka,  aüU^ü  pasteka  ,Kinnbacksblock'  Barb. 
II  716.  I  381:  it.  paMeca.    Jal  1141. 

aIdLo  mata  ,Block  zum  Aufgeien'  Barb.  II  717:  altvenez. 
matta,  ngr.  |ti<fra.    Jal  989. 

j^Üue  metafor  ,am  Schiff  aufgehängtes  Boot'  Barb.  11  728. 
Unklar.    Hat  griechisches  Aussehen;  fierico^og? 

JjjjjMjd  mistiko  ,Art  Fahrzeug'  Zenker  845  a:  span.  misticOy 
das  selbst  aus  arab.  Ja*M^  entstanden  ist.  Dozy-Engelmann  314. 

iJyo  mala  Commando  zum  Nachlassen  eines  Taues;  auch 

yRuhe,  Ausruhen,  Nachlassen'  im  Allgemeinen.  aJ^I  amola  ,vor- 
wärts',  Ruf  derKaikdii:  it.  mollare  ,nachlassen'.  aJ^Uiö  heja- 
mola  Ruf  beim  Aufziehen  einer  Last.  Barb.  H  799.  857. 
Jossuf  745. 

ys^^y^  muiOy  y^$^  miöo^  me6o  ^Schiffsjunge'  Barb.  H  795. 
804:  it.  mozzo.   Vgl.  Körting  Nr.  5515. 

^^b  navi  jgrosses  Segelboot'  Barb.  II  815:  it.  nave. 

SiUnngsber.  d.  phU..hiBt.  Q.  CXXYUI.  Bd.  1.  Abb.  ^ 


82  I«  Abbftadlang:    Meyer. 

^j^ «b  navlun  ^Befrachtung;  Miethen  eines  Schiffes^  Barb. 
n  815:  gr.  vaClov, 

^yi  neütijj  nutij  ^marin^  pilote*  Bianchi  11  1144:  arabisch, 
aus  gr.  vavTfjg.    Fränkel  221. 

(j*»«3lju>^l  okianus^  u**^^'  ekianos  ,Ocean'  Bianchi 
I  253.  161:  gr.  &y(jB(xv6g. 

U^^l  orsa  ,Backbord^  Barb.  I  152.  Radioff  I  1076:  it. 
orza,    Jal  1098. 

«Lo^U  palamar  ,Ankertau,  Verbindungstau'  Barb.  I  384: 
it.  palamara,  palomheray  cat.  palomera,  ngr.  TtaXan&Qi,  Jal 
11 12 ff.  Der  Ursprung  des  Wortes  ist  nicht  aufgeklärt;  viel- 
leicht ist  vom  Griechischen  auszugehen  und  das  Tau,  womit 
man  das  Land  fasst,  als  ,Hand'  (Dem.  von  nahifif])  bezeichnet. 
aWJ  >U  pareme  ist  nach  Barb.  I  379  eine  Entstellung  von  jU\^^. 

yü^L^  palanko  ,Hisse'  Barb.  I  385:  it.  palanco,  paranco 
Jal  1113.  Den  gleichen  Ursprung  hat  &Ä3^U  palanka  ,Art 
Talje'  Barb.  I  405.    Zu  Grunde  liegt  wohl  qpctAay?. 

aü>^^l^  palaserte  ,Ruste'  Barb.  I  384:  it.  parasarchie, 
genuesisch  parasartie,    Jal  1131. 

Äjijyiu*wifU  palasturpa  ,^couvillon,  Kanonenwischer'  Barb. 
I  384:  Jal  1112  hat  aus  der  arabischen  Marinesprache  Nord- 
afnkas  pala  stupa  ,valet'.  Wohl  palla  a  stoppa  ^Kugel  mit 
Werg'. 

Sj^^ü  palavre  ,Kuhbrilcke'  (leichtes  Deck  unterhalb  der 
untersten  Batterie)  Barb.  I  385:  schwerUch  romanisch;  es  er- 
innert an  russ.  nady6a,  serb.  palub  , Verdeck'  Jal  1120. 

iujU  panie  ,Tau,  womit  das  Hintertheil  des  Kaik  am 
Lande  befestigt  wird'  Barb.  I  387:  unklar.  Gr.  Ttavid  sind 
,Segel'. 

yüibL  papafingo  ,Bramsegel'  Barb.  I  371:  it.  pappaßco^ 
venez.  papafigo, 

J^I^U,  J^to  paraöoly  peraöol  ,courbe.  Knie  in  der 
Schiffsconstruction'  Barb.  I  377.  390:  it.  bracduolo. 

y:>S\XiparaKet  ,Log,  Geschwindigkeitsmesser  eines  Schiffes' 
Barb.  I  377:  altit.  barchetta,  daher  auch  ngr.  naqyLhay  arabisch 
in  Nordafrika  ferghetta]  vgl.  span.  barquilla,  port.  barquilha^ 


Ttrkiscbe  StndiMi.  I.  88 

frz.  früher  petit  navire]   noch  jetzt  heisst  das   dazu   gehörige 
Brettchen  bateau.    Jal  939  unter  lok. 

«i^b  parle  ,Block  des.  Kaheltaus^  Barh.  I  378:  unklar. 
Span,  paral  espice  de  rouleau  pour  tirer  les  navires  k  sec  sur 
le  rivage.    Jal  1129. 

a^MOöl^  paterisse^  ft^ly>L^  pateraie  ,Pardunen,  Art  Taue* 
Barb.  I  372.  373:  patarcuzi,  paterassi, 

^yjj^  patrona  ,Vice-Admiral  in  der  alten  türkischen 
Flotte*;  ^Fl^ge  am  Fockmast  des  Admiralschiffes*.  Barb.  I  372: 
it.  patrona  hiess  das  SchiflF  des  Vice-Admirals.  Boerio  483. 
^^yy2lj  patrun  ist  nach  Bianchi  I  295  ,patron  de  barque*. 

iüXjSjJ  perKende  ^kleine  Brigg,  besonders  FreibeuterschiflF* 
Barb.  I  394:  it.  hrigantino, 

y»o  pemo  yHaken  eines  Blocks*  Barb.  1  397:  it,  pemo 
,Zapfen,  Pflock*. 

JnCo  pifiel  ,Signalflagge  am  Mäste*  Barb.  I  426:  it.  pen- 
nello  ^Fähnchen*. 

Iä.^  pod£a  ^Steuerbord*  Barb.  I  414:  it.  poggia. 

iotü  ponat   ^Beisegel*  Barb.  I  409:   it.  boneUa.   Jal  308. 

\lo^  pojrazy  vulgäre  Aussprache  porjaz  ,Nordo8twind* 
Barb.  i  421:  ngr.  ßoqiäq  aus  ßoqiag, 

Ä^lw  prama^  prame  ,zweirudrige  Barke  zum  Uebersetzen 
von  einer  Seite  des  goldenen  Hernes  auf  die  andere*  Barb. 
I  390.  Bei  Jal  1161  pereme:  gr.  rciga^  passage,  barque*. 
Vgl.  Mi.,  Slav.  El.  17. 

s^y^^  pukrava  ,parties  de  la  membrure  du  navire  qui 
s'appuient  sur  la  carlingue  contre  les  bordages  appel^s  vaigres*. 
Barb.  I  419 :  schwerUch  romanisch.  Man  wird  an  russ.  noKpoB'b 
,Decke,  Dach*  erinnert, 

JÜÜ^  puntal  ,Hohl  eines  Schiffes*  Barb.  I  420:  it.  pon- 
tale.    Jal  1200. 

Hfi  P^^  ,Hintertheil  des  Schiffes*  Barb.  I  412:  it.  poppa, 
venez.  pupa. 

'JyOy^.  pumla  ,Compa8s*  Barb.  I  418:  it.  htissola, 

6» 


84  I*  Abbudlnng:    M«yer. 

&xxK  rampa  ^Enterhaken'  Barb.  Uli:  it.  rampo,  rampa 
;Haken,  Kralle*. 

sJüK  randa  ,Brigg8egel'  Barb.  II  11:  it.  randa  ,Girkßegel^ 

«JL)j  Txala,  auch  riala-bej  ,Contre-Admiral*  in  der  alten 
türkischen  Marine.  Barb.  11  31:  eigentlich  Commandant  der 
reale  genannten  Galere. 

o^^%  roKet  ,Signalrakete  bei  der  Rettung  Schiffbrüchiger' 
Barb.  11  29:  it.  rocchetta  ^Rakete'. 

5^x*o,  »j.jLo  safra,  aabura,  5o\  zafra,  zefre^  zafura 
ySchiffsballast'  Barb.  11210.  41:  it.  savorra  und  zavorra',  vgl. 
Et.  Wtb.  d.  Alb.  420;  die  Form  mit  ^  kann  aus  arab.  ijy:-^ 
stammen,  das  direct  auf  lat.  saburra  zurückgeht. 

aüuLo  iüJLmi  salta  marka  ,Art  Matrosenjacke'  Barb.  II 62: 
it.  saltambarco. 

aJo^ULo  saparta  ,  Geschützsalve  von  einer  Seite  des 
Schiffes'  Barb.  II  171:  it.  sabordo  ist  ,Stückpforte',  bordata  die 
,volle  Lage,  Salve'. 

väjjLa*  8art  ,Wanttau'  Barb.  11  58:  it.  »arte.  Jal  1319. 

Laam  sia  Commandoruf  zum  Rückwärtsrudem.  Barb. 
II  118:  it.  sdare,  venez.  siar;  ngr.  ai&Qw.  Jal  1330. 

s^JumXm   ailistra  ^Pfeife'  Barb.  II  92:  gr.  avQlazQa. 

aüjuCJUw  sintinay  sentina  ^unterster  Schiffsraum,  Kielraum' 
Barb.  II  100:  it.  sentina, 

\iHj,  (j*»ifL>,  silllo  talaZj  taUis  ,Meereswoge'  Barb.  I  435. 
n  265:  gr.  d-dlaaaa. 

^j^^Uo  tavlun  ,Planken  des  Verdeckes'  Barb.  II  274: 
it.  tavolone. 

)lyx\yj3   tiramola  ,Art  Winde'  Barb.  1506:  it.  tiramolle. 

&j5Lj^  tonilata  ,Tonne,  Schiffslast  von  792  Oka'  Barb. 
n  331:  it.  tonellata, 

^(Xx^^yic  torpido  ,Torpedo'  Jussuf  1195.  Auch  JU^  ^^ 
torpily  aus  frz.  torpille. 


ÄÄiJü^-  trinUeta,  oJOjyJ  tirinKet  ,Fockmast'  Barb.  I  464. 

Jussuf  1204:  it.  trinchetta,    ^jj^xSCljJS  trinUetin  ,kleiner  Fock- 
mast'.   Jal  1490. 


Tftridscbe  Studien.  I.  85 

%»jl^  vapor  jDampfschiff*  Barb.  11  834:  it.  vapore^  ngr. 
ßaTtÖQi, 

K^iktyS  1^)1^  varda  kosta  ^Art  Schiff  zur  Bewachung  der 
Küsten'  Barb.  11  835:  it.  guardacoste,  venez.  vardacoste, 

&3Lol(>J^  vardamane  ^Art  Lederhandschuhe  zum  Schutz 
der  Hände  beim  Segelaufziehen*;  auch  die  Seile,  welche  das 
GeUlnder  der  Schiffstreppen  bilden,  heissen  so.  Barb.  11  835: 
it.  guardamano. 

^y  aüJ^I  volta,  olta  ,das  Lavieren'  Jussuf  1240;  nach 
Barb.  11  845  ,roulis;  bördle  d'un  navire':  it.  volta. 

Anhangsweise  sei  erwähnt,  dass  auch  die  englischen  Aus- 
drücke yyAMt\  BskrOy  \y^^^  uskur  ,screw,  Schraube'  (Barb. 
I  54.  Jussuf  923),  v^JL^A  eskune  ,8chooner',  v:l>^ajo  feribot 
,ferry  boat',  Jux^J^  fulispid  ,full  speed',  j^^y^t  istim  ,8teamer', 
y^ySy  ^y^yS  koter^  kotra  ,cutter'  in  die  türkische  Marinesprache 
Eingang  gefunden  haben. 


XXIY.  Yerschledene  Neologismen. 

Ich  stelle  hier  ganz  kurz  eine  Anzahl  der  neuen  Ausdrücke 
zusammen,  welche  mit  dem  Eindringen  der  abendländischen 
Cultur  in  den  osmanisch-türkischen  Wortschatz  Aufnahme  ge- 
fanden haben,   ohne  irgend  Vollständigkeit  zu  beabsichtigen. 

&3^l  abone  ,abonn^';   sdüaü^jl  abonelik  ,abonnement\ 

Aju^l   anonim  ,anonyme'. 

VÄ»^y  azot  ,azote'. 

^^^L  balun  ,ballon'.   Davon  ^^JL  balundiu  ,a^ronaute'. 

yyXA^Xj  barumetru  ,baromfetre',  it.  barometro, 

SjliU^,  SjliU^  iegara,  diigare  ,Cigarette'.  Auch  5sljbu»# 
sigara.    i^nXkx^  öeyarahk  ,Cigarettenspitze'. 

aL«^lAj(>  diploma  ,dipl6me,  certilicat'. 

)y^^^  doktor  ,Arzt'. 
jS.^0  dtiS  ,douche'. 


86  I*  Abhftadliinf :    Xejer. 


^^^^ajua«IjUa:>>  dümnastik  ^gymnastique^ 

Ixil  Jü>.  dJtagrafia  ^g^ographie^ 

^3juC*wiH  eloMik  ,^lastique';  auch  ,3aa^5>  lastik. 

^yXS3\  eleJctrik  ,^lectricit^^ 

^j«uA*LxuU  famuMun  ,fraiic-ma9on'. 

^jLAaJLj  filigran  ,filigrane%   im  Türkischen   ,Papier   mit 
Wasserzeichen^ 

&A^%jLi  fiaika  ^physique^ 

9J0sy3  forma  ,Satzform  in  der  Druckerei;   Druckbogen^; 
auch  ,Uniform^ 

jU-ft-i*^  fosfor  ,pho8phore^ 

\3\ykyioy3  fotogtaf  ,photographe^ 

&jy^  gazeta^  kazeta  ^Zeitung^^  it.  gcuusetta, 

)fiy^  9^P^^  ,guipure^ 

LuoLumI   istampa  ^Presse^^  it.  stampa, 

^^juuM«JUu«;f  istatiftik  ^statistique'. 

yü\li  kazino  ^casino^  it. 

syXSö^yi  kdndektor^  kondüktör  yConducteur',  in  Eisenbahn 
oder  Tramway. 

ntXxi^AMjyS  konsolide  ^titres  de  la  dette  consolid^e^ 

iUyS  kupe  ^coup^^  in  der  Eisenbahn. 

^Ju^  lando  ^landau^;  Art  Wagen. 

[jj\y^yjjJ  litografia  ,Iithographie^ 

K4XjsikyS  logaritma  ^ogarithme^ 

ÄJ%L)«J  lotarija  ,loterie^ 

^ULo  miljar  ^miUiard^ 

^j^jcL«  miljon  ,million^ 

54>^  moda  ,Mode^ 

li'syjo  muze  ,mu8^e^ 

^wo*3  nilmero  ,numero^ 


TArkUcIa«  StadUa.  I.  87 

[ji^yjuJuo^\  Omnibus  ^OmnibusS 

saoKU  parapet  ,parapet^ 

»S\Lj  parUe  ,parqiiet^ 

J.WÜ  petrol  ,p^trole^     In  Makedonien  gas.    Bilguer  16. 

j^pko  plan  ,plan^ 

^^LiM«^  porslan  ^Porzellangefkss  zum  Isoliren  der  Drähte 
im  Telegraphenapparat^ 

vs^uiM^  post  yposte,  emploi  publica 

kIoLo^  pomata  ,Pommade*,  it.  pomata, 

,^^>  reÜ  ^TabakmonopoP^  frz.  rigie, 

^^Lo  salon  ySalon^ 

^j^Aa-u*  sifon  ,8iphon^ 

^JuijuM  silindir  ,cylindre*,  Dampfmaschine  in  der  Litho- 
graphie. 

nOydO  soda  ySoda^ 

s%i^  äifra  jchiflfre^,  Geheimschrift. 

^^&Jb  telefon  ,tä^phon^ 

olyÜJ  telegraf  ,töWgraphe^,  auch  für  ^tä^gramme'. 

^yX/oyoJS  termometro  ^Thermometer^  it. 

^s^\y2  teravers  ,traver8e*,  beim  Schienenbau. 

<:^syj^ju^} j3   teransport   ^transport^^   Ausdruck   der   Litho- 
graphie. 

^fS  teren  ^Eisenbahnzug^^  frz.  traiJiy  it.  treno. 

öyj  tül  ,tulle^ 

^yjyj  tiinel  ,Tunnel'  engl. 

^^1^  vagon  ,Waggon^ 

a^yjük*  iandarma  ,gendarme^ 

JU««^  iv/rnal  Journal^  rapport  de  police^ 


88  I«  AblMuidlanf ;    l[*7*r. 


Nachtrage. 

Kurze  Zeit,  bevor  ich  das  Manuscript  der  vorstehenden 
Abhandlung  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  einsandte, 
schrieb  mir  Herr  Jean  Psichari  in  Paris,  dass  er  mit  der  Aus- 
arbeitung eines  Lexikons  der  griechischen  Lehnwörter  im  Os- 
manli  beschäftigt  sei.  In  der  Einleitung  zu  den  von  ihm  soeben 
herausgegebenen  Etudes  de  philologie  n^o-grecque  S.  LXXIII  flf. 
berichtet  er  über  den  Sachverhalt  und  theilt  einige  Proben  aus 
seiner  Arbeit  mit,  deren  Veröffentlichung  er  bis  nach  dem  Er- 
scheinen der  meinigen  verschoben  hat.  Psichari's  Arbeit  ist, 
so  weit  ich  daraus  sehen  kann,  in  den  einzelnen  Artikeln  breiter 
angelegt  als  die  meine  und  hat  ein  Hauptgewicht  auf  die  Ge- 
schichte der  in  Betracht  kommenden  griechischen  Wörter  inner- 
halb des  Griechischen  gelegt,  wovon  ich  mit  Rücksicht  auf 
meinen  nächsten  Zweck  glaubte  absehen  zu  sollen.  Ich  hoffe 
und  wünsche,  dass  Psichari's  Lexikon  meine  Studien  in  recht 
vielen  Punkten  ergänzen  und  verbessern  möge. 

S.  3.  WerthvoUe  Bemerkungen  über  griechische  Lehn- 
wörter im  Aramäischen  gibt  Nöldeke  in  der  Einleitung  zu  seiner 
mandäischen  Grammatik.  In  diesem  Zusammenhange  sei  auch 
des  Glossarium  graeco-hebraeum  von  Fürst  (Strassburg  1891) 
gedacht.  Die  unrichtige  Ansicht  Kenan's  (Histoire  generale 
des  langues  s^mitiques  I*  295),  dass  die  griechischen  Wörter 
in  den  Formen  des  ,makedonischen'  Dialektes  in  die  orien- 
talischen Sprachen  Eingang  gefunden  hätten,  erwähne  ich  blos 
deshalb,  weil  sie  noch  in  neueren  Werken  nachgesprochen 
worden  ist,  so  von  Budinszky,  Die  Ausbreitung  der  lateinischen 
Sprache  (Berlin  1881)  S.  233,  A.  12  und  von  Mitteis,  Reichsrecht 
und  Volksrecht  in  den  östlichen  Provinzen  des  römischen  Kaiser- 
reiches (Leipzig  1891)  S.  25.  Es  handelt  sich  selbstverständlich 
nur  um  die  Formen  der  Kovn^. 

S.  7.  Der  Aufsatz  von  Mikrojannis  über  die  lateinischen 
Elemente  des  Neugriechischen  und  ihre  Unterscheidung  von  den 
italienischen  in  der  ^Earia  1891,  11  49  ff.  65  ff.  (vgl.  Thumb, 
Die  neugriechische  Sprache,  Frei  bürg  i.  B.   1892,  S.  33)  ist  mir 


Türldscbe  Studien.  I.  89 

nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Jetzt  wird  diese  Frage  auch  von 
Psichari,  Etudes  p.  159flF.  behandelt.  Recht  gut  ist  die  Arbeit 
von  Lafoscade,  Influence  du  Latin  sur  le  Grec,  ebenda  p.  83 
bis  158. 

S.  16.  2v7]fi7c6h  für  ,Constantinopel'  liegt  geradezu  vor 
im  Dialekt  von  Phertakftna  in  Eappadokien^  Jakriov  I  504. 
Ausserhalb  des  Gebietes  der  Städtenamen  liegt  eine  solche 
Verbindung  vor  in  dem  kleinasiatischen  ovrfffj  ,Erde*  aus  V  T^y 
y§y,  in  Phertakäna^  Jehvioy  I  503,  und  daraus  orfj,  Lagarde, 
Neugriechisches  aus  Kleinasien  63,  letzteres  von  Karolidis  17,(0^- 
aoQiov  iXhjvoTUXTtftadoxi'KCjv  IA^bujv  S.  214  gründlich  verkannt 
und  als  Bildung  von  Wz.  axa-  gefasst. 

S.  19.  Aus  türkisch  ojir^  stammt  ngr.  hnqövi  bei  Foy, 
Lautsjstem  40. 

S.  21.  4^5^j  ist  gr.  t,ay&vog^  das  bei  Du  Gange  455  mit 
der  Erklärung  ,avis  venaticae  genus^  steht;  dies  selbst  aber 
stammt  aus  pers.  yj^\  zagan  ,Weihe^  Rumänisch  zagan  l^aine- 
anu  113. 

Aus  frz.  anchois  stammt  auch  ngr.  äyr^öia  Vyzantios  546. 

T^ayaydQ  findet  sich  in  der  ^AyLoXov&ia  rov  aTtavov  (Legrand, 
Biblioth^que  grecque  vulgaire  II)  Z.  497  und  öfter.  Aus  dem 
Griechischen  des  Pontes  lazisch  öagana  Rosen,  lieber  die 
Sprache  der  Lazen  29. 

S.  23.  In  jaküTnoz  ,Meeresleuchten'  wird  'Aa^iög  ,Brennen' 
von  xaiyo}  (=  xor/w)  stecken,    yiaycafuig  =  *diaAa(i6g? 

S.  24.  Vyzantios  547  hat  flir  lißdQi  auch  ßißdqi  und 
dißäqv. 

S.  30  füge  man  hinzu 

nd^yh  funda  ,Buschwerk,  Gesträuch'  Jussuf  303;  ,sar- 
ments'  Bianchi  11  404:  ngr.  (povvra  ,Büschel,  Busch,  Strauch, 
Flocke,  Franse^  (povyrtbvü)  von  Bäumen  ,belaube  mich',  aus  lat. 
funda  ,SchleudQr,  Wurfnetz,  Geldbeutel',  unter  Einmischung 
der  Bedeutung  von  f rändern,  it.  span.  fronda  ,Laub',  vgl.  prov. 
fronday  nfrz.  fremde,  it.  fionda  ,Sclileuder',  gegenüber  afrz.  fonde, 
span.  fonda,  port.  funda.  Also  alte  Confusion  von  funda  und 
*frunda  aus  frondem  (mit  geschlossenem  o). 


90  !•  Abhandlung:    Meyer. 

S.  32.  Für  ligusticum  bietet  Langkavel  131  liytauiTLÖv, 
laßarua  liest  man  Syllogos  XXI,  342,  146;  Vyzantios  558  gibt 
Xaß&vda. 

*S.  33.  Bei  oxlamury  filamuvy  q)Xaii0VQL  liegt  es  natürlich 
sehr  nahe,  an  lat.  flammula  zu  denken,  das  als  q)X(Xfifwvlov 
q>kdfifwvQoy  ins  byzantinische  Griechisch  übergegangen  ist.  Auch 
ich  habe  daran  gedacht,  aber  diese  Combination  sogleich  von 
mir  gewiesen,  da  q>XdfifiovQdv  q>XAfi7tovQOv,  wie  das  lateinische 
Wort,  im  Mittelgriechischen  und  Neugriechischen  (wo  es  auch 
als  x^d^TTov^y  und  S'XäfiTtovQOv  vorkommt)  ledigUch  ,Fahne' 
bedeutet,  wovon  ich  zu  ,Linde'  nicht  zu  gelangen  weiss.  Psi- 
chari,  Etudes  p.  LXXIV  führt  nun,  ausser  yhxfifjLOvXiov  ,Fahne^ 
bei  Kedrenps,  einen  Pflanzennamen  cpldfi^ovka  aus  Dioskorides 
IV  129  =  Bd.  I,  S.  613  Sprengel  an,  der  übrigens  auch  bei 
Sophoklis  schon  verzeichnet  ist.  Dieser  Name  ist  dort  Synonym 
von  XeovroTiödiov  und  bezeichnet  (siehe  SprengePs  Commentar 
Bd.  n  630)  eine  kleine  Alpenpflanze,  Gnaphalium  leontopodium  L. 
Vgl.  it.  ßammola  ,Sumpfhahnenfuss^  Also  auch  von  hier  ist 
keine  Brücke  zur  ,Linde^ 

S.  36.  Zu  mliimen  vgl.  arab.  ,^U>JLuj  ,Arsenik,  SubUmat^ 
aovhfiäv  kommt  in  den  Jatrosophia  des  Staphides  (Legrand, 
Bibl.  gr.  vulg.  11)  Z.  375  vor  (14.  Jahrhundert).  Ebenda 
Z.  350  steht  schon  aegvcxö  ,Arsenik'. 

S.  38.  Die  von  mantona  ,Mätresse'  gegebene  Erklärung  ist 
unrichtig.  Das  Wort  ist  nichts  Anderes  als  das  italienische 
madonna,  durch  Vermittlung  von  gr.  fKxvröya,  das  man  in  einem 
athenischen  Märchen  Jakrlov  I  146  liest. 

Auf  dieser  Seite  wäre  nachzutragen  das  auch  im  Türkischen 
gebräuchHche  arabische  yJL>o  w/er,  safr  ,Null',  wenn  Krumbacher 
(Woher  stammt  das  Wort  Ziffer?  in  Psichari's  Etudes  p.  346  ff.) 
mit  seiner  Herleitung  aus  einem  griechischen  \f)fiq>o[(po]Qia  das 
Richtige  getroffen  hätte.  Doch  gestehe  ich,  dass  mir  trotz  der 
gelehrten  und  scharfsinnigen  Ausführungen  Krumbacher's  nicht 
alle  Zweifel  behoben  worden  sind. 

S.  39.  Ueber  xorata  glaube  ich  nach  nochmaliger  Ueber- 
legung  jetzt  sagen  zu  können,  dass  es  nichts  Anderes  ist  als 
griechisches  xta^icniA  ,gros8i^ret^^  Legrand,  das  man  als  xiaQia- 


Tftrkiscbe  Studien.  I.  91 

TUT  in  der  Geschichte  des  Ptocholeon  (ed.  Legrand,  Paris  1872) 
V.  181  liest.  Dies  ist  eine  Ableitung  von  x^Q^^V^  ,Bauer^ 
Das  Wort  war  also  auf  S.  38  zu  %o%rat  zu  stellen.  Diese,  wie 
ich  glaube,  richtige  Erklärung  steht  schon  bei  Barbier  I  720, 
an  einer  Stelle,  die  mir  früher  entgangen  war  und  auf  die 
Psichari  a.  a.  O.  S.  LXXXII  hingewiesen  hat.  Ich  freue  mich, 
mit  diesen  beiden  Gelehrten  tibereinzustimmen. 

S.  43.  Zu  estabel  tavla  :  ij  r&ßXa  ,Stall'  führt  Hatzidakis, 
Einleitung  S.  360  aus  Amisos  (Samsun)  im  Pontes  an. 

S.  44.  Zu  podrum:  der  heutige  Name  von  Halikarnassos 
ist  (^y)^  hudruniy  was  ursprünglich  wohl  den  ,Hafen'  be- 
zeichnen soll. 

S.  45.  Für  jSchlüsseP  heisst  es  mit  einer  etwas  anderen 
Bildung  in  Trapezunt  ivoiy&q :  Syllogos  XVIII  140.  In  Eappa- 
dokien  sagt  man  dsvaxiciiQi^  JbXxiov  I  716,  d.  i.  dvomn^Qtov,  mit 
derselben  Assimilation  wie  im  Türkischen. 

S.  46.  Für  meine  Ableitung  von  ßov^aa  spricht  die  Form 
ßgoüraa,  die  sich  bei  Pio,  Contes  populaires  S.  185  in  einem 
Märchen  aus  Astypalaea  findet. 

S.  48  ist  zuzufügen 

^UuJ»,  ^UoaS,  ^UojL^  kaitan^  gaitan  ,Band^  Bianchi 
n  537.  Barb!  11  596:  gr.  Yaisravöv  bei  Galenos  Geganevtix^ 
nid^odoq  (die  Schrift  ist  zwischen  170  u.  200  n.  Ch.  geschrieben, 
8.  Hberg,  Rhein.  Museum  XLIV  207  flf.),  Bd.  X  942  Kühn 
yvyvia&iooav  S*  ol  toiovtoi  zmv  ßqöxoiv  (zum  Abbinden  von 
Blutgefttosen)  i§  VXrig  dvaarjrtrov  '  ToutvTr]  d'  iaziv  iv  ^P(bfir]  fdv  ij 
T(ay  ydUxaviav  dvofia^Ofiivcjv,  i%  fih  %fjg  xGxv  KbXt&v  X^Q^Q  ycoiu^o- 
liivfoVf  7n7tQaaiM)(iiy(üv  di  ixdhara  xard  rijv  Ugäy  öddvy  fjrig  ix  %ov 
T^  ^Pib^rjQ  Uqov  xarAysi.  Ttqdq  rag  iyoqig.  Lateinisch  bei  Marcellus 
EmpiricuB  (Anfang  des  5.  Jahrhunderts)  gaitanum  ,zona,  cin- 
gnlum'  nach  Du  Gange,  Gloss.  lat.  HI  460  b.  Das  Wort  soll 
von  der  Stadt  Gaeta  in  Italien  herstammen  (Korais,  '^roxTa 
I  107.  W.  Wagner  in  seiner  Ausgabe  des  Imberios  S.  55). 
Aber  die  Stadt  heisst  lat.  Cajeiay  griech.  bei  Strabon  KaidzUj 
bei  Appian  xmd  Diodor  Kmr^r)^  und  ein  g-  ist  in  so  früher 
Zeit  kaum  glaubhaft.     Das  türkische  Wort  erscheint  auch  im 


92  !•  Abbandlnng:    Xeyer. 

Nenarabischen  (^j^U»^  ,Schnur,  Besatz')  und  in  den  südost- 
enropäischen  Sprachen  (Mi.  I  86).  Ngr.  auch  ßardvi  auf  Ni- 
syros,  Syllogos  XIX  191 ;  yaCrdvia  schon  bei  Trinchera,  Syllabus 
membranarum  Nr.  356  (1211  n.  Chr.).  Ebenda  Nr.  487  (1273 
n.  Chr.)  steht  ydüa  ,taeniola',  was,  wenn  es  richtig  gelesen  ist, 
an  arab.  duj  ,Fussfessel,  Kette,  Riemen*  erinnert.  Ein  per- 
sisches ^2^y^,  das  Barbier  de  Meynard  11  596  anführt,  scheint 
nicht  zu  existiren. 

S.  57.  aiydy  ^oqnjfcöv  (die  türkische  Form  beruht  diesmal 
auf  dem  Singular)  findet  sich  schon  in  Staphides'  Jatrosophion 
Z.  97. 

S.  58.  Ueber  na^i^ädt  vgl.  Korais  ^'Azcmza  I  259  f.,  der 
?5wischen  der  Annahme  anatolischer  Herkunft  und  der  Ableitung 
von  dem  Namen  eines  culinarischen  Schriftstellers  Ud^a^og 
schwankt;  G.  Wyndham  im  Ptocholeon  von  Legrand  S.  49,  der 
sich  für  die  Herleitung  von  Ud^afiog  ausspricht.  Für  persisch 
erklärt  das  Wort  auch  Sophoklis  in  seinem  Lexikon. 

S.  59.  mars.  Auch  die  ausführliche  Belehrung,  die  man 
aus  ICrünitz,  Oekonomisch-technologische  Encyklopädie,  Bd.  187 
(BerUn  1845),  S.  707—722  über  das  Trictrac-Spiel  und  ebenda 
185,  357 — 370  über  das  verwandte  Toccategli-Spiel  schöpfen 
kann,  hat  mir  zur  Deutung  dieses  Ausdruckes  nicht  verholfen. 
Die  Doubletten  (Paschwürfe)  heissen  darin,  von  den  beiden  As 
angefangen,  Amb^sas  oder  Bezet,  Double  deux,  Ternes  oder 
Toumes,  Garnes  oder  Cannes,  Quines,  Sonnes  oder  Sannes. 

S.  60.  Wieder  zum  Theil  andere  griechische  Ausdrücke 
für  die  vi^r  Kartenfarben  werden  in  einem  Aufsatze  im  TlaQ- 
vaaaög  VDI  57  angegeben,  nämlich  nubita  ,CcBur%  nllv&og 
,Carreau',  nqicpa  ,Pique',  Bv&og  ,TreflP. 

S.  66.  didKog  für  di&Mjv  wie  die  bekannten  yiQogj  dgdxogy 
XiQog  für  yiqiav^  dQÖmatVy  Xdgwv  (Simon  Portius  ed.  W.  Meyer, 
S.  129).  yetTog  ,Nachbar^  Uest  man  in  der  i^KoXov&ia  roC  aitavov 
Z.  626.  In  Aenos  (Syllogos  VUI  533)  und  Epirus  (JlavdfüQa 
IX  215)  sagt  man  sogar  6  na&6g  =  nad^üv.  Aber  das  homerische 
iqxdg  sollte  man  endlich  aufhören  damit  zu  vergleichen.  Wie 
didxcjy   aus   did%oyog,   so  hat   man   eyywv  aus   eyyovog  gebildet 


Tftrkisobe  Stvditn.  I.  93 

(Sophoklis  412);  diese  Analogiebildung  ist  vom  Plural  ausge- 
gangen^  wo  iyydvoi  (nach  iyydviov  u.  s.  w.)  einem  ynx6voi  (von 
Ysltuiv)  gleich  war.  Nach  dem  Singularnominativ  yelxovag  sagte 
man  auch  eyyovag  (Hatzidakis  IlBql  q^&oyyoXoyiyUbv  vdfiwv  S.  29). 

S.  72.  Zu  dem  Verzeichnisse  der  Marineausdrücke  ver- 
gleiche man  als  Pendant  die  Liste  portugiesischer  Marinewörter 
im  Hindustani^  die  Schuchardt,  Zeitschrift  für  romanische  Philo- 
logie Xin  513  ff.  gibt.  Das  ^Oyo^ccroX6yu)v  yavri^KÖv,  Athen  1858, 
72  Seiten,  habe  ich  nie  gesehen ;  nach  der  Anzeige  in  der  Ilav- 
ddtQo  IX  478  f.  verfolgt  es  puristische  Tendenzen  und  scheint 
nicht  sehr  lobenswerth. 


Die  Abhandlung  ist  so  umfangreich  geworden,  dass  ich 
aus  Raumrücksichten  auf  die  Hinzufügung  der  ursprüngUch 
(S.  10)  beabsichtigten,  übrigens  im  Ganzen  entbehrlichen  Wort- 
register verzichtet  habe. 


94  I.  AbhMxdlQiiK:    Xejer. 


Yerzelchniss  hlnflgerer  Abkürzungen. 

Barbier  de  Kejrnard,   Dictionnaire  turc-fran9ai8.  Paris.  I.  1881. 

n.  1886. 
Beanssier,  Dictionnaire  pratique  arabe-fran9ais.   Alger  1887. 
Bianohi  et  X^iefTer,    Dictionnaire   turc-fran9ai8.    Paris.    I.  1850. 

IL  1871.  2.  Ausgabe. 
Bikilas,  Snr  la  nomenclature  de  la  faune  grecque.   Paris  1879. 
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TftrkiMbo  Stnditn.  I.  95 

Hehn,  Culturpflanzen  und  Hausthiere.  2.  Auflage.  Berlin  1872. 
y.  Heldreieh,  Die  Nutzpflanzen  Griechenlands.    Athen  1862. 
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4.  Auflage.  Strassburg  1889  (5.  Auflage,  Heft  1  bis  4). 
Kfovatavrivühiq^  l4L^  ^BXkrjyo-od'caiiavitjbv  hy^ölmov.  Constanti- 

nopel  1875. 
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96  I.  Abhsndlnng:    Xeyer.  Tftrkische  Stadien.  I. 

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II.  Abli. :    ai«fol.    Dm  enwungen«  Versprechen  im  deutschen  Rechtsleben.  1 


II. 

Das  erzwungene  Versprechen  und  seine  Behandlung 

im  deutschen  Rechtsleben. 

Von 

Heinrich  Siegel, 

wirkl.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften. 


I. 

Ciin  mehrfach  ausgesprochener  deutscher  Rechtssatz  be- 
sagte, dass  ein  Versprechen,  welches  mit  gutem,  freien  Willen 
oder  ungezwungen  und  ungedrungen  gegeben  wurde,  gehalten 
oder  erfüllt  werden  mllsse. 

Ab  ein  man  ist  komen  zu  den  iaren  der  bescheidenheit, 
hat  er  sich  ichtes  verbunden,  den  enmag  nit  gehelfen  des  keisers 
recht;  er  muz  tun,  daz  er  gelobt  hat,  er  sal  aber  sin  vnbe- 
twungen.  Sint  gescr.  stet:  wes  sich  der  man  vnbetwungen 
selber  virbindet,  der  zu  den  iaren  ist  komen  der  bescheidenheit, 
dez  enmag  in  der  keiser  nit  beschirmen.^  Vgl.  Sacramenta 
puberum  sponte  facta  super  contractibus  .  .  inviolabiliter  custo- 
diantur.* 

So  wat  een  man  deme  anderen  louet  mit  motwillen  vmbe- 
dwungen,  dat  schal  he  eme  to  rechte  lösten,  it  sy  an  kope,  it 
sy  an  hure  vnde  in  allen  dingen.^ 

Antiquum  ius  civitatis,  quod  quasi  communiter  ubique 
servatur,  habet,  quod  promissa,  quae  homo  voluntarie  facit, 
adimplere  debet.* 


*  Kleines  KaiBerrechtsbnch  IV,  c.  14. 

'  Friderici  constitatio  pacU  1158,   Mon.  Germ.  leg.  II,  112.  Den  Nachsatz 

siehe  unten  S.  6  zu  Note  2. 
>  Hamburger  Stadtrecht  von  1270  VI,  14;  von  1292  G,  13;  von  1497  L,  2. 

*  Brünner  Schöffenbuch  c.  596. 

SitouncBber.  d.  phU.-hist.  Ol.  CXXYin.  Bd.  2.  Abh.  1 


Z  II.  Abhandlung:    Siegel. 

Auf  die  Frage,  welche  Bewandtniss  es  dagegen  mit  einem 
erzwungenen  Versprechen  gehabt  hat,  lässt  sich  eine  sichere 
und  genaue  Antwort  nur  unter  Würdigung  der  darauf  bezüg- 
lichen Ausdrücke   und  Wendungen   der  Rechtssprache   geben. 

Da  heisst  es  von  einem  Versprechen,  das  ohne  die  er- 
forderliche Willensfreiheit  gegeben  wurde:  nuUa  ratione  firma 
sit^  nullius  esse  momenti  jubemus,*  ne  sal  dur  recht  nicht  stede 
sin,'  solche  Gelübde:  sullen  kayn  chraft  nicht  haben,*  seyn 
unbindig.* 

Von  dem,  welchem  ein  Versprechen  abgenöthigt  worden, 
wird  gesagt:  he  ne  darf  it  nicht  lesten,^  ipsum  a  fideiussionibus 
.  .  duximus  absolvendum  et  ad  observationera  earum  nullatenus 
amodo  teneatur,^  dez  ist  er  alles  mit  recht  ledig,**  ad  tale  pro- 
missum  .  .  non  obligatur  nee  compellitur  ipso  iure,^  oder  es 
wird  in  sein  Belieben  gestellt,  ob  er  erfüllen  will  oder  nicht: 
so  mag  er  leisten  oder  nvt.  daz  ist  an  siner  wal,  ferner:  will 
er  leisten,  daz  mag  er  tvn.  wil  er  sin  vber  werden,  daz  mac 
er  ouch  wol  tvn  mit  rechte.^®  Hatte  er  das  Versprechen  mit 
einem  Eide  oder  durch  den  Einsatz  seiner  Treue  bekräftigt 
und  wollte  er  es  nicht  erfüllen,  so  heisst  es  insbesondere:  it  ne 
scadet  ime  to  sime  rehte  nicht, ^*  dar  umme  verliuset  er  sine 
truwe  nicht  *^  und  dar  umme  ne  hat  er  sine  truwe  nicht  ge- 
brochin.*'* 


*  Lex  Baluvarionim  XV,  2,  s.  S.  6  bei  Note  1. 

*  Friderici  constitutio  1168,  s.  8.  6  bei  Note  2. 

®  Sachsenspiegel  III,  41  §  1  und  kais.  Landrech t-sbucb  c.  307  a  unten  S.  17. 

*■  Ofener  Stadtrechtsbuch  n.  245,  s.  S.  6  bei  Note  4.  Entsprechend  hei^t  es 
in  Rudolfi  constitutio  pacis  in  Austria  1276  (Mon.  Germ.  leg.  II,  411):  ,Quid- 
quid  tenninatum  est  .  .  iuris  ordine  observato,  hoc  habebit  firmitatem, 
quicquld  vero  per  vim,  metum  et  per  impressionem  .  .  .,  vires  nulla- 
tenus obtinebit,  sed  ad  statum  debitnm  reducetur. 

*  Böhmische  Stadtrechte  von  Weingarten  s.  S.  6  bei  Note  ö. 
<»  Sachsenspiegel  III,  41  §  3  unten  S.  20  bei  Note  2. 

'  Sententia  a  1250  unten  S.  10. 

®  Kais.  Landrechtsbuch  c.  307  a  unten  S.  21. 

^  Brünner  Schöflfenbuch  c.  595  unten  S.  17. 
"  Kais.  Landrechtsbuch  c.  307  a. 
"  Sachsenspiegel  III,  41  §  2. 

"  Görlitzer  Landrechtsbuch  XXX VI,  1  a,  unten  S.  21. 
"  Daselbst  XXXVI,   1  b,  unton  ^.'2^i. 


DmK  erswnnfvn«  Vi^rsprechen  iinil  soiue  BehuidlanK  im  deatachen  iUclitAleb«n.  3 

Ergangene  Urtheile  erklären  öfter  gleichzeitig^  dass  ein 
solches  Versprechen  nicht  stät^  sondern  aufgehoben  sein  solle, 
und  dass  sein  Geber  es  nicht  zu  erfüllen  brauche:  Dy  globde 
sullen  durch  recht  nicht  stete  syn  unde  her  bedarfF  das  gelt 
nicht  gebin,^  pactiohes  .  .  reprobamus  ac  revocamus  in  irritum 
pronunciantes  .  .  ducem  ad  Observationen!  earum  nullatenos 
obligari,^  quibuscunque  pactis  obligatoriis  (coactus)  se  adstrin- 
gerety  factus  sui  compos  uullatenus  teneretur  et  tales  pactiones 
obligatorie  qualescunque  censende  forent  irrite  penitus  et  inanes^ 
und  weiter:  ad  completionem  dictorum  pactorum,  promissionum, 
fidejussionum  .  .  nullatenus  sit  adstrictus^  sed  a  predictis  omnibus 
per  sententiam  debeat  liberari  et  ubique  penitus  absolvi/  endlich: 
literam  et  omnia  contenta  in  eadem  .  .  reprobamus  ^  revocamus 
et  ac  si  nunquam  scripta^  sigillata  vel  data  fuissent,  penitus 
annullamus  .  .  ordinantes  et  sententialiter  denuntiantes^  ipsum 
comitem  necnon  et  suos  homines  .  .  a  quibuslibet  promissionibus 
et  obligationibus  .  .  penitus  absolutes^  ac  si  nunquam  alicujus 
promissionis  et  obligationis  se  vinculo  adstrinxissent.^ 

Nach  dieser  Zusammenstellung  erscheint  es  zweifellos,  dass 
der  deutschen  Rechtsanschauung  zufolge  ein  erzwungenes  Ver- 
sprechen immerhin  ein  Versprechen  gewesen,^  aber  ein  unver- 
bindliches Versprechen,  dessen  Bestand  überdies  angefochten 
und  aufgehoben  werden  konnte.*^ 


^  Buch  der  Magdeburger  Fragen  III,  9  dist.  3  unten  S.  18. 

*  Sententia  a  1276  unten  S.  11. 

'  Sententia  a  1283  unten  S.  15  und  16. 
«Sententia  a  1291  unten  S.  12. 

^  A.  M.  ist  freiUch    Platner,    Hist.  Entwicklung    des    Systems  und    Cha- 
rakters des  deutschen  Rechtes  II  (1854),  S.  98. 

*  Die  heutige  gemeinrechtliche  Lehre  unterscheidet  zwischen  absoluter 
und  relativer  oder  bedingter  Nullität  eines  Geschäftes  und  sondert  von 
letzterer  die  Rescisibilität  oder  Anfechtbarkeit  eines  solchen.  Dass  nach 
deutschem  Rechte  trotz  der  Bestimmung  S.  1  bei  Note  2  keine  absolute 
Nullität  des  erzwungenen  Versprechens  begpründet  war,  zeigen  zumal 
die  Wendungen  S.  2  bei  Note  7.  10  und  oben  bei  Note  3,  dass  ferner 
zwischen  einer  AnnuUirung  und  Rescisiön,  welche  Ausdrücke  abwechselnd 
gebraucht  werden,  sachlich  kein  Unterschied  gemacht  wurde,  zeigt  ins- 
besondere der  Umstand,  dass  die  Aufhebung  je  nach  Lage  der  Dinge 
das  eine  Mal  ex  nunc  (S.  2  bei  Note  7),  das  andere  Mal  ex  tunc 
(oben    bei    Note   4)   erfolgte.    —    Da    die    Ansdrucksweise    der    neueren 

1» 


4  n.  Abhandlung:    Siegel. 

Die  Anfechtung,  welche  zu  einem  aufhebenden  oder  ver- 
nichtenden und  gleichzeitig  freisprechenden  Urtheile  fUhrte,  war 
auf  zweifache  Weise  möglich. 

Der  Gezwungene  konnte  abwarten,  bis  er  auf  Erfüllung 
geklagt  wurde,  und  dann  den  Zwang  in  Form  einer  Einrede 
mit  Erfolg  geltend  machen.  Metu  adhibito  —  sagt  der  Stadt- 
schreiber Johann  von  Brunn  in  seinem  Urtheilbuch  c.  596  — 
actio  quidem  nascitur,  si  subito  stipulatio  fit,  per  metus  tamen 
exceptionem  submoveri  debet. 

Der  Gezwungene  konnte  aber  auch  die  Initiative  ergreifen 
und  mittelst  einer  Klage  die  Aufhebung  oder  Ungiltigkeits- 
erklärung  des  Geschäftes,  sowie  seine  Loszählung  von  jeglicher 
Verbindlichkeit  begehren.  Den  letzteren  Weg  einzuschlagen 
empfahl  der  Verfasser  des  kaiserlichen  Landrechtes.  Wil  er  mit 
rehte  da  von  kvmen  —  heisst  es  daselbst  c.  307  a  —  so  sol  er 
varn  fvr  sinen  rihter.  vnd  sol  da  mit  vrteil  da  von  komen.  da 
sol  man  im  erteiln.  daz  er  dirre  dinge  aller  lidig  si.  vnde  mag 
in  dar  nach  dehein  man  dar  vmbe  ansprechen.^ 

Da  übrigens  ein  Gezwungener  trotz  seiner  rechtlichen 
Ungebundenheit  möglicher  Weise  Gewissensbisse  empfand 
wegen  des  gegebenen  Wortes,  so  meinte  der  Meister  des 
Landrechtes,  welcher  wahrscheinlich  dem  geistlichen  Stande 
angehörte,  an  dem  angeführten  Orte  weiter:  er  sol  ouch  varn 
fvr  sinen  pharrer  vnd  sol  dez  rat  han.  der  ratet  im  ouch  alse 


Gesetzbücher  der  früher  üblichen  durchaus  entspricht  —  Preuss.  Land- 
recht I,  Tit.  4,  §  33.  Auch  gefährliche  Bedrohungen  des  Lebens  .  . 
machen  jede  darauf  erfolgende  Willenserklärung  unkräftig;  vgl.  §55 
Wer  eine  sonst  rechtsbeständige  WiUenserklärung  wegen  Zwanges  an- 
fechten will;  Code  civil  1117.  La  Convention  contract^e  par  violence  .  . 
n*est  point  nulle  de  plein  droit,  eile  donne  seulement  lieu  4  une 
action  en  nullit^  ou  rescision;  Oesterr.  Gtosetzbuch  §  870.  Wer 
von  dem  annehmenden  Theile  durch  ungerechte  und  begründete  Furcht 
zu  einem  Vertrage  gezwungen  worden  ist,  ist  ihn  zu  halten  nicht 
verbunden;  Sachs.  Gesetzbuch  §831.  Wer  durch  widerrechtlich  er- 
regte gegründete  Furcht  zu  Eingehung  eines  Vertrages  genOthigt  worden 
ist,  kann  bei  dem  Vertrage  stehen  bleiben  oder  denselben 
anfechten  — ,  so  wird  das  codificirte  Recht  von  dessen  vorurtheils- 
freien  Bearbeitern  mit  gutem  Grunde  im  Sinne  der  oben  bezeichneten 
deutschen  Rechtsanschauung  verstanden. 

Dass  dieser  Weg  öfter  betreten  wunle,  zeigen  die  Beispiele  S.  9,  11, 
12  ff.,  Uff. 


Das  enwnngwie  Yertprichen  und  seine  Behandlnng  im  deutschen  BechtHleben.  5 

an  dem  bfiche  stat.  von  den  eiden.  Hier,  im  Capitel  170  c,  * 
wo  der  Fall  behandelt  ist,  dass  ein  widerrechtlich  Gefangener 
ans  Angst  nm  sein  Leben  ein  Lösegeld  zu  zahlen  oder  sonst 
etwas  zu  thun  eidlich  sich  verpflichtet  hat,  stellt  der  Verfasser 
zunächst  das  mit  Rücksicht  auf  den  Eid  anwendbare  geistliche 
Recht  dar  und  beantwortet  die  aufgeworfene  Frage:  sol  er  den 
eit  ze  rechte  leisten  oder  nvt,  dahin:  er  sole  «in  ze  rehte  nvt 
leisten,  er  ist  sin  vor  got  lidig,  während  etliche  Meister  allerdings 
etwas  Anderes  ,ratent^  Nach  ihrer  Meinung  soll  er  den  Eid  er- 
füllen und  das  Geld  geben,  dann  aber  bei  dem  geistUchen  Richter 
nach  dem  Gelde  klagen,  und  dieser  soll  ihm  seinen  Schaden 
heissen  büssen.  Hätte  er  aber  das  Geld  bezahlt  und  geschworen, 
dass  er  es  nicht  zurückfordern  wolle,  so  soll  er  den  Sachverhalt 
dem  geistlichen  Gerichte  mittheilen,  worauf  dieses  ihm,  wie 
wenn  er  geklagt  hätte,  sein  Geld  gewinnen  und  wiedergeben 
soll.  So  rihtet  der  riliter  rehte  oder,  wie  es  c.  160a  heisst: 
daz  ist  des  geistlichen  rihtaers  reht.  er  sol  in  —  nämlich  den 
andern  Theil,  und  zwar  hier  den  Wucherer  —  rehtvertigen  vmbe 
sine  svnde.  das  div  sele  niht  verloren  werde.  Obgleich  nun 
nach  des  Verfassers  Ansicht  derjenige,  welcher  gezwungen 
geschworen  hat,  ohneweiters  vor  Gott  des  Eides  ledig  ist, 
so  weist  ihn,  um  ganz  sicher  zu  gehen,  das  Buch  doch  noch 
an  seinen  Seelsorger:  wil  er  aber  gar  gevarliche  varen.  so  sol 
er  z&  sinem  bischove  varn.  oder  zu  sinem  Rtpriester  gan.  vnd 
sol  dez  rat  han.  der  losset  im  wol  ane  svnde  da  von. 

Schwieriger  ab  die  Wirkung  eines  stattgehabten  Zwanges 
und  seine  gerichthche  Geltendmachung  ist  die  Voraussetzung 
zu  bestimmen,  unter  welcher  ein  Versprechen  als  erzwungen  galt. 

Auch  hier  empfiehlt  es  sich,  die  darauf  bezügUchen 
Aeusserungen  der  Gesetze  und  Rechtsbücher  vorab  zusammen- 
zustellen. 

In  denselben  wird  gesprochen  von  einer  commutatio,  si 
faerit  per  vim  et   metum   extorta,^   von   einer   venditio   si  fuit 


*  Dieses  Capitel  ist  eines  von  jenen,  bei  welchen  nach  Rockinger,  Münchner 
Abhandlungen  III.  Cl.,  Bd.  XIII,  3.  Abth.,  S.  237  der  Verfasser  die  Summa 
de  poenitentia  des  Raimund  von  Peniafort  beuUtzt  hat.  Dass  in  der 
Sache  jedoch  der  Verfasser  mit  Baimund  nicht  übereinstimmt,  zeigt  die 
daselbst  S.  23S.  289  mitgetheilte  Stelle  der  Summa. 

«  Lex  Visigothorum  V,  4.  1. 


O  II.  Abhandlung:    »Siegel. 

violenter  extorta  id  est  aut  metu  mortis  aut  per  custodiam/  von 
per  vim  vel  iustum  metam  etiam  a  majoribus  (von  Voll- 
jährigen), maxime  ne  queremoniam  maleficiorum  faciant,  extorta 
sacramenta,^  ferner  heisst  es:  si  aliquis  aput  nos  efticitur  noster 
coneivis  et  aliquis  inpingit  ei  dominus,  quod  ipse  sit  ei  ligatus  vel 
adstrictus,  et  coget  eum  violenter,  quod  se  obliget  ei,  per  car- 
ceres  vel  per  alia  quecimque  tormenta  ita  quod  iideiussores 
statuat,  ne  recedat  ab  eo,^  weiter  werden  genannt:  alles  ver- 
pintnusz,  das  man  thut  in  forchte  oder  dar  zu  man  offenlieh 
mit  herren  gewalt  getwungen  wirt,*  sowie:  Unordentlich  durch 
Zwang  erpresste  und  zur  Erhaltung  des  Lebens  eingegangene 
Verstrickungen.^  Wo  mit  Rücksicht  auf  Schwüre  und  Treu- 
gelöbnisse der  Furcht  insbesondere  Erwähnung  geschieht  in  den 
Rechtsbüchern,  macht  sich  eine  Verschiedenheit  bemerkbar;  im 
Sachsenspiegel  heisst  es:  svat  die  man  sveret  unde  entruwen 
lovet,  sinen  lief  mede  to  verstene  oder  sin  ghesunt,*^  während 
das  kaiserliche  Landrechtsbuch  c.  307  a  sagt:  Swez  der  man 
sweret  da  er  sinen  lip  oder  sin  gut  mit  lidegot/  vnd  er  anders 
nvt  mag  lidig  werden. 

Hiernach  ist  das  Eine  sofort  klar,  dass  blosse  Worte, 
mochten  sie  auch  den  Bedrohten  in  Schrecken  gesetzt  und  zu 
einem  Versprechen  veranlasst  haben,  nicht  geeignet  waren,  einen 
rechtswirksamen  Zwang  zu  begründen.  Und  dieses  Ergebniss 
wird  auch  bestätigt  durch  die  Entscheidung  eines  im  14.  Jahr- 
hundert vorgekommenen  Rechtsfalles.  Der  Fall,  enthalten  in 
der  Thomer  Handschrift,  einer  Parallelsammlung  der  Magde- 
burger Fragen,'  war  folgender. 


*  Lex  Baiuvariorum  XV,  2. 

'  Friderici  I  const.  pacis  1158.  M.  G.  leg.  II,  113.  Voraus  geht  die  Be- 
stimmung oben  S.  1  bei  Note  2. 

3  Frankfurter  Rechtsraittheilung  an  Weilburg  vom  Jahre  1297,  §  29  bei 
Gengier,  Deutsche  Stadtrechte  S.  118. 

*  Ofener  Stadtrechtsbuch  n.  245  bei  Michuay  und  Lichner  S.  136. 

*  V.  Weingarten^s  Auszug  aus  böhmischen  Stadtrechten  S.  167. 

^  III,  41  §  2.  Ebenso  der  deutsche  Spiegel  c.  276,  übrigens  mit  einer  Lücke, 
und  das  'Rechtsbuch  der  Distinctionen  IV,  4i,  dist.  3. 

^  Gedruckt  bei  Behrend,  Das  Buch  der  Magdeburger  Fragen  S.  238.  An- 
ders gewendet  und  für  unsere  Frage  bedeutungslos  ist  der  Fall  in 
n.  33,  ebendas.  S.  239. 


Das  erxwnngene  Venprecbeu  und  seine  Hehandlong  im  deutschen  KechtKleben.  7 

En  Gast,  welcher  in  eine   nicht  genannte  Stadt  Magde- 
burger Rechts  gekommen  war,  hatte  der  Tochter  seiner  Wirthin, 
einer  Frau  Anna,  ein  versiegeltes  Geldpäckchen  zur  Aufbewahrung 
übergeben.     Das  Geld  wurde  mit  anderem  Geräthe  gestohlen. 
Davon  erfahr  der  Gast,  als  er  sein  Geld  verlangte,   ,und  rette 
dy  frawe  an  hartlichen  und   ernstlichen,  do  dirschrag  dy  frawe 
gar  sere  und  wart   betrubit  und  yn  dem  betrupnysse  und  dir- 
schrecknysse  und  leyden  mit  ungedachtigkeit  sprach  dy  frawe 
czn  tröste  dem  gaste:  durch   got  habit  guten  mut,   is  sal  mir 
verloren  werden  und  nicht  euch/     Auf  den  Ersatz  des  Geldes 
geklagt,  gab  der  Fürsprecher  der  Frau  den  Thatbestand  zu, 
stellte  aber  an  den  Richter  die  Frage:   sint  dem  raole  das  dy 
frawe  yn  erem  dirschrecknys  und  leyden  das  umbedacht  getan 
hat  und  nu  ap  das  eyn   recht  sey.     Dagegen  erwiederte  des 
Gastes  Vorsprecher:   her  rychter  und  getrawen  scheppen,  das 
besecze  ich  mit  euch,  und  lost  mir  eyn  recht  werden,  synt  dem 
mole   daß  dy  frawe  das  globde   bekennit  vor  gehegtem  dinge, 
ap  sy  das  gelt  nicht  geben  sulle  adir  was  dorumme  recht  sey. 
Und    das   von   den  Schöffen^   gesprochene  Recht  lautete:    Das 
globde  das  sy  bekennet,   das  sal  sy  halden.     Der  Voreprecher 
der  Frau  beruhigte   sich   bei    diesem   Urtheile  nicht,    er   schalt 
dasselbe  und  fand  ein  anderes  folgenden  Inhaltes:   ,synt  dem 
mole  das  dy  frawe  yn  erem  betrupnisse  und  leyden  und  um- 
bedocht  dy  rede  geret  hot,   so  sal  sy  dem  gaste  nicht  halden 
noch  keyne  not  dorumme  leyden;  das  spreche  ich  vor  eyn  recht. 
Die  Urtheilschelte  veranlasste,  dass  die  Sache  behufs  der  Unter- 
weisung, welches  von   beiden  Urtheilen  das  rechte  sei  und  be- 
stehen möge,   nach  Magdeburg  gebracht  wurde.     Die  SchöflFen 
von  Magdeburg  aber  erkannten:  Der  scheppen  orteil  ist  recht, 
wenn  dy  frawe  sal  dem  gaste  halden,  das  sy  em  um  globit  hot 
und  vor  gerichte  bekant  hot. 

Eine  Zwangslage  von  rechtlicher  Bedeutung  hatte  zur 
noth wendigen  Voraussetzung  ein  gewaltsames  Vorgehen,  das 
dem  Einen  thatsächlich  die  Macht  über  den  Andern  gegeben 
hat.  Nur  durch  Gewalt  konnte,  ohne  dass  es  daneben  drohender 
Worte  bedurft  hätte,  eine  Furcht  erzeugt  werden,  welche  selbst 

^  In  der  Handschrift  and  dem  Behrend'schen  Druck  mit  dem,    wie  das 
Folgende  ergibt,  irrthümlichen  Zusatz:  czu  Meydeburg. 


8  11.  Ahbandlnng:    Siegel. 

die  Willenskraft  eines  beherzten  Mannes^  zu  lähmen  vermochte 
und  ihn  bewog^  zur  Abwendung  des  Schadens  das  zu  thun 
oder  zu  versprechen,  was  von  ihm  gefordert  wurde.  Eine  solche 
oder  eine  gerechte*  Furcht  war  namentlich  die  Angst  ums 
Leben,*  indess  genügte  auch  die  Angst  um  die  Gesundheit*  und 
später  selbst  die  Angst,  Hab  und  Gut^  zu  verlieren.  Jenes  gewalt- 
same Vorgehen  wider  einen  Andern  aber  konnte  in  Thätlich- 
keiten  verschiedener  Art  sich  äussern,  am  häufigsten  dürfte  es 
in  seiner  Gefangennahme  und  Festhaltung  bestanden  haben. 

n. 

Von  Fällen,  wo  Einer,  ohne  gefangen  zu  sein,  durch 
Thätlichkeiten  in  gerechte  Furcht  versetzt  wurde  und  in  solcher 
Furcht  zu  einem  Versprechen  sich  herbeiliess,  sind  nachstehende 
im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  vor  das  Königsgericht  zur  Ent- 
scheidung gebracht  worden. 

Am  16.  August   des  Jahres  1249  war  in  der  Reichsstadt 
Worms ^   zwischen  den  Leuten  des  herzoglich  bairischen  Mar-' 
Schalls  Zorno  und  jenen  des  Philipp   von  Hohenfels  ein  Streit 


'  Der  bomo  constantissimus  des  rOmiscben  Rechts  (fr.  6  D.  quod  metus  causa 

4,  2)  ist  im  canonischen  Recht  (v^l  c.  4  und  6  de  his  quae  vi  et  metu 
2,  40)  zum  homo  constans  geworden,  und  von  diesem  spricht  auch  der 
KOnig  iu  dem  Urtheilsbrief  von  1291  unten  S.  13. 

*  Der  Ausdruck  findet  sich  allerdings  nur  in  der  Friedensconstitutiou 
Friedrichs  I.,  S.  6  bei  Note  2. 

'  Hierin  stimmen  alle  Rechtsbücher  überein.  Vgl.  noch  Sententia  a.  1250 
(metus  persone  sue)  S.  10;   Brünner  Schöffenbuch  c.  595   (metus  mortis) 

5.  17;  Magdeburger  Fragen  III,  9  dist.  3  S.  18;  Urkunde  von  1355  unten 
S.  19  bei  Note  1. 

*  S.  die  Rechtsbücher  S.  6,  Note  6. 

^  So  das  k.  Landrechtsbuch  S.  6.  S.  auch  die  Urkunde  von  1280  (Schott, 
Jurist.  Wochenblatt  III,  4):  Si  vero  propter  metum  corporis  aut  rerum 
ibidem  mauere  non  änderet,  intrabit  alias.  Vgl.  schon  Cölestin  III 
(1191 — 1198)  im  c.  15  de  iureiurando  2,  24:  a  sacramenti  vinculo  ab- 
soluantur,  qui  istud  inviti  pro  vita  et  rebus  seruandis  fecerunt;  während 
c.  6  de  his  quae  vi  2,  40  allerdings  sagt:  non  obstante  violentia  illata, 
cum  neque  metum  mortis  neque  cruciatum  corporis  contineret  et  ideo 
non  debuerat  cadere  in  constantes. 

*  Ich  erzähle  nach  den  Annales  Wormatienses  bei  Böhmer,  Fontes  rerum 
Germanicarum  II,  S.  185 — 187. 


Dm  enwnngene  YanprecheD  und  seioe  Behandlang  im  denUchen  Rechtsleben.  9 

entstanden^  an  welchem  zu  Gunsten  der  letzteren  auf'  den  er- 
hobenen Waffenschrei  auch  die  Einwohner  der  Stadt  theilge- 
Bommen  haben.  Das  Volk  schritt  zu  Thätlichkeiten  gegen  den 
Herzog  Ludwig,  welcher  damals  in  Worms  weilte:  man  drang 
in  seine  Herberge ,  nahm  die  Pferde  aus  dem  Stalle  und  was 
sonst  zu  bekommen  war,  verwundete  mehrere  Baiem  und  tödtete 
einen  derselben. 

Am  andern  Morgen  kamen  die  Bürger  zusammen,  und  es 
wurde  eine  Sühne  aufgerichtet  ita  videlicet  —  wir  theilen  den 
weiteren  Bericht  der  Annalen  wörtlich  mit  —  quod  dux  plane 
reconciliatus  est  civibus,  remittens  plane  et  precise  omnes  in- 
inrias  et  gravamina  sibi  et  familie  sue  iUatas.  Et  insuper  hoc 
suas  edidit  literas  .  .  quod  has  iniurias  nunquam  vindicabit 
vel  vindicare  procurabit.^ 

Der  erwähnte  Stlhnebrief  sammt  dem  darin  ausgestellten 
eidlichen  Versprechen  der  Urfehde  ist,  allerdings  nicht  frei  von 
Lücken;  erhalten  und  lautet:  Ludeuicus  .  .  vniversis  .  .  volumns 
esse  notum,  quod  ciuibus  wormatiensibus  non  coacti,  sed  de 
libero  ac  sincero  corde  remisimus  et  ignouimus  [omnes]  iniurias 
et  offensas  nobis  in  crastiono  assumptionis  b.  Marie  nuper  pre- 
terite  per  ipsos  illatas,  ad  eorum  vindictam  nullatenus  processuri 
consilio  nostro  iurantes,  quod  ad  .  .  .  fideliter  pro  suis  iuribus  .  .  . 
Praeterea  si  Zumo  marscalcus  noster  ad  vindictam  huiusmodi 
nostre  offense  eines  meiiioratos  forsan  in  aliquo  molestare  pre- 
sumpserit,  nos  huiusmodi  molestationem  remouebimus  ab  eisdem.^ 

In  diesem  Briefe  hatte  der  Herzog  mit  ausdrücklichen 
Worten  erklärt,  dass  er  williglich  und  ungezwungen  alles  Un- 
recht verziehen  habe  und  deshalb  sich  nicht  rächen  wolle. 
Allein  dies  hinderte  den  Herzog  keineswegs,  dass  er  alsbald 
an  den  Kaiser,  seinen  Richter,  mit  der  Klage  sich  wendete: 
quod,  cum  cives  wormatienses  in  ipsa  ciuitate  contra  cum  temere 
insurgentes  multas  sibi  et  familie  sue  preter  omne  meritum 
suum  iniurias  infligerent  metuque  persone  sue  cogeretur,  ipsis 
fideiussiones,  cautiones  ac  securitates  praestare,  quod  suas  in 
eos  non  ulcisceretur  iniurias,  ipsum  a  fideiussionibus,  cautionibus 

^  Die  sonstigen  Sicherheiten,  welche  der  Herzog  und  sein  Marschall  gaben, 

können  unerwähnt  bleiben. 
'  Urkunde  Yom  17.  August  1249,  gedruckt  in  Quellen  zur  deutschen  und 

bayerischen  Geschichte  V,  n.  43,  S.  103. 


10  n.  Abhandluug^ :    Hiegel. 

ac  securitatibuS;  qnas  non  sponte  set  cohacti  prestitit^  prout 
iasticia  exigeret,  abisoluere  dignaremur.^ 

Und  im  Mai  des  folgenden  Jahres  erging  auf  diese  Klage 
zu  Fogia,  wo  Kaiser  Friedrich  11.  damals  sich  aufhielt^  nach- 
stehender Spruch:  Nos  igitur  supplicationibus  suis,  que  iustitiam 
continebant,  nequeuntes  ullatenus  refragari,  ipsum  a  fideiussioni- 
bus,  cautionibus  et  securitatibus,  quae  predictus  ciuibus  metu 
persone  sue  prestitit,  sententialiter  duximus  absoluendum,  ut  ad 
obseruationem  earum  nuUatenus  amodo  teneatur.  Ad  huius 
igitur  absolutionis  nostre  memoriam  .  .  presens  scriptum  fieri 
et  maiestatis  nostre  sigillo  iussimus  communiri.^ 

Ein  zweiter  Fall,  bei  welchem  aber  die  Art  der  geübten 
Gewalt  weder  in  der  Klage  noch  in  dem  Urtheile  näher  be- 
zeichnet wird,  betraf  den  Herzog  Philipp  von  Kärnten. 

Dieser,  der  letzte  Sprössling  des  sponheimischen  Herzogs- 
hauses, hatte  nach  dem  Tode  seines  Bruders  Ulrich  das  Herzog- 
thum  in  Anspruch  und  Besitz  genommen,  war  aber  von  dem 
Böhmenkönig  Ottokar,  welchen  der  Verstorbene  zu  seinem 
Nachfolger  ernannt  hatte,  im  Herbst  des  Jahres  1270  mit 
so  gewaltiger  Heeresmacht  heimgesucht  worden,  dass  er  und 
seine  Anhänger  den  Kampf  aufzugeben  sich  genöthigt  sahen. 
Philipp  erschien  vor  dem  Böhmenkönig  und  bat  um  Frieden. 
Er  musste  alle  Burgen,  wie  berichtet  wird,  ausliefern  und  auf 
alle  Länder  verzichten,  während  ihm  in  Krems  von  Ottokar 
ein  Leibgedinge  angewiesen  wurde. ^ 

'  Die  Klage,  wie  auch  das  folgende  Urtheil  ist  enthalten  in  einer  Urkunde 
vom  Mai  1250,  Quellen  zur  deutseben  und  bayerischen  Geschichte  V, 
n.  44,  S.  104,  welche  begpinnt:  Fridericus  .  .  Romanorum  Imperator  .  . 
notum  facimus  .  .  quod  Ludovicus,  primogenitus  ducis  Bawarie  .  .  celsi- 
tudini  nostre  supplicauit  attente. 

^  In  Italien  konnte  der  Kaiser  in  der  staufischen  Periode  die  an  ihn  ge- 
brachten Sachen  Anderen  zur  Entscheidung  zuweisen  oder  auch  selbst 
entscheiden  durch  ein  rescriptum  oder  scriptum,  wie  gewöhnlich  die 
Urkunde  genannt  wurde.  In  deutschen  Rechtssachen,  auch  wenn  sie  in 
Italien  zur  Verhandlung  kamen,  entschied  dagegen  der  Kaiser  nicht 
selbst,  vielmehr  war  er  an  das  vor  ihm  gefundene  Urtheil  gebunden, 
wenn  wir  von  Versuchen  Kaiser  Friedrichs  II.,  auch  in  deutsche  An- 
gelegenheiten durch  Machtsprüche  einzugreifen,  absehen.  8.  Ficker, 
Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  I,  n.  168,  III, 
n.  602.     Ein  ausgeführter  Versuch  dieser  Art  liegt  hier  vor. 

^  S.  Lorenz,  Deutsche  Geschichte  im   13.  und   14.  Jahrhundert  I,  S.  296. 


► 


Das  erzwoD^ne  Yersprechon  und  seine  Behandlvnfi;  im   deut«ehen  RechtsloboD.  1 1 

• 

Vier  Jahre  später  wurde  bekanntlich  auf  dem  Reichstage 
zu  Nürnberg  das  Verfahren  wider  den  BBhmenkönig  wegen 
seines  Besitzes  von  Reichsgütern  eingeleitet  und  Philipp  bereits 
zu  Anfang  des  Jahres  1275  mit  Kärnten  und  Krain  von  König 
Rudolf  belehnt.^  Wegen  gewisser  von  ihm  gegenüber  Ottokar 
—  wahrscheinlich  im  Jahre  1270  —  eingegangener  Verpflichtungen 
aber  erhob  der  Herzog  nun  durch  den  Bischof  von  Würzburg, 
als  seinen  Vertreter  bei  König  Rudolf,  während  dieser  in  Nürn- 
berg zu  Gericht  sass,  die  Anfechtungsklage  auf  Grund  des 
wider  ihn  geübten  Zwanges,  und  dieser  Klage  wurde  mit  nach- 
stehendem Urtheil  am  22.  Januar  1276  stattgegeben. 

Residentibus  nobis  pro  tribunali  .  .  in  civitate  Nürnberch 
ab  illustri  Philippe  duce  Karinthie  principe  nostro  karissimo 
fiiit  propositum  coram  nobis,  quod  eo  aUquamdiu  in  curia  .  . 
r^s  Boemiae  existente  per  ipsam  regem  coactus  est  aKquas 
graves  pactiones  sibique  nocivas  conditiones  inire,  propter  quod 
ad  eins  instantiam  per  venerabilem  Herbipolensem  episcopum  .  . 
ducis  eiusdem  verba  sollempniter  proponentem  extitit  in  iudicio 
requisitum  :  utrum  pactiones  et  conditiones  huiusmodi  compul- 
sorie  robur  firmitatis  habere  debent?  Super  quo  [per]  principes 
qui  interfuere  presentes,  quorumlibet  circumstancium  applau- 
deute  consensu  in  nostra  presencia  fuit  sentencialiter  iudicatum: 

quod  pactiones  et  condiciones  easdem  per  impressionem 
huiusmodi  sie  extortas  in  irritum  revocare  ac  penitus  solvere 
teneremur. 

Hinc  est  quod  universitatis  vestre  noticie  declaramus  pre- 
sencium  serie  protestantes,  quod  nos  dictante  sententia  principum 
eorundem,  predictas  pactiones  et  condiciones,  quas  dictus  Boemie 
rex  ab  ipso  duce  sie  extorsisse  dinoscitur,  prout  superius  est 
expressum,  auctoritate  regia  reprobamus  et  revocamus  in  irritum 
pronunciantes  expresse  prefatum  ducem  ad  observationem  earum 
nollatenus  obUgari.^ 

Noch  ein  dritter  Fall,  in  welchem  Gewaltthätigkeiten  ver- 
übt worden  waren,  ohne  *  dass  man  sich  des  Versprechenden 
selbst  bemächtigt  hätte,  kam  im  Jahre  1291  zur  Entscheidung. 

*  Vgl.  V.  Zeissberg,  Das  Rechtsverfahren  Rudolfs  von  Habsburg  gegen 
Ottokar  von  Böhmen,  Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXIX 
(1887),  8.  45. 

'  Sententia  bei  Kicker,  Acta  itnperii  selecta  n.  408,  8.  326. 


12  Il>  Abhandlang:    Siegel. 

• 

Der  Fall  weist  tibrigens  einige  Eigenthümlichkeiten  auf, 
welche  in  dem  öffehtlich-rechtlichen  Inhalte  des  abgezwungenen 
Briefes  ihre  Erklärung  finden  dürften. 

Einmal  ging  die  Klage,  welche  vor  den  König,  als  er  in 
Hagenau  Gericht  hielt,  nicht  von  dem  Gezwungenen  selbst, 
dem  Grafen  von  Hennegau,  aus,  vielmehr  traten  mehrere  recht- 
schaffene und  glaubwürdige  Männer,  denen  der  König  laut 
seiner  Erklärung  volles  Vertrauen  schenkte,  als  Kläger  auf. 

Sodann  richtete  sich  die  Klage  auf  die  verschiedenen 
Gewaltthätigkeiten,  welche  der  Vorsteher,  die  Schöffen  und  die 
ganze  Gemeinde  von  Valenciennes  in  bewaffnetem  Aufruhr 
wider  den  Grafen  sich  zu  Schulden  hatten  kommen  lassen, 
ohne  dass  die  Ungiltigkeitserklärung  des  unter  solchem  Drucke 
ausgefertigten,  inhaltlich  näher  bezeichneten  Briefes  begehrt 
worden  wäre. 

Die  über  das  Urtheil  ausgestellte  königliche  Urkunde^ 
lautet  in  der  Wiedergabe  der  Klage  also: 

Cum  apud  Haghenoyam  .  .  in  judicio  pro  tribunali  sede- 
remus,  ad  nostram  .  .  notitiam  clamosam  insinuationem  a  probis 
et  fide  dignis,  quibus  fidem  plenariam  adhibemus,  pervenisse 
noverint  universi,  qualiter  praepositus  scabini  jurati  communitas- 
que  villae  Valenchenensis  ad  nos  et  Imperium  directo  dominio 
spectantis  de  feodo  comitatus  Haynoniae  consistentis  armati 
ftirore,  succensi  rabie  illicitis  ausibus  scelestam  ineuntes  factionem 
contra  .  .  comitem  Haynoniae  dominum  suum  .  .,  nulla  coram 
nobis  seu  quovis  alio  domino  mota  quaestione  de  eodem,  utpote 
judices  in  propria  causa  vi  publica  ipsius  villae  Valenchenensis 
rebellabant,  in  prefati  domini  sui  praejudicium  verecundiam  et 
gravamen  portas  dictae  villae  contra  ipsum  serando,  villam 
muniendo,  machinas  faciendo,  propugnacula  erigendo,  castrum 
domini  sui  terribiliter  assaltando,  cum  impetu  et  tumultu  bona 
domini  invadendo  ac  etiam  occupando,  acciamationes,  prohibitas 
eonvocationes  in  suis  conventiculis  in  sui  domini  pernitiem  exer- 
centes  et  aggregantes,  ignem  ad  feoda  dominica  immittentes  et 
in  augmentum  sui  facinoris  potentioris  brachium  quaerentes  per 
metum  evidentem,  continentem  necem  populi  et  excidium  terrae 
ipsius  comitis,   compulerunt   ipsum   comitem  quamdam  litteram 


^  Bei  Marlene,  Tbesaarus  noviis  1,  sp.  1241,  1242. 


\ 


Das  enwuiifene  Veniprechen  ond  seine  Beh*odlang  im  dentschen  Bechtsleben.         13 

ab  eis  vel  eorum  mandato  compositam  et  conscriptam  sigillare^ 
continentem  quod  ipse  comes  suo  sigillo  omnes  suas  consue- 
tndines  et  leges  municipales^  quas  dictns  comes  ttme  ignorabat 
et  adhuc  ignorat,  approbaret,  ratificaret  et  per  omnia  confirmarety 
constituendo  dictos  scabinos  seu  juratos  declaratores  in  dubiis 
et  obscuris  quae  possent  emergere  de  promissis. 

Der  Reichshof  aber  erklärte  durch  Urtheil  und  Recht  den 
aasgefertigten  Brief  für  unkräftig  und  den  Grafen  und  seine 
Leute  fttr  frei  von  jeder  Verpflichtung,  während  der  König 
überdies  den  Aufständischen,  welche  er  wegen  ihrer  Gewalt- 
thätigkeiten  fUr  höchst  strafwürdig  erkannte,  alle  durch  Ge- 
wohnheit oder  durch  Verleihungen  seitens  des  Grafen  oder  seiner 
Vorfahren  erworbene  Rechte  und  Freiheiten  entzog. 

Nos  enim  —  fährt  die  Urkunde  fort  —  attendentes  prae- 
positum,  juratos  et  scabinos  totamque  communitatem  Valen- 
chenensem  ac  eorum  fautores  et  complices,  qui  tam  detestabile 
facinus  contra  dominum  suum  proprium  exercere  et  usurpare 
nullatenus  formidarunt,  esse  dignos  flagitio  necnon  ab  omni 
misericordia  secludendos,  ut  eis.  perpetua  egestate  sordentibus 
mori  sit  illis  solatium  et  vita  supplicium  reputetur. 

Considerantes  nihilominus  litteram  supradictam  praetextu 
metus,  qui  in  virum  constantem  cadere  potest,  a  dicto  comite 
sigillatam  et  eis  traditam,  superioris  auctoritate  non  interposita 
habere  efficaciam  non  debere,  ipsam  litteram  et  omnia  contenta 
in  eadem  auctoritate  regis  de  consilio  baronum  et  procerum 
imperii  apud  Haghenoe  praesentium  et  per  sententiam  eorundem 
reprobamus,  revocamus  et  ac  si  nunquam  scripta,  sigillata  vel 
data  fuisset,  penitus  annullamus.  Ordinantes  et  sententialiter 
denuntiantes  ipsum  comitem  necnon  et  suos  homines  et  universos, 
qui  ad  instantiam  dicti  comitis  apposuerunt  sigilla  sua  litterae 
supradictae  adstringentes  se  suis  promissionibus  seu  obligationibus 
ad  observandum  et  tenendum  ea,  quae  litera  continebat,  a  quibus- 
übet  promissionibus  et  obUgationibus  de  potestate  regiae  ma- 
jestatis  penitus  absolutes,  ac  si  nunquum  alicujus  promissionis 
et  obligationis  se  vinculo  astrinxissent. 

Et  ut  praedicti  praepositus,  scabini  jurati  necnon  totalis 
oniversitas  Valenchenensis  et  eorum  successores  suam  enormem 
deplangant  in  perpetuum  factionem,  rite  universis  suis  consue- 
tadinibus,   legibus  municipaUbus,   collegiis,   conventiculis,  accla- 


14  II.  ▲bhftDdlung:    Siegel. 

mationibus,  campanae  strepitibus/  ad  cuius  sonitum  convenientes 
in  unum  statuta  faciunt  edicta  edunt^  dictos  praepositum,  scabinos 
juratos  .  .  et  eorum  successores  auctoritate  regia  exuimus 
totaliter  et  privamus,  nulla  praescriptione  temporis,  assecuratione, 
promissione  vel  obligatione  sibi  a  dieto  comite  aut  progenitoribus 
modo  vel  conditio«  e  quibuslibet  factis  eos  defendente  seu  ob- 
stante,  a  quibus  videlicet  assecurationibus,  promissionibus  seu 
obligationibus  ipsum  comitem,  progenitores  suos  neenon  suc- 
cessores suos  futuros  comites  de  plenitudine  regiae  potestatis 
penitus  absolviraus  et  deinceps  ipsos  omnino  liberamus,  privi- 
legiis  tarnen  eis  salvis  quae  a  divis  imperatoribus  et  regibus 
Romanis  dictis  civibus  seu  communitati  praedietae  sunt  indulta. 

ni. 

Dass  Gefangenschaft  unter  den  Gesichtspunkt  einer  ver- 
übten Gewalt  fiel  und  daher  als  eine  Zwangslage  betrachtet 
wurde,  zeigt,  wenn  es  überhaupt  noch  eines  Beweises  bedürfte,^ 
deutlich  der  Vorgang,  welcher  ^m  Jahre  1283  vor  dem  Reichshof 
zu  Freiburg  im  Uechtlande  sich  abgespielt  hat. 

Zur  Vorgeschichte  der  damaligen  Gerichtsverhandlung 
muss  Folgendes  bemerkt  werden.  Nach  dem  am  26.  August  1278 
erfolgten  Tode  des  Königs  Ottokar  von  Böhmen  war  als  Ver- 
weser dieses  Landes  von  König  Rudolf  der  Markgraf  Otto  von 
Brandenburg  bestellt  und  demselben  die  Vormundschaft  über 
den  achtjährigen  Thronerben  Wenzel  auf  die  Dauer  von  fünf 
Jahren  übertragen  worden.  Als  sich  darauf  die  Witwe  Ottokars 
nach  Prag  begab,  wurde  sie  sammt  ihren  Kindern  von  dem 
Brandenburger  festgenommen  und  der  junge  Wenzel,  wie  ver- 
sichert wird,  aus  Böhmen  entfernt.  Um  die  Mitte  des  Jahres 
1283  trat  der  nun  dreizehnjährige  Wenzel  die  Verwaltung  von 
Böhmen  an,^  und  sofort  nahm  er  die  Hilfe  des  Königs  und 
Reiches  in  Anspruch,  um  von  den,  wie  es  scheint,  kurz  zuvor 


^  Die  Glocke,  der  Glockenschlag  oder  Glockenklang,  auch  Glockenschall 
gehörte  sonst  nach  den  WeisthUmeru  der  Herrschaft  zu.  Vgl.  Grimm, 
RA.,  S.  44  ff. 

'  Nach  den  Belegstellen  oben  S.  6,  Note  1  und  3. 

*  lieber  das  Bisherige  s.  Lorenz,  Deutsche  Geschichte  im  13.  und  14. 
Jahrhundert  1,  S.  243—254. 


I 


Das  enwungc'n«  Yenprechen  und  ^icine  beh&nUUiiK   im   deutlichen  Rerht^leb«n.  1{) 

während  seiner  Gefangenschaft  gegenüber  dem  Markgrafen 
iibemommenen  Verpflichtungen  durch  ein  Urtheil  befreit  zu 
werden.^  Er  entsendete  zu  diesem  Behufe  nach  dem  oben 
genannten  Freiburg,  wo  zu  jener  Zeit  König  Rudolf  Hof  hielt, 
seine  Boten.  Diese  aber  schlugen  in  Erflillung  ihres  Auftrages 
folgendes  Verfahren  ein.  Sie  baten  zunächst  um  ein  soge- 
nanntes gemeines  Urtheil:  utrum  principes  vel  aliquis  alius 
cuiuscunque  conditionis  vi  vel  metu  inductus  expers  proprie 
Ubertatis  tidejussionibus  stipulationibus  vel  aUis  obligationibus 
se  posset  constringere  vel  artare,  ita  quod  in  posterum  ipse 
hujusmodi  obligationibus  sie  extortis  posset  impeti  vel  aliqua- 
liter  conveniri  tamquam  efficaciter  obligatus? 

Der  König  als  Richter  frug  auf  diese  Bitte  die  anwesenden 
Fürsten,  Grafen,  Herren  und  andere  des  Reiches  Getreue  um 
das  Urtheil,  welches  den  allgemeinen  Satz  aussprach: 

Quod  principes  vel  aUus  quilibet  ad  ea,  que  vi  metuve 
coactus  promitteret  vel  quibuscunque  pactis  obligatoriis  se 
adstringeret,  factus  sui  compos  nullatenus  teneretur  et  tales 
pactiones  obligatorie  qualescunque  censende  forent  irrite  penitus 
et  inanes. 

Nachdem  das  gemeine  Urtheil  in  ihrem  Sinne  ausgefallen 
war,  gingen  nun  die  Boten  Wenzels  zu  dem  besondern  Fall 
ihres  Herrn  über,*  indem  sie  klagten  und  eine  Entscheidung 
darüber  begehrten: 

Si  inclytus  Wenceslaus  heres  regni  Bohemie,  quem 
illustris  marchio  de  Brandenburg  aliquo  tempore  contra 
propriam  detinuit  voluntatem,  deinde  fretus  propria voluntate 
ad  complicationem   illorum   pactorum  taliter   extortorum   atque 


^  S.  die  SententUi  vom  23.  Au^st  1283,  Mod.  Germ,  leg«  II,  444,  445. 

'  Quam  vero  sententiam  .  .  predicti  nancii  ad  speciem  decideutes 
nostro  culmini  supplicaverunt  lauten  die  Worte  der  königlichen  Urkunde. 
Ich  führe  dieselben  an  mit  Bücksicht  auf  die  Warnung,  welche  der 
Brfinner  Stadtschreiber  Johann  bezüglich  eines  solchen  Verfahrens  den 
Schöffen  ertheilt  hat  Debent  iurati,  sagte  er,  hanc  cautelam  servare, 
quod  nee  extra  judicia  nee  in  judiciis  aliquam  sententiam  communem 
contra  quam  pars  adversa  nondum  audita  nihil  objicit  vel  allegat,  pro- 
ferant  et  pronuntient  quoque  modo.  Ex  talibus  enim  sententiis  in  genere 
prolatis  saepissime  cum  ad  speciem  descenditur  vel  maxima  diffi- 
cultas  generatur  vel  evidens  contradictio  niultiplicatur.  Brüuner  SchOifen- 
bnch  c.  406. 


16  II.  Abhandlang:    Siegel. 

consumationem  obligationum  quarumcnnque,  sub  quibus  eidem 
marchioni  pro  viginti  milibus  marcarum  obligavit  civitatem 
Sitavie  et  castrum  Ronan  .  .  castrum  de  HarfFenstein  et  civi- 
tatem .  .  castrum  Bedier  .  .  castrum  Detzenin  .  .  civitatem  Usk 
et  castrum  .  .  civitatem  Bruks  et  castrum  .  .  necnon  castrum 
Gandowe  .  .,  sub  quibuscunque  etiam  promissionibus  taliter 
extortis  ipsi  marchioni  pro  duobus  milibus  marcarum  fidejus- 
sores  per  modum  extorsionis  coactus  posuit  et  pro  quinque 
milibus  marcarum,  quas  se  daturum  promisit,  aliqualiter  teneatur. 

Das  Urtheil,  welches  hierauf  —  unter  namentlicher  Be- 
rücksichtigung des  Umstandes,  dass  zwischen  dem  König  und 
dem  Markgrafen  seinerzeit  eine  Vereinbarung  getroffen  worden 
war,  nach  welcher  letzterer  das  Land  seinem  Erben  ohne  jede 
Entschädigung  zurtlckzustellen  hatte,  während  im  Widerspruch 
hiemit  der  Markgraf  von  dem  Erben  Verpflichtungen,  Ver- 
pfändungen und  Bürgschaften  erpresst  hat  —  gefunden  wurde, 
erkannte:^ 

Quod  sepe  dictus  heres  Bohemie  ad  completionem  dictorum 
pactorum,  promissionum ,  fidejussionum  necnon  quarumcunque 
obligationum  ab  eo  taliter  extortarum  per  dictum  marchionem, 
nullatenus  sit  adstrictus,  sed  a  predictis  omnibus  per  sententiam 
debeat  Uberari  et  ubique  penitus  absolvi,  obligationes  etiam 
dictorum  bonorum  etc.  ipso  jure  debeant  pro  cassis  et  irritis 
estimari.  ^ 


'  Maxime  —  führt  die  ki^nlgliche  Urkunde  aus  —  cum  inter  nos  et  dictum 
marchionem,  cum  eius  iure  (dies  bezieht  sich  wohl  auf  das  sächsische 
Recht  der  Mündigkeit)  antedictum  heredem  regni  Bohemie  cum  suo 
regno  usque  ad  certum  tempus  comraitteremus ,  intercesserit  certa  con- 
ventio  dig^a  in  suo  robore  observari,  videlicet  quod  expirante  certo 
tempore,  quod  conventioni  adjectum  fuerat,  praenominatum  heredem 
regni  Bohemie  una  cum  suo  regno  sine  quovis  damno  vel  dispendio  vei 
quantumvis  inuria,  sine  petitione  quarumlibet  expensanim  iuxta  legem 
conventionis  restituet  pleno  iure;  cuius  t^imen  conventionis  legibus  dictus 
marchio  obvians,  minus  iuste  pactiones,  obligationes,  fideiussiones  extor- 
quens,  indebite,  quod  promisit  penitus  violavit  atque  singula  superius 
expressa:  principes,  comites  et  nobiles,  qui  in  eodem  aderant  iudicio, 
per  nos  requisiti  sententionando  protulerunt. 

'  In  der  Urkunde  folgt  noch  die  königliche  Bestätigung  des  Urtheils,  die 
nochmalige  ausdrückliche  Ungiltigkeitserklärung  der  Verschreibungen  und 
df»r  entsprechende  Befehl  an  Jedermann,  sich  darnach  zu  achten. 


) 


Das  enwuDg«De  Versprechen  und  seine  Behandlang   im  deutschen  Recht^clcben.  17 

War  in  dem  Falle  des  böhmischen  Königssohnes  seine  Ge- 
fangenschaft als  Zwangslage  geltend  gemacht  worden,  so  erhebt 
sich  nun  die  weitere  Frage,  ob  jedwede  Gefangenschaft  oder 
nur  die  ungerechte  den  freien  Willen  ausgeschlossen  habe.  Nach 
der  Meinung  Eike's  von  Repgow  scheint  auch  die  rechtmässige 
Gefangenschaft  ein  ausreichender  Grund  gewesen  zu  sein,  das 
darin  gegebene  Versprechen  anzufechten.  Er  spricht  —  und 
in  gleicher  Weise  nach  ihm  der  Spiegel  aller  deutschen  Leute 
c.  276,  sowie  das  Rechtsbuch  der  Distinctionen  IV,  41  dist.  1  — 
von  Gefangenschaft  schlechthin,  indem  er  III,  41  §  1  lehrt: 
lewelkes  gevangenen  dat  unde  lof  ne  sal  dur  recht  nicht  stede 
sin,  det  he  binnen  vengnisse  lovet.  Der  entgegengesetzten  An- 
sicht war  offenbar  der  Verfasser  des  kaiserlichen  Landrechts- 
buches, da  in  c.  307  a  dem  der  Vorlage  entnommenen  Satze: 
Jegeliches  gevangenen  gelivbede  oder  eit  sol  nvt  stete  sin.  daz 
er  in  vangnvsse  tvt  die  Worte  beigeftlgt  sind:  ob  er  ze  vnrechte 
gevangen  ist.  Wer  den  Frevel  beging,*  einen  Andern  wider- 
rechtlich festzunehmen,  von  dem  durfte  der  Gefangene  weiterer 
Gewaltthaten  sich  versehen,  für  sein  Leben  selbst  mit  gutem 
Grunde  fUrchten. 

Es  wird  daher  mehrfach  eine  widerrechtUche  Gefangen- 
schaft und  gleichzeitig  Todesangst  als  Voraussetzung  für  die 
Unverbindlichkeit  eines  gegebenen  Versprechens  genannt. 

So  im  kaiserhchen  Landrechtsbuch  selbst,  in  c.  170  c,  wo 
für  den  Fall:  Vnde  wirt  ein  man  gevangen  ze  vnrechte,  der 
m^  nivt  lidig  werden,  er  gebe  hvndert  march  silbers  oder  er 
swere  etwaz  anders  ze  tvnne,  das  eidliche  Gelöbniss  als  un- 
verbindlich nach  geistlichem  oder  göttlichem  Rechte  bezeichnet 
wird,  während  später  der  erläuternde  Nachsatz  folgt:  Diz  ist 
also  gesprochen,  do  er  disen  eit  swor.  daz  er  daz  tete  von 
sines  libes  vorchte. 

Desgleichen  bestimmt  vom  Standpunkt  des  weltlichen 
Rechtes  aus  das  Brtinner  Urtheilbuch  c.  595:  Homo  si  iniuste 
capitur  et  metu  mortis  coactus  (est),  quidquid  promiserit 
vel  se  facere  velle  juraverit,  ad  tale  promissum  seu  juramentum, 
postquam  carcerem  evaserit,  non  obligatur  nee  compellitur  ipso 


*  Vgl.  Wilda,  Strafrecht  der  Germanen,  S.  784;    Osenbrüggen,   Alamanni- 
Bches  Strafrecht,  S.  273.  274. 
Sitznngsbor.  d.  phil.-hist.  Ol.  CXXVIII.  Bd.  2.  Abh.  2 


18  II.  Abhandlung:    Siegel. 

iure;  promissum  enim   (lebet  esse  voluntarium,  alioquin  potius 
dieitur  coactio  quam  promissum. 

Beide  Voraussetzungen  trafen  auch  in  dem  Falle  zusammen^ 
welcher  in  das  Buch  der  Magdeburger  Fragen  III,  9  dist.  3  Auf- 
nahme gefunden  hat. 

Ein  in  einer  Stadt  erbgesessener  Mann  war  trotzdem,  dass 
er  auf  die  von  seinem  Erbherrn  ,umb  eczUche  ungeschichte'  er- 
hobene Beschuldigung  sich  erboten  hatte,  vor  dem  Stadtgerichte 
oder  jedem  andern  Gerichte  in  des  Herrn  Lande  zu  erscheinen 
und  sich  zu  verantworten,  auf  seines  Herrn  Geheiss  festge- 
nommen worden.  In  dem  Gefängnisse  wurde  ihm  erklärt, 
dass  er  gegen  ein  Lösegeld  von  zweihundert  oder  zweitausend 
Mark^  frei  sein  solle,  gebe  er  das  Geld  nicht,  so  könnte  es  ihm 
an  den  Hals  gehen.  Wenne  nu,  heisst  es  weiter,  der  man  synis 
herren  ungenade  verebte  unde  vorterbnisz  synis  leibes,  so  sagte 
er:  besser  ist's,  dass  ich  das  Geld  verspreche,  , wenne  das  mynis 
hern  zorn  obir  mich  irginge,  das  ich  doch  ny  vorschuldiget  habe', 
und  er  gelobte  das  Geld  den  Anwälten  seines  Herrn  vor  dem 
ßath  in  der  Stadt  zu  zahlen  ,durch  synes  leibes  frist  oder  not', 
wie  in  anderen  Handschriften  steht,  ,unde  hoffte  sich  domit  ir- 
nerende'.  Aus  des  Herrn  Gewalt  infolge  seines  Gelübdes  ent- 
lassen, kehrte  er  dem  Lande  den  Rücken.  Der  Herr  aber 
liess  ihm  sein  Erbe  und  Gut  in  dem  Stadtgerichte  nehmen  und 
verkaufte  es  ohne  seinen  Willen,  offenbar  um  sich  bezahlt  zu 
machen.  Ab  nu  —  lautete  die  Frage,  welche  an  den  Schöflen- 
stuhl  zu  Magdeburg  gestellt  wurde  —  der  man  dy  gelobde,  dy 
her  in  gefengniscze  ^  globit  hat,  schuldig  sey  zcu  haldene  adir 
nicht,  ader  was  recht  sey,  und  das  Erkenntniss  hierauf  besagte : 
Dy  globde,  dy  der  man  in  gefengnisz  adir  in  getwange^  globit 
hat,  dy  sullcn  durch  recht  nicht  stete  syn  vnde  her  bedarff 
das  gelt  nicht  gebin. 

In  einer  ähnUchen  Lage  wie  dieser  städtische  Erbmann 
scheint  sich  ein  gewisser  Ulrich,  genannt  der  Marchfelder,  be- 
funden zu  haben.     Auch  er  war  Gefangener  seines  Herrn,  des 


*  Die  Haudschriften  differiren;  die  im  Behrend' sehen  Texte  steheuden 
zwei  Mark  sind  jedenfalls  irrthümlicb.  Vgl.  auch  Kaiserliches  Landrecht 
170  c  und  unten  S.  24  Note  2. 

^  Eine  Handschrift  fügt  hinzu:  ader  in  getwange. 

^  Die  Worte  a.  i.  g.  fehlen  in  einigen  Handschriften. 


I 


Bm  enwnngene  Yenprechen  und  seine  Bobandlnng  im   dentschen  BechtMlel>en.         19 

Weikhard  von  Stahremberg,  und  hat  als  solcher  bei  seiner  im 
Jahre  1355  auf  Widerruf  erfolgten  Entlassung  eine  Reihe  von 
Gelöbnissen  und  Erklärungen  gegeben,  über  welche  nachstehende 
Urkunde  ausgestellt  wurde.  Ich  Vlreich  der  Marichuelder  ver- 
gich  .  .  das  ich  meins  herren  Weicharten  von  Stohrenberg  ge- 
fangen bin  vnd  han  auch  (1)  verhaizzen  mit  meinen  trewn  vnd 
auch  mit  mein  starchen  ayd  .  .  wen  er  mich  mont  vnd  wohin 
er  mich  vordert  ze  laisten,  da  sol  ich  im  ze  hant  an  allen  wider- 
redt vnd  Vorwort  in  sein  filngchnüzz  hin  laisten  also  auch  be- 
schaidenlich ,  daz  ich  mein  leben  vnd  mein  halzz  gar  sicher 
soll  sein.*  W^er  aber  daz  ich  im  nicht  laistaecht,  so  bin  ich  ze 
hant  mit  syben  vbersaydt  vnd  hat  den  vollen  gewalt,  nach  mir 
ze  greiffen,  wo  er  mich  anchymt  vnd  anchömen  mag.  (2)  Ich 
scholl  auch  in  der  zeit  vnd  ich  sein  gefangen  pin  sein  frömen 
werfen  vnd  sein  schaden  wenden^  an  aller  stat  vnd  ich  dez 
inne  wirt,  von  leib  vnd  von  gut,  wi  ich  sol  vnd  vermag.  (3)  Ich 
vcrgich  auch,  ob  daz  waer,  da  chainerlay  brif  herfür  chöm  oder 
zaigt  würt,  von  wem  daz  waer,  di  ich  vnder  sein  insigel  an 
sein  willen  vnd  an  sein  wizzen  vnd  an  sein  wort  geben  hyet 
\Tid  geben  waern,  dez  ich  in  nicht  geweisen  noch  geinnern 
mocht,  di  selben  brif,  wi  di  sint  vnd  waz  di  sagen t,  di  sollen 
all  tot  vnd  ab  sein  noch  sullen  chainerlay  chraft  haben  in  allen 
iem  gepunden  vor  alle  den  rechten  vnd  si  fürpracht  vnd  zaigt 
wemt,  daz  sei  vor  gaistlichen  vnd  vor  weltlichen  rechten. 
(4)  Ich  han  auch  meim  vorgenanten  herren  Weicharten  von 
Stohrenberch  daz  gut,  daz  er  mir  von  sein  gnaden  verlihen 
hett,  auf  sein  gnad  aufgeben  vnd  waz  er  damit  tut,  daz  stet 
allez  an  sein  gnaden.  (5)  Is  sol  auch  mein  vorgenannter  herr 
vm  di  vanchnuzz  vnd  vm  all  handlung,  di  er  an  mir  geten 
hat,  vor  mir  vnd  vor  allen  meinen  frevnten  vnd  hclfer  gar 
sicher  sein  vnd  an  allen  ansprach.^ 

Wie  hieraus  ersichtlich  ist,  hatte  dieser  Marchfelder,  als 
er  im  Dienste  des  Stahrembcrgers,  von  welchem  er  auch  ein 
Lehen    besessen,    stand.   Missbrauch    mit  seines  Herrn  Insiegel 


'  Von  der  Todesangst  sollte  er  wenigstens  in  Znkunft  befreit  sein. 

'  Wie  die  Formel  für  die  Pflicht  des  Lehnsmannes   lautete.    S.  Homeyer, 

des  Sachsenspiegels  zweiter  Theil  II,  S.  372. 
«  Oberösterreichisches  Urknndenbuch  VII,  n.  38Ö,  S.  396.  397. 

2* 


20  n.  Abhandlunij:     Siegel. 

getrieben  und  war  vermuthlich  deshalb  von  letztcrem  fest- 
genommen worden.  Da  jedoch  hiezu  der  Herr  trotz  der  Treu- 
losigkeit seines  Mannes  nicht  berechtigt  gewesen  ist,  so  dürften 
schon  aus  diesem  Grunde  die  von  dem  Gefangenen  gegebenen 
Erklärungen  mit  Ausnahme  des  ersten  Gelübdes,  für  welches, 
wie  im  Folgenden  gezeigt  werden  wird,  eine  Ausnahme  galt, 
der  Rechtskraft  entbehrt  haben. 


rv. 

Trotzdem,  dass  die  Gefangenschaft,  sei  es  jede  oder 
wenigstens  die  widerrechtliche,  im  Allgemeinen  als  Zwangslage 
betrachtet  wurde  und  daher  das  von  einem  Gefangenen  gegebene 
Versprechen  der  Rechts  Wirksamkeit  entbehrte,  so  ist  doch 
bei  gewissen  Versprechungen  eine  Ausnahme  von  der  Regel 
anerkannt  worden. 

So  wurde  von  sämmtlichen  Rechtsbüchem  übereinstimmend 
das  Versprechen  der  Rückkehr,  welches  ein  Gefangener  bei 
seiner  zeitlichen  Beurlaubung  gab,  unter  der  Voraussetzung, 
dass  er  nicht  etwa  unehrlich  gefangen  war  und  der  Urlaub 
sammt  dem  Versprechen  ihm  aufgezwungen  wurde,  für  verbind- 
lich erklärt. 

Der  Sachsenspiegel  III,  41  sagt^  §  1:  Lot  man  aver  ine 
(den  Gefangenen)  ledich  uppe  sine  trüwe  riden  to  dage,  he  sal 
durch  recht  weder  komen  unde  sine  truwe  ledegen,  womit  dann 
noch  §  3  zu  verbinden  ist,  welcher  bestimmt:^  Svar  man  den 
man  untrüweliken  veit,  let  man  ine  uppe  sine  trüwe  riden,  die 
ine  dar  gevangen  hevet  oder  let  he  ine  sveren  oder  in  truwen 
ime  ander  ding^  geloven  he  ne  darf  is  nicht  lesten,  mach  he 
it   vulbringen   up  in,    dat   he  ine   untrüweliken*   to'  me  lovede 


*  Ebenso  der  deutsche  Spiegel  c.  276,  das  schlesische  Landrecht  c.  296 
und  das   Rechtsbuch  der  Distinctionen  IV,  41  dist.  1. 

*  Desgleichen  der  deutsche  Spiegel  c.  277,  das  schlesische  Landrecht  c.  296 
und  das  Rechtsbuch  der  Distinctionen  IV,  41  dist.  4  mit  dem  Zusätze: 
Unde   ist   lantrechte   und   wich  bilde. 

®  Die  Mainzer  Handschrift  von  1421  hat  für  ding:  werb,  was  klarer  den 
Sinn  wiedergibt. 

*  Mehrere  Handschriften  schieben  die  Worte  ein:  ving  und  in.  Da  jedoch 
dpr   deutMohe   Spiegel    und   das   Rechtsbuch   der   Distinctionen    mit    dem 


D»8  enwQDgene  YerBprecheo  und  seiuo  Behandlung  im  dentschen  Rechtsleben.         21 

gedungen  hebbe,  während  das  kaiserliche  Landrechtsbuch  c.  307  a 
die  beiden  Sätze  folgendermassen  verbunden  hat:  lat  aber  er 
in  (den  widerrechtUch  Gefangenen)  lidig.  vf  sine  triwe  vnd  lobet 
sich  hin  wider  ze  antwv rtenne  ^  daz  sol  er  leisten  ob  er  in  nvt 
vngetrvhchen  gevangen  hat.  hat  aber  er  in  vngetrvlichen  ge- 
vangen  oder  ze  unrehte  dar  zu  betwungen.  vnde  hat  er  gesworn 
oder  svz  gelvbede  getan  oder  bvrgen  gesetzet,  dez  ist  er  alles 
nvt  (so  statt  mit)  reht  Udig. 

Wird  diesen  Bestimmungen  die  erläuternde  Ausflihrung 
des  Görlitzer  Landrechtsbuches  XXXVI  §  la:  Swelich  man 
den  andirn  vehit,  unde  in  hin  vorit  unde  vor  den  vorchtin 
der  nach  volgere  den  gevangin  dwingit,  daz  er  ime  untruwin 
gelove  wider  zo  komine  unde  ne  kümit  er  nicht  widere  in  sime 
gevancnisse,  darunme  verliusit  er  sine  truwe  nicht,  wand  er 
in  der  Sicherheit  der  vancnisse  nicht  gevangin  ne  wurt,  hinzu- 
gefügt, so  gelangt  man  zu  folgendem  Ergebniss.  Eine  ungetreue, 
unehrUche  oder  unverlässliche  Gefangennalxme  war  dann  vor- 
handen, wenn  die  Wiederbefreiung  des  Festgenommenen  durch 
nacheilende  Freunde  von  diesem  noch  immer  erhoflft  werden 
durfte,  von  dem  Gewalthaber  beflirchtet  werden  musste.  Wurde 
unter  solchen  Umständen  der  Gefangene  entlassen,  so  hat  er 
gewiss  nicht  freiwillig,  sondern  unehrlich  dazu  gebracht^  oder 
gezwungen  das  Versprechen  der  Rückkehr  gegeben,  und  darum 
war  dasselbe  Versprechen,  das  verbindlich  war,  wenn  es  aus 
den  Banden  einer  sicheren  Gefangenschaft  befreite,  im  entgegen- 
gesetzten Falle  unverbindlich. 

Die  Rückkehr  in  die  Gefangenschaft  konnte  übrigens  auf 
einen  bestimmten  Tag  versprochen  werden  oder  von  einer 
jederzeit  zulässigen  Mahnung  des  Gewalthabers  abhängig 
gemacht  sein.^ 

Das  berühmt  gewordene  Versprechen,  auf  einen  genannten 
Tag  als  Gefangener  sich  wieder  zu  stellen,  ist  das  Versprechen, 
welches  Friedrich  von  Oesterreich  in  seinem  Gefilngniss  zu  Traus- 


Homeyer'scheu  Texte  übereinstimmen,  so  ist  an  dessen  Ursprünglichkeit 
nicht  zu  zweifeln. 

*  Die  Worte  v.  1.  s.  h.  w.  z.  a.  erklären  genauer,  was  die  Worte  to  dage 
des  Sachsenspiegels  ausdrücken. 

'  Der  Sachsenspiegel  sagt:  gedungen. 

*  Wie  in  dem  Falle  Marchfelder  S.  19. 


22  II>  Abhaudloug:    Siegel. 

nitz  am  13.  März  des  Jahres  1325  Ludwig  dem  Baier  gegeben  hat. 
Die  beiden  Fürsten  waren  bekanntlich  im  Jahre  1314  in  spaltiger 
Wahl  zu  römischen  Königen  gewählt  worden.  Keiner  rief  den 
päpstHchen  Stuhl  zur  Entscheidung  an;  ein  Jeder  wollte  durch 
seine  Macht  sein  Recht  behaupten.  Nahezu  acht  Jahre  hatte 
der  Streit  um  die  Herrschaft  im  Reiche  bereits  gedauert,  als 
Friedrich  von  der  Ostmark  und  von  Schwaben  aus  den  Gegner 
in  seinem  eigenen  Lande  anzugreifen  beschloss.  Bei  Mühldorf  kam 
es  Ende  September  1322  zu  einer  Schlacht,  in  welcher  Ludwig 
siegte  und  Friedrich  nach  heldenmüthigem  Kampfe  in  die  Ge- 
walt des  Siegers  fiel.  Trotz  des  Sieges  über  den  Gegner,  welcher 
als  Gefangener  in  die  Burg  Trausnitz  gebracht  wurde,  besserte 
sich  jedoch  die  Lage  Ludwigs  nicht;  sie  verschlimmerte  sich 
durch  seinen  Streit  mit  dem  Papste  und  in  Folge  der  Verbindung, 
die  Friedrichs  Bruder,  der  Herzog  Leopold  von  Oesterreich, 
mit  dem  König  von  Frankreich  einging.  Unter  diesen  Umständen 
suchte  Ludwig  die  Verständigung  mit  seinem  Gegner  Friedrich, 
und  es  kam  zu  einer  Sühne,  nach  welcher  letzterer  um  den 
Preis  der  Freiheit  auf  die  Krone  zu  verzichten,  Ludwig  als 
seinen  König  anzuerkennen  und  diese  Anerkennung  auch  von 
seinen  Brüdern  und  Getreuen  in  Oesterreich  zu  erwirken  eidhch 
sich  verpflichtete.  Darauf  erhielt  Friedrich  die  Freiheit,  zunächst 
jedoch  gegen  das  Versprechen:^  möcht  er  aber  der  Sünen  nicht 
zu  bringen,  so  soll  er  sich  wider  antworten  gen  Trausnicht  in 
die  venchnuss,  darinne  er  jetzt  ist,  auf  Johannestag  ze  Sunn- 
wende,  der  schierst  kombt.^ 

Aus  seiner  Haft  entlassen,  ritt  Friedrich  nach  der  Heimat, 
um  die  Zustimmung  seiner  Brüder  zu  der  Sühne  zu  gewinnen, 
was  ihm   indess   nicht   gelang.     In  Folge   dessen  kehrte  er  — 


'  Die  ÖUhue  sauimt  diesem  GelöbuiKs  findet  sich  bei  Kurz,  Oesterreicli 
unter  Friedrich  dem  Schönen  S.  488. 

'  Derselbe  Zeitpunkt  spielt,  was  bis  jetzt  unbeachtet  blieb,  in  einem  be- 
reits am  3.  October  1324  von  dem  Bruder  des  gefangenen  Friedrich,  von 
Herzog  Leopold  mit  der  Stadt  Hagenau  im  Elsass  getroffenen  Abkommen 
eine  Kolle.  Würde  bis  zur  Sonnenwende  Herzog  Ludwig  als  König  mit 
Heeresmacht  vor  der  Stadt  erscheinen,  so  sollten  die  Bürger  ihn  em- 
]»fangen  und  ihm  helfen  dürfen,  anderenfalls  sollte  die  Stadt  den  Herzog 
Leopohl  zu  ihrem  Schirmer  nehmen.  8.  Böhmer,  Regesta  Ludovici,  S.  262, 
n.   174. 


i 


Das  encwnngpne  Verspi^chen  nud  ft<>iQe  Rohandlang  im  dentschon  Rcchtxlebon.         IjB 

nach  der  Sage  der  späteren  Geschichtsschreiber^  und  gepriesen 
von  den  Dichtern  als  ein  Muster  deutscher  Treue,  in  sein  Ge- 
ßingniss  zurück: 

Aber  was  er  in  Banden  gelobt,  kann  er  frei  nicht  erfüllen, 
Siehe,  da  stellt  er  aufs  Neu  willig  den  Banden  sich  dar.* 

während  nach  den  Ergebnissen  der  neuen  Geschichtsforschung^ 
Friedrich  von  Ludwig  seines  Wortes  bereits  entbunden  war, 
als  beide  zu  Anfang  Juli  in  München  zusammentrafen  und  einen 
Bund  inniger  Freundschaft  schlössen,  welchej*  in  dem  merk- 
wllrdigen  Uebereinkommen  vom  25.  September  desselben  Jahres, 
als  zwei  Könige  gemeinsam  die  Regierung  des  Reiches  zu  führen, 
gipfelte. 

Dass  übrigens  Friedrich  ohne  die  in  seinem  Verhältniss 
zu  Ludwig  eingetretene  Aenderung  so  gehandelt  haben  würde, 
wie  ihn  die  Sage  und  Dichtung  dem  Rechte  entsprechend 
handeln  Hess,*  dürfte  das  historisch  beglaubigte  Verhalten  seines 


^  Bis  auf  Zimgibl,  Ludwig  des  Baiem  Geschichte,  Münchener  akad.  Ab- 
handlungen III  (1814),  S.  216  und  Kurz,  Oesterreich  unter  Friedrich 
dem  Schönen  1818,  S.  317. 

'  Schiller's  Gedicht  ,Deut8che  Treue*.  Vgl.  Uhland's  Schauspiel:  Ludwig 
der  Baier,  1818; 

—  Nun  ich's  recht  betraclite,  that  ich  nichts 
AIb  das  Geringste,  was  ein  Mann  kann  thnn: 
Ich  hielt,  was  ich  versprochen  —  — 
Ich  selbst  bin  dein  Gefangner,  wie  zuvor 
Lass  mich  zur  Trausnitz  führen. 

'  Vgl.  DObner,  Die  Auseinandersetzung  zwischen  Ludwig  dem  Baier  und 
Friedrich  von  Oesterreich  im  Jahre  1325.  1876.  Friedensburg,  Ludwig 
der  Baier  und  Friedrich  von  Oesterreich  von  dem  Vertrage  zu  Trausnitz 
bis  zur  Zusammenkunft  in  Innsbruck  1877.  S.  auch  Riezler,  Geschichte 
Baiems  II  (1880),  S.  860,  361. 

*  Auch  der  Papst  war  überzeugt,  dass  Friedrich,  wie  es  das  Recht  ver- 
langte, als  Gefangener  sich  wiederstellen  würde,  und  hat  daher  in  seinem 
Schreiben  au  den  Herzog  vom  4.  Mai  1325,  worin  er  alle  übernommenen 
Verpflichtungen  für  aufgehoben  erklärte,  schliesslich  die  Rückkehr  in 
das  Gefangniss  bei  Strafe  der  Excommunication  verboten :  Tibique  nihilo- 
minus  in  virtute  sanctae  obedientiae  ac  sub  excommunicationis  poena, 
quam  te  (si  contrarium  feceris)  incurrere  volumus  ipso  facto,  districtius 
inhibentes,  ne  ad  ejusdem  Ludovici  rebellis  et  excommunicati  quoquo- 


24  II.  Abhandlnng:    Siegel. 

Bruders,  des  Herzogs  Heinrich,  nahelegen,  welcher  gleichfalls 
in  der  Mtihldorfer  Schlacht  in  die  Gefangenschaft,  und  zwar  in 
die  Hände  des  Böhmenkönigs  gefallen  war.  Auch  dem  Herzog 
Heinrich  wurde  schon  vorher  ein  Urlaub  aus  seinem  Gefängniss 
in  der  Feste  Biirglitz  gewährt,  um  seine  Brüder  für  die  Ver- 
pflichtungen zu  gewinnen,  deren  Erfüllung  ihm  die  Freiheit 
wiedergeben  sollte;  auch  ihm  hatten  sich  die  Brüder  nicht  will- 
ftlhrig  erwiesen,  und  so  kehrte  er,  um  sein  Wort  einzulösen, 
wie  es  das  Recht  gebot,  in  sein  Gefängniss  zurück. 

Der  Bericht  der  Königsaaler  Chronik*  lautet:  Anno  do- 
mini  1323  in  die  nativitatis  Christi  Heinricus  dux  Austriae 
anno  praeterito  in  proelio  vinculatus  ferreis  coinpedibus  per 
ebdomadas  octo  in  Castro  iacuerat  Burgelino,  intervenientibus 
pactis  et  tractatibus  Pragam  venit,  altera  die  abinde  processit 
fratresque  suos  duos  duccs  in  Austria  visitavit,  qui  cum  con- 
ditionibus  et  pactis  ab  ipso  duce  capto  factis  noUent  acquie- 
scere.  Heinricus  dux  stare  volens  quam  promiserat  fide,  pri- 
stinae  se  captivitati  in  die  beati  Mathaei  apostoli  (24.  Februar) 
coepit  ultroneus  mancipare.^ 

Die  bindende  Kraft  eines  in  sicherer  Gefangenschaft 
gegebenen  Versprechens  der  Wiederkehr  fand  ihre  Recht- 
fertigung aus  Gründen  der  Nützlichkeit  wie  der  Ethik.  Eine 
Beurlaubung  erfolgte  im  Interesse  beider  Theile,  insbesondere 
auch  des  Gefangenen,  welcher  überdies  keine  Verpflichtung  auf 
sich  nahm,  die  seine  künftige  Lage  schlimmer  gestaltete,  als 
die  jetzige  war.  Andererseits  verdiente  das  Vertrauen,  welches 
der  Gewalthaber  in  der  Enthaftung  seines  Gefangenen  bewährte, 
durch  dessen  Treue  erwiedert  zu  werden. 

Ein  zweites  Versprechen,  dem  jedoch  nur  im  Bereiche 
des  sächsischen  Rechtes  Wirksamkeit  beigelegt  wurde,  war  das 
Urphede-  oder  Friedensgelöbniss,  das  ein  Gefangener  vor  seiner 
entgeltlichen  oder  unentgeltlichen  Freilassung  aus  dem  Ge- 
fängnisse gab.     Der  Sachsenspiegel  IH,  41  §  1  sagt  und  mit  ihm 


modo  redire  carcerem  .  .  praesumasS  Baronii,  Raynaldi  et  Laderchü  An- 
nales ecclesiastici  ed.  Theiner.,  T.  XXIV,  276. 
*  Theil  11,  c.  12.  Fontes  rerum  Austriacarum,  Scriptores  VIII,  421.  422. 
Dass  gegen  andere,  später  —  am  24.  Angust  —  festgestellte  Leistungen, 
insbesondere  ein  Lösegeld  von  9000  Mark  Silber  Herzog  Friedrich  end- 
lich die  Freiheit  erhielt,  soll  nebenbei  bemerkt  werden. 


t 


\ 


Dms  enwnnfene  Yeraprechen  and  seine  fieliandlung  im  deutschen  Bccbtsleben         25 

stimmen  das  schlesische  Landrecht  cap.  296  und  das  Rechts- 
bueh  der  Distinetionen  IV,  41  dist.  2  überein:  Gilt  he  oder 
wert  he  ane  gelt  ledich,  svelke  orveide  he  gelovet  oder  sveret,  * 
die  sal  he  durch  recht  lesten,  unde  anderes  nen  gelovede,  dat  he 
binnen  vengnisse  lovet  oder  dut,  während  der  Vierfasser  des 
Spiegels  aller  deutschen  Leute  c.  276  seine  Vorlage  nicht  ver- 
standen hat,  wenn  er  schreibt:  Ist  er  oder  wert  er  ane  gelt  ledig 
swelch  gelubdeer  lobet  oder  swert  die  sol  er  durch  recht 
leisten  vnd  anders  von  gelubde  daz  er  in  vanchnuzze  lobet 
oder  tut,  und  das  kaiserliche  Land  rechtsbuch  c.  307  a  wohl 
nicht  ohne  Absicht  und  Grund  schweigend  darüber  hinweg- 
gegangen ist.^ 

Eike  von  Repgow  aber  dürfte  zu  seiner  Behauptung  von 
der  Rechtsverbindlichkeit  des  Urphedegelöbnisses  eines  Ge- 
fangenen durch  die  Rücksicht  auf  den  Frieden  und  seine 
Förderung  bewogen  worden  sein,  durch  dieselbe  Rücksicht, 
welche  ihn  auch  bestimmte,  für  das  genannte  Gelöbniss,  wenn 
es  aussergerichtlich  gegeben  worden  war,  eine  Ausnahme  von 
der  sonst  geltenden  sächsischen  Beweisregel  anzuerkennen.'* 

Ein  drittes  Versprechen,  dem  wieder  allgemein  wohl 
rechtsverbindliche  Kraft  beigelegt  wurde,  dürfte  das  übrigens 
nur  in  einem  der  Rechtsbücher  berührte  Gelöbniss  von  Kriegs- 
gefangenen, an  einem  bestimmten,  ihnen  zugewiesenen  Orte 
Gefangenschaft  zu  halten,  gewesen  sein. 

Diese  Art  von  Haft,  welche,  wie  es  scheint,  vornehmen, 
rittermässigen  Kriegsgefangenen  gestattet  wurde,  nannte  man 
ein  FeldgefUngniss,  dessen  Versprechen  jedoch  nur  dann  bindend 
sein  sollte,  wenn  den  Gefangenen  nichts  ausser  seinem  Ehren- 
worte festhielt,  weder  Wachen  noch  Fesseln. 

Swelich  man  gevangen  ist  unde  bi  sinen  trawin  gelobit 
daz  er   nicht  entrinne    —   sagt    das    Görlitzer  Landreehtsbuch 

^  S.  eia  solches  Gelöbniss  oben  S.  19,  Nummer  5. 

'  Dass  nach  anssenächsischem  Rechte  das  UrphedengelObniHS  eines  durch 
Thätlichkeiten  in  Angst  Versetzten  als  unverbindlich  behandelt  wurde, 
darüber  s.  oben  S.  9,  10. 

*  W&hrend  sonst  der  Gtober  eines  aussergerichtlichen  Versprechens  des 
mit  siner  unschult  untgeit,  unde  man*s  in  nicht  vertügene  mach  (Sachsen- 
spiegel I,  18  §  2):  mut  (darf)  he  it  getUgen  selve  sevede,  dem  man 
die  sune  oder  de  orveide  dede  (das.  I,  8  §  3  und  Richtsteig  Landrechts 
41  §  8).  8.  auch  Horaeyer,  Richtsteig  S.  501. 


^ 


26  11-  Abhuidlang:    Siegel. 

XXXVI  §  1  b  —  unde  werdin  ime  ovir  daz  hutor  gesazt,  unde 
(wirt  er)  ouch  gespannin  oder  bismidit,^  unde  untrinnit  denne, 
dar  umme  ne  hat  er  sine  truwe  nicht  gebrochin.  Denn  Treue 
wurde  nur  da  geschuldet,  wo  Vertrauen  voll  geschenkt  wurde 
und  kein  Misstrauen  sich  geltend  machte. 

Aus  dem  Feldgefilngniss  rittermässiger  Kriegsgefangener 
ist,  was  zur  besseren  Beleuchtung  desselben  beitragen  dürfte 
und  daher  an  dieser  Stelle  nachgewiesen  werden  soll,  das  Ein- 
lager  im  Frieden  entstanden,  welches  seit  dem  12.  Jahrhundert 
vornehme  Schuldner  ihren  Gläubigem  zur  Sicherung  einer 
Forderung  freiwillig  zu  versprechen  pflegten.  Dass  die  Er- 
innerung an  diesen  Ursprung  des  Einlagers  noch  im  16.  Jahr- 
hundert nicht  ausgestorben  war,  ergeben  zwei  Urkunden,  in 
welchen  die  Schuldner  das  Einlager  unter  der  Bezeichnung  eines 
rechten  Feldgefangnisses,  wie  wenn  sie  von  ihren  Gläubigern 
oder  deren  Erben  im  Felde  gefangen  worden  wären,  zusagten. 

Heinrich  von  Holle  versprach  im  Jahre  1535  Mehreren, 
die  sich  zu  seinen  Gunsten  verbürgt  hatten:  Dartho  wyl  ik 
eine  rechte  Veltfengniüe  up  ohr  Erfordern  .  .,  gelik  alße  wehre 
ek  van  ohne  edder  oren  Erven  in  Felde  gefangen,  wor  se  mik 
heneschen  worden,  dat  were  schriftlik  edder  mündlik  in  myner 
Behusunge  ifte  gegenwordig  in  welUker  Stede  und  Platz,  mit 
seß  Perd  und  vyff  Knechten  mit  mynes  sülves  Lyve  holden 
und  lesten:  Szo  ik  uth  cyner  edder  mer  Stede  gewysett,  dar 
se  myk  ingeeschlt  (sie!),  alsdenne  an  eynen  andern  Ortt,  Stadt, 
Platz  edder  Dorp,  dar  man  myck  hengefordert  und  de  Vengnisse 
tho  holden  lyden  kan,  und  wyl  dar  ock  nicht  uth,  DageÜ  ifte 
Nachteli,  sondern  eyne  rechte  Veltfengniüe,  wu  einen  erbaren 
frommen  Manne  tostehet,  holden  ind  leesten.* 

Kühne  von  Bardeleben,  Drost  zu  Neustadt  am  Roberge, 
stellte   im  Jahre  1544  dem  Mathias  von  Veitheim  eine  Schuld- 

^  Bninswik  intrabunt  et  inde  non  exibant,  nisi  per  consensura  domin  i 
Imperatoris;  sine  vinculis  tarnen  et  capitali  custodia  manebunt  verfügte 
der  1212  zwischen  dem  Kaiser  Otto  und  dem  Markgrafen  von  Branden- 
burg aufgerichtete  Vertrag  hinsichtlich  der  zwanzig  Eidgesellen  des 
Letzteren,  fall»  ihm  auf  die  Anklage  wegen  Treubruchs  der  Beweis 
seiner  Unschuld  nicht  gelingen  würde.  S.  die  Urkunde  bei  Lisch, 
Mecklenburgisches  Urkundenbuch  I,  S.  199. 

'  Die  Urkunde  ist  mitgetheilt  von  Neander  in  Schottes  Juristischem  Wochen- 
blatt 1774,  m,  S.  8. 


Das  enwnnfene  Verspreehen  und  seine  Behandlung  im  deutseben  Rechtsleben.        27 

verschreibung  mit  dem  Beifügen  aus:  Im  Fall  ich  aber  an  der 
Zahlang  seumig  befunden,  so  verpflichte  ich  mich  bey  meinen 
högesten  Ehren  in  Eydesstatt  und  bey  einer  VeltgefängnüÜe, 
inmaOen  ich  im  Felde  gegriffen  und  das  zu  thun  angelovet, 
daß  ich  mich  von  Stunde  an  ungeseumbt  auch  ungefiirdert 
mit  meinen  selbst  Leibe  erheben  will,  und  zu  Oskersleve  in 
eine  Herberge  einreiten  und  will  einstellen,  leisten  und  halten 
aldar  so  lange  ein  recht  Einlager,  als  einen  frommen  und  Ehr- 
liebenden von  Adel  rühmlich  zu  thun  und  wohl  anstet  und 
auch  Gestalt  eines  Gefangenen,  daraus  in  keine  wege  zu  Tage 
und  Nacht  nicht  zu  kohmen.^ 

Die  Aeusserung  in  dem  Rechtsbuch  der  Distinctionen,  * 
dass  nach  der  Ansicht  Mancher  das  Versprechen,  Gefangen- 
schaft zu  halten,  nur  für  Rittermässige  und  nicht  für  Kaufleute 
verbindUch  sei,  indem  jene  vermöge  ihrer  höheren  Geburt  auch 
mehr  halten  wollen,  durfte  sich  auf  das  Einlager  beziehen, 
wozu  in  der  That  Leute  bürgerlichen  Standes  nur  höchst  selten 
sich  verpflichteten'  und  das  einmal  geradezu  als  ein  ritter- 
mässiges  Geftlngniss  bezeichnet  wurde. 

Der  Fall,  in  welchem  dies  geschah,  unterscheidet  sich 
allerdings  in  manchem  Punkte  von  einem  gewöhnlichen  Ein- 
lager, namentlich  darin,  dass  der  Schuldner  sich  verpflichtet 
hat,  allein  und  insgeheim  an  den  Ort,  der  ihm  bezeichnet 
werden  würde,  zu  reiten  und  auch  in  der  Folge  seinen  Auf- 
enthalt zu  verschweigen  und  Niemanden  zu  verrathen.  Wegen 
dieser  Eigenthünüichkeiten  mag  das  erhaltene  Mahnschreiben 
zum  Einritt*  hier  mitgetheilt  werden.  Nachdem  der  Gläubiger 
seinen  Schuldner  im  Eingang  der  Urkunde  an  sein  Versprechen 


*  An  dem  in  der  vorigen  Note  angeführten  Orte  S.  9. 

'  IV,  41  di«t.  5 :  Auch  sprechen  sommeliche  lute,  daz  dy  kouflute,  dy 
nicht  zu  dem  schilde  sin  geborn,  keyn  gefencknisz  halten  sullen  von 
rechte,  daz  ist  wor,  is  sal  der  geborne  und  ungeborn  keyn  gefencknisz 
dulden.  Doch  heben  dy  am  herschilde  eyne  vorloysende  willekor  ores 
adils,  daz  sy  me  wnllen  halden  in  orer  besseren  gebort,  won  dy  konf- 
lute; hymete  wert  der  koufman  nicht  rechteloz  noch  erenloz  .  .  wen 
god  had  den  menschen  selber  noch  om  gebildet,  unde  had  on  mit  siner 
marter  gelediget  eynen  also  den  andern,  unde  om  ist  der  arme  also 
der  riche,  der  gebur  also  der  herre. 

»  Vgl.  Friedländer,  Das  Einlager  S.  72  ff. 

*  Vom  Jahre  1548,  gedruckt  bei  Amthor,  de  obstagio  1712,  p.  139.  140. 


28  n*  Abh. :    Siegel.  Das  enwoDgeiie  Yeraprechen  im  deutschen  Rechtelcben. 

erinnert  hat,  fährt  er  fort:  Demnach  und  zufolge  solcher  be- 
schehenen  nothwendigen  und  hochveruhrsachlichen  Bestrickung 
heische  und  mahne  ich  dich  vermüge  und  krafft  deiner  ange- 
lobten Zusage,  (dass)  du  von  Stund  nach  Uberkommung  und 
Vorlesung  dieses  meines  Briefes  dich  erhebest  und  on  mennig- 
lichs  Vorwissen  gar  alleine,  stille  und  in  gantzer  geheim  biss 
au  Freyenwolde  in  Pommern  in  Borchert  Lantkowen  Behausung^ 
verfolgst,  darinnen  ein  Rittermässiges  Gefängniss  femer 
leistest  und  haltest,  daraus  noch  zu  Tage  oder  Nacht  on  mein 
vorwissen  keineswegs  scheidest,  sondern  meines  weitern  Be- 
scheits  daselbst  getreulich  abwartest;  wo  auch  dasselbe  Haus 
Feuershalben  unterginge,  dich  nicht  weiter  dann  so  fem  das 
du  des  Feuershalben  an  deine  lebende  keinen  schaden  nehmest, 
daraus  verfügst,  und  nach  verleschung  des  Feuers  wiederumb 
uf  derselben  Stetden,  wo  das  Haus  gestanden,  dein  Gefkngniss 
bis  zu  fernerem  meines  Bescheids  auswartest,  auch  dieser  Be- 
strickung  halber  nichts  hinter  dich  oder  sonsten  von  dir 
schreibest,  noch  jemands  davon  vermeldest,  auch  in  deinem 
anher  reiten  die  eine  Nacht  nicht  liegest  do  du  die  andere 
gelegen  hast,  sondern  still  und  in  gantzer  geheim,  ohne  alle 
Vermeldung  und  Nachsage  dich  eilens  an  vorberürten  Ort 
hebest  und  verfügest,  alles  bei  deinen  adelichen,  Ehren,  Treuen 
und  Glauben,  des  du  dich  allenthalben  deiner  Rittermässigen 
Zusage  nach  wirst  unverweigerlich  zu  verhalten  wissen. 


^  Auch  das  Privathaiis  im  Ge^nsatz  zu  einer  Herberge  kommt  nur  selten 
vor;  vgl.  Friedländer,  Das  Einlager,  S.  119  ff. 


I 


in.  Abh. :    BeiDiseh.   Die  BecUuye-Spnobe  in  Nordo&t-Afrika.  I. 


IIL 


Die  Bedauye-Sprache  in  Nordost-Afrika.  I. 

Von 

Leo  Beinifloh, 

wirkl.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  WissenschAften. 


CiS  bedarf  einiger  worte  der  entscbuldigung;  wenn  ich 
nach  dem  erscheinen  eines  so  ausgezeichneten  werkes  wie  das 
von  Hermann  Almkvist:  »Die  Bischari-Sprache  Tü-Be(jÄwie  in 
Nordost -Afrika.  Upsala  1881 — 1885«  2  bde.,  mich  noch  an- 
schicke, über  denselben  gegenständ  meine  eigenen  aufzeich- 
nungen  zu  veröflFentlichen. 

Die  zwei  folgenden  gründe  haben  mich  aber  veranlasst, 
meine  sammlangen  zur  genannten  spräche  doch  endlich  auch 
ans  tageslicht  hervorzuziehen: 

1)  Um  den  geist  einer  spräche  einigermassen  richtig  aufzu- 
fassen und  beurteilen  zu  können,  sind  unbedingt  texte  erforderlich 
und  nnerlässlich.  Durch  einzelne  Sätze  welche  man  in  eine  zu 
erlernende  spräche  übertragen  lässt,  können  zwar  grammatische 
functionen  mit  zimlicher  Sicherheit  ermittelt,  kann  auch  ein 
glossar  festgestellt  werden;  aber  der  volkstümliche  satzbau  und 
der  geistige  schätz  einer  nation  in  seiner  eigentümlichen  fas- 
sung  werden  doch  erst  zugänglich  und  klar  ersichtlich,  wenn 
man  eingebornen  selbst  das  wort  frei  erteilt,  ire  erfarungen 
und  lebensanschauungen  zwanglos  aussprechen  lässt  und  sie 
nicht  dahin  drangsaliert,  nach  dem  zuschnitt  unserer  denkungs- 
art  sich  äussern  zu  müssen.  Nun  feien  in  dem  werke  Alm- 
kvist's  aber  gerade  die  texte,  so  dass  ich  dasselbe  mit  den 
von  mir  gelegentlich  gesammelten  erzälungen  einigermassen 
ergänzen  kann. 

Sitenngsber.  d.  phiL-hbt.  Cl.  CXXVni.  Bd.  3.  Abh.  1 


S  ni   JLbhftndltinf :    Bein  lach. 

2)  Wie  schon  der  titel  des  schönen  Almkvist' sehen  buches 
selbst  es  ausdrücklich  anzeigt,  hat  der  Verfasser  nur  einen 
dialect  der  Becjauye- spräche  behandelt  und  es  würde  derselbe 
seine  vortreffliche  arbeit  villeicht  richtiger  bezeichnet  haben, 
wenn  er  ir  den  titel:  »Der  Bischari- Dialect  der  Bedauye- 
Sprache«  gegeben  hätte.  Denn  wenn  auch  der  dialect  der  Ha- 
lenga  im  ganzen  sich  enge  an  den  der  Bischari  anschliesst,  so 
weist  wenigstens  das  idiom  der  Beni-Amer  in  Barka  bemer- 
kenswerte unterschide  und  teilweise  altertümlichere  formen 
auf,  daher  es  wol  nicht  gut  angeht,  die  gesammtsprache  des 
weit  verzweigten  Volkes  der  Bedscha  nach  dem  dialect  eines 
Stammes  derselben,  nemlich  der  Bischari,  mit  dem  ausdruck: 
»die  Bischari- spräche  €  zu  benennen.  Indem  ich  nun  aber  ge- 
rade dem  genannten  ursprüngHcheren  idiom  der  Bedauye- 
sprache,  nendich  dem  dialect  der  Beni-Amer,  mich  einige  zeit 
zu  widmen  in  der  läge  war,  so  düi*fte  auch  nach  dieser  seite 
hin  das  werk  von  Almkvist  eine  weitere  ergänzung  finden. 

Meine  ersten  Sammlungen  zur  spräche  der  Bedscha  be- 
gann ich  vor  beinahe  zwanzig  jaren,  als  die  sogenannte  nu- 
bische  truppe  Hagenbeck's  sich  in  Wien  aufhielt.  In  dieser 
truppe  befanden  sich  sechzehn  Halenga,  mit  denen  ich  mich 
fast  täglich  beschäftigte  und  auf  diese  weise  mir  ein  zimlich 
vollständiges  bild  des  Halenga -idioms  verschaflfte.  Unglück- 
seliger weise  wurde  mir  die  frucht  dieser  arbeit,  die  ich  in 
einem  gebundenen  heft  zusammengetragen  hatte,  aus  der  tasche 
gezogen,  indem  der  entwender  dasselbe  wol  flir  eine  gefüllte 
brieftasche  hielt.  Da  wenige  tage  darnach  die  Hagenbeck'sche 
truppe  bereits  Wien  verliess,  so  konnte  ich  den  verlust  nur 
ser  ungenügend  durch  die  wenigen  gespräche  und  Sätze  noch 
ersetzen,  welche  in  diesem  gegenwärtigen  hefte  den  titel  füren: 
,11.  Gespräche   und  Sätze  im  idiom  der  Halenga.' 

Auf  meiner  ersten  reise  in  Abessinien  (1875 — 1876)  hatte 
ich  keine  gelegenheit,  mit  den  Bedscha  in  nähere  berürung  zu 
kommen,  wol  aber  auf  der  zweiten  dahin  unternommenen  tour 
(1879 — 1880),  indem  ich  wärend  des  aufenthaltes  in  Barka 
häufig  mit  männem  vom  volk  der  Beni-Amer  zu  verkeren 
hatte;  überdies  befanden  sich  damals  in  meinem  gefolge  zeit- 
weilig auch  leute  des  Bischari -Stammes,  dessgleichen  auch 
Hadendäwa,    leider   von   wenig   gewecktem   geiste.     Uebrigens 


Di§  B«dMy«-SprMh§  in  Kordoii-Aftikft.  I.  3 

hatte  ich  mir  nur  das  Studium  des  Billn  und  des  Kunama  als 
eigentlichen  zweck  dieser  zweiten  reise  gesetzt  und  dasselbe 
nam  auch  meine  zeit  und  t&tigkeit  vollauf  in  anspruch.  Was 
ich  daneben  noch  gelegentlich  und  gewissermassen  nur  in 
wissenschaftlicher  genäschigkeit  aufhemen  konnte,  das  bedarf 
desshalb  wol  etwas  einer  nachsichtigen  beurteilung. 

Obwol  ich  aber  wie  gesagt,  dem  Beijauye  nur  in  ser  be- 
schränktem masse  meine  zeit  widmen  konnte,  so  hätte  ich 
dennoch  wärend  derselben  eine  wertvollere  Sammlung  von 
texten  anlegen  können,  wenn  jene  Beduan,  mit  denen  ich  ar- 
beiten konnte,  ebenso  geistig  geweckt  gewesen  wären,  wie 
meine  lerer  der  übrigen  kuschitischen  sprachen.  Mit  jenen 
hatte  ich  aber  einen  fortwärenden  kämpf  gegen  ire  geistige 
Faulheit  und  nachlässige  ausspräche  zu  bestehen,  und  es  kostete 
immer  eine  grosse  mühe  meinerseits,  diese  leute  bei  geistiger 
arbeit  in  der  Stange  zu  halten.  Bei  dieser  irer  beschaffenheit 
darf  es  auch  nicht  wunder  nemen,  dass  die  wenigen  zusammen- 
hängenden texte,  die  ich  von  denselben  dennoch  zu  erlangen 
im  Stande  war,  an  inhalt  und  form  weit  hinter  denen  zurück- 
stehen, die  ich  von  den  Bilin,  Saho,  'Afar  und  sogar  den  Nuba 
auf  leichte  art  erhielt.  Die  verhältmässig  brauchbarsten  dienste 
fiir  das  idiom  der  Beni-Araer  leistete  mir  Ahmed -ibn- Mahmud- 
ibn-Idris  von  der  Gabila  Ad-Daga,  und  für  das  Hadend&wa: 
Mohammed  'Ali  aus  Suakin. 

Die  dem  Becjauye  -  text  gegenüberstehende  Saho  -  Über- 
setzung stammt  von  meinem  ausgezeichneten  und  treubewärten 
diener  auf  den  beiden  afrikanischen  reisen,  dem  Saho  'Abdallah - 
ihn -'Ali  Dasamojta,  der  mir  meistenteils  als  interpret  zu  dienen 
hatte  und  seines  amtes  in  der  denkbar  besten  weise  gewaltet  hat. 

Ausser  meinen  eigenen  aufzeichnungen  und  den  meiner 
Vorgänger  konnte  ich  bei  meiner  arbeit  noch  benutzen  die 
nach  dem  erscheinen  von  Almkvist's  buch  veröflFentlichte  kleine 
Schrift  von  C.  M.  Watson,  betitelt:  »Comparative  Vocabularies 
of  the  Languages  spoken  at  Suakin:  Arabic,  Hadendoa,  Beni- 
Amer.  London  1888.  8^«  16  pgg.,  welche  obschon  dem  umfange 
nach  unbedeutend  dennoch  für  die  ortografie  desshalb  recht 
verwendbar  ist,  weil  der  herausgeber  alle  Wörter  von  einem 
gewissen  Idris  Eifendi,  wahrscheinlich  einem  gebornen  Haden- 
däwa-Mann  in  arabische  buchstaben  umschreiben  Hess,  wodurch 


4  in.  JLbhsndliiQf :    Bei ni seh. 

die  fUr  die  iinguistik  so  ärgerlichen  nachteile  der  englischen 
Umschrift  besonders  im  vocalismus  wider  einigermassen  behoben 
sind.  Watson's  glossar  enthält  Wörter  im  idiom  der  Ha4ö94&wa 
welche  in  und  um  Suakin  hausen.  Auch  Watson  generalisirt 
unrichtig,  wenn  er  sagt:  Hadendoa  is  spoken  by  the  native 
Suakinese,  and  the  greater  part  of  the  tribes  in  the  vicinity  of 
Suakin,  ^the  Hadendoas,  Amarars,  Bisharin,  part  of  the  Halenga, 
and  as  far  north  as  the  tribes  of  the  Ababdeh.  Femer  sind 
seine  Amarars  i.  e.  Amar'ar  »Amar's  Söne«,  welche  er  inv 
tümlich  zu  den  Ha4^94&wa  rechnet,  nicht  bloss  dem  namen 
nach,  sondern  auch  ethnografisch  mit  den  Beni-Amer  identisch, 
von  welchen  letzteren  derselbe  ein  glossar  mit  der  Über- 
schrift: Beni-Amer  gibt,  das  aber  Tigr^  oder  Chassa  ist,  da 
die  an  den  ktlsten  des  roten  meeres  nomadisirenden  Beni-Amer 
von  iren  Untertanen,  sowie  von  den  benachbarten  Habab  die 
Tigr^sprache  angenonmien  haben.  Trotz  viler  übelstände,  die 
dem  mangelhaften  Inhalt  und  der  schlechten  metode  Watsons 
(nach  dem  übel  bewärten  vorbild  der  meisten  Unguistischen 
Schriften  englischer  missionäre)  anhaften,  ist  Watson's  glossar 
immerhin  dankend  aufzunemen.  Fonetisch  stimmen  Watsons 
Wörter  mit  den  meinigen  aus  dem  idiom  der  Hadendftwa  fast 
durchgehends  überein. 


Die  Bedftuye-Sprache  in  Nordost-AfIrikA.  I. 


6 


L 
Erzllongen  im  Idiom  der  Beni-Amer  in  Barka. 

1. 
Ein  reumütiger  sünder. 

1)  Tdku  edin,  ün  ü-täk  had-         Heyöti  yind  yan,   diböl  Alä 
dös  maldl    abkdbu ,   tiki  ndka     inArak  yind  yan^  ummänim  ag- 


idir. 

2)  ArH  rehah  rewiyayt,  hed'dt 
6   httddöyaös  hOy  esd'at. 

3)  Aüib  däbalah  iktä'ety  do'öb 


difi  yind  yan. 

Amd-ged  vrili  kömdl  körä  yan^ 
galabd-li  ülä  märd  yan. 

Will    mäh   en4d   4^y   igdild 


hoy  esinity  yam  wä  siyam  höy     yan,  ay  4äy  adddd  rimme,  lay, 


esninit 

4)  ^AllayS-dhäy  adgiy  tübdn< 
10  enity  en^äwayös  esd\ 


a§6  dald  dkä  mktd  yan, 

»Hinniydllä  gahö,atöbä€  ya, 
iH  melal  sldiSitd  yan. 


1)  Eis  waf;  so  erzält  man^  einst  ein  mann,  derselbe  lebte 
einsam  in  der  wüste  und  tötete  jedermann. 

2)  Er  zog  dann  auf  einen  berg  und  wonte  dort  allein  in 
einer  hole. 

3)  Einst  zerschlag  er  einen  kleinen  stein  und  fand  darin 
einen  wurm^  auch  wasser  und  frisches  gras. 

4)  Da  sprach  der  mann:  »ich  kere  zu  meinem  gott  zurück 
und  bereue;  <   und  liess  sich  bei  seinem  volksstamm  nider. 

2. 
Der  taube,  der  blinde,  der  lame  und  der  kalköpflge. 


1)  Ddba  edina:  nuwiü,  hama- 
idyy  garabdy,  güäld'  emorardm- 


naj  en. 


2)  Ü'fiiwayakydyt:  i^i^^dy  his 
16  amAsu  ifi^  idi. 

3)  Wü-hamaidy:  »if^'ay  dd'a, 
inda  fta  han  rehendy  nefikik^ 
idi. 


Heyd  ydjehan:  femäm,  inti 
mä'liy  hankÜ,  güäld*  siddad  mä- 
rdn  yan, 

Ay  §emiLm\  *8agd-t  'aValÖ 
abik  and*  yalehd  yan, 

Ay  inti  mä-li:  *rummd,  heyaü 
amöy  sd^  amö  abilik  and*  yalehd 
yan  dirdba. 


6  III.  Abhandlung:    Bei ni seh. 

4)  Garahdy  yakyäy:  ^kirifti  Ay  hankU:  *afd  ak  na-kamä- 
ki-ddbna.U  idi.  wäf*  yalehä  yan. 

5)  Ü-güäld'  yakyöy:  »te-hamö  Ay  gä'dz  mä-li:  »hinni  gä'dz 
kl-baherisna! €  sdi.  fcilfdl  ed  m-i§a,U   yalehd  yan. 

1)  Leute  erzälen:  ein  tauber,   ein  blinder,  ein  lamer  und 
ein  kalköpfiger  waren  beisammen. 

2)  Da  sprach  der  taube:   »ich  höre  da  vihstimmen.« 

3)  Der  bUnde   sagte   dann:    »ja  wir  sehen    rinderhömer 
und  männerköpfe.« 

4)  Der  lame    sprach:    »wir  wollen   inen   doch   wol   nicht 
zuvorkommen!« 

5)  Der  glatzköpfige    aber  sprach:    »wir  wollen  ja  nicht 
unsere  kopf^risur  in  Unordnung  bringen  (durch  laufen).« 

3. 
Ein  feigling. 

6       1)  Tdku  edina,  ün  ü-tak  ma-  Heyaüti  yind  yan^  sayö  Ka- 
nt etP  en.  wayl-li  yind  yan, 

2)  Enda  eniallagnik  madta-  Labahd  angd'ik  sayöli  küdd 
geh  eförj  r\hdb  rewiydna,  yan,  kömdl  kördn  yan, 

3)  En-nda  haiin  tdktak  däris  Heyaü  sidda   agdifi   yubild- 
10  erhiyanik  yevftl,  en.                         ged  dSrd  yan. 

4)  Tä-md'  höy  efäHdnik  takdt  Ay  heyaüti  sayö  U  tosold-ged 
ediVy  gn.  numd  yigdifd  yan. 

5)  Malydh  tä-md\'  »5n  toä  «n  Ay  sayö:  ^täy  ka  täy  ta*  yani 
tidiya*  ^nik,    barus  emodehäcj  Hl  yinge'ini  lahahdl  kä  hirrigdn 

15  m^hdyt  irhafnitj  inda  estöb^nik,  yaUy  ay  labahd  kä  yigdifdnik 
idimßky  batds  yiHsni  sakydnek,  sardl  ay  sayö  kä  haban^  ak  ya- 
en.  ddyn  yan. 

1)  Es  war  einst  ein  mann,  der  hatte  den  character  der  weiber. 

2)  Als  einst  männer  in  streit  gerieten,  da  floh  er  mit  den 
frauen,  und  sie  kletterten  auf  einen  berg. 

3)  Wie   er  nun  die  männer  sich   gegenseitig  bekämpfen 
sah,  da  weinte  er. 

4)  Als  aber  die  frauen  deshalb  über  in  lachten,  da  tötete 
er  eine  frau. 

5)  Hierauf  sprachen  die  frauen  zu  im:  »du  hast  doch  zu 
ir   das   und  das  gesagt,«   er  aber  stritt  mit  inen.    Da  zerrten 


Die  Bedaaye-Spracbe  ia  Nordost-AfHk».  I. 


sie  in,  iDclem  drei  frauen  denselben  bewachten,  zu  den  männern, 
diese  töteten  in,  die  frauen  aber  verliessen  in  und  gingen 
irer  wege. 

4. 

ünehlige  kinder  gedeihen  nicht 


1)  Dahaedina:  kardy  'ör  ihi^ 
hay  dibyay  inalal  hat/  ibi;  en- 
da  yeawenttj  esfadigna^  xoü-ör 
eyd\  en. 
5  2)  Oriydriy  ö-nihis  dehäy  efrik- 
nit^  ebisna. 

3)  Eyänikj  tü-nde  waütaneky 
rugüds  dehay  iharidna, 

4)  O'dhdy  iyärij  tämyäriy  mi- 
10  9ta  ebirirna,  wö-awut  dehdy  efi- 

gima. 

5)  Malyäb  'ör  ^äyt,  kabydytj 
jind  'är  ifri,  ü-bdba  Mdmmid 
Abddlläb  eyddna. 

15      6)  Wü'ör  efrayik  hd^ia  ihiy 
tafydy,  maldl  hay  ebe. 

7)  Itfariyeb-ka  eydy,  jiiid  ^ar 
adü  kirbaru. 

8)  ^Dy-taJcdt  dartit    Äöy,    6^ 
20  farriy&Cy    tak    ün  fidiktit   wet 

bä-^idir*  en. 

9)  Malydb  ü-tak  vn  tö-takatös 
efdigj  takdt  toet  id'tr. 


Yangülä  will  en^aükä  yibild, 
diböl  kä  btSitd  yan;  heyaü  kä 
hadandnj  aükä  yase^än  yan^  ay 
aüki  rdba  tdna  sügd  yan, 

Bodo  faräanij  aükä  sd  öbi- 
mniy  yo'ogin  yan. 

Gähdnik  sardl  kä  ind  watd- 
gtdy  ddssä  ak  yurhodin  yan. 

Heyaü  yamethi^  betdn  yan, 
fdrösul  tdna  HdiUdn  yan,  ridö 
tdna  sirähdn  yan. 

Ayk  Sarai  toili  güld'  yametd, 
td-li  (}lnd  yan,  mälitd  yan,  isSi 
bdlä  4ältd  yan,  kä  dbbä  Hdm- 
mid  Abddllä  yalehdn  yan. 

Ay  bapi  yobokdk  sardl  lubdk 
kä  blHtd,  diböl  kä  yuqu*d  yan. 

Abokinänti  räbd  yan,  hardm 
haläli  4^ylö  ^dlak  mi-yana. 

T^l^äylö  wdynin-kö  tamd  hey- 
adti  iH  nümd  hdbö,  aki  nvmd 
mar*eiitö*  yan. 

Ayk  sardl  ay  heyaüti  iH  nü- 
md (Jljiyd,  aki  nümd  ta  mar*- 
eSitd  yan. 


1)  Die  hyäne  packte  einen  knaben  und  lief  damit  in  die 
wtLste;  leute  jagten  ir  nach  und  entrissen  ir  den  knaben,  der- 
selbe aber  starb. 

2)  Sie  begruben  den  knaben  in  der  wüste  indem  sie  dort 
ein  loch  aufgruben  und  denselben  darin  bargen. 

3)  Sie  kerten  nun  zurück  und  da  die  mutter  weinte, 
schlachteten  sie  ein  totenopfer. 


8 


m.  Abhandlang^    Beinisch. 


4)  Leute  kamen  herbei  und  aasen;  man  breitete  denselben 
matten  auf  und  spannte  ein  dach  über  sie. 

5)  Damach  kam  ein  jtlngling,  er  beschlief  sie,  ein  knabe 
kam  dann  zur  weit,  sein  vater  hiess  Mohammed  Abdallah. 

6)  Als  der  knabe  geboren  war,  raubte  diesen  ein  löwe 
und  lief  mit  im  in  die  wüste. 

7)  So  oft  dieser  frau  ein  kind  geboren  ward,  es  kam 
ums  leben,  hurerei  bringt  keine  rechtschaflFenen  kinder  zuwege. 

8)  Da  sagten  die  leute:  »der  mann  soll  wenn  er  keine 
nachkommenschaft  bekommt,  seine  frau  Verstössen  und  ir  die 
Scheidung  geben  und  dafUr  eine  andere  heiraten.« 

9)  Da  gab  nun  der  mann  seiner  frau  die  Scheidung  und 
heiratete  eine  andere. 

5. 
Erlebnisse  eines  soheoh. 


1)  Tdku,  edin.  gabdb,  ritt, 
kiSäb  gabähuy  mehdy  gdwa  da- 
irabuy  flräy  höy  endü. 

2)  Ma'atüs  kassds  Hngirdta, 
5    *ani   takdt   daürit   amirik,  ti- 

fiyi  mhini-ka  iddeHr<  idi,  barüs 
Vrtak  ün  had*dbu. 

3)  Tak  d^hdy  eydyt:  ^mar- 
mhin   takdt  daürit  masalamdt 

10  tifi€  yine, 

4)  *Nd-mhin  tiflf€  eniky  ^wu- 
ardüs  sagibu^  edi. 

ö)   ^Sangiyik  hau  ebifn    idij 
irbi-t  ebma,  hidäb  sdkyän. 
16       6)  Batüs  höy  t^hiyib  en^äioa 
d^hdy  eydna. 

7)  Yinät  yiayiin,  batyös  dShdy 
eyayty  endl  hardmi,  endü. 

8)  *Tamin   riydl  hltök*  eni, 
20    *kd-yhe€  tedi;  »tagug  riydl  hh 

tök^  eniy  *keraf€  tine. 


Rohös  kin  heyaüti  yind  yan^ 
düyi  ka  garüdd  li  yind  yan, 
adöhd  nümd  ll  yina  yan^  4^ylö 
way  yan, 

Umbakd  kä  säyö  a^  ümd  kl 
yinin  yan;  amdy-kö:  T^anü  will 
rikil  dlä  nidd  bald  ginkö,  iäSl 
mar  eHmta^  yalehd  yan  ay  he- 
ydüti.  Ü88uk  reddntö  kl  yind  yan. 

Wili  heyaüti  bI  yamet-d:  »A«- 
beltot  rikil  dlä  mang&m  ma'd 
bald  mdrak  tdna^  yalehd  yan. 

*Aülä  mdrak  tdnai<  yalehdk 
sardl:  *tadik  (jlila*  yalehd  yan. 

»f)eld'dö  ddiyam  ya^  yuqu'dy 
yaddyn  yan^  inkö  galdn  yan. 

^'iSSi  mdrak  tind  dikil  yame- 
tin  yan. 

Mango  lala*  käld  yan^  el  zi- 
yäritd  yan,  zind  fdld^  tcay  yan. 

>Tammand  qdrSe  kö  ahdü^ 
ya,  ^anu  mä-bstinyö^  tu;  ^lam- 
md  tdnnä  kö  ahdü<  ya,  ^ma'd.U 
ak  talehd  yan. 


Die  Bedaaye-Spnche  in  Nordost-AfHka.  I. 


9)  *Gtbdk  ki-mb'anj  küärdm- 
si-hibüt.  eniy  >kira!€  tidi. 

10)  O-raivyös  d^hdy  eydyt: 
>nän    timrtyaf<    edi;    '»mlrah 

5  koke  k&äramdn  bakdy€  idi. 

11)  *Te-takdt  td'a  adanirik 
d^hö  kit-ngädy  kdnhiht,  idi. 

12)  Ü-rdü  yakydyt:  ^kit-ki- 
hdby  ibäbtinyik  dbiyS  agüanid^ 

10  idi. 

13)  Ed^ir  haldliy  ihäbyanik 
güLodib   akö   ö-rdü  yViS  gigya. 

14)  Ü-rdüy  barüs  ibäbyanik, 
ahiyis  hardmi  BbSy   te-takät  ü- 

15  gü^dd  ün  esinduky  wü-hiyö  ibd- 
böb  akö  ift. 

15)  Tißrij  um-hiyö  iya^  tcu- 
riwüs  höy  enhdd, 

16)  ^Wö-'&rük  anib  itf  ißf^ 
20  eniy  T^baruk  harö  tiblya?€  eni, 

»har^ök  kd-bet.  ine, 

17)  TTö-'ör  ünik:  *ani  bäbü 
6nu<  eniy  T^barÜk  bäbö  kittat. 
eniy  ö-bäbdy  dihdy  enity  etuwi. 

25  18)  Tü-nde:  *bäbük  önu€  te- 
nity  irh^stay  *ü-tak  bSn  bäbdk 
ki'kit  tine, 

19)  Te-Sarfay  ebina  fddiga: 
^batük  e-takük  keydbof*  edina. 


»Äö-Zl  md-4lnay  kü  fugutö  yö 
hdb  kibäft  yay  *ma*&!€  ak  tale- 
hd  yan. 

läi  sdhebil  yametd  yan.  T^ay 
gdytaft  ak  esErd  yan  ay  sdheb. 
^gay-m  mä-ldy  fugütd  kibä^  ak 
yalehd  yan. 

T^Tä-bäld  anü  mareHtdnkö  yö 
md-rd'tayfaytit  tdka<  ak  yalehd 
yan. 

Kä  säheM  Qgütd:  '»faytit  md- 
takay  atä  tadinkö  anü  hinni 
daülö€  ak  yalehd  yan. 

Mareäitdy  yaddy  yan,  yaddy- 
gsd  ay  iii  sdheb  ta  daülö  kä 
häbd  yan. 

"Ussuk  yeuldy-k  sardl  ay  daü- 
Idnä  kin  kä  sdheb  yiflimd  yany 
bä'eü  aki  ülal  märd-gedy  ta  nü- 
md  ta  zonäwiSd  yan  ay  kä  sd- 
heb. 

f)ältd  yany  ta  bä'eli  gähd 
yany  kä  mal  bäkitd  yan. 

*K&  bali  yi  ginä  laf^  ak  ya^ 
*atü  yö  ti(ilima?€  ak  yalehd 
yan.  T^anü  mä-talaminyö^  ak  ya- 
lehd yan. 

Ay  ball  yanebdk  aardl:  *anü 
ydbbä  töüyäy  atü  ydbbä  md- 
kitÖ€  ak  yalehd  yan  ilä'd  yan 
ay  if  ind  bd'elä. 

Kä  ind:  *kü  dbbä  ä-tiya*  tay 
ak  tuybuluwd  yany  *tö-tiyä  kü 
dbbä  md-klt  ak  talehd  yan  iH 
bdlak. 

Arabdl  yaddyn  yan  ay  afärd- 
mdri.  *tey  kü  bä'eli  aülä  kinift 
ak  yalehän  yan. 


10 


III.  Abhandlung:     Reinisch. 


20)  *Ani  kd-kany  ka^mda  ey- 
än-Mhy  dtotcel  ün  eyB-keb,  gehö 
bPiya,  ibäbyanik  vn  eyAyt^  gebö 
biiya^  tene. 

6  21)  Wü-^ör:  *bäbü  önu*  edit 
erhisiya  ö-guadi  dP^käy,  öbAba 
etmcdyt 

22)  *Bamk  sdka!  vm-öruk- 
wä  te-takatük-wäj  malhds  egiri- 

10  bin-höka*  enit, 

23)  Sdkyay  rewüs  höy  enhdd, 
abyesöa  sdkya^  kardmat  naelib 
ike. 


*Anü  lad-liUy  umbakd  yöyal 
yametin^  awdl-lä  ö-ti  yametdy 
yö-li  dtndy  yaddyk  sardl  tö-H 
yametäy  yö-li  ^!na«  tanak  tale- 
ha  gan. 

Ay  bali:  *ydbbä  f^tiya  A:{m« 
?/«,  ay  daüldna-l  yuybulutcä 
yaii,  is^  ind  bd'elä  kä  ilä'd  yan. 

Ay  arabd:  T^küe  adü!  kä  bali 
ka  kil  ntimäj  ay  lammd  kü  Ha'- 
in<^  ak  yalehdn  yan, 

''Ussuk  üSb  ak  yaddy  yan^ 
mal  way-k  sardl  däHmitdnä  ya- 
kd  yan. 


1)  Es  war  einmal  ein  mann,  derselbe  war  reich  an  ver- 
mögen und  Sklaven,  er  hatte  drei  frauen  geheiratet,  hatte  aber 
keine  nachkommenschaft. 

2)  Alle  seine  frauen  waren  hässlich.  Da  sprach  der 
mann:  »wenn  ich  eine  schöne  frau  finden  sollte,  wo  immer  sie 
auch  ist,  ich  heirate  sie.«  Der  mann  war  ein  schech. 

3)  Einst  kommt  zu  im  ein  mann  und  sagt:  »in  einem 
gewissen  ort  lebt  eine  unvergleichlich  schöne  frau.« 

4)  »Wo  befindet  sich  die?«  fragte  jener;  »ihr  dorf  ist 
weit  weg«  erwiderte  der  mann. 

5)  »Wenn  auch  weit  weg,  ich  gehe  hin«  sagte  der  schech, 
er  packte  zusammen  und  beide  reisten  ab. 

6)  Sie  kamen  nun  in  das  dorf,   wo  jenes  mädchen  lebte. 

7)  Der  schech  blib  nun  dort  einige  zeit,  besuchte  die 
frauensperson,   stellte  sie  auf  die  probe,   erreichte  aber  nichts. 

8)  »Zehn  taler  gebe  ich  dir«  sprach  er;  »ich  neme  sie 
nicht«  entgegnete  sie.  »Nun  so  geb*  ich  dir  zwanzig  taler« 
sagte  er;  »gut  denn!«  erwiderte  sie. 

9)  »Ich  schlafe  nicht  mit  dir,  gestatte  mir  nur  dich  zu 
küssen!«  sagte  er  dann;  »gut  so!«  erwiderte  sie. 

10)  Er  kam  nun  zu  seinem  geftlrten  und  dieser  fragte 
in:  »was  hast  du  also  erzilt?«  jener  erwiderte:  »nichts,  ausser 
dass  ich  sie  geküsst  habe.« 


Die  B«daujp-8prache  in  Nordast-Aftrika.  I.  11 

11;  Und  er  sprach:  »wenn  ich  nun  dieses  frauenzinimer 
heirate^  so  bleibt  sie  mir  nicht  treu,  sie  wird  eine  hure.« 

12)  Sein  geftlrte  aber  für  auf  und  sprach:  »sie  wird  keine 
hure,  denn  wenn  du  verreisest,  so  werde  ich  selbst  sie  bewachen.« 

13)  Der  schech  heiratete  also  in  eren,  und  als  er  ver- 
reiste, Hess  er  seinen  geirrten  als  Wächter  zurück. 

14)  Als  aber  jener  abgereist  war,  ging  sein  gefUrte  auf 
verfiirung  aus  und  er  der  Wächter  schwängerte  die  frau,  wärend 
der  gatte  auf  reisen  war. 

15)  Sie  gebar  und  darnach  kam  der  gatte  zurück,  er 
hatte  (auf  der  reise)  sein  vermögen  eingebüsst. 

16)  Der  gatte  sprach  nun  (zu  seinem  gefkrten):  »sieht 
dein  son  etwa  mir  änlich?  du  hast  mich  hintergangen.«  »Nein, 
ich  habe  dich  nicht  hintergangen«   erwiderte  dieser. 

17)  Als  der  knabe  erwachsen  war,  sprach  er  zum  (legi- 
timen) vater:  »mein  vater  ist  jener,  du  bist  nicht  mein  vater« 
und  missachtete  in. 

18)  Die  mutter  hatte  nemlich  zu  im  gesagt;  »dein  vater 
ist  dieser  da,  jener  mann  aber  (der  gatte)  ist  dein  vater  nicht« 
und  hatte  im  seinen  wirklichen  vater  gezeigt. 

19)  Die  vier  gingen  nun  zu  gericht  und  dieses  sprach 
zur  frau:  »du  frau,  wo  ist  dein  mann?« 

2Ü)  Sie  antwortete:  »ich  weiss  es  nicht,  alle  (beide)  sind  ja  zu 
mir  gekommen,  zuerst  kam  dieser  da  und  schlief  mit  mir,  und 
nachdem  er  abgereist  war«  kam  j  ener  und  schlief  ebenfalls  mit  mir. « 

21)  Der  son  aber  sprach:  »der  da  ist  mein  vater«  und 
wies  auf  den  Wächter  hin,  den  vater  aber  lehnte  er  ab. 

22)  Da  sprach  das  gericht:  »geh*  du  nur,  dein  son  und 
deine  iraa,  beide  haben  gegen  dich  entschiden.« 

23)  Er  ging  nun  seine  wege  und  da  er  sein  vermögen 
eingebüsst  hatte,  wurde  er  ein  bettler. 

6. 
Der  son  eines  soheoh. 

1)  "Ör  edln,  had'dy  'ör,  ktul-  Ba^  yind  yan^  r^atiH  bdlä 
di$  tami  tü-nde:  >ardü  harwdt  ki  yind  yan;  üssuk  ülä  hita 
nuTa:*  tedi-hös,  yind  hil4äj  ind:   T^heyaütö  wä- 

gittd  amö!€  ak  talehd  yan. 


12 


m.  Abbandlang:    Reinisch. 


2)  T^KBraf*  edity  yiharüty  i- 
hdy  eydytj  amögö  wer  ihdyt 
eyäyt 

3)  Imiäwayik:  T^amdgu*  tedt 
6  tü-ndey    T^mälya    dör   hdrwa.U 

tidi. 

4)  Enijlätoa  kassis  timmisya^ 
etüküdukty  T^engdl  enjör  höy  em- 
hlyiky  barös  wu^dt  md*a  /«  tedi, 

10  1^ enjör y  dit-hök  det-ük^^  te-mitä- 
tÜ8  kit-magy  enjör  edehri-dhdy 
kt-magt.  tidi, 

5)  Wü-^ör:  T^anib  barök*  edit, 
emgaladnitj  mShassib  ekSnit^  hi- 

16  ddh  ö-riü  mardyyärij  tiki-ndka 
hidäb  edimaj  nät  wö-^aä  eribna, 

6)  E-gajB8ö8  höy  maamilyit 
ed'mity  gär-üs-ka  Sa^db-wä  ka- 
mit'Wä  gabyänity  Sn. 

20  7)  M^haygdwa  gäriska  ed'ir- 
nitj  haddö  kÜmöb  ekSnit;  efar- 
nitj  taktakib  yi-dr  %cä  f-'dr  esi- 
dSdd*emit ,  däwdb  tlmmimdb 
eksnity  ö-sma  mehälyänity  duwir 

25  ekina. 


T^Ma*dk!€  ya^  wägiydy  heyaütö 
bähd  yariy  aki  abähöytä  klntiyä 
bähd  yan, 

E-ll  b^td-gSdy  ind:  T^umattyä 
kiniy  malammi  wägit,U  ak  tale- 
hd  yan. 

Umbakd  dik  azurik  asd,  ya*- 
adird  yan^  T^inki  heyaü  bali 
rä%-gedy  kdyä  dä'imtd  amöl* 
ta,  *  heyaü  bali  yamd-dö,  um- 
mdndö  ma'd,  anü  ku  ind,  kä 
lafd  md-tamay  heyaü  bali  bähl- 
tamij  mi-yama€  ak  talehd  yan. 

Ay  bau:  »yö  ka  köyä*  ya,  in- 
kö  yaklni  ha-süs  ydklUy  inkö 
yaklni  lä  baySdn  yan,  gayndn- 
mdrä  ydgdifin,  inkim  haböna 
tcdyn  yan. 

Inkö  'amild  abitdn  yan,  um- 
mänti  Id-kö  gdla-kö  haytdn  yan. 

Ummänti  adödöhd  *drS  fäldn 
yan,  inki  dik  ydkin;  ^älani, 
4äldnik  sardl  tan  4dylö  siddad 
mar'Udn  yan,  muW  dik  yakin 
yan,  sinni  migd*  yaye'ani  bäfö 
yakin  yan. 


1)  Es  war  ein  soii;  eines  schech's  son^  und  da  er  allein 
asSy  sprach  zn  im  die  matter:  »bring'  einen  kameraden!« 

2)  »Gut!«  sagte  er,  er  sachte  and  brachte  einen  kamci- 
raden,  derselbe  aber  war  nidriger  herkanft. 

3)  Wie  nun  der  mit  inen  ass,  so  merkte  die  matter,  dass 
er  ein  roher  geselle  sei  and  sprach  zum  sone:  »sache  dir  einen 
zweiten!« 

4)  Er  sachte  im  ganzen  stamme,  aber  erreichte  nichts. 
»Sache  dir  nar  einen  edlen  and  bring'  denselben  her!«  sagte 


^  Für  enditok  deine  mntter. 


Di«  Bedaoye-Spracho  in  Nordost-AfHIn.  I. 


13 


die  matter,   >ein  edler,  das  sagt  dir  deine  matter,   verkommt 
nicht,  wenn  er  aach  verarmt,  er  wird  nicht  gemein«  sagte  sie. 

5)  Der  son  aber  sprach  za  jenem:  »ich  and  du  (wir 
stehen  zusammen)!  sie  verbündeten  sich,  gingen  zusammen 
auf  die  lauer,  raubten  gemeinschaftlich  vih,  töteten  jeden  der 
inen  unterkam  und  Hessen  niemanden  in  ruhe. 

6)  Gemeinschaftlich  machten  sie  beute  indem  sie  jeder- 
mans  rinder  und  kamele  sich  aneigneten. 

7)  Drei  familien  gründete  ein  jeder  von  beiden  und  sie 
bildeten  -zusammen  ein  dorf;  sie  zeugten  und  verheirateten 
unter  einander  die  kinder.  So  wurden  sie  ein  voller  stamm, 
breiteten  iren  namen  aus  und  wurden  ein  volksstamm. 


7. 
List  eines  mädohens. 


1)  Tdku  ecUfiy  'öt  ibirey  tun 
tö-'ötüs  daürit  tiß,  en. 

2)  Bäbüs  ibäbyay  ibäbyanik: 
^ö-gddi  dähäy  m^häy  SB  yaf  dr 

6  barCy  batuk  ö-gddl  d^hdy  bayl-t: 
ö-ya/ö  kudae-heb  diU  tö-'öti  dä- 
hdy  idi,  ^Kira!<  Udi, 

3)  Baris   ün   ü-tdk   ibabya^ 
hari  tö-'ötü8  ö-gddi  dBhay  tebe, 

10  etanik:  *ö-yafö  küdse-Jab.U  tin- 
niky  barüs:  T^gebö  bit-^mba^ik 
kduk$i'höki€  edit  ihabi;  batus 
Bokta. 

4)  Wdldli  dähäy  tebi,  etanik: 
15   »d-jfdcft  dMhäy  mihdy  lüib  dbare, 

(Hfafö  seküdse-hibl^  tinnik,  mä- 
kdy  ämbe*  dihdy  Btanik,  barüs: 
ygebö  bitBmbaik  kdukH-hoki* 
edit  ihabiy  batüe  adkta. 
20  5)  Malyäb  tun  tö-'&r  ö-sultani 
dihdy^  reHtdyt:  *ö-gddi  d^hdy 
nMiAy  isb  dhare,  ö-yafö  küdse- 


HeyaUti  yind  yan,  bald  li 
yind  yan,  ay  ta  bald  dlä  ma'd 
kl  tind  yan, 

"Ussuk  yaseferd  yan,  aafard 
Qgutd-gSd:  i^qädld  adöhd  baül 
liyöy  ak  eßdi.U  ak  ya\ehd  yan 
ay  iH  bdldk.  i^Ma'dkU  ak  ta- 
lehd  yan. 

^'Usauk  yaseferdk  sardl  ay  ta 
bi^d  qddl  U  taddyj  tametd  yan: 
*ya  hdqqe  yö  efdi!<  aJc  talehd 
yan.  ay  qädiy  kö  afddwö  yöll 
4ln!  4^nd'Waytdnköj  mdfdiya^ 
ak  yalehd  yan;  UH  taddy  yan, 

Wäkllil  taddy  yan,  wäkilik: 
T^qädid  adöhd  baül  liyök  ak  yö 
eyfidi.U  ak  talehd  yan,  ^Ma'dk, 
lakin  yöli  4^ndrwaytdnkö ,  kö 
mdyfidiya-k*  ak  yalehd  yan,  iSH 
taddy  yan, 

Äyk  sardl  ay  bald  sulfdnal 
taddy  yan^  ay  sultdnak:  *qädid 
adöhd  baül  liyök  ak  yö  eyfidi!^ 


14 


m.  Abhandlangt    Beinisoli. 


hsbl€    tinneky    ^kira,    Ukdyt 
md'i.U  edi, 

6)  Ü-mha  niShyanik  tö-'Är  te- 
'agdrt  ö-sultdni  d4hdy   Hanik: 

5  T^batük  gehö  ^mbitaniky  ö-yafök 
küasitöky  mhhdy  Hh  käaHtöky  ge- 
hö biUmbaik,  kduksi-höki*  idi, 

7)  »Kira.U  tedi,  *dne  söyök 
dndi  wäkti-d^hdy  md'a.U  t-ediy 

10  te'Ü.  sdkta. 

8)  O-gawöa  Stanek  saiidük  wun 
te8dd\  mj^hdy  bäb  höy  fsBdd\ 
^ngdr-ka  {abldt  d&hdy  tesdd', 

9)  Malydb  ö-gadi  d6hdy:  »m:ö- 
16  ^dsiri  wäkti  vuVaf^  sötay  tediy 

wö-wäkili  dehdy:  »6-iigrebi  toäkti 
nuVa.U  sötay  tediy  ö-sultdni 
dehdy:  T^wö-a^dyt  middddi  dS- 
hdy  md'a.U  sötay  tidi,  kassis 
20  Sötay  gdr-ka:  ^wäkti-dhdy  md'- 
ana.U  tidi. 

10)  Ü-gddl  wö-dsiri  iydyt^  ö- 
bdb  katjlaüSydy^  Sümyay, 

11)  Barös   nedlib   hVisydyt; 
26  adumyänity    yam    wd    'aü   wA 

g&agü'usyänit ,    ^ngerdb    wäkil 
Bya. 

12)  6-bäb  ktufaüSyanik:  »6d- 
byü  ö-wäkil  i-hökat.  tidi. 

30  13)  Yakyanik:  »nä-mhint  at- 
faritt.  enity  Tund'al^  tenit;  em- 
balbalöyanik  sandüki  bäb  Sngdr 
rehestdyy  höy  btiydyt,  batus  in- 
ki  tdbbdltäyt, 

35  14)  Ü-wäkil  eyanik  sümydyty 
ne^dllb  bViydyt;  adv/myänit^gah- 
tüdt  wä  yam  wd  aüt  wd  gtka- 


ak  talehd  yan,  *ma'ak!  birä 
gäh.U  ak  yalehä  yan, 

Malammi  mäh  el  tametd  yan 
sulidnal:  *yöli  dlntdnkö  anükö 
ayfaddwöy  ay  adöhd  haül  ay- 
faddwöy  (jdndrwaytdnkö  kö  rndy- 
ßdiyd€  ak  yalehd  yan. 

T^Ma'dy  anü  kök  alehd  wdqtid 
yöl  amö!€  ak  talehd,  ak  taddy 
yan. 

Ui  'dred  orobtdk  sardl  nabd 
sandüq  siräx^ittd,  adöhd  bäb 
el  abiSSdy  ummdn  bäb  qülfe  ak 
abi§Sd  yan^ 

Ayk  sardl  ay  qädik:  *al-dsre 
yöl  amöf*  ak  talehd,  ay  wAkt- 
lik:  ^nidgribil  yöl  amö!^  ak 
talehd  yan,  ay  sulfdnak:  T^cd- 
'iSd  yöl  amö!^  ak  talehd  yan, 
ay  adöhd-kö  v/mmantiyak :  *ay 
kök  alehd  wäqtid  amÖ!<  tdnak 
Uclehd  yan. 

Ay  qddl  al-dsre  yametd,  bäb 
yalehd,  orobd  yan. 

Ardtal  kä  sldiSSd  yan.  üssün 
tvansitdn-gSd,  lay  ka  maldb  yo- 
'obdn-gSd,  mdgribil  ay  wäkil 
yametd  yan. 

Bäb  yak  sardl:  '»ydbbä  wä- 
kil yametdk  öK  dbnöf*  ak  teh 
lehd  yan  qddlk. 

Ay  qädi:  ^düla-kö  dwe'ö.U 
ya,  mayHtd  ya/n.  *ak  tawe'd 
erki  mdltö,  tä  sandüqi  adddd 
zä!<  ak  talehd  yan,  kä  zaySid, 
kä  aliftd  yan. 

Wäkil  yametd,  orobdk  sardl 
ardtal  sidüitd  yan;  wansitdnr 
ged,  bün,  lay,  maldb  yo*obdn^öd 


Dto  Bdboyv-Spncbe  in  5oH«it*A4H1ra.  I. 


15 


guHsyänü  j     wo  -^aidy     tvltän 

^Ifilfij  ^-i^  kcufaüiyay, 

lö)  SultAn   ö-bäb   ka4aüiya' 
nik:  ^höhyU  ö-icäkil  e-höka^  ön 
5  ö-fohin  manriyik'höky  edir-hök 
ende*  tedit  ö-icAküi  dihny. 

16)  Sitrd  yihera  akö  yakya- 
neky  »üMfa/c  tenüj  ^sakinydykik 
ani  ntrdb  rehesatök*  tenity  sanr 

10  duki  bäb  reheHiyty  höy  bfyOy 
inki  t^ibbdlta, 

17)  Malydb  ö'4^fdb  iengiUj 
ö-wUqh  ö-^cucös  iümiydyty  ne- 
dlib  barös   biisydyty   ö-9ultdni 

15  tiri  mis  ddstdyty  gahawdt-wä 
'aüirwä  inki  dästdyt, 

18)  Mdlya  drha  tefrd't  kUa- 
työB  dBhdy:  ^ö-bdb  dihd  katfäü- 
Ü/c  tenity  teiäy  iümta  ö^avDös 

20  ^i-Mulidni  dihdy, 

19)  Adumyän  efinuy  bün  g&d' 
yän,  aüt  güd'yän,  malydb  kiSd 
ö-bdb  kcufaüita. 

20)  O-bdb  ka4aiUtanik:  »6d- 
25  byü  ö-wakil  i-höka*   tedi. 

21)  Yakyanek:  *ndmhini  talä- 
gdmanif<  enniky  •^maa!«>  tenity 
ö-^andäki  bäb  rehestdyt,  höy 
Ümyay  batüs  inki  tabbdlta, 

80  22)  TJj-'ör  baris  te^ii,  ö-gaicös 
JHkmtdyty  natayty  nüihdy  baün 
ö-^and&ki  fiib  ndyyän. 

23)  JFajir  ü-mhd  mlähyd'n'höb 
tmr^mdiriya:  ^sultdny  ü-gddi-wAy 


al-'iid  ay  sultdn  yamet4y   bäb 
yalehd  yan. 

Ay  sultdn  bäb  yalehdk  sardl: 
»y  dbbä  tc(}kil  yametdk  tA-rki 
dkä  garaytd-döy  kü  ydgdifat  ak 
t^lehd  yan  ay  wdkilik. 

Ay  icäkil  ak  suütö  Qgüt4-g9dy 
ay  bald:  T^dyke  üssnk  ifärd-fany 
anü  mä'arö  kö  aybaldwö*  iay 
wili  bdb-kö  sandüqud  kä  zayiidy 
ay  sandüqud  kä  aliftd  yan. 

Ayk  sardl  ay  sultdna  ak 
faktdy  üi  *drid  orbiHdy  kdyä 
arätal  sidiSSd  y  sadaqd  »ülfän 
dfal  agägi§Sdy  bün  ka  maldb 
sadaqd  bukdl  öbi§§dy  dkä  tohöy 
yan. 

Amdyk  sardl  iH  mä'anddl 
tawe*d:  »sd'ak  sardl  bäb  käh 
ii.U  ak  talehdy  orobtdy  iSi  sul- 
tdnaly  üi  ardtal  gäxtd  yan. 

^'Ussun  tcansitdn  yany  bRn 
yo'obln  yany  maldb  yo^obin  yan. 
ayk  sardl  ay  mä'andd  bäb  Uh 
tokd  yan. 

Bäb  totokdk  sardl  ay  bald: 
*y  dbbä  wäkil  yametd<  talehd 
yan. 

Ay  sultdn  ogütd:  ^aülä  sU'ii- 
töf€  yd-gedy  ay  bald:  T^amJ&wa!* 
tay  sandüqi  bäb  ak  tuybuluicay 
nssuk  orobdk  sardl  iSSt  kä  a- 
liftd  yan. 

Amä-g^  tan  häbdy  betbitö 
adddd  orobtdy  tihdird  yauy  ay 
adöhd  heyaüü  sandüqi  adddd 
yahidirin  yan. 

Bäiö  maxtdk  sardl  umbakä 
dikti  ridün:  ^svl(än  aülal  ycc- 


16 


in.  Abhandlung:    Rein i sc b. 


ö-wäkil  ndysö  ebenf  hak  wä  bak 
irdc  mity  yiherüTia, 

24)  Malyab  tö-^Or  tun  e-bäSti- 
wdty  y^-agäwdt  vmatdyt,  kanka- 

5  räb   d&hdy  dadäatäyt,  gdhawät 
güa'stdyt. 

25)  Malyab  ö-sandäk  tiafayiky 
ö'fib  dästdyt:  ^mäsüna!  ani 
ö-yafö  ihabinü  bak  aüer^  tedit 

10  sötäyt. 

26)  *Sandük4ilibinaI<  tedity 
ö'fHb  ddsta, 

27)  Mala  Se  ^iigir  esilmt; 
:»aftdllä€  tinniky  m^hi-Se  ingdr 

16  esümt.    *hi-nuia!€    tenit,    höy 
tihay. 

28)  T^Än  dnda  bdk-wä  hak- 
wä  edin-heby  am  wö-hardm  an- 
ribit  d^hdy  bak  aü&Ty  äiidükna 

20  dn  ö-mhin  efina<   tedit  d^hdy. 

29)  Mamhdl-i'dhdy  ö-mftdh 
tihay  tiftäh-e-dkay, 

30)  Bak  tuwBr  to-or  tun,  ö- 
yafos  tesküsiy  en. 


ddyy  qddi  aülal  yaday,  wdJcä 
aülal  yaddyi<  yani  tan  wägl- 
ydn  yan, 

Amd-g^d  ay  bald  dikti  ridün 
tan  däHmtdy  mdmbünd  tan  sl- 
diHdy  bün  tdna  to8*obd  yan. 

Ayk  sardl  ay  sandüq  tuhu- 
qua,  tan  adddd  öbHisd:  T>obd!< 
ta,  *Ü88ün  ya  hdqqe  yö  hendnik 
sardl  tamdhe  abd*  tdnak  taie- 
hd  yan, 

»Tä  sandüq  aji  <jl<^mitaf€  td- 
nak talfihd  yan. 

Willti:  »lammd  baül  6l  ahdyt 
ya,  »yök  dagö*  td-gSd  T^adöhd 
badl  el  ahdy<  ya  heyaüti  (fa- 
mitd  yan. 

»Tamd  heyail  tdhe  tdh^  yök 
ydlehdn,  anü  hardm  hend-geddd 
täy  dbd<  ta,  sin  heyaii  törki  si- 
nak  sügdn  ku  tdnak  talehd  yan, 

lawd'öna  meftdh^  bäxtdy  tan 
faktdy  tan  (}ilitd  yan. 

Bald  täy  abtd,  üi  mal  tifdi- 
yd  yan. 


1)  Es  war  einmal  ein  mann,  der  hatte  eine  tochter,  diese 
seine  tochter  war  schön. 

2)  Ir  vater  verreiste.  Als  er  seine  reise  antrat,  sprach 
er  zu  seiner  tochter:  »ich  habe  an  den  qadi  eine  forderong 
von  dreihundert  talem,  geh'  du  zum  qadi  und  sprich  zu  im: 
zale  mir  meine  schuld!«   »Gut!«  sagte  das  mädchen. 

3)  Der  mann  nun  verreiste,  seine  tochter  ging  aber  zum 
qadi  und  sprach  zu  im:  »zale  mir  meine  schuld!«  Er  aber 
sagte:  »wenn  du  nicht  mit  mir  schläfst,  so  zale  ich  dir  nichts« 
und  entliess  sie,  sie  aber  ging  irer  wege. 

4)  Sie  ging  nun  zum  wekil,  und  sprach  zu  im:  »ich 
habe  an  den  qadi  eine  forderung  von  dreihundert  talern,  er- 


Die  B«d»Q7e-dprache  in  Nordost- Afrilm.  I.  17 

wirke  mir  die  zalung!«  Drei  tage  hindurch  ging  sie  zu  ini; 
er  aber  sagte  nur:  »wenn  du  nicht  mit  mir  schläfst,  so  zale 
ich  dir  nichts,«  entliess  sie  und  sie  ging  irer  wege. 

5)  Darauf  ging  diese  tochter  zum  sultan  hinauf  und  sprach 
zu  im:  »ich  habe  an  den  qadi  eine  forderung  von  dreihundert 
talern,  zale  mir  diese  schuld!«  »Gut!«  sagte  der  sultan,  »komm' 
meinen  wieder!« 

6)  Den  folgenden  morgen  kam  das  mädchen  wieder  und 
da  sprach  zu  ir  der  sultan:  »wenn  du  mit  mir  schläfst,  so  zale 
ich  dir  die  forderung  aus,  widrigenfalls  aber  nicht!« 

7)  »Gut!«  sagte  das  mädchen,  »ich  werde  eine  zeit  an- 
geben,  wenn  du  kommen  kannst;«  sie  ging  dann  irer  wege. 

8)  Sie  ging  heim  und  liess  hier  eine  grosse  truhe  mit 
drei  ttlren  machen  und  an  jede  tiire  ein  schloss. 

9)  Damach  zeigte  sie  dem  qadi  an,  er  solle  um  asser 
zu  ir  kommen,  dem  wekil  aber,  er  möge  um  magrib  kommen 
und  dem  sultan  bestimmte  sie  die  zeit  um  ischa,  einem  jeden 
bestimmte  sie  eine  gewisse  zeit. 

10)  Der  qadi  kam  also  um  asser,  klopfte  an  und  trat  ein. 

11)  Das  mädchen  wies  im  einen  platz  auf  dem  sopha  an, 
sie  schwatzten  dann  zusammen  und  reichten  sich  gegenseitig 
Wasser  und  honig.     Da  kam  gegen  magrib  der  wekil. 

12)  Als  dieser  an  die  türe  pochte,  sprach  das  mädchen: 
»meines  vaters  anwalt  ist  über  dich  gekommen.« 

13)  Als  jener  aufschreckte  und  sagte:  »wohin  soll  ich 
entwischen?«  erwiderte  sie:  »komm*  nur!«  und  sie  zeigte  im 
eine  türe  jener  truhe,  da  legte  er  sich  hinein  und  sie  schloss 
die  türe  ab. 

14)  Nun  kam  der  wekil  herein  und  setzte  sich  auf  das 
sopha;  sie  schwatzten  dann  und  reichten  sich  kafS,  wasser  und 
honig.     Da  kam  um  ischa  der  sultan  und  pochte  an  die  türe. 

15)  Wie  nun  der  sultan  an  die  türe  pochte,  da  sagte 
zum  wekil  das  mädchen:  »meines  vaters  anwalt  ist  über  dich 
gekommen;  wenn  er  dich  hier  findet,  so  tötet  er  dich.« 

16)  Als  nun  der  wekil  aufsprang  um  ein  versteck  zu 
suchen,  sagte  das  mädchen:  »ich  werde  dir  ein  versteck  zeigen, 
biß  jener  wider  fortgeht,«  zeigte  im  dann  eine  türe  jener  truhe, 
dahinein  legte  sich  der  wekil  und  sie  schloss  dann  die  türe  zu. 

Sitsnngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  S.  Abb.  2 


to  ni.  Abbandltmg:    Bainiieh. 

17)  Hierauf  öffnete  sie  die  türe  des  hauses,  fUrte  den 
Sultan  ein^  setzte  in  auf  das  sopha^  stellte  vor  in  einen  tisch 
hin  und  setzte  im  kafö  und  honig  vor. 

18)  Dann  ging  sie  hinaus  zu  irer  magd  und  befahl  der- 
selben: »klopfe  mir  später  an  die  türe!«  hierauf  ging  sie  wider 
hinein  zum  sultan. 

19)  Sie  schwatzten  dann  zusammen  und  tranken  honig 
und  kafS.     Da  klopfte  die  magd  an  die  türe. 

20)  Wie  diese  an  die  türe  pochte,  da  sagte  das  mädchen: 
»meines  vaters  anwalt  ist  über  dich  gekommen.« 

21)  Als  der  sultan  aufsprang  und  fragte:  »wo  soll  ich 
mich  verstecken?«  »Komm*  nur!«  sagte  sie,  zeigte  im  eine 
türe  der  truhe,  dahinein  legte  er  sich  und  sie  schloss  die  türe  ab. 

22)  Nun  verliess  sie  das  mädchen,  ging  in  sein  gemach 
und  übernachtete,  jene  drei  aber  blieben  die  nacht  über  in 
der  truhe* 

23)  Am  folgenden  morgen  vermisste  sie  die  regirung  und 
man  fragte:  »wohin  sind  denn  der  sultan,  der  qadi  und  der 
wekil  gekommen?«  man  redete  hin  und  her  und  suchte  sie 
überall. 

24)  Da  berief  das  mädchen  die  pascha  und  aga,  wies 
inen  sitze  an  und  bewirtete  sie  mit  kafä. 

25)  Hierauf  Hess  sie  die  truhe  bringen  und  setzte  sie  in 
ire  mitte  und  sprach:  »hört!  weil  man  mir  meine  rechtliche 
forderung  verweigert  hat,  so  tat  ich  also«  und  erzälte  den 
hergang. 

26)  Darnach  sprach  sie:  »nun  kauft  mir  die  truhe  da  ab!« 

27)  Da  bot  einer  zweihundert  taler  und  als  ir  diese  nicht 
genügten,  so  bot  ein  anderer  dreihundert.  »Gib  her!«  sagte  sie 
dann  und  nam  das  geld. 

28)  Und  sprach:  »diese  männer  sagten  so  und  so  zu 
mir,  da  ich  aber  die  sünde  verabscheue,  so  tat  ich  also;  eure 
männer  sind  nun  da  drinnen  in  der  truhe.« 

29)  Sie  nam  nun  einen  Schlüssel,  damit  jene  befreit 
würden  und  öffnete  inen. 

30)  Also  handelte  jenes  mädchen  und  machte  sich  ire 
forderung  bezalt. 


Die  Bedaaye-Spraehe  in  Nordoct-Afrika.  I. 


19 


8. 
Der  eiel  und  das  kalb. 


1)  ifsk  wä  Idga  hidäb  esnin 
^  maldlib, 

2)  Ü-mik  uwiriy  ü-ldga  uwin^ 
dima  maldlib  esnin^  Sn, 

6       3)   0-mik:    *ü'8aniyf<    edit 
ö-rdwi  dhäy. 

4)  *Nän  Uharü  tShdyaf^  edit 
uH-yö  ö-miki  dhäy, 

5)  0-mik:  *hanit  yi'dni^  edit 
10  wö-yöy-dhäy. 

6)  O-mik:  >hanit  yVdni^. 
inik:  T^SöbSay  hdna!  ü-dhdy  bl- 
masiwik'hök€  edi  lou-yö, 

7)  Ü-7nik  ö-rAwi  dhäy:  *ngnl 
15  dör  hanit  dne^  idi. 

8)  Wü-yö:  T^SobSay,  SöbSay! 
ü-dhdy  emstü-hön,  ö-maldli  de- 
hant  temdü-höm  edit  ö-miki 
dhäy, 

20  9)  Malydb  ü-mik  hdnya,  6grf- 
d6r  maldli  d^hant  Üfl;  har*i 
hdyho  timdfü, 

10)  Malydb  tü-bdyho:  innekit 
hau  amdsu*  tedi-hösna. 
26  11)  »Malydb  bd-hani.U  edina, 
T^bat&k  hanrlwi-ndka  niyaü- 
hdkij  malydb  bimTnäsiwiky  ngdl- 
kä  küaldy  dähöki  ddsnay*  edina. 

12)  Malydb  ü^mBk  mdlya  dör 
30  hdnyaj   bards  kassds  emäsüna; 
iö-hayhöti  dehdy  döf  ehina. 


Dandn  ka  rügä  inkö  märdn 
yan  diböl, 

Ay  dandn  nabd  yakä  yan^ 
ay  rugä  nabd  yakd  yan^  um- 
mdngSd  diböl  märdn  yan. 

Ay  dandn:  i^yi  azd  8a*dlö,U 
ak  yalehd  yan  ay  sdhebik. 

T^Ay  fdl(}af<  ak  yajeha  yan 
ay  aür  ay  dandnak, 

Ay  dandn:  »anü  hü  hü  hü 
aldhö€  ak  yalehd  yan  ay  aüruk. 

Ay  dandn:  ^^anü  hü  aldhö* 
yak  Sarai  ay  aür:  •»endaü  elik, 
heyaü  kü  yabdninkö*  ak  yalehd 
yandaninak. 

Ay  dandn  ay  sdhebik:  *inki- 
gSd  hü  aldhö€    ak  yalehd  yan. 

Ay  aür:  ^eniati  eniati  elil}! 
heyo  ka  dibi  alüld  nö  yabdnin- 
kö€  ak  yalehd  yan  ay  dandnak. 

AmAyk  sardl  ay  dandn  an- 
dähd  yan,  ay  wdqtid  dibi  alüld 
inkö  rdkbe  asdn  yan;  amd-gSd 
wakari  kä  tobbd  yan. 

Ayk  sardl  xcakari:  T^danäni 
anddhä  öbbat  tdnak  talehd  yan. 

'^Malammi  gabdy  anddhö,  a- 
md-gSd  atü  faltjldnkö  kö  dbna, 
malammi  gabdy  andähd-^dynkö 
ilölu  kü  nagdröm  ak  yalehdn 
yan. 

Ay  dandn  m^alammi  andähd 
yan^  ay  inkö  a^sdm  tobbd  yan; 
sard  ay  wakari  da'amtö  dkä 
yohöyn  ydn. 

2* 


20 


III.  Abhandlung:    Reiniscb. 


13)  Hart  wü-hädcfa:  ^saki 
Sibhit.U  tö-bayhöti-dhdy, 

14)  Tibi  bdyho  miki-dShdy, 
Stdyt:  T^dürü  wü'hd44a  ragadök 

6  öngdr  kiVat  hiy^ba!  edi-höka* 
tedit, 

1 5)  Ü-mik :  »  kira ! «  ediy  raga- 
dö8  dJBhay  iktd\  ihiyik  te-lagi- 
üb    tü-bdyho    barös    bd-s-katim 

10  amtdy  tedHt, 

16)  Malydb  dShdy  Stdyt:  wo- 
ayök  wo  ragadök  kit*a  hiySba.U 
iedi  miki  dShdy, 

17)  Ü-mSk:    »bak  dlyi  ^-ror 
15  gdda^  f(^dig  komi  höy  tihi  tis- 

hdrrij   dne   nän  ddan^ft    edit 
bayhöti  d&hdy,  irib. 

18)  Har'i  tü-bdyho  ö-yöy-d^- 
hdy  Udyt:  T^dürü  wü-hdtjl^a  H- 

20  bot    saldmi-höka  j    ragdd    dBhd 
ketaaf  edi-hökat  tidi, 

19)  Malydb  wü-yö:  T^saki-dl: 
baruk  idkua,  ani  tdku;  tB-kvr 
Utek    s^haldty    ani   S-d'ayB   Ss- 

26  haltit  ylani-höka^    edi  tö-bay- 
höti  dShdy. 

20)  Tü'bdyho  hd44i  dähdy 
sota:  ncü-yö  ön  wä  ön  ©iw« 
tidi. 

21)  Hari    tcü'hd(}da    hireri 
30  dshdy  iya,   em'allagnitj   wü-yö 

ö-rdü  debiHyay   edir^   emödah. 


22)  Malydb  bdyho:  *dürö  te- 

dir-hebj    ön    wö-hirbo    dibsa!^ 

tidi, 

35       23)    Wü-yö    wö'hirbo    dibiH- 

yanik:  »ön   diyä-yök  köke^   ön 


Amdyk  sardl  lubdk:  »tabdlö 
adü!^  ak  yalehd  yan  wakarik, 

Ay  wakari  dandnal  taday 
yan,  il  tametdk  aar  dl:  ^y'dbö 
lubdk  toili  lak  tigrCd  yö  fär 
kök  yalehd  4i  ak  talehd  yan. 

Ay  dandn:  »ma'd.U  ya,  toili 
iH  lak  yigrid,  dkä  yohöy  yan. 
amd  lak  wakari  ardhad  M 
bUtd  yan, 

Malammi  Sl  gäxtd  yan  dand- 
nal ay  wakari:  *kil  hard  tigrxd 
yö  ohö.U  ak  talehd  yan, 

Ay  dandn:  »tdhS  tdnkö  yi 
Idkökj  afard  täkdt  yökö  bäktd- 
gSd  ay  dböf^  ya,  dkä  hend  yan. 

Amdyk  sardl  ay  wakari  aü- 
rul  taddy  yan:  T^ydbö  lubdk 
saldm  kök  yd,  tcili  lak  tigrVd 
yö  fdrf  kök  yd<t  ak  talehd  yan. 

Ay  aür:  *  taddy  ayi  lubdk: 
atü  hdylä  la  kitö,  anii,  hdylä 
la  klyöy  atü  kü  ikök  teyliligdky 
anü  yi  göz  eyliligdk  sardl  köyal 
dmita^  ak  yalehd  yan, 

Ay  icakäri  gäxtd:  »aür  tdhS 
tdhe  kök  yd*  ak  wänSSd  yan 
lubdkak, 

Amdyk  sardl  ay  Ivhäk  yaddy, 
Sl  yametd  yan  ay  adrul,  yun- 
dufulin  yan,  ay  aür  ay  IvhAk 
kä  rädiSd,  kä  yis'ird,  kä  yig- 
difd  yan. 

Ayk  sardl  ay  wakari:  '»y'dbö 
tigdifa,  ay  mdmbar  kä  rädiü!* 
ak  talehd  yan. 

Aür  ay  mdmbar  rädiädk  sa- 
rdl ay  wakari:  »dhld  kök  mä- 


Die  Bedaoye-Sprsche  in  Nordost-Afrika.  I. 


21 


ö^ba    dibsa!    an    fiöka*    tenit 
dihäy. 

24)  Wü-yö  dShdy  farriyanik 
ö-nga  xktdL    iyd\ 

5  25)  Ndäb  hasamin  erhitanik: 
*{haj  maa!  tön  te-Satö  dShd 
sdya!  taräbis  aniühdka^  tedi 
tü'bdyho. 

26)  *KBraf  tarab  tenlwik-hsb 
10  an  asfd*  edi  dShäy,  Syanik  tö- 

'aü-t-ös  däsiydyt,  tö-Sd*  esayit 

27)  Ü'tdk  tö-Sd'  esdy-ne-höb 
tü'bdyho  tö-^dü  ö-gaW'ös  hay  ti- 
bdyty    amtdy   ted^it,   titkudukty 

16  ambdb  t-haHdt  tetib,  tehakür-t, 
dihdy  Ua. 

28)  Malydb  ü-tdk:  ^^tarabi 
htyibif€    edi  tö'bayhöti   dähdy, 

29)  T^Tardb    diya-yök    kdke, 
20  ragdd    adi-hök    bakdy*    tinikj 

»kdyJie*  eni  irtak. 

30)  »Ä5-^  bakdy  wend  hiyät- 
ök  käke<  tinOky  ü-tdk  tehaüatös 
ihdyt  ö-aüg  ebi^  M. 

26  31)  Efdigrdt  eSbibnek  ambdb 
aki  erhiyäna. 

32)  Malydb  ün  ü-tdk:  »en^4- 
voayäj  tak  thenik  inadna!  adü- 
mdd  ddhökna  ad'i  Bß^€  idi-hösna, 

80  33)  ^bdyho  dSh6sna  ebSnit 
iyäna:  »ön  tb-fna  fafardna!< 
erat;  fafariyannik  kassds  etkü- 


lahiniyöy   ay   kömä   rädU   kök 
talehd*  ak  talehd  yan, 

Aür  ay  kömdl  habbd  el  Ud- 
ged,  ddrre  ak  yigiddildy  räbd 
yan. 

Wili  heyaütö  tiläbiädtl  tubi- 
Id-ged:  »Aöe,  tä  hadö  yö  hadiltö 
amo!  ta  abld  kö  ahdwö^  ak  ta- 
lehd yan  wakaH, 

T^Madk!  tä  hadö  abld  yö 
bäxtddö  hddilö€  ya^  yametdk 
sardly  i§i  baskd  bälöl  öbiid,  ay 
hadö  hadild  yan. 

Ay  heyaüti  ay  hadö  hadild- 
gld  ay  wakari  kä  baskd  iH 
'dred  bäxtd,  bUtd,  bäktd  yan, 
ddö  hdgge-kö  tamegäy  tulutod, 
ay  heyaütö  ak  gähüSd  yan. 

Ayk  sardl  ay  heyaüti:  T^ya 
hdqqe,  abld  hadötiyd  yö  oh6!^ 
ak  yalehd  yan. 

T^Lak  kibä  akim  kök  mälaht- 
niyÖ€  ak  talehd  ysm  wakari; 
*md'fala<  ak  yalehd  yan. 

Ay  wakari:  »tiraü  kibä  akim 
kö  mdhay*  talehdk  sardl  ay 
heyaüti  iSt  ddö  yuqu'd^  adagdl 
yaddy  yan. 

Stdö  fakdn,  iläldn-gSd-dd 
hdgge  adddd  kini-kä  yubilin 
yan. 

Ayk  sardl  ay  heyaüti:  '»yi 
dik-mdräj  labahd  takdnlnkö  a- 
mäwä!  tekBr  miak  dbö€  tdnak 
yalehd  yan. 

Wäkeral  yaddyn ,  yametin 
yan:  '»mahaf  af  bukdl  küdu- 
mdntäft  tdnak  yalehd  yan :  kü- 


22  m.  Abhandlung:    Beiniseh. 

auknity  batüs  timhit;  fartanik     dumdn-ged     v/mhakä     bäkitdn 
tö-fna  ihayt  edir,  yan,  iSH  ülä  rä'id  yQ>n;  küdum- 

td-gSd  üssuk  nuihälöli  ta  yigdifd 

yan. 

1)  Ein  esel  und  ein  kalb  lebten  in  der  steppe  beisammen. 

2)  Der  esel  wurde  gross,  ebenso  das  kalb  und  sie  blieben 
stets  in  der  steppe. 

3)  Da  sprach  einst  der  esel  zu  seinem  kameraden: 
»0  mein  bruder!« 

4)  »Was  willst  du?«  erwiderte  der  stier  dem  esel. 

5)  Da  sprach  der  esel  zum  stier:  »ich  möchte  ija  sagen.« 

6)  Der  stier  erwiderte  im:  »so  mache  es  nur  recht  leise, 
damit  man  dich  nicht  höre.« 

7)  Der  esel  sagte  dann:  »nur  ein  einziges  mal  will  ich 
ija  sagen.« 

8)  Der  stier  erwiderte  »nur  recht  leise,  recht  leise,  damit 
leute  und  vih  uns  ja  nicht  hören.« 

9)  Da  ijate  der  esel;  es  waren  aber  damals  die  wilsten- 
tiere  bei  einer  Sitzung  und  da  hörte  in  der  fuchs. 

10)  Da  sprach  zu  inen  der  fuchs:  »ich  höre  ein  esels- 
geschrei.« 

11)  Sie  erwiderten  im:  »er  möge  noch  mal  schreien,  und 
wir  wollen  dir  geben,  was  immer  du  willst;  wenn  wir  in  aber 
nicht  ein  zweites  mal  hören  so  werden  wir  ein  jeder  den  stock 
auf  dich  legen  (dich  prügeln).« 

12)  Da  ijate  der  esel  nochmals  und  sie  alle  hörten  es; 
da  gaben  sie  dem  fuchs  ein  geschenk. 

13)  Hierauf  sprach  der  löwe  zum  fachs:  »geh'  hin  und 
schaue!« 

14)  Der  fuchs  ging  und  kam  zum  esel  und  sprach  zu 
im:  »mein  oheim,  der  löwe,  sagt  zu  dir:  schneide  dir  ein  bein 
ab  und  gib  es  mir!« 

15)  »Gut!«  sagte  der  esel,  er  schnitt  im  ein  bein  ab  und 
gab  es  im;  auf  dem  wege  aber  frass  es  der  fiichs  selbst  one 
es  zum  löwen  zu  bringen. 

16)  Er  kam  dann  abermals  zum  esel  und  sprach  zu  im: 
»schneide  deine  band  ab  und  gieb  sie  mir!« 


Dia  B«d»ii7e-Spnclie  in  Nordost-Afrika.  I.  23 

17)  Der  esel  aber  erwiderte  im:  »wenn  du  so  redest,  so 
nimmst  da  mir  die  beine  und  die  vier  fussspangen,  was  sollte 
ich  dann  machen«  und  wies  in  also  ab. 

18)  Hierauf  kam  der  fuchs  zum  stier  und  sprach  zu  im: 
»mein  oheim,  der  löwe,  grüsst  dich  und  lässt  dir  sagen:  schneide 
dir  für  mich  ein  bein  ab!« 

19)  Der  stier  erwiderte  im:  »geh  nur  hin  und  sag*  im: 
du  bist  ein  mann,  ich  bin  auch  ein  mann;  wetze  deine  zahne 
und  ich  werde  meine  hömer  wetzen  und  zu  dir  kommen!« 

20)  Der  fuchs  ging  nun  zum  löwen  und  berichtete  im: 
»so  und  so  hat  der  stier  gesagt.« 

21)  Da  lief  der  löwe  hin  zum  stier  und  sie  rangen,  der 
stier  aber  warf  den  gegner  und  tötete  in. 

22)  Da  sprach  zum  stier  der  fuchs:  »du  hast  mir  meinen 
oheim  getötet,  nun  wirf  da  diesen  hügel  um!€ 

23)  Als  der  stier  den  hügel  umstürzte,  sprach  der  fuchs: 
»den  da  habe  ich  dir  ja  nicht  angesagt;  diesen  berg  da  wirf  um!« 

24)  Da  stürzte  sich  der  stier  auf  den  berg,  brach  sich 
den  rücken  und  starb. 

25)  Als  nun  der  fuchs  einen  mann  vorübergehen  sah,  so 
rief  er  diesem  zu:  »heda,  komm',  und  zerteile  mir  das  fleisch, 
die  hälfbe  davon  gebe  ich  dir!« 

26)  »Gut!«  sagte  dieser,  »wenn  du  mir  die  halbscheid 
giebst,  so  zerteile  ich  es,«  und  als  er  herbeigekommen  war,  so 
legte  er  seinen  honig(sclilauch)  nider  und  zerteilte  das  fleisch. 

27)  Wärend  nun  der  mann  das  fleisch  zerteilte,  trug  der 
fuchs  den  honig  in  sein  haus,  frass  in  aus,  füllte  dann  den 
schlauch  mit  seinem  dreck  an,  band  in  zu  und  kam  nun  hin 
zum  mann. 

28)  Da  sprach  der  mann  zum  fuchs:  »nun  gieb  mir  die 
halbscheid!« 

29)  Dieser  aber  erwiderte:  »die  halbscheid  hab'  ich  ja 
nicht  gesagt,  nur  ein  bein  versprach  ich  dir.«  »Das  neme  ich 
nicht«  sagte  der  mann. 

30)  »Nur  die  leber  gebe  ich  dir,  sonst  nichts«  sagte  der 
fdchs;  da  nam  der  mann  seinen  schlauch  und  ging  fort  zu  markt. 

31)  Als  man  dort  den  schlauch  öffnete  und  hineinsah, 
erblickte  man  nur  dreck. 


24 


III.  Abhandlung:    Bein is eh. 


32)  Da  sprach  der  mann  zu  den  leaten:  »landsleute^ 
wenn  ir  männer  seid^  so  kommt^  einen  schmaus  will  ich  euch 
zubereiten!« 

33)  Sie  kamen  nun  zu  den  füchsen  und  befahlen  diesen: 
»springt  über  diese  lanze!«  Sie  sprangen  und  brachten  es 
fertig,  jener  fuchs  aber  blieb  zurück.  Als  er  sprang,  tötete 
in  der  mann  mit  der  lanze. 

9. 
Der  Schakal  und  das  lamm. 


1)  Bdyho    anö-t    'ör    emara- 
rdmna,  ina. 

2)  An  malhds  axcAnnay  mal- 
yah  imalldgna. 

5  3)  Bdyho  dima  höy  dibya, 
malydb  bdyho:  ngdl  hob  dShd 
diba!<  enit  'anö-f'öri-dShdy. 

4)  DShdy  ilbya,  en.    malydb 
ü-bdyho    inki    ead^-tj     i-mana 

10  tdmyay  Bna. 


Gawihtö  ha  aydö  bald  siddad 
m^än  yan. 

Ay  lammd  yaneMn  yan^  amdyk 
Bardl  yundufulin  yan, 

Ay  gaweiti  ummändö  rädd 
yan,  ^inJä-ged  yö  hälit.U  ak  ya- 
lehä  yan  ay  aydö  bdlak, 

Hälitd  yaw,  amdyk  sardl  ay 
gaweliti  amöd  ak  dafdy  yan^ 
uW  ak  bstd  yan. 


1)  Der  Schakal  und  das  lamm  waren  gespilen. 

2)  Beide  erwuchsen  und  rangen  dann  miteinander. 

3)  Da  fiel  aber  jedesmal  der  schakal.  Da  sprach  er  zum 
lamm:  »so  fall'  doch  mir  zu  liebe  auch  einmal!« 

4)  Nun  fiel  das  lamm.   Da  setzte  sich  der  schakal  darauf 
und  frass  dem  lamm  die  eingeweide. 


10. 
Der  schakal  und  das  zicklein. 


1)  Bdyho  nait  'ör  e-malälib 
hidäb  esniny  en. 

2)  ^Wu'hä   Tibbüs  Rakd-yt- 
'ör,  nän  trhetayf^   enniky  *nät 

16  r^hdb  kdke,  malälib  te-näHt-'ör 
esinük,  kit-tamta  edina,< 


Gawifitö  ka  bakdl  diböl  sid- 
dad  märdn  yan, 

Gaweljtti:  *kü4  Tibbüs  kaRakd 
bdläy  ay  tubilaf^  yalehd  yan. 
^inkim  m^äbalinyö,  diböl  bakali 
kök  sügdnköy  kä  mä-bitta-k  yan^ 
ak  yalehd  yan  bakalL 


Die  Redftoye-Sprftche  in  Nordost-AftrikA.  I. 


25 


3)   »Am    amsi   mhä   gadbü  *Anü   kumäl  dawä  o'obankö 

akö  ka-'^ü-hok^  idi  bdyho.  kü    ma-häba^    ak   yalehä  yan 

gawiktl. 

1)  Ein  Schakal  und  ein  zicklein  waren  in  der  wüste 
beisammen. 

2)  Da  sprach  der  schakal:  »du  son  von  Tibbus  und  der 
Raka,  was  hast  du  gesehen  (zum  fressen  für  mich)?«  Das 
zicklein  erwiderte:  »ich  habe  nichts  gesehen;  man  sagt  aber, 
wenn  du  in  der  wüste  ein  zicklein  triffst,  so  fressest  du  es  nicht.« 

3)  Da  sprach  der  schakal:  »da  ich  aber  gestern  arzenei 
getrunken  habe  (daher  fasten  musste),  so  lasse  ich  dich  nicht  aus.» 

11. 
Die  maus,  der  frosch  und  die  eideohse.^ 


1)  Tü-gibb  wä  t-yam-et-hatäy 
hidäb  esnin  Sn, 

5  2)  T-yamet-hatdy:  *ani  (Tdre 
dihdy  sakdn  efiy  wö-harrö-yö 
gü^adi-8en{'hib!€  tedi  tö-fibti- 
dihdy, 

3)  *Ani   as^ldriy    ani  dihök 
10  kd-guad*  tedit  tärgibb. 

4)  Malydb:  ^hantn  Saüdba 
kinkef  dähö  gitddi!<  tedit  tö- 
gibti-dihdy, 

5)  >KeraU  tedi  tü-gibb,  nigg- 
16  niggo  toö-harräwi  süri  esä  yi'- 

dyim. 

6)  Tun  tü-gibb  güharti-d^hdy 
tibi  BUy  tüü-niggniggo  erhiya  tö- 
gibb. 

ÄO  7)  Tun  tü-gibb:  i^ad'ed^ir  hö- 
küj  dähö  bd-8öya,U  tedi  ö-nigg- 
niggö-i  d^hdy. 


Andäwd  ka  a*dn  gor  kl  yinin 
yan. 

Ay  a'dn:  *anü  mara^d  adi- 
yäky  ilaü  yö  ^f^ül.U  ak  yalehd 
yan  andäwak, 

T^Anü  mä-läy  anü  md-lailld< 
ak  talehd  yan  andäwä. 

Amdyk  sardl:  »grör  md-klnöf 
yö  4<^ill  kibäf<t  ak  yalehd  a'dn, 

T^Ma'd.U  talehd  yan  andäwd, 
ay  ildwak  dfal  afilr  il  8ügd 
yan, 

Ay  andäwd  gare'ittö  taddy 
yany  ay  aför  ta  yubild  yan, 

Ay  afüruk:  *yi  mar'eHttdk 
tä  ilaü  biSitö  kinik  yök  mä- 
wäriSin,U  ak  talehd  yan  an- 
däwä. 


*  Vgl.  Sahosprache  I,  230. 


26 


in.  Ablumdlone^:    Reiniseb. 


8)  »Kiraf*  edi  vm-niggniggo, 
malyäh  wö-hdrro  togühdr  tihB 
(Sn  tü-gibb. 

9)  T-yamet-hatdy   ita  gn,   e- 
5  gaüös  teSSibtk   toö-harröyös    ie- 

ndü. 

10)  T^Wö  harröyö  höyö  toguä- 
hdri^  tö-gibti-dKäy  tedit  t-yamU- 
hatdy, 

10       11)  -kAnigu^haräblcäke^tedit 

tü-gibb   t-yamet-hatäytit   d^hdy. 

12)  »  Höyök  gii^hardb  bakayi- 

dhä  ü-niggniggo  badhibu<  tedit 

tü-gibb   t-yamH-hatäytit   d^hdy. 

15  13)  T^KBra.U  tedit  te-yamet- 
hatdy  ö-niggniggöy  dShdy  ebsna, 
eabadhanB-dhäy  ebina. 

14)  T^Kit-kdna  tü-gibb  icö-har- 
röyö  togüharit  töndf*   tedit  te- 

20  yamet-hatdy  ö-niggniggöy-dhäy. 

15)  T^D^hö  tiktina  wö-hdrro 
an  agüharit  tändf^  tedit  tü- 
gibb  o-niggniggöy-dhäy. 

16)  »Tü-gibb  wö-harröyök  to- 
26  güharit   tönä  Srhdb   kdke<  eni 

wü-niggniggo  y    bak   enit    d^hdy 
ibdah. 

17)  T-yamet-hatdy  tigir ab  enuy 
tü-gibb  tigirib  Ena. 

30  18)  Malydb  wü-niggniggo  mba- 
4db  daüriby  findt  daürib,  gibib 
daüriby  haldk  daürib^  heddm 
daürib  eküdyt  eya,  tö-gibb  sidig 
ekäasit  d'ari  dhäy  Bya  tö-gibbit- 

35  d^hdy. 

19)  »c/n  dbuf€  tedi  tü-gibb 
ö-niggniggöy-dhäy. 

20)  Wü-niggniggo:  »aniby  ö- 
niggniggo^  edi. 


»Ma'dk.U  y€tlehd  yan  afur. 
ay  ilaü  gar'ittdy  biSittd  yan 
andäwd. 

Ay  a'dn  tametd  yan^  ay  iSi 
'drB  yubild-gSd  ilaü  waytd  yan. 

>y  ildü  yök  garHtta^  ak  ya- 
lehd  yan  a'dn  andäwdk. 

*Kök  mä-gar*etiniyö<  ak  ta- 
lehd  yan  andäwd  a'dnaJc. 

*Kö-kö  anü  mä-gare'itiniyd-kä 
afur  yamaskdrö*  ak  talehd  yan 
andäwd  ay  a^dnak. 

»Ma*dkl*  yalehä  yan  adn^ 
ay  afürul  yaddyn  yan^  yamas- 
karöna  yaddyn  yan. 

» Yö  mä-taliga  audäwd  y  ildü 
yök  bBttdm?<  ak  yalehd  yan 
a'dn  ay  afäruk. 

T^Yö  taliga  anü  ay  ilaü  b9- 
tdm?€  ak  talehd  yan  ay  andäwd 
ay  aföruk. 

»Andäwd  kü  ilaü  bitta  anü 
md-baliyö€  ak  yalehä  yan  af&r 
yimiskird  yan. 

A'dn  yunmlugd  yan,  andäwd 
ttislugd  yan. 

Ajndyk  sardl  ay  afi/r  ay 
andäwd  ak  ta-rai  rummä  yakeld 
ma'd  sotdly  ma'd  mahdlö,  ma'd 
göböy  ma'd  qüarB  iHl  hay  mar'e- 
Hto   yametd   yan  ay  andäwdl. 

>Täti  atiyäf€  ak  talehd  yan 
ay  andäwd  ay  afüruk. 

Ay  afär:  »yöyä  afur  kini€ 
ta  ak  yalehd  yan. 


Die  BedMiye-Spncbe  in  l^ordott-Afrilca.  I. 


27 


21)  »Nän.  täharü    Uhdyaf€ 
tedi  tü-gihb, 

22)  >Ad:{r   ifi    höki,    tan, 
hökU   enit  wü-niggniggo. 

5       23)  >6-glüliy  ö-glüli  'ör/  anib 

ted*ir'Uhdyaf€    tedi    tü-gibb  ö- 

niggniggöy-dhäy, 

24)  T>Tfi'gluliy  tö-glülitit  'ör! 

batök  bä-dirBk  haUy  ndt  kd-ke, 
10  icö-hdrro  t-yamEt-hatay-tlb  tegif* 

edit    wü-^iggniggo  j    ön   enit   ö- 

sallös  yiabiky  en. 


*Ay  fdl4(ih  ak  taiehd  yan 
ay  andäwä. 

*Kö  mar'eSitö  ametd^  ta  ak 
yalehd  yan  afär, 

*Dudä  düdi  bälä!  yöyä  mar'e- 
Sittö  tam^taf€  ak  taiehd  yan 
ay  andäwä  ay  afüruk, 

*Düdd,  düdd  bdld,  kü  mare'd 
rä'td-dö  ed  wäyndm  mdnnö  aJcik 
a'dn  ilaü  garHttd-yä  edebbd.U 
ta  ak  yalehd  yan  afüTy  ay  ya- 
g^ddd  iäi  ardhal  ak  yaddy  yan. 


1)  Die  maus  und  der  frosch  lebten  beisammen. 

2)  Einst  sagte   der  frosch   zur   maus:    »da  ich   zu  einer 
hochzeit  gehe,  so  bewache  du  mir  mein  kom!« 

3)  Die  maus  erwiderte:  »ich  beileibe  nicht,   ich  bewache 
es  dir  nicht,  c 

4)  Hierauf  sagte   der   frosch   zur   maus:  »sind  wir   denn 
nicht  freunde?  so  bewache  mir  also  das  kom!« 

5)  »Nun   gut!«  erwiderte   die   maus.     Nun  sass  vor  dem 
kom  die  eidechse. 

6)  Da  ging   die   maus  auf  diebstal  aus  und  die  eidechse 
sah  sie  dabei. 

7)  Nun   sprach   die   maus  zur  eidechse:  »ich  werde  dich 
heiraten,  daher  verrate  du  mich  nicht!« 

8)  »Gut!«    erwiderte   die   eidechse    und    hierauf   stal   die 
maus  das  kom. 

9)  Der  frosch  kam  nun  heim  und  wie  er  sein  haus  be- 
sichtigte, vermisste  er  das  kom. 

10)  Da  sprach   er  zur  maus:    »du  hast   mir  mein   kom 
gestolen.« 

11)  »Ich  habe  es  nicht  gestolen«  erwiderte  die  maus  dem 
frosch. 

12)  »Dass   ich    dir    nichts    gestolen    habe,    dafür  ist  die 
eidechse  zeuge«  sagte  die  maus. 

13)  »Gut!«    erwiderte    der    frosch    und    sie    gingen    zur 
eidechse  um  sie  zu  vememen. 


28 


m.  Abhandlnng:    Reinisch. 


14)  Da  sprach  der  frosch  zur  eidechse:  »weisst  du  nichts 
davon,  dass  die  maus  mein  körn  gestolen  hat?« 

15)  Auch  die  maus  fragte  also  die  eidechse:  »weisst  du 
etwa  von  mir,  dass  ich  das  körn  gestolen  habe?« 

16)  Die  eidechse  legte  nun  zeugniss  ab  und  sprach:  >ich 
habe  nichts  davon  gesehen,  dass  die  maus  dein  kom  gestolen 
haben  sollte.« 

17)  So  verlor  der  frosch  den  prozess  und  die  maus 
gewann  in. 

18)  Da  nun  die  eidechse  dachte,  die  maus  habe  erliche 
absiebten,  so  nam  sie  ein  schönes  schwert,  eine  feine  lanze 
und  einen  schönen  schild  und  legte  an  ein  feines  gewand  und 
einen  kostbaren  gürtel  und  kam  hin  zur  maus,  sie  zu  heiraten. 

19)  >Wer  da?«  sprach  die  maus  zur  eidechse. 

20)  Diese  erwiderte:  »ich  die  eidechse,  ich  bin  es.« 

21)  »Was  willst  du?«  fragte  die  maus. 

22)  »Um  dich  zu  heiraten  bin  ich  da«  erwiderte  die  eidechse. 

23)  »Dummkopf,  son  eines  dummkopfs,  mich  wolltest  du 
heiraten!«  sprach  die  maus. 

24)  Da  erwiderte  die  eidechse:  »dummkopf,  tochter  eines 
dummkopfs,  wenn  du  mich  auch  nicht  heiratest,  so  macht  das 
nichts,  gieb  aber  dem  frosch  sein  kom  zurück!«  Also  sprach 
sie  und  ging  irer  wege. 

12. 
Die  eidechse  und  der  soheoh. 


1)  Adangaldy  kühib  farähöy 
mhdji  ivuhi  fardbö  yiU  gigya. 

2)  Faglri  ihdyt  talögya;  mhi- 
nös    eyayt     adangaldyy    iSibik 

6   4näil, 

3)  X)a4(^bydyty  nät  enäwik 
asti  reioydyt  'ät  efin  masali, 
yafisös  nät  geddm  tä-'ä-tib  däs- 
ydyty  igddhat. 

10       4)   Malydb    faglri     i-ukhüi 
mhinos  ddsya^   d-ykhüi  esiünek 


Afur  lalim  ^äld  yan,  arqd 
rigidid  (jläld  yan,  häbd  ak  ya- 
ddy  yan, 

Ssk  yuyqu'd  ak  siVusd  yan; 
iH  rnakdnal  gahd  yan  aför, 
yubild-ged  wdy  yan, 

Yamrereddy  yan,  vdlim  wayk 
sardl  agdnnal  körd,  agdnnä 
yand  hdnad  iH  df-kö  wili  rimid 
ed  hdy  yan,  öbd  yan, 

Amd-ged  ay  SSk  lalimd  aimcdl 
tun  rnakdnal  tan  yadebbd  yan. 


Die  Bedftoye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  I. 


29 


rewyäyiy  ö-geddm  ö-girmös  höy 
yi-amis-t  ö^edäm  mehälydyty 
igddhcUy  l-kuhiyis  ebdyt. 

5)    O'fafirt   tö'kÜäti'dhdy: 

5   »eö-'i  har'ößßf€  edity  esdfuft. 

malö  y€L8  d^hdy  iyän^  IdkyaUy 

ty an;  malö  kuiküdy  dJdhdy  eya- 

nikj  lakyanik  iyan. 


ay  afU/Ty  Ui  4^ylö  ak  sügdn- 
geddd  köräj  händk  adddd  amö 
hayy  rimid  ak  yayye'ä^  öhdy  iH 
(jläylöl  yaddy  yan, 

I6i  mä'anddk:  »tamd  hän  irö 
füLl.U  ak  yalehd  yan  ay  iek, 
hälüdk  sardl  lammd  kari  ya- 
m0^,  qalabd  iidn  yan,  ay  kard 
bäddn  yan;  lammd  güm^yti  ya- 
matint  yo'obtn  yan^  bäddn  yan. 


1)  Eine  eidechse  legte  unter  einem  bett  ein  ei,  verliess 
es  dann  und  ging  fort. 

2)  Ein  schech  nam  das  ei  und  versteckte  es.  Als  die 
eidechse  wider  dahin  kam  und  nachsah,  fand  sie  das  ei  nicht. 

3)  Sie  lief  umher  und  als  sie  nichts  fand,  stieg  sie  aufs 
gestell,  worauf  die  milch  stand,  legte  aus  ihrem  mund  irgend 
eine  wurzel  in  die  milch  und  stig  dann  wider  herab. 

4)  Hierauf  legte  der  schech  die  eier  wider  auf  ihren  platz 
und  als  sie  wider  sich  vorfanden,  so  stig  die  eidechse  wider 
hinauf,  steckte  den  köpf  in  die  milch,  nam  die  wurzel  heraus, 
stig  dann  hinab  und  ging  zu  iren  eiern. 

5)  Nun  sprach  der  schech  zur  sklavin:  »wirf  die  milch 
hinaus!«  und  Hess  sie  hinauswerfen.  Zwei  hunde  kamen  herbei, 
tranken  davon  und  starben;  zwei  geier  kamen,  tranken  und 
starben. 

13. 

Die  schlänge  und  der  zigenhirt. 


1)  Küärküär  kuäb  wä  rabdb 
10  hida  umbe*  esünin  en, 

2)  Eyatiga  dShdy  Bya,  icö-ha- 
lakisös  farddd  dühdy  iktff  iha- 
mi  >ti'9Ütira  daH-tü*  en-ity 
(hami, 

16  3)  Ü'kü&rküär  vm-hiyö  yi'iSy 
sdkya-nik  adangaldy  d^hdy  eyd- 
%tj  geb  hVyd'ity  hardmi  kdbtay. 


^'Äror  saytyd  labtiyä  siddä 
a^dn  yan. 

Alä-läunni  bykd-l  yamatdy  iH 
sardna-kö  haldb  ak  igrid  >8U' 
trM  ma'd<  ya,  tan  sarüA  yan. 

Ay  lab  arorti  ta  häbdky  ych 
ddyk  sard-l  afür  td-li  yamatdy 
(}ind  yany  zind  abtd  yan  ay  dror 
8dytyä, 


30 


m.  AbbAüdlnne^ :    Beinlscb. 


4)  Malyah  eyatiga  dihdy  iya^ 
küärküär  küäb  edir-ty  en^ös 
naya-ity  amds  wö-haxoAd-lh  te- 
^eya-tes  inay, 
5  5)  Küärküär  ü^dha  dShäy 
eyä'ity  yi-^aha-yB  geh  biyd-it: 
^andir<  en4t. 

6)  W-eyatiga     yi-adim     wSr 

araüöa  söya,  küärküär  ü-rdha 

10  emä8uwik  i-madir  yiiS  dähny, 

y^-arörih  esa^  d^hay  rewyanik: 

*daib  tuwira*  edtt 


Malammi  ay  alälätoini  tanal 
yamatä  yan,  ay  arorä  ta  yig- 
difdy  iH  dik  harrdy  yem^  iii 
ald  aligüik  yind  yan. 

Ay  lab  arortt  iha-d  ak  ya- 
matdyan,  bdköl-ik  addd-d:  »käy 
agddfd<  ya  sü'utd  yan. 

Ay  alä'läwini  aki  üi  döbdytö 
ay  wäre  wärüd  yan^  amd-gSd 
ay  lab  arörti  yobbd-gBd  kä  gidef 
häbdy  gdle-l  körd,  ak  dafdy-k 
sardl:  >ma*dm  dbta<  ya. 


1)  Eine  weibliche  und  eine  männliche  schlänge  schliefen 
beisammen. 

2)  Da  kam  ein  zigenhirt  dazU;  schnitt  einen  zipfel  seines 
kleides  ab  nnd  deckte  sie  damit  zu,  indem  er  dachte^  ein  Vor- 
hang ist  hier  schicklich. 

3)  Der  schlangengatte  entfernte  sich  dann  and  nachdem 
er  weggegangen  war,  kam  eine  eidechse  herbei  nnd  beschlief 
die  schlänge  nnd  sie  beging  einen  ehebrach. 

4)  Wideram  kam  der  zigenhirt  dazn  and  tötete  die 
weibliche  schlänge,  ging  dann  heim  and  molk  abends  seine 
zigen. 

ö)  Der  schlangengatte  kam  im  nach,  legte  sich  za  seinen 
Zicklein  and  sprach:  »ich  töte  in.« 

6)  Der  zigenhirt  erzälte  aber  den  Vorgang  einem  anderen 
gefärten  von  im  nnd  wie  dies  der  schlangengatte  gehört  hatte, 
so  nnterliess  er  die  tötnng,  stig  im  anf  den  schoss  nnd  sprach 
za  im:  »recht  hast  da  getan.« 

14. 
Sätze  und  redensarten. 

Ani  wünu  neg.  ani  umn  kdke.         Ich  bin  gross,   neg.  ich  bin 

nicht  gross. 
Barük   wünuba  neg.   barük         Da  bist  gross,   neg.  da  bist 
15  umn  kitta,  nicht  gross. 

Batük   wüntuwi  neg.   battk         Da  (fem.)  bist  gross,  neg.  da 
Mount  kittay.  bist  nicht  gross. 


Die  B«d»n7e^r»cbe  in  Kordott-AIHka.  I. 


31 


BarüB  wünu  neg.  barus  tcun 
kike, 

Bat&s  wüntu  neg.  batüs  wunt 
kitte. 
5       Hanin    weniba    neg.    Jienin 
tranfft  kinke, 

Barak    (baräkna)   wenibäna 
neg.  6.  wanib  kittSna. 

Batdk     (batdkna)    wenitäna 
10  neg.  b.  wanit  kitUna. 

Barä»  (bardsna)  weniba  (we- 
rUbäna)  neg.  wanib  kikin. 

Batds  (batdsna)  wentta  (we- 
nitäna) neg.  wanit  kiken. 
15       Ani  bartthök  wünu,  neg.  umn 
koke. 

Barük     anit    tüünuba    neg. 
wun  kittay. 

Hanin  barUhökna  waniba. 
20       Barak  hanit  wenibäna, 

Hanin  barethöima  wanib  kin- 
ke. 

Ani   awin    neg.    ani    windb 
koke. 
25       Barik    tuwina    neg.    baruk 
winab  kitta. 

Batäk     tawini    neg.     batuk 
winat  kittay. 

Baris  utein  neg.  barüs  loindb 
80  k^. 

Bat&s  twwin  neg.  bat&a  winat 
kitte. 

Hanin    nuwin    neg.    hanin 
windb  kinke. 
85       Barak   tuwinna   neg.   baräk 
winab  kittena. 

Batdk    tuwinna   neg.    batak 
winät  kittena. 


Er  ist  gross,  neg.  er  ist  nicht 
gross. 

Sie  ist  gross,  neg.  sie  ist  nicht 
gross. 

Wir  sind  gross,  neg.  wir  sind 
nicht  gross. 

Ir  seid    gross,    neg.  ir  seid 
nicht  gross. 

Ir  (fem.)  seid  gross,  neg.  ir 
seid  nicht  gross. 

Sie  sind  gross,  neg.  sie  sind 
nicht  gross. 

Sie  (fem.)  sind  gross,  neg.  sie 
sind  nicht  gross. 

Ich  bin  so  gross  wie  du;  neg. 
nicht  so  gross. 

Du  bist  so  gross  als  ich;  neg. 
nicht  so  gross. 

Wir  sind  so  gross  wie  ir. 

Ir  seid  so  gross  wie  wir. 

Wir  sind  nicht  so  gross  als 
sie  (plur.). 

Ich  wurde  gross,  neg.  wurde 
nicht  gross. 

Du  wurdest  gross,  neg.  wur- 
dest nicht  gross. 

Du  (fem.)  wurdest  gross,  neg. 
wurdest  nicht  gross. 

Er  wurde  gross,  neg.  wurde 
nicht  gross. 

Sie  wurde  gross,  neg.  wurde 
nicht  gross. 

Wir  wurden  gross,  neg.  wui*- 
den  nicht  gross. 

Ir  wurdet  gross,  neg.  wurdet 
nicht  gross. 

Ir  (fem.)  wurdet  gross,  neg. 
wurdet  nicht  gross. 


32 


ni.  Abhuidlang:    Bei ni seh. 


Baräsiia  uwinna  Deg.  haräs 
winab  kiken, 

Batäs    uwinna    neg.    batas 
minät  kiken, 
5       Ani  anmn  neg.  ka-wun  (ka- 
win), 

Barük  tunwina  neg.  kit-wina. 

Batük  tuntvini  neg.  kit-ioini. 

Barüs  unuAn  neg.  ki-win. 

10       Batü8  tunuin  neg.  kit-vdn. 

Hanin  newun  neg.   kinrwin, 

Barak     tewünna    neg.     kit- 
winna, 

BatAk  tewünna  neg.  kit-win- 
16  na. 

Bards  ewünna  neg.  kl-winna. 

Batds  ewünna  neg.  kvvnnna, 

Ani  ön  wö-ör  asuivin, 

Ani  wo  ^ör  wo  anib   OrSywin, 
20       Barik  Abddllay  wo  ^öri  'ör 
te8\iwina. 

Batük  Hdmmadi  'öti  *ör  tesy,- 
wini. 

Batük  tö-'öt  te  batitdk  tesy,- 
25  wini. 

Barüs  wo  'ör  ö  baryös  esy^win, 

Batüs  tö  'öt  te  batitös  te8y,toin. 

Hanin  wo  ^örön  (*ör  hinnBb) 

nesy>win. 

30       Barak  tö  'öt  te  barltökna  te- 

sy^winna. 


Sie  wurden  gross,  neg.  wur- 
den nicht  gross. 

Sie  (fem.)  wurden  gross,  neg. 
wurden  nicht  gross. 

Ich  werde  gross;  neg.  werde 
nicht  gross. 

Du  wirst  gross;  neg.  wirst 
nicht  gross. 

Du  (fem.)  wirst  gross,  neg. 
wirst  nicht  gross. 

Er  wird  gross,  neg.  wird 
nicht  gross. 

Sie  wird  gross;  neg.  wird 
nicht  gross. 

Wir  werden  gross;  neg.  wer- 
den nicht  gross. 

Ir  werdet  gross;  neg.  werdet 
nicht  gross. 

Ir  (fem.)  werdet  gross;  neg. 
werdet  nicht  gross. 

Sie  werden  gross;  neg.  wer- 
den nicht  gross. 

Sie  (fem.)  werden  gross;  neg. 
werden  nicht  gross. 

Ich  habe  diesen  knaben  gross 
gezogen. 

Ich  habe  meinen  son  erzogen. 

Du  hast  Abdallahs  enkel  er- 
zogen. 

Du  (fem.)  hast  Mohammed's 
tochter  son  erzogen. 

Du  (fem.)  hast  deine  tochter 
erzogen. 

Er  hat  seinen  son  erzogen. 

Sie  hat  ire   tochter  erzogen. 

Wir  haben  unsem  son  er- 
zogen. 

Ir  habt  eure  tochter  erzogen. 


Di«  B«dMiy«-Spnche  ia  Kordott-Afrika.  I. 


33 


Batäk  yh  "dr  i  bamökna  te- 
sywinna. 

Baräs  tcö'ör  ö  barByösna  esy.- 
winna. 
5        Batds  tB  'dr  €  baUtösna  esii,- 
winna, 

Amdr  ^dr  enjör  esywinna-htb, 

Ü-gaü  wü  ani  ö-gaü  ö-baryök- 
ndy-ka  wun-ka-bu. 
10        Ü-gaü  wü  Ibrahimib   wünu, 
wö-^xni-'nay'ka  wun-kd-bu. 

Wü-ör  ü'baryük  wdnu^  barüs 
wö-'ör  tcö-ani-nay-ka  wun-kd-bu. 
Tö  ^öt  tü-baryük  leuntu,  Ami- 
15   ddy  ti-^ar  daüri-kd-te. 

Barük  Abdalldy-ka  wun-kä- 
btia. 

Ü-mwin  (ü-mawün)  Abddllay 
ö-mwinirka  hanyis. 
20       Abddllay    ö-swini-ka   Hdm- 
madi  ü-swin  hanyis. 

Ö-Sök  Amiddy-ka  wun-kd-bu- 
waj  daüri-kd-bu-wa. 

Barak  hinne-ka  wun-kd-bäna. 
26       Hanin  barise-ka  wun-kd-ba, 

Barik    kurb  -  it    wunuba  -  w& 
akräbua-wd, 

Barük  kurb-i-ka  wun-kd-bua- 
wd  akri'kd-buorwä. 
30       Bardkna   kwrbit   (kwrba-i-t) 
wenibäna. 

Barik  kwrbika  wun-kd-bäna, 

Ün  dbuf  anibu, 

A. 

O'Sum  wö-anib  tiktenaf 
35       Ani  ö-smök  kd-kan. 

O-swn  wö-anib  (oder  ö-«mci) 
Abddlla  ^6dna. 

SiUungsber.  d.  phjl.-hbt.  CL  GXXYIII.  Bd. 


Ir  (fem.)  habt  eure  söne  er- 
zogen. 

Sie  haben  iren  son  erzogen. 

Sie  (fem.)  haben  ire  töchter 
erzogen. 

Die  Beni-Amer  erzogen  mich 
zu  einem  edeknann. 

Mein  haus  ist  grösser  als  dein 
haus. 

Ibrahim's  haus  ist  gross^  es  ist 
grösser  als  das  meine. 

Dein  son  ist  gross,  er  ist  grös- 
ser als  der  meinige. 

Deine  tochter  ist  gross,  sie  ist 
auch  das  schönste  mädchen  von 
Amideb. 

Du  bist  grösser  als  Abdallah. 

Deine  grosse  libertriflft  die 
von  Abdallah. 

Abdallah's  erziehung  ist  fei- 
ner als  die  Mohammeds. 

Suakin  ist  grösser  und  schö- 
ner als  Amideb. 

Ir  seid  grösser  als  wir. 

Wir  sind  grösser  als  sie. 

Du  bist  gross  und  stark  wie 
ein  elefant. 

Du  bist  grösser  und  stärker 
als  ein  elefant. 

Ir  seid  gross  wie  elefanten. 

Ir  seid  grösser  als  elefanten. 
Wer  ist  der?  Der  bin  ich. 
Kennst  du  meinen  namen? 
Ich  kenne  deinen  namen  nicht. 
Meinen  namen  ruft  man  Abd- 
allah. 

S.  Abh.  3 


34 


in.  Abhandlang:    Beinitcb. 


O'Sum  ö-baryök  ab  eddnaf 
ö-smi  Hdmmad  eedna, 
BarUk  tikt4n-hlbt 
An  akten-hök. 
6       Barük  kit-kän-hlbf 
Ane  kä-kdn-hök, 
Ndmha  s^nyaf 
Ü-mhin  ani  hö  efiyib  Amidebu. 

Barük  dbuaf 
10       Ani  katdbuj  nugüs  katdb  q- 
küdseb, 

Oeb'ök  (oder  baryök  geb)  reü 

iß? 

Geb'ö  (oder  ani  geb)  riü  ifi, 
15       Hdmmad  anib  areyn-hsb, 

Ani  wö'örö  tö-'ötis-ö-ka  arene- 
kd-bu. 

Hdmmad  ö-gaü   wö-ani-nay 
btHsdn-hlb. 
20       Barük  anit  akrdbua. 

Barük  ani-ka  (anihi-ka)  a- 
krdbua, 

Ü-gamisu  um -ani  er  Abu,  ü- 
gamis  ü-baryük  hddalu. 
26        Ü-ffirm-ük  ani-geb  Vdmya. 

Ü'käm-üwu-ani  diybu,  ü-käm- 
uk  ü'baiyuk  umdgu. 
A-fa  yä-anib  edldbna. 

Barüs  anä>  tdn\ 
30       Ani  tü-takdt  lehdtu. 
Ani  tü-lehandy  güddtu, 

Anib  ü-gaü  daüribu,  baryük 
ü-gaü  Singerdbu. 

Ani  barithök  gabdbu. 
35       Ani  barisok  gabdbu. 


Wie  ruft  man  deinen  namen? 

Ich  heisse  Mohammed. 

Kennst  du  mich? 

Ich  kenne  dich. 

Kennst  da  mich  nicht? 

Ich  kenne  dich  nicht. 

Wo  wonst  du? 

Der  ort  wo  ich  wone,  ist 
Amideb. 

Wer  bist  du? 

Ich  bin  Schreiber^  der  könig 
machte  mich  zum  Schreiber. 

Hast  du  geld? 

Ich  habe  geld. 

Mohammed  liebt  mich. 

Ich  liebe  meinen  son  mer  als 
meine  tochter. 

Ich  behielt  Mohanuned  in 
meinem  hause. 

Du  bist  so  stark  wie  ich. 

Du  bist  stärker  als  ich. 

Mein  hemd  ist  weiss,  dein 
hemd  ist  schwarz. 

Dein  haupt  wurde  von  mir 
gesalbt. 

Mein  kamel  ist  gut^  dein  ka- 
mel  aber  ist  schlecht. 

Meine  rinder  wurden  rer- 
kauft. 

Er  ist  mir  änlich. 

Meine  frau  ist  krank. 

Meine  krankheit  ist  gross 
(schwer). 

Mein  haus  ist  schön,  das 
deine  aber  ist  garstig. 

Ich  bin  so  reich  als  du. 

Ich  bin  reicher  als  du. 


IMe  Badaiye-Sprmche  in  Nordo«t-AfrikA.  I. 


35 


Ani  gahäbu  barisöka. 

u-gaw-ük  ü-baryik  wünu, 

Batik  dbtuiy  ü-sum  ü-baiyük 
(vL  hajik)  dbuf 
5        Ü-gaü  iirbaty&k  (baj'&k)  wünu . 

Batyök-geb    (bajök-geb)    reü 
ifi. 

Ü-gaU  ün  batyöku  (bajöku). 

Ü-gaW'ük  ü-batyÜJc  (bajik) 
10  ddbalu. 

Barüs  akräbu  barisök. 

Ani  baritös  akräbu. 

O-sum  ö-baryds  ab  e'idnaf 

BarySs  geh  riü  iß. 
15        Ü-gaü  ün  baryösu. 

Batt^  küatötUy  takdtö  kitte, 

O-ntm  &iaty69  (bajös)  db  e'- 
Mnat 

O'Sm-ös  dh  e'ddnat 
iO      Ani  batitös  wünu. 

Barik  wünvha  batisiys, 

Ü-gaü  H^xttyüs  (baj^)  wünu, 

Baiyds  (bajös)  dühäy  iya, 

Bai,yö9  geb  riü  iß, 
tb      Hanin  btMrHhökna  akriha, 

Bardkna  hannit  akrdbäna, 

Ü-gaü   ün  hennibu;   hinn^b 
küce. 

A-mak-^xn  daüriba, 
so       ö-tm-in  (oder  o-sum  wd-hen- 
nib)  Amar-Ar  eidna. 

Ü-ganD^iox  wü'hinne  daürtbu, 

Rinne  (hdnne)  geb  riü  iß. 

Barak  hennika  tehayisena. 
86       Barak  hanin  arSten-h&n. 

Barokna  (oder  barM)  hanni- 
Uka  akrdbäna. 

ü-gaü  ü-baryükna  wünu. 


Ich  bin  reicher  als  da. 
Dein  haus  ist  gross. 
Wer  bist  du  (fem.)  und  wie 
heissest  du? 

Dein   (^fem.)  haus  ist  gross. 
Bei  dir  befindet  sich  geld. 

Dieses  haus  ist  dein  (fem.). 
Dein  haus  ist  klein. 

Er  ist  stärker  als  du. 
Ich  bin  so  stark  als  er. 
Wie  nennt  man  seinen  namen  ? 
Bei  im  befindet  sich  geld. 
Dieses  haus  ist  sein. 
Sie  ist  meine  Schwester^  nicht 
meine  frau. 

Wie  heisst  sie? 

Wie  heisst  er  (oder  sie)? 

Ich  bin  80  gross  als  sie. 

Du  bist  so  gross  als  sie. 

Ir  haus  ist  gross. 

Er  kam  zu  ir. 

Sie  hat  geld. 

Wir  sind  so  stark  als  ir. 

Ir  seid  so  stark  als  wir. 

Dieses  haus  ist  unser;  ist 
nicht  unser. 

Unsere  esel  sind  schön. 

Unseren  namen  nennt  man 
Beni-Amer. 

Unser  haus  ist  schön. 

Wir  haben  geld. 

Ir  seid  besser  als  wir. 

Ir  liebt  uns. 

Ir  seid  stärker  als  wir. 

Euer  haus  ist  gross. 

8* 


36 


in.  Abhftadlang:    Beinitch. 


A-gaw-äk  ä-baryäkäna  daü- 
riba. 

Baryökna  gSb  rBÜ  Bfi. 

Hanin  akrdba  barlsökna-ka. 
6  Ü-gaü  ü-batyukna  (bajükna) 
wünu. 

Ä-gawdk  ä-bateäkna  daüriba. 

Bateyikna  gib  ritt  ifi. 

Bardsna  (u.  bards)  barSsök- 
10  na-ka  akrdba, 

O-gaU  ü-baryüsna  wünu, 

O'Sum  ö'baryös^na  ab  eMna? 

Baryösena  geb  rBÜ  iß. 

Hanin  barUhös^a  akrdba, 
15       Hanin  baresös^na-ka  akrdba. 

Batdsna  (u.  batda)  daüriba, 

Ü-gaü  ü-batyüsna  (bajüs^na) 
wünu, 

Ä-gäwa  drbatydsna   (oder  ä- 
20  gawdsna)  vxiniba. 

Ö-sum  ö'batyÖsSna  (oder  ösm- 
ösäna)  ab  eednaf 

Bai*ük  ndmhini  Btaf 

Ani  Amiddy  yidn, 
25       Barük  dbuaf 

Ani  ibäbk6ndbuy  ibäbdn  Bfi. 

Barük  ndysö  tebiya? 

O'Sdk-ib  (ö-Sök'i  dähd)  dnde. 

0-Söklb  teflya? 
30       Ani  Hartumiby  Soddnib  e8ti\ 
'öi'ä   wü-ani  Ö-Söklb  ifi,   reh-ös 
hanriü, 

Te-lagi  Hdrtumi  ö-Söki  dBhd 
gumdddu, 
35        O'tak  ün  ibdbyay  Bhi,   ibd- 
byay  Bfi, 


Eure  häuser  sind  schön. 

Bei  euch  gibt  es  geld. 
Wir  sind  stärker  als  ir. 
Euer  (fem.)  haus  ist  gross. 

Euere  (fem.)  häuser  sind 
schön. 

Bei  euch  (fem.)  befindet  sich 
geld. 

Sie  sind  stärker  als  ir. 

Ir  (eorum)  haus  ist  gross. 

Wie  nennt  man  iren  namen? 

Sie  haben  geld. 

Wir  sind  so  stark  als  sie. 

Wir  sind  stärker  als  sie. 

Sie  (fem.)  sind  schön. 

Ir  (fem.  pl.)  haus  ist   gross. 

Ire  häuser  sind  gross. 

Wie  heissen  sie  (fem.)? 

Woher  kommst  du? 

Ich  komme  von  Amideb. 

Wer  bist  du? 

Ich  bin  ein  reisender,  ich  bin 
auf  der  reise. 

Wohin  gehst  du? 

Ich  gehe  nach  Suakin. 

Lebst  du  in  Suakin? 

Ich  wone  zu  Chartum  im  Su- 
dan, aber  mein  son  befindet  sich 
in  Suakin,  ich  will  in  besuchen. 

Der  weg  von  Chartum  nach 
Suakin  ist  lang. 

Dieser  mann  ist  auf  einer  rei- 
se begriffen. 


Dia  Bedftaye-Spnche  in  Nordost-AfrikA.  I. 


37 


Ün  ürtdk  dbuf 
Tun  te-takdt  dbtuf 
An  Anda  äba  (dbänajf 
Tän  tä-ma   dbta  (dbtänajf 
*       An{&nö-tdkarin'hö8(arin^8), 
Ani  tön  tö-takät  ar^ydnrhös. 
En  inda  arByan-hösna. 
Jen  U-ma'  kär&n-hösna, 
Ü-gaü  ben  ü-umn  äy  gdumt 

10       Te-takdt  tun  daüritUy  te-takdt 
bst  aferdytu. 

Ani  ö-gaü  beb  ddlib  ani, 

Ani   tö-'öt    bBt    akanhin-hös 
(und  -ös), 
16       Yi-'dr  an  däyba,  yi-dr  baiin 
amdga. 

Te-dr  tän  daürttay  te-dr  baut 
iingerdta, 

Enda  balib  erhdn-höb^  drküe, 

20      Te-*dr  baut  erhdn-höby  küära- 
mdn-hösna. 

ü-tak  wü  ams  Bya  ^öröyu. 


Te-takdt   ams    eta-t  daüAtu, 

Anda  yi  ams'  eyan  Amar- 
25  'dra. 

Abu  um  eyaf 

Ü-tak  wü  dfa  ani  erhan-i 
wun  tdku, 

Te-takdt  tu  dfa  ani  erhan-it 
30  tDÜntu, 

Tö-^ör  tu  dfa  ani  erhan-it 
daHritu. 

Tö-ör  tu  ani  küäräman-et 
kuätötu. 


Wer  ist  dieser  mann? 

Wer  ist  diese  frau? 

Wer  sind  diese  männer? 

Wer  sind  diese  frauen? 

Ich  liebe  diesen  mann. 

Ich  liebe  diese  frau. 

Ich  liebe  diese  männer. 

Ich  liebe  diese  frauen  nicht. 

Wem  gehört  jenes  grosse 
haus? 

Diese  frau  ist  schön,  jene 
aber  ist  hässlich. 

Ich  habe  jenes  haus  gekauft. 

Ich  liebe  jenes  mädchen. 

Diese  knaben  sind  gut,  jene 
aber  schlecht. 

Diese  mädchen  sind  schön, 
jene  aber  hässlich. 

Als  ich  jene  männer  sah, 
fürchtete  ich  mich. 

Als  ich  jene  mädchen  sah, 
grüsste  ich  sie. 

Der  mann,  der  gestern  an- 
kam, ist  mein  son. 

Die  frau,  welche  gestern  an- 
kam, ist  schön. 

Die  männer,  die  gestern  ka- 
men, sind  Beni-Amer. 

Wer  ist  der,  welcher  ge- 
kommen ist? 

Der  mann,  den  ich  gestern 
sah,  ist  gross. 

Die  frau,  die  ich  gestern  sah, 
ist  gross. 

Das  mädchen,  das  ich  gestern 
sah,  ist  schön. 

Das  mädchen,  das  ich  küss- 
te,  ist  meine  Schwester. 


38 


ni.  Abhandlung;    Beiniscb. 


Te-takdt  tu  riü  tehi-t-ük  daü- 
ritu, 

ErBe4aüyi-t  hur  mard'tuf 

Aüy  mar ä' tu;  mardH  kitte. 

5       Ani  Bilälri  akrdbu  oder  Bi- 
läl-i-ka  akra-kd-bu, 

Tö-öt-it  hamös  hadaldtu  wo- 
hawdd'it 

Bari/Je    hanür-i-ka    nigl8-kd' 
10  bua, 

Nät  erhitaf 

Nät  erhob  koke, 

Barths  nät  edi-hökf 

En-wä  in-voä  edi-heby  nät  wet 
15  diydb  kike, 

Barak  nän  tuwariyaf 

Nät  kd-wari, 

Tö-nät    tön    aü    uwiref    tön 
tuwiraf 
20       Tö-nät  ton  ani  loeräb  kdke. 

Bak  tuwerik  dayb  tuwira, 

Sür  tuwere  tesinyit  uwBral 

Bak  a^uvoir, 

Wü-hayü  gü'dmyay  aü  y&'äya  f 

25       Ani  gü*dny  wö-ha  ü-gä'atiyüs 
ddybu. 

Wö'ha  gudti  ddybu. 
Wö-addr-ha  ü-guatiyü8  hard- 
mu  msilmiye'dhdy, 
30       Lehdyt  baryök  geb  häb  gudn 

iß. 

Nä-dör   baruk   häb    güdsta- 
hibaf  ani  kä-giiasdn-hök. 


Die  fraa^  die  dir  geld  gab^ 
ist  schön. 

Ist  das  land  der  Bednan  aus- 
gedehnt. 

Ja,  es  ist  geräumig;  ist  nicht 
geräumig. 

Ich  bin  stärker  als  Bilal. 

Das  haar  des  mädchens  ist 
schwarz  wie  die  nacht. 

Du  bist  schmutziger  als  ein 
Schwein. 

Was  hast  du  gesehen? 

Ich  habe  nichts  gesehen. 

Was  sagte  er  zu  dir? 

Das  und  das  sagte  er  mir^ 
nichts  anderes. 

Was  tust  du? 

Ich  tue  nichts. 

Wer  hat  das  getan?  tatst  du 
es? 

Ich  habe  das  nicht  getan. 

Wenn  du  es  so  machtest^  so 
hast  du  gut  getan. 

Tue  was  du  früher  tatst! 

So  liess  ich's  machen. 

Mein  hier  ist  ausgetrunken; 
wer  hat  es  getrunken? 

Ich  trank  es^  das  biertrinken 
(das  hier  sein  trinken)  ist  an- 
genem. 

Bier  zu  trinken  ist  angenem. 

Wein  zu  trinken  ist  verboten 
fUr  die  muslim. 

Morgen  trinke  ich  bei  dir 
hier. 

Wann  gabst  denn  du  mir  bier 
zu  trinken?  ich  gebe  dir  auch 
keines. 


Di«  Btdany^-Spraclie  in  Kordosl-AfHk».  I. 


39 


Ani  meikinUj  nät  kd-bare, 
barük  gabdbuay  wü-änküdna 
gdbü  ehi'höky  not  hiy^a! 

Not  eyd'hök  käde^  baruk  mes- 
5  kin  kiihayay  barük  amdgua. 

Äü  amsi  Mogdlö-y  (Mogüä- 
lö-i)  iyal 

Anib  bakdy  iya  ki-hay. 
Un  abut  b9n  dbut 

10       An  dygat  tän  dygätt 

An  dyga  yi-'drf 
Balin  dyga  yi-'drf 
Balit  dygata  te-^drf 
Ndka  döra  ö-Sökli  tifiyaf 

15      Ngdl  döTj  malö  döra,  mShdy 
döra  bintay  iß. 

Barük  ndyaö  tebiyaf 

Ani  ö-Sök  dbahB. 

A^ik  kiyänaf   ndmhlni  te- 
20  »ttaf 

Ani  ö-Söktb  e9ti\ 

Ü-gawük  kiyaf  te-takatiik 
kkaf 

Hanin  td'a  kinai 
85      Baräkna  id'a  ketänaf 

Nana  itänf 

Hanin  hdrröb  nidlib  neniina, 

Tikar  wä-hdrrü  gueddbuy  ha- 
nin  fa4ig  Utmün  müda  hdrröb 
SO  nidlib. 

Kassüs  vm-hdrru  tobokimyay 
lehdyt  »(yfön  mabäy  niharu. 


Ich  bin  ja  arm  und  habe 
nichts,  du  aber  bist  reich,  Gott 
verlieh  dir  reichtum;  gieb  mir 
also  auch  etwas! 

Ich  gebe  dir  nichts,  denn  du 
bist  ja  kein  armer,  nur  ein 
taugenichts. 

Wer  kam  heute  von  Mogolo? 

Ausser  mir  kam  niemand. 

Wer  ist  dieser?  wer  ist 
jener? 

Wer  sind  diese  (masc.)?  wer 
sind  diese  (fem.)? 

Wer  sind  diese  knaben? 

Wer  sind  jene  knaben? 

Wer  sind  jene  mädchen? 

Wie  oft  warst  du  in  Sua- 
kin? 

Ich  war  ein-,  zwei-,  dreimal 
dort. 

Wohin  gehst  du? 

Ich  gehe  nach  Suakin. 

Wo  ist  dein  volk?  wo  lebst 
du? 

Ich  lebe  in  Suakin. 

Wo  befindet  sich  dein  haus? 
dein  weih? 

Wo  befinden  wir  uns  jetzt? 

Wo  befindet  ir  euch  jetzt? 

Warum  seid  ir  gekommen? 

Wir  kamen  um  körn  zu 
kaufen. 

In  Tokar  giebt  es  vil  körn, 
wir  kauften  vierzig  sche£fel 
kom. 

Alles  kom  wurde  eingefUllt 
und  morgen  wollen  wir  heim- 
ziehen. 


40 


m.  Abhandlung:    Beinisch. 


Tü-bur  hadaddebin  tike,  wü- 
hawad  Bya,  hanin  dowadini^ 
ü-^mha  mehinyik  endön  nibs. 


Fajir  ü-mha  mehinyik  hidäb 
6  sakni  ibäbni;  ü-mbf  bigudiyik 
masdl  kl-masalesya. 


Bismilldhi  ditit  endön  nebe, 

Sanäyik  wälikd-t  maa! 

Äni  lehayt  ibäbani, 
10       Ani  dfa  idn  ibdbti, 

Ani  ibabt  harü  Bfi. 
Ani  ibabt  harü  kdhay, 
Ani  ibdbani-höb   (ibäbanHc) 
wü-örii  evihi, 
15       Ibdbk^na  Bya, 

Babü  ibdbsTi'heb, 

Wö'^örök  ibdbsa! 
Ani  ibäbanyihöb  Hdmmad  ö- 
gaü  wö-ani-nay  bVisdn-heb. 

20  Ani  ibäbanyihöb  ö-gaw-yö 
sani'heba! 

Barus  ibäbinyeJiöb  Hdmmad 
gebös  ibdbini. 

Ani  tamnnyehöb  barük  gebö 
25   tdmtaya. 

Barük  tamtayihöb  ani  gebök 
tdmani, 

Baräs  tdmyayihöb  ani  gebös 
tdmani. 


Die  erde  ist  dunkel  geworden 
und  die  nacht  herangekommen; 
wir  wollen  schlafen  und  wenn 
der  morgen  kommt,  gehen  wir 
heim. 

Morgen  wenn  es  licht  wird 
gehen  und  reisen  wir  zusammen ; 
wenn  auch  der  tag  lang  ist,  die 
Unterhaltung  hat  noch  keine 
langweile  bewirkt. 

Wir  sagen:  in  Gottes  namen! 
und  gehen  heim. 

Rufe  deine  brllder  und 
komm! 

Ich  verreise  morgen. 

Ich  kam  gestern  von  einer 
reise. 

Ich  will  verreisen. 

Ich  will  nicht  verreisen. 

Als  ich  verreiste,  blib  mein 
son  zurück. 

Ein  reisender  ist  angekom- 
men. 

Mein  vater  schickte  mich  auf 
reisen. 

Schicke  deinen  son  auf  reisen ! 

Wenn  ich  verreise,  so  lasse 
ich  den  Mohammed  in  meinem 
hause  schlafen. 

Wenn  ich  verreise,  so  bleib 
in  meinem  hause! 

Wenn  er  verreist,  so  reist 
Mohammed  mit  im. 

Wenn  ich  esse,  so  issest  du 
mit  mir. 

Wenn  du  issest,  so  esse  ich 
mit  dir. 

Wenn  er  isst,  esse  ich  mit  im. 


Dm  BedMje-Spnclie  in  Nordott- Afrika.  I. 


41 


Hanin  tdmnayihöb  baräk  ge- 
ben tdmtäna. 

Baräk  tämtendyhöb  hanin  ge- 
bökna  tdmnay, 
6       Ani  taman-i-höb  Hdmmad  iya, 

Gabany-B'dhäy  ibdban, 

Adanir-i-dhäy  tdn. 
Bahn  takdt  wU  edHr. 

O-ganüsö  aiangüt^-^dhäy  sa- 
10  bin  ddlib. 

Ani  kilöyany-i-dhäy  hdrro 
ddlib. 

Anda  fartakamen-i-dhäy  um- 
dga  dskera  ö-sUg-i-dhdy  isibe. 

15       Ü-ör-ay^  ö-bab  nigila-hebaf 

Ü-bäb  Sngdl,  negdlu. 

Nana  ö-bab  kit-negilaf 

Wö-hawdd-lb  ö-bab  ü-ngul  a- 
mdgu,  ü-mha  mehinyik  anangily 
20  td'a  kä-ngil. 

Amnäb  §umSany-i-dhäy  ö-bdb 
dsnagil  (asisnagil), 

Ö-bäb  ka4aiUtanyihöb  bä-et- 
nagü-ök, 
25  Wü'änküdna  tö-dinya  akligya, 
kassüs  tü-dinya  wö-änküdnay 
akligimtay  wö-änküdnay  kdlaga 
ddyta,  ürkaligimti  ddybu. 

Nana  ferhabua^ 


Wenn  wir  essen^  esset  ir  mit 
uns. 

Wenn  ir  esset,  essen  wir  mit 
euch. 

Als  ich  gegessen  hatte,  kam 
Mohammed. 

Um  reich  zu  werden,  machte 
ich  reisen. 

Ich  kam  um  zu  heiraten. 

Mein  vater  heiratete  eine  an- 
dere frau. 

Um  mein  hemd  zu  waschen, 
kaufte  ich  seife. 

Um  grlitze  zu  machen,  kauft;e 
ich  körn. 

Damit  die  leute  sich  zerstreu- 
ten, schickte  der  gouverneur 
Soldaten  auf  den  marktplatz. 

Bursche,  öflfne  mir  die 
türe! 

Die  türe  ist  geöffnet  worden ; 
sie  steht  offen. 

Warum  tust  du  die  türe  nicht 
auf? 

Bei  nacht  ist  das  öffnen  der 
türe  misslich,  ich  öffne  wenn  es 
morgen  wird;  jetzt  aber  öffne 
ich  nicht. 

Um  einen  gast  einzufüren, 
liess  ich  die  türe  öffnen. 

Wenn  du  anklopfest,  wird  dir 
auf  getan. 

•  Gott  hat  die  weit  erschaffen, 
die  ganze  weit  ist  von  Gott  er- 
schaffen, die  Schöpfung  (das  er- 
schaffen) Gottes  ist  schön  und 
schön  das  werk  der  Schöpfung. 
Warum  bist  du  so  lustig? 


42 


HL  AbhftDdliuig:    BeinUoh. 


Äni  höh  guäUj  ani  guainy- 
dyhöb  amßrhdni. 

Yi-ärü  amßrhisydn'hsb, 

E-bitk'ik   wä    e-bitk'in   ribd 
6  6fij  abd-t  tiß. 

Malö  erbdy  e-bitik  abdt  teß, 

Arök  esti\    an   ö-gawi  ari 
e8li\ 

Mehdy-t  yina-t  ari  Hdmmad 
10  iya, 

Baris  ö-gaw-i  sür-i  e8d\ 

Hirira  sürt! 

Hanin  wö-hind-i  wuhd-y  ne- 

8ti\ 

15        Ü-yäs  ö-n'dl  wuhdy  biHne, 

Baris   ö-n^äl-i  arowd-y  e8d\ 
ö-näl-i  inki  sadb  kike, 
Ü-bd^nö  ö-gaw-i  ^nki  estV, 

Kidmdt  dbare  Bildl-l-b. 
20       Barik  ö-gaw-ib  senniyaf 

Güda  hayuk  erdsyäni  hSn  tö- 
bri-t'ib, 

Barik  Masir-ib  tefiyaf 

Ani  ö-Sök'tb   e8ti\   Masir-ih 
25  kdhay, 

Me9uwi^  jasirdt-ib  tiß. 

Mehdy-t  ylnd-t-lb  tamdb  kdke, 

Ay  tirga  yi-hämSik-ib  tesni. 


30 


E-yäm-ib  (jldbya. 
An-ib  ü-gaü  daüribu, 
Hinni-ib  ü-gaü  Hngerdbu. 
Ü-gaü   würlbrähim-ib  wünu. 


Ich  habe  hier  getrunken; 
wenn  ich  trinke,  so  werde  ich 
fröhlich. 

Meine  kinder  haben  mir  frem- 
de bereitet. 

Zwischen  ench  nnd  uns  befin- 
det sich  ein  berg  und  ein  fluss. 

Zwischen  den  zwei  bergen 
befindet  sich  ein  fluss. 

Ich  sitze  hinter  dir,  ich  sitze 
hinter  dem  hause. 

Nach  drei  tagen  kam  Mo- 
hammed. 

Er  sass  vor  dem  hause. 

Gehe  voran! 

Wir  Sassen  unter  dem  bäum. 

Der  hund  schläft  unter  dem 
bett. 

Er  sass  neben,  nicht  auf  dem 
bette. 

Der  geier  sitzt  auf,  über  dem 
hause. 

Ich  bin  bedienstet  bei  Bilal. 

Bleibst  du  zu  hause? 

Vile  Sterne  leuchten  am  him- 
mel. 

Hältst  du  dich  in  Kairo  auf? 

Ich  wone  in  Suakin,  nicht  in 
Kairo. 

Massaua  Ugt  auf  einer  insel. 

Ich  habe  seit  drei  tagen 
nichts  gegessen. 

Fünf  monate  bUb  sie  am  le- 
ben. 

Er  fiel  ins  wasser 

Mein  haus  ist  schön. 

Unser  haus  ist  hässhch. 

Ibrahim's  haus  ist  gross. 


Die  BedMye-Sprache  in  Mor4<Mt-Afrik».  I. 


43 


Ü-gaü  wü  Hdmmctd'ib  (oder 
Hdfnmad-i  ü^aü)  wünu. 

Abddlla-y  ü-gaü  Hämmad-ib 
ö-gauhi'ka  hanj/isu. 
5       Ferhatrib  iiyd\ 

Ani  akanUIhdykik  ö^awtb 
aUnni. 

Barik  kanüb-dykik  ö^atdb 
s^nya, 
10       Hanin  nekaüb-dykik  ö^awtb 
nesin. 

Barak  tekatibn-dykik  ö-gamb 
tesinna. 

Baris  ekatibn-dykik  ö-gawib 
15  esSnna. 

Ani  Bdkany-dykik  (und  -dy- 
höby  -i-höb)  barük  gebö  sdk- 
taya. 

Ani  arüh  dtfari' -dykik  (-dy- 
20  höby  -ihöb)  barüs  ö-gawib  senya! 

Ani  arüh  dtfari-ik  te-takatü 
ö-gauM  sSnni, 

Barik  yB-^adim  ümmät  wU 
sötany-ik  andir-höfc. 

25      Ani  not  dndy-ik  sidigu. 

Barük  nät  tindy-ik  sidigu. 

Hanin  nät  niyad-ik  sidigu, 

Tak  indab  edir-ik  harämibu. 

Ani   batok  ariyan-höki  däyt 
90  tikay-ik, 

Ani     batök     körariyan-höki 
amakt  tikayik. 
Baris  sdkya-n-ik  Ali  iya. 


Mobammed's  haus  ist  gross. 

Abdallah's  haus  ist  schöner 
als  das  von  Mohammed. 

Sie  starb  vor  freude. 

Wenn  (so  oft)  ich  schreibe, 
bleibe  ich  zu  hause. 

Wenn  du  schreibst^  bleibst 
du  zu  hause. 

Wenn  wir  schreiben,  bleiben 
wir  zu  hause. 

Wenn  ir  schreibt,  bleibt  ir  zu 
hause. 

Wenn  sie  schreiben,  so  blei- 
ben sie  zu  hause. 

Wenn  ich  gehe,  so  gehst  du 
mit  mir. 

Wenn  ich  hinausgehe,  so 
bleib  du  im  hause! 

Wenn  ich  hinausgehe,  so 
bleibt  mein  weib  zu  hause. 

Wenn  du  die  sache  anderen 
leuten  erzälst,  so  erschlage  ich 
dich. 

Wenn  ich  etwas  sage,  so  ist 
es  war. 

Wenn  du  etwas  sagst,  so  ist 
es  war. 

Wenn  wir  etwas  sagen,  so 
ist  es  war. 

Wenn  jemand  leute  tötet,  ist 
er  ein  Verbrecher. 

Ich  liebe  dich  (fem.),  weil 
du  schön  bist. 

Ich  liebe  dich  nicht,  weil  du 
hässlich  bist. 

Als  er  fortgegangen  war, 
kam  Ali. 


44 


m.  AbhandloDg:    Beiniseh. 


O-rba  rewya-n-ik  bfya, 

Ani  Se'Sgdb  akdy-t  dirman. 

Barük  ieigäb  tekdyt  dirimta. 

Oüddb    hadidini  gär  güsrib 
5  ekatij  gär  sidglb  ekdti, 

Ngät  minda  dehö  tdtjkta. 

E-gulida  y^-' adim-i-dkäy  j  ö- 
mik'i  ö'tnfuk'i'dhdy  bä-fäHday 
tim  diya! 


Als  er  den  berg  erstigen  hat- 
te^  ruhte  er  sich  aus. 

Ich  wurde  ein  hirt  und  ging 
hinter  der  herde. 

Du  wurdest  ein  hirt  und 
gingst  hinter  der  herde. 

Wer  vil  redet,  ist  entweder 
(wörtlich  einer)  ein  lügner,  oder 
ein  weiser  (warhafdger). 

Ein  regentropfen  fiel  auf  mich. 

Zum  geschwäz  von  dumm- 
köpfen  und  auf  eselsfurz  lache 
nicht,  sondern  schweige! 


II. 
Gespräche  und  sStze  im  Idiom  der  Halenga. 


10        1)    Ü-kitasanayiin   kassöh   ö- 
dhdy  bäböse, 

2)  Ü'küasanayiinnaikaiktan, 

3)  Ane  nät  käkaiiy  lakin  ü- 
küasanayün  4ktan, 

15       4)  Hinin  kassdn  sanasandba. 

5)  Alldy  ü'kaldm  gdle. 

6)  Anibe  ü-kaldm  gdle, 

7)  Kassdy  Halenga  day  enda. 

8)  Barük  ekatdb  tiktenaf 
20       9)  Ane  ekatdb  aktin, 

10)  Ane  ekatdb  kdkan, 

11)  Baruk  ekatdb  kittänaf 

12)  Batük  ekatdb  tiktinif 

13)  Batük  ekatdb  kittänef 

25     14)  Baruh  ekatdb  ekltinf 

15)  Baruh  ekatdb  kikan, 

16)  Batüh  ekatdb  tikt^f 

17)  Batüh  ekatdb  kittan. 

18)  Bardk  ekatdb   tiktinnaf 


Gott  ist  der  vater  aller  men- 
schen. 

Gott  weiss  alles. 

Ich  weiss  nichts,  aber  Gott 
ist  allwissend. 

Wir  alle  sind  brüder. 

Gottes  wort  ist  eins  (war). 

Mein  wort  ist  eins  (aufrichtig). 

Alle  Halenga  sind  gute  leute. 

Kannst  du  schreiben? 

Ich  kann  schreiben. 

Ich  kann  nicht  schreiben. 

Kannst  du  nicht  schreiben? 

Kannst  du  (frau)  schreiben? 

Kannst  du  (frau)  nicht  schrei- 
ben? 

Kann  er  schreiben? 

Er  kann  nicht  schreiben. 

Kann  sie  schreiben? 

Sie  kann  nicht  schreiben. 

Könnt  ir  schreiben? 


Dm  BtdMEiy«-Spnche  in  Nordort-AfrUn.  I. 


46 


19)  Hinin  ekatdb  nikten, 

20)  Hinin  ekatdb  kvnkan, 

21)  Barak  ekatdb  kittdnna^ 

22)  Barak  ekatdb  iktennaf 
5       23)  Barak    ekaidb   kikdnna. 

24)  Ane  Alib  ö-gaü  baydt, 

25)  Ane  Alib  ö-gawi  yfani. 

26)  Alib  ü-gaü  daüribe  Mo- 
kammedib  ü-gaü  Hngerdbe. 

10       27)  Anib  ü-gaü  daüribe,  bar- 
yük  ü-gaü  Hngerdbe, 

28)  Baryük   ü-gaü    daüribe, 
batyuk  ü-gaü  Hngerdbe. 

29)  Hinnyib  ü-gaü  daüribe, 
15  baryükna  ü-gaü  daürib  kike. 

30)  Bardyük  ü-gaü  daüribe, 
batdyük  ü-gaü  daürib  kikS. 

31)  Ane  iät  tamanyik  aS'ardb 
akdte. 

20      32)  Barük  iät  tamtinyik  aä'- 
ardb  tekdti. 

33)  Batük  Sät  tamtinyik  a§'- 
ardt  tekdti, 

34)  Barük  iät  taminyik  af- 
25  ardb  ekdte, 

35)  Batük  iät  tamtinyik  a£- 
ardt  tekdte, 

36)  Hinin  iät  tamnayik  af- 
ardb  nekdte. 

30      37)  Barak  iät  tamtSnik  a^'- 
ardb  tekdUna. 

38)  Batdk  iät  tamtSnek  af- 
ardt  tekdUna. 

39)  Barak   iät  taminik  af- 
35  ardb  ekdtln, 

40)  Batdk  iät  tamSnek  ai'- 
ardt  ekdUn, 


Wir  können  schreiben. 

Wir  können  nicht  schreiben. 

Könnt  ir  nicht  schreiben? 

Können  sie  schreiben? 

Sie  können  nicht  schreiben. 

Ich  gehe  nach  dem  hause 
AU's. 

Ich  komme  vom  hause  AU's. 

AU's  haus  ist  schön,  aber 
Mohammed's  haus  ist  hässlich. 

Mein  haus  ist  schön,  aber 
deines  ist  hässlich. 

Sein  haus  ist  schön,  aber  ir 
haus  ist  hässlich. 

Unser  haus  ist  schön,  das 
euere  aber  ist  nicht  schön. 

Ir  (eorum)  haus  ist  schön, 
aber  deren  (earum)  haus  ist 
nicht  schön. 

Wenn  ich  fleisch  esse,  wer- 
de ich  stark. 

Wenn  du  fleisch  issest,  wirst 
du  stark. 

Wenn  du  (frau)  fleisch  issest, 
wirst  du  stark. 

Wenn  er  fleisch  isst,  wird  er 
stark. 

Wenn  sie  fleisch  isst,  wird 
sie  stark. 

Wenn  wir  fleisch  essen,  wer- 
den wir  stark. 

Wenn  ir  fleisch  esset,  werdet 
ir  stark. 

Wenn  ir  (frauen)  fleisch  es- 
set, werdet  ir  stark. 

Wenn  sie  fleisch  essen,  wer- 
den sie  stark. 

Wenn  sie  (fem.)  fleisch  essen, 
werden  sie  stark. 


46 


m.  Abhandlang:    Beiniseh. 


41)  Barak  tinteiUy  dne  ifd'- 
höh  dnde, 

42)  Barak  bitte'ete  y  dne  kä- 
fahök. 

5       43)  Barüh  iiite'ite,   dne  ifd^ 
dnde. 

44)  Batuh  tinte^itej  dne  ifd' 
dnde. 

45)  Bardkna  tefdnetüny  hinin 
10  netahökna. 

46)  Batäkna  tefdnetunj  hinin 
netd'hökna. 

47)  Barak  (bardhna)  efane- 
tUnj  hinin  nefa^hSsna. 

16       48)  Barük  hitteitey  dne  i^d"- 
hök  kdde. 

49)  Barüh   bife'Btey   dne  ifd* 
kdde. 

50)  Bardkna  bä{enhi,ny  hinin 
20  nita'hökna  kinde. 

51)  Bardh    bifanhüny    hinin 
nifd'  kinde. 

52)  Bardk  wa  anib  wa  nun 
ü'dhdy  ü-raü  kaesäh  sdkyan. 

25       53)  Hinin  deyimey,  hinin  taA 
deyirnaneky  barük  deyirtaf 

54)  Ane  gijßy  käd^yardn. 

55)  Nahöb  taa  giktinyaf 

56)  Barük  dne  gikte  harriü 
80  hanf 

57)  Ane   gikte   kdharu,    tö- 
mhaseytuk  td^a  ka-mhastd-hanf 

58)  Kira,  ibe  dndi. 

59)  'Iri  dne  ö-mangAy  abdy- 
35  hö  ha4db  erhdn. 


Wenn  du  mich  schlägst; 
schlag'  auch  ich  dich. 

Wenn  du  mich  nicht  schlägst^ 
schlag'  ich  dich  nicht. 

Wenn  er  mich  schlägt,  schlag' 
ich  auch. 

Wenn  sie  mich  schlägt, 
schlag'  ich  auch. 

Wenn  ir  uns  schlägt,  schla- 
gen auch  wir  euch. 

Wenn  ir  (fem.)  uns  schlägt, 
schlagen  auch  wir  euch. 

Wenn  sie  uns  schlagen,  schla- 
gen wir  sie  auch. 

Wenn  du  mich  nicht  schlägst, 
werde  ich  dich  nicht  schlagen. 

Wenn  er  mich  nicht  schlägt, 
werde  ich  in  nicht  schlagen. 

Wenn  ir  uns  nicht  schlägt, 
werden  wir  euch  nicht  schla- 
gen. 

Wenn  sie  uns  nicht  schlagen, 
werden  wir  sie  nicht  schlagen. 

Ausser  dir  und  mir  sind  alle 
leute  fortgegangen. 

Wir  sind  müde;  da  wir  nun 
müde  sind,  bist  du  wol  auch 
müde. 

Ich  doch  nicht,  ich  bin  nicht 
müde. 

Wann  gehst  du  nun? 

Willst  du  dass  ich  gehe? 

Ich  wünsche  zwar  nicht  dass 
du  gehest,  aber  nimmst  du  denn 
dein  mittagsmal  nicht  ein? 

Nun  gut,  ich  will  gehen. 

Als  ich  gestern  in  die  steppe 
ging,  sah  ich  einen  löwen. 


Dm  BadM7«-8prBch6  in  Nordott-ÜHk».  I. 


47 


60)  ^'Iri  barük  ö-mangdy  te- 
häy-hö  ha4äh  erhita. 

61)  ^Iri  b(Uuk  (Hnangdy  te- 
hdy-hö  hcu^db  erhitay. 

s       62)  ^Iri  bar&h  ö-mangdy  e- 
bäy-hö  ha^db  Srhiya. 

63)  ^Iri  batüh  ö-mangdy  te- 
bdy-hö  fia^db  erhita. 

64)  ^Iri  hinin  ö-mangdy  ne- 
10  bdy-hö  ha4db  erhina. 

65)  *'Iri   bardkna   ö-mangdy 
Ubinrhö  ha^db  erhitäna. 

66)  ^'Iri    batdkna  ö-mangdy 
UMn-hö  ha^dh  erhitäna, 

16      67)  ^'Iri  bardh  ö-mangdy  e- 
hin-hö  ha^db  irhiyän, 

68)  "/W   batdh   ö-mangdy  e- 
biurhö  ha4db  4rh\yän. 

69)  Ün  üridk  dbef 

SO      70)  Tun  ta-takdt  dbtet 

71)  An  dnda  dbaf 

72)  Tän  tdrma    dbtaf 

73)  An  en4äw  an  dbäf 

74)  On  MMc  ün  ddybe,  ü-tdk 
^  hin  aferdy. 

75)  Tu  takdt  tun  ddyU^  tü- 
takdt  bit  aferdyte. 

76)  Anda   an  ddyba^   d-nda 
haiin  aferdya. 

30     77)  7ä-m*a  tän  ddyta  madta, 
ii-m^a  baUt  aferdyta  madta, 

78)  Ane  ddybe,  bariüc  afe- 
fdyioa. 

79)  BariJc 


Als  dn  gestern  in  die  steppe 
gingst,  sahst  du  einen  löwen. 

Als  du  (fem.)  gestern  in  die 
steppe  gingst;  sahst  du  einen 
löwen. 

Als  er  gestern  in  die  steppe 
ging,  sah  er  einen  löwen. 

Als  sie  gestern  in  die  steppe 
ging,  sah  sie  einen  löwen. 

Ab  wir  gestern  in  die  steppe 
gingen,  sahen  wir  einen  lö- 
wen. 

Als  ir  gestern  in  die  steppe 
ginget,  sähet  ir  einen  löwen. 

Als  ir  (fem.)  gestern  in  die 
steppe  ginget,  sähet  ir  einen 
löwen. 

Als  sie  gestern  in  die  steppe 
gingen,  sahen  sie  einen  löwen. 

Als  sie  (fem.)  gestern  in  die 
steppe  gingen,  sahen  sie  einen 
löwen. 

Wer  ist  dieser  mann? 

Wer  ist  diese  frau? 

Wer  sind  diese  männer? 

Wer  sind  diese  frauen? 

Wer  sind  diese  leute? 

Dieser  mann  da  ist  gut, 
jener  aber  schlecht. 

Diese  frau  da  ist  gut,  jene 
aber  ist  schlecht. 

Diese  männer  sind  gut,  jene 
aber  sind  schlecht. 

Diese  trauen  da  sind  gut,  je- 
ne aber  sind  schlechte  frauen. 

Ich  bin  gut,  du  aber  bist 
schlecht. 

Du  bist  gut,  ich  aber  bin 


48 


m.  Abkandlnng:    Beinisek. 


80)  Batük  daytwiy  barüh  a- 
ferdy. 

81)  Barüh   ddybe^   batük  a- 
feräyturi, 

6       82)  Batüh  ddytej  barüh  dayb 
kücB, 

83)  Hinin    däyba,    bardkna 
aferdyäna, 

84)  Bardkna  ddybäTia,  hinin 
10  aferäya, 

85)  Batdkna  daytäna,  bardk- 
na däyb  kitten. 

86)  Bardh   ddyba,    batdkna 
däyt  kittSn,  aferdytän, 

16       87)  Batdh  (batdhna)  ddyta, 
bardh  aferdya, 

88)  Batdh   aferdyta,    bardh 
(bardhna)  ddyb  kiken, 

89)  Ndysö  känf 

20       90)  Er^4^way8ön  Ena, 

91)  Nhö  tiblnf 

92)  En4ön  nibe, 

•  93)  Hargüdbua  han? 

94)  Hargüdb  kdke. 
26       95)  Gäbdbua  hanf 

96)  Ane  gäbdbe. 

97)  Narltibua  han9 

98)  Naritib  kdke, 

99)  Abrahim   lehdyt  bitkayt 
30  yi'ini, 

100)  Barüh  tri  e'a. 

101)  Barüh  iri   bitkayt  i^a, 

102)  Ane  mahalagdb  hitök. 

103)  Ane    Abrahim    mahala- 
35  gdb  eydü  dnde. 

104)  Ane    Abrahim    mahala- 
gdb eydü  kdde. 

105)  Mahalagdb  hd'a! 


Du  (fem.)  bist  gut;  er  aber 
ist  schlecht. 

Er  ist  guty  du  (frau)  aber 
bist  schlecht. 

Sie  ist  gut,  er  aber  nicht. 

Wir  sind  gut,  ir  aber  seid 
schlecht. 

Ir  seid  gut,  wir  aber  sind 
schlecht. 

Ir  (fem.)  seid  gut,  ir  (masc.) 
seid  nicht  gut. 

Sie  sind  gut,  ir  (fem.)  seid 
nicht  gut,  sondern  schlecht. 

Sie  (fem.)  sind  gut,  sie  (masc.) 
sind  schlecht. 

Sie  (fem.)  sind  schlecht,  sie 
(masc.)  sind  auch  nicht  gut. 

Woher  kommt  ir? 

Wir  kommen  aus  unserer 
heimat. 

Wohin  geht  ir? 

Wir  gehen  heim. 

Bist  du  etwa  hungrig? 

Ich  bin  nicht  hungrig. 

Du  bist  also  satt? 

Ja,  ich  bin  satt. 

Bist  du  wol  schläfirig? 

Ich  bin  nicht  schläfrig. 

Abraham  kommt  übermor- 
gen. 

Er  ist  gestern  gekommen. 

Er  ist  vorgestern  gekommen. 

Ich  gebe  dir  geld. 

Ich  werde  Abraham  geld  ge- 
ben. 

Ich  werde  Abraham  kein 
geld  geben. 

Gieb  mir  geld! 


Di«  BedAoye-Sprache  in  Nordost-Aftika.  I. 


49 


106)  Ane  mahalagdb  eyi-hök 
kdde. 

107)  Lehdyt  barük  mahala- 
gdb hitoya. 

5       108)  Lehdyt  barüh  mahala- 
gdb eniü-hsb. 

109)  Lehdyt   batüh   mahala- 
gdb teräü-hsb, 

110)  Lehdyt   bat&h   mahala- 
10  gab  Abrahim  teniü. 

111)  Lehdyt  hinin  mahalagdb 
Abrahim  hidene. 

112)  Lehdyt  hinin  mahalagdb 
hitok-ine, 

15       113)  Lehdyt  hinin  mahalagdb 
hitök  karine. 

114)  Lehdyt  bardkna  maha- 
lagdb tewün-hön. 

115)  Lehdyt   batdkna  maha- 
20  lagdb  kithln-hön. 

116)  Lehdyt  bardkna  maha- 
lagdb Abrahim  tewüna, 

117)  Lehdyt   bardh  mahala- 
gdb Abrahim  ewüna. 

25       118)  Lehdyt   bardh  mahala- 
gdb ki-hln-hib, 

119)  Iri  dne  Abrahim  maha- 
lagdb ahdy, 

120)  Hararibuay  heydb  kitta, 
30       121)  Bar&k  iri  intöy  kithaya, 

dne  mahalagdb  hl-hök  koke, 

122)  Barük  mahalagdb  anib 
tehiya, 

123)  Barük  Abrahim  maha- 
35  lagdb  heydb  kitta. 

124)  Batik  Abrahim  maha- 
lagdb heydt  kittay, 

125)  Batuk  Abrahim  maha- 
lagdb tühi. 

Sitzangsber   d.  phlL-hUt.  Cl.  CXIVIII.  Bd. 


Ich  werde  dir  kein  geld 
geben. 

Morgen  wirst  du  mir  geld 
geben. 

Morgen  wird  er  mir  geld 
geben. 

Morgen  wird  sie  mir  geld 
geben. 

Morgen  gibt  sie  dem  Abra- 
ham geld. 

Morgen  wollen  wir  dem 
Abraham  geld  geben. 

Morgen  wollen  wir  dir  geld 
geben. 

Morgen  geben  wir  dir  kein 
geld. 

Morgen  werdet  ir  uns  geld 
geben. 

Morgen  werdet  ir  (fem.)  uns 
kein  geld  geben. 

Morgen  werdet  ir  dem  Abra- 
ham geld  geben. 

Morgen  werden  sie  dem  Abra- 
ham geld  geben. 

Morgen  werden  sie  mir  kein 
geld  geben. 

Ich  gab  gestern  dem  Abra- 
ham geld. 

Du  lügst,  denn  du  gabst  nicht. 

Du  warst  gestern  nicht  hier,, 
desshalb  gab  ich  dir  kein  geld. 

Du  hast  mir  geld  gegeben. 

Du  gabst  dem  Abraham  kein 
geld. 

Du  (fem.)  gabst  dem  Abra- 
ham kein  geld. 

Du  (fem.)  gabst  dem  Abra- 
ham geld. 

S.  Abb.  4 


60 


m.  Abhandlung:    Beinisch. 


126)  Barih  Abrahim  maha- 
lagdb  y^hi. 

127)  Batüh  Abrahim  maha- 
lagdb  tShi. 

6       128)  Hinin  Abrahim  maha- 
lagdb  nihi, 

129)  Bardkna  Abrahim  ma- 
halagdb  t^hina, 

130)  Batdkna  Abrahim  ma- 
10  halagdb  tMhina, 

131)  Bardh  Abrahim  maha- 
lagdb  yihin, 

132)  Batdh  Abrahim  maha- 
lagdb  yihin. 

16       1 33)  Ane  Abrahim  m^halagdb 
heydb  kdke. 

134)  Barüh  Abrahim  maha- 
lagdb  heydb  kike. 
'  135)  Batüh  Abrahim  maha- 
20  lagdb  heydt  kitte, 

136)  Hinin  Abrahim  maha- 
lagdb  heydb  kinke, 

137)  Bardkna  Abrahim  ma- 
halagdb  heydb  kittSna. 

26       138)  Batdkna  Abrahim  ma- 
halagdb  heydt  kittSna, 

139)  Bardh  Abrahim  m^ha- 
lagdb  heydb  kiken. 

140)  Batdh  Abrahim  m^aha- 
30  lagdb  heydt  kiken, 

141)  Ydmay  'dta  hin-hön! 

142)  Tdme     idmböta     hay- 
md'a! 

143)  Daühäb  hin-hön! 
36       144)  Baruk  Uhdbuaf 

145)  L^hdb  kdke. 

146)  Ane  duw  dnde. 

147)  Ane  düwe  kdde. 


Er  gab  dem  Abraham  geld. 

Sie  gab  dem  Abraham  geld. 

Wir  gaben  dem  Abraham 
geld. 

Ir  gabt  dem  Abraham  geld. 

Ir  (fem.)  gabt  dem  Abraham 
geld. 

Sie  gaben  dem  Abraham  geld. 

Sie  (fem.)  gaben  dem  Abra- 
ham geld. 

Ich  gab  dem  Abraham  kein 
geld. 

Er  gab  dem  Abraham  kein 
geld. 

Sie  gab  dem  Abraham  kein 
geld. 

Wir  gaben  dem  Abraham 
kein  geld. 

Ir  (masc.)  gabt  dem  Abraham 
kein  geld. 

Ir  (fem.)  gabt  dem  Abraham 
kein  geld. 

Sie  (masc.)  gaben  dem  Abra- 
ham kein  geld. 

Sie  (fem.)  gaben  dem  Abra- 
ham kein  geld. 

Geben  Sie  uns  wasser  und 
milch! 

Bring'  brod  zum  essen! 

Gebt  uns  saure  milch! 
Bist  du  krank? 
Ich  bin  nicht  krank. 
Ich  werde  schlafen. 
Ich  werde  nicht  schlafen. 


Die  BedMje-Sprftche  in  Noido«t-Afrik».  I. 


51 


148)  Ma^dxfy  wo  'ör  düwsi 
(düsi)! 

149)  Wö-'ör  duwistayf 

150)  Duwisdt  koke,  an  ähiye 
5  duwän. 

151)  On  SiUmdn  takdt  hina, 
daürit  takdt  hina,  Hngirdt  takdt 
hä-hiüna!  sanönyu,  Tegidiniy  ye- 
adim  bä-hadina!  tebdinik,  dne 

10  ammodihök. 


152)  Ane  bintöy  yVani-höj 
daürit  'ör  hitoyaf 

153)  Barik  tSa  daürit  'ör 
biihiwitSy   tegite  daürit  'ör  kd- 

15  hi-hök. 

154)  SiUmdn  tenlwit  <ö-'ör 
ibiye  erhisa-he^  bar&h  enddüre 
ki-kan-dyy  baräh  '(yr  dabalöbuyt. 


155)  Te-mh&y  'ar^  dne  Hbd- 

20  bu-yty  tö-daürit  h(yy  akten,   tö- 

Hngirdt  höy  aktiuy,  tö-bitkit  hi- 

tänf    ö'tdrha    guadit     hitänf 

ö-mayug-g&adit   tingidü   hitänf 


156)  Barük  mdri  tingidü  te- 
^  nitoiky  ddytCy  ö-bttk  tingidit  te- 

Tüwik,  Hngirdte,  ömagug-gOadtt 
tingidit  tenlwiky  ddyte, 

157)  Tö-takdt  tö-wäragdt  iM- 
hitön:  >Abrahim  Hb  dördb  sa- 

so  limi'hök*   diyay   ^hinin  wulla 


Komm  und  schläfere  ein 
(fem.)  den  knaben! 

Hast  du  (fem.)  den  knaben 
eingeschläfert? 

Ich  (fem.)  schläferte  in  nicht 
ein,  ich  schlief  selbst. 

Geben  Sie  diesem  Soliman  ein 
weib,  ein  schönes  weib  gebt  im, 
kein  hässliches!  denn  er  ist  un- 
ser bruder.  Wir  werden  das 
vergelten,  vergesst  es  nicht, 
sonst  werde  ich  böse  auf  Sie 
(dich). 

Wenn  ich  dorthin  (nach  Afri- 
ka) komme,  gibst  du  mir  auch 
ein  schönes  mädchen? 

Wenn  du  mir  jetzt  kein  schö- 
nes mädchen  gibst,  so  gebe  ich 
dir  dafür  auch  keines. 

Das  mädchen,  das  du  dem  So- 
liman gibst,  zeig'  nur  mir!  denn 
er  kennt  etwas  schönes  noch 
nicht,  er  ist  noch  wie  ein  kleiner 
junge. 

Von  den  drei  mädchen,  wie 
ich  sie  sah,  kenne  ich  das  schö- 
ne und  das  hässliche  mädchen; 
geben  Sie  das  mittlere  her  oder 
das  mädchen,  welches  auf  der 
linken  seite  stand  oder  das  zur 
rechten? 

Wenn  du  das  mädchen,  das 
seitwärts  stand,  gibst,  das  ist 
schön,  das  in  der  mitte  ist  häss- 
lich,  das  mädchen,  das  rechts 
stand,  ist  auch  schön. 

Zur  frau,  die  uns  das  papier 
gab,  sprich:  »Abraham  griisst 
dich  hundert  mal!  da  wir  bald 

4* 


52 


III.  Abhandlung:    Keinisoh. 


giffnai/y  gdl  dör  madi/j  erha-hök 
neyaddy«., 

158)  Tü-ebikBt  takdt  tun  ba- 
tüh  hart  hä-ite;  hi-aynik  hinin 

6   hayadinayy  haruk  sitöb-höh!  tu- 
mhay  han  bd-Bte! 

159)  N'dlla  dabäybua  ?  ndlla 
ndt-hök  akdt  kitte?  ändük  ndlla 
ddbayaf  yä'ardk  n'dlla  ddbayaf 

10  tär*artdk  n'dlla  dabdyta  f  taka- 
tük ndlla dabdyte ?  bäbük ndlla 
dabdyf  detük  n'dlla  dahdytef 
sanaydk  ndlla  ddbayaf  täküa- 
tdk   ndlla    dabdyta f    ä-Sawäk 

15  n'dlla  ddbayaf  wü-rewük  ndlla 
dabdyf 


160)  Alldy  nehamid! 

161)  Wö-ayök    ö-nidykua   er- 
hisa-hBb!  wü-ayäk  ü-tdlha.  kiyaf 

20  ü-ragadük  ü-nidyküa  f  ü-ragadük 
ü'tdlha  f  ö-mayüg  güadök,  ö-tdr- 
ha  güadök  erhisa-heb! 


162)  Lehdyt  yVadinay. 

163)  Lehdyt  biri  iyni. 

164)  Lehdyt  biri  kd-eya. 

165)  Amsi  biri  ife. 

166)  Amsi  biri  ki-hay. 

167)  Amsi  tU'blri  baldU. 


25 


30 


168)  Amsi  tö-brite  bäl  ki-hay. 

169)  Ü'dhur  ddwele. 

170)  Wü-dssir  ddwele, 

171)  Ü-mdgreb  ddwele. 


fortgehen,  so  sagen  wir  ir, 
komm'  doch  noch  einmal,  damit 
ich  dich  sehe!« 

Jene  frau  in  der  mitte,  die 
soll  ebenfalls  kommen;  wenn  sie 
nicht  kommen,  so  gehen  wir  ja 
fort,  füre  sie  also  uns  za!  auch 
die  dritte  soll  kommen! 

Bist  du  gesund?  es  hat  doch 
kein  Unfall  dich  betroffen?  ist 
auch  deine  familie  gesund?  be- 
finden sich  deine  söne  wol  und 
auch  deine  töchter?  geht  es 
auch  deiner  frau  gut?  und  be- 
findet sich  wol  dein  vater  und 
ebenso  deine  mutter?  befinden 
sich  deine  brüder  wol  und  auch 
deine  Schwestern?  geht  es  dei- 
nen freunden  gut?  ist  auch 
dein  vih  gesund? 

Ja,  gottlob! 

Zeige  mir  deine  rechte  band! 
wo  ist  deine  linke  band?  und 
wo  ist  dein  rechtes  bein?  und 
dein  linkes  bein?  und  zeige  mir 
deine  rechte  seite  und  auch 
deine  linke!. 

Morgen  wollen  wir  kommen. 

Morgen  kommt  regen. 

Morgen   kommt  kein  regen. 

Heute  regnet  es  wol. 

Heute  regnet  es  nicht. 

Der  himmel  ist  heute  um- 
wölkt. 

Heute  ist  keine  wölke  am 
himmel. 

Der  mittag  ist  nahe. 

Der  asser  ist  nahe. 

Der  magrib  ist  nahe. 


Die  Bedaaye-Sprache  in  Nordoii- Afrika.  I. 


53 


172)  Wü-'iSa  ddwele, 

173)  Ü-zibha  ddwele. 

174)  An{  tü'tdkdt  Mate, 

175)  Ani  te-Uhandy  güdäte, 
5       176)  Ane  Uhähe,  neg.   Uhdh 

koke. 

177)  Barak  Uhäbuay  neg.  fe- 
hdb  kitta, 

178)  Batük  Uhatui,  neg.  fe- 
10  hat  kittay. 

179)  Barüh  Uhabe,  neg.  feÄöJ 

180)  SafiiA  Uhate,  neg.  teAa^ 

15       181)  Hinin  Uhdba^  neg.  teAdi 
kinke, 

182)  £ard{:na  teAa&äna^  neg. 
Id&db  Mtüna. 

183)  Batdkna  Uhdtäna,  neg. 

184)  Barak  Uhdbänj  neg.  fe- 

185)  Batäh  Uhatän,  neg.  Z^- 
Aot  kikSn. 

26       186)  i4n€  iW  Uhabe,  neg.  Zä- 

187)  Barük  iri  Uhäbuay  neg. 
Wiäb  kiUa. 

188)  Batük  iri  Ühdtuiy  neg. 
30  feAa^  kittay, 

189)  ^n€    müslimibe,  barük 
na^aribua, 

190)  Hinin   musiliminy    ba- 
rdkna  nasartbäna, 

35       191)  -4ne  M?wn  tdke. 

192)  Barak  loun  tdkua. 

193)  Hinin  toäwun  da. 


Die  ischa  ist  nahe. 

Der  morgen  ist  nahe. 

Meine  frau  ist  krank. 

Meine  krankheit  ist  schwer. 

Ich  bin  krank ;  neg.  bin  nicht 
krank. 

Du  bist  krank;  neg.  bist  nicht 
krank. 

Du  (fem.)  bist  krank;  neg. 
bist  nicht  krank. 

Er  ist  krank;  neg.  ist  nicht 
krank. 

Sie  ist  krank;  neg.  ist  nicht 
krank. 

Wir  sind  krank;  neg.  sind 
nicht  krank. 

Ir  seid  krank;  neg.  seid  nicht 
krank. 

Ir  (fem.)  seid  krank;  neg. 
seid  nicht  krank. 

Sie  sind  krank;  neg.  sind 
nicht  krank. 

Sie  (fem.)  sind  krank;  neg. 
sind  nicht  krank. 

Ich  war  gestern  krank;  neg. 
war  nicht  krank. 

Du  warst  gestern  krank;  neg. 
warst  nicht  krank. 

Du  (fem.)  warst  gestern 
krank;  neg.  warst  nicht  krank. 

Ich  bin  ein  muslim^  du  bist 
ein  Christ. 

Wir  sind  muslim,  ir  seid 
Christen. 

Ich  bin  ein  grosser  (mäch- 
tiger)  mann. 

Du  bist  ein  grosser  (mäch- 
tiger) mann. 

Wir  sind  grosso  männer. 


54 


m.  Abhandlung:    Beinisch. 


194)  Äne  wun  tdkate. 

195)  Batük  wun  takdtwi, 

196)  Hinin  wdwun  madta, 

197)  Ane   vmn    tdke   aküä,^ 
5  güda  mahdlaga  dbare. 

198)  Barük    wun    tdkua    a- 
küäy^  güda  mahdlaga  tebdreya. 

199)  Barüh  wun  tdke  aküä,^ 
gada  mahdlaga  ibare, 

10       200)  Hinin  wdumn  ddya  a- 

küä,^  gada  mahdlaga  nihare. 
201)  Bardkna  wdwun  ddyä- 

na  akuä,^   güda   m>ahdlaga  te- 

barina. 
16       202)  Bardh  wdumn  ddya  a- 

küä,^  güda  mahdlaga  ebarina, 

203)  Ane  wun  tdkate  aküä,^ 
wü'hdd'a  ed'ir-heb, 

204)  Batük  wun  takdtwi  a- 
20  kiiäy^  wü'hdcCa  ed'ir-hök. 

205)  Batüh    umn    tdkate    a- 
küäy^  wä-hdd'a  ed'ir-hös, 

206)  Hinin  wdwun  madta  a- 
küäy^  yä-hdda  ed'itin-hön, 

26  207)  Batdkna  wdwun  mad- 
täna  aküäy'^  yä-hdda  ed'irin- 
hökna, 

208)  Batdh    todwun    ma'dta 
aküäj^  yä-hdd'a  ed^irin-hösna. 

30  209)  Ani  tü-takdt  daürite  td- 
kate. 


Ich   bin  eine  mächtige  frau. 

Du  bist  eine  mächtige  frau. 

Wir  sind  mächtige  frauen. 

Weil  ich  ein  grosser  mann 
bin,  habe  ich  vil  geld. 

Weil  du  ein  grosser  mann 
bist,  hast  du  vil  geld. 

Weil  er  ein  grosser  mann 
ist,  hat  er  vil  geld. 

Weil  wir  grosse  männer  sind, 
haben  wir  vil  geld. 

Weil  ir  grosse  männer  seid, 
habt  ir  vil  geld. 

Weil  sie  grosse  männer  sind, 
haben  sie  vil  geld. 

Weil  ich  eine  vorneme  frau 
bin,  so  heiratete  mich  der 
scheich. 

Weil  du  eine  vorneme  frau 
bist,  so  heiratete  dich  der 
scheich. 

Weil  sie  eine  vorneme  frau  ist, 
so  heiratete  sie  der  scheich. 

Weil  wir  vorneme  frauen 
sind,  so  heirateten  uns  die 
Scheiche. 

Weil  ir  vorneme  frauen  seid, 
so  heirateten  euch  die  scheiche. 

Weil  sie  vorneme  firauen  sind, 
so  heirateten  sie  die  scheiche. 

Meine  frau  ist  eine  schöne 
frau. 


^  Oder:  tcun  tdku-ü. 
•  Oder:  wdwun  ddya-it. 
^  Oder:  takötu-ü. 
^  Oder:  ma'ätäna-k. 


*  Oder:  wun  tdkua^. 

*  Oder:  wdwun  ddyäna-ü. 

*  Oder:  ma'äta-tL 


Di«  B^daaye-Spraclie  in  NordMt-AfHks.  I.  55 


ni. 

Erzälungen  Im  idiom  der  Had^ndäwa. 

1. 
Omar. 

1)  ÜrndTj   Nafir  'ör,   (hGaU         'Umar  Ndfir   halt  GaS  akdn 
ydkya  ö-Sök  Bya,  bälökö  ggütd  Sawäkin  adik  ya- 

metd  yan. 

2)  E-gaüöh  iumya,  tdku  es4n-  IH  'drSd  orobd  yan,  kä  nü- 
ne,  ytiS,  ytagdr,  gigya.                 mä-li   heyaüti   dlnd   sügd  yan, 

yubild  gähd  yan, 

5       3)  Fa4ig  hdüla  isne,  yxagdr         GdSal  afard  egidä  dafdy  yan, 

iya,    e-gaüöh   äümya ,    tdku   e-     malammi  gähd,  iäi  ^drsd  orobd, 

sSnne,  heyaüti  Ul  sügd  yan  numd-li, 

4)  Te-takatöh    efidig,    ö-tdk         läi  nümi  yiftihd  yan,  ay  hey- 

mehallagäb  ihi,  haldk  ihi,  ge4'     ciütö  mal  yohöy,  sardnä  yohöy, 

10  ^at  ihi,  t-hdmo  ladsya,  kdbel  yohöy,  külze  kä  amö  yus- 

kutd  yan. 

1)  Omar,  Nafir^s  son,  brach  auf  vom  Gasch  und  kam 
nach  Suakin. 

2)  Als  er  in  sein  haus  eintrat,  befindet  sich  da  ein  mann; 
da  zog  er  wider  fort  und  kerte  zurück. 

3)  Vier  jare  bUb  er  aus  und  kerte  dann  wider  zurück; 
er  betrat  sein  haus  und  wider  befindet  sich  hier  ein  mann. 

4)  Da  gab  er  seiner  frau  die  Scheidung,  dem  manne  aber 
gab  er  geld,  gab  im  ein  kleid,  gab  im  Sandalen  und  salbte 
sein  haar. 

2. 

Zwei  beiden. 

1)  Omdr,  ^Ali,  malhoyäh  mal  'Umdr  ka  'Ali  lammd  fards 
hatdy  ibirin,  Mdkkay  yakydn,  ll  yinin  yan,  Makkd-kö  ogutani 
6-Mha  ebina,  Möhä  akdn  dikil  yaddyn  yan, 

2)  FirisYahudeslninö-Mhdy,  Firisd  ka  Yahüdd  märdn  yan 
U  ä-difa,    wü'issüre   haküdre   en-     Möhä  dikil,   tan   böb   alifima 

gddna.  sügdn  yan. 


56 


m.  Abbandlang:    Reiniseb. 


3)  Ü-ngäl  wö-hatäy-wä  ^Omdr- 
wä  yakisya  wö-ay-isöhy  ö-kalibi 
kalawdy  egid, 

4)  Omdr  ö-mba^öh  €ferd\  ö- 
6  Firis   edir  ö-mba^i,   u-böy  wo- 

hatdyi  ginha  yiabik. 

5)  Ali  wö'hatdy  ö-kaUb  ferya, 
ü'dhdy  kassüh  enhdd  dki  ^sni 
(iaini). 


Wilitl  ui  gabdrkö  ay  fards 
ka  'Umdr  ohoffusd,  daggi  adddd 
tan  'aydä  yan. 

'Umdr  i§i  sSf  sübd  yan^  ay 
Firis  yigdifd  yan,  kä  bilö  fa- 
rasi  nahdr  alülusd  ydn. 

*All  iSi  fards-li  ay  daggU 
küdüm  iäd  yan^  umbakd  heyaü 
bäkitdn  yan. 


1)  Omar   und   Ali   hatten    alle    beide  je    ein    pferd   und 
ritten  von  Makka  nach  Mocha. 

2)  Zu  Mocha  befanden  sich  Perser  und  Juden,   die   tore 
irer  häuser  waren  verschlossen. 

3)  Da  hob  nun    der  eine  das  pferd  und  den  Omar  auf 
mit  seiner  hand  und  warf  sie  in  den  hofraum  hinein. 

4)  Da    zog    Omar    sein    schwert    und    tötete    damit    den 
Perser,  das  blut  spritzte  dem  pferde  auf  die  brüst. 

5)  Ali   sprang  mit  seinem   pferde  in  den  hof,   alle  leute 
darin  kamen  um. 

3. 
Martad  pasoha. 


10  1)  Martad  ibdbya^  Mdasir 
ibSj  malö  tirg'  isd^  Soddn  ibe, 
Soddnib  iaa   um-örüh  elhiya. 


2)   Had'dt    dShd    eta:    i^dne 

mhilane^  tine, 
16       3)   Te-hdd'a   wö-'ör   m§hüta, 

wü-'ör  eyd\ 

4)    Wü-'öruh    ü-rdü    elhiya, 

had'dt  wU  wWyän,  eta,    >mhi- 

lane€  tiney  mhilta,  wü-ör  eyd\ 

Bna, 
20       5)  Ebtikena,  mildk  hö  ed'ina, 

wö-'ör    ö-räü    ebtikSnay    miläk 


Martad  yeiseferd  Mdssiril 
yametd  yan,  Mdssiril  lammd 
dlzä  dafdy-ged  Soddn  bälöl  gaid 
yan,  Soddn  bälöl  dnik  kä  bali 
lähötd  yan, 

Bard  ktn  nümd  el  tametd 
ydn:  T^anü  aydewd*  talehd  yan, 

Ay  bard  kln  nümd  ay  bdlä 
tadewd,  bali  räbd  yan, 

Wili  kä  bali  layl  lähötd  yan, 
aki  bärd  dä*imani,  tametd  >tä 
bdlä  aydewd*  ta,  tadewd,  ay 
bali  räbd  yan, 

Garbd  ak  an^iSani  mulehö 
Bd  hdyn  yan,  layl  malammi  bä- 


Die  B«dAnye-Spracbe  in  Nordost-Afrika.  I. 


57 


hö  etTin^   y^-dr  malhöyBh  san- 
dükib  edin. 

6)  E-bdba  hamaSiyay  Sodäni 
yakyaytj  Massiv  ebBy   Massirib 
&  haUya, 


lä  garbä  ak  an(JtiSaniy  mulehö 
Sd  hdyn  yan^  sandüqud  lammd 
tdna  hdyn  yan. 

Abbä  intit  tcay  yan,  Soddnkö 
Qgutdy  Mdssir  yaddy  yan,  Mas- 
siril  ya'ebidd  yan. 


1)  Martad  verreiste  und  ging  nach  Kairo  und  nachdem 
er  dort  zwei  monate  gebUben  war,  ging  er  nach  dem  Sudan 
wo  im  dann  sein  son  krank  ward. 

2)  Da  kam  eine  alte  frau  zu  im  und  sprach:  »ich  werde 
den  son  behandeln.« 

3)  Sie  behandelte  also  denselben,  der  son  aber  starb. 

4)  Da  erkrankte  auch  sein  zweiter  son,  man  rief  eine 
alte  frau,  sie  kam  und  sagte:  »ich  werde  in  behandeln;«  sie 
behandelte  in,  aber  der  son  starb. 

5)  Man  obducirte  die  beiden  knaben,  balsamirte  sie  ein 
und  legte  beide  in  einen  sarg. 

6)  Der  vater  erblindete  (vor  weinen),  er  zog  vom  Sudan 
nach  Kairo;  in  Kairo  wurde  er  verrtlckt. 


4. 


Die  toohter  des  sultans. 


1)  Sultan  {fßy  'öt  ibire;  tö 
'ötuh  ibabiay  mdrkab  tihdy, 
ib^ta. 

2)  Tak  dkhan  sultäni  tö-'ört, 
10  ün  ütak  mdrkab  denCarä-b  Sdnya 

hä*-iyay  ibäbdyt^  BhB.  malydb  e- 
htlled  maddfe  gedya  ferhdtBb, 


3)  SultdnU'ör  kesydb  tibire. 
ün  keiyayüh  däbd-y  sake  o-gaü 
16  eruwya,  ö-tdk  edir. 


Sulfdn  yind  yan^  bald  li  yind 
yan;  ay  ta  bäja  teiseferd  yan, 
babürud  gaxtd  taseferd  yan. 

Will  heyaüti  sulfdn  bald  ta 
yikhend  yan,  ay  heyaüü  ay 
mdrkab  dahdb-kö  yamegdy  ta 
ay  bay  heyaüti  sulfdn  bald  ta 
dbbal  yadebbd  yan,  amd-ged 
dik  maddfe  yotokd  yan, 

Ay  sul(dn  bald  garud  li  tind 
yan,  ay  ta  garud  yoqomd  'dred 
yawe*d  yan,  ay  heyaütö  yigdifd 
yan. 


1)  Es  war  einst  ein  sultan,    der  hatte  eine  tochter;   diese 
seine  tochter  verreiste,  sie  bestig  ein  schiff  und  reiste  fort. 


58 


m.  Abbandlnng:    Bein i ach. 


2)  Ein  mann  nun  liebte  diese  tochter  des  sultan,  er  füllte 
nun  das  schiff  mit  gold  an  und  brachte  es  ir  zu  (und  heiratete 
sie  hiedurch)  und  brachte  nun  dieselbe  von  der  reise  zurück. 
Vor  freude  darüber  löste  die  Stadt  kanonen. 

3)  Die  tochter  des  sultan  hatte  einen  sklaven;  dieser  ir 
Sklave  betrat  nun  zuerst  das  haus  und  tötete  jenen  mann. 


Die  dummen  ehelente.^ 


1)  Gulüllt  wä  gulüli  esnin 
m,  malhoyah  umdad'd'ma,  an 
malhoydh^  tdk  wä  takät  ekina, 
ina. 
5  2)  Tun  te-tdkdt  te-gulüli  tak- 
yöh-d§hny :^  *babyö  e-gawis  dir- 
batit  hdyma-h^b.U  tedi. 

3)  f>Kira!<i  edit,  gigya,  t-en- 
deti'dhäy  iya. 
10       4)  T^Dirbatitx  idiy  T^tö-ötukna 
dirbatit  tehdru  tehi<c  edit  söya, 

5)  Duwdn  tetiby  tehi,  barüh 
ibe.  malyäb  ün  ü-tdk  sdlli  terdb 
ekitmik  büt  balamdt  tistni  (te- 

16  sni). 

6)  T^Bäbyö  en^äwdy  tü-bür 
baldmta^  enit,  Wdsya, 

7)  Takatyöh^  d^hdy  dirbatit 
anü  abty^söh  Sümya, 

20       8)  Te-takatüh^  te-gul&li:  »te- 
dirbati  kitaf^  tidi-hös, 

9)  >Bäbyö  emjläwdy  tä-b&r 
bdlama  tesni-Mb,  Wasdn<  edit 
ün  gululi. 


Düdd  ka  düdä  yinin  yan^  ay 
lammd  slneslni  mar'eHtdn  yan, 
ay  lammd  nümd  ka  bd'elä  ya- 
nin  yan, 

Ay  düdd  kln  nümd  iH  dudä 
kln  bd'elak:  *y'  dbbä  'drS-kö 
muttik  yö  bdJ^.U  ak  talehd  yan. 

^Ma'd.U  ya,  yaddy  yan^  ta 
indl  yametd  yan, 

*Mutäk  ay-tand  slni  bald*  ak 
yalehd  yan  ay  ta  Inak, 

Gäybe  tamegd  dkä  tohöy  yan, 
Ü88uk  yaddy  yan,  ardhak  abjd 
gilfd-ged  abbaröytd  bälö  dkä 
süktd  yan, 

»F*  dbbä  bald  abbaröyta*  ya- 
lehd, yuskutd  yan. 

Ay  iH  nümdl  mutük  hinim 
iSi  föydk  orobd  yan. 

Ay  düdd  klnrkä  nümd:  *  mu- 
tük aüläf^  ak  talehd  yan. 

»y  dbbä  bald  abbaröyta-yd 
yö  süktd,  amd-gBd  uskutd*  ak 
yd  yan. 


^  Vgl.  Sahosprache  I,  242. 

^  rnälho  zweiheit,  mcUhoyäh  ire  zweiheit,  bei  den  Beni-Amer:  malh-äs. 

'  Beni-Amer:  taky6a  (=  tak-i-ös)  dehdy  zu  ireni  gatteu. 

*  Beni-Amer:  takat-y-S». 

'^  Beni-Amer:  iü-tcikat-üa  seine  gattin. 


Die  Bedanye-Sprache  in  Nordoat-Afrik».  I. 


59 


10)  *Bak  tuwBrik  detu^  kit- 
ii-ön,  tö-but  ni'iS^  te-takdt  tedit 


11)  BiHb  ih^nit,  eßyaknit  dS- 
häyö9na  akS  hay  gigyän. 
5  12)  E-sdlli  saki  höd  yam  atäh 
esni-hösna.  e-ydm  ekitmenik  ü- 
täk:  »ö-i/hayönenomhinnetdukU 
en. 

13)  »Kßra.U    tedi,    >e-bVyön 
10  tü'Hn  gaHktdy  e-yam-ib  nifif.U 

iidi, 

14)  0-Vib  e-yamib  eßfna,  e- 
Viyöh  fandiye-dhdy  te-takdt  kü- 
iin  tehdyty  etdyty  e-yamib  Sümta. 

15  malyäb  wü-höd  ^kta\  tö^n  te-ta- 
kdt ukta} 

15)  ü-tdk:  *te-takatu  höysö 
amtdy  tedl^  entty  höy  Sümya. 
malydb  ün  höd  baröh  "ükta   ön 

20  ö-tdJc. 

16)  Gulülit  tcA  gulüli  bak 
ikin,  en. 


>Ahe  abtdk  sardl  y  ind  nö 
mä-hdbta-ky  bälö  hdbnö<  ak  ta- 
lehd  yan. 

Harid  blSitani ,  yutuqu*ani 
aini  sakdy  yadäyn  yan, 

Ay  ardh  adik  egil  Idy-kö  yam- 
megd-yä  dkä  sügd  yan,  amärki 
gufdn-gsd:  »mäw  tärki  abnöU 
ak  yalehd  yan  bd'elä, 

T^Ma*d!<  talehd  yan^  *yind 
mäw  ayrö  aläasd-dö,  harid  lay 
adddd  hdn^öl*  ta, 

Ay  harid  lay  adddd  häldn 
yan,  amd-gSd  ay  nümd  dibdnä 
bäxtd  lay  adddd  oroba  yan  ay 
harid  takd^tö,  ay  lay  ta  yun- 
du'd  yan. 

Ay  labahayti:  -»yi  nümd  yök 
baktd^  ya  egilik  adddd  tolübb 
yalehd  yan,  amd-gBd  ay  egil  kä 
yundu'd  yan, 

Düdd  ka  dudä  tamdy  gayn 
yan. 


1)  Es  war  einst  eine  cretine  und  ein  cretin,  beide  heirateten 
sich  und  wurden  mann  und  weib. 

2)  Da  sprach  einst  die  cretine  zu  irem  gatten:  »bring  mir 
butter  von  meines  vaters  haus!« 

3)  »Gut!<  sagte  er,  er  ging  hin  und  kam  zur  mutter. 

4)  Dieser    nun    sagte    er    also:     »eure    tochter    wünscht 
butter.« 

5)  Sie   füllte   also   ein   gefUss  voU   an,   gab  es  im  und  er 
ging  damit  fort.  Auf  dem  wege  kam  er  aber  zu  trockener  erde. 

6)  Da  sprach  er:  »die  erde  meines  Vaterlandes  ist  ja  ver- 
trocknet« und  er  salbte  sie. 

7)  Er  kam  nun  zu  seinem  weibe  one  butter. 

8)  Da  sprach  diese  zu  im:  »wo  ist  denn  die  butter?« 


*  FUr  endetii.       *  Für  ekiUd\  von  küata'-,  b,  %,  46,  e  und  §.  102. 


60 


m.  Abhaadlung:    Beinitch. 


9)  Er  erwiderte:  »die  erde  meines  Vaterlandes  war  ver- 
trocknet;  xind  da  salbte  ich  sie.« 

10)  Da  sprach  sie:  »wenn  du  es  so  gemacht  hast,  so  wird 
uns  die  mutter  nicht  dulden,  wir  verlassen  also  das  landl« 

11)  Sie  namen  nun  mel  zu  sich,  um  davon  zu  leben  und 
zogen  von  dannen. 

12)  Wie  sie  so  iren  weg  gingen,  da  kamen  sie  zu  einem 
teich  voll  Wasser  und  es  sprach  dann  der  gatte:  »dahier  wollen 
wir  unser  essen  zubereiten!« 

13)  »Gut!«  sagte  sie,  »da  ja  die  sonne  unser  essen  kocht, 
so  schütten  wir  das  mel  ins  wasser.« 

14)  Sie  schütteten  also  das  mel  ins  wasser  und  die  frau 
nam  einen  rürstock  um  das  mel  umzurüren  und  stig  hinein 
ins  wasser.    Da  aber  verschlang  sie  der  teich. 

15)  Da  sprach  der  mann:  »mein  weib  isst  nun  darin 
abseits  von  mir  alles  essen  weg«  und  er  stig  nun  auch  hinein. 
Da  verschlang  auch  diesen  der  teich. 

16)  So  nun  erging  es  jener  cretine  und  dem  cretin. 

6. 
Saraf's  ton. 


1)  Sardf  'ör  tö-kämtöh  ytäm^ 
hay  gigyaj  ibdbya, 

2)  Takdt  k^handbuy  yiharid 
iya,    'ät   eridy   Madlndh   istöb 

6  d^hdy. 

3)  Tö'kämtöh    yVdmt,    hay 
ibdbya,  Kaaaaldb  egidha, 

4)  Ö-föna  hädtrya,  fdgara: 
*  Sardf  ^ör  tiitena  kiihay^j  ina, 

10       5)  Barbar  seräkudbu,  wü-'ds- 
ker  ka^sdh  irukuäna, 

6)  Hatdy  änküandb  edir,  ö- 
riü  hö  xMy  ra^dsi  iyd^itj  rasds 
ihdytf  edir, 
16       7)    Hardmi  'öru   tak  haröh 
ihakib  iDö-Hdrtum  hay  ibs. 


Sarrdf  bafi  iH  rakäbuk  göhAj 
gala  yan, 

Nümd  yikhend  yauj  yurhodd- 
gedy  ald  yHigilä  ay  hän  Madinä 
dkä  bähd  yan, 

I§i  rakübuk  gähäj  Kdasalal 
yametä  yan. 

Dibd'd  yangeldy  labahd-kö  Sa- 
räf  bau  käyäegidamma-U  yan. 

Barbara  akdn  bälö  inkö  ak 
mäiittd  yariy  däker  inkö  ak  mä- 
Httd  yan, 

Fards  bd*lä  yigdifd,  mal  ak 
bUitd  yany  arartö  kä  yigdifd 
yan. 

Harämi  bali  Ui  gäläytö-li  yu- 
noroboti  Kdrtumil  yaddy  yan. 


Die  BedAoye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  I.  61 

8)  0-Sök  «r  yiahOc,  S-kt§ya  Saüäkin  heyaü-kü  arah-ad 
hö  ihij  Madlnäb  istöhj  ö-reü  tan  garüdd  tdna  yibildy  ak  In- 
kassöh  istöb.  Htd  yan,  ay  inkö  bay  mal  Ma- 

dinä  dkä  yohöy  yan, 

9)  Süri  amndb   is^ney   häri         Awwdl    zabdna   Sarrdf  baji 
5  Sardf  *ör  tö-takdt  ekhan,  ö^iü      galdntä   yakd   orobd  yan,  ayk 

dMh&y  elkiky  ö-dhdy  o-riü  kasaöh  sardl  Madinä  ta  yikhend  yan, 
ihe,  anhabydy  Madinab  istöb  umbakä  bälö-kö  baySdm  al-Uä 
'aiäb.  wdqtil  Madinä   dkä  bähd  yan. 

1)  Sarafs  son  bestig  seine  kamelstute,  zog  fort  und  ver- 
reiste. 

2)  Er  war  Hebhaber  einer  frau,  dieser  brachte  er  was  er 
geschlachtet  hatte,  auch  die  milch  die  er  molk. 

3)  Er  bestig  also  sein  kamel,  reiste  ab  und  kam  nach 
Kassala. 

4)  Hier  kam  er  in  ein  gefecht,  aber  kein  krieger  war 
im  gewachsen. 

5)  Auch  die  Stadt  Berber  versetzte  er  in  angst  und  alle 
Soldaten  fürchteten  in. 

6)  Er  tötete  einen  reiter  mittelst  eines  Schusses  und  nam 
im  seine  habe. 

7)  Mit  einem  mann  der  hinter  im  auf  dem  kamcle  sass, 
zog  er  nach  Chartum. 

8)  Leute  von  Suakin  fiel  er  an,  nam  inen  die  sklaven 
and  brachte  diese  und  alle  habe  der  Madina. 

9)  Ehemals  war  er  ein  bettler,  als  er  aber  Madina  lieb 
gewann,  da  brachte  er  nachts  dieser  alle  habe  zu,  welche  die 
leute  verloren  oder  die  er  erbeutet  hatte. 

7. 
Mohammod* 

1)  Hdmmed  Bombay  ebs,  aröb         Mohammed  Bombdy  gdla,  Sd 
10  ihdy   ibB,   Sdnya,   hay  yVagdr     yaddym  jalabd  kini,  yam^gd  iSi 

iya,  jalabd  gähd  yan, 

2)  B^kir  Sugutrdb  iya,  häS  Sugutrtyä  akdn  bddal  yametd 
ye'amadnÜ  eMrsyän ,  ö-bhiri  yan,  gabdd  bdrre-kö  endd  bähani 
iDö-hüsay  efiranit  tin  ehirsyän.  ka  yaybuluwin  yan. 


62 


in.  Abbsodlnng:    Reiniseb. 


3)  HamaSdy:  »ü-tin  fln,  ü-bhir 
ün  behir  Sugutrdy^  ine, 

4)  Jeddäb  iya^   wö-^aröh  ne- 
jdlya^  ibäbya, 

5  5)  0-Sök  imhdküel  mersdy 
ddsyay  wö-'öröh  ö-bhir  egid,  yi'- 
«  gigya, 

6)  Haüldb    wü-^örüh    ihäne- 
dhäy,  äro  yakisya,  Jeddäb  eya, 

10  aröb  uwivj  ibäbya. 

7)  0-bdbay  d^hdy  iya,  ü-bdba 
yakydyt:  *wü-'ar  ün  ö6?«  ene. 

8)  :>Wö'örök€  en.  Mdb  ged- 
yayj  ismare  ü-bdba. 


Mohammed  gänni:  >il  nand 
bäd  ka  endd  Sugutrd  kini^  y€h 
lehd  yan, 

Jeddd  akdn  bäiö  güfdy  iH  ja- 
labd  adddd  ak  yand  nuwd  yi- 
nizild,  yeiseferd  yan, 

Saüdkin  irö  en^jld  bädal  ya- 
metd  yan,  iH  bdlä  bddad  *aydd, 
iSe  ak  yaddy  yan, 

Egida  m^ra-yindnkö  tdli  jor 
labd  kä  gaytd  y  kä  tuyqu'd, 
Jeddal  kä  bäxtd  yan,  törke  ja- 
labd  sirähdk  sardl  yaddy  yan, 

If  dbbal  yametd  yan,  dbbä 
ogutd  yan:  *tay  jalabd  aji  ja- 
labdf*  yalehd  yan, 

*Kn  bdlä  kln^  ak  yalehdn 
yan.  lühd  bddad  'aydd  yan  ay 
ball,    dbbä  bddkö  yasketd  yan. 


1)  Mohammed  reiste  nach  Bombay,  er  nam  ein  schiff  und 
reiste  dahin;  dort  belud  er  wider  das  schiff  und  kerte  zurück. 

2)  Er  kam  ins  meer  von  Sokotra.  Da  zogen  sie  sand  und 
sclilamm  aus  dem  meer  und  zeigten  das  im. 

3)  Der  halbbUnde  Mohammed  sagte:  »Dieser  schlämm, 
dieses  meer  das  gehört  zum  meer  von  Sokotra.« 

4)  Er  kam  dann  nach  Dschedda,  entlud  das  schiff  und 
reiste  ab. 

5)  Im  äusseren  hafen  von  Suakin  legte  er  dann  wider  an, 
da  warf  er  seinen  son  ins  meer  und  für  dann  ab. 

6)  Nachdem  sein  son  ein  jar  gebliben  war,  nam  in  ein 
schiff  auf,  er  kam  nach  Dschedda,  erwarb  sich  da  ein  schiff 
und  für  ab. 

7)  Er  kam  dann  zu  seinem  vater;  dieser  erhob  sich  und 
fragte:  »wem  gehört  dieses  schiff?« 

8)  »Dein  son  ist  ja  da«  erwiderte  man;  da  warf  der  son 
die  Stangen  ins  meer,  der  vater  aber  liess  sie  auflesen. 


Die  B«d»ii7e-Sprache  in  Nordost-Afrika.  I. 


68 


8. 
Der  löwentötar. 


1)  E'Vd§e  tö-rCäy  edir,  wu 
änküdna  dähd  Bya,  e-b'dSe  edir^ 
ina. 

2)  Wu  hdiia  iya^  S-S'd  gäl 
5  ediry  mihdy-t  yina  e-Sd*  vm-än- 

küäna  ihdrOy  wö-hd^^a  imire, 
derdt  iribj  mderdyna  wö-ha4y 
irraü  edir  ö-tdk. 

3)  Andüh  iharün,   dya  ime- 
10  rün.   u)ö-hd44ay  ehena^   iherun 

ay-t  yinay  imerün,  mderardyna 

vDö-hd44<^j  fo4^  tamün  däb  eddr, 
gäl  tdk  iya;  ün  ü-tdk  ngaldlay 
wö-ha4'4^  edir. 


Wakari  läh  yigdifd  yan^  ta 
wanni  el  yametd  yan,  wakari 
ta  yigdifd  yan, 

Lubäk  inki  sagd  yigdifd  yan^ 
adohd  lala'  ay  sagd  ta  wanni 
gäroniSd  yan^  hibdk  dkä  gardy 
yan,  kä  yagddfö  tänd  yan,  ag- 
ddfö  yd-ged  aki  lubdk  yigdifd 
yan  ay  heyaütö, 

Kä  dik  kä  gäröni§dn  yan,  kä 
bddenä  tdnak  sügd  yan.  ay  Ivr 
bdk  kä  ibad  yaddyn  yan  kaünä 
lald\  amdyk  aardl  tdna  gardy 
yan.  Nagdaföna  ydn-gld  moro- 
töm  yingidifin  yan,  inki  gähd 
yan;  ay  inki  heyaüti  lubdk  kä 
yigdifd  yan. 


1)  Der  Schakal  tötete  eine  zige,  der  eigentümer  kam  dazu 
imd  tötete  den  schakal. 

2)  Der  löwe  kam  und  tötete  eine  kuh,  der  eigentümer 
suchte  sie  drei  tage^  da  traf  er  den  löwen^  konnte  in  aber 
nicht  töten;  denn  als  er  daran  war,  denselben  zu  töten,  da 
tötete  in  selbst  ein  anderer  löwe. 

3)  Seine  leute  suchten  in,  fanden  in  aber  tot.  Sie  folgten 
nun  der  fussspur  des  löwen  fünf  tage  hindurch  und  fanden 
dann  den  löwen.  Wie  sie  aber  daran  waren  den  löwen  zu  er- 
legen, wurden  vierzig  mann  getötet,  ein  einziger  entkam;  dieser 
nun  tötete  den  löwen. 

9. 

Irrfieurten  eines  mannes. 


^*  1)  El-mirkab  wü-angelisi  cfe- 
hdy  ihdy,  hay  ibdbya;  ü-dhdy 
üy-H  wa  dsorrdma  tamün  ddba. 


Will  ingilud  mdrkebil  heyaü 
kördn,  yaseferdn  yan;  heyaü-kö 
kaünä  böl  ka  malehen  tömän 
kl  yinin  yan. 


64 


III.  Abh&ndlang:    Beinisob. 


2)  B^hir  dulumdt  hay  ebin, 
bäher  dulumdt  i  ydkyän  ban-el- 
keldb  hay  eben,  durndra  hardila. 

3)  Sedb    emmirkab    Sändbe 
6  ban-el-keldbi  yVdgar^n  Byäiiy  ta- 

gug  haüldb  ihe7iBdhäy  b^ihir  du- 
lumdt iyän. 

4)  E-fa  gedyän,  d-fa  enhad- 
nidhay    ö-dhdy    tdk-kä    sadtib 

10  igidna,  igednUy  igidna-höb  tiyöt 
tiha. 

5)  Bak  ü'dhdy  enhddna^  asXm- 
hdy  tamün  bdka^  ü-dhdy  ü- 
rdü  enhddna. 

15  6)  Malydb  asimhdy  tamün 
g^dyaiiy  gäl  tak  engady  ü-dhdy 
ü-rdü  enhddna, 

7)  0-tdk  wü-engad  ö-ddgel 
rewya,  ö-termdni-ki  i8d\  bähBr 

20  Sugutrdte  efir  ene,  ö-rebdb 
amordm  ine, 

8)  0-tdk  ün  iyay  täküiyay 
ö-mirkab  yi'U  gigya, 

9)  Tägü  ay  hdüla  sdkya,  tä- 
26  gü  asaramdy  Mdssir  Bya,  Mas- 

sireb  i8d\  Mdssir  eydn-höb  b§n- 
töy  is^ni, 

10)  Massireb  haüel  ihanidhäy 
Suwis  Bya. 

30  11)  Suwesi  aröb  yVdrn,  wo- 
aröy  ^öräh  ife^  wö-öröh  ktkan; 
en^äwayöh  yakyanidhäy  takdt 
d'erdbe,  Jiddäb  iya. 


12)  O'Sök  eya;  ö-gaüöh  §üm- 
^  ydn-höb    vm-örüh    han   Sümya, 
malydb     tö-takatöh ,      wö-'ördh 
imire. 


Magäribd  bddal  yadayn  yan^ 
t&i'ke-kö  ogutani  kard  bälöl  ya- 
dayn yan  dahdb  gäröniSöna. 

Mdrkebil  lä  ardnik  sardl  ka- 
rd bälökö  gähdn  yan,  lammd 
tdnnä  egidä  märdnik  sardl  mxi- 
gäribd  bddal  yametin  yan. 

Lä  bddal  öbUdn  yan,  lä  ba- 
kitdk  sardl  heyaü  öbiSdn  yan^ 
ummdn  sä*  inki  heyaütö  öbisdn 
yan.  nabd  'azdytö  kä  bstd  yan. 

Ahe  heyaü  bakitdn  yan  bahdr 
tömän  hinim,  aki  heyaü  inkö 
bakitdn  yan, 

Ayk  sardl  bahdr  tömän  öbi- 
Sdn  yan,  inki  heyaüti  rä'd 
yan, 

Ay  rad  heyaüti  dakdl  gähdy 
tönndn  bukdl  dafdy  yan,  Sugu- 
trd  akdn  bdd-kö  baläk  aldhöy 
kömal  addwo  yalehd  yan, 

El  yametdk  sardl  hälitd  yan, 
mdrkeb  häbdy  iSe  ak  yaddy  yan, 

Lammd  tdnnä  ka  kaün  egidä 
yaseferd  yan,  lammd  tdnnä  ka 
malehdn  ya  egida  Mdser  yametd, 
dafdy  ydn, 

Törkel  egidä  märdk  sardl  Sü- 
wes  akdn  dikil  yametd  yan, 

Törkil  jalabä  gähd  yan,  ay 
jalabd  adddl  kä  bali  sügd  yan, 
ay  i§i  bdlä  söld  yan;  iH  dik-kö 
Qgutd-gBd  mar*e§itd  yan,  ayk 
sardl  Jiddä  akdn  dikil  yaddy 
yan, 

Saüdkin  akdn  dikil  yametd 
yan;  iH  *drld  sdy-gBd  kä  ba^i 
say  yan,  amd-gSd  kä  nümdy  kä 
bali  dkä  sügdn  yan. 


IHe  B^dsaye-Sprecbe  iD  Nordc«t- Afrika.  I.  60 

13)    Kassdh  ferhäba;    ü-tak  Umbakähadendn  yan;  ayhey- 

ün  tö  iaglydytib  dumärdb  ibire^      auti  t«ff  qößydtil  dahdb  bähd  yan^ 
gdbyay  hidäb  ennifiy  en.  rohös  yakd  yan^  inkö  niärdn  yan. 

1)  Leute  bestigen  ein  englisches  schiflf  und  reisten  ab, 
fiinfhundert  und  sibenzig  mann  befanden  sich  auf  dem  schiffe. 

2)  Sie  füren  ins  aWndländische  meer  und  von  da  be- 
gaben  sie  sich  nach  dem  land  der  hunde,  um  dort  gold  zu 
suchen. 

3)  Sie  namen  kühe  an  bord  und  iuren  ins  hundeland 
und  nachdem  sie  da  zwanzig  jare  gebHben  waren,  kamen  sie 
wider  ins  abendländische  meer. 

4)  [In  gefar  vor  einem  grossen  tisch]  warfen  sie  vih 
ins  meer  und  als  dieses  ausging,  so  warfen  sie  leute  hinein, 
jede  stunde  warfen  sie  einen  mann  hinein  und  diesen  frass 
der  fisch. 

5)  So  kamen  die  leute  ums  leben  bis  auf  achtzig  mann, 
alle  übrigen  waren  umgekommen. 

6)  Damach  warf  manf  auch  die  achtzig  mann  hinein, 
nur  ein  einziger  blib  noch  zurück. 

7)  Dieser  eine  mann  stig  auf  den  mastbaum,  setzte  sich 
auf  die  querstange  und  sprach:  »bei  Sokotra  steige  ich  aus 
und  gehe  dort  auf  den  berg.« 

8)  Elr  kam  nun  dort  an,  sprang  ab,  verUess  das  schiflF 
and  ging. 

9)  Fünf  und  zwanzig  jare  war  er  schon  auf  der  reise, 
im  siben  und  zwanzigsten  kam  er  nach  Kairo  und  blib  daselbst. 

10)  Als  er  sich  in  Kairo  ein  jar  lang  aufgehalten  hatte, 
kam  er  nach  Suez. 

11)  In  Suez  bestig  er  ein  schiflF  und  auf  diesem  befand 
sich  sein  son,  er  aber  kannte  denselben  nicht.  Als  er  nemlich 
seine  reise  antrat,  da  hatte  er  eben  geheiratet  und  ging  dann 
nach  Dschedda. 

12)  Er  kam  also  endlich  wider  nach  Suakin  und  wie  er 
sein  haus  betrat,  da  traf  er  da  sein  weib  und  seinen  son. 

13)  Alle  freuten  sich  nun;  der  mann  hatte  in  seiner 
kappe  etwas  gold,  er  war  also  reich  und  so  bliben  sie  denn  bei- 
sammen. 

Sitmigsb«r.  d.  pkiL-hist.  CL  CXXVm.  Bd.  S.  Abb.  5 


66 


m.  AbhaodlnDg:    Beinisch. 


10. 
Drei  reisende.^ 


1)  Wö-'däo  mhdy  da  d^hä 
ehdyn  e-garbi  ydkyän  e-sartk 
iyariy  m^hdy  tamün  aSodyt  asö- 
dyti    d^hay-ka   rti^hdy  da  ä/fe«, 

5    e-garbi  e-sarik  iyän. 

2)  MaWik  emdlhäva  mdrkah 
a§dy  dör  ma^ä§:   y^näntay  eh- 

tän?^   ina. 

3)  -»Wö'harön  i'ätäna!'<  ina. 

10        4)    »Ndntay   ydktäna?«^   6na. 

5)  ^E-garbi  ydkina,  e-^arik 
nibe ;  ö-bhir  ün  yaksBt  iniby 
b^her  dulumät  neMöbe,  e-dkäy, 
e-dkäy  n4rküe<c  Bna. 

15        6)  E-merkab    easi§    t'njydy: 
T^insibua  Äan,  jinnibuahi    ine. 

7)  Bai'üh   yakydy:    -»ingiba^ 
(nCy  ^wü'hdber  wö-hdri  näy  geb 
BfS€  ine. 
•20       8)  E-betMb  d^hdy  iya:  »7idn- 
tay  i'taf*  ine. 

9)  *Wü-hdber  wö-harindy  geb 
e/^«  ine. 

10)  Wü-hdri    ydkya:     »?rö- 
26  hdber  ahdr  ehl*  ine. 


Azäyti  bukdk  adöhd  heyaüti 
ak  gähdiiy  gdrib-kö  Sdriqfän  ya^ 
ddyn  yav,  sazzdm  azatiyak  um- 
mdn  azdyfö  adöh  adöh  ak  gäha- 
nt  y  gdrib-kö  Mriq  fän  yadayn 
yan. 

Maläykd  tan  dfad  adi  mar- 
kab  al-i^ä  wdqtil  dkä  garaytd 
yan:  »aillakö  tanietinif^  ak  ya- 
lehdn  yan, 

»EsBra  Haratiya!<  ak  ydehdn 
yan. 

»Atllakö  ogüttanf<i  ak  yale- 
hdn  yan. 

»Ogünnd  megdHbakö  muSdri- 
qal  adi  nana;  tä  bäd  ni  tänd- 
ged  bdher  dtihimM  fän  adi  na- 
nd,  heydwa  tä  azd  tasiydnkö 
maHnna^  yalehdn  yan. 

Mdrkab  dkä  garayta-ged :  *  in- 
st kitini,  ginsi  kitinif^  t-a  esertä 
ydn. 

Ay  azd'k  bukd  yandti  ogütdtl: 
-»ginnt  mdkiyö,  inst  kiyö,  wärB 
saratiyä  esBrdnta.U  yalehd  yan. 

Fantitiyä  esBrdn:  T>aülakö  ta- 
nietaf^  yani  yalehdn  yan. 

-»Wäre  saratiyä  esBrä.U  ak 
yalehdn  yan. 

Sarati:  »iü4n  abayHmd^  ak 
yalehd  yan. 


'  Trotz  weitem  ausfragens  gelang  es  mir  nicht,  zum  genauen  verständnias 
dieses  Stückes  zu  gelangen;  der  erzäler  hatte  keine  andere  antwort  als: 
»so  war  die  geschichte,  nun  genug.« 


Die  Bad&nye-Spnche  in  Nordost-AAriln.  I.  67 

1)  Auf  einen  fisch  setzten  sich  drei  mann,  brachen  auf  im 
Westen  und  füren  gegen  osten.  Von  dreissig  fischen  setzten  sich 
stets  auf  einen  fisch  die  drei  mann  und  kamen  von  west  nach  ost. 

2)  Engel  zogen  vor  diesen  dahin  und  denen  begegnete  bei 
einbrach  der  nacht  ein  schiff  und  fragte  sie:  »woher  kommt  ir?« 

3)  »Fragt  nur  die  hinter  uns!«  erwiderten  sie. 

4)  »Von  wo  seid  ir  aufgebrochen?«   fragte  man  sie. 

5)  Diese  antworteten:  »wir  brachen  auf  im  westen  und 
ziehen  nach  osten;  dieses  meer  da  will  uns  nicht  aufkommen 
lassen,  wir  geleiten  die  männer  vom  westmeer  her  und  wir 
furchten  die  menschen.« 

6)  Das  begegnende  schiff  fragte  dann:  »seid  ir  menschen 
oder  dämonen?« 

7)  Da  erhob  sich  einer  und  sprach:  »menschen  sind  wir, 
weitere  auskunft  erhält  man  bei  dem  hintermann.« 

8)  Der  mittere  mann  kam  heran  und  man  fragte  den- 
selben: »woher  kommst  du?« 

9)  Dieser  erwiderte:  »auskunft  erhält  man  bei  dem 
hintermann.« 

10)   Der  hintermann    erhob   sich    und    sprach:    »auskunft 
^bt  ein  rückwärtiger.« 

11. 

Der  schakal  und  der  rabe. 

1)  BedSe  wä  kuiküay  (kuiu-  Wdkari  ka  käköyti  inkö  mä- 
kay)  hiddb  esnin,  en.  rak  yinin  yan. 

2)  E-bedSe   te-märe   wö-'aüi  Wakari  zlbo  (}üy  hukdl  häplä 
dehd  efif:  >hideddb  tdmi  niydd<  yan:   *inkö   bennö^    ak   ta\ehd 

5  yhie.  yan  käköytak. 

3)  O'küiküay  bi-gadrayBk  ü-  Ay  käköyti  bitö  tänd-ged,  ay 
be'dSe  te-m^dre  ibiye  tdmya.           wakari  tä  zlbö  iSS  betta  yan, 

4)  Malydb  o-küiküay  dife  ha'-         Amdyk  sardl  ay  käköyti  fdhsö 
iyaj  wö-hdii  d^hd  efify   tdma!     bälöd  häld   yan:    *tä  bet,U   ak 

10  yine.  yalehd  yan. 

5)  E-be^dse  bl-gadrayek  ö-küi-  Wakari  ay  bettö  täntd-ged  ay 
küay  te-dife  ebiye  tdmya.               käköyti  ay  fdJisö  Ub  betd  yan. 

1)  Ein  schakal  und  ein  rabe  hausten  beisammen. 

2)  Der  schakal  goss  suppe  über  einen  stein  aus  und  sprach 

zum  raben:  »wir  werden  nun  die  zusammen  essen.« 

6* 


68 


III.  Abhaadloog:    Beinisch. 


3)  Da   der  rabe  (mit   seinem   Schnabel   suppe  vom  stein) 
nicht  essen  konnte,  so  ass  der  schakal  die  suppe  selbst. 

4)  Hierauf  brachte  der  rabe  nun    belila  herbei,    schüttete 
dieselbe  auf  den  sand  aus  und  sprach:  »da  iss!« 

f))  Da  der  schakal  dies  nicht  vermochte,  so  ass  der  rabe 
selbst  die  belila. 

12. 
Die  mause. 


1 )  Ü-guhh  mandälät  ^  ihire, 
takati  dha  hya. 

2)  Deläh  eflrikj  dn^äxoa  wo- 
hdrro  oghdr^  ü-delAy  edi\ 

5  3)  Guhh  wSr  ife,  däwah  og- 
hdVy  harröb  hö  ih^y,  wü-hdrro 
ö-raüi  d^hdy  Bya ,  malhoyäh 
Sarik  iha, 

4)  Takdt   tife^    tü-takdt    tun 
10  düta,    amasinga   tö-takati   dha 

^y^}  firfy^y  ^-damM  betik  ^ürnya, 
tdmya,  yVU  gigya. 

5)  Tü-takdt  ü-mha  mähydn- 
höb   wö'^adöh   teisbib,    wö-adöh 

15  tdmama  rhhita. 

6)  Wö'haünd  ö-raü  ü-gübb 
iya,  tü-takdt  ö-takyöh  geb  düta. 

7)  Ü-gübb  ö-tdki  mid  fufyäyt 
tdmyay  ü-mha  mheydn-höb  yVis 

20  gigya, 

8)  Wö-haüäd  ö-raü  oguddna, 
tü-takdt  ü-tak  toä  oga^ddna,  o- 
güäyna. 


Andäwd  tind  yan,  will  jawis 
lik  tind  yan,  ay  andAioä  nümnl 
tametd  yan. 

Ay  andäwn  dik  gar'itdy  Hau 
bodöd  haytd  yan. 

AM  andäwd  find  yan,  lel  dik 
garitd  yan,  ay  Hau  iH  kahan- 
töli  kln  andäwAl  bäxtd  yan, 
lammt  Sirqd  bd'il  kl  yinin  yan. 

Will  nümd  tind  yan,  ay  nü- 
md  4^ntd  yan.  bdrak  abld  ay 
nümdl  tametd  yan,  fuf  ta,  lam- 
md  Idki  fdnad  zaytd,  ta  bus 
füf  ta,  bettd,  taddy  yan. 

Ay  nümd  bälö  mä^td-ged  iSi 
bus  tubild  yan,  iäi  btus  betimtdm 
i§^k  tubild  yan. 

Malammi  bar  ay  andäwd  ta- 
metd yan,  ay  nümä  iH  bä*eli 
agdgal  (}ina  süktd  yan. 

Ay  andäwd  bä^eli  dag&mä  fuf 
ak  ta  bettd  yan,  dahine  isi  ak 
taddy  yan. 

Malammi  bär  tan  bettdm  ya- 
lagöna  andagulta  hinim  (}%ndn 
yan,  ilälani  waynik  sardl  4^ndn 
yan. 


^  Wörtlich:   eine  waclie;    der   sinn  ist  nur:    eine  vomeme   maus  (der  als 
solcher  ein  kawass  zur  verfU^ng  stand). 


Die  fiedasye-Sprache  in  Nordost-AfHka.  I. 


69 


9)  KBrnmÄb  d^hdy  ü-gnhb  eya, 
tö-takdt  'ad  tdmyaj  yiU  glgya^ 
ö-raü  ibsj  wö-hdber  ihe. 


10)  Tö'fddtga    titay    dihay 
5  iyäHj    ü-ngäl^   t-ö-tdkati   ragdd 

fufyäy  tdmyay  ü-raü  ö-tdki  mid 
Uimya. 

11)  O-mha  mheyan-höh,    er- 
kiyän-höb     an    gübba    ddbyän 

10  ihina. 


fSubhi  wdqtl  ussün  cllndnik 
sardl  ay  andäwd  tametd  yaUj 
ay  nümd  ta  bettdy  isB  ak  taddy, 
isi  dobäytöl  faddy,  abtum  ak 
wärtS§d  yan. 

Mäfäri  bar  ay  lammä  andä- 
wd nümd  ka  bd*elal  yametin 
yaUj  wilityd  nümd  lokal  fuf  ta, 
numd  lak  bettd  yaUj  wilUyd 
bä'eli  dagümä  bettd  yan. 

Bälö  mäxtd-gedy  üssün  yubi- 
linin  sardl  ay  dndäw  küddn 
yan. 


1)  Die  maus  hatte  einen  kawass  und  kam  zu  einer  frau. 

2)  Diese  maus  grub  auch  eine  grübe,  stal  dann  getreide 
von  leuten  und  legte  es  in  diese  grübe. 

3)  Da  war  femer  eine  andere  maus,  auch  sie  bestal  die 
Ortschaft  und  nam  von  da  geti'eide,  dieses  wanderte  zu  irem 
freunde,  denn  sie  beide  waren  verbündete. 

4)  Es  war  also  eine  frau,  diese  nun  schlief.  Bei  nacht 
kam  nun  die  maus  zur  frau,  blies  sie  an,  schlüpfte  dann  zwischen 
deren  beine,  frass  da,  verliess  sie  dann  und  ging  von  dannen. 

5)  Als  es  morgen  geworden  war,  besichtigte  die  frau  ire 
blosse  und  fand  sie  angefressen. 

6)  In  der  zweiten  nacht  kam  die  maus  abermajls  und  da 
schlief  die  frau  neben  irem  gatten. 

7)  Die  maus  blies  nun  des  mannes  blosse  an  und  frass; 
am  morgen  verliess  sie  denselben  und  ging  fort. 

8)  In  der  folgenden  nacht  wachten  sie,  die  frau  und  der 
gatte,  wurden  aber  dann  ermüdet. 

9)  Gegen  morgen  kam  die  maus,  frass  die  blosse  der  frau 
an,  ging  dann  fort  zu  irem  genossen  und  brachte  im  künde. 

10)  In  der  vierten  nacht  kamen  sie  abermals  dahin,  die 
eine  maus  blies  das  bein  der  frau  an  und  frass  davon,  die 
andere  aber  frass  an  des  gatten  blosse. 

11)  Als  es  morgen  geworden  und  die  beiden  leute  das 
geschehene  erschaut  hatten,  waren  die  mause  schon  fort. 


70 


III.  Abbandlnag:     Reinisch. 


13. 
Sätze  zum  nnmerale. 


1)  Bäbe  tdmna-mhay  ar  ihi- 
re;  wö-äunveli  Yagub  eddna,  ö- 
rdü  Yusüf  eidnaj  d-mhäija  h- 
TiicCil  eednay  ö-fd^lga  Sultan 
6  eidna^  voö-dya  'Omar  eddruiy 
wö-asägära  oükrib  eedna,  wö- 
dsardma  Adam  eedna,  wö-asim- 
ha  Hissin  e'^dnuy  wö-aS$d4ig(i 
Hümmad  eMna,  ö-tdmna  Ha- 
10  müd  eedna^  ö-tamnd-gura  'Alib 
e4dnay  ö-tdrana-mälya  Eddin 
e'ednaj  ö-tdmna-mhdya  Jöha  e- 
edna;  an  tdmna-mhdy  kassäh 
sandba^  bäbye  'dra. 


Beni-Amer. 


1)  Bdbu  tdmlna '  mihdy  'ar 
ibire:  ö-sürkena  Yd'küb  iyddna, 
ö-mdlya  Yüsif  iyddna,  ö-mhdya 
hmd'il  iyddna j  ö-fd^iga  Sultan 
iyddna,  wö-dya  'Omdr  iyddna, 
wö-asdgura  Sükri  iyddna,  wo- 
dsa-rdma  Addra  iyddna,  tcö-a- 
sümha  Hissin  iyddna,  wö-aSid- 
4^iga  Hüvimad  iyddna,  ö-tdmlna 
Hamud  iyddna,  ö-idmind-gura 
'Alib  iyddna,  ö'tdmtna-mdlya 
Eddin  iyddna,  ö-tdminormhdya 
Jaühdb  iyddna;  an  tdmina-whdy 
kassds  sandba,  bdbyo  'dra. 


15  2)  Tü-jima  a^aramdt  ylndt 
ebdre:  tü-äwweli  sdbte,  tü-rdü 
hddde,  tü-mkäya  litnints,  tü-fd- 
(jttga  talatdte,  tü-dya  erbaute,  tü- 
asägüra    hamiste,    tü-dsa-rdma 

20  ginidte, 

3)  Tö-yin-tön   gdl    dör    i'an- 
hök, 

Tö-yln-tön    malö    döra    Van- 
hök, 
25       Ti-yln-tön   m^hdy   döra  ian- 
hök, 

Tö-yln-iön  fadig   döra   ian- 
hök. 

Tö-yln-tön  ay  d-öra   i*an-kök. 


2)  TU'jma  asaramdi  ylndt 
ebdre:  ü-mb€  wü-dwweli  sab,  ü- 
mbi  ü-mdlya  had,  ü-mhdya  et- 
nin,  ü-fddtga  taldta,  wü-dya 
erbd\  wü-asdgura  hamis,  toü- 
asardma  jim'dt. 

3)  Tö-Hnt^  gär  ragdd  yVan- 
höka. 

Tö-Hntlb  malö  rdgada  yfan- 
höka. 

I}}'Hntib  mMhdy  rdgada  yi'an- 
köka. 

lo-Hntlb  fällig  rdgada  yVan- 
höka. 

lo'Hnttb  ay  rdgada  yVan- 
höka. 


Die  Bedaoye-Spnche  in  Nordost-AfHks.  I. 


71 


13. 
Sätse  snm  nnmerale. 


Saho. 

Y^  dbhä  adähän  ka  Uimmnn 
däylo  lik  yina;  eldl  halt  kä  mi- 
gd'  Yaqöb  ydiehany  mnlarami  kä 
migd'  Yösif  ydlehaUj   mädahlti 
kä  migd*  Ismail  ydlehan^  mäfä- 
ri  bali  kä  migd*  JSultdn  yan^  ma- 
kaicänlti  kä  migd'  'Omar  yan^ 
lUi  yd  baji  Sükri  kä  migd*  yauj 
malehdn   ya-ti  kä  migd*  Adam 
yan,  bahdr  ya-ti  Hissin  kä  mi- 
gd* yariy   sagdl  ya-H   kä  migd* 
Hümad  yaiiy    tammdii  ya-ti  kä 
migd'  H.  yan,  inikdn  ka  tammdn 
ya  ball  kä  migä  *A,  yan,  lam- 
mdn  ka  tamtndn  ya-ti  kä  migd' 
E.  yan^  adähdn  ka  tammdn  ya- 
ti  kä  migd*  J.  yan;  täy  inkö  sd*- 
ül  Mjiön, 

Bahürö  lald*-kö  malehdn  la: 
ddl  lata'  erufd  sdmbat,  malammi 
lata'  nabd  sdmbat  kiniy  mädahi 
kUd*  sanij  mäfäriti  zalüs  kini, 
makawani  lalä  robib  kini,  lih 
ya  Udd*  hamuSy  malehdn  ya-ti 
gama'dt  kini, 

Kdfä  anib  inki-ged  köl  a- 
meta, 

Kdfä  anü  lammA  ged  köl  a- 
meta. 

Kdfä  anü  adähd  ged  köl  a- 
mdta. 

Kdfä  anü  afärd  ged  köl  a- 
fnita. 

Kdfä  anü  kaünd  g^d  köl  a- 
inüa. 


Deutsch. 

Mein  vatcr  hatte  dreizehn 
söne:  der  älteste  liiess  Jakob, 
der  zweite  hiess  Josef,  der  drit- 
te son  hiess  Isinael,  den  vierten 
nannte  man  Sultan,  den  fünften 
hiess  man  Omar,  den  sechsten 
son  nannte  man  Schukri,  den 
siebenten  nannte  man  Adam, 
den  achten  nannte  man  Hissen, 
den  neunten  nannte  man  Mo- 
hammed, den  zehnten  nannte 
man  Mahmud,  den  eilften  aber 
Ali,  den  zwölften  nannte  man 
Eddin  und  den  dreizehnten 
Dschauha;  alle  diese  dreizehn 
waren  brüder  und  die  söne 
meines  vaters. 

Die  woche  hat  siben  tage: 
der  erste  tag  ist  der  samstag, 
der  zweite  ist  der  sonntag,  der 
dritte  ist  der  montag,  der  vier- 
te dienstag,  der  fünfte  mitt- 
woch,  der  sechste  donnerstag, 
und  der  sibente  ist  der  freitag. 

Ich  kam  heute  einmal  zu  dir. 

Ich  kam  heute  zweimal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  dreimal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  viermal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  fünfmal  zu 
dir. 


72 


III.  Abhandlung:    Reiniscb. 


Hadepd&wa. 

Tö-yln-tön   asägür  döra  Van- 
hök. 

Tö-yln-tön  asardma  döra  i'an- 
hök. 
5       Tö-yln-tön  as^mhi  tcdkta  Van- 
hök, 

Tö-yln-tön  äSScuHg  wdkta  Van- 
hök. 

Tö-yln-tön  tamin  wdkta  ian- 
10  hök, 

4)  Barük  mdssi  Mesmcih  te- 
ßya% 

5)  Ane,  mdssi  hen-tön-i  kd-ha. 

6)  Ane  malö-ti  rndsse  Jidddy 
15   iß, 

7)  Barük  nidlya  dar   intöni 
tefeya. 

8)  Barük  mdssi  Massirih  i^fi) 


Beni-Amer. 

Tö-^intlh  asagür  rdgada  yxan- 
köka. 

Tö-intib  asardma  rdgada  yi- 
an-höka. 

I'ö-Hntlb  asimhdy  rdgada  yf- 
an-höka, 

Tö-intih  assa^ig  rdgada  yf- 
an-höka. 

Tö-intlb  tamin  rdgada  yV an- 
höka. 

Barak  mdssi  Mesuwib  tifiyaf 

Ani  massi  bin-töy  kd-ha. 
Ani  malö-t  mdsse  Jidddy  iß. 


ya. 


Barük  mdlya  dör  intöy  tifi- 
Barüs  mdssi  Massir ib  ißf 


9)  BaHlh  mehdy  haiUdbj  dy- 
20   ti  tergdtj    tamin-t  ylnät  bintön 

eß.         ^ 

10)  Ane  engdt  (engäl-t  und 
engdl-ti)  massBt-wä  terdb-toä  ö- 
Sökib  asd\ 

•26  11)  Bardhna  (barähj  fadig-t 
mdsse,  asäynr-ti  terga,  a^^adig-t 
ylndt  ö-Söki  esnin. 

12)  Ane  engäl  kam,  malö  ha- 
tdy,    m4ihdy   ^ä^a,  fadig-t  dno, 

30   ay  anö-t  'ar  dbare. 


Barüs  mehdy-ti  mdsse,  ay  ter- 
gnt,  tamdn-t  ylndt  bentöy  iß. 

Ani  engdl  haüldb-wä,  terdb- 
wä  Ö-Söki  asa    (oder  dseni). 

Baräsna  (bards)  fadig  haü- 
Inb,  asagur-t  tergdt,  assadig-t 
ylndt  ö-Sökib  isnin. 

Ani  gäl  kam,  mulö  hatdy, 
mehdy  ma,  fadigt  drgina,  ay-t 
rengenit  dbare. 


Dia  Bedaojre-Sprache  in  Nordost-Afirika.  I. 


73 


Saho. 

Kafä  anü  lehd  ged  köl  am4ta. 

Käfä  anü  malehand  ged  köl 
ameta. 

Käfä  anü  bahärd  ged  köl 
ameta, 

Kafä  anü  sagalä  ged  köl  a- 
meta. 

Kafä  anü  tainmänd  ged  köl 
ameta, 

Atü  tüili  wdqte  Ma^uw'dl  ki- 
tö-hof 

Anü  ahadd  törkil  md-hiyö, 

Anü  lammd  egida  Jiddal 
mdra. 

Atü  malammi  ged  tärkil  ki- 
nitö, 

Üssük  wili  ged  Mdsseril  kini- 

Ussük  adohd  egida,  kaün  dl- 
zäy  tammänd  lala*  törkel  mdra. 


Deutsch. 

Ich  kam  heute  sechsmal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  sibenmal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  achtmal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  neunmal  zu 
dir. 

Ich  kam  heute  zehnmal  zu 
dir. 

Warst  du  jemals  in  Mas- 
saua? 

Ich  war  niemals  dort. 

Ich  war  zwei  jare  in  Dsched- 
da. 

Du  warst  das  zweite  mal 
schon  hier. 

War  er  jemals  in  Kairo? 

Er  war  dort  drei  jare,  fünf 
monate  und  zehn  tage. 


Anü  inki  egidä  ka  egid  abld         Ich  hielt  mich  auf  in  Suakin 
tkucäkinil  dafdy.  ein  und  ein  halbes  jar. 


'Ussün  afärd  egidä,  lik'  dlzä, 
sagald  lala'  Sawäkinil  dafäyna. 

Anü  inki  gäldytö,  lammd  fa- 
rdsy  adohd  sagd,  afärd  aydö, 
kaänd  aydö  bald  liyö. 


Sie  bliben  vier  jare,  sechs 
monate  und  neun  tage  in  Sua- 
kin. 

Ich  besitze  ein  kamel,  zwei 
pferde,  drei  kühe,  vier  schafe 
und  fünf  lämmer. 


74  111-  Abh. :    Beinisch.   Die  Bedauye-Spnche  in  Nordost-Afrika.  I. 


Inhaltsverzeiclmiss. 


Seite 
Vorrede 1 

I.  ErBälungen  im  Idiom  der  Beni-Amer  in  Barka 5 

1)  Ein  reumütiger  sUnder — 

2)  Der  taube,  der  blinde,  der  lame  und  der  kalk^pfige — 

3)  Ein  feigllng 6 

4)  Unehlige  kinder  gedeihen  nicht 7 

5)  Erlebnisse  eines  schech 8 

6)  Der  son  eines  schech  (Ursprung  der  Har|6ii<Jäwa)      11 

7)  List  eines  mädchens 13 

8)  Der  esel  und  das  kalb 19 

9)  Der  schakal  und  das  lamm 24 

10)  Der  schakal  und  das  zicklein — 

11)  Die  maus,  der  frosch  und  die  eidechse 25 

12)  Die  eidechse  und  der  schech 28 

13)  Die  schlänge  und  der  zigenhirt 29 

14)  Sätze  und  redensarten 30 

II.  Qespräche  und  satae  im  idiom  der  Halönga 44 

m.  Erzälungen  im  idiom  der  Hadönd&wa 55 

1)  Omar — 

2)  Zwei  beiden — 

3)  Martad  pascha 56 

4)  Die  tochter  des  sultans 57 

5)  Die  dummen  eheleute 58 

6)  Saraf  s  son 60 

7)  Mohammed 61 

8)  Der  löwentöter 63 

9)  Irrfarten  eines  mannes — 

10)  Drei  reisende 66 

11)  Der  schakal  und  der  rabe 67 

12)  Die  mause 68 

13)  Sätze  zum  numerale  (der  Ha(;)49(}&wa  und  der  Beni-Amer)     .    .  70 


IV.  AbhandloDf :    Tomaschek.    Die  alt«n  Thraker.  I.  1 


IV. 
Die  alten  Thraker. 

Eine  ethnologische  Untersuchung 


TOD 


Wilhelm  Tomasohek, 

corresp.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften. 


I. 

üebersicht  der  Stämme. 

Vom  Pyrenäen  wall  bis  zur  Indusbeuge  zieht  sich  ein 
Berggürtel  dahin  ^  welchen  die  geologischen  und  tektonischen 
Verhältnisse,  sowie  der  mediterrane  Charakter  der  Vegetation 
zu  einer  Einheit  gestalten;  nordwärts  breiten  sich  niedrige 
Massengebirge,  waldige  und  sumpfige  Flächen,  endlich  Steppen 
aus;  gegen  Süden  lehnt  sich  an  das  Mittelmeer  eine  Reihe 
regenarmer  Wüstenstriche  an,  und  nur  das  Nildelta,  die  syrische 
Küste  und  Mesopotamien  bieten  alle  Vorbedingungen  zur  Ent- 
wickelung  einer  höheren  Cultur.  Zwischen  diesen  weiten 
Räumen,  worin  Gleichförmigkeit  herrscht,  erhebt  sich  jener 
eurasische  Berggürtel ,  welcher  eigenartige  Entwickelung, 
Mannigfaltigkeit  und  Abgeschlossenheit  befördert  —  dies  gilt 
auch  in  ethnischer  Hinsicht.  Im  Gegensatz  zum  Wüstengürtel, 
welchen  die  aus  einem  Urstock  entsprungene  hamitische  und 
semitische  Völkerwelt  innehatte,  und  zur  Nordseite,  entlang 
welcher  sich  einerseits  Indogermanen,  anderseits  gleichartige 
Mongoloiden  gelagert  hatten,  bildete  der  Berg-  und  Hochlands- 
gürtel das  Erbe  einer  langen  Reihe  von  Urvölkern,  die  zwar 
in  leiblicher  Hinsicht  durch  die  Eigenschaften  der  ,kauka8ischen^ 
Rasse  zu  einem  Ganzen  verknüpft  waren,  in  der  Sprechweise 
jedoch  die  erstaunlichste  Mannigfaltigkeit  aufwiesen  und  in 
eine  grosse  Zahl  von  isolirten  Gruppen  zei'fielen,  denen  Nichts 
gemeinsam  war  als  höchstens  der  Charakter  flexi vischer  Com- 
plicirtheit. 

Sitzungsbcr.  d.  phil.-hi8t.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  4.  Abh.  1 


2t  lY.  Abluuidliing:    Tomas cbek. 

Dieser  langgestreckte  VölkergUrtel  ward  zu  verschiedenen 
Zeiten  durch  die  Wanderungen  der  Nordvölker  durchbrochen 
und  bis  auf  spärliche  Bruch theile  zertrümmert:  in  der  Gegenwart 
besitzen  nur  noch  die  Pyrenäen  im  äussersten  Westen,  der  hohe 
Zug  des  Kaukasus  in  der  Mitte,  und  das  versteckte  Hochthal 
von  Hunza-Nagir  an  der  Grenze  der  monosyllabischen  Sprach- 
welt, die  letzten  schwachen  Ueberreste  jener  Völkerreihe;  die 
drei  südlichen  Halbinseln  Europa's,  ferner  Kleinasien  sammt 
dem  armenischen  Hochlande,  der  Alburz  und  Zagros,  der  Hin- 
dukusch und  das  Pamirplateau,  haben  durchweg  nordische 
Volksthümer  erhalten.  Ja,  bereits  an  der  Schwelle  der  ge- 
schichtlichen Zeit,  haben  die  Arier,  das  östlichste  Glied  der 
voreinst  eine  zusammenhängende  und  geschlossene  Masse  dar- 
stellenden Indogermanen,  den  eurasischen  Bergzug  überschritten 
und  an  der  Seite  der  allophylen  Südvölker  eine  neue  Heimath 
gefunden,  welche  viele  Jahrhunderte  später  wiederum  von 
mongoloidischen  Nordvölkern  ständig  bedroht  werden  sollte. 

.  Ausser  Hellas,  dem  Sitze  lelegischer  und  vom  Orient  bo- 
einfiusster  pelasgischer  Völker,  finden  wir  namentlich  Kleinasien 
von  einer  dichtgeschlossenen  fremdartigen  Völkermasse  besetst 
Wie  im  Kaukasus,  so  gab  es  hier  zahlreiche  mehr  oder  minder 
rohe  oder  durch  die  Cultur  Mesopotamiens  und  Aegyptens  be- 
einflusste  Bergstämme,  welche  sich  untereinander  bekämpfen  und 
verschieben  mochten,  in  die  Geschicke  der  Nachbarländer  jedoch 
selten  dauernd  eingriffen;  wenn  sie  sich  ausnahmsweise  zu  grossen 
Unternehmungen  einigten,  so  geschah  dies  gegen  Syrien,  Cypem 
und  das  reiche  Nildelta,  nicht  gegen  das  europäische  Nordland, 
die  Heimath  physisch  überlegener  Völker,  deren  Rolle  stets 
eine  active  war.  Die  prähistorische  und  Unguistische  Forschung 
hat  die  Bedeutung  Europa's,  als  einer  Heimstätte  urkräftiger 
Völker,  dargethan;  mögen  sich  auch  zur  Bildung  der  Indo- 
germanen oder,  wie  man  sie  jetzt  nennen  will,  der  Ario-Teuten, 
verschiedene  Rassentypeu  aus  Süd  und  Ost  zusammengefunden 
haben  —  die  Sprachen  selbst  weisen  mit  Entschiedenheit  auf 
einen  europäischen  Ursprung.  Hatte  aber  einmal  ein  nordischen 
Volk  den  Weg  in  die  allophyle  kleinasiatische  Region  gefunden, 
so  blieb  es  daselbst  und  ward  allmälig  der  Kraft  verlustig, 
Rückstösse  in  die  alte  Heimath  auszuüben.  Wanderzüge  aus 
Europa  über  den  Bosporus  oder  über  den  kaspischen  Uferaaum 


Die  alten  Thraker,  l.  ö 

nach  Iran  werden  uns  stets  naturgemässer  erseheinen  müssen, 
als  solche  in  umgekehrter  Richtung.  Die  späteren  Invasionen 
der  arabischen  Glaubenskämpfer  bilden  eine,  aus  dem  Zu- 
sammentreflfen  überaus  günstiger  Zustände  erklärliche  Aus- 
nahme; und,  was  die  Türken  betrifft,  so  gehören  diese  zu  den 
nordischen  Völkern,  und  ihre  Wanderung  wird  durch  fort- 
laufende Sporaden  türkischer  Stämme  bis  zum  Altai  bezeichnet, 
während  solche  Spuren  für  die  angebliche  Auswanderung  von 
Indogermanen  aus  dem  Süden  gänzlich  fehlen.  Ein  im  kiU- 
kischen  Antitaurus  gesprochener  neugriechischer  Mischdialekt 
soll  angeblich  uralte  indogermanische  Sprachreste  enthalten;  die 
betreflFenden  Wörter  sind  aber  aus  den  Nachbarsprachen  ent- 
lehnt und  der  Rest  gar  nicht  indogermanisch,  wie  beispielsweise 
die  Zahlwörter  lingir  6,  tath  7,  matli  8,  danjar  oder  tsankar  9 
—  offenbare  Ueberbleibsel  der  uralten  kappadokischen  Sprech- 
weisel 

Aber  die  Armenier  und  Phrygen  sollen  aus  dem  Osten 
gekommen  sein  und  in  Kleinasien  zurückgebliebene  Reste  der 
indogermanischen  Wandervölker  darstellen!  Sehen  wir  jedoch 
genauer  zu,  so  ergibt  sich  uns  gerade  das  Gegentheil.  Wenn 
die  armenische  Nation  zu  der  indogermanischen  Familie  ge- 
rechnet wird,  so  geschieht  dies  auf  Grund  ihrer  Sprache, 
welche  namentlich  in  der  verbalen  Flexion  wichtige  indo- 
germanische Erbgüter,  wie  das  Augment  und  den  Aorist,  be- 
wahrt hat;  auch  im  Wortvorrath  findet  sich  trotz  starker 
Ueberwucherung  durch  fremde  Elemente  ein  stattlicher  Procent- 
satz alten  Gutes.  Im  Ganzen  jedoch  gehört  das  Armenische 
zu  den  stärker  entarteten  Schwestern  der  Familie;  das  Laut- 
system zeigt  eine  merkwürdige  Mischung  mitgebrachter  ost- 
europäischer Charaktere  mit  der  Pronunciation,  wie  sie  bei  den 
kleinasiatischen  Urvölkern  vorausgesetzt  wird  und  thatsächUch 
noch  bei  den  südkaukasischen  Aboriginern  auftritt  —  jeder 
armenische  Text  kann  ebenso  gut  mit  den  Buchstaben  des 
georgischen  Alphabets  geschrieben  werden!  Offenbar  haben 
sich  die  Armenier  auf  ihrer  schrittweisen  Vorschiebung  über 
die  nördUchen  Striche  Kleinasiens  viel  fremdes  Sprachgut  und 
schUesslich  auf  alarodischem  Boden  die  orale  Disposition  der 
sUdkaukasiscben  Ursassen  angeeignet.  Diese  sprachliche  Wand- 
lung erfolgte  gleichzeitig  mit   einer  Umformung  des  leiblichen 

1* 


4  IV*  Abhandlnng:    Tomasehek. 

Typus,  der  allgemach  eine  südlichere  Färbung  annahm.  War 
auch  der  Typus  der  indogermanischen  Völker  von  Haus  aus 
ein  gemischter  —  eine  solche  Uebereinstimmung  und  Gleichheit 
des  brünetten  und  durchweg  brachykephalen  Typus  der  Ar- 
menier mit  dem  eingeborenen  kleinasiatischen  Typus  findet 
seine  Erklärung  doch  nur  in  einer  lang  andauernden  intensiven 
Mischung  beider  Elemente.  Der  Gang  der  armenischen 
Wanderung  lässt  sich  ungefähr  in  folgender  Weise  bestimmen: 
vom  Bosporus  aus  bewegte  sich  der  Zug  langsam  durch  die 
paphlagonischen  Thalgebiete  ostwärts  zum  Halys  (armen.  Ati 
,der  salzige^),  dann  über  das  nachmalige  Oe[xa  tcov  ^Apiu^txmSrf 
in  das  Längsth%l  des  Lykos  oder  Gail-get,  von  da  über  die 
Klause  von  Satala  zum  obern  Frät  und  endlich  in  die  Ebene 
Airarat  der  Alarodier.  Die  Besitznahme  des  alarodischen  Landes 
und  der  übrigen  Hochcantone  bis  zum  Van-see  dürfte  erst  in 
dem  7.  Jahrhundert  v.  Chr.  erfolgt  sein,  da  die  Keilin- 
schriften bis  zu  dieser  Zeit  fast  gar  keine  Spuren  armenischer 
Namengebung  aufweisen,  üeberhaupt  gibt  von  dieser  Besitz- 
nahme kein  geschichtliches  Zeugniss  Kunde,  und  es  scheint, 
dass  die  Stürme  der  kimmerischen  und  sakischen  Wanderung 
dieses  wichtige  Ereigniss  verdunkelt  haben  —  nicht  mit  Unrecht 
reiht  jedoch  die  semitische  Völkertafel  den  Jafetiden  Thogarma 
an  Gomer  und  Aäkenaz  an.  Die  haikanischen  Eroberer  haben 
sich  im  Laufe  der  Zeiten  das  alarodische  Volkselement  voll- 
ständig assimilirt,  nachdem  sie  von  diesem  selbst  eine  starke 
Einwirkung  in  Typus  und  Sprache  erfahren  hatten. 

Auch  in  den  Phrygen  haben  wir  ein  indogermanisches 
Volk  zu  erblicken,  das  aus  den  Strichen  südHch  von  Haemus 
über  den  Hellespont  gezogen  war  und  im  Rücken  der  Ar- 
menier, diese  wahrscheinlich  ostwärts  schiebend,  zunächst  das 
Flussgebiet  des  Sangarius  einnahm,  um  sich  von  da  fächer- 
förmig in  alle  Thäler  des  Westens  und  Südens  mitten  unter 
die  Aboriginer  einzuschieben;  vielleicht  hat  auch  die  Insel 
Kreta  einmal  phrygische  Ansiedler  erhalten,  und  das  Gleiche 
darf  sogar  für  einige  Alluvialgebiete  und  Winkel  an  der  Ost- 
küste von  Hellas  gelten.  Diese  Eroberer,  welche  bereits  in 
ihrer  älteren  Heimat  am  Hebrus  und  Strymon  durch  Boden- 
wirthschaft  und  Metallurgie  eine  Art  höherer  Cultur  erreicht 
hatten,  blieben  auf  dem  neuen  Boden  fleissige  Viehzüchter  und 


Die  alten  Thraker.  1. 


Ackerliauer,  sowie  Pfleger  orgiastischer  Naturculte,  und  bildeten 
überdies  eine  eigenartige  Bauweise  aus.  Im  Laufe  der  Zeiten 
verweichlichten  sie  immer  mehr,  verloren  ihre  politische  Führer- 
rolle  und  erlagen  den  fremden  Einflüssen;  ihre  Sprache,  welche 
schrittweise  an  die  griechische  Boden  verlor,  erhielt  sich  in 
entarteten  Spuren  bis  auf  die  römische  Kaiserzeit.  Aus  Glossen 
und  Inschriften  haben  die  Sprachforscher  deren  Zugehörigkeit 
zur  osteuropäischen  Gruppe  erschlossen,  was  auch  für  den  Ur- 
bestand  des  Armenischen  gilt;  schon  den  Alten  war  die  Aehnlich- 
keit  des  Phrygischen  und  Armenischen  aufgefallen.  —  Haben 
einst,  wie  wir  vermuthen,  die  Phrygen  alle  Räume  südlich 
vom  Haemus  bis  zur  Küste  ausgefüllt,  so  erklärt  sich  daraus 
die  Thatsache,  dass  die  Griechen  auf  ihrer  vorzeitlichen 
Wanderung  nach  Süden  sich  als  Ziel  nicht  den  Hellespont  und 
Kleinasien  erkoren  hatten,  sondern,  mehr  dem  adria tischen 
Westen  zugekehrt,  auf  die  pelasgischen  und  lelegischen  Lande 
losgiengen.  Aus  einer  Zeit,  wo  etwa  Griechen  und  Phrygen 
nahe  Nachbarn  waren,  stammt  die  griechische  Form  des  Namens 
l^pxfsc,  stammt  das  Auftreten  gemeinsamer  Wörter  wie  vanakt- 
,König^.  Wir  werden  auf  thrakischem  und  makedonischem 
Boden  mehrfache  Spuren  phrygischer  Bevölkerung  vorfinden, 
oflFenbar  zurückgebliebene  oder  bei  Seite  geschobene  Reste  der 
Nation,  deren  Hauptmasse  in  sehr  alter  Zeit  nach  Kleinasien 
abgezogen  war.  Die  Griechen  betrachteten  die  Phrygen  als 
ein  seit  Anbeginn  in  Kleinasien  ansässiges  Volk  und  hielten  die 
Sporaden  auf  europäischem  Boden  für  Metanasten  aus  der  Troas, 
wobei  sie  von  alten  Eroberungszügen  der  Troer  oder  Teukrer 
bis  zum  Axios,  ja  bis  zum  Peneios  und  bis  zur  Adria  fabelten; 
doch  gab  es  auch  eine  Ansicht,  welche  die  phrygischen  und 
mysischen  Wanderungen  aus  Europa  nach  Asien  für  selbstver- 
ständliche und  ausgemachte  Thatsachen  ansah.  Aus  Kleinasien, 
der  Heimstätte  durchaus  fremdartiger  Urvölker,  kann  das 
phrygische  Volk  nicht  hervorgegangen  sein. 

Westhch  von  den  Phrygen  des  Sangariusthales,  entlang 
der  hellespon tischen  Küste,  wo  nur  schwache  phrygische  Reste 
zurückblieben,  bis  zum  Caicus  herab  sass  das  stammverwandte 
Volk  der  Mysen,  dessen  Schichtung  zur  Genüge  beweist,  dass 
es  den  später  nachgerückten  Theil  der  phrygischen  Nation 
ausgemacht   hat.     Homer   nennt   sowohl   die   Phrygen   wie   die 


(j  IV.  Abhandlang:    Tomaschek. 

Mysen  als  Bundesgenossen  der  Troer;  er  weiss  aber  auch  von 
kampfbereiten  llysen  des  thrakischen  Nordlandes  in  der  Nach- 
barschaft pontischcr  Nomaden,  —  dem  zurückgebliebenen  Theilc 
dieses  Volkes.  Die  Ursitze  des  mysischen  Stammes  suchen 
wir  darum  an  der  Nordseite  des  Haemus  in  unmittelbarem 
Anschluss  an  die  phrygischen  Ursitze.  Wir  linden  hier  noch 
in  römischer  Zeit  die  Moesac  gentes  arg  zerplittert  und  vor- 
wiegend nach  Westen  gedrängt:  offenbar  hat  die  Invasion 
thrakischcr  Stämme,  zuletzt  der  Getcn,  die  Mysen  in  Theilc 
aufgelöst  oder  bei  Seite  gedrängt.  —  In  nachhomerischer  Zeit, 
zuerst  bei  dem  ionischen  Dicliter  Kallinos,  tritt  an  Stelle  der 
homerischen  Troer  der  Name  Tsüv-poi  auf.  Troer  und  Teukrer 
waren  jedenfalls  kleinasiatische  Aboriginer,  wie  die  Namen 
selbst  kleinasiatische  Herkunft  verrathen;  auf  europäischem 
Boden  fehlt,  wenn  wir  von  den  fabelhaften  Sagencombinationen 
Herodot's  absehen,  jede  Spur  von  Teukrern.  Die  Namengebung 
in  der  Troas  erweist  sich  jedoch  als  eine  vorwiegend  mysische: 
die  homerischen  Sänger  haben  die  Zustände  ihrer  Zeit  vor 
Augen  gehabt.  Das  voreinst  mächtige  und  streitbare  Volk  der 
Teukrer  war,  bis  auf  geringe  Spuren,  untergegangen;  dauernd 
erhielt  sich  dagegen  das  eingewanderte  mysische  Volksthum 
bis  in  die  Zeit  der  Hellenisirung. 

Im  Flachlande  an  der  unteren  Donau  finden  wir  in 
geschichtlicher  Zeit  nomadische  Skythen  und  thrakische  Geten. 
Für  eine  sehr  entlegene  Epoche  der  ethnischen  und  sprach- 
lichen Entwicklung  jedoch  dürfen  wir  hier  und  im  pon tischen 
Steppenstriche  die  noch  ungetheilten  arischen  Nomaden  als  Be- 
wohner voraussetzen:  auf  diesem  Boden  hatte  die  Rossezucht 
eine  ihrer  ältesten  Heimstätten  gefunden,  und  hier  erklang 
zuerst  die  völlig  ungemischte  und  grossartig  klingende  arische 
Ursprache,  aus  welcher  sich  die  verwandten  Nachbarsippen  mit 
Ausdrücken  des  familiären  und  nomadischen  Lebens  bereichert 
haben;  zumal  die  unmittelbar  anstossenden  thrakischen  Nach- 
baren haben,  wie  wir  erweisen  werden.  Ausdrücke  für  die 
Hausthiere  der  Steppe  aus  dem  Arischen  entlehnt.  Die  arischen 
Nomaden  sind  aber  schliesslich  in  weite  Ferne  abgezogen; 
sie  haben  als  die  ersten  Metanasten  unter  den  europäischen 
Völkern,  wie  Jahrtausende  später  die  Russen,  asiatische  Lande 
erobert,  und  wir  finden  sie  an  der  Schwelle  der  geschichtlichen 


Die  alten  Thraker.  I.  7 

Zeit  als  Ansiedler  am  Indus  und  im  iranischen  Hochlande 
mitten  unter  durchaus  allophylen  drawidischen  und  kuschitischen 
Völkern,  nachdem  sie  vorher  die  von  der  Indusbeugo  bis  zum 
Alburz  sich  erstreckende  ,kaukasische'  Bergzone  durchbrochen 
hatten.  Doch  blieben  entartete  Reste  dieser  Metanasten  allezeit 
aber  den  pontischen  Gestaden  sitzen.  Während  bei  den  arischen 
Rossezüchtern  weite  Wanderungen  naturgemäss  zu  Tage  treten, 
war  den  europäischen  Brudervölkern  ruhigeres  Beisammensitzen 
und  Haften  an  der  ererbten  Scholle  von  Haus  aus  eigen;  ihre 
späteren  Wanderungen  lassen  sich  mit  der  grossen  arischen 
Wanderung  kaum  vergleichen. 

Nun  steigen  wir  eine  Stufe  weiter  gegen  Norden  hinauf 
und  gerathen  in  die  karpatische  Gebirgsurawallung,  die  Ur- 
heimath  des  thrakischen  Volksthums.  Diese  corona  montium 
barg  noch  während  des  ganzen  Alterthums  den  echtesten  Theil 
der  thrakischen  Barbaren  weit,  sie  war  die  vagina  gentium 
Thraciscarum ,  deren  Sprache  eine  uniforme  Einheit  für  sich 
bildete  und  zugleich  genetisch  mit  der  südwärts  gelagerten 
mysisch-phrygischen  Gruppe  zu  einer  weiteren  Spracheinheit 
verbunden  war,  an  die  sich  zuletzt  das  Armenische  anschloss. 
Weiter  nordwärts  jedoch,  in  dem  Weichsellande,  hatte  das 
äosserste  grosse  Glied  der  osteuropäischen  Sprachgruppe,  das 
Slawische  und  Litauische,  seine  Ausbildung  gefunden;  in  der 
Gestaltung  des  Sprachschatzes  musste  sich  dieses  Glied  vom 
Thrakischen  schon  weit  stärker  entfernen,  da  die  Natur  des 
nordischen  Sumpflandes  veränderte  Lebensbedingungen  und 
BegriflFe  hervorrief.  Noch  muss  eines  weitern  Gliedes  der  ost- 
europäischen Region  gedaclit  werden,  deren  Placenta  an  der 
mittleren  Donau,  in  Pannonien,  lag:  auch  'für  das  Illyrische, 
dessen  Stellung  sich  aus  dem  heutigen  Albanischen  ergeben 
hat,  muss  eine  ziemliche  Abweichung  von  der  Eigenart  und 
dem  StoflFe  der  thrakischen  Sprechweise  angenommen  werden, 
was  jedoch  gelegentliche  Berührungen  nicht  ausschliesst. 

Den  Thraken  der  karpatischen  Bergregion  ward  im  Laufe 
der  Zeit  der  Raum  zu  enge ;  sie  stiegen  herab,  durchzogen  das 
Flachland  an  der  untern  Donau  und  warfen  sich  mit  aller 
Macht  in  mehreren  aufeinanderfolgenden  Wellenschlägen  auf 
die  verwandten  mysisch-phrygischen  Stämme,  welche  sie  aller- 
orten durchsetzten,  nach  links  und  rechts  verschoben  oder  zer- 


8  rV.  Abhandlnni^:    Tomaschek. 

triimmerten.     Als   rohe  Bergstämme,   welche  sich   überdies  die 
Lebensweise  der  arischen  Nomaden  angeeignet  hatten,   fanden 
sie   weniger   Gefallen   an   dem   Boden   der  Alluvialebenen   und 
niedrigen  Thalkessel,  dessen  Bearbeitung  harte  Mühe  erforderte; 
sie  wandten  sich  mit  Vorliebe  den  höheren  Regionen  des  Süd- 
landes zu,    auf  dessen  Halden  sie  der  Viehzucht   obliegen  und 
von    wo    aus    sie    in    räuberischer    Weise    die    unterworfenen 
Stämme,    so    weit    dieselben    nicht    nach    Asien    ausgewandert 
waren,    im    Zaume    halten    und    ausbeuten    konnten.      Wurde 
ihnen  hier  der  Raum  zu  enge,  so  nahmen  sie  gelegentlich  auch 
von    den   Thalgebieten   Besitz,   wie   am   Hebrus   und  Strymon. 
Giseke,  welcher  die  Wahrnehmung  gemacht  zu  haben  glaubte, 
dass  alle  Flussebenen  und  Passagen  Thrakiens  sich  im  Besitze 
paionischer,  d.  i.  mysisch-phrygischer  Stämme  befunden  hätten, 
während   den    thrakisch-,pelasgischen'   Stämmen   ausschliesslich 
die    Bergstriche    eigen    gewesen    wären,    betrachtet    allerdings 
gerade   diese   letzteren   als  die  in  die  Berge   zurückgedrängten 
Ureinwohner,    die   Paioner    dagegen   als   in    späterer  Zeit  aus 
Asien  eingedrungene  Eroberer,  die  sich  naturgemäss  der  frucht- 
barsten  Striche    und   der    wichtigsten    Uebergänge    bemächtigt 
hätten.    Aber  die  politische  Führerrolle  befand  sich  seit  Beginn 
der  Geschichte   in    den  Händen   der   echten  Thraker   und   das 
ganze  Land  bis  zu  den  Küsten  hinab  führt  bezeichnenderweise 
den  Namen  Thrake;  die  mysisch-phrygischen  Volksreste  dagegen 
waren    politisch    zur   Ohnmacht    verurtheilt    und    bildeten    den 
passiven  Bestandtheil  der  Bevölkerung,  mochte  auch  ihre  Gultur- 
stufe  eine  höhere  gewesen  sein.    Die  sprachliche  oder  dialektische 
Scheidewand,    welche    die    echten   Thraker    und   die    ebenfalls 
Thraker   genannten  Myso-Phrygen   von  einander  trennte,    ver- 
mögen wir  nur  dunkel,  aus  den  schwachen  Spuren  der  Eigen- 
namen,   zu    erkennen;    erkennbarer    und    schroffer    tritt    der 
Gegensatz  beider  Volksthümer  in  der  Lebensweise  und  im  Cultur- 
stande  hervor:   auf  der  einen  Seite  altansässige,   aber  in  ihrer 
Continuität    unterbrochene   und    aufgelöste   Sporaden,    politisch 
unwirksam,    aber    dem   Landbau    und   G^werbfleiss   in   alther- 
gebrachter Weise   ergeben,   geistig   höher   veranlagt  und   dem 
Naturleben  in  orgiastischer  Weise  huldigend,  dem  griechischen 
Wesen  leicht  zugänglich  und  schliesslich  darin  aufgehend;  dort 
hinwieder   üppig   wuchernde   und   numerisch   überlegene  Berg- 


Die  alteo  Thraker,  l.  9 

Stämme,  gewalttliätig  und  dem  Kriegerleben  ergeben,  faul  und 
vom  Fleisse  der  Untergebenen  zehrend,  dabei  unter  einander 
stets  uneinig,  nur  in  Zeiten  der  Gefahr  kräftig  sich  wehrend, 
in  späterer  Zeit  ein  gefUrchtetes  Soldaten-  und  8öldnermaterial 
abgebend,  den  Charakter  der  Rohheit  und  des  Naturzustandes 
weit  über  die  Zeit  der  schliesslichen  Romanisirung  bewahrend 
—  so  äussert  sich  in  allgemeinen  Zügen  dieser  Gegensatz. 
Doch  gingen  im  Laufe  der  Zeit  auf  die  thrakischen  Eroberer 
die  orgiastischen  Culte  der  Ackerbauer  über;  der  Noth  folgend, 
nicht  dem  eigenen  Triebe,  wandte  sieh  auch  der  Thraker 
harten  Arbeiten  zu,  namentlich  dem  Bergbau,  der  vorher  eine 
starke  Seite  der  phrygischen  Stämme  gewesen  war;  die 
Magnaten  eigneten  sich  mitunter  den  hellenischen  Cultur- 
schliff  an. 

Dauernde  Ruhe  war  dem  thrakischen  Volke  niemals  be- 
schiedei).  Im  Norden  drohten  und  drängten  die  skolotischen 
und  sarmatischen  Steppennomaden,  zuletzt  auch  die  Galater 
und  Germanen;  im  Westen  erforderten  die  Bewegungen  der 
illyrischen  Völker  Beachtung;  aus  dem  Berglande  des  Haimos 
selbst  traten  inuner  neue  Raubstämme  hervor,  welche  dem 
Zuge  nach  Süden  folgten.  Als  ein  unruhiges  Volk  lernen  wir 
die  Trailer  kennen,  sowie  die  trerischen  Nomaden,  welche  in 
Kleinasien  Alles  drunter  und  drüber  mengten;  die  von  den 
Paionen  gedrängten  Maido-Bithynen  setzten  gleichfalls  über  den 
Bosporus  und  erwarben  sich  im  Lande  der  Mysen  und  Phrygen 
dauernde  Wohnsitze.  Die  kimmerische  und  thynische  Wande- 
rung war  das  letzte  grosse  Ereigniss  der  älteren  Zeit,  das  vom 
thrakischen  Lande  ausgieng;  erst  der  Galatersturm  kann  sich 
mit  demselben  messen.  Der  folgende  Zeitraum  erhält  durch 
die  Eroberungszüge  der  Perser,  durch  das  Hervortreten  der 
Odrysen  und  Geten  und  durch  die  Ausbreitung  der  make- 
donischen Grossmacht  Abwechslung.  Eine  bedeutende  culturelle 
Rückwirkung  üben  die  hellenischen  Colonien  an  den  Küsten 
and  die  makedonischen  Neugründungen  im  Inland  aus;  ganz 
Thrake  wäre  vielleicht  der  hellenistischen  Cultur  zugefallen, 
wenn  nicht  die  Macht  Rom's  eine  noch  grössere  Wandlung 
herbeigeführt  hätte. 

Makedonien,  Thrake  und  das  moeso-getische  Ufergelände 
wurden  römische  Provinzen;  nur  das  thrakische  Stammland  im 


10  lY.  Abhandlung:    Toina5>cbc1c, 

Norden,  das  die  Dakeii  inneliattcn,  erhielt  sich  länger  frei 
und  leistete  dem  Anstürme  der  römischen  Legionen  verzweifelten 
Widerstand,  bis  endlich  auch  dieses  letzte  Bollwerk  der  thra- 
kischen  Barbarcnwelt  fiel  und  mit  Colonen  aus  den  römischen 
Provinzen  neu  bevölkert  wurde.  Unter  dem  Schutze  der  Le- 
gionen hielt  sich  die  traianischc  Dacia  bis  auf  Gallienus  und 
Aurelianus;  der  Gebirgswall  wurde  von  den  germanischeu 
Völkern  durchbrochen,  die  römischen  Provincialen  flüchteten 
in  eine  neu  geschaflene  Dacia  südlich  vom  Strome,  und  ihnen 
nach  zogen  selbst  die  letzten  Reste  dakischer  Bergstftmme,  um 
in  der  Römerwelt  aufzugehen.  Das  karpathische  Bergland 
wurde  schliesslich  eine  Beute  der  Slawen,  der  Hunno-Bulgaren 
und  Ungarcn.  Das  innere  Thrakien  jedoch  war  unter  der 
Herrschaft  Rom's  vollständig  romanisirt  worden;  den  Schluss- 
stein dieser  Wandlung  bildete  die  Verbreitung  des  Christenthums 
bei  dem  thrakischen  Central volke  der  Bessen  (400  n.  Chr.); 
das  römische  Wesen  festigte  sich  innerhalb  der  folgenden  zwei 
Jahrhunderte;  alsbald  (600)  drangen  jedoch  aus  dem  Nordlande 
slowenische  Stämme  ein  und  nahmen  vom  Haemusgttrtel  Besitz, 
geriethen  dann  unter  die  Obmacht  der  Bulgaren,  welche  die 
griechische  Herrschaft  auf  Byzanz  und  den  aegaeischen  Küsten- 
strich beschränkten,  und  wandten  sich  schliesslich  ebenfalls  dem 
Christen thum  zu.  Die  römischen  Provincialen  wurden  durch 
die  slowenische  Einwanderung  zu  politischer  und  ökonomischer 
Ohnmacht  verurtheilt;  sie  fristeten  ein  gedrücktes  Dasein  ent- 
weder als  Handwerker  in  den  Städten  oder  als  Frohnbauern 
auf  dem  Lande,  oder  sie  rotteten  sich  zu  Schaaren  zusammen, 
um  auf  den  Berghalden  und  Triften  nach  angestammter  thra- 
kischer  Sitte  ein  freieres  Naturleben  zu  führen.  Das  romanische 
Element  bewahrte  im  grossen  Ganzen  den  überkommenen 
Grundstock  seiner  romanischen  Sprechweise;  dieser  Grundstock, 
reich  an  Ausdrücken  für  das  sociale  und  ökonomische  Leben 
der  älteren  Culturepoche,  wurde  jedoch  naturgemäss  über- 
wuchert von  dem  sloweno-bulgarischen  Sprachschatze;  die  starke 
Mischung  mit  dem  Altslowenischen,  welche  dem  Ostromanischen 
bis  auf  den  heutigen  Tag  charakteristische  Färbung  verleiht,  kam 
in  dem  langen  Zeitraum  von  600  bis  1000  zustande.  Dann 
gelang  es  Byzanz,  Bulgarien  wieder  unter  seine  Botmässigkeit 
zu   bringen,    und  von  dieser  Zeit  an  finden  wir  in  den  gleich- 


Die  alten  Thraker.  I.  11 

zeitigen  Schriftwerken  zahlreiche  Erwähnungen  des  über  ganz 
Bulgarien  und  tief  nach  Serbien  hinein  verbreiteten  ,wlachi8chen' 
Elementes^  das  auch  im  Pindos  wall  festen  Boden  gefunden 
hatte.  Demselben  Ijot  sich  endlich  eine  neue  Heimat  in  dem 
Flachlande  über  der  Donau  und  in  jenem  Gebirgswall ,  den 
wir  far  die  Urstätte  der  thrakischen  Nation  ansehen:  der  un- 
erträgliche Steuerdruck  unter  den  Komnenen,  die  harten  Mass- 
nahmen der  Regierung  gegen  die  Bogomilen,  sowie  die  Aussicht, 
unter  den  Peöenegen  und  Kumanen,  mit  denen  die  unzufriedenen 
Bulgaren  und  Wlachen  gerne  fratcrnisirten,  einen  leichteren 
Modus  vivendi  zu  finden  —  dies  Alles  bewog  ohne  Zweifel 
seit  dem  eilften  und  zwölften  Jahrhundert  viele  bulgarische 
Bojaren  mit  ihrer  wlachischen  Gefolgeschaft  über  die  Donau 
zu  setzen  und  nicht  bloss  im  Flachland,  sondern  auch  auf  den 
schwach  besiedelten  Halden  des  karpatischen  Berglandes  ein 
neues  Leben  zu  beginnen;  so  entstand  in  Siebenbürgen  allmälig 
neben  Magyaren  und  Sachsen  eine  dritte  Nation,  die  wlachische. 
Anfänglich  überwog  bei  derselben  noch  das  bulgarische  Knezen- 
thum;  mit  der  Zeit  drang  jedoch  das  numerisch  stärkere  roma- 
nische Bauern-  und  Handwerkerelement  durch. 

Wer  unbeirrt  von  landläufigen  Ansichten  und  Vorur- 
theilen  sich  streng  an  die  geschichtlichen  Urkunden  hält  und  die 
Völker bewegungen  aller  Jahrhunderte  erwägt,  und  wer  dabei 
die  sprachlichen  und  culturellen  Thatsachen  berücksichtigt, 
wird  in  den  heutigen  Ostromanen  das  thrakische  Volksthum 
wiedererkennen,  wie  das  illyrische  in  den  heutigen  Albanen. 
Es  wäre  undenkbar,  dass  eine  so  grosse  und  wichtige  Na- 
tion wie  die  thrakische  völlig  und  spurlos  hätte  untergehen 
können. 

Wir  müssen  noch  einen  Blick  ins  Alterthum  zurück- 
werfen. Der  Name  der  Thraker  hat  durch  die  Griechen  Ver- 
breitung erlangt;  ob  er  aus  Eigenem  gebildet  wurde  — ,  ob  er 
die  veränderte  und  angepasste  Gestalt  einer  phrygischen  und 
überhaupt  fremdsprachigen  Bezeichnung  darstellt,  lässt  sich 
nicht  entscheiden;  die  thrakischen  Stämme  selbst  haben 
schwerlich  diesen  Gesammtnamen  fUr  sicli  besessen,  bei  ihnen 
waren  unstreitig  nur  Sonderbezeichnungen  im  Schwange.  Für 
9prjx£;,  6pälx.£;,  auch  Öpelxec,  worin  die  Silbe  -1/.  der  Derivation 
angehört   wie   in  AiOiite^;,   böte   sich   die  Wurzel  öpY)  :  öp«,   indo- 


12  ly.  Abhandlung:    Tomaschek. 

germanisch  dhre:  dhre,  Nebenform  von  dher,  ^halten^  stützen; 
schauen^  beachten*;  von  der  Wurzel  dhers-  ^muthig  sein,  wagen' 
war  vielleicht  der  thrakische  Stamm  der  Aipctci  benannt.  In- 
folge des  politischen  Uebergcwichtes  der  thrakischen  Eroberer 
über  die  übrigen  altansässigen  Stämme  wurde  der  Name  auch 
für  diese  unterschiedlos  angewendet.  Die  Daker,  denen  aus- 
drücklich thrakische  Sprache  beigelegt  wird,  heissen  darum 
niemals  ausdrücklich  Thraker,  weil  man  sie  von  den  Bewohnern 
der  römischen  Provinz  Thracia  zu  scheiden  hatte.  —  Es  bleibt 
noch  die  Möglichkeit  oflFen,  dass  es  voreinst  an  der  Nordgrrenze 
von  Hellas  einen  Stamm  gegeben  liabe,  welcher  sich  so  be- 
nannte; Collectivnamen  von  Völkern  sind  ja  meist  aus  irgend 
einer  Sonderbenennung  hervorgegangen.  Nannten  sich  so  etwa 
die  ältesten  Bewohner  von  Samothrake?  Das,  was  wir  über 
die  Einwohner  dieser  Insel  wissen,  spricht  nicht  sehr  dafUr. 
Bei  attischen  Scliriftstellern  und  Dichtem  ist  mitunter  von 
Thrakern  die  Rede,  welche  in  Dauhs  und  andern  Orten  der 
phokischen  Landschaft  gewohnt  haben  sollen;  auch  die  Pieren 
werden  mitunter  Thraker  genannt.  Neuere  Forscher  seit 
C.  ().  Müller  haben  sogar  doppelte  Thraker  angenommen,  bar- 
barische und  hellenische.  Es  ist  jedoch  widersinnig,  denselben 
Namen  auf  zwei  der  Abkunft,  Sprache  und  Cultur  nach  grund- 
verschiedene Völker  anzuwenden;  überdies  hat  die  Kritik  jener 
Nachrichten  —  wir  erinnern  an  die  bezüglichen  Arbeiten  von 
AI.  Riese  und  Hiller  v.  Gaertringen  —  deren  Unhaltbarkeit 
nachgewiesen.  Wir  halten  die  griechischen  Thraker  filr  ab- 
gethan. 

Wir  haben  schliesslich  noch  ein  Volksthum  der  bunten 
Völkerwelt  Thrake's  anzuschliessen,  das  der  Einreihung  in 
eine  bestimmte  ethnische  Gruppe  Schwierigkeiten  entgegenstellt: 
wir  meinen  die  Paionen,  über  welchen  die  Dardaner  hausten. 
Da  diese  beiden  Völker,  welche  von  den  Alten  in  Verbindung 
mit  Troia  gebracht  wurden,  der  Westseite  Thrakiens  vorge- 
lagert waren,  so  wollen  wir  bei  der  Aufzählung  der  Einzel- 
stämme mit  ihnen  den  Anfang  machen;  denn  es  gilt  eine 
Cardinalfrage  für  die  alte  Ethnologie  der  Haemushalbinsel  der 
Lösung  näher  zu  bringen. 


Die  alten  Thraker.  I.  13 

I.  Die  paionisoh-dardanisohe  Qruppe. 

Ueber  die  Herkunft  der  Datovs^  waren  schon  die  Alten 
in  Zweifel.  Verschiedene  Mythen  knüpfen  sie  an  das  ,pela8- 
psche'  Volk  der  *AX|jL(»)7:e<;  an,  das  in  makedonischer  Zeit 
z¥ri8chen  den  Makedonen  und  Pelagonen  in  der  heutigen  Hoch- 
landschaft Moglena  hauste  und  die  Orte  "Opixa  oder  'Opva, 
£upaixo^  und  "A^j/aXo;  besass  (PtoL).  Denn  flaiwv  erscheint  als 
Sohn  des  Poseidon  und  der  Helle  (Hygin.  astr.  II,  20)  und 
ebenso  heisst  "AXiaük);  ein  Sohn  des  Poseidon  und  der  Helle 
(St.  Byz.);  dazu  stimmt  die  Angabe  (scliol.  Ap.  Rh.  I,  230j, 
dass  Paion's  Tochter  ^avocjupa,  mit  dem  Aioliden  Mtvua;  ver- 
mählt, Mutter  des  Athamas  und  Orchomenos  wurde.  Ausser 
dem  berühmten  Minyersitz  Orchomenos  am  Kopaissee  gab  es 
auch  ein  'Opxoixevo;  auf  der  Westseite  des  Olympos  nahe  dem 
Haliakmon,  vormals  auch  Mtvua  und  'AXjxwvta  geheissen  (vgl. 
C.  O.  Müller,  Maked.  15).  Wie  dem  auch  sei,  diese  Ansicht 
erklärt  die  Paionen  für  ein  uraltes  pelasgisches  Volk;  eine 
ähnliche  Genealogie  (Paus.  V  1,  o)  bringt  die  Paionen  in 
Verbindung  mit  den  Aioliden  und  Aitolern,  den  Stammver- 
wandten der  Makedonen.  Für  diese  Mythen  könnte  die  geo- 
graphische Nähe  der  Paionen  und  der  Nordgriechen  die  Grund- 
lage geboten  haben. 

Getheilter  Meinung  waren  jene  Schriftsteller,  welche  Strabo 
(Vn  fr.  38  vgl.  Eust.  ad  B  848)  vor  Augen  hatte:  ot  fxsv  [laiova; 
4>püYü)v  aTC5txoü^,  Ol  Ik  db/Yj^sTa?  dic3©a{voüatv.  Die  zweite  Ansicht, 
welche  die  Paionen  zu  Archegeten  macht,  d.  h.  für  eine  eigene 
Nation  erklärt  (denn  hier  ist  nicht  etwa  4>püYwv  zu  ergänzen), 
gieng  von  bedächtigen  Forschem  aus,  welche  in  den  Paionen 
nichts  Phrygisches  und  Kleinasiatisches  gefunden  hatten. 
Anderer  Ansicht  war  Herodot,  der  die  Paionen  zwar  nicht 
direkt  für  Phryger,  so  doch  für  Troer  erklärt. 

In  der  Ilias  steht  Priamos  an  der  Spitze  eines  Bundes, 
der  alle  Völker  vom  Halys  und  Sangarios  bis  zum  paionischen 
Axios,  darunter  auch  Phrygen,  Maionen,  Mysen,  Thraker, 
Kikonen  und  Paionen,  umfasst;  innige  familiäre  und  hieratische 
Beziehungen  verbinden  das  Herrscherhaus  mit  all^  diesen 
Völkern.  So  charakterisirt  das  Epos  die  troianische  Vülkerwelt 
im  Gegensatz    zur   griechischen,     üie    Griechen   erblickten   in 


14  rV.  AbhuidloDi^:    Tomftscbelc. 

den  dichterischen  Schöpfungen  ihrer  Rhapsoden  reine  Geschichte, 
in  den  Kämpen  auf  griechischer  und  trojanischer  Seite  leib- 
haftige Wesen  der  Vergangenheit;  sie  wussten  sich  jenen 
Völkerbund  nicht  anders  zu  erklären  als  durch  Annahme  von 
Eroberungszügen  aus  lüos,  die  vor  der  Zeit  der  Zerstörung 
stattgefunden  haben  sollen,  —  als  ob  erobernde  Gewalt  aUein 
jene  Zustände,  wie  sie  die  Dichtung  schildert,  herbeigeführt 
haben  musste;  als  ob  nicht  die  geographische  Lage  der  Stadt 
an  der  Grenzscheide  Kleinasiens  und  des  Haemuslandes  und  der 
Einfluss  der  gemeinsamen  Cultur,  welche  in  Dios  ihr  Centrum 
und  ihren  Höhepunkt  gefunden  hatte,  Alles  zur  Genüge  erklärte. 
Durch  die  griechischen  Colonisten  hat  der  troianische  Sagen- 
kreis weite  Verbreitung  gewonnen;  allerorten  wollte  man 
Spuren  der  homerischen  Helden  erkennen  und  selbst  barbarische 
Völker  wollten  ihre  Ursprünge  auf  homerische  Namen  zurück- 
führen. Troianischer  Abkunft  rühmten  sich  sogar  die  libyschen 
Maxyer  (Hdt.  IV,  191;  vgl.  den  Vers  des  Menander  über  die 
AtßüTpwe^  0paxc?,  schol.  Plat.  Phaed.  72  c).  Mit  besserem 
Grunde  feierten  die  strymonischen  Bithynen  Rhesos  als  ihren 
Nationalhelden,  und  die  Paionen  fanden  sich  in  ihrem  Astero- 
paios  gerühmt  —  sie  durften  ihre  Ahnen  für  Bundesgenossen 
der  Troer  halten,  sich  selbst  für  Stammverwandte  dieses  durch 
die  Poesie  verherrlichten  Volkes. 

Jene  zwei  Brüder,  welche  506  dem  in  Sardes  weilenden 
Dareios  die  Auskunft  gegeben  haben  sollen,  die  Paionen  vom 
Strymon  seien  Teuxpöv  töv  i%  TpoiT);  «TroiTwi  (Hdt.  V  13),  waren 
Leute,  welche  mit  dem  troianischen  Sagenkreise  vertraut  waren. 
Auffallenderweise  lieisst  einer  derselben  [[i•^pr^Zy  ein  Name,  der 
sonst  nur  in  Karien  und  Lykien  (auch  in  den  Formen  flixpiQ^, 
Pikhrä)  auftritt.  Herodot  hätte  die  Anekdote  richtiger  so 
gestalten  können,  dass  er  das  Biüderpaar  für  karisch  und  nur 
die  emsige  Jungfrau,  die  etwa  deren  Magd  gewesen,  für  eine 
Paionin  ausgab.  Die  ganze  Anekdote  ist  überhaupt  erst  ent- 
standen, nachdem  die  Paionen  bereits  an  der  Grenze  von 
Karien  und  Phrygien  angesiedelt  waren  —  eine  Erfindung  ex 
facto.  Aus  karischem  Munde  eriloss  auch  die  Bezeichnung 
Teuxfot  für  Tpu>£?;  mit  dem  Namen  der  Teukrer  war  man  in 
Kleinasien  vertraut,  schwerUch  jedoch  in  Paionien.  Homer 
weiss    bekanntlich     Nichts     von    troianischen    und    mvsischen 


Die  alten  Thraker.  I.  15 

Teukrem^  er  kennt  nur  den  salaminischcn  Bogenschützen 
TeOxfo^y  den  von  einer  Troerin  geborenen  Sohn  des  Telamon, 
den  Repräsentanten  des  troischen  oder  teukrischen  Volks- 
elementes auf  Kypros  (vgl.  H.  D.  Müller,  Histor.-mythol.  Unter- 
suchungen, Göttingen  1892,  S.  112 — 122),  von  dem  die  kyp- 
rischen  Könige  von  Salamis  bis  auf  Euagoras  ihr  Geschlecht 
ableiteten,  weil  neben  dem  achaisch -hellenischen  Elemente  auch 
noch  das  einheimische  teukrische  Geltung  besass.  Ebenso 
gehörten  die  Priester  des  Zeus  zu  Ülba  im  kilikischen  Berg- 
land der  Familie  Teukros  an,  d.  h.  den  kiUkischen  Ursassen, 
welche  die  Uias  auch  in  der  Ebene  von  Thebe  kennt.  Wenn 
bei  Späteren  Teukros  als  Sohn  des  Skamandros  und  der 
Nymphe  Idaia  auftritt,  so  wird  er  damit  als  Autochthon  des 
troischen  Landes  gekennzeichnet;  nach  Kallinos  (Strabo  XIII, 
p.  604)  soll  Teukros  aus  Kreta  gekommen,  sein ,  woher  man 
alle  Völker  räthselhaften  Ursprungs,  beispielsweise  die  Termilen 
(Lykier),  herleitete.  Herodot  weiss  (V  122,  vgl.  VII  43),  dass 
die  Bewohner  von  Gergithes  Ueberreste  der  alten  Teukrer 
waren;  dasselbe  galt  von  den  Fep^ivst  auf  Kypros  (Klearch  bei 
Athen.  VI  p.  256,  c).  Wir  werden  kaum  fehl  gehen,  wenn 
wir  die  Teuxpst  fUr  ein  uraltes  Volk  kilikischen  Schlages  an- 
sehen und  mit  Brugsch  den  Tekri  oder  Tekkari  der  19.  Dynastie 
Aegyptens  gleichsetzen.  Haben  diese  Autochthonen  weite 
Wanderungen  unternommen  (Strabo  p.  61),  so  geschah  dies 
nach  Süden  zu,  in  das  Land  der  Cheta  am  Orontes  und  weiter 
hinab,  schwerlich  jedoch  nach  Thrake  und  bis  zur  Adria,  wo 
jede  Spur  des  teukrischen  Namens  fehlt;  die  Paionen  für 
Teukrer  zu  halten,  wäre  zu  abenteuerlich. 

Herodot  (VII  20)  weiss  allerdings  von  einem  cioXo;  M;j?d>v 
xe  Mcl  Tcuxpcov  6  izpö  tü)v  Tpü>txu>v  -)f^v6(JLevo{  *  oi  Siaßavte^  dq  tyjv 
Eüpii>xr|V  xaxa  B6<;7:opov  tou^  t£  6pr/ixa{  /.areorpetl/avT^  Tcavia;  xai  £:7i 
xbv  Tcviov  icövTov  xateßiQaav,  \t-ixpi  xs  nrjveiou  TzoTapioü  xb  izphq 
(uoa;jißptVj<;  iJiXa^av.  Man  höre  und  staune!  Vor  der  Einnahme 
Troia's  (ca.  1184)  sollen  Teukrer  und  Mysen  alle  thrakischen 
Völker  besiegt  haben  und  in  alle  Westlande  vorgedrungen 
»ein.  Leider  wissen  die  homerischen  Lieder  davon  Nichts;  auf 
der  ganzen  europäischen  Strecke  rindet  sich  sonst  nicht  eine 
einzige  Spur  des  teukrischen  Namens;  von  den  Mysiern  wird 
das  Umgekehrte,   nämlich  Wanderung  aus  Europa  nach  Klein- 


16  IV.  Abbandlung:    Tomaschek. 

asien,  berichtet.  Wir  finden  auch  hier  die  aus  den  homerischen 
Sagengeweben  künstUch  erschlossene  Anschauung  von  uralten 
Eroberungszügen  der  Troianer  auf  die  Spitze  getrieben:  denn 
Dos  —  lassen  wir  lieber  Lykophion's  Kassandia  (1341 — 1345) 
declamiren:  'icflbnuo;  Ik  OpTfjxY)^  ouixb?  aicrtcdaa;  tzkIoitml  |  x"^?^  '^^ 
"EopBuiv  %ol\  raXa3paiü)v  ordSov,  |  Spou;  Itcyj^sv  a(jt^i  [It;v£iou  icotoi^^  |  ffieppov 
xpoxT^iXo)  JJeuyXav  a[X9i6el^  xeBatq,  |  aXxi^  vdovSpo?,  exicpeicdcraro^  Y^^^- 
Leider  hat  uns  die  troianische  Jungfrau,  welche  den  Herodot 
gelesen  hat,  anzuführen  vergessen,  ob  da  nicht  Dos  mit  dem 
mächtigen  Pelasgos,  König  von  Argos,  zusammenstiess,  der  alle 
Lande  von  der  Brandung  des  ionischen  Meeres  bis  zu  den 
Fluthen  des  Axios  und  Strymon  beherrscht  haben  soll  (Aesch. 
Suppl.  238  &.).  Solche  Sagenklitterungen  mögen  den  Griechen, 
zumal  ihren  Dichtem,  gestattet  sein;  wenn  aber  neuere  Forscher 
dieselben  für  bare  Münze  nehmen  und  darauf  eine  Pluth  von 
Verrauthungen  häufen,  so  werden  wir  ihnen  Halt  zurufen.  Am 
weitesten  hierin  ist  Giseke  gegangen:  Paionen  sollen  aus  Asien 
in  das  von  griechischen  Stämmen  besetzte  Pelasgerland  einge- 
drungen sein,  die  ,pelasgi8chen^  Thraker,  darunter  Dier  und 
Pieren,  in  die  Gebirge  getrieben  und  zuletzt  die  fortlaufenden 
Wanderungen  der  Minyer,  Kadmeionen,  Abanten,  Dryoper, 
Boioter  und  Derer  hervorgerufen  haben. 

Noch  einmal  spricht  Herodot  (VH  75)  von  seinen  ständig 
verbundenen  Teukrern  und  Mysen  bei  der  Sage  der  Bithynen 
von  dem  Auszug  aus  ihrem  strymonischen  Stammlande:  to  i:p6- 
xepov  eKaXecvTO,  w;  auTol  Xä-fOüai,  STpüpioviot,  oixesvxc^  iiA  Stpufxövt . 
s^ovaffTTJva'.  H  «paat  i^  tqöewv  utco  TeüxpÄv  xs  %a\  Muauiv.  Man  muss 
bezweifeln,  ob  die  Bithynen  selbst,  obzwar  in  Asien  sesshaft 
und  mit  der  Ausdrucks  weise  der  Kleinasiaten  vertraut,  wirklich 
von  Teukrern  und  Mysen  gesprochen  haben;  möglicherweise 
hat  Herodot,  entsprechend  seiner  paionischen  Anekdote  (V  12), 
diese  Namen  ohneweiters  für  llatcvc;  eingesetzt:  nur  Paionen 
können  es  gewesen  sein,  welche,  von  Westen  vordringend,  die 
thrakischen  Strymonier  dem  Osten  zugetrieben  haben.  Wenn 
Mysen  und  Teukrer  aus  der  Troas  kamen  und  zwar  lange  vor 
Troia's  Zerstörung,  so  wären  ihnen  die  Strymonier  geradezu 
in  die  Arme  gelaufen,  und  die  Eroberer  hätten  es  geduldet, 
dass  ihr  eigenes  Stammland  von  den  Verjagten  besetzt  worden 
wäre  I  Ueberdies  filllt  der  Auszug  der  Bithynen  in  oder  hinter 


Die  alten  Thraker  1.  17 

die  trerisch-kimmerische  Wanderung  (750 — GOO),  also  lange 
nach  Troia's  Einnahme.  —  Die  troianische  oder  phrygische 
Abkunft  der  Paionen  müssen  wir  nach  Allem  dahingestellt  sein 
lassen;  sehen  wir  zu,  ob  sich  bei  den  Einzelstämmen  etwas 
Genaueres  ergibt. 

Homer  nennt  als  Vater  des  vor  Troia  gefallenen  paioni- 
schen  Heerführers  Asteropaios,  welcher  gekommen  war  irjXoOcv  s^ 
'A{Ai»8iüvo^  atx*  'A^fou  eupü  peovro?,  den  UtiXs^wv.  Da  an  der  Axios- 
münde  voreinst  phrygische  Mygdonen  sassen,  so  braucht  'A|jiu8(ov 
oder,  wie  die  später  von  den  Argeaden  zerstörte  Veste  ursprüng- 
lich hiess^  'AßüBwv  nicht  gerade  für  eine  paionische  Gründung  zu 
gelten ;  es  vergleicht  sich  "AßuSo^,  die  Stadt  des  Asios  am  Helle- 
spont  und  die  Glosse  dßuoov  •  ßaOu  (Hesych.).  Die  von  Pelegon 
abgeleiteten  Ilrj/vorfove?  oder  HeXoYCve^  sind  entweder  Bewohner 
der  ^schlammigen  Ebene%  vgl.  die  Glosse  ':nQXaYO)v  •  ix  icrfkou 
fCY€vvT;jxEvo;  und  alb.  pelg  ,Moorgrund,  Dümpel',  oder  Bewohner 
eines  ,Flachstriches'  überhaupt ,  von  Wurzel  pela  :  pla  ,breit- 
schlagen,  ausbreiten*  (vgl.  Tceka-^o^?).  Eine  Münze  IleXoYt'fwv 
stammt  aus  dem  illyrisch-epirotischen  Bergwerksorte  Damastion; 
in  Sicilien  gab  es ,  in  der  Ebene  am  Palikensee ,  einen  Ort 
neXorfovCa  (St.  B.),  das  heutige  Pallagonia.  Die  Hauptsitze  der 
Pelagonen  waren  später  nicht  am  unteren  Axios,  sondern  in 
der  Ebene  am  mittleren  Erigon  nördlich  von  den  Lynkesten, 
sowie  im  Bergland  am  unteren  P>igon  bis  Stobi,  nördlich  von 
den  Almopen;  hier  erwähnt  Livius  wiederholt  ,angustiae  quae 
ad  Pelagoniam  sunt^  Seit  der  Römerzeit  bis  in  die  bulgarische 
Zeit  hinein  hiess  'HpaxXsia  Ajyxou  oder  AufXTiffTt?,  das  heutige 
Bitolia,  und  die  benachbarte  Ebene  Uekor(o^ia.  Abel  hält  die 
Pelagonen  schon  ihres  Namens  wegen  für  Pelasger,  die  von 
den  Paionen  unterworfen  wurden;  Giseke  dagegen  hält  an  der 
von  Strabo  hingestellten  Gleichung  mit  den  Paionen  fest.  Zwar 
heissen  die  Pelagones  ,Paeoniae  gens'  (Plin.);  aber  es  scheint, 
dass  sie  ein  älteres,  wenn  nicht  illyrisches,  so  doch  mit  den 
Almopen  verwandtes  Element  darstellen,  wobei  wir  an  die 
eingangs  erwähnte  Anknüpfung  der  Paionen  an  die  Minyer 
von  Orchomenos  erinnern.  Es  ist  kein  Zufall,  dass  wir  nahe 
dem  zweiten  Orchomenos  südlich  von  Haliakmon  eine  Uzkocrfo^ia 
TptxoXiTt^  iinden  mit  den  drei  Ortschaften  Iluöiov,  lokiyri  und 
'A^(i)po^.     Nur   die    beiden    ersten    tragen    griechische   Namen; 

Sitzoagsber.  d.  pbU.-bi»t.  Cl.  CXXVin.  Bd.  4.  Abb.  2 


18  IV.  Abhandlung:    Tomascbek. 


"A^wpo;,  auch  Aljwpeiov  und  Ta  "A^tapa  genannt,  moss  ans  älterer 
Zeit  stammen,  wie  der  Beiname  der  Landschaft  selbst;  filr 
paionischen  Urspining  desselben  spricht  die  Analogie  von  BüX- 
di^iop  am  mittleren  Axios;  ftir  brigisch  darf  gelten  'AXwpo?  in 
Bottiaia,  für  edonisch  FaCwpo?  am  Pangaios. 

Die  na(ov£;  scheinen  ursprünglich  vom  oberen  Axios  und 
aus  dem  illyrischen  Westen  ausgegangen  zu  sein;  das  Nach- 
drängen der  nördlichen  Stammesgenossen  schob  sie  der  Meeres- 
küste zu,  wo  die  phrygischen  Stämme  sassen.  Wenn  wir  femer 
eine  solche  Vermuthung  wagen  dürfen,  so  waren,  es  bereits 
in  der  entlegenen  Vorzeit  Paionen,  welche  die  griechischen 
und  ,pcla9gischeu*  Nordstämme  einengten  oder  gegen  Süden 
drängten;  doch  iindcn  wir  zwischen  beiden  seit  der  geschicht- 
lichen Zeit  die  Phrygen  eingeschoben;  schwer  lässt  sich  ent- 
scheiden, ob  damals  Dlyrier,  oder  ob  Thraker  stärkere  Wir- 
kungen erzielt  haben.  Jedenfalls  waren  die  Paionen  den 
Griechen  als  ein  fremdes  Nachbarvolk  seit  alten  Zeiten  bekannt, 
und  als  ein  Erobcrervolk  treten  sie  in  die  Geschichte  ein.  Vor 
der  Ausbreitung  der  makedonischen  Hausmacht  sollen  sie 
Herren  von  Bottiaia  und  ganz  Emathia  bis  zur  Grenze  von 
Pieria  gewesen  sein  (Strabo  VH  fr.  38 ;  Polyb.  24,  8 :  H|juxOta 
tb  icaXaibv  Ilaiovia).  Homer  weiss  sie  im  Besitze  der  mygdonl- 
schen  Axios-ratinde;  ganz  Mu^SovCa  sammt  der  KpTQcrwvnt/,  war 
ihnen  vereinst  unterworfen;  als  Xerxes  vom  unteren  Strymon 
am  Halse  der  Chalkidike  nach  Therme  marschierte,  zog  er  8ta 
•rij^  Oatovtx^^  (Hdt.  VH  124).  Die  thrakische  Bisaltia  vermochten 
sie  jedoch  nicht  zu  unterwerfen.  Aber  das  ganze  Axiosthal 
bis  zum  pelagonischen  Stobi  (vetus  urbs  Paeoniae,  Liv.  XXXIX 
53,  14)  hinauf  hatten  sie  inne;  weiter  zeigt  BuXal^cop,  das  heutige 
Weles  oder  slawische  Welica,  [>.i'xi(jvfi  ouaa  x5Xt?  t^?  IIaiov(a^ 
(Polyb.  V  97,  1),  im  Namen  (mit  ßuX-  vgl.  BuXXt^,  Ausgang  wie 
in  "A^wpo^)  illyrisches  Gepräge;  noch  weiter  dürfen  wir  die 
*'la)po'  mit  ihrer  Burg  "Iwpov  (Ptol.)  oder  *'loupa  (St.  B.)  für  ein 
Volk  paionischen  Schlages  halten.  Nach  Strabo  entspringt  der 
Axios  £x  vfi<;  riajovia«;,  und  er  nennt  die  im  Oberlande  an  der 
Grenze  Dardania's  streichenden  Bergzüge  ti  hpri  ilociovixi.  Ost- 
wärts vom  Axios  boten  breite  Flussthäler  Zugänge  zu  den 
strj'monischen  Geländen :  das  Blachfeld  Owöepole  mit  der  Pöinja 
und  Kriwa,   die  Brcgälnica   oder  'AoTtß6<;   der  Paionen   mit   der 


Die  ftlten  Thraker.  I.  19 

Lukawica^  die  Boemia  und  endlich  die  Strumica,  im  Alterthum 
ücvio^  geheissen,  führten  von  selbst  in  das  seit  Alters  von 
thrakischen  Stämmen  besetzte  Strymonthal.  Die  nördlicheren 
Thäler  finden  wir  im  Besitze  der  stammverwandten  Agrianen, 
die  südlichen  gehörten  den  eigens  so  benannten  Paionen.  Hier 
lag  'AcTißo;,  das  heutige  Istib  oder  ötip,  ASTIBO  der  Itinerarien, 
eine  alte  Veste  dieses  Volkes;  mit  dem  Wasser  des  Flusses 
salbten  die  Paionen  ihre  Könige.  Weiter  südwärts  finden  wir 
die  Burg  Aißtjpo?,  DOBERUS  der  Römer,  in  einem  ^schaurigen 
Thale',  ^ptxaXdov  vaxo«;  (Addaeus  in  AP.  IX  300),  gelegen,  dessen 
Bewohner  Aoßtjpe^  hiessen,  —  ungewiss,  ob  das  heutige  Doiran 
oder  das  im  Quellgebiete  der  Striimica  gelegene  Radowi§t^; 
näher  dem  Axios  zu,  sei  es  an  der  Lukawica  oder  an  der 
Boemia,  lag  die  Burg  Aiorpatov,  Sitz  der  AicxpaTot  oder  Aestrienses 
(vgl.  den  Fluss  Aatpa-o;  bei  Aelian).  In  den  benachbarten 
Bergstrichen  finden  wir  zurückgedrängte  thrakische  Stämme, 
Sinten  und  Maiden;  entlang  dem  Strymon  sassen  voreinst  die 
thynischen  Thraker  oder  MaiBoß^ÖJVo:.  Wenn  diese  Herodot 
(VII  75)  uxb  Teuxpöv  ts  xai  Mügäv  verjagt  werden  lässt,  so 
wissen  wir,  dass  darunter  nur  die  Paionen  verstanden  werden 
dürfen  und  dass  das  Ereigniss  lange  nach  Troia's  Zerstörung 
in  die  Zeit  der  kimmerischen  Züge  fällt.  Die  paionischen  Er- 
oberer verbreiteten  sich  immer  weiter  in  das  edonisch-phrygische 
Flachland  am  unteren  Strymon,  und  es  gab  seither  eine  natov{a 
h\  TW  Ltpü|jl6vi  xoTafjLcj)  TceicoXwpiivt;  (Hdt.  V  13). 

Unter  den  Sondernamen  begegnen  hier  üato^Xai  (Hdt.  V  15, 
Vn  113),  femer  Stptoxaiove;  (V  15)  und  ol  h  itj  XiVv>)  npaacaSc 
xoTotxnr^ixevoi  IfaCovei;  (V  16).  Zu  den  llaioTzkai  könnte  man  die 
TpicxXai  vergleichen,  nach  Hecataeus  ein  ,thrakisches'  Volk 
(St.  B.),  wenn  nicht  vielmehr  ,dreigetheilte'  Paionen.  Die 
Iipto^Äiove^,  auch  -tppatot  genannt  (Theop.  ap.  St.  B.,  C.  I.  Gr. 
Iln^  2007),  Bewohner  von  llpiq  rf^q  naiov{r,(;  (Hdt.  VIH  115), 
giengen  später  in  den  hier  uransässigen  Odomantcn  auf  (Liv. 
XLV  4,2);  das  zugrunde  liegende  Wort  ctpo;  werden  wir  als 
phrygisch  erweisen.  Die  Anwohner  des  ,lauchgrünen*  Sees 
von  Takliyno  und  Butkowo  schildert  Herodot  als  Pfahlbauer 
und  Fischer;  so  können  wir  uns  auch  die  Bistonen  am  bisto- 
nischen See,  die  Thynen  am  Derkos,  und  gemäss  einem  Relief 
der  Trajanssäule   die  Daken  des  Flachlandes   vorstellen;   falls 

2* 


20  rV.  Abbandlnng:    Tomasche  k. 

Moocuvo;  (s.  d.  Glosse  piojauv)  der  echte  Name  jener  Pfahlbau- 
ansiedlung  war,  so  weist  derselbe  auf  phrygische  Ursassen,  die 
von  den  Paionen  unterworfen  waren.  Man  glaubt  ein  zweites 
A6ßY)po^  am  Fusse  des  Pangaios  ansetzen  zu  dürfen,  wegen  der 
im  Pilgerbericht  m.  p.  VII  Amphipoli  vik  Philipp!  erwähnten 
mutatio  DOMEROS,  worin  m  aus  b  entstanden  sein  kann  wie 
in  'A|jLüOtov  aus  Wßu^wv.  In  der  That  wird  dieser  edonische  Ort 
eine  Gründung  der  illyrischen  Paionen  gewesen  sein:  Asßtjpo?, 
AofjLTjpoc  ist  abzuleiten  von  der  Wurzel  dhub-  ,vertiefen';  vgl. 
gall.  dubno-,  dumno-  ,tief ,  lit.  dauburk  slaw.  dtbrt  ,Bergschlucht, 
Tobel^  Aber  die  AoßYjps;  bei  Herodot  (VII  113  in  einer  unbe- 
stimmt gehaltenen  Fassung,  V  16  in  einer  eingeschobenen  Stelle) 
sind  jedenfalls  Bewohner  des  oben  erwähnten  Hochthaies. 
Mehrere  Burgen  des  Edonenlandes  werden  hie  und  da  den 
Paionen  zugewiesen,  deren  Macht  sich  zeitweilig  bis  zum  bi- 
stonischen See  erstreckt  hatte,  wie  denn  auch  Ilaiwv  als  Bruder 
des  Ares-sohnes  Bt(jTO)v  auftritt  (St.  B.);  darum  brauchen  aber 
die  Paionen  noch  nicht  ftlr  ein  teukrisch-phrygisches  Volk  zu 
gelten. 

Ungefilhr  vor  dem  Skythenzuge  des  Dareios  hatten  die 
strymonischen  Paionen  einen  Feldzug  gegen  die  Perinthier  am 
Hellespont  unternommen  (Hdt.  V  1);  eine  ähnliche  Unter- 
nehmung gegen  Kardia  ^ird  den  Bisalten  zugeschrieben.  Die 
strymonischen  Paionen  sollte  mit  Weib  und  Kind  506  Mega- 
bazos  nach  Asien  überführen;  es  gelang  dies  mit  den  oberen 
Stämmen,  nicht  jedoch  mit  jenen  vom  Pangaios;  die  Colonen 
erhielten  einen  Strich  in  Phrygien  zugewiesen,  den  meisten 
glückte  es  über  Chios  Lesbos  und  Doriskos  ihre  Heimat 
wiederzugewinnen.  Dem  Zuge  des  Xerxes  schlössen  sich 
Haufen  von  Paionen  an.  Ihre  Freiheit  bewahrten  sie  im  Ober- 
lande bis  auf  Philipp  und  Alexander;  zunächst  unter  ihren 
eigenen  Fürsten  stehend  leisteten  sie  den  Makedonen  Heeres- 
folge, seit  Vertreibung  des  Ariston  durch  Lysimach  ca.  284 
wurden  sie  reine  Unterthanen,  BsuXot  (Hesych.);  doch  erhoben 
die  Dardaner  Anspriiche  auf  Paionien.  Wir  hören  dann  be- 
ständig von  Einfilllen  der  Dardaner,  Skordisker  und  der  thra- 
kischen  Bergstämme,  die  sich  zuletzt  immer  weiter  auf  Kosten 
der  Paionen  ausbreiteten,  so  dass  dieses  Volksthum  im  Inland 
völlig   verschwindet;   was   den  Thrakern   nicht  zugefallen  war, 


Die  alten  Thraker.  I.  21 

wurde  hellcnisirt.  Einmal  noch  erscheinen  Paionen  als  Ansiedler 
auf  thrakischem  Boden  südlich  vom  Hacmus,  nämlich  in  Bcroe, 
wohin  Traianus  Tx£p::aiova<;  gezogen  hatte.  —  Appian  hat  die 
Paionen,  bloss  wegen  ihrer  Namensähnlichkeit  mit  den  Pan- 
noniern,  als  cl  xaTw  [laicve;  ohneweiters  unter  die  Dlyrier  ein- 
gereiht. Aber  auch  sonst  werden  sie  geni  den  südlichen  illy- 
rischen Stämmen  als  sövo;  ßapßopixöv  (Hesych.)  beigezählt;  z.  B. 
Cram.  An.  Ox.  IV  p.  258:  w^  W(;  "EXXiqai  'IXAupiot  xai  Uoiiove^  xal  Tow- 
XivTtoi  y.al  'Ativtovc^  ßapßapfl^eiv  SoxoOsi.  Es  scheint  dies  das  Richtige 
zu  treffen;  die  alten  Genealogien  von  llaiwv  mögen  sich  bloss  auf 
die  Pelagonen  beziehen.  Ueber  Psyche,  Sprache  und  Sitten 
dieses  Volkes  wird  nicht  viel  überliefert.  Von  den  unterworfenen 
phrygischen  Stämmen  haben  sie  den  Cult  des  Dionysos  (AjaXo;) 
imd  der  edonischen  Artemis  (Hdt.  IV  33)  angenommen;  auch 
die  Silenen  (AsuaSai)  stammen  daher.  Die  Pelagonen  vermittelten 
ihnen  den  Apollo;  ausserdem  verehrten  sie  den  Helios  in  Form 
einer  Scheibe.  Ihr  Land  war  reich  an  Gold;  selbst  an  der 
Bodenfläche  wurde  aurum  talutium  gefunden.  Am  Flusse 
Pontos  gab  es  Braunkohle  (cxTvo;).  Im  Kesselthal  von  Doberos 
und  im  waldreichen  Orbelos  wurde  der  Wisent  (ßivaado;)  erlegt; 
aus  den  Hörnern  tranken  die  Könige.  Man  trank  Gerstenbier 
und  verschiedene  Pflanzendecocte  (ßpuio;,  irapaßtir),  tcTvov).  Von 
den  Thrakern  stammt  wohl  die  Sitte,  dass,  wer  einen  Feind 
erschlug,  den  Schädel  zum  Könige  trug  und  dafUr  mit  einem 
goldenen  Becher  belohnt  wurde;  illyrisch  dagegen  war  der 
Brauch  der  Blutrache.  Gerühmt  wird  der  Fleiss  der  paionischen 
Weiber,  wenn  nicht  vielmehr  edonische  von  Strymon  zu  ver- 
stehen sind  (Hdt.  V  12):  die  Jungfrau  in  Sardes  tränkte  das 
Ross  und  führte  es  am  Zügel,  trug  den  Wasserkrug  am  Kopfe 
und  spann  den  Leinfaden,  Alles  zu  gleicher  Zeit. 

Zu  den  Paionen  werden  ausdrücklich  die  'Aypiave^  (sing. 
Avptav^  wie  'Axt-zrav  etc.,  makedonische  Form)  oder  'AYp^at  (sing. 
'Afptac)  gerechnet;  mitunter  werden  beide  wie  zwei  verschiedene 
Völker  neben  einander  gestellt,  so  bei  Arrian  (I  S,  I.  14,  1. 
II  7,  5)  und  Livius,  von  Neoptolemus  (ap.  St.  B.:  Datova;  tqB' 
A-]fp'.aya<;)  und  Strabo,  welcher  (VII  fr.  41)  berichtet,  die  Paionen 
hätten  auch  das  Land  der  Agrianen  unterworfen.  Wahrscheinlich 
waren  die  Agrianen  ein  Brudervolk,  aber  zu  bedeutend,  um 
fiir  eine  blosse  Unterabtheilung  zu  gelten.    Wir  finden  sie  zuerst 


22  IV.  Abhandlung:     Tomasch«» k. 

bei  Herodot    (V  16),    aber    in    einer    sichtlich    eingeschobenen 
Stelle.     Sicheres   bietet   Thucydides  (II  96  fg.):   ,Sitalkes   rief 
bei  seinem  Zuge  gegen  Perdikkas  (429)  die  ihm  unterworfenen 
eövr,  U<x(ovixa,    nämlich    die  'AYpiave;  und  die  Aatoioi  (vgl.  St.  B. 
Aatatot  •  20vo^  [laiovixöv,)   zu   den  Waffen;   der  Strymon  fliesst  Ix 
Tou  Sxofjißpou  5pcu^  IC  'AYpifl^v(i)v   (codd.  FpoiaCwv)  xal  Aata{ü>v;    von 
Byzantion  bis  zu  den  AaiaToi  und  an  den  Strymon  braucht  ein 
rüstiger    Fussgänger    13  Tage'.     Nach    Strabo    entspringt    der 
Strymon   ex  Iloeiovtat;  5    nach   Stephanus   sassen   die  'A^ptat  •  f6vo^ 
OacovCaq   fxeTa^l)  AT[jloü   y.at    'PoBötuyjc,   also   am   oberen   Skios   und 
Hebros.    Der  Skombros  ist  der  heutige  Ryla-stock;  hier  hausten 
nach  Sophokles  (St.  B.  v.  "Aßpot,  Hcsych.)  2x6ixßpoi  •  öpoxtov  gOvo;. 
Die  Aa'.aTs'.  (vgl.  die  illyr.  Eigennamen  Lavius,  f.  Lavia)  setzen 
wir  östlich  vom  Ryla,  die  Agrianen  vom  oberen  Strymon  west- 
wärts  bis   zum  Owße-pole  am  Axios,   wo  sie  an  die  Dardaner 
stiessen;    südwärts    umschlossen    sie    die    thrakischen    Maiden, 
nordwärts    die   Dentheleten.      Wahrscheinlich    erklärt   sich   ihr 
Name   aus   aYpc<;,   agcr,   als  a^ptot  ,auf  dem  Felde   wohnende*; 
vielleicht    ist    damit,    trotz    6.   Meyer's    Einspruch,    alb.    6gr^ 
,agre8tis,  silvaticus'  verwandt.    Wie  die  übrigen  Paionen,  wurden 
sie    von    Philipp    und    Alexander    dem    makedonischen   Reiche 
einverleibt,  unter  Belassung  ihrer  Stammeskönige;   damals  war 
Ad^Y^apo;   (Arr.  I,  5,  2  ff.)   Fürst   —   ein   echt-illyrischer  Name 
(vgl.   Longarus   rex   Dardanorum,    Liv.).     Als   Bewohner   der 
Blachfelder,  die  in  ständiger  Fehde  mit  den  thrakischen  Berg- 
stämmen  lagen,   waren  sie  zu   leichtem  Felddienste  vorzüglich 
geeignet;  wir  finden  sie  im  makedonischen  Heere  als  axovrioraf, 
(jjevSovi^ai,  u^racxiorai,  bewaffnet  mit  der  aov^^y)  oder  dem  ax6vTiov; 
vgl.  Hesych.  'AYptove;  •  -ziXoc  xt  rr,^  xou^y;?  cuvxa^sti);,  ex  tii;  'A^ptova^j^ 
*/(i>p(z^  Ilatovwv.    Eine  eigene  Ta;'.c,  aus  Agrianen  bestehend,  hiess 
'AYpiavtxbv   dbt6vitov.      Sie   werden   in   allen   Kämpfen   der  make- 
donischen Zeit  bis  160  v.  Chr.  erwähnt,  und  Appian  (Illyr.  14) 
rühmt  von  ihnen:  'AYpiave?,   o\  t^t  [ki-^icrza  0tX{7nco)  xai  'AXe^avSpw 
xaxepYÄ^^tfjievot,   llaCove^  etat  twv  xaxo)  Iloetövcjv,  'IXXupiOK;  Ittoixo*..    Sie 
fühlten   sich   den  Autariaten   weit  überlegen:   dieses  gleichfalls 
illyrische  Volk,   ursprünglich  im  Inlande  zwischen  der  Narenta 
und  dem  Drin  sesshaft  und  hier  seit  370  durch  Kelten  gedrängt^ 
hatte  zwar  die  Triballer  im  Mora wagebiet  unterworfen,   wurde 
jedoch  zum  Auszuge  gezwungen;  Langaros  schlug  sie  334  zurück; 


Die  alten  Thraker.  I.  23 

Kassandros    aber    siedelte     nachmals    (ca.  300)    20,000    durch 
Gralater    verjagte    Autariatenfamilien    in    Orbelos    an.  Die 

überaus  starke  Heranziehung  dieses  Volkes  zum  Felddienst 
und  die  Uebermacht  der  Bergthraker  scheinen  es  erschöpft 
und  aufgerieben  zu  haben;  seit  160  erscheinen  nur  mehr  thra- 
kische  IVIaiden  und  Dentheleten  an  der  Oberfläche.  Nun  müssen 
wir  uns  einem  Volke  zuwenden,  das  einen  hochberülimten 
Namen  trägt  und  lange  Zeit  eine  mächtige  Rolle  gespielt  hat. 
Die  Aopoavot,  auch  A2p$avET(;  und  AapBaviaiat  genannt,  wohnten 
vom  Oberlaufe  des  Axios  entlang  und  zwischen  den  beiden 
oberen  Flussläufen  der  Morawa  bis  zu  deren  Vereinigung  im 
zelioy  xb  TpißaXXtxov.  Die  älteren  Griechen  kennen  dieses  Volk 
noch  nicht;  zum  erstenmale  wird  es  ausdrücklich  a.  284  genannt, 
und  mächtig  tritt  es  seit  den  Galaterstümien  hervor.  Agathar- 
chides  von  Knidos  wusste  zu  berichten  (Athen.  VI  p.  272,  d), 
dass  unter  den  Dardanem  eine  zahlreiche  leibeigene  Bevölke- 
rung lebe,  gleich  den  zpooTceXötrai  unter  den  Ardiaiern  Illyriens; 
es  scheinen  hier  zwei  illyrische  Schichten,  eine  ältere  und 
jüngere,  verkörpert  durch  adelige  Grundbesitzer  und  hörige 
Bauern,  zusammengeflossen  zu  sein.  Als  Lysimachos  den 
Paionen  Ariston  des  Thrones  beraubte  (284),  entfloh  dieser  zu 
den,  wie  es  scheint,  stammverwandten  Dardanem  (Polyaen.  IV 
12,  3).  Dardani  repetebant  Paeoniam,  quod  et  sua  fuisset  et 
continens  esset  finibus  suis  (Liv.  XLV  29,  12);  sie  fielen  dess- 
halb  ständig  in  Makedonien  ein,  Dardani  gens  semper  infestis- 
sima  Macedonibus  (vgl.  lustin.  XXIX,  1,  10).  Zur  Zeit  der 
KelteneinfUlle  unter  Ptolemaeus  Ceraunus  (ca.  280)  war  Mevojvio«;, 
Monunius  (vgl.  alb.  menune  ,minutus'?)  König  der  Dardaner 
(Trog.  Pomp.  prol.  XXIV);  er  bot  damals,  obwohl  verfeindet, 
dem  Makedonerkönig  20.000  Bewaflnete  an,  die  dieser  jedoch 
zurückwies  (Just.  XXIV  4,  9).  Später  finden  wir  Antigonus 
im  Elampfe  mit  dem  Dardanerkönig  Mutiao(;.  Um  239  fiel 
A6yyapo<;,  der  sammt  seinem  Sohne  Böctwv  einen  illyrischen  Namen 
trägt,  in  das  Gebiet  des  Demetrius  11.  ein.  Wie  die  Personen- 
namen, so  verrathen  auch  die  Ortsnamen  illyrischen  Charakter, 
z.  B.  OuevSevi;  (alb.  wend  pl.  wend^na  ,situ8,  positio,  domiciUum'), 
Oi)6XXay{(;,  'Apptßovrtov  (vgl.  'AppißaToc,  Fürst  der  Lynkesten,  und 
'\pußßa<;,  Fürst  der  Molossen).  Der  von  Strabo  vermerkte 
Hauptstamm   der  Dardaner  im   Gebiete   von  Skupoi,   nämlich 


24  tV.  Abhandlang:    Tomasehe k. 

die  raXaßpio!,  darf  trotz  der  anlautenden  Media  ^  die  auch  im 
Albanischen  nicht  immer  scharf  von  der  gutturalen  Tenuis 
unterschieden  wird,  mit  den  iapygischen  KaXaßpot  verglichen 
werden;  der  Name  der  Bouvokai,  welche  den  thrakischen  Maiden 
zunächst  benachbart  waren  (Strabo  VII,  p.  316),  Hesse  sich 
zwar  aus  alb.  öüene-t^  ,fracti,  rupti,  conversi'  deuten,  es 
kann  aber  auch  die  illyrische  Form  eines  dort  sitzengebliebenen 
Restes  der  thynischen  Thraker  oder  MatBoßiOuvoi  darstellen. 

Mit  Mühe  gelang  es  den  Römern,  dieses  mit  der  make- 
donischen Taktik  wohlvertrauten  Volkes,  das  gutgeordnete  und 
schwerbewaffnete  Heere  aufstellte  (Liv.  XXXI  43)  und  seit 
der  Einrichtung  der  makedonischen  Provinz  (147)  unablässig 
Einftllle  machte,  Herr  zu  werden.  Gegen  die  Dardaner  kämpften 
mit  wechselndem  Glücke  Vulso  (07),  C.  Sentius  (92 — 81)  und 
Sulla  (85) ;  Ap.  Claudius  (76)  erbitterte  sie  durch  harte 
Erpressungen;  C.  Scribonius  Curio  (75 — 73)  bewältigte  sie  mit 
den  grausamsten  Mitteln:  Dardanorum  ferociam,  in  modum 
Lernaeae  serpentis  aliquotions  renascentem,  hoc  genere  poenarum 
exstinxit,  ut  primoribus  raanus  incideret  residuosque  supplicio 
capitali  multaret  (Amm.  Marc.  XXIX  5,  22).  Doch  brachten 
sie  (62)  den  Consul  C.  Antonius  so  sehr  ins  Gedränge,  dass  er 
ihr  Land  schleunigst  räumen  musstc,  um  sich  bei  den  Moesen 
ähnliche  Schlappen  zu  holen.  Ihre  Einftllle  wies  L.  Calpumius 
Piso  (57)  erfolgreich  zurück;  wir  finden  dann  (48)  Dar- 
daner als  Hilfstruppen  im  Heere  des  Pompeius;  später  (39) 
trieb  sie  Antonius  zu  Paaren,  und  unter  Augustus  (27)  siegte 
M.  Crassus  über  alle  Grenzvölker,  namentlich  die  Bastamer, 
welche  bis  Dardanien  eingefallen  waren.  Sie  bUeben  seither 
ruhige  Provincialen ,  welche  der  Viehzucht,  dem  Berg-  und 
Ackerbau  fleissig  oblagen. 

Von  ihrer  alpinen  Wirthschaft  legt  der  cascus  Dardanicus 
Zeugniss  ab,  der  neben  dem  caseus  Docleas  Ruf  genoss.  Die 
Gruben  in  den  campi  Dardanici  (bei  Janjewo  und  Kratowo) 
sowie  im  Bergstock  des  Kopalnik  standen  schon  damals  im 
Betriebe;  Plinius  (XXXIII  39)  rühmt  das  aurum  Dardanium, 
und  wir  besitzen  noch  jetzt  Münzen  aus  der  Zeit  Trajan's  mit 
der  Legende  DARDANICI.  Auf  diesen  erscheint  eine  Frau 
mit  Aehren  in  der  Rechten;  ausser  den  Cercalien  fand  der 
Hanf  besondere  Pflege,  und  es  werden  grobe  dardanische  Stoffe 


Die  alten  Thraker.  I,  25 

erwähnt.  —  Von  dardanischcn  Göttern  wird  uns,  rait  Ausnahme 
des  deus  Andcs  (Inschr.  v.  Kaöanik;  vgl.  alb.  jlnde  ,Blume^  und 
ände  ,Lust,  Freude*),  Nichts  überliefert;  von  ihrer  Sprache  sind 
blos  zwei  Pflana^nnamen  bekannt.  Das  Volk  war  als  schmutzig 
verrufen,  von  einem  Schmutzfink  hiess  es  sprichwörtlich  xpi;  tou 
ßtoü  XeXouToi  ^oicep  AapJaveu;.  Sie  sollen  in  Erdhöhlen  gehaust 
haben,  die  sie  mit  Dünger  zudeckten  —  wie  dies  noch  heut- 
zutage hie  und  da  an  der  unteren  Donau  der  Fall.  Doch  wird 
ihr  Sinn  für  Musik  hervorgehoben:  sie  hatten  Flöten  und 
Saiteninstrumente  (Strabo  VII,  p.  316).  Plinius  nennt  sie  eine 
fera  gens.  Aus  den  latrones  Dardaniae  machte  M.  Aurelius 
Soldaten  und  Häscher  (SitoYiAiTat).  Die  illyricianischen  Truppen, 
darunter  Schaaren  von  Dardani,  nahmen  in  der  s])äteren  Kaiser- 
zeit, namentlich  seit  Diocletianus,  eine  entscheidende  Stellung 
ein;  das  Christenthum  hatte  im  Lande  Wurzeln  gefasst  und 
lange  vor  400  war  die  Romanisirung  vollendet.  Der  Landes- 
name erhielt  sich  bis  in  die  slowenische  Zeit  hinein;  ca.  676 
flohen  die  Provincialen  der  nördlichen  Eparchien,  zumal  ex 
AipB<nr(a^,  vor  den  Fremdlingen  nach  Thessalonich  (Acta  S.  De- 
metrii  §  169.  195);  a.  602  wird  nahe  den  Donau-xaToppdxiai  ein 
xXda?  -rij?  AapJarna^  erwähnt  (Theophyl.  Sim.  VIII  5,  p.  322)- 
Gewiss  waren  auch  Dardaner  an  der  Bildung  des  ostromanischen 
oder  jwlachischen'  Volksthums  betheiligt;  hatte  sich  doch  das 
thrakische  Element  mit  dem  illyrischen  an  der  Grenze  von 
Dardanien  gemischt,  wie  man  z.  B.  aus  dem  Ortsnamen  Aap5a- 
xipa  erkennt,  worin  thrak.  -para  mit  dem  dardischen  Volksnamen 
sich  einigt.  Ein  altes  illyrisches  Volk  im  iapygischen  Daunien 
nannte  sich  DARDI  (Plin.  III  104);  die  Dardaner  selbst  hat 
V.  Hahn,  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Berechtigung,  als  ,Birnbaum- 
pfleger,  Landbauer'  gedeutet  (vgl.  alb.  därdh§  ,Birnbaum', 
dardhän  ,Bimbaumzüchter'). 

In  der  Dias  erscheint  Aap3avo<;  als  Ureinwohner  des  Ida- 
gebirges und  Gründer  von  Dardania,  bevor  es  noch  eine  Ilios 
gab;  es  scheinen  demnach  die  troischen  Dardaner,  zu  deren 
Geschlecht  Aineias  gehörte,  den  iiltosten  Theil  der  Bevölkerung 
neben  den  Tpws;  oder,  wie  man  seit  Kallinos  sagte,  den  TsOxpe^ 
darzustellen.  Lediglich  wegen  der  Namensglcichheit  haben 
schon  die  Alten  die  illyrischen  Dardaner  für  Trojaner  erklärt. 
Der  römische  Kaiser  Claudius  (268 — 270),  vir  Illyricianae  gentis. 


26  IV.  Abhandlang:    Tomasche k. 

in  Darclania  geboren,  fülirte  seinen  Stamuibaum  auf  Aus  und 
Dardanus  zurück  (Treb.  Pollio  11,  3).  Bei  Solinus  (11  51) 
heissen  die  Dardani  liomines  ex  Troiana  prosapia  in  mores 
barbaros  efferati*.  Aber,  was  die  Namensgleichheit  betrifft,  so 
kann  diese  trügen:  so  kennt  Horodot  (I  189)  am  Gyndes  ein 
Volk  AapSovie^,  wahrscheinlich  kurdischer  Abkunft;  im  west- 
lichen Kaukasus,  nahe  dem  Kuban,  gab  es  AavSopiot,  die  wahr- 
scheinlich zu  den  Kspxixai  (Öerkessen)  gehörten.  Wie  die 
Teukrer,  so  waren  auch  die  Dardaner  Troias  kleinasiatische 
Aboriginer;  sollte  wirklich  ein  Zusammenhang  der  troischen 
Dardaner  mit  dem  illyrischen  Volke  stattgefunden  haben,  so 
werden  wir  wenigstens  annehmen  müssen,  dass  sie  aus  Europa^ 
der  Heimstätte  der  lllyrier  wie  aller  Indogermanen,  gekommen 
waren,  nicht  umgekehrt. 

Schon  das  Alterthum  brachte  bekanntlich  die  adriatischen 
Veneter  mit  den  homerischen  Enetern  Paphlagoniens ,  den 
Nachbaren  der  Kaukonen,  in  Verbindung.  Auch  Neuere  haben 
sich  dieser  Ansicht  mit  Eifer  angenommen  und  gemeint,  dass 
zuerst  die  Veneter,  hinter  diesen  die  Dardaner,  zuletzt  Mysen 
und  Teukrer  (=  Paionen)  aus  Kleinasien  zogen  und  stufen- 
weise zwischen  der  Adria  und  dem  Hellespont  sich  lagesten. 
Das  Ganze  sieht  bestechend  aus;  aber  auch  bei  den  Venetem 
spielt  die  blosse  Namensähnlichkeit  die  Hauptrolle.  Die  paphla- 
gonischen  Eneter,  will  man  sie  nicht  umgekehrt  für  uralte  Meta- 
nasten  aus  Illyrien  halten,  müssen  für  kleinasiatische  Aboriginer 
gelten;  nach  Hecataeus,  welchen  Zenodot  citirte,  stammten  die 
Eneter  ex  Asüxocupwv  und  soll  'Even^  der  leukosyrische  Name 
für  das  spätere  (aus  armen,  amis  ,Mond'  gut  deutbare)  *A|Ma6; 
gewesen  sein;  ein  Demos  bei  dem  karischen  Milet  hiess  'Evviqto( 
(Le  Bas  IH,  Nr.  219)  und  selbst  Bivvexo?  wird  als  karischer 
Name  bezeugt  (auf  lasos  Nr.  287).  Die  adriatischen  VENETI, 
welche  schon  Herodot  als  lllyrier  hinstellt,  dürfen  wir  keines- 
falls aus  Asien  herleiten,  da  das  illyrische  Volksthum  aus  dem 
mittleren  Donaugebiet  stammt;  als  Personenname  tritt  Venetus 
allenthalben  auf  dalmatischem  Boden  auf.  Es  gab  sogar  an  der 
Nordgrenze  Makedoniens,  zu  Seiten  der  Dardaner  und  Triballer, 
'EvgTci,  welche  etwa  die  Metöhia  von  Pek'  inne  hatten  und  flir 
eine  nach  Südost  vorgedrungene  Abtheilung  der  Dalmaten 
gelten  müssen.   Als  im  Jahre  85  Sulla  in  Verein  mit  C.  Sentius 


Die  alten  Thraker.  I,  27 

gegen  die  Grenzvölker  zu  kämpfen  hatte,  unterwarf  er  (App. 
Mithr.  55)  'E^nzyjq  xal  AopSavea^  xal  ZtVTcbi;,  rsptoixa  MaxeBövcov 
eOvtj,  ouvexö?  iq  Maxe5ov{av  eixßaXXovra ;  Eutropius  nennt  an  Stelle 
der  Eneter  Delmatae.  Plinius  filhrt  in  der  Reihe  der  illyrischen 
Völker  Enedi  an.  Nach  einer  alten  Quelle  gab  auch  der  voll- 
ständigere Text  des  Stephanus  von  diesem  Volke  Kunde;  vgl. 
Eust.  ad.  B  852:  ^jv  ^k  %a\  lOvoc  icapa  TpißaXXoT<;  'EvetoC.  Mit  Un- 
recht berufen  sich  die  Anhänger  der  ,teukrischen'  Abstammung 
der  Paionen  und  Dardaner  auf  diese  dalmatischen  Veneter.  Alle 
Völker  der  Haemushalbinsel  gehören  von  Haus  Europa  an; 
dies  gilt  auch  von  der  paionisch-dardanischen  Gruppe;  Klein- 
asien war  die  Urheimat  allophyler  Aboriginer  —  wenn  es  hier 
indogermanische  Intrusionen  gab,  so  sind  dieselben  aus  Europa 
gekommen,  nicht  umgekehrt. 

n.  Die  phrygifloh-mysisohe  Gruppe. 

Als  Eugammon  seine  Telegonie,  die  Fortsetzung  der 
Odyssee,  dichtete  (ca.  565  v.  Chr.),  war  noch  die  Erinnerung 
an  eine  Zeit  lebendig,  in  welcher  Epirus  von  phrygischen 
Nordstämmen  bedroht  war;  der  Dichter  Hess  Odysseus  aus 
Ithaka  ausziehen  und  die  Königin  der  Thesproter  zur  Frau 
nehmen;  iicstia  tc6X6|xo?  aüvCcjTarat  xot^  ©eaicpanov?  itpo^  BpO^ou;.  Wie 
in  Troia,  so  standen  auch  hier  auf  Seiten  der  Barbaren  Ares 
und  Apollon,  und  das  Heer  der  Thesproten  wurde  trotz  der 
Beihilfe  Atheners  und  Odysseus*  Führung  gänzlich  aufgerieben 
(Proclus,  ehrest,  gramm.).  Auch  die  Argonautensage  (Ap.  Rh. 
rV  330,  470)  kennt  dieses  Volk  auf  zwei  Ubumischen  Inseln 
(Kerkyra  und  Paxos?  Apollonius  dachte  an  die  Absyrtiden, 
welche  zu  weit  nördlich  liegen),  Bpu^ritte?  vi^oi,  mit  einem  Tempel 
der  Artemis,  den  die  Bpövot  des  Festlandes  errichtet  hatten.  Es 
haben  sich  also  diese  Brygen  zwischen  die  Chaonen  und  Thes- 
proter in  das  Alluvialland  am  Thyamis  oder  Kammos  gewaltsam 
eingeschoben.  Den  kyklischen  Nöoroi  zufolge  soll  "EXevo;,  Sohn 
des  Priamos,  über  Kikonia  und  Makedonia  nach  dem  Lande 
Ka(&|iav(a  •  fjiotpa  ßtoTzpioxiotc  (benannt  nach  dem  Flusse  KapnjLo?, 
nach  Serv.  ad  Aen.  V  333  nach  dem  Fürsten  Kajjiro;)  gekommen 
sein  und  mit  Keorpta,  der  Tochter  des  Kampos,  den  Kestrinos 
erzeugt   haben,   nach   welchem   das  Land   den  Namen  Kecxplvr^ 


!^8  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

erhielt;  Helcnos  galt  zugleich  als  Gründer  von  BoüOpwTS^,  wo 
auch  ein  Xc^o^  stand^  Tpcia  xaXoufJievo^,  u>  tcots  Tpioe^  arpaioxs^) 
expT^iffavTo  (Dion.  Hai.  I  51;  vgl.  St.  B.  Tpsi«  •  ic6Xt(;  ev  KeorpCa  x^^ 
XoovCat;;  Varro  ap.  Scrv.  Aen.  III  349),  und  als  Gründer  von 
"IXtov  am  Flusse  Thyamis  (St.  B.  vgl.  Liv.  XXXI  27),  etwa 
in  der  Lage  des  heutigen  Ortes  Philiätes.  Das  können  helle- 
nische Neugründungen  gewesen  sein,  nach  dem  Muster  der 
berühmten  homerischen  Namen;  Anlass  dazu  bot  das  vormalige 
Vorhandensein  der  Brygen,  die  man  sich  aus  Troia  gekommen 
dachte;  und  dass  man  gerade  Helenes  zum  Landesheros  machte, 
wurde  durch  die  Namensähnlichkeit  mit  den  "EXivot  •  l6vo?  0ea- 
TCpwTtxov  in  der  'EXtvta  tq  /wpa  (Rhianus  ap.  St.  B.)  verursacht. 
Verfolgen  wir  die  brygischen  Spuren  weiter  hinauf  ins 
Inland.  Ueber  den  Illyriern,  zwischen  dem  Lychnitissee  und 
den  EYxeXsict,  hausten  nach  dem  sogenannten  Skymnos  (v.  434, 
437)  BpuYOi  ßfltpßapot,  die  also  weder  Ulyrier  waren  noch  Hellenen. 
Aber  auch  östlich  vom  Lychnitis,  am  Oberlauf  des  Erigon  und 
am  Pylonpasse  des  Gebirges  Bopvout;,  zwischen  den  Lynkesten 
und  Deuriopen,  gab  es  nach  Strabo  (VU,  p.  327)  Bp^you  Hier 
vermerkt  der  Pilgerbericht  eine  mutatio  Brucida,  m.  p.  XIII 
Lychnido,  XIX  CÄStris  Parembole,  finis  Epiri  et  Macedoniae, 
worin  bereits  Wesseling  BRUGIADA  erkannt  hat,  d.  i.  BpuYti^ 
(St.  B.);  Stephanus  kennt  auch  einen  Vorort  Bpi^iov  (Ew.  BpuYtot, 
Bpu^ieT«;)  des  Volkes  BpSyat  *  2övo<;  Max£Sov{a^  ^rpocex«^  IXXüpioiq,  und 
führt  aus  Herodian  die  Formen  Bpu5,  f.  BpuY»';,  an.  Auf  deurio- 
pischem  Gebiet  lag  nach  Strabo  die  brygische  Ortschaft  KuBpai 
(vgl.  KjBpap«,  Grenzort  zwischen  Lydien  und  Phrygicn  bei 
Herodot).  Aber  noch  weiter  ostwärts,  in  die  Bergstriche  von 
Emathia,  führen  uns  herodoteische  Angaben.  Als  Mardonius 
493  durch  Thrakc  und  Makedonien  zog,  eriitt  er  zuletzt  starke 
Verluste  durch  die  Bpu^oi  0pT^txs(;,  welche  sein  Heer  bei  Nacht 
überfallen  hatten  (VI  45);  die  Sitze  dieses  ,thrakischen'  Volkes 
ergeben  sich  aus  der  Reihenfolge  der  Stämme,  welche  sich  480 
dem  Xerxes  anschlössen  (VII  185):  Boirtaiot  xal  Bp^yot  xal  iliepc^ 
xal  Max£56v6(;  xai  iieppaißoi.  —  Wenden  wir  uns  vom  Lychnitis 
weiter  hinauf  gegen  Nordwest,  so  finden  wir  auch  hier  einen 
Zweig  der  Brygen.  Strabo  p.  326  führt  zwischen  ApoUonia 
und  den  Kcraunien  und  zwischen  Epidamnos  folgende  Stämme 
von  Süd   nach  Nord   an:    BuXXiove;  ts  xal  TaüXavTiot  >wil  nap6ivo( 


Die  alten  Thnker.  I.  29 

xorj  Bpu^oi,  diese  letzteren  also  ganz  nahe  an  Dyrrachion.  Dazu 
stimmt  sehr  gut  die  Nachricht  bei  Appiau  (B.  civ.  II  39):  xpovo) 
5s  T^;  T6  x*^?*^  ^*^  '^i*5  Auppoyiou  ttsasw^;  xoreor/ov  Bpi-^eq^  i%  <l>püYd)v 
STcavsXöivre^,  xat  £•::'  Ixsivoic  TauXavTtot  'IXX'jpi/cv  lOvoi;  —  nur  dass 
hier  statt  Bpirpt  oder  BpuYot  die  Form  BptY£^  auftritt. 

Nur  in  seltenen  Fällen  (Meyer,  Gr.  Gr.  91)  setzt  der 
Grieche  t  ftir  u  ein;  aber,  wie  dem  Phrygischen  (vgl.  Bpuava  und 
Bptava),  so  muss,  wenn  es  erlaubt  ist,  aus  den  heutigen  alba- 
nischen Dialekten  einen  Schluss  für  das  Alterthum  zu  ziehen, 
namentlich  dem  Illyrischen  und  wohl  auch  dem  Makedonischen 
der  Uebergang  von  t/,  ü  zu  i  von  Haus  aus  eigen  gewesen 
sein  —  gerade  in  solchen  Kleinigkeiten  erweist  sich  die  orale 
Disposition  auf  die  längste  Dauer  beständig.  Wir  wissen,  dass 
das  Griechische  in  Makedonien  fremdartig  ausgesprochen  wurde, 
indem  theils  die  illyrische,  theils  die  phrygische  und  thrakische 
Sprachanlage  der  Untergebenen  durchdrang;  so  erklärt  sich 
auch  das  Auftreten  der  makedonischen  Form  BpiY€<;.  Die 
Phrygen  selbst  haben  sich  in  Kleinasien  nicht  anders  als  BpüYs? 
oder  Bp'Ysc  benannt.  Die  Griechen  jedoch  haben  seit  Alters, 
vielleicht  schon  zu  jener  entlegenen  Zeit,  als  sie  westlich  vom 
Axios  hart  neben  phrygischen  Stämmen  sassen  und  als  noch 
die  ursprüngliche  Media -Aspirata  hh  deutlich  gefühlt  wurde, 
zuerst  Bhrug-,  Bhrüg-,  sodann  gemäss  der  Lautverschiebung 
Phrüg-,  *l>puYEc,  ausgesprochen;  nur  die  epirotischen  Stämme 
haben  flir  die  ihnen  benachbarten  Brygen  dieselbe  Form  mit 
i- Anlaut  beibehalten,  welche  bei  Phrygen  und  Makedonen, 
welche  die  Media-Aspirata  regelmässig  in  die  einfache  Media 
umsetzten,  üblich  war.  Der  Name  lässt  sich  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit als  jhomines  frugi'  deuten,  von  Wurzel  bhrüg  : 
bhrüg  ,brauchen';  in  Bp^oi,  BpÖYai  tritt  langer,  in  <l>puY£?,  BpuY«; 
oder  BpuYot,  sowie  in  Bp^Y^;,  kurzer  Stammvocal  hervor.  Auf 
kleinasiatisch-phrygischem  Boden  sind  folgende  Formen  bezeugt: 
EptY^a  •  V}  TpwVxT^,  i^  ^püY^a,  aizh  Bpt'YOU  tou  xaT0tx'i^(7avT0<;  ev  Maxs^ovia 
(St.  B.).  Für  <l»pj;  wurde  Bp'4  gesagt;  vgl.  Hesych.  Bp^Ys?  '  o'i 
^h  <^pÖY€^,  ot  31  ßapßxpot,  et  ok  coXoixtciai.  Mißa^  Be  uicb  AuBtov  axo- 
9a(v6Tai  ßpiY«  X6YS<JÖat  xbv  eXe^Oepov.  Dazu  hatte  man  die  Glossen: 
3p6xoq  *  ßipßapo^y  ßpix6v  *  ßipßapcv,  Kdizpioi,  ßpfxsXoi '  ßocpßapct;  endlich 
die  BpiY6<;  xal  BpiYavtec,  ot  crTpaieuoiJLSvot  oixeiat,  im  Heere  des 
Brutus  (Plut.  Brut.  45).     Wenn  die  Brigen  als  ,unverständlich 


30  I^«  AbhaodloDg:    Tomftschek. 

sprechende'  oder  ,8cmibarbari'  bezeichnet  werden,  so  gilt  dies 
iUr  die  hellenische  Zeit,  als  alle  Kleinasiaten  anfingen  sich  des 
Griechischen  in  ihrer  Weise  zu  bedienen.  Wenn  Juba  das 
Wort  aus  dem  Lydischen  d.  h.  Maionischen  deuten  will  als 
,  Freie',  so  bezieht  sich  dies  auf  die  maionisch-phrjgischen  Frei- 
sassen und  Grundbesitzer,  im  Gegensatz  zu  den  dienenden 
Lelegem,  Minyorn  und  Karern;  ßpi^s?  ist  dann  Eigenname, 
keine  echte  Glosse,  und  am  allerwenigsten  darf  man  dabei  an 
got.  frei-s  ,frei'  und  frik-s  ,frech'  denken.  Es  bleibt  also  bei 
der  Deutung  ,homine8  frugi'. 

Die  Gleichung  Bp^fe?  *  ol  ^püfe?  wird  von  den  Alten  oft  ver- 
merkt; am  gewichtigsten  ist  der  Ausspruch  Herodots  (VH  73): 
Ol  Se  <l>p6Y6^,  w;  MaxsB6ve^  XsYOüffi,  exaXeovto  Bpi^e^  /P^vov  5oov  Eupcn- 
7r/|(ot  e6vT£{  ouvoixot  v^ov  MfiaeSöci,  (JLSTaßavreq  hk  eq  t^v  'Ao(v)v  &{ia  t^ 
XwpTfi  xal  Tb  oüvojjL«  iiL€T^ßaXov  ^  ^p(jr{a<;.  Aehnlich  Strabo  p.  296: 
xal  öWTol  3'  01  ^p6Ye(;  Bpi^e;  eiffi,  Opdhttöv  ii  lOvo^;  VII  fr.  27:  ib 
Bsp;jLtov  6po^  xpÖTcpov  xorreTxov  BpC^s?  öpaxwv  lOvo^,  &v  xtvc^  Siaßivxe^ 
6t<;  Tijv  'AcCav  4>puYg^  fjieTü)vo|iLac6Y)cav.  Diese  makedonischen  Brigen 
dürfen  von  jenen  illyrischen  Brygen  in  keiner  Weise  getrennt 
werden;  gebraucht  doch  Herodot,  wie  wir  oben  sahen,  fUr  diese 
Brigen  die  synonyme  Form  Bp6Yot,  wie  umgekehrt  Appian  fllr 
die  Brygen  von  Dyrrachion  die  Form  BptYs?.  Wir  sehen  also 
einen  langen  Gürtel  phrygischer  Intrusionen  zwischen  dem 
thermäischen  Gotte  und  der  Adria,  zwischen  den  griechischen 
Stämmen  von  Epirus  und  Thessalien  und  den  illyrischen  Völkern 
des  Nordens.  Von  den  Brigen  des  emathischen  Landes  aber 
wusste  die  makedonische  Sage  Manches  zu  erzählen;  es  be- 
gegnen hiebei  die  Silenen  (XauaSai),  Dämone  der  Springquellen, 
ebenso  Midas,  Sohn  des  Gordios  und  der  Göttermutter,  der 
Dämon  des  Natursegens  und  des  Ueberschwangs  in  Feld  und 
Flur  —  Namen,  welche,  gleich  jenen  der  metallurgischen  Dak- 
tylen, dem  ältesten  Volksglauben  der  Phrygen  angehört  haben 
und  nicht  mit  Nothwendigkeit  gerade  und  einzig  auf  Asien  hin- 
zuweisen brauchen.  Wenn  diesen  jedoch  der  Name  des  Orpheus 
angefügt  wird,  so  wäre  dies  bei  der  Nähe  Pierias  an  und  fUr 
sich  nicht  aufiUlUg;  wegen  der  späten  Erwähnung  jedoch  wird 
der  Verdacht  rege,  dass  hier  eine  Zuthat  der  Geschichtschreiber 
Ephoros  und  Theopompos  vorliegt,  hervorgerufen  durch  die 
Sagenklitterung   der   orphischen   Mystiker.     Das  Auftreten  des 


Die  alt«n  Thimker.  I.  31 

Midas  auf  makedonischem  Boden  rausste  jedoch  bei  Vielen  die 
Ansicht  erzeugen,  dass  die  Brigen  aus  Asien  stammen,  dem 
Hauptsitz  der  Phrygen  und  der  Midassage;  folgerichtig  Hessen 
sie  dann  auch  Lydier  und  Mysier  mitwandern.  So  dichtete 
Euphorien  (schol.  Clem.  Alex.  IV,  p.  96  Kl.):  wxäTto  8i  xb  waXatov 
^  *£S€a9a  xmo  ^puYcov  xai  Au^ci^v  xal  tcov  [uzol  MiSou  3iaxo(Jiio6ivTCi>v 
&.<;  ttjv  EüpuMOQv.  Hellanikos  nannte,  wenn  die  Angabe  (Const. 
Porphyr,  de  them.  II  2  nach  dem  vollständigeren  Text  des 
Steph.  Byz.  v.  MaxeBov^a)  nicht  etwa  verkürzt  lautet,  überhaupt 
nur  die  Mysier:  MoxeSive^  fjiovot  [kizk  Mi>au)v  TÖie  oixoüvtc(;.  Von 
der  Wanderung  des  Midas  aus  Asien  über  die  edonischen  Lande 
spricht  auch  Nikandros  (Athen.  XV,  p.  683  b):  xpwT«  (jlsv  'Q3o- 
v(y]68  M{3i)q  Sicep  'Aaido^  ^JT*  I  X^i^ciiv  ev  rX-^poiai  avsTpe^ev  'Hf^aOiotaiv  | 
«i^  i^  l^xovxa  7c£pi5  KOjjLÖwvT«  Tcen^Xot?.  Diese  p6Ba,  welche  die 
Hakedonen  mit  einem  phrygischen  Worte  aßa^va  nannten 
(Hesych.),  hiessen  auch  IxoTovrd^jXXa,  und  sie  gediehen  prächtig 
im  edonischen  Pangaios  (Theophr.  H.  plant.  VI  6,  4);  die 
Rosengärten  des  Midas  begegnen  schon  in  der  Stammsage  der 
Argeaden  (Hdt.  VIII  138):  wxridav  TteXa?  xöv  xi^j^cov  twv  a6yo- 
|jiv(i>v  etvat  M{$6(i>  tou  ToplUta,  ev  xoi^i  ^sxat  aeuT6|ii.aTa  ^63a,  Sv  Sxaarov 
l^ov  ^|XO'/Ta  ^aXo,  i$(jLY)  TS  u::sp9ipovta  xcjy  d[XX(i)V.  ev  Touxdtai  %a\  6 
StXTjvb^  T0i9t  xVjTToiai  ^X(i>,  0)^  XeYSTai  urcb  Maxs$6vü>v.  \jn:kp  Ik  T(dv  xi^iccjv 
xierat  to  Bspfjiiov  5po(;.  Konon  lässt,  in  Uebereinstimmung  mit 
der  makedonischen  Sage  (Hdt.  VII,  73),  Midas  umgekehrt  nach 
Asien  auswandern:  Milaq  Otjocscupoi  TcepiTu/cov  d6p6ov  e^  tcXoutov  iip^ 
xött,  'Opf€Ci>^  xaxa  iltipetov  xb  5po;  dhcpooTY;?  y^^^P'^^ö??  ^oXXat?  tix^^ai^ 
Bpi^ciiW  ßoaiXeuei,  c^;  (^xias  (/ko  xtd  Bsppifa)  5p€(,  'TcoXuavOptoxotGhou;  5vTa^. 
ZetXvjvb^  TCspl  xb  Bspfxiov  5po;  c^^Or^.  iTceixa  Mt3a^,  Tcstaa^;  xb  u^n^xoov 
Äic'  Eüp<i>xir)^  SiaßYjvac  xbv  'EXXt^cxovtov,  Cwtsp  MuaCov  (i)xiae,  ^p\)^aq  dvx: 
Bprfcöv  [i£xovo[Jiao6cVxa^. 

Für  uns  hat  die  Frage,  ob  die  Brigen  aus  Grossphrygien 
stammen  oder  ob  umgekehrt  die  asiatischen  Phrygen  aus  Make- 
donien ausgewandert  waren,  keinen  Sinn,  keine  Bedeutung; 
wir  nehmen  vielmehr  an,  dass  es  einst  eine  Zeit  gab,  wo  die 
phrygische  Nation  geschlossen  die  Räume  südlich  vom  Haemus 
imie  hatte;  von  hier  aus  zog,  entweder  durch  Nord  Völker  ge- 
drängt oder  dem  Zuge  nach  dem  wärmeren  Süden  folgend,  die 
Hauptmasse  als  Eroberervolk  in  das  allophyle  Kleinasien  ein, 
wie  nachmals  die  Galater;  die  westlichen  Stämme  jedoch,  welche 


32  TV.  Abhandlung:     Tomaschek. 

zurückgeblieben   waren,    wurden   durch    die  Invasion  der  thra- 
kischcn  Völker,  der  Maidobithynen,  lange  vor  der  Ausbreitung 
der  Paionen  über  den  Axios  hinaus,   dem  emathischen  Küsten- 
lande  und    der  Hochregion    des  Bermios   zugetrieben,   von  wo 
aus,    infolge  des  Nachdrängens  der  Paionen  und  Thraker,   be- 
deutende Theile  weiter  ins  illyrische  Inland  verschlagen  wurden, 
so  dass  wir  Brygeu  endlich  an  den  Küsten  der  Adria  und  im 
thesprotischen  Lande  vorfinden.    Es  wird  nicht  Zufall  sein,  dass 
ausser  den  Paionen,  welche  Pelagonia  und  Emathia  unterwarfen, 
hart  an  den  Fersen  der  Brygen,    wie  wir  sehen  werden,  thra- 
kiöche   Kriege rstämrae   auftauchen,    Trailer   und   Treren,   Vor- 
läufer  der   kimmerischen    Wanderung   (li)0 — GOO):    diesen   vor 
Allen   müssen   wir   die    spätere    Zersplitterung  der    brygischen 
Stämme   zuschreiben.     Die   Brigen  Emathia's   aber   waren   aus 
den   strymonischen    Landen    gekommen.     Die  Sage   von  Midas 
und  Silen    haftete    nicht  bloss  am  Bermios,   sie  fand  sich  auch 
viel   weiter   nordwärts,    hart   an    der  Grenze    der  Paionen  und 
Thynen,  an  der  Quelle  "Ivva,  [jl^otj  MaiStov  xal  Ilai6vu>v,  iflv  hÄpaat 
oivo)  6  ^pb^  MtSa^,  5t£  ^XeTv  tov  SetXr^vbv  urcb  (xeOr;;  t^O^Xyigsv  (Bion  ap. 
Athen.  II  45  c).  So  weit  im  Norden  mögen  vormals  Brigen  gehaust 
haben.   Der  Flussname  Sxpuixwv  gehörte  der  phrygischen  Sprache 
an:   nicht    nur  im  Sagenkreise  der  Troas   erscheint  eine  Fluss- 
nymphe -Tpüjxo),  am  Bermios  selbst  hiess  der  bei  dem  brigischen 
Orte    Mk^a   (Ste})h.  Byz.    s.    v.)   vorbeifliessende   Bach    ZTpu|i^v 
und   der   Ort    darnach   SipujjLoviov.      In   Bisaltia   finden   wir   ein 
phrygisches  Castell  BeBu.     Nahe  dem  Bolbe-see  lag  ein  anderes 
Castell,  BpiviCic  mit  Namen ;  der  Sänger  Thamyris  soll  i$  'HSwvwv 
Tf^<;  ev  Bp^Y^'^;  tcoXsw;    nach  Pieria   gekommen  sein.  —  Die  Zeit, 
wann  die  Brigen  vom  Bennios  zuerst  von  den  Paionen,   dann 
von    den  Makedonen,   untei'worfcn    wurden,   lässt   sich   schwer 
bestimmen.     Schon   waren   die  Thessaler  aus  Thesprotia  in  die 
Alluvialebene  am  Peneios  eingerückt  (ca.  1000),    die  Magneten 
hatten  Piöria  eingenommen,  als  auch  das  verwandte  hellenische 
Bergvolk  der  Oresten  sich  zu  regen  begann  und  einen  Ausweg 
nach    dem    Küstenlande    Emathia    zu    gewinnen    suchte;    der 
mythische  Stammbaum  der  Argeaden  rückt  jedoch   die  Besitz- 
nahme von  Edessa,  sei  es  durch  Karanos  (ca.  800),  sei  es  durch 
Perdikkas   (ca.  700 — 650),    wie  es   scheint  in  eine  viel  zu  alte 
Zeit;    vielleicht    gehört   dieses    Ereigniss   in   den   Ausgang   der 


Die  alten  Tlirakor.  I.  33 

kimmerischen  Wanderung  (ca.  600).  Vielleicht  warenxdie  ,kreto- 
pelasgischen^  BomaToi  ein  Stamm  brigischen  Schlages,  da  sich 
zunächst  der  Ort  Borreietov  im  klcinasiatischen  Phrygien  ver- 
gleicht; der  Bergname  "Oäuixtco«;  war  Phrygen  und  Hellenen 
gemeinsam;  über  den  pierischen  'Opfsu?  werden  wir  im  mytho- 
logischen Anhang  reden,  wie  über  Öaptupi;.  Wenn  ,Thraker' 
in  '.4X(iiov  (Steph.  Byz.),  also  im  Tempethale,  auftreten,  so  kann 
dabei  ebenso  an  Brigen,  wie  an  eine  vereinzelt  vorgedrungene 
Schaar  echter  Thraker  gedacht  werden;  dasselbe  gilt  von  jenen 
,Thrakem%  welche  einst  Orchomenos  bedroht  haben  sollen 
(Hellanicus  fr.  71)  —  sind  doch  selbst  in  der  römischen  Kaiser- 
zeit einmal  dakische  Kostobokcn  bis  nach  Phokis  gekommen! 
Die  angeblichen  Thraker  von  Phokis,  am  Helikon  und  Parnass, 
sind  reine  Erfindung;  wir  halten  sie  für  abgethan.  Ein  völliges 
Unding  sind  aber  die  ,helleno-pelasgischen'  Thraker  neuerer 
Forscher. 

An  die  brygischen  schUcssen  sich  ostwärts  die  edonischen 
Stämme  an,  welche  ursprünglich  den  ganzen  Küstenstrich  vom 
unteren  Axios  bis  zur  Mündung  des  Hebros  innehatten,  durch 
die  Thraker  und  Paionen  aber,  sowie  durch  die  Ansiedelungen 
der  Chalkidier,  derartig  zurückgedrängt  wurden,  dass  ihnen 
zuletzt  nur  das  Land  an  der  Strymonmünde  und  der  Pangaios 
übrig  bheb,  dessen  Goldreichthum  auch  noch  die  Athener  und 
Makedonen  ins  Land  brachte.  Das  edonische  Volksthum  besitzt 
keine  geringe  Bedeutung  ob  der  in  seinem  Schoosse  ins  Leben 
getretenen  orgiastischen  Culte,  welche  es  unbedingt  der  or- 
giastisch  veranlagten  phrygischen  Nation  zuweisen;  es  kommt 
hiezu  die  geographische  Stellung  an  der  Seite  der  Brygen  und 
das  Vorhandensein  von  edonischen  Sporaden  auf  kleinasiatisch- 
phrygischem  Boden. 

Der  erste  edonische  Stamm,  den  wir  noch  am  Axios 
finden,  waren  die  Müy^öv6<;.  Thucydides  (U  99)  nennt  als 
Bewohner  des  Landes  zwischen  Axios  und  Strymon  nur  die 
Edonen:  er  setzt  hier  das  Ganze  für  den  Theil;  auch  Strabo 
Vn,  fr.  11  hält  die  Mygdonen  für  eine  Unterabtheilung  der 
Edonen.  In  den  Genealogien  erscheint  Mu-y^wv  als  Bruder  des 
'Hi(i)V9{  und  des  Biorhtv.  Mygdonien  umfasste  das  Alluvialland 
am  unteren  Axios  und  den  innersten  Winkel  des  thermäischen 

Sittnngnber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXYni.  Bd.  4.  Abb.  3 


34  IV.  Abhandlung:    Tomasehek. 

Busens  bis  zum  Bergstock  des  Kicjc;  und  bis  zum  Vorgebirge 
der  Ainier  —  es  war  also  eine  wahrhafte  Mu/ösviä  (St.  B.); 
weiter  gehörte  dazu  die  Thallandschaft  *AvO£|jlo5;  und  das 
Gelände  am  See  B^Aßv;.  Dieses  ganze  Gebiet  gieng  in  sehr 
alter  Zeit  an  die  Paionen  verloren,  und  'A;ji.uB(i)v  erscheint  bei 
Homer  bereits  als  paionische  Veste;  weil  den  Paionen  unter- 
worfen, galten  die  Mygdonen  Einigen  für  ein  paionischcs  Volk, 
llygdonia  nennt  noch  in  spätbyzantinischer  Zeit  der  gelehrte 
Kaiser  Joannes  Cantacuzenus,  und  zwar  am  Pangaios  und  der 
benachbarten  pierischen  Küste;  richtiger  setzt  er  die  Veste 
ruvatxöxaarpsv  (zwischen  dem  Vardar  und  Galikö,  jetzt  Awret- 
hisär)  in  die  ilygdonia.  Ins  mygdonische  Oberland  hatten  die 
Makedonen  das  Volk  der  'Eopbzi  gezogen,  deren  Vorort  ^iaxo^ 
wurde  (vgl.  Zuaxo;  •  ::oTa|xb^  Moxe^ovia;  bei  Herodian,  von  Wz. 
gheu-  ,giessen'  mit  Derivat  -<7x.o?). 

Die  Deutung  des  Namens  MuyB-ov-e;  vom  Thema  pty^J- 
(gr.  lAx/O-,  [xx/c;  ,Innenraum,  Schooss,  Meerbusen,  Winkel, 
Wz.  smu|{h-  ,schmiegen')  ergibt  sich  aus  dem  Wohnsitz  am 
thermäischen  Golfe  und  in  den  Binnenthälern;  wir  dürfen  dieses 
Thema  auch  für  das  Phrygische  voraussetzen.  Wir  linden 
(Amm.  Marc.  XXVI  7,  14)  einen  ,Mygdus  locus,  qui  Sangario 
alluitur  flumine^  In  den  Mygdonen,  welche  die  vom  Odryses 
durchflossene  Thallandschaft  zwischen  der  Steilküste  von  Das- 
kyleion  und  Myrlea  und  den  westlichen  Vorbergen  des  mysischen 
Olymp  (xb  TTs^isv  MuY5ov{ac)  bewohnten,  vermuthet  Strabo  (p.  564) 
,Thraker^  oder  richtiger  (p.  295)  ein  ,phrygisches  Volk,  welches 
Europa  verlassen  habe'.  Schon  bei  Homer  erscheint  Mygdon, 
Vater  des  Koroibos,  als  phrygischer  Heros;  die  Argonautensage 
kennt  einen  Mygdon,  Sohn  des  Akmon  und  Bruder  des  Amykos, 
als  Fürsten  der  Bißpuxs«;.  Nach  Ephorus  (Diod.  V  64),  welcher 
die  Phrygen  aus  Asien  herleitete,  zog  Mygdon  mit  den  idäisehen 
Dartylen  aus  der  Troas  über  Samothrake  nach  Europa.  Bi- 
thynien  hiess  (Amm.  Marc.  XXII  8,  14)  voreinst  Mygdonia. 
Wir  finden  ferner  Mygdones  in  der  iurisdictio  Pergamena 
(Plin.),  im  Thale  des  Hermos,  ja  sogar  im  Gebiete  von  Milet 
(Ael.  Var.  bist.  VIII  5)  an  der  Maeandermünde.  So  erscheinen 
denn  Mygdonen  an  der  Peripherie  der  phrygischen  Nation,  als 
deren  Vordermänner  oder  Nachzügler.  Wenn  Tzetzes  (Chil.  UI 
812)  für  Perinthos  als  älteren  Namen  Mu^sovia  anführt,  so  scheint 


Dio  alten  Thralrer.  I. 


35 


er  das  politische  Herakleia  mit  Herakleia-Perinthos  verwechselt 
zu  haben;  in  dichterischer  Ausdrucksweise  hiess  selbst  die 
Rhodope  mons  Mygdonius  (Mart.  Cap.  655),  wie  auch  Cybele 
den  Beinamen  IMygdonia  fiihrt  (Val.  Flaecus  11,  46). 

Die  nur  auf  asiatischer  Seite  genannten  BsßpjXij;  vorbindet 
die  Argonautensage  mit  den  Mygdonen:  sie  sassen  an  der 
Westseite  der  phrygischen  Mariandynen  bis  zum  Hypius  und 
Sangarius.  Eine  zweite  Bsßpüx'«  umfasste  das  Gebiet  von  Lamp- 
sacus,  und  die  Grlindungssage  dieser  Colonie  meldet  von 
Kämpfen  der  Bebryken  und  ihres  letzten  Fürsten  Miviptov  mit 
jPelasgern^  Auch  werden  Beßpuxs;  Bi>avaioi  erwähnt,  mit  ihrem 
Fürsten  Bjgvr;;,  welchen  Ilos  getödtet  haben  soll  (St.  B.,  Conen  12). 
EndUch  finden  wir  diesen  Stamm  an  der  Westküste:  Bsßpjxe^ 
xiTciy.Tjiav  xal  ztpi  ttjV  AjSiav  £v  toi;  irATjabv  'E^saou  T£  xal  MaYVYjcta^ 
Tfirs-.?  (schol.  Ap.  Rh.  II  2)  als  Nachbaren  der  Mygdonen  und 
Maionen.  Dem  redupliciertcn  Namen  hegt  vielleicht  eine  Wurzel 
bhreuq:  bhrüq-  lit.  brukti  ,zwängen,  drängen,  stopfen'  zugrunde, 
die  wir  auch  für  die  pannonischen  BpiOy.ot  sowie  für  die  Bpuxat 
oder  Bpuxsi^  •  eOvo^  6paxY;;  (St.  B.)  vermuthen. 

Unter  dem  phrygischen  Namen  waren  ferner  einbegriflfen 
die  AoXiove^  oder  AoXtet?  der  kyzikenischen  Landschaft  AoXtovt;, 
welche  sich  westlich  von  der  ,mygdonischen  Aue'  zwischen  dem 
Rhyndacuß  und  Aesepus  erstreckte;  auch  sie  hatten  Fehden 
mit  den  ,Pelasgern'  zu  bestehen  (Apd.  I  9,  18),  wobei  wir  an 
die  herodoteischen  Pelasger  von  Skylake  und  Plakia  erinnert 
werden;  in  der  Dolionis  lag  der  Ort  2x6p|jLo<;  (St.  B.);  auch 
Kü^ixo^  (von  Wz.  qeug:  qug-  ,hohl  sein,  sich  wölben')  war  einst 
ihr  Besitz,  wie  die  Insel  Bscßixo;.  Ihr  Heros  AcXtwv,  Sohn  des 
Seilenos,  soll  am  See  Askania  gehaust  haben  (Alex.  Aet.  ap. 
Strab.  XrV  p.  681).  Die  Wurzel  del:  dol-  begegnet  auf  phry- 
gischem,  wie  auf  thrakischem  Sprachboden.  Wir  kehren  zum 
Axios  zurück. 

Der  edonische  Heros  Mu^^wv  war  Vater  des  KpoOao;  und 
des  rpacT6;  (St.  B.).  Von  letzterem  stammen  die  Fpa^Taivs;  ab 
oder,  wie  Hecataeus  sie  nannte,  die  Kpr,aTU)ve^.  Die  fruchtbare 
und  gesegnete  IlügcUaudschaft  rpacrojvia  (oder  Fpr^cTwvia,  auch 
FpaKJTwvfa,  Theop.  ap.  Athen.  III,  p.  77,  d),  bei  den  Griechen 
KpaoTwvta,  Kpr^Tcwvia  und  KpYjortovixr^  genannt,  erstreckte  sich  von 
den  Quellen  des  Echeidoros   (j.  Galikö,  byz.  raXuK6;)  bis  zum 

3» 


36  IV.  Abbandlnng:    TomaRchek. 

mygdonischen  Bolbc-See,  wo  der  Canton  Süxtvr;  lag  (Arist.  Hist. 
aniin.  11  17,  Mirab.  ausc.  122);  nordwärts  über  dem  Kamm  des 
metallreichcn  Dysoros  sasscn  die  thrakischen  Bisalten ,  dann 
die  Sinten  und  Maiden  (ol  xorcÖTcspOe  KpYjffrwvaiwv  Bpi^jtxeq,  Hdt 
V  5).  Als  Tochter  des  Grastos  erscheint  Tipca  (==  Tupaa?),  zu- 
gleich Name  einer  krestonischen  Ortschaft.  Anderseits  heisst 
die  Nymphe  KpYiarwvtj,  Tochter  des  Ares  und  der  Kyrene;  als 
Beiname  des  krestonischen  Ares  erscheint  KavBiwv  (Lyc.  937). 
Dieser  edonisch-mygdonische  Stamm  gcricth  frühzeitig  unter 
die  Herrschaft  der  Paionen  (Strab.);  vor  den  Perserkriegen 
bemächtigten  sich  die  thrakischen  Bisalten  ihres  Gebietes  (Hdt. 
VIT  115:  6  Tu)v  BiaaXTe(i)v  ßaatXßu;  -pj;  le  tyj;  KpYjorcovixi^^  öp^"?), 
bis  endlich  die  Makedonen  unter  Philipp,  -nach  mehrfachen 
älteren  Versuchen,  Alles  unter  sich  brachten;  schon  früher 
waren  Krestonen  mit  Bisalten  zur  Akte  gewandert,  wo  ,tyrrhe- 
nische  Pelasger^  sassen  (vgl.  xb  KpiQffTwvtxov  bei  Thucyd.  I  109). 
Giseke  und  neuerdings  Hesselmeyer  haben  in  den  Krestonen 
Pelasger  gesucht,  welche  aus  Thessalien  stammten.  Aber,  wie 
Niebuhr  und  H.  Kiepert  (AGeogr.  II  §  348,  c)  erkannt  haben, 
der  Wortlaut  bei  Herodot  (I  57 :  FIsXaaYol  o\  inc^p  TupoTjVöv  Kpr,- 
oTwva  TcoXiv  oix6ovTe<;,  wo  offenbar  KpoTöva  d.  i.  Cortona  aus 
Dionys.  Halic.  verbessert  werden  muss)  spricht  dagegen.  Unter- 
halb Kreston  wohnten  erstlich  nicht  Tyrsener,  sondern  Mygdonen; 
zweitens  versteht  Herodot  unter  Tyrsenem  stets  die  italischen 
Etrusker;  endlieh  hatte  auch  Hellanicus  (Fr.  1)  die  Sage  be- 
richtet, dass  Pelasger  unter  ihrem  Fürsten  Nänas  aus  Thessalien 
nach  dem  adriatischen  Spina  ausgezogen  waren,  worauf  sie  das 
etruskische  KpcT(I)v  d.  i.  Cortona  eroberten.  —  Den  Namen  Fpa- 
aitovia  deuten  wir  als  ,Futterland^,  von  Wurzel  gras  ,fressen' 
abweiden',  (vgl.  gr.  aYpwTci<;  ,Futterkraut%  ypd<r:iq  att.  xpiaieg, 
,grünes  Futter,  Gras'  ^paCveiv  •  eaöieiv  ^pä  '  ^a^e,  KuTcptoi  TMi-^^pä^  • 
xoTOKpaYa«;,  iaXa|x(viot;  alb.  hä-ngra  ,ich  ass',  n-gräne  ,gege8sen, 
abgeweidet',  gränes  ,manducans'). 

Der  andere  Sohn  Kpouao;  war  Heros  in  der  Landschaft 
Kpouffi?  •  jjLotpa  TYj^  Mu^Boviok;  oder  der  Kpocaait;  xwpiQ  (Hdt.  VH  123), 
welche  sich  an  der  Küste  von  ATvEta  über  die  Orte  2|x{Xa,  Kd\t.^0L^ 
r{Y(«)VO(;,  Aiaat,  Kü>[JLßpeia,  IxcjXo;,  Afea^o?  und  S^wapxwXo^  bis  "OXuvBo? 
erstreckt  hatte,  im  Süden  jedoch  die  von  den  Makedonen  ver- 
triebenen   Bottiaier    zu  Ansiedlern    erhielt.     Nach    Hellanicus 


Die  alt«n  Thnker.  I.  37 

waren  die  Kpouoaict  oder  Kpoooi&lq  ein  ,thraki6clies'  Volk  nnd 
ßdpßopot;  die  Aineiassage  hat  hier  Platz  gegriffen,  weil  man  in 
ihnen  Stammverwandte  der  Phrygen  erkannte.  Nach  Conon  (46) 
hegt  Aineia  ev  t»j  BpouataJt  y?);  wofür  KpouataJt  zu  lesen;  ebenso 
muss  den  x-Anlaut  die  ganze  Reihe  bei  Steph.  Byz.  Bpoua£?, 
Bpouaii^y  Bpouaoi  *  t6  eOvo^  aizo  Bpoujcu  'HfjiaOtou  TQaiBö^^  erhalten. 
Die  KpoüffaTot  deuten  wir  als  ,Schreier%  ähnlich  wie  die  illyri- 
schen XeXtBöve^,  von  der  Wurzel  krcuK  :  krük-,  lit.  kraukti,  skr. 
kru9,  kr69ati  (vgl.  die  dakische  Glosse  xpouarivri  •  /eXtSiviov). 

Die  Halbinsel  Pallene  südlich  von  Olynthos  mit  den 
Küstenorten  ^d^rrt^  M^vSt;,  liXUöWi,  STpajxßai  'A^utk;  und  AiffG?, 
und  mit  der  Veste  Sixia,  bewohnten  die  SiOwve^  oder  Si'öwve^, 
ein  Stamm  edonischer  Abkunft.  Stöwv,  Sohn  des  Poseidon  und 
der  Ossa,  6  itj;  Opax'o^  y^tppovf^^o'j  ßaaiXeu;,  erzeugte  mit  der 
Nymphe  MevBiQu;  die  naXXi^jVt;,  und  nöthigte  deren  Freier  zum 
Zweikampfe.  Ein  anderer  Fürst  über  das  jthrakische^  Volk 
der  SithoneU;  KXtxo^,  soll  den  Phöniker  Proteus  aufgenommen 
und  in  diesem  einen  tapferen  Mitkämpfer  gegen  die  Bisalten, 
welche  ins  Land  eingefallen  waren  und  dann  vertrieben  wurden, 
gewonnen  haben;  der  bisaltischen  Einftllle  hatten  sich  noch 
später  die  Chalkidier  zu  erwehren.  Späten  Ursprungs  ist  die 
attische  Sage  vom  Begleiter  des  Theseus,  Mouvito?,  den  eine 
giftige  Schlange  im  Sithonenlande  oder  ev  'OXuvOu)  lij;  öpaxrj? 
biss.  —  Auch  die  mittlere  Halbinsel  gehörte  zum  Stammgebiet 
der  Sithonen  imd  hiess  darum  StOwvC«;  an  ihrer  Küste  lagen 
die  Orte  MY;x6ߣpva,  SepfJiuXia,  Takr^'^o^^  Topwvtj,  SipTYj,  Zi^fo^  nnd 
n{Xü)pc^,  femer  in  unbekannter  Lage  MiXxcopo?,  2y.dßaXa,  Tiv8t), 
MeXavSia,  weiterhin  "Affcr^pa  und,  schon  am  Halse  der  Akte  ge- 
legen, die  zweite  SivY).  Alle  diese  Orte  wurden  frühzeitig 
hellenisch.  —  Bei  Plinius  hören  wir  von  pontischen  Sitonii  et 
Moriseni,  Orphei  vatis  genitores:  diese  Zi6<I)V(oi  xal  MopioTjvoC  ge- 
hören wohl  in  die  Chalkidike. 

Hauptsitz  der  'HBcovoi  war  und  blieb  das  Alluvialland  am 
unteren  Strymon  und  der  Bergzug  des  Pangaios  bis  zum  Sym- 
bolon  bei  Phihppi.  Der  Strom  selbst  hiess  bei  Dichtern  'HBwvc^, 
ein  Beiname,  der  auch  dem  Echeidoros  zugewiesen  wird  (EM. 
p.  404,  9);  ebenso  hiess  der  Pangaios  ^'HSwv  oder  mons  Edonus. 
Unter  den  thrakischen  Stämmen,  welche  das  edonische  Gebiet 
seit  Alters  eingeschränkt   hatten,   stehen  die  Bisalten  obenan; 


38  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

dann  sind  die  Bergstärame  vom  Orbelos  und  aus  der  Rhodope 
zu  nennen,  namentlicli  die  Satren.     Wir  haben  femer  gesehen, 
wie  sich  die  vom  oberen  Axios  eingedrungenen  Paionen  in  den 
Besitz  der  strj'monischen   Gelände  gesetzt  haben.     Gleichwohl 
behielten  die  Edonen  auf  ihrem  schmalen  Räume,  wie  es  scheint 
bis  auf  Phihpp  herab,   ihre  eigenen  Stammesflirsten;  auf  alten 
Münzen   erscheint  ein  FeT«;  ßasiXeu^  'HBwvov  oder  ^HSwvewv,    und 
Thucydides  (IV  107  a.  424)  erwähnt  den  FIixTaxo?  6  töv  *H^vc5v 
ßaciAsu;.    Hart  trafen  die  Perserzilge  das  edonische  und  paioni- 
sche  Land;  dem  Zuge  des  Xerxes  schlössen  sich  auch  Edonen 
an   (Hdt.  VII  110).     Diese   hegten  vor  dem  Wege,    den   der 
Grosskönig   gezogen   war,    heilige   Scheu   —   er   durfte    weder 
besäet  noch   verschüttet  werden  (VII  115).  —  Die  Geschichte 
der  edonischcn  Bergwerke  verliert  sich  in  die  ältesten  Zeiten: 
schon  die  Phoeniker,  welche  von  Thasos  herüber  kamen,  hatten 
dieselben   ausgebeutet;   aus   dem  Pangaios   bezogen   femer  die 
Kolophonier  viel  Gold  (vgl.  Suid.  u.  die  Paroemiogr.  s.  v.  x?^^^ 
0  KoXo<pu)vio;),   ebenso  die  parischen  Colonen  auf  Thasos.     Seit-  , 
dem  Kimon  die  Perser  aus  Eion  vertrieben  hatte  (476),  suchten 
die  Athener  im  edonischen  Lande  Boden  zu  gewinnen,  erhielten 
aber   mehrmals   bedeutende  Niederlagen   (z.   B.    466   bei   Dra- 
beskos);    zugleich   erhoben  die  Thasier  ihre  Ansprüche  auf  die 
Goldgruben.  Mit  der  Gründung  von  Amphipolis  (436)  begannen 
jene  Verwicklungen,   welche  mit  der  Niederlage  Kleon's  durch 
Brasidas  (422)  und  mit  der  Besitznahme  der  Stadt  durch  Philipp 
(346)  endeten.  Seither  ist  von  den  Edonen  nicht  mehr  die  Rede; 
sie    sind    im   Hellenismus    aufgegangen.    —    Ausser   'Ava5pat(jio; 
(=r-.  'Evvea   6Bo(,   Amphipolis)    erscheinen   Mjpx'.vo;,    TcaftXo;    und 
Apaßr^cxo;  als  edonische  Vesten   im  Flachlande  und  an  der  von 
den   Pieren   (ca.   500)   besetzten   Küste  'llip^2[Loq^    ^»vpt);   und 
Td^iopc^,  femer  die  uralte  Oicjujjir,,  dann  'AvTtaapyj  und  Airo?.    Die 
Bergwerke    von  Datos   hatten   die   edonischen  Aorj-XeTrcot  (vgl. 
*'A-Xa:rra  bei  Stagira)  inne;  ein  anderer  Stamm  am  Südfuss  des 
Pangaios  östlich  von  Amphipolis  waren  die  Ilavatsi  •  lö^/o^  'HBwvtxov 
(St.  B.),  welche  vielleicht  dem  hier  in  byz.  Zeit  oft  genannten 
Bache   Flava;,    acc.  Ilavaxa,    den   Namen   gaben.     Ferner   heisst 
ItwXc;  in  der  Chalkidike  eine  rcXt;  ßapßapty.r;  i%  twv  ^HJwvcSv  (St.  B.), 
und  auf  der  Halbinsel  Akte  hausten  lISwvci  in  kleinen  Burgen 
und   Dörfern  neben  zweisprachigen  Bisalten,   Krestoniern  und 


Die  alten  Thraker.  I.  39 

Tyrrhenen  (Thuc.  IV  lUD).  VVielitig  ist  noch  die  Notiz  bei 
Hesychius:  X)cwv{q'if;  öaao;  to  tzH/sT,:  die  Verbreitung  des  edo- 
nischen  Stammes  über  diese  Insel,  deren  Metallsehätze  einstmals 
von  den  Phoenikem  waren  ausgebeutet  worden  (Hdt.  VI  47; 
Cult  des  Melqart  II  44),  wird  dadurch  erwiesen;  auf  den 
thasischen  Inschriften  begegnen  noch  etwelche  Eigennamen 
edonisehen  Ursprungs.  In  Kleinasien  finden  wir  nur  schwache 
Spuren  von  Edonen,  so  in  dem  voreinst  lelegischen  Antandros 
an  der  tro'isch-aiolischen  Küste,  welcher  Ort  den  Namen  'HSiovi^; 
erhielt  Bia  to  Bpaxa;  'Hcwvob;  cviac  carjcai  aüicOi  (Aristot.  ap.  St.  B.); 
vielleicht  waren  sie,  dem  Vordringen  der  Paionen  weichend, 
dahin  gekommen,  jedenfalls  aber  noch  vor  der  kinmierischen 
Wanderung,  da  derselbe  Ort  sodann  hundert  Jahre  hindurch 
im  Besitze  der  Kimmerier  (=  Treren)  stand. 

Neben  'HSwvot  finden  sich  die  Formen  'Höwvai,  'HSojve«;, 
'H$(i)vi£Tc,  'HSwvtaiai,  und  mit  Ablaut  lioovc;,  "OBwvs;.  Die  Deutung 
des  Namens  könnte  also  von  einer  Wurzel  ed:  od:  od-,  welche 
auch  in  '086-|jLavToi  vorliegt,  ausgehen;  ob  aber  von  cd-  ,essen^ 
(vgl.  armen,  utan  *udan  ,lurco,  crapulae  deditus'),  von  6d- 
jriechen',  von  od-  ,grollen,  hassen*,  oder  von  vedh :  vodh-  ,stossen, 
schlagen',  lässt  sich  nicht  erkennen.  'HBwvc;.  Sohn  des  Ares, 
galt  für  einen  Bruder  des  Mj^^wv  und  Bittwv.  In  der  'HSwvf^ 
lag  die  nysäische  Aue,  der  Ausgangspunkt  des  dionysischen 
Cultes  und  des  orgiastischen  Naturlebens;  der  mythische  Lykur- 
gos  galt  lür  einen  ßaatXeu;  'HSwvwv;  die  Mainaden  hiessen  'HSwvtSs;, 
und  die  bunten  wallenden  Gewänder  derselben  oder  die  ßa^ffapai 
nannte  man  'ilBwva  liJLäTia;  daher  die  "llSove«;  eXxsciiicTrXot  (Dionys. 
ap.  St.  B.).  Ferner  war  Kdrj;  eine  weibliche  Naturgottheit  der 
Edonen,  wie  die  "ApTejxt;  Fa^wp'«  und  BXoupetTi;  (s.  d.  mytholog. 
Abschnitt).  Der  Sänger  Thamysis  stammte  i^  'HSwvwv  tyj«;  ev 
ßp{YOt<;  TCoXeü)^.  Das  Alles  erweist  die  hohe  Stellung  dieses 
phrygischen  Stammes  in  der  Mythengeschichte  und  im  geistigen 
Leben  der  Vorzeit.  Das  thrakische  Eroberervolk  der  Bisalten 
hat  die  edonische  Cultur  völlig  in  sich  aufgenommen,  so  dass 
es  als  das  gesittetste  unter  allen  thrakischen  Völkern  erscheint. 

Wir  schUcssen  hier  die  'OocfjiavTot  an,  nicht  nur  wegen 
ihres  lautlichen  Zusammenhanges  mit  den  "OSwve;  (-[jlovto-  ist 
deutlich  nominales  Suffix),  sondern  auch  wegen  der  geogra- 
phischen Nähe  und  weil  wir  annehmen  dürfen,  dass  auch  diese 


40  IV*  Abhandlung:    Tomaschelc. 

/rhrakeii'  zu  der  Gruppe  der  phrygischen  Stämme  gehört  haben^ 
welche  durch  die  nordischen  Invasionen  südwärts  waren  ge- 
schoben worden.  Wir  finden  sie  eingereiht  zwischen  den  Edonen 
und  Paionen,  zwischen  den  thrakischen  Bisalten^  Sinten  und 
Satren;  ihre  Hauptstätte  war  das  Gebirge  des  hl.  Menoikeos 
(Meniki)  und  der  Boz-dagh  oberhalb  Seres.  Vielleicht  waren 
die  Siptoxaiove;  von  Haus  aus  Odomanten,  und  die  StppaTot  hiessen 
Paionen  desshalb,  weil  sie  den  Paionen  gehorchten.  Megabazos 
unterwarf  sie  auf  kurze  Zeit.  Dem  Zuge  des  Odrysen  Sitalkas 
schlössen  sie  sich  freiwiUig  an,  als  öpaxe;  avrcovofjLot.  Ihr  Ftlrst 
IloXXr^;  stellte  dem  Kleon  eine  grosse  Zahl  Söldner  bei  (Thuc. 
V  6);  zu  dieser  Zeit  (425)  Hess  Aristophanes  (Acham.  157) 
eine  Odomantenschaar  auf  der  Bühne  auftreten  und  einen 
Bürger  fragen:  'dq  twv  '0$o[jLavT(i>v  to  ireo^  dxotedpfaxcvj  —  was 
der  Scholiast  auf  die  Beschneidung  bezieht:  ^«^1  y^  outoü^ 
'Icu$a(ou;  sTvai.  Dem  Machwerk  wspl  TworotfjLiDv  zufolge  soll  der 
Strymon  einst  IIaXaicTivc<;  geheissen  haben!  Phoeniker  haben 
einst  an  der  Pangarosküste  Handel  getrieben;  trotzdem  werden 
wir  uns  die  semitische  Abkunft  der  Odomanten  nicht  einreden 
lassen.  Sie  können  den  Brauch  der  Beschneidung  von  den  semiti- 
schen Colonen  angenommen  haben;  besser  wird  man  aber  jene 
Stelle  auf  die  bei  den  Südstämmen  heimische  Knabenliebe  oder 
auf  irgend  ein  tribadisches  Laster  beziehen.  —  Zur  Zeit  des  Aemi- 
lius  Paulus  wurde  die  Stadt  Sirae  (Seres)  zur  terra  Odomantica 
gerechnet  (Liv.  XLV  4,  2) ;  in  der  Kaiserzeit  bildete  die  'OBojjlov- 
Tixuj  eine  eigene  Strategie   an   der  Ostseite  der  Bisaltia  (PtoL). 

Wir  finden  einen  Canton  X)Bo[xavT(<;  fern  im  kleinasiatischen 
Osten,  in  Kleinarmenien  (Strabo  XI,  p.  528)  —  eine  lautliche 
Uebereinstimmung,  die  schwerlich  auf  Zufall  beruht.  Vielleicht 
war  voreinst  an  der  Spitze  der  phrygischen  Stämme,  welche 
den  Bosporus  überschritten  hatten,  den  Armeniern  nachrückend, 
eine  unternehmende  Schaar  von  Odomanten  gezogen,  die  einem 
Canton  des  Antitaurus  den  Namen  gab  (hier  finden  wir  Namen 
mit  dem  Suffixe  —  *manto,  mando  —  z.  B.  Camando  an  der 
Quelle  des  Zamantia-sü) ;  oder  es  hatten  sich  Odomanten  dem 
Zuge  der  Treren  und  Trailer  angeschlossen  und  wurden  zur 
Zeit  des  Kimmeriersturmes  so  weit  nach  Osten  verschlagen. 

Unmittelbar  an  der  Ostseite  der  Edonen  finden  wir  am 
ägäischen  Küstenrand  die  Bicrove?,   deren  ursprünglich  von  der 


Die  alten  Thraker.  I.  41 

Nestosmilnde  bis  Xanthia  reichendes  Gebiet  au  der  Westseite 
durch  die  Abderiten  geschmälert  worden  war.  Abdera,  wie  der 
Name  lehrt,  eine  phönikische  Colonie,  welche  den  Herakles 
(Melqart)  hochhielt,  wurde  später  von  den  Klazomeniem  be- 
zogen. In  der  Gründungssage  der  Stadt  spielt  als  König  der 
ythrakischen*  Bistonen  Ato[jn^|8Y)^,  Sohn  des  Ares  und  der  Kyrene, 
eine  feindliche  Rolle:  er  warf  seinen  wilden  Stuten,  welche  am 
Flusse  Kossinites  weideten  und  mit  eisernen  Ketten  an  eherne 
Krippen  gebunden  wurden,  die  Fremden  vor;  der  Knabe  Ab- 
deros,  Sohn  des  Hermes  und  Liebling  der  Herakles  IIsüxsik;, 
ward  von  ihnen  zerrissen;  aber  Herakles  zog  wider  den  Thraker 
zu  Felde  und  erschlug  ihn,  er  soll  auch  dem  Meere  Zugang  in 
den  niedrigen  bistonischen  See  gebahnt  haben.  Noch  spät 
zeigte  man  den  StaU  und  die  Zwingburg  des  Diomedes  Tyrida; 
die  Nachzucht  der  rasenden  Rosse  soll  sich  bis  auf  Alexander 
erhalten  haben.  Ein  geschichtlicher  Kern  liegt  dieser  Sage  zu 
Grunde;  Rossezucht  war  die  Hauptbeschäftigung  der  echten 
Thraker,  und  ein  Fürst  dieses  nordischen  Eroberervolkes,  wahr- 
scheinlich vom  Stamme  der  Idioi^  mag  sich  voreinst  im  Lande 
der  phrygischen  Bistonen,  denen  orgiastischer  Naturdienst  eigen 
war  und  die  von  den  Thraken  den  barbarischen  Brauch  der 
Tätowierung  annahmen,  festgesetzt  haben.  Aber  die  Abderiten 
schränkten  das  Gebiet  immer  mehr  ein,  und  selbst  am  Aus- 
gange der  fischreichen  XtfxvY;  ßi(7xov{^,  an  der  Vereinigung  der 
Bäche  Kossinites  und  Stravos,  erhob  sich  eine  griechische  An- 
siedlang Aixaia.  Der  Heros  BtaTwv  erscheint  in  den  Genealogien 
als  Bruder  des  Edonos  und  Odomas,  oder  auch  (was  auf  ein 
zeitweiliges  Vordringen  der  Paionen  gegen  Osten  hinweist)  als 
Sohn  des  Paion;  aber  auch  als  Sohn  des  Kikon,  oder  als  Sohn 
des  Ares  und  der  Nymphe  Kalirroe,  einer  Tochter  des  Nestos. 
Q^gen  Osten  folgt  an  der  Küste  SovOeia,  ein  Ort  der 
Kikonen  (Strabo  VII,  fr.  44).  In  der  byzantinischen  Zeit  tritt 
eine  zweite  Ortschaft  Sav6{a  hervor,  welche  im  Quellgebiete  des 
Kossinites  lag,  das  heutige  Xanthi  (türk.  Isk^ti);  in  gleicher 
Lage  kennt  Ptolemäus  eine  Burg  IlspY^P^v  —  ein  Name,  welcher 
der  phrygischen  Namengebung  angehört  und  bei  den  lonem 
80  viel  wie  dxp6icoXt^  bedeutet  hat.  Aber  schon  Hecatäus  hatte 
in  seiner  Europa  Eavöoi  als  eOvo?  Opoxtov  vermerkt  (St.  B.),  und 
auch  Strabo  (XIH,  p.  590)  spricht,  allerdings  ohne  nähere  Be- 


42  rv.  Abhandlung:    Tomaschek. 

Stimmung  der  Lage,  von  einem  ^thrakisclieu'  Volke  der  Eav^.ot 
oder  iflivStot,  die  wir  als  eine  zurückgebliebene  Abtheilung  der 
phrygiaclien  Nation  betrachten  dürfen,  deren  Vorort  jenes  Per- 
gamon  gewesen.  Darauf  legen  wir  weniger  Gewicht,  dass 
Homer  d(ui  Skamander  Xanthos  nennt  —  Niese  erblickt  hierin 
tnne  mit  dichterischer  Freiheit  in  die  Troas  verlegte  Copie  des 
Ivkischen  Xanthos  —  und  dass  die  Troas  bei  Dichtem  Siv6i; 
hiess  (St.  H.,  H(^sych.).  (Jb  die  Xandier  aus  Wurzel  sken- 
, verletzen,  vorwundtm,  vernichten'  (skr.  käan-,  gr.  xtiwjji.'., 
xT«{vto)  oder  aus  sken-  ,schaben,  abkratzen,  schinden;  reinigen' 
(vgl.  makod.  ^avcixs;  ,Reinigungsmonat,  April',  gr.  Saivw)  oder 
gar  aus  dem  etymologisch  unklaren  5*^05;,  ^o-jbzq  ,blond'  zu 
deuten  wiiren,  bleibe  unentschieden. 

Die  Kixovs;  erscheinen  bei  Homer  nicht  nur  als  Bundes- 
gi'nossen  der  Troer,  sondern  auch  (Od.  IX  37 — 61)  als  ein 
streitlmres  und  sieghaftes  \'olk,  geübt  von  den  Wagen  (i^'  fexwv) 
oder  zu  Fuss  mit  dem  Feinde  zu  kämpfen;  wir  tinden  sie  im 
Besitze  von  Hornvieh,  Schalen  und  Ziegen,  aber  auch  von 
Schützen,  welche  die  Beutesucht  anlocken  (Talente  Goldes,  Silber- 
pokale, llenkelkrügi\  202 tf.);  sie  trieben  emsig  den  Weinbau, 
wie  aus  der  Sage  von  Maron  erhellt,  dem  Sohne  des  Euanthes 
und  Priester  des  in  Ismaros  waltenden  ApoUon.  Mapcaiv  bedeutet 
«glünzend«  schimmernd':  erst  bei  Hesiod  erscheint  derselbe  als 
Sohn  des  (Mnopion  und  Enkel  des  weinspendenden  Dionysos  — 
80  fremdartig  erschien  dem  homerischen  Rhapsoden  noch  das 
Wesen  des  tnlonischen  Gottes,  dass  bei  ihm  Maron  als  Apolion- 
priester  auttritt.  l>inopion  tindet  sich  in  der  Sagengeschichte 
der  weiur^Mohen  lns<4  Chios:  auch  die  Insel  Xaxos  steht  mit 
der  thrakischen  Küste  in  sagenhafter  Verbindung.  Hoch  im 
Ruf  stand  der  BvpX-.v:-  c!^:^,  den  man  l«ld  von  einem  Bache 
BipXs^  oder  BipXivr,;  auf  Xaxos  v^'?l-  ^^»^^  Quelle  BcpXi;  oder  Bü^Xi; 
Ivi  Milot\  Ivüld  von  dou  Bi^Xiva  Ip^  der  Pangäusküste  herieitete; 
der  Name  mag  wohl  phouikisch  seiu  v^vgl.  B.«pX:^  und  ausserdem 
B^Xi^  d.  i,  MeK^  .  IWi  Diodor  V  ÖO  er^^heinen  so^rar  Bates 
und  Lykur^^s  als  FuhrvT  thrakischor  l^iraten  auf  Xaxos,  ^ 
?:c«*Tc:  HijoLi^  wxrra'» » !  ;  die  Ar:  der  divmysischen  Feier  aof  dieser 
lus^'l  weis:  ailerxun^  aul'  Horkumt  vvh;  der  thrakLschen  Küste. 
Wie  de:u  auch  s<^i»  der  kju^^c^  :^c,;  wirxi  noch  von  Aivhiloohas 
^^ rühmt,     l^  die  Kikoueu.   wie  aUe  phrxgisciien  Stimme,  or- 


Die  HlteD  Thraker.  I.  43 

giastische  Naturdiener  waren,  konnte  die  (iestait  des  pierischen 
Orpheus,  welche  im  Edonenlande  mit  dem  orgiastischen  Wesen 
verquickt  wurde,  bis  zu  ihnen  wandern;  schon  Hipponax  nannte 
Orpheus  einen  Ktxwv.  —  Wir  finden  an  der  kikonischen  Küste 
hinter  Xanthia  die  Orte  Ssppstov,  Zu)vr<  und  liXr,  (Hdt.  VII  59) 
und  die  Colonien  SipufAr;  am  Bache  Aico;  und  Ms^afAßpir,  (VII  108). 
Dieser  Landstrich  hiess  voreinst,  wie  Herodot  berichtet,  FaXXaVxT^, 
und  FaXaToi  nennen  hier  noch  die  attischen  Tributlisten  (vgl. 
raXr/J^j;  an  der  sithonischen  und  edonischcn  Küste,  raXXr,(jtov 
oder  raXr|jiov  5po<;  bei  Ephesus).  Aus  dem  Inlandc  drang  jedoch 
ein  zweiter  (phrygischer)  Stamm  zur  Küste  vor,  die  ßpta^^at 
(etwa  ,die  Wehrenden,  Umschliessenden%  von  Wurzel  vere-) 
oder,  wie  Plinius  schreibt  PRIANTAE  (d.  i.  , Freunde,  Kame- 
raden*, von  Wurzel  pri-  ,Heben*),  und  gab  dem  bis  über  Maro- 
neia  reichenden  westlichen  Flachstrich  den  Namen  Bpiaviixi^, 
(Hdt.)  oder  PRIANTICUS  campus  (Liv.  XL VIII  41,  8  a.  188). 
Der  Kikonenname  verschwand  darum  frühzeitig  aus  der  Ge- 
schichte; Alles  ging  hier  im  Hellenismus  auf.  Ktxwv  galt  für 
den  Vater  des  Biorwv  und  für  einen  Sohn  des  Apoüon  und  der 
Rhodope;  vor  Zeiten  mochte  dieser  hochgesittete  und  kräftige 
Stamm  sich  tiefer  ins  Gebirge  hinein  erstreckt  haben.  Der 
Name  könnte  mit  gr.  xUü-;  ,Stärke,  Kraft'  (skr.  9i-9U,  9i-9vi 
jgedeihend,  wachsend;  Junges',  von  9U-  ,sch wellen')  als  ,die 
Starken,  Strotzenden'  in  Verbindung  gebracht  werden. 

Idioi '  lövo^,  Ol  xpOTSpsv  KCxovec;,  o\  %o\i\jnoi.,  lautet  eine  Glosse 
bei  Hesychius.  Es  scheinen  im  Lande  der  Kikonen  thrakische 
Saier  sich  angesiedelt  zu  haben;  sie  werden  in  der  Abderitis 
erwähnt,  wo  auch  ein  Ort  2ai;  stand.  Als  die  Parier  auf  Thasos 
und  der  benachbarten  thrakischen  Küste  festen  Fuss  fassten, 
hatten  sie  Kämpfe  mit  den  Saiern  zu  bestehen;  der  Dichter 
Archilochus  ergriff  im  Kampfe  mit  den  Saiern  die  Flucht  und 
Hess  seinen  Schild  zurück:  d(r7:{6a  {xev  Satwv  ti<;  aveiAeio  (Strabo  X, 
p.  457;  Xn,  p.  549).  Man  suchte  Saier  oder  Sa  vier  auch  auf 
Samothrake:  hier  könnte  ein  altansässiges  phrygisches  und  ein 
später  eingedrungenes  thrakisches  Element,  das  der  Insel  Zi[xo^ 
(von  semit.  samä  ,hoch  sein',  cifxot  , Anhöhen')  den  Beinamen 
6pr,Tx{t)  verlieh,  zwar  angenommen  werden  —  aber  lange  konnten 
sich  beide  schwerlich  erhalten  haben;  die  Insel  wurde,  wie  die 
Culte  zeigen,   von  orientaUschen,    wie   später  von  hellenischen. 


44  rV-  Abhandlong:    Tomaschek. 

Einilüssen  überwuchert.  Mit  den  mythischen  ^ooq  *  '£p(A^(  haben 
die  Saier  wohl  Nichts  zu  thun;  und  gar  die  ^oicatot,  denen  sie 
Strabo  gleichstellt^  müssen^  da  x  niemals  in  F  tlbergeht,  ganz 
fernbleiben. 

Die  ethnischen  Verhältnisse  auf  den  Inseln  des  ^thraki- 
schen^  Meeres  bieten  überhaupt  unlösbare  Räthsel.  Auf  Lemnos 
(gleichfalls  ein  semitischer  Name?  Bochart  verglich  libhnah 
,Glanz,  weisse  Farbe^)  werden  in  der  homerischen  Hephaistos- 
sage  (A  594)  ISivrte^  dcvSps;  dtfpto^wvct  erwähnt,  welche  die  Späteren 
bald  als  ouTcxöeve?  ovre;  ev  Ai^^fjLvo),  bald  als  Opaxwv  xt  '^ho^  ix  x^q 
dvTiT^epav  -pi?  ^^öv  auffassen,  wobei  sie  an  die  thrakischen  Sinten 
oberhalb  Bisaltia  dachten.  Metallurgie  war  eine  starke  Seite 
der  alten  Phrygen,  und  man  wird  versucht  in  den  Sintiem 
eher  einen  Stamm  phrygischer  Herkunft  zu  suchen,  da  Hellanicos 
(öchol.  0  294)  Stammesgenossen  der  Troer,  die  man  flir  Phrygen 
hielt,  den  ,thrakischcn'  Sintiern  beimengt;  er  deutet  den  Namen 
aus  gr.  civTt;;  •  b  xoxoupYo;,  ^XaKr:tx6;,  da  sie  nicht  blos  das  Feuer, 
sondern  auch  die  männermordenden  Waffen  erfunden  hätten 
i:pz^  To  ffivEfföx  TO'j;  -XtiOiov  xa:  ßXobrcecv.  Könnte  da  nicht  eher 
ein  phrygisches  Wort  civti-^  ,Stecher,  Schürfer,  Schmied',  von 
Wurzel  kcnt-  (gr.  xsvtsTv),  zugrunde  hegen,  da  der  Wandel  von 
e  zu  i  nicht  ohne  Analogie  dasteht  (vgl.  armen,  sin  neben 
gr.  xevss;  ,leerV?  Aber  Alles  wird  zweifelhaft,  wenn  wir  mit 
Thucydides  (W  109)  als  Bewohner  von  Lemnos  vielmehr  tyr- 
senischo  Pelasger  ansetzen  müssen  (vgl.  schol.  Ap.  Rh.  I  608: 
A^jjLvsv  Tt;v  xai  -tvTr^iSa  TrpcoTsi  wxrjsav  Tupci;v5{).  Diese  sollen  aUer- 
dings  der  Sage  nach  aus  Attika  eingewandert  sein  und  einen 
Bostandtheil  der  ,pelasgischen'  Urbevölkerung  von  Hellas  ge- 
bildet haben;  selbst  in  der  makedonischen  Elymia  spielen  Tyr- 
seuiT  eine  Kolle!  Nun  hat  man  auf  der  Insel  eine  ungefähr 
aus  dem  Jahre  iK>0  stammende  Inschrift  aufgefunden,  derea 
barltarisohor  Lautcharakter  einige  Aehnlichkeiten  mit  dem 
Etruskischen  verräth  (^vgl.  0.  Pauh,  Eine  vorgrieehisehe  In- 
schrift von  Lemnos,  Leipzig  185^6 U  so  dass  die  alten  Sagen- 
gebilde von  einem  Zusanunenhange  der  italischen  Tyrsener  mit 
den  Tvrsoueru  dos  griechischen  Archipels  wieder  zu  Elhrea 
gelangt  sind  —  es  können  ja  die  Ktrusker«  die  man  auch  in 
den  Turusa  der  10.  Dynastie  Aog\-ptens  erkennen  wilL  voreinst 
weite   Kaubfahrten  im  Gebiete   des  Mittelmeeres  ontemommea 


Die  alten  Thnker.  I.  45 

und  sich  an  verschiedenen  Punkten  des  östlichen  Beckens  an- 
gesiedelt haben  (vgl.  Hesselmeyer,  Die  Pelasgcrfragc  und  ihre 
Lösbarkeit,  Tübingen  1890).  Die  Sache  ist  noch  nicht  spruch- 
reif; gegenüber  den  von  Pauli  erkannten  etruskischcn  Analo- 
gien der  Inschrift  könnte  man  einige  Formen  anführen,  welche 
dem  Lautcharakter  des  Phrygischen  und  Armenischen  nicht 
vollends  widersprechen  (z.  B.  zivai,  zeronaiO,  ziazi,  eptezio, 
morinail).  —  Auf  Imbros  und  Tenedos  spielen  jedenfalls  lele- 
gisch-karische  Erinnerungen  die  Hauptrolle.  Wir  kehren  zur 
Küste  zurück. 

Hier  finden  wir  an  der  Ostseite  der  Kikonen  in  der 
Doriskosebene  und  am  Hebros  die  öatTot  (Hdt.  VII  HO), 
welche  sich  nachmals  auf  Kosten  der  Apsinthier  ostwärts  ver- 
breitet haben;  denn  als  Alexander  nach  Asien  auszog,  gelangte 
er  vom  unteren  Hebros  Jt3c  t^<;  DatTixYjc;  iiA  xbv  M^Xova  xoTafjiöv 
(Arr.  I  11,  4).  Ob  diese  Paiten  phrygischen  oder  vielmehr 
thrakischen  Ursprungs  gewesen  seien,  lässt  sich  nicht  mehr  er- 
kennen. Der  Armenier  nennt  sich  bekanntlich  Hai,  pl.  Hai-q, 
was  Fr.  Müller  mit  skr.  pati  zd.  paiti  ,Herr^  deutet;  im  Arme- 
nischen selbst  findet  sich  ein  Verbalstamm  hai-  (inf.  hajil) 
,aspicere,  respicere,  observare^,  der  zunächst  auf  ein  Nomen 
pati-  und  sodann  auf  die  Wurzel  pä :  pa  ,zu  sich  nehmen,  er- 
werben; essen  (xopceofAat);  weiden  (pa-sco);  schützen,  hüten  (skr. 
pä);  beobachten,  schauen  (alb.  pä,  part.  pan§,  pämun§)*  zurück- 
geht. Vielleicht  Hegt  den  IlaTTot  ein  Verbalstamm  von  gleicher 
Bedeutung  zugrunde;  sie  wären  dann  die  , Ansehnlichen,  Be- 
rühmten^; Herodian  accentuierte  IlatToC,  ox;  Taitoi  (St.  B.). 

Die  nun  folgenden  'A^(v6toi,  mit  dem  übUchen,  darum  noch 
keineswegs  echt-thrakische  Abkunft  erweisenden  Zusatz  0pr/txe? 
(Hdt.  X  119),  reihen  wir  den  älteren  Küstenstämmen  schon 
darum  an,  weil  bei  ihnen  der  Dionysos-Cult  heimisch  war  (s.  im 
mytholog.  Abschnitt  unter  nX6(oT(i)po?).  Sie  treten  als  Feinde  der 
thynischen  Dolongker  auf,  welche  im  Chersonnes  sassen;  wider 
ihre  Einfälle  schützte  (um  550)  Miltiades,  Sohn  des  Kypselos, 
die  Halbinsel  durch  eine  von  Kardia  bis  Paktye  gezogene 
Mauer.  Der  Fluss  "Ä^ivöo?  oder  "AcncivOo;,  welcher  die  Grenze 
zwischen  den  Dolongken  und  Apsinthiem  bildete,  ist  wohl 
derselbe,  der  sonst  MeXa<;  und  jetzt  Qavaq-öai  heisst;  von  da 
reichten  die  Apsinthier  bis  zur  Stadt  ATvo;  oder  noXTuo-ßp(a,  dem 


46  IV.  Abhandlung:    Tomascbek. 

Sitz  des  Heros  Poltys,  und  bis  zum  Bergstock  Mtqpkto?  (j.  Catal* 
tcp^)  beim  sarpedonischen  Vorgebirge. 

Auch  die  Stps;  •  sOvo;  öpay.r;«;  \fj:kp  tsj;  Bul^avTto'j;  (St.  B.) 
dürfen  wir  in  den  Kreis  der  altansässigen  Stämme  ziehen;  das 
phrygische  Wort  oipoq  ,Getreidegrube^  erkennen  wir  in  dem 
Orte  SIRo-CF^LLAE,  welcher  dem  heutigen  Malgara  (byz. 
Ms^flcXr^  Kapua)  entspricht.  Jene  Siren  sassen  wahrscheinlich  am 
Flusse  Erginias  (Erkenc-sü);  Stephanus  hatte  über  sie  in  dem 
nicht  mehr  vollständig  erhaltenen  Artikel  Ni^a  *  tuoXj?  Bp».i3q 
gehandelt;  Ni'l/a,  der  Vorort  der  Ni'|;aioi,  einer  Unterabtheilung 
der  -tps;,  lag  wohl  an  Stelle  des  in  byz.  Zeit  oft  erwähnten 
,Quellenortes^  Bpujt<;;  ähnliche  Bildung  zeigt  der  zwischen  Druzi- 
para  und  Tzurulos  gelegene  Ort  Ti'{>5;.  Ueber  den  Nipsäem 
hinaus,  also  gegen  Norden,  sassen  die  Tpa-vitj^at  (Xen.  An.  VII 
2,  32)  oder  Tpa-vnJ;ci  •  £Öv:;  öpixiov  (Hesych.),  deren  auch  Theo- 
pomp in  Verbindung  mit  den  Ladepsen  gedacht  hatte:  AaSe^^l 
xal  Tpivit];oi  •  £Övr,  6uv(ov  (St.  B.)  d.  h.  Stämme,  welche  mitten 
unter  den  thrakischen  Thynen  sassen,  als  Reste  einer  älteren 
Bevölkeningsschicht.  Mit  den  benachbarten  MeXavJirai  (Xen. 
An.  VII  2,  32)  vergleicht  sich  McXavBi«,  eine  Gegend  auf  der 
Halbinsel  Sithonia  ( —  auch  MsXavtia;  an  der  Mündung  des 
Athyras?).  An  den  nördlichen  Zuflüssen  des  Erginias  und  den 
Bächen,  welche  sich  in  den  Golf  von  Burgas  ergiessen  bis 
ApoUonia  und  ^lesambria  hinauf  sassen  ausser  den  bereits 
erwähnten  N'.'J/aTsi  auch  noch  die  KjpjjLir/at  (Hdt.  IV  93)  oder 
(nach  cod.  R)  die  SxupfjuiBai,  an  die  sich  nordwärts  die  thrakischen 
Geten  anschlössen;  vgl.  St.  B.:  -xu|jLvia5at  •  lövs;  ouv  FeTaiq,  EMoJo« 
TSTopTU)  Ff,^  xspicsou  wXU[jLvt2Bai  xal  FsTat*.  Die  Lesung  SxupiniJoi 
empfiehlt  sich  wegen  des  Anklanges  an  die  -xjpixsoi  des  dolionisch- 
plirygischen  Ortes  Sxjpfis^  bei  Kyzikos.  Die  Sonderstellung 
dieser  mitten  unter  den  thrakischen  Th^>'nen,  Asten,  Odrysen 
und  Geten  sporadisch  erhaltenen  Reste  einer  älteren,  wahr- 
scheinlich phrygischen,  Bevölkerung  hat  auch  Giseke  erkannt, 
nur  dass  er  in  ihnen  ,paionische'  Abtheilungen  erblickt.  Für 
unumstösslich  dart*  uns  jedoch  diese  auf  Grund  von  Xamena^ 
anklängen  erfolgte  Abtrennung  jener  Sporaden  von  der  thra- 
kischen Masse  nicht  gelten,  da  sich  scharfe  Unterschiede  zwischen 
der  thrakischen  und  der  phrj'gisch-mvsischen  Sprechweise  nur 
schwer  ziehen  lassen:  man  darf  eben  nur  den  Versuch  wagen. 


Die  alten  Tbimker.  I.  47 

So  viel  ist  aber  sicher,  dass  entlang  dem  ganzen  ägäischen 
Küstenrande  altansässige  oder  aus  dem  Inland  dahin  ver- 
schlagene Stämme  sassen,  welche  eine  höhere  Culturstellung 
einnahmen  als  die  echten  Thraker  des  Inlandes,  und  dass 
dieselben  grösstentheils  zurückgebliebene  Reste  der  phrygischen 
Nation  bildeten. 

Das  Volk   der  Muaoi,   das  bereits  die  homerischen  Lieder 
in    seinen   nachmaligen  festen  Wohnsitzen  entlang  der  Ostseite 
der  Troas  und  als  im  Bunde  mit  Ilios  stehend  kennen,  leiteten 
die  Alten  namentlich  seit  der  Zeit,  als  sie  mit  den  Moesen  des 
Haerausgebictes    bekannt    wurden,    also    seit  Poseidonios,    aus 
Europa  ab;   hier  seien  sie  als  Moiaot  zurückgeblieben,  als  Muaoi 
aber  hätten  sie  ihr  Stammland  verlassen  (Strabo  VII,  p.  295), 
indem   sie   über   den  Bosporus   setzten,    der  nach   ihnen  Müjio^ 
TOpO|jL6;   genannt   wurde;   vgl.  Plin.  V  145:  MOPSI   ex  Europa 
in  Asiam    transierunt;   VII  206:  in  Hellesponto  rates  excogita- 
verunt.     Sie    drängten  hierauf  die   phrygischen  Mygdonen  und 
Bebryker  auseinander,   bemächtigten  sich  der  Gelände  am  Ar- 
ganthonios,  des  Landstriches  am  See  und  Fluss  Askanios,  und 
des   phrygischen    Olympos;    Muffob?   toü;    h   vfi   'Aata   'OXüijl7:t;voü; 
*App(avc(  Xe-fst  drotxou^;   töv  £up(i)?:a{o)v  Mucrcov  (Eust.  ad  Uion.  per. 
332).    Sie  nahmen  zuletzt  das  Flussthal  des  Makestos,  die  ganze 
Troas  bis   zum  Kaikos  und  Teuthrania  ein.     Sonderbarerweise 
liess  Xanthos  die  Phrygen  erst  hinter  den  Mysen  in  Asien  ein- 
rücken;  die   gegenseitige  Schichtung   beweist  jedoch,    dass  die 
Phrygen  weitaus  früher  eingezogen  waren.     Die  Nameugebung 
in  der  homerischen  Troas  erweist  sich  vornehmlich  als  mysisch; 
die  ionisch-aioUschen  Rhapsoden  haben  die  Zustände  ihrer  Zeit 
vor  Augen  gehabt.    Seit  Kallinos  (ca.  650)  finden  wir  an  Stelle 
der  homerischen   Tpws;   die   TsOxpoi   genannt;    fUr   diese   haben 
wir  kleinasiatische  (kilikische)  Herkunft  vermuthet.     Nach  der 
Anschauung    Herodot's    waren    Teukrer    und    Mysen    Wafien- 
genossen,     welche     einst     weite     Züge     unternommen     haben. 
Während  sich  aber  die  Teukrer  frühzeitig  erschöpft  hatten  und 
in  ihrem  Stammlande   bis  auf  schwache  Spuren  (Hdt.  V  120) 
völlig  eingiengen,   haben  die  Mysen  ihr  Volksthum  wenigstens 
im  Binnenlande   bis   in   die  Zeit  des  Hellenismus  und    darüber 
hinaus  bewahrt.   Die  karische  Genealogie  (Hdt.  I  171)  verbindet 


48  rv>   Abhandlung:    Tomaschek. 

zwar  den  Mysos  mit  Lydos  und  Kar;  aber  diese  Anschaaung 
erfloss  nicht  aus  einer  ethnischen  Grundlage,  sondern  aus  der 
gemeinsamen  Theilnahme  der  drei  Völker  an  dem  Heiligtbum 
des  karischen  Zeus  in  Mylasa.  Auch  die  Notiz  bei  Hesychios 
V.  Au8((i)  v6(x(i)  wiegt  nicht  schwer:  Muaci  eiatv  AuSiSv  dhcotxoc  xal 
fxavTtxwTaTot :  das  mysische  Wesen  stand  dem  maionischen  in 
Lydien  und  Phrygien  nicht  ganz  fern,  und  die  Mantik  verbindet 
sich  gern  mit  der  Orgiastik.  Von  der  mysischen  Sprache 
urtheilte  Xanthos  also  (Strabo  XII,  p.  572):  ii  xöv  Muau)v  JiotXexTo; 
[jii^oXüSio;  WO)?  eoTiv  xal  (jLt^ofpuvto;.  Der  Grundstock  war  jedenfalls 
osteuropäisch  und  dem  Phrygischen  nächstverwandt;  wenn 
lydische  Elemente  hinzukamen,  so  war  dies  bei  der  Nähe  dieses 
Volkes,  das  zuletzt  auch  die  Troas  erobert  hatte,  ganz  nattlrlich; 
wir  dürfen  sogar  lelcgisch-karische  und  kilikisch-teukrische  Bei- 
mengungen voraussetzen,  wie  böi  den  Armeniern  alarodische. 
So  erklärt  sich  beispielsweise  das  Vorkommen  von  Ortsnamen 
ganz  fremdartigen  (teukrischen?)  Klanges  auf  einer  Inschrift 
aus  Gergithcs  (Le  Bas  III,  add.  n®  1745).  Um  die  Deutung 
des  Namens  Muao^  war  Xanthos  nicht  verlegen;  er  verglich  das 
Wort  [Xüou;  •  TQ  55uTQ,  AuSot  (Strab.  1.  c,  St.  B. ;  6  [l\j(j6^  und  i%  [um^j 
Eust.  ad  Dion.  322),  mit  dem  Zusatz:  tcoXXyj  8'  Vi  b^  tjona  fov 
''OXu(jL9;ov.  Es  geht  nicht  an,  einen  Baunmamen  ohne  Hinzutritt 
eines  derivativen  Elementes  einem  Volke  gleichzusetzen,  und 
weiters,  einen  Namen,  der  schon  in  der  europäischen  Heimat 
vorkommt  (denn  Moesus  und  Mujc;  sind  offenbar  gleich;  auf 
thrakischem  Sprachboden  wechselt  oi  mit  u,  u,  i),  aus  der 
lydischen  und  überhaupt  aus  einer  kleinasiatischen  Aboriginer- 
sprache  (1yd.  kar.  jjluoö;  vielleicht  auch  in  MuaavBa,  einem  Orte 
an  der  kilikischen  Küste)  zu  erklären;  erfordert  wird  eine 
Deutung  aus  indogermanischen  Sprachmitteln.  Das  albanische 
Wort  ftlr  ,Maulthier  muSk,  f.  muSk^  (venez.  müsse)  will 
G.  Meyer  mit  Rücksicht  darauf,  dass,  ¥de  die  Eneter,  so  auch 
die  Mysen  Maulthierzucht  betrieben,  aus  Muoixo^  ableiten.  Neben 
Muco;,  Müffixs;  findet  sich  auch  MucaSw;,  Moesiacus,  MESACUS 
(C.  r.  VI  n^  2818.  2736)  und  MUSIATICUS  (X  n«  3640). 

Homer  (ü.  XUI  5)  kennt  nicht  bloss  Mysen  als  Bandes- 
genossen der  Troer,  er  weiss  auch  von  ,nahankämpfenden  Mysen^, 
im  Rücken  der  rossetummelnden  Thraker,  in  der  Nachbarschaft 
der   pontisehon    Stutenmelker    und    Abier.     An    diese    Angabe 


Die  alten  Thraker.  I.  49 

knüpfte  Skytobrachion ,  der  Bearbeiter  oder  Fälscher  des 
Xanthos,  nach  Herodot's  Muster  (V  13),  die  Anekdote,  der 
lydische  König  Alyattes  habe  sich  von  Kotys,  dem  Fürsten  der 
europäischen  Mysen,  ganze  Schaaren  dieses  Volkes  kommen 
lassen  (Const.  Porph.  de  them.  I  3).  Aber  erst  in  der  Römer- 
zeit erhielt  die  Welt  genauere  Kunde  von  dieser  in  der  Heimat 
zurückgebliebenen  und  westUch  von  den  Geten  sitzenden  Nation. 
Zuerst  stiess  C.  Scribonius  Curio,  der  Bezwinger  der  Dardaner 
(a  75  V.  Chr.),  mit  den  Moesen  zusammen;  bald  darauf  (72) 
drang  M.  Terentius  Varro  Lucullus,  der  Sieger  über  die  Bessen 
und  Odrysen,  aus  den  pontischen  Küstenstädten  ins  moesische 
Land  ein;  vgl.  Serv.  ad  Verg.  Aen.  VII  604:  Getae  sunt 
Moesi,  quos  Sallustius  a  LucuUo  dicit  esse  superatos.  Dann 
(62)  griffe.  Antonius  die  Mysen  an;  diese  riefen  die  Bastarnen 
zu  Hilfe  und  schlugen  den  Proconsul  bei  Histros,  die  erbeuteten 
Feldzeichen  legten  sie  in  die  öetenveste  FsvouXa.  Unter  Caesar 
Augustus  (29)  schlug  der  Proconsul  M.  Licinius  Crassus  die 
Ein&lle  der  Bastamen  zurück,  unternahm  dann  eine  Expedition 
in  die  westUche  Muai;  und  schlug  die  Moesen  bei  einer  starken 
Veste;  die  völlige  Unterwerfung  des  Landes  gelang  ihm  (28) 
nach  einem  Feldzug  gegen  die  Artakier  im  centralen  Haemus. 
Erst  ein  Jahrzehend  später,  so  scheint  es,  wurde  das  eroberte 
Land  als  römische  Provinz  eingerichtet  und  erhielt  den  Namen 
Moesia,  weil  die  Moesen  darin  den  bedeutendsten  und  cultur- 
fkhigsten  Stamm  ausmachten.  Denn  Geten  sassen  nur  entlang 
dem  untersten  Lauf  der  Donau;  am  unteren  Margus  gab  es 
nur  schwache  Reste  der  galatischen  Skordisker;  zwischen  dem 
Cebrus  und  Utus  hatten  die  von  den  Skordiskern  fast  auf- 
geriebenen Triballer  Platz  gefunden  —  alles  Uebrige  hatten  die 
Moesen  inne  (vgl.  Cass.  Dio  LI  27).  Plinius  bemerkt:  Moesicae 
gentea  et  Triballi  Dardanis  laevo  praetenduntur  latere.  Ovidius 
(ex  Pento  rV  9,  79)  rühmt  von  dem  Statthalter  Flaccus:  lue 
tenuit  Moesas  gentes  in  pace  fidcli  |,  hie  arcu  fisos  terruit  ense 
Gtetas.  Unter  Tiberius  (C.  I.  V  n^^  1838)  werden  noch  ,civi- 
tates  Moesiae  et  Triballiae^  unterschieden.  Als  Sonderstämme 
erscheinen  im  Westen  am  Flusse  Pincus  PICENSES,  ntvtn^vdiot, 
und  am  Timacus  TIMACENSES;  angeblich  in  Moesia  superior 
hauBten  (C.  L  VI  n"  2831)  cives  COTINI  (vgl.  Koriivaiot  im 
dakischcn  Ostlande);   ostwärts   schlössen  sich  an  dio  Triballer 

Sitzanf^sber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVm.  Bd.  4.  Abh.  4 


50  rv*  Abhandlang:    Tomaschek. 

an  OiT^voiot  oder  UTENSES,  Uiapi^vcioi  oder  PIARENSES  (vgl. 
Appiaria),  Aifjm^^vatc.  oder  DEVIENSES  (vgl.  Dimnm)  und  'OßouXi^aiot 
—  topische  Ethnika,  welche  keinen  Schluss  auf  die  Abkunft 
zulassen;  wir  werden  jedoch  sogar  Donau  abwärts  mitten  unter 
Geten  Spuren  mysischer  Nomenclatur  nachweisen. 

Im  Berglande  des  Haemus,  gegen  Philippopolis  zu,  mtlssen 
wir  die  'Apraxtoi  suchen,  ,eine  uralte  Abtheilung  der  moesischen 
Nation,  mit  deren  Unterwerfung  M.  Crassus  den  Krieg  be- 
schloss;  sie  waren  niemals  von  irgend  einem  Eroberervolke 
unterworfen  worden  und  vertheidigten  darum  ihre  Freiheit  mit 
wahrem  Löweumuth  und  längere  Zeit  nicht  ohne  Erfolg*  (Cass. 
Dio  LI  27).  In  diesem  bellum  Mysicum  zeigen  sich  Sporen 
des  rohen  Fanatismus;  Florus  erzählt,  die  Mysen  hätten  ge- 
schworen, bei  ihrem  Pferdeopfer  die  Eingeweide  der  gefangenen 
römischen  Führer  zu  opfern  und  zu  verzehren.  'AproxoC  finden 
wir  bei  Steph.  Byz.  nach  alten  Quellen  als  sOvs^  Bpdnuov  ver- 
merkt; in  der  Tab.  Peut.  wird  in  der  regio  Haemimontana 
zwischen  Nicopolis  und  Cabyle  ein  Landstrich  ARIACTA  ver- 
zeichnet d.  i.  ARTACIA.  "Aptoxo^  (s.  d.  Flussnamen  unter 
'Ap-cr^oxi;)  war  der  moesische  Name  des  Flusses,  welchen  die 
Odrysen  Tcv!;o;  (j.  Tundia,  T^ia)  nannten.  Hera  war  die  Haapt- 
gottheit  der  moesischen  Stämme ;  wir  finden  darum  einen  Votiv- 
stein  aus  Philippopolis  (Dumont  p.  16,  n.  33)  xup(a  '^pci  "AptaxTfvTi 
gewidmet;  selbstverständhch  verehrten  sie  auch  den  Himmels- 
gott; wir  finden  im  Gebiet  von  Nicopolis  einen  Votivstein  Att 
AifjLspavw  gesetzt.  Formen  des  Thema  art-  (skr.  ptä  ,recht,  ge- 
recht, fromm^)  fehlen  dem  kleinasiatischen  Mysien  nicht.  Am 
Rhyndacus  sassen  'ApTaToi  im  'Aptaiwv  Tsr/c;  (St.  B.)  nahe  dem 
,heiligen^  See  'ApTuviaj  oberhalb  dem  doHonischen  Kyzikos  lag 
der  Berg-  und  Hafenort  'AptixT,  (skr.  ßtika)  mit  einer  gleich- 
namigen Quelle,  woher  'Aptaxia  •  i^  'AsppoSfTYj  (Hesych.).  Da  vor 
den  Bithynen  am  Bosporus  Mysen  sassen,  so  scliliesst  sich  der 
Name  des  Baches  'Apravy;^  an,  noch  von  den  Byzantinern  in  der 
Form  Wptava?  vermerkt;  bei  dem  Hafen  ARTANE  (TP.  GR.) 
stand  ein  Upbv  'A9po5('cri;.  Ebenso  finden  wir  im  moesischen 
Stammland  neben  den  Fltlssen  Athrys  und  Noes,  mitten  unter 
den  Geten,  einen  Fluss  'Apxavr^;  (Hdt.  IV  49).  Aber  noch  mehr. 

Wir  finden  Keßpi^vic!,  mit  dem  herkömmlichen  Epitheton 
Spi^iz  (Strabo  XHI,  p.  590,  Eust.  ad  B  838),  als  binnenländi- 


Die  alten  Tknker.  I.  51 

Bches  Volk  sesshaft  Tpo^  'Apcaßov  xoTa{Ji6v  siaßdXXovra  ei;  tov  ''fißpov. 
Beide  Namen  erweckten  schon  den  Alten   die  Erinnenmg  an 
die  homerische  Troas;   beide   gehören   der    mysischen   Nomen- 
clatur  an.    'AptoßY;  hiess  eine  uralte  Ortschaft  bei  Perkote,    die 
sich  bis  in  die  christliche  Zeit  erhielt  (Arisba,  Acta  SS.  Febr.  11, 
p.  40),  Sitz  des  homerischen  ^Aaioq  TpToxÄY;?  (vgl.  den  mysischen 
Kämpen  Tprio;  D.  XIV  512).    Ksßpuiv  hiess  der  Hauptfluss  der 
Troas,    dessen   Quellen   vom   Ida    kommen,    mit  einer  gleich- 
namigen  Ortschaft  an  seinem  gewundenen  Mittellauf,  die  sonst 
auch  Keßp^vt)  (Ew.  Keßpi^viot)  sich  nannte.     Nun  finden  wir  auf 
moesischem  Boden  einen  im  Thema  vöUig  entsprechenden  und 
nur  des  derivativen  -njv  ermangelnden  Flussnamen  Keßpo;,  eine 
Bildung   wie    "Eßpo?;    es   ist   die    heutige   Cibra    oder    Cibrica. 
M.  Crassus  schlug  die  in  Moesien  eingefallenen  Bastamen  'icpb^ 
TCO  Keßp(i>  roTafxo)  (Cass.  Dio  LI  24) ;  Ptolemaeus  schreibt  Kioßpo; 
oder  KCftfxßpoq  T:oxa[fjSq]   das  Castell  an  der  Einmündung  in  die 
Donau  heisst  Ki^po^  in  den  Itinerarien  Cebro,  Cambro,  Ciambro, 
und  dazu  halte  man  auch  CAMBRE,  eine  Ortschaft  im  asiati- 
schen Mysien  (Plin.).     Wir  sind   versucht,   diesen  Namen  aus 
der  Wurzel  k^p  :  ka(m)p  —  ,sich  krümmen,  winden*  zu  deuten; 
vgL  skr.  kampra  ,sich   windend,   gewunden^   unter  Annahme 
eines  Uebergangs  von  p  in  b  nach  m,  wie  in  kelt.  kambos.  — 
Ausdrücklich  finden   wir   die  Keßpi^vioi   des   mysischen   Landes 
noch  bei  Polyaenus   (VTI  22),   der  mitunter  aus   recht  guten 
und  alten  Quellen  schöpft,  vermerkt,  und  zwar  in  Verbindung 
mit  den  gleich  zu  besprechenden  Skaiem,  allerdings  wiederum 
als  Bpox'.a  IOvtq  :  fUr  moesische  Herkunft  spricht  iodess  der  unter 
beiden    allherrschende    Cult    der  Hera.     Den   Priester    dieser 
Göttin  nennt  Polyaenus  Koc^yy^^;  dazu  halte  man  Gosingis,  die 
erste  Q-emahlin  des  Nikomedes  I.,   eine  Frau  von  phrygischer 
Abkunft  —  wie   innig   deckt   sich  da  die  phrygische  und  die 
moesische  Namengebung! 

Sxaiöi  oder  Sxaiot  finden  wir  — •  ungewiss  ob  als  phrygi- 
Bches  oder  als  mysisches  —  iövo?  IxciaSu  xtj;  TpwaBo^  xai  xij? 
6pa)cv2(;  in  der  Europa  des  Hecataeus  (Steph.  Byz.;  20vo;  0pa- 
xwv,  Hesych.),  wahrscheinUch  gelagert  im  Chersonnes,  der 
später  in  den  Besitz  der  thynischen  Dolongker  überging.  Aus 
dieser  Schichtung  würde  sich  der  homerische  Ausdruck  Sxatal 
xüXai  für  das  Westthor  von   Ilios  (P  145)   aufs  beste  erklären: 

4* 


52  rV.  Abh&ndlaiif :    Tomftschek. 

es  war  das  Thor,  welches  zum  dardanischen  Sund  und  zu  den 
Skai'em  fUhrte;  so  gab  es  nachmals  in  Byzantion,  in  Abdera 
und  in  AmphipoUs  Opr/ixiai  tzoKm.  So  ergibt  sich  ein  neuer 
Beleg  für  die  Wanderung  mysischer  Stämme  nach  Asien:  die 
Hauptmasse  der  Mysen  war  über  den  Bosporus  vorangezogen, 
die  skaische  Abtheilung  verblieb  im  Chersonnes.  Den  homeri- 
schen Rhapsoden  lag  in  der  Troas  die  mysische  Namengebung 
fertig  vor;  von  den  alteinheimischen  troisch-teukrischen  Namen 
hatten  sich  weit  geringere  Reste  erhalten.  Haben  etwa  die 
Ska'ier  einmal  den  Sund  überschritten?  Schwerlich!  Strabo 
(p.  586)  nennt  als  ältere  Bewohner  der  Gegend  von  Abydos 
nur  Dryopen,  Bebryken,  als  spätere  ,Thraken^;  Abydos  selbst 
soll  (p.  591)  nach  den  troischen  Zeiten  von  ,Thraken*  bewohnt 
gewesen  sein.  Wir  erinnern  noch  an  die  Edonen  von  Antan- 
dros,  an  die  kimmerischen  Treren.  Strabo  (p.  590)  führt  unter 
den  Analogien  zwischen  der  troischen  und  ^thrakischen^  Namen- 
gebung  ausser  den  Zxaioi  ^einem  gewissen  thrakischen  Stamme, 
auch  noch  den  Flussnamen  Ixaio^  an:  er  meint  offenbar  den 
Snio?,  Oiffxto;,  OESCUS  des  moeso-getischen  Landes.  Wenn 
Polyaenus  mit  den  Eebreniern  Ix^ißoae  verbindet,  so  erkennen 
wir  darin  die  echte,  einheimische  für  die  moesischen  Skaler, 
d.  i.  2xatF6at,  vom  Thema  cxatfo-;,  lat.  scaevos  ^uk^.  Ob  diese 
gerade  am  Isker  sassen,  wissen  wir  nicht;  der  Name  dieses 
Flusses  spricht  nicht  sehr  dafür.  An  der  unteren  Donau  fehlen 
nicht  Spuren  des  alten  Daseins  der  Skaier  mitten  unter  den 
Goten.  Zwischen  dem  latrus  (Jantra)  und  dem  Castell  Tri- 
mammium  (an  der  Mündung  des  Lom)  stand  ein  gotisches 
CasteU  SCAI-DAVA,  SxaVaißa,  d.  i.  ,Skaier-Siedelung^  Weiter 
stromabwärts,  zwischen  Carsum  und  Bireum,  finden  wir  einen 
Ort  K(o^  oder  Cium,  den  nicht  erst  Lysimachus  oder  die  Römer 
werden  erbaut  haben ;  es  vergleicht  sich  die  mysische  Stadt  KCo; 
an  der  Mündung  des  phrygischen  'A(7xavio;.  —  Nicht  darf  jedoch, 
wie  dies  von  Giseke  geschehen,  die  Tripolis  SCAEA  III  m.  p. 
a  Larisa  super  Peneum  amneui  (Liv.  XLII  55,  6)  für  die 
Wanderungen  der  Vorzeit  verwerthet  werden,  eine  Localität, 
deren  Name  weder  mit  den  mysischen  Skaiern,  noch  mit  der 
pelagonisclien  Tripolis  von  Azoros  zusammenhängt. 


Die  alten  Thraker.  I.  53 


in.  Die  thrakiflohen  Völkerstämme. 

a)  Die  südliche  Gruppe. 

Die  bisher  dargelegte  Schichtung  der  phrygischen  und 
mysischen  Stämme  westlich  und  südlich  um  die  centrale  Haupt- 
masse der  eigentlichen  Thraker  beweist  ^  dass  diese  Stämme 
als  Ursassen  zu  betrachten  sind,  welche  zunächst  und  vor  allem 
durch  die  zu  verschiedenen  Zeiten  erfolgte  Invasion  der  nordi- 
schen Thraken,  für  welche  der  Haemus  nicht  nur  ein  Durch- 
zug^ebiet,  sondern  auch  eine  wahre  Heimstätte  wurde,  zur 
Seite  geworfen  oder  in  kleine  Tlieile  zersplittert  oder  gänzlich 
verdrängt  worden  waren.  Wohl  war  die  Culturstufe  der  ein- 
gedrungenen thrakischen  Rossezüchter  nicht  zu  vergleichen 
mit  der  höheren  Stufe,  welche  die  Ursassen  sowohl  durch  die 
Gunst  der  Naturverhältnisse  wie  infolge  vorzeitlicher  Berüh- 
rungen mit  den  Völkern  des  Südens  eingenonunen  hatten;  aber 
die  Geschichte  lehrt,  dass  es  in  der  Vergangenheit  wiederholt 
geschehen  ist,  dass  rohere  Völker  über  gesittete  obsiegt  und 
dieselben  überschichtet  haben.  Was  sich  im  Haemusgebiet  im 
Grossen  abspielte,  wiederholte  sich  nachmals  in  kleinerem  Mass- 
stabe auf  kleinasiatischem  Boden,  wo  wir  thrakische  Thynen 
rings  umgeben  von  älteren  phrygischen  und  mysischen  Stämmen 
vorfinden;  zu  welcher  Zeit  aber  auf  diesem  allophylen  Boden 
die  Phrygen  selbst,  hierauf  die  Mysen,  sich  festgesetzt  haben, 
dafilr  fehlt  uns  jede  Berechnung.  Die  ältesten  Vorstösse  und 
Wanderungen  der  Thraken,  welche  bewirkten,  dass  das  ganze 
Nordland  bis  zum  Strymon  und  Bosporus  den  Namen  Thrake 
erhielt  und  dass  die  Reste  altansässiger  Völker  in  diesem  Namen 
aufgiengen,  sind  für  uns  in  völliges  Dunkel  gehüllt.  Von  den 
Andeutungen  der  homerischen  Lieder  abgesehen,  welche  vor- 
zugsweise den  ägäischen  Rüstenstämmen  phrygischer  und  paio- 
nischer  Abkunft  gelten,  bezeichnet  erst  die  Periode  des  kim- 
merischen  Völkersturms  und  der  thynischen  Wanderung  für 
uns  den  Eintritt  in  die  Geschichte;  und  selbst  diese  Zeit  ver- 
m{%en  wir  nur  in  dunklen  Zügen  zu  erkennen. 

Arktinos,  der  Dichter  der  Aithiopis,  stellte  die  Amazone 
Pentbesilea,  die  neue  Bundesgenossin  der  Troer,  als  Tochter 
des  Ares  und  der  'OTpujpiQ  und  als  QpaoQa  to  ^evo?  hin.  In  Otrera 


63  IV.  Abluulümiif :    Tomftsehek. 

es  war  das  Thor,  welches  zum  dardanischen  Sund 
Skai'em  fUhrte;  so  gab  es  nachmals  in  Byzantion, 
und  in  Amphipolis  Bpr^'txtac  ^Xoi.  So  ergibt  siel 
Beleg  für  die  Wanderung  mysischer  Stämme  nacl 
Hauptmasse  der  Mysen  war  über  den  Bosporus  v( 
die  skaische  Abtheilung  verblieb  im  Chersonnes.  ] 
sehen  Rhapsoden  lag  in  der  Troas  die  mysische  N 
fertig  vor;  von  den  alteinheimischen  troisch-teukris 

• 

hatten  sich  weit  geringere  Reste  erhalten.  Habe 
Skai'er  einmal  den  Sund  überschritten?  Schwerl 
(p.  586)  nennt  als  ältere  Bewohner  der  Gegend  * 
nur  Dryopen,  Bebryken,  als  spätere  ,Thraken';  AI 
soll  (p.  591)  nach  den  troischen  Zeiten  von  ^Thrak 
gewesen  sein.  Wir  erinnern  noch  an  die  Edonen 
drosy  an  die  kimmerischen  Treren.  Strabo  (p.  590) 
den  Analogien  zwischen  der  troischen  und  ^thrakisc! 
gebung  ausser  den  Zxaioi  ,einem  gewissen  thrakiscl 
auch  noch  den  Flussnamen  l%ai6<;  an:  er  meint  c 
Sufo^,  Orffxto;,  OESCUS  des  moeso-getischen  Lan 
Polyaenus  mit  den  Kebreniem  Lxaiß6a(  verbindet,  i 
wir  darin  die  echte,  einheimische  fUr  die  moesis( 
d.  i.  SxaiF6ai,  vom  Thema  oxatfc-q,  lat.  scaevos  ,hnk 
gerade  am  Isker  sassen,  wissen  wir  nicht;  der  I 
Flusses  spricht  nicht  sehr  dafür.  An  der  unteren  I 
nicht  Spuren  des  alten  Daseins  der  Skaier  mittel 
Geten.  Zwischen  dem  latrus  (Jantra)  und  dem 
mammium  (an  der  Mündung  des  Lom)  stand  e 
CasteU  SCAI-DAVA,  Sxai^eßa,  d.  i.  ,Skaier.Siedelu] 
stromabwärts,  zwischen  Carsum  und  Bireum,  finde 
Ort  K(o<;  oder  Cium,  den  nicht  erst  Lysimachus  odc 
werden  erbaut  haben ;  es  vergleicht  sich  die  mysiscl 
an  der  Mündung  des  phrygischen  'Acxavio;.  —  Nicht 
wie  dies  von  Giseke  geschehen,  die  Tripolis  SCAJ 
a  Larisa  super  Peneum  amnem  (Liv.  XLH  55 
Wanderungen  der  Vorzeit  verwerthet  werden,  ei^ 
deren  Name  weder  mit  den  mysischen  Skai'ern,  ^ 
pelagonischen  TripoUs  von  Azoros  zusammenhängt 


IM 


Die  alten  Thraker.  I.  56 

wie  ihre  Wildheit  gekennzeichnet  wird.    Von  Bithynien  ,warfen 
sie  sieh  bald  auf  die  Paphlagonen,  bald  auf  die  Phrygen,  deren 
König  Midas   sich   den  Tod   mit  Ochsenblut  gab'  (Str.  p.  61). 
Im  phrygisch-pisidischen  Grenzort  Suaoaö;  sollen  die  Kimmerier 
reiche  Gtetreidegruben  getroflFen  und  sich  davon  ernährt  haben 
(St.  .B)-     Die  Hauptmasse   überschritt   den  Halys   (St.  p.  552) 
und    setzte    sich    im   Gebiete   von   Sinope   fest   (Hdt.    IV    12); 
weiter   gegen   Osten   wandernde   Haufen    stiessen   auf  die   aus 
dem    Zweistromland    nach    Mada    eingefallenen    Qak4.      Diese 
Völkerstlirme  scheinen  die  bisher  am  Iris  und  Lykos  sesshaften 
Armenier   oder   Hai-q   langsam   dem   oberen  Frät   und  Araxes 
zugeführt  zu  haben.    Vielleicht  wurden  auch  Theile  der  Treren 
ostwärts  verschlagen:  im  Grenzlande  der  Armenier  und  Iberen 
nennt  Plinius  eine  regio  TRIAßE  (vgl.  Tpt^ps?  des  Arrian)  d.  i. 
die   heutige    Landschaft  Thrial^thi   am   Flusse   Ktsia,    welcher 
südlich  von  Tiflis  in  den  Kur   fällt;   hier  wird  in   armenischen 
Schriftwerken   ein   Volk   Namens    Threl-q    erwähnt.     Auf   die 
Nachricht   des   Strabo,   dass   es   im   Grenzlande   der  Armenier 
ythrakische^    Kopfabschneider    oder   Saporcapai   gebe,    legen  wir 
dabei  weniger  Gewicht;   in  Assur   aber   finden    wir   einen  Ort 
CDfMIR  (GR.).     In   den  assyrischen   KeiUnschriften   aus   der 
Zeit  des   Assarhaddon   und   Assurbanipal   werden   die  Einfälle 
der  Gimirrä  nach  Assur,  Chilaku  und  in  das  Land  Ludu,   wo 
König  Gugu  oder  Gyges   herrschte,   erwähnt;   Gyges  griff  die 
übermüthigen  Gimirrai  an,  welche  sein  Land  verwüsteten,  und 
schlug  sie;    bei   einem    zweiten    Einfall  jedoch   verlor   er   sein 
Leben.   Unter  Ardys  H.  (=  Alyattes  III.)  setzten  die  Kimmerier 
ihre  Raubzüge   und  Plünderungen  fort;    im  Verein  mit  einer 
wischen  Bande   unter  Lygdamis   eroberten   die  Treren   unter 
ikrem  Fürsten  Kwßo?  die   Unterstadt   Sardes;    dann   zogen   sie 
S^en    Magnesia    am    Maiandros    und    tödteten    viele    Leute. 
I^ygdamis  kam  in  Kilikien  um,  Kobos  zog  vor  dem  Sakenkönig 
Madua,  dem  Sohne  des  Prätathiya,  den  Kürzeren.    Die  endliche 
Vernichtung  der  Kimmerier,  welche  in  BLleinasien  Alles  durch- 
einander gebracht   hatten,    wird    dem  vierten  Alyattes   zuge- 
schrieben (ca.  600). 

Den  Griechen  lagen  nicht  zusammenhängende  Berichte 
^ber  diese  Wanderung  vor,  sondern  nur  einzelne  Andeutungen 
ier  Dichter,  zumal  des  Kallinos.    Dieser  erwähnte  den  Angriff 


^ 


54  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

erkennen  wir  eine  Anspielung  auf  das  thrakische  Volk  der 
Treren,  welches  bei  der  sogenannten  ^kimmerischen^  Wanderung 
die  Hauptrolle  spielte.  Wann  diese  Wanderung  begann^  lässt 
sich  nicht  erkunden;  dieselbe  wurde  vielleicht  durch  Ein&lle 
pontischer  Skoloten  veranlasst,  welche  im  Flachlande  an  der 
unteren  Donau  und  darüber  hinaus  sich  auszubreiten  suchten; 
vielleicht  drängten  auch  die  Sigynnen,  sarmatische  Metanasten 
die  wir  im  Gebiete  der  Theiss  suchen  dürfen.  Die  Haemus- 
Stämme  wurden  unruhig,  voran  die  TpYjpsq  oder  Tpaps?.  Reste 
dieses  thrakischen  Nomadenvolkes  kannte  noch  Thucydides 
(II  96):  ,die  Grenze  des  Odryscnreiches  nach  der  Seite  der 
Triballer  zu  bilden  ol  Tp^ps;  xal  ot  TtXaTaToi;  diese  beiden  Völker 
wohnen  nördlich  vom  Skorabros  (Ryla)  und  reichen  gegen 
Westen  bis  zum  Flusse  "Ooxio;  (Isker)'.  Theopomp  erwähnte 
Tpt5po<;  oder  Tpapo;  als  /(opiov  öpaxt);  (St.  B.);  Plinius  nennt 
TRERES  an  den  Grenzen  der  Provinz  Macedonia,  sei  es  im 
Norden  oder  im  illyrischen  Westen,  etwa  in  der  Nachbarschaft 
der  Brygen  und  Trailer.  Die  Hauptmasse  des  Volkes  hatte 
sich  jedoch  am  Schluss  des  8.  Jahrhunderts  v.  Chr.  dem  Helles- 
pont  zugewandt;  es  muss  geraume  Zeit  verflossen  sein,  bis  sich 
die  Treren  hier  sammelten,  um  mit  Kind  und  Kegel,  Karren 
und  Vieh,  auf  Flössen  über  den  Sund  zu  setzen;  Troas,  Mysien 
und  das  nachmalige  Bithynien  wurden  von  ihnen  heimgesucht. 
Strabo  berichtet,  wahrscheinlich  nach  Xanthos  (I,  p.  59):  ,vom 
bistonischen  See  sowie  vom  See  Aphnitis  (in  Mysien)  sollen 
einige  Ortschafken  der  Thraken  oder  nach  Anderen  der  Tp^pe^, 
welche  Nachbaren  der  Thraken  waren,  hinweggeschwemmt 
worden  scin^  Ferner  (p.  586):  ,die  Küste  südlich  von  Abydos 
bis  Adramythion  besetzten  die  Tp>jpc(;,  ein  Stamm  der  Thraken^ 
Tpapiov  hicss  eine  Anhöhe  in  der  Troas  (Tz.  ad  Lyc.  1141.  1159), 
ein  Ort  in  Mysien  (Str.  XHI,  p.  607)  und  an  der  bithynischen 
Küste  (Ptol.  V  1,  2).  Antandros,  voreinst  lelegisch,  dann 
edonisch,  hiess  ein  Jahrhundert  hindurch  (700 — 600)  KtpLjAept^  — 
so  lange  hausten  hier  die  Thraken;  Kifxjxeptot  aber  hiessen  im 
Munde  der  kleinasiatischen  Aboriginer  und  der  Semiten  die 
Nordvölker  überhaupt.  Arrian  fand  in  seinen  ,bithynischen  Ge- 
schichten^ Gelegenheit,  der  Treren  oder  Tpti^pe;  zu  gedenken: 
sie  galten  ihm  für  Nachkommen  des  TptYjpo<;,  Sohnes  des  Riesen 
'Oßpiipsw;  und  der  OpoxYj,  wodurch  ihre   thrakische  Abkunft  so 


Dm  alten  Thrmk«r.  I.  56 

wie  ihre  Wildheit  gekennzeichnet  wird.  Von  Bith^-nien  , warfen 
sie  sich  bald  auf  die  Paphlagonen,  bald  auf  die  Phrygen,  deren 
König  Midas  sich  den  Tod  mit  Ochsenblnt  gab^  (Str.  p,  61). 
Im  phrygiseh-pisidischen  Grenzort  Z-jodszo^  sollen  die  Kimmerier 
reiche  Getreidegmben  getroffen  und  sich  davon  ernährt  haben 
(St.  ,B.).  Die  Hauptmasse  überschritt  den  Haljs  (Hi.  p.  552) 
and  setzte  sich  im  Gebiete  von  Sinope  fest  (Hdt.  IV  12); 
weiter  gegen  Osten  wandernde  Hänfen  stiessen  auf  die  ans 
dem  Zweistromland  nach  Mada  eingefallenen  (^aka.  Diese 
Vdlkerstfirme  scheinen  die  bisher  am  Iris  und  Lykos  sessliaften 
Armenier  oder  Hai-q  langsam  dem  oWren  Frat  und  Araxes 
zogeftüirt  zu  haben.  Vielleicht  worden  anch  Theile  der  Treren 
ostwärts  verschlagen:  im  Grenzlande  der  Armenier  und  uferen 
nennt  Plinias  eine  regio  TRIARE  TvgL  Tpcf.^  des  Arrian;  JL  u 
die  heutige  Landschaft  Thrialethi  am  Flusse  Ktsia,  welcher 
södfieh  Ton  Tiflis  in  den  Kur  ftUt:  hier  wird  in  armenischen 
Schrifhrerken  ein  Volk  Namen«  Threi-q  erwähnt-  Auf  die 
Sachricht  des  Strabo.  dass  es  im  Grenzlande  der  Armenier 
«thnkisdie^  KopCshsehneider  oder  la^zzifo:  gebe,  legen  wir 
dabei  weniger  Gewicht:  in  Assur  aber  finden  wir  einen  (/rt 
CDQQR  f'GR.r.  In  den  afi«Fvriscfaen  Keilinscbriften  aas  der 
Zeit  des  AsBarhaddon  und  Aseurbanipal  werden  die  EinfäJk 
der  Giinirrä  nach  Assor.  Chüaku  und  in  ^biA  Land  Lada,  wo 
KSnif  Gugu  oder  Gjge»  herrsekte,  erwähnt:  Gjgea  griff  die 
äbermStdiieen  Giamrai  an,  wefefae  $ein  Land  verwfUteten.  und 
ichbe  «c:  bei  einem  zweiten  Einfall  jedöeh  verlor  er  sein 
Leben.  Umer  Afdv*  IL  =  Aiyan«  IH,  »etzten  die  Kimaxerier 
ihre  Radbowe  uiMi  PteMeriiuren  tynz  na  Verein  mit  einer 
karaehea  Bande  unter  Lvg^iami*  er>fc*:rv:n  die  Treren  unvtr 
Ftnces  Eiijc^  die  U=aer»ta/it  .S»rdejf:  dacn  zr^«L  iie 
Ibrn«»  *m  M^^rAirji  ^d  v>i->^-er.  viele  Le:». 
LjHbBiB  kam  in  Kifikiea  mi.  K-kä*  »^^^  ^'^  'i^^  .S*keii^/öi^ 
Ibdz».  d«i  ivAttt  d«  Pfitadkiva.  de:i  K^-nerec    tr>  ewL>:« 

der  Kiiaai«:.cr.  weUrfe  i-  K>.r.a««ii  Ai««  durcL 
harfciL.    wird    -i^ta   v>r^:i  Alj*«*    Z4i^. 

dsene  WacÄ*rTa;r  ^^-ir-  ^r^^rri  =.xr  ^u-izeii^  Ai-Qe^ttui,^t^ 


Ö6  rV-  Abhandlnngf:    Tomaschek. 

der  Kimmerier  auf  die  'Hatovee«;  (Str.  p.  627)  oder  Maionen, 
das  Anrücken  derselben  gegen  Sardes  und  Magnesia  (p.  646) 
,vuv  3'  iirl  Kifjifji,ep{(i)v  otpaTo^  Ip/eTote  ißpifAospY<i^v',  sowie  den  KoboB 
jTpTJpea?  dcv8pa;  dcYwv'  (St.  B.).  Was  mag  aber  der  Name  Tpopcg 
bedeutet  haben?  Das  Thema  tr'slr,  trär-  ist  aus  träir  entstanden, 
und  dieses,  wie  thrak.  pair,  armen,  hair  , Vater'  aus  pi^tdr-, 
hinwiederum  aus  tr^t^r,  d.  i.  ,Hüter,  Viehhälter,  Hirt^,  Ton 
der  arischen  Wurzel  skr.  tr&,  zd.  thrä  ,hüten,  nähren';  dazu 
gehört  auch  armen.  er6  (gen.  er^j,  er^oj)  ,animal,  pecus',  ge- 
bildet wie  zd.  thrslya  ,nährend,  Nahrung';  sogar  in  der  Sprache 
der  finnischen  Mordwa  findet  sich  die  Wurzel  tr'a-  ^nähren, 
pflegen,  halten'  mit  Derivaten  wie  tramo  ,Unterhalt,  Nahrung^ 
vgl.  zd.  thrima.  Es  wäre  nicht  unmöglich,  dass  sich  mit  den 
Thraken  eingedrungene  skolotische  Haufen  gemischt  hatten, 
echte  Nomaden,  welche  von  den  Thraken  ,Viehzüchter'  genannt 
wurden;  der  im  Haemus  zurückgebliebene  Theil  war  aber  jeden- 
falls rein  thrakisch. 

An  diese  Treren  schliessen  sich  die  Trallen  an,  welche 
gleichfalls  ausgedehnte  Wanderungen  unternommen  haben.  Sie 
waren  gleichzeitig  oder  kurze  Zeit  nach  den  Treren  ausgezogen 
und  wandten  sich  dem  illjTischen  Westen  zu,  wo  sie  die  phry- 
gischen  Stämme  Emathia's  auseinander  warfen;  denn  wir  finden 
TpaXXet;  oder  TpaXXeTi;,  TpiXXot  oder  TpolXXtot  hart  im  Rücken 
der  Brygen  —  die  Trallen  als  den  treibenden,  die  Brygen  als 
den  geschobenen  Theil.  Es  gab  an  der  Grenze  des  make- 
donischen Stammlandes  eine  Landschaft  TpaXXtxi^  oder  TpaXXCa  • 
fxoTpa  -rij;  'IXXupiac;  (St.  B.).  Theopomp  war  in  der  Lage,  trallische 
Ortschaften  anzuführen :  Byjyi?  *  fxoipa  xal  7t6Xi?  xwv  ev  IXXupb 
TpoXXewv,  und  B6Xoupo?  •  fxoTpa  yjxi  xöXt?  töv  h  'IXXopia  TpaXXsuv 
(St.  B.).  Wenn  BöXoupo(;  zugleich  eine  icoXi?  Ö6CTtpü)T(a<;  war,  so 
schliessen  wir  daraus,  dass  die  Trallen  in  der  Verfolgung  der 
Brygen  bis  nach  Epirus  gelangt  waren.  Wie  eng  das  Thrakische 
mit  dem  Armenischen  zusammenhieng,  ersehen  wir  daraus,  dass 
sich  der  Name  B6Xoüpo;  (aus  BöXFopo;,  gebildet  wie  ß6pßopo(;)  aufs 
beste  aus  armen,  bolor  ,rund;  Runde,  Umkreis'  und  blur  (gen. 
blroj)  ,runde  Anhöhe,  tumulus'  erklärt,  von  einer  Wurzel  bhel : 
bhol  ,8chwellen,  sich  ballen';  gr.  ßoXßo^  ,Zwiebel'  (aus  ßoXPd?, 
vgl.  Ut.  bulwis  ,KartoflFel,  Bolle')  mag  aus  einem  nördlichen 
Dialekt  stammen.     Nur  ihrer  geographischen  Stellung  wegen 


Die  alten  Thraker.  I.  57 

werden  diese  TraUen  den  ülyriem  zugewiesen  (Liv.  XXVII 
32,  4;  XXXI  35,  1  TRALLES  Dlyriomm  genus);  sie  bUdeten 
ein  starkes  Contingent  im  makedonischen  Heere.  Die  thrakische 
Abstammung  ergibt  sich  aus  der  Namensform,  einem  Derivat 
oder  einer  dialektischen  Aussprache  des  Thema  trär-;  in  echt 
thrakischen  Personennamen  werden  wir  dem  Element  -TpiXr)!;, 
-tralis  ,nährend,  züchtend^  häufig  begegnen.  —  Eüne  zweite  Ab- 
theilung der  Trallen  finden  wir  im  Berggebiet  zu  beiden  Seiten 
des  Nestos.  Als  Agesilaos  aus  Asien  heimkehrte  (394),  stiess  er 
im  Gebiete  der  Pässe  auf  TpaXXsi;  (var.  TpwaSei?),  Plut.  Ages.  16, 
apophthegm.  Lac.  42.  Am  Südabhang  der  Rhodope  finden  wir 
noch  in  später  Zeit  eine  Gegend  und  Veste  BiXXoupo;,  BöXepo;.  — 
Trallen  waren  endlich,  als  Nachzügler  der  Treren  oder  als 
Waffengenossen  der  Thynen,  nach  Asien  gewandert.  Eine 
ihrer  Ansiedlungen  am  astakenischen  Golf  hiess  TpdXXiov,  deren 
Bewohner  TpaXXioi  (St.  B.).  Auf  lydischen  Boden,  zwischen 
der  Messogis  und  dem  Maiandros  lag  die  uralte  ,pelasgi8che', 
von  Lelegem,  Minyem  und  Karcm  bewohnte  Veste  Aipiaot, 
welche,  seitdem  sich  dort  thrakische  Trallier  angesiedelt  hatten 
(Strabo  p.  649),  den  Namen  TpoXXe^  oder  TpiXXi?  führte;  mit 
den  Tralliem  wanderte  auch  die  thrakische  Sage  von  den 
,Fäustlingen^  (s.  d.  Glosse  xairoüljot)  und  Kranichen  zu  den 
Karem.  Das  benachbarte  Niiaa  braucht  nicht  als  eine  thrakische 
Gründung  angesehen  zu  werden,  da  der  Name  wie  der  Diony- 
soscult  den  Maionen  und  Phrygen  eigen  war;  der  phrygische 
Ort  TpaXXYj;  kann  sowohl  auf  die  Trallen  wie  auf  die  Amazone 
TpdXXa  zurückgehen.  Auxai);6c,  eine  )ui{jiYj  AuBia;;  (St.  B.),  gebildet 
wie  r«XiQ(S*6{;  oder  AaBetVot,  war  wohl  eine  maionische  Gründung; 
dagegen  dürfen  wir  auf  die  Trallen  beziehen  jene  öpaxe;  AoxoCtoi 
oder  Aoxo^Txott,  deren  Vorort  A6xo^o(;  in  Phrygien  von  Gewässern 
hinweggeschwemmt  wurde  (Xanthus  ap.  St.  B.).  Aus  den  alten 
Berührungen  der  Maionen  und  Trallen  erklärt  sich  die  Glosse 
*AöTp(xX{flr/ •  Tov  Bpaxa,  Aü$o{  (Hesych.):  der  vocaJische  Anlaut  dient 
zur  Stütze  des  Lautcomplexes  oxp-  wie  in  dTcpaX6;-6  «j/apoi;,  östraXot 
(Hesych.)  neben  lat.  stumos,  ags.  stearn  ,Staar^;  die  Maionen 
hatten  gewiss  ein  ähnhches  Wort  für  diesen  geschwätzigen 
Vogel  und  benannten  damit  die  barbarischen  Trallen,  deren 
Dialekt  ihnen  unverständlich  vorkam,  in  volks etymologischer 
Weise  oder  zum  Spott.    Zur  Zeit  der  Epigonen  finden  wir  die 


58  IV.  AbhADdlnng:    Tomasehek. 

Trauen  an  den  Höfen  als  Söldner,  Trabanten  und  Henkers- 
knechte; TpaXXeiq  *  fjL'.oöofdpoi  Bpaxs^,  ol  toc^  ^ovtxo^  XP^^  KXvjpoQvrec 
Tzapk  ToT;  ßafftXsufftv  (Hesych.).  In  dieselbe  späte  Zeit  fallen 
die  Ansiedelungen  thrakischer  Veteranen  mit  Weib  und  Kind 
auf  pisidischem  und  lykischem  Boden,  z.  B.  in  der  ^ilyas. 

Nun  wollen  wir  die  Gruppe  der  thynischen  Völker  be- 
trachten, deren  älteste  nachweisbare  Sitze  am  Strymon  lagen; 
man  kann  demnach  diese  Gruppe  auch  die  ,strymonische'  be- 
nennen. Doch  haben  wir  bereits  auseinandergesetzt,  warum 
wir  uns  Brigen  oder  Brygen,  sowie  deren  Stammesbrüder,  die 
phrygischen  Edonen,  als  Ursassen  an  diesem  Strome  zu  denken 
haben:  der  Name  STpu|jL(iv  selbst  d.  h.  ,Strom',  von  der  Wurzel 
srev  :  sru,  welche  sowohl  im  Germanischen,  Lettischen  und 
Slavischen,  als  auch  im  Phrygischen  in  der  Form  stru  auftritt, 
muss  zunächst  für  phrygisch  gelten;  vgl.  Sipüjxü)  *  Towi,  Tochter 
des  Skamandros,  die  kikonische  ItpufAY)  an  der  Mündung  des 
Atao^,  und  ZTpufxovicv,  Beiname  der  brigischen  Stadt  Mieza  am 
Ostabhang  des  Bermios.  Selbst  der  AIjao?  trägt  einen  phrygischen 
Namen.  Die  thrakischen  Strymonier  müssen  also  aus  dem 
höheren  Norden  eingewandert  sein,  in  Zeiten,  die  sich  der  Be- 
rechnung entziehen.  Das  erste  thrakische  Volk,  das  erobernd 
in  den  Süden  vordrang  und  den  Strymon  sogar  überschritt, 
waren  die  Bisalten. 

ßtaaXTott,  mit  Ausgang  wie  in  Hypsaltae,  einem  odrysischen 
Stamme  am  unteren  Hebrus,  vom  Thema  Bta-,  das  im  Thra- 
kischen mehrfach  auftritt,  werden  in  den  Genealogien  von  einem 
Heros  Bicakvrt(;  •  6  'HXiou  xat  T^;  (St.  B.)  abgeleitet,  was  auf  ein 
vorzeitliches  Auftreten  im  Lande  hinweist.  Wenn  hinzugefügt 
wird:  eor».  xal  TCOTafxb?  BidofXiTj?,  so  darf  dieser  Name  für  ein 
poetisches  Synonym  für  den  Strymon  gelten,  wie  'Htov£6<;  und 
'H5(i)v6(;.  Als  thrakisches  Eroberervolk  erweisen  sie  sich  durch 
ihre  tiefe  Einlagerung  in  die  Gruppe  der  edonischen  Stämme, 
durch  ihre  vormaligen  Einfalle  in  die  sithonische  Pallene  (Conen 
narr.  20),  durch  ihre  Erwerbung  der  mygdonischen  ILrestonike 
(Hdt.  Vin  116),  durch  ihren  Widerstand  gegen  die  paionische 
Invasion.  Sie  setzten  ihre  Einftllle  nach  Süden  und  gegen  die 
chalkidischen  Colonisten  fort,  jedoch  ohne  Erfolg,  ja  sie  ver- 
loren zahlreiche  Ortschaften,  zuletzt  auch  die  Vcste  Argilos. 
Ihr  Zusammenhang  mit  der  Akte  wurde  dadurch  unterbrochen; 


Die  alten  Thraker.  I.  59 

hier  erhoben  sich  ftlnf  Colonien  der  Andrier;  doch  war,  neben 
Edon^]}  Krestonen  und  Tyrsenen,   ein  SxXo^  ßapßapov  hi'^'kiiixxiayf 
BcoaXTtxuv  zurückgeblieben  —  neben  ihrem  thrakisch-bisaltischen 
Dialekt  war  also  bei  ihnen  auch  schon  das  Griechische  durch- 
gedrungen (Thuc.  IV  109,   Diod.  XII  68).     Dieser   thrakische 
Stamm  ^   welcher   einmal   sogar   eine   Expedition   gegen  Kardia 
unternommen  hatte  (Athen.  XII,  p.  520),   zeigt  sich  überhaupt 
sehr  bildungsfähig:   bei  ihm    drang   das  altansässige   edonische 
Element  sowie  der  griechische  Cultureinfluss  erfolgreich  durch; 
doch  zeigt  sich  einmal  ein  grausamer  Zug  im  Herrscherhause 
(Hdt.  1.  c.)  verbunden  mit  Freiheitsgefiihl.    Die  wenigen  bisal- 
tischen    Orte,   die   wir   kennen,    stammen   aus   der   edonischen 
Vorzeit,  so  namentlich  B^Bu;.   Das  Land  war  überaus  fruchtbar; 
Oel-  und  Feigenbäume  gediehen  vorzüglich  (Theop.  ap.  Athen.  III, 
p.  77,  d);  den  Hauptreichthum  bildeten  die  Metalle  im  Gebirge 
Au9Ci>po<;,  welche  vielleicht  schon  die  Edonen  ausgebeutet  hatten; 
der    makedonische  König  Alexander  I.   bemächtigte    sich    der 
Silbergruben  bald  nach  der  Schlacht  bei  Plataiai,  und  ihm  gieng 
daraus  täglich  ein  Silbertalent  ein  (Hdt.  V  17);  prächtige  Exem- 
plare  von  Silbermünzen   mit   der  Legende  ßeaaXTtxöv   und   der 
Darstellung  des  lanzenschwingenden    thrakischen   Reiters  sind 
noch   vorhanden.     Seit  PhiUpp  bUeb   die  makedonische   Herr- 
schaft unbestritten.  Als  die  Römer  das  frei  belassene  Makedonien 
in  vier  Districte  theilten  (167),   wurden  ßiaaXxfa  uaaa  |jL6T3t  t^? 
h  TV]  SivTcxi)  'HpoxXeCo^  zu  Macedonia  prima  geschlagen;   Livius 
(XLV  30,  3)  fügt  hinzu:  ,BISALTAE  fortissimi  viri  eis  Nessum 
incolnnt  et  circa  Strymonem',  und  einen  Vorzug  bildeten  ,multae 
frngum    proprietates    et    metalla   et   opportunitas    Amphipolis^ 
Doch  wird  der  Bisaltenname  seither  nicht  mehr  erwähnt;  über- 
all drang  der  Hellenismus  durch. 

Oberhalb  der  Bisalten,  zwischen  dem  paionischen  Thal- 
bezirk Doberos  und  den  Odomanten,  also  in  der  Weleä-planina 
oder  Bdlasica  (byz.  BaXaa(tCa),  am  See  Butkowo  und  bei  der 
Strumaklause  Rüpel  (byz.  Toütc^Xwv),  sass  das  thrakische  Volk 
der  StvToL  Auf  diese  Sinten,  sowie  die  benachbarten  Maiden, 
muBS  der  Ausdruck  bei  Herodot  (V  5)  ol  xoruTcepOe  KpigaTwvatwv 
6p4ae<  bezogen  werden,  denen  der  barbarische  Brauch  der 
Vielweiberei  und  Witwenschlachtung  zugeschrieben  wird.  Nam- 
haft macht  beide  Völker  zuerst  Thucydides  (H  98)  bei  Gelegen- 


60  IV.  Abhandlnng::    Tomasehek. 

heit  des  vom  Odrysenflirsten  Sitalkas  gegen  Makedonien  unter- 
nommenen Feldzuges  (429):  Sitalkas  war  vom  oberen  Hebms 
in  das  Gebiet  der  ihm  unterthänigen  Laiaier  und  Agrianen  am 
oberen  Strymon  eingerückt  und  zog  von  da  über  das  Gebirge 
RepxivY),  die  heutige  Maleäowa-planina,  hinab  in  das  paionische 
Doberos.  Er  hatte  schon  einmal  einen  Zug  gegen  die  fireioi 
Paionen  unternommen  und  sich  durch  Lichtung  der  Waldungen 
durch  das  menschenleere  Gebirge  Bahn  gebrochen.  WähröOid 
er  hinabstieg,  lag  ihm  das  Land  der  Paionen  zur  Rechten,  sor 
Linken  dagegen  das  der  Maido(,  weiter  südwärts  jenes  der 
2tvTo(.  Diese  müssen  auch  noch  den  Unterlauf  der  StrAmica 
eingenommen  haben,  d.  i.  des  Dovto?  7:oTa|jLb(;  %ep\  tyjv  twv  Sivxiv 
%a\  MatBöv  y/J^pav  t^<;  öpoxY);  (Mirab.  ausc.  115):  in  diesem  breiten 
Thalgebiete  lagen  wohl  die  Orte  napOixdrcoXe^  und  TpCffndXoq, 
welche  Ptolemaeus  der  crcpomQvCa  Sivtixt^,  zuweist;  in  der  Para- 
strymonia  lag  dagegen  'HpaxXeia,  eine  Gründung  der  make- 
donischen Könige,  zubenannt  STpufxvoö  (Hier.)  oder,  als  Vorort 
der  Sintcn,  ^Iivtixt),  SENTICA  (C.  L  VI,  Nr.  2645,  2767,  was 
auf  eine  Nebenform  Ssvtoi  für  2ivto(  hinweist),  d.  i.  die  am  west- 
lichen Ufer  der  Struma  gelegene  Ruine  Wfetrena,  kaum  aber, 
wie  SafaKk  vermuthet  hatte,  das  heutige  Demir-feifdr  (by». 
SiSiQpoxacTpov)  oder  das  bulgarische  Walowista  (byz.  BaXaßicrwt); 
diese  Veste  beherrschte  die  stryinonische  Klause,  den  Zugang 
in  die  Parorbelia  und  in  das  Thal  der  Strumica.  Die  von 
Philipp  unterworfenen  Sinten  leisteten  den  Makedonen  unter 
eigenen  Führern  Heeresfolge,  so  noch  unter  Perseus  bei  Pydna 
(175):  ab  Heraclea  ex  SINTIS  tria  milia  Threcum  liberorum 
suum  ducom  habebant  (Liv.  XLI  51,  7).  Aemilius  Paulus  liess 
durch  P.  Nasica  das  Sinterland  verheeren;  es  wurde  zu  Maoe- 
donia  I.  geschlagen ;  doch  scheinen  die  Sinten  öfter  den  Versuch 
gewagt  zu  haben,  ihre  Freiheit  zu  gewinnen,  bis  sie  von  Sulla 
(85)  zu  Paaren  getrieben  wurden;  in  der  römischen  Kaiserzeit 
bezeugen  Soldateninschriften  das  ruhige  Dasein  dieser  Pro- 
vinzialen.  Während  diese  Sinten  als  echte  Thraken  der  ge- 
schichtlichen Zeit  dastehen,  lässt  sich  dasselbe  nicht  mit  gleicher 
Sicherheit  von  den  lemnischen  Kvrie*;  der  homerischen  Hephaistos- 
sage  behaupten;  doch  könnte  die  von  uns  versuchte  Deutung 
des  Namens  von  Wurzel  kent-  ,stechen'  für  die  thrakischen 
Sinten  immerhin  gelten,   da  von  Metallgruben   auf  sintischem 


Dm  ftlten  Thnker.  I.  61 

Boden  gesprochen  wird.  In  der  Stelle  bei  Liv.  XXVI  25,  3: 
PhilippuB  Dardanorom  orbem  Sintiam,  in  Macedoniam  transitum 
Dardanis  factoram^  cepit  —  wird  wohl  finitimam  zu  lesen  sein. 
Die  MottSoi,  MAEDI,  die  nördlichen  Nachbaren  der  Sinten 
in  der  grossen  (jTpamjYWj  MaiStxt;,  MAEDICA,  bewohnten  die 
heatigen  Landschaften  Male§owo  und  Pijanec  bis  zum  Bergstock 
der  Osogow-planina  hinauf  und  bis  zur  Grenze  der  Dardaner 
bei  Kmnanowo.  Ungenau  sind  die  Nachrichten^  welche  ihre 
Südgrenze  bis  zu  den  Bisalten,  Odomanten  und  £donen  aus- 
dehnen; so  hatte  z.  B.  Dionysios  in  den  Bassarika  die  dr^pta  fOXa 
Motdii^v  neben  die  'Q8ove;  IXxeaiTweTwXoi  gesetzt  (St.  B.);  selbst 
Plinius  sagt:  Maedi  amnem  Strymonem  accolunt  dextro  latere 
ad  Bisaltas  usque  (richtiger  wäre  Sintos);  introrsus  Denseletis 
yicini  Dardanis  a  fronte  iunguntur.  Ihre  Grenze  gegen  die 
Paiooen  von  Doberos  bildete  nach  Thucydides  die  Kerkine 
oder  nach  Aristoteles  (Hist.  an.  IX  45)  to  Msoaobciov  5po^;  der 
Fluss  növTo^  durchfioss  die  Gelände  der  Paionen,  Maiden  und 
Sinten;  bei  den  Metallgruben  von  Bivai,  wo  Braunkohle  gefunden 
wurde  (s.  d.  Glossen  «j^tvo^  jjiapciieü?),  hatte  Phihpp  eine  <PiXtz- 
icouxcXi;  angelegt;  seinem  Beispiele  folgte  Alexander,  welcher 
17  Jahre  alt  (339)  die  barbarischen  Maiden  zurücktrieb  und 
eine  'AXe^ovSpowoXK;  gründete  (Plut.  Alex.  9,  St.  B.).  Livius 
(XXYI  26^  6)  bemerkt:  incursare  ea  gens  in  Macedoniam  soUta 
erat;  jedenfalls  haben  die  Maiden  den  paionischen  Stamm  der 
Agrianen  ausgerottet  oder  sich  assimilirt.  Im  Jahre  212  er- 
oberte Phihpp,  Sohn  des  Demetrius,  lamphoryna,  caput  arcem- 
que  Maedicae  (Liv.;  ^opoüv«,  Polyb.  IX.);  später  (180)  belagerte 
er  auf  der  Rückkehr  vom  Haemus  ihre  Stadt  Petra  (Liv.  XL 
21,  22).  Perseus  entbot  die  Bastamen  von  der  unteren  Donau 
EU  einem  Einfalle  tu;  Tt)v  MatJixYJv  (Diod.  XXX,  fr.  29);  Baster- 
nanim  exercitus  eonsedit  in  Maedica  circa  DESUDAVAM 
(Liv.XLIV  26,  7);  wichtig  ist  hier  das  Auftreten  des  thrakischen 
and  dakischen  Elementes  —  dava  ,Siedelung^  Echt  thrakisch 
sind  auch  die  maidischen  Eigennamen:  so  wird  den  Maiden 
Leu^TQ?  und  T(i)vaxY)(;  die  Erfindung  der  Hirtenflöte  zugeschrieben 
(Athen.  IV,  p.  184,  a).  Nachdem  Makedonien  römisch  geworden 
war  (147),  wiederholten  sich  die  Raubzüge  der  noch  frei  ge- 
Uüebenen  Maiden,  im  Verein  mit  den  Denseleten,  Dardanem 
und  Skordiskern.  In  der  Inschrift  von  Lete  (117)  ist  die  Rede 


62  IT.  Abhandlung:    Tomftieliek. 

von  einem  grossen  Einfalle  der  Skordisker^  auvciceXO^yro^  lut* 
ouToiv  TCicot  Tou  T(üv  Morficov  SuvioTou  (Aer'  5xXou  xXe(ovo(  (Rot.  arcli. 
1875,  p.  65  ff.).  In  den  folgenden  Jahren  werden  meist  nur 
Skordisker  als  Feinde  genannt,  so  unter  C.  Porcins  CSato, 
C.  Caecilius  Metellus,  M.  Minucius  Rufus;  Vulso  (97)  soll  jedoch 
Maiden  und  Dardaner  bewältigt  haben.  Wiederum  stachelte 
Mithradates  die  thrakischen  Bergstämme  zu  Einfällen  nach 
Makedonien  an,  deren  sich  der  Statthalter  C.  Sentius  nicht  zu 
erwehren  vermochte ;  nur  die  Denseleten  hielten  damals  zu 
Korn.  Die  Maiden  dagegen  verwüsteten  unter  ihrem  Fürsten 
£u>Tifxo;  und  im  Verein  mit  den  Dardanern  und  Skordiskem 
Makedonien,  drangen  in  Hellas  ein,  plünderten  und  verbrannten 
die  Tempel  von  Dodona  und  Delphi;  L.  Scipio  rieb  die  Skor- 
disker auf,  die  Maiden  und  Dardaner  bewog  er  unter  Belassung 
ihres  Raubes  zum  Rückzug,  auf  welchem  Sotimus  eine  Nieder- 
lage durch  Sentius  erlitt  (85  vgl.  Oros.  V  18,  App.  ülyr.  5, 
Plut.  Num.  9,  Cass.  Dio  etc.);  gleichzeitig  drang  L.  Cornelius 
Sulla  mit  seinem  Legaten  Hortensius  brandschatzend  in  das 
sintische  und  maidische  Land  ein,  beruhigte  die  Denseleten  und 
Dardaner,  schlug  die  Skordisker  und  die  dalmatischen  Eneter 
(Granius  35,  Eutr.  V  7,  Plut.  Sulla  53,  App.  Mithr.  55  etc.)  und 
gieng  dann  (84)  nach  Asien  über.  Bald  darauf  (78)  schlug 
App.  Claudius  die  Maiden  und  fllgte  sie,  nebst  einigen  Stämmen 
der  Rhodope,  definitiv  in  die  makedonische  Provinz  ein.  Spätere 
Zeugnisse  über  dieses  voreinst  mächtige  Volk  fehlen,  nicht 
einmal  Soldateninschriften  nennen  den  maidischen  Namen.  Als 
gebändigte  Provinzialen,  welche  im  Bereich  der  wenigen  Städte 
griechisch,  im  ausgedehnten  Berglande,  wo  sie  Viehzucht  und 
Köhlerei  trieben,  romanisch  sprachen,  waren  sie  jedenfalls  mit- 
betheiligt  an  der  Bildung  des  makedo-wlachischen  Volksthums, 
das  sich  später  im  Pindus  eine  neue  Heimat  schuf,  oder  sie 
giengen  in  den  Slowenen,  welche  das  Thal  der  Struma  und 
Brßgälnica  in  Besitz  nahmen,  spurlos  auf.  Bevor  wir  uns  ihren 
Stammesbrüdern,  den  Bithynen,  zuwenden,  sei  noch  ihrer  Nach- 
baren, der  Denseleten,  gedacht. 

AavOocXijTott  *  S6vo^  6pax(x6v  (St.  B.)  nannte  zuerst  Theopomp; 
doch  fallen  wahrscheinlich  mit  ihnen  die  bereits  von  Hecataeus 
erwähnten  AeaiXoC*  Idvo;  Opoxixöv  (St.  B.)  zusammen;  auch  meint 
sie  Herodot  mit  den  Worten  (VIII  115):   ol  (Jvw  Opi^ixs^  ol  ittpl 


Dia  alten  Thnk«r.  I.  63 

xaq  fPtrx^  Tou  SltpufAovo^  olxYjfjkdvoi,  da  er  die  Agrianen  kaum  wird 
als  Thraker  hingestellt  haben.  Sie  bewohnten  das  obere  Struma- 
thal  von  der  Osogow-planina  und  vom  Uujen  aufwärts  bis  znm 
Witoda  and  Znepolje;  ihren  Mittelpunkt  bildete  das  Becken 
von  KOstendil  oderPautaUa;  Ptolemaeus  verzeichnet  die  aTpaTif;^^*'' 
davOyjXrjTtxi^  zwischen  MaiJixif),  Beadtxi^,  SepBixi^  und  AapSovia.  Auf 
einer  Inschrift  (von  Swrlyg,  Arch.  epigr.  Mitth.  X,  p.  240,  Nr.  4) 
erscheint  ein  Strateg  AevOeXrjTix^j*;  iceBtacCo^,  wozu  wir  uns  eine 
op^trfi  als  Gegensatz  denken  müssen,  wie  denn  gleichzeitig  eine 
SijXtjttx^  ipetvij  vermerkt  wird.  —  PhiUpp  ü.  zog  (183)  et?  '0Sp6aa?, 
B^OTou^  7ta\  AevOYjXi^toü?  zu  Felde  (Polyb.  XXIII  8,  4);  zwei  Jahre 
später  besuchte  er  den  Hochgipfel  des  Haemus  (WitoSa)  und 
das  Land  der  DENTHELETI:  socii  erant,  sed  propter  inopiam 
band  secus  quam  hostium  fines  Macedoniae  populati  sunt;  ra- 
piendo  passim  villas  primum,  deinde  quosdam  etiam  vicos  eva- 
stanint;  frumento  inde  sublato  in  Maedicam  regressus  urbem 
Petram  oppugnare  est  adortus  (Liv.  XL  22).  Granius  35:  Sulla 
Dardanos  et  DENSELETAS  ceterosque,  qui  Macedoniam  vexa- 
bant,  in  deditionem  recepit.  Im  Jahre  30  v.  Chr.  hatten  die 
Bastamen  das  Land  der  Moesen,  Triballer  und  Dardaner  ge- 
pltkndert;  xoriJpafjLOv  xae  ttjv  QpaY.Tt'^  ttjv  AevOeAiQTcöv,  IvotcovSov  'Pw- 
(Mtioe;  oSooev.  Der  römische  Statthalter  von  Makedonien  leistete 
sowohl  damals  (29)  dem  blinden  Dentheletenkönig  Stra;  Hilfe, 
als  auch  im  folgenden  Jahre  (28)  bei  einem  neuen  Einfalle  der 
Bastamen  (Cass.  Dio  LI  23,  25).  Geraume  Zeit  später  (id. 
LIV  20)  hören  wir  jedoch  von  einem  Raubzuge  der  Dentheleten 
und  der  Skordisker;  seither  bUeben  sie  ruhige  Provinzialen. 
Wir  finden  Denseleten  unter  den  Legionssoldaten  an  der  Rhein- 
grenze (vgl.  Brambach  Nr.  980:  Sese  Venulae  f.  DANSALA; 
Nr.  1290:  C.  Tutius  Manii  f.  DANS.  eq.  ex  coh.  IH.  Thrac; 
als  Personenname  begegnet  DENSOLA  Drulentis  f.,  Mitth.  1891, 
p.  147,  Nr.  13).  War  DANSALA  die  echte  Singularform  zu 
Aav6otX'Y]Ta(,  so  deuten  wir  diesen  Namen  als  ,Beisser,  Bissige^ 
oder  ,Reisser*,  von  Wurzel  dak  :  dak,  skr.  da9,  daft9  (ahd.  zangar 
ybeissend,  scharf*).  Ueber  das  denseletische  Wort  midne  ,vicus^ 
werden  wir  bei  den  Glossen  handeln. 

Mai5oß(euvoi  erwähnt  Strabo  VII  3,  2,  p.  295  als  thrakisches 
Volk  neben  BtOuvot  und  OjvoCj  vgl.  Steph.  Byz.  v.  Mai5o(  •  ,ix 
ToÖTttiv    |jLeT0(ßavT6^  tive;  €{<;  (xa  pi^pY]  ta  dvrticipav  x6((A6va  tyJ^  BpoxT;; 


64  IV.  Abhaadlang:    Tomaschek. 

* 

xai)  MaxsSovia^  MaiBoßiÖJvsi  exATjÖYjaav^  Die  tbynischen  Stämme 
waren  also  vormals  Nachbaren  der  Maiden,  ein  strymonisches 
Volk,  dessen  urälteste  Heimat  über  dem  Haimos  gelegen  hatte. 
Die  bythinischen  Thraken  schildert  uns  zuerst  Herodot  (VII  7Ö) 
mit  dem  Beifügen:  ouTot  ^k  3iaßavTe<;  [kh  iq  lifjv  *Afftr|V  iytXiffiiqacci 
BiOuvoi,  Tb  §e  TcpsTspcv  exaXeovTO,  u)^  auTol  Xe^ouct,  ZTpu{Ji6viot,  oixcovra^ 
e*;?!  2iTpu(JL6v'..  e^avaarr^vae  8i  ^aai  e^  i^6e(i)v  uzb  Teuxpcov  T£  icai  Mu9ü&v. 
Ueber  diese  Teukren  und  Mysen  haben  wir  bereits  gehandelt; 
für  diese  Namen  müssen  wir  unbedingt  die  Paionen  einsetzen, 
jenes  illyrische  Volk,  das  vom  Westen  herandrängend  der 
weiteren  Ausbreitung  der  thrakischen  Eroberer  Grenzen  gesetst 
hatte;  erst  als  das  Volksthum  der  Paionen  im  Schwinden  be- 
griffen war,  konnten  die  Maiden  wiederum  hervortreten.  A113 
Herodot  zog  Hesychius  seine  Glosse:  STpüixövwi  •  ol  BiOuvoi  tö  «pi- 
Tepov.  Als  ein  strymonisches  Volk  durften  die  Bithynen  mit 
einigem  Recht  den  homerischen  Helden  'Pijao;  als  ihren  National- 
heros  feiern.  Nach  Plinius  war  SipüfjLovt^  ein  alter  Name  von 
Bithynien;  schwerer  zu  erklären  sind  die  angeblich  noch  älteren 
Beinamen  Kpov(a  und  OecraaXi;  —  sollen  sich  etwa  den  Trallen 
thessalische  Dryopen  angeschlossen  haben,  die  wir  bei  Abydos 
fanden?  Ueber  die  von  Plinius  vermerkte  Benennung 
MALLANDA,  worin  kaum  Melandia  stecken  dürfte,  wagen  wir 
eine  Vermuthung:  das  Wort  sieht  aus  wie  eine  dialektische 
Nebenform  von  Marianda,  mit  der  Bedeutung  ,Uferland'  (vgl 
sur.  marya-dä  ,Merkzeichen*  ags.  msere  engl,  mere  ,Landesgrenze, 
Mark',  von  Wurzel  m^r:  mar);  damit  hängt  wohl  der  Name 
der  phrygischen  MaptavSüvoi  zusammen,  welche  die  Küste  vom 
Sangarius  und  Hypius  bis  zum  paphlagonischen  Callichoros 
bewohnten  und  am  Lycus  Leibeigene  der  Herakleoten  waren 
—  der  orgiastische  Naturdienst,  der  sich  in  der  Sage  vom 
OpibXa;  und  im  threnetischen  ßwppLCj;  ausspricht,  sowie  die  vor- 
malige Nachbarschaft  der  Mygdonen  und  Bebryken  weist  ihnen 
phrygische  Abkunft  zu,  obwohl  sie  Einige  mit  den  thrakischen 
Thynen  (schol.  Ap.  Rh.  H  140),  Andere  mit  den  Bammeriern 
(ibid.  I  1186)  verwechselten;  allerdings  wurden  Kimmerier 
einmal  vor  Herakleia  ein  Opfer  des  Genusses  von  axcvixov 
(Eust.  ad  Dion.  per.  791,  nach  Arrian).  Dass  die  tbynischen 
Völker  hinter  den  Kimmeriern  oder  Treren  in  Asien  einzogen 
und   mit   diesen  nicht   verwediselt  werden  dürfen,   ergibt  sich 


Die  alten  Thraker.  I.  65 

ans  der  Nachricht  des  Bithynen  Arrian,  welcher  mit  der 
Geschichte  seines  Landes  wohl  vertraut  war  (Eust.  ad  Dion. 
per.  322):  6paxs<;  e^  Euptoinr]^  §(^ßT)9av  si;  Aa{av  fASta  liccTcepou  iivb^ 
i;Y6|a6vo^,  5t6  ol  RtfxfASpiot  ttjv  'Aa(av  xaTSTps/oy,  oIjc;  exßaXdvTS*;  ex 
BiOuvCo;  Ol  6paxe?  wxYjaav  outoi.  Dieser  Pataros  drang  durch  das 
Land  der  Mariandynen  bis  nach  Paphlagonien  vor,  wie  Demo- 
sthenes  in  seinen  bithynischen  Geschichten  berichtet  hatte  (St. 
B.):  nirapo^  eXwv  Da^XoYoviav  Ti'ov  Ixxiaev  xal  £x  toO  ttjjiav  ibv  Ma 
Ttov  icpooTTYopeixjcv.  Tloq  wird  jedoch  eher  eine  Giündung  der 
Mariandynen  gewesen  sein,  welche  den  Heros  TtT(a(;  verehrten 
und  bei  denen  ein  Ort  TtTo6a  hiess.  Weiter  verbreiteten  sich 
die  Bithynen  tiefer  im  Inlande,  namentlich  in  der  Thalebene 
SaX(i>v,  wo  ihr  Hauptort  ßiöuviov  (j.  Boli)  stand,  und  in  der 
Uoiacyla  des  BiXXato;,  wo  sie  Kporceta  oder  KpYjaaa  und  CEIPORA 
gründeten.  Thynen  und  Bithynen  geriethen  wie  die  Mysen 
Phrygen  und  Mariandynen  unter  die  Herrschaft  des  Kroisos 
(Hdt.  I  28),  sodann  der  Perser.  Zur  Zeit  des  Artaxerxes  H. 
scheint  sich  der  bithynische  Häuptling  AotBaXcn;;  von  den  Persern 
freigemacht  zu  haben;  nach  ihm  folgten  Bo-cetpa;  und  Ba;,  dann 
ZtiwtTrj?,  welcher  (298/7)  den  Titel  ßaaiXsu;  annahm,  zuletzt 
Nikomedes  I.  —  Viehzucht  und  Ackerbau  waren  die  Haupt- 
beschäftigung der  Bithynen;  der  Einfluss  der  phrygischen  Nation 
äussert  sich  namentlich  im  Göttercult;  seit  Nikomedes  wirkte 
das  öriechenthum  ein,  so  dass  endlich  das  thrakisch  phrygische 
Element  im  Hellenismus  aufgieng. 

Mit  den  Bithynen  waren  auch  Thynen  in  Asien  einge- 
zogen. Wir  finden  ein  Inselchen  nahe  den  ,Scheeren'  (XirjXai), 
genannt  OüvigE;  oder  Öjvyji?  (St.  B.),  die  spätere  Aa(pvoüau,  Fenosia 
der  italienischen  Seekarten,  die  heutige  Kirp^-adassi ;  das  gegen- 
überliegende Festland  vom  Flusse  'PT^^ßaq  an  bis  zur  Münde 
des  Sangarius  (Scymn.  977)  hiess  6üv(a,  ÖüvkJ  oder  0uv{(;;  es 
war  die  6uvtaxTj  öpaxiQ  der  bithynischen  Herrschaft,  in  welche 
zur  Zeit  des  Zipoites  die  Herakleoten  EinfUlle  machten 
(Memnon  17.  18);  in  der  byz.  Zeit  wurde  sie  MsaoOuvta  genannt 
(vgl.  Meffo^pu^w,  Meae/aXBiot).  Hier  gab  es  nur  kleine  Ortschaften, 
aber    die  Felder  und  Wälder  waren   ausgedehnt  und   ergiebig. 

Zurückgebliebene  Reste  der  BiOuvot  xal  öuvol  öpYJVxs;  finden 
wir  auch  auf  der  europäischen  Seite.  Strabo  XH,  p.  541 
berichtet  ausdrücklich,    dass  es  noch  zu  seiner  Zeit  in  Thrake 

Sitsongsber.  d.  phU.-hist.  Gl.  CXXVm.  Bd.  .i.  Abh.  5 


66  IV.  Abhandlung :    Tom  »ich ok. 

einen  gewissen  Stamm  Namens  BiOuvo(  gegeben  habe;  eine  Stadt 
Bt6üv{;  nennt  Pomponius  Mela  im  Flussgebiet  des  Erginos;  vgl. 
BITHENAS  (TP.,  Bithena  GR.)  m.  p.  XIII  Apris,  XIH  Moca- 
sura.  Phylarchus  berichtete  (Athen.  VI,  p.  271,6):  Bu^^ivrioe 
ouTti)  BiOuvöv  eS^o^oaav  wq  AaxsBa'.jjLÖvioi  twv  eIXcütcov.  Die  BtOuvfa  i^ 
eivt  tt;<;  6paxr^<;  izepi  SaXiAuBr^acdv  (sehol.  Ap.  Rh.  II  177)  beruht 
wohl  auf  einer  Verwechslung  mit  der  Thynias.  Oberhalb 
Perinthos  und  Selymbria  kennt  Xenophon  (An.  VII  4,  2)  xb 
0üvo)v  x£8t(jv.  Die  Gehöfte  dieser  Thynen  und  ihre  Schafhürden 
waren  rings  mit  Pfahlwerk  verschanzt;  ständig  waren  sie  von 
den  Odrysen  bedroht,  welche  hier  als  Herren  schalteten;  doch 
wehrten  sich  die  Thynen  mit  aller  List.  Xenophon  nennt  die 
6üvo(  ,die  allergefilhrhchsten  Feinde,  besonders  zur  Nachtzeit; 
sie  sollen  einstmals  den  Teres  überfallen,  viele  Odrysen  er- 
schlagen und  deren  Gepäck  erbeutet  haben^;  damals  jedoch,  als 
sie  die  Griechen  im  Auftrage  des  Seuthes  zu  züchtigen  hatten, 
waren  sie  ins  Gebirge  entflohen;  sie  trugen,  wie  die  Bithynen, 
aX(*)Tw£xit5  ezl  Tai;  xs^aXai;.  Die  eigentUche  öuvta;  war  jedoch 
das  Ufergebiet  zwischen  Salmydessos  und  ApoUonia,  wo  wir 
allerdings  auch  ältere  phrygische  Reste  gefunden  haben,  z.  B. 
die  MeXavSiTat.  Ein  thy nischer  Stamm,  die  MeX'.vo^aYOi,  hatte 
vom  Anbau  der  Hirse  seinen  Namen.  Der  Strand  bei  Salmy- 
dessos, für  die  Schiffer  gefährlich  wegen  der  Untiefen  und 
Saiiddünen  (xa  a-n^ÖY]  tou  IIcvtoü),  war  verrufen  wegen  der  Raub- 
sucht seiner  thynischen  Anwohner,  welche  die  Gestrandeten 
ausplünderten  und  erschlugen;  einer  Angabe  zufolge  sollen  sie 
nur  die  fremden  Krämer,  welche  dort  der  Geschäfte  wegen 
anlegten,  bestraft,  zufällig  Gestrandete  jedoch  gut  behandelt 
haben.  An  die  Thynias  erinnert  noch  jetzt  der  Ort  Iniädha, 
\  lav  0uvia5a.  Die  Bürger  von  Byzantion,  welche  eine  weite 
Strecke  Landes  erworben  und  die  thynischen  Bauern  leibeigen 
gemacht  hatten,  litten  oft  schwer  infolge  der  Raubsucht  der 
Odrysen;  etwa  vier  Dynasten  übten  an  der  Grenze  ihre 
^Gerechtsame^  aus:  so  oft  die  Feldfrucht  reif  war,  kamen  die 
Barbaren  heran  und  rafften  Alles  mit  sich.  Aber  noch  weit 
ärger  trieben  es  später  die  Galater  des  tylenischen  Raubstaates 
(Polyb.  IV  46).  Biöuvc(;  und  6'jv6;  heissen  mit  Recht  Brüder; 
wenn  diese  jedoch  Arrian  als  ^aiSs;  'OSpuaou  hinstellt,  so  ist 
daran  nur  die  räumliche  Nähe  Schuld.    Mit  den  Bithynen  bringt 


Die  ftlt«n  Tbnkw.  I.  67 

Äppian  (Mithr.  1)  den  Flussnamen  B.öja;  in  Zusammenhang; 
Bc6u2t  werden  auch  als  2övo;  6paxY)?  vermerkt  (St.  B.).  Der 
thrakische  Eigennamen  Bi'Oy;  oder  Bi'Ou;  kann  nur  dann  ver- 
glichen werden,  wenn  man  BiOGv  (wie  üoXtuv,  Kd:ruv  etc.)  zu- 
grunde legt;  wegen  der  öü/ot  muss  Bi-Oüvof  abgctheilt  werden; 
leider  lässt  sich  die  echte  Aussprache  von  0  nicht  ermitteln. 
Ob  0tve6^  der  Argonautensage  mit  Öjvs;  zusammenhängt,  etwa 
infolge  einer  minyischen  oder  karischen  Aussprache,  lassen  wir 
dahingestellt;  über  die  Herkunft  der  Sage  hat  Hiller  von 
Gaertringen  Nachweise  gehefert.  —  Die  thynische  Wanderung 
hat  in  Europa  noch  ein  bemcrkenswerthes  Glied  zurückgelassen, 
dort,  wo  vormals  die  Skaier  sassen. 

Es  sind  die  AcXo-ptct  oder  AoXc-ptiot,  DOLONGAE,  in  dem 
Landstriche  loXo^xti^,  d.  i.  im  Innern  des  thrakischen  Chersonnes 
bis  zum  Flusse  Melas  oder  Apsinthos.  Der  Heros  AdXofxo;, 
Sohn  des  Zeus  oder  des  Kronos  und  der  Nymphe  Thrake,  galt 
für  einen  Bruder  des  Btöuvdq  (St.  B.).  Der  Bithyne  Arrian 
(Eust.  ad  Dion.  per.  322)  venneldet  die  Sage,  Dolongkos 
habe  als  Herrscher  von  Thrake  viele  Frauen  gehabt  und  mit 
diesen  viele  Kinder  gezeugt,  und  seither  bestehe  unter  den 
Thraken  die  Sitte,  icoXXa^  Ixetv  ifuvatxaq,  ux;  av  ex  xoXXwv  roXXou^ 
E^ctev  iraTJot;.  Die  Sitte  der  Vielweiberei  herrschte  bei  allen 
strymonischen  Stämmen.  In  der  Geschichte  werden  die 
Dolongken  nur  einmal  erwähnt  (Hdt.  VI  34):  um  das  Jahr 
550  hatten  die  löXo^xot  öpiJVxe?  TciecjOevTS^  tcoX^Ijlo)  'j-nb  *A^tvöiu)v 
durch  Abgesandte  das  delphische  Orakel  befragt;  als  diese  über 
Athen  heimkehrten,  fanden  sie  im  Hause  des  Miltiades,  Sohnes 
des  Kypselos,  gastliche  Aufnahme;  Miltiades  schiffte  mit  ihnen 
zum  Chersonnes,  unterstützte  die  Barbaren  mit  Rath  und  That, 
verschanzte  die  Landenge  von  Kardia  bis  Paktye  und  gewann 
bei  ihnen  Macht  und  Grundbesitz.  Auch  den  jüngeren  Miltiades, 
Sohn  des  Kimon,  finden  wir  zur  Zeit  des  Skytheneinfalls  im 
Chersonnes;  er  hatte  zur  Frau  Hegesipyle,  die  Tochter  des 
Thrakerkönigs  Oloros;  erst  493  kehrte  er  nach  Athen  zurück.  — 
An  jenen  Abgesandten  waren  ausser  der  Barbaren tracht  die 
Äiyjxoi,  welche  sie  trugen,  auffJiUig.  Sollte  das  Wort  AcXo^xo; 
mit  Xc>Yx^<  zusammenhängen,  d.  i.  BoXcS^x^  y^ongsi^  von  der  Wurzel 
dolongh:  delegh,  gr.  lokix^c:  (£v)BeX£XT^<<;?  Es  gibt  auch  eine  Wurzel 
del:  dol  ,8palten',  woraus  die  AoXiove*;  erklärt  werden  können.  — 

5» 


68  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

Nun  gehen  wir  zu  den  Bergstämmen  des  Orbelos  und  der 
Rhodope  über,  welche  ihrer  centralen  Lage  nach  und  wegen 
ihrer  Erstreckung  bis  hart  an  die  ögäische  Küste  fllr  den 
ältesten  Theil  der  gegen  Süden  vorgerückten  thrakischen  Völker- 
weit  gelten  müssen. 

Saipai  •  eövoi;  Öpobwr;;  nannte  zuerst  Hecataeus  (St.  B.),  ebenso 
die  zu  ihnen  gehörigen  Sarpo-x^vra'  (in  Meineke's  Ausgabe  aus- 
gefallen; fr.  129  bei  C.  Müller),  ein  Vollname,  der  sich  gut 
deuten  Hesse  als  ,nach  der  Herrschaft  Strebende,  der  Herr- 
schaft sich  Erfreunde';  vgl.  arisch  käatra  ,der  herrschende  Theil 
des  Volkes,  Herrschaft'  (wie  kara  ,der  handelnde  Theil,  das 
Heer').  Es  können  ja  die  Satren  das  wehrhafte  und  kriegerische 
Element  unter  den  duschen  Thraken  gebildet  haben,  während 
die  Bossen  oder  ,Dorfbewohner'  die  eigentliche  Volksmasse 
darstellten;  man  halte  dazu  die  21iVoi  östlich  von  der  Mündung 
des  Nestos.  Leider  steht  diese  Etymologie  nicht  felsenfest  da: 
käatra  ist  eine  specifisch-arisehe  Bildung,  auch  würden  wir  im 
Thrakischen  eher  aar  erwarten  (vgl.  aar  ,König'  im  gorischen 
Dialekt  von  Harö).  Herodot  (VH  1 10)  führt  in  der  Reihe  der 
Völker,  welche  dem  Zuge  des  Xerxes  folgten,  neben  Sapaiem 
und  Edonen  die  Saipat  an,  mit  dem  Beisatz,  dass  sie  tiefer  im 
Binnenlande  wohnten,  obwohl  sie  zeitweilig,  neben  Pieren 
und  Odomanten,  im  Besitze  der  Bergwerke  am  Pangaios 
standen  (112).  Sie  waren  überhaupt  ein  grosses  und  starkes 
Volk  (111),  das  seit  Menschengedenken  seine  Freiheit  bewahrt 
hatte:  ,denn  sie  bewohnen  hohe  Gebirge,  mit  allerlei  Waldungen 
und  Schnee  überdeckt,  und  sind  gewaltig  im  Kriege;  sie  be- 
sitzen auch  das  Orakel  des  Dionysos,  welches  auf  den  höchsten 
Bergen  liegt'.  Und  doch  vci*schwindet  in  der  Folgezeit  der 
Name  der  Satrcn  gänzlich,  nur  Dior  und  Bessen  werden  genannt. 
Sobald  einmal  das  Bergland  makedonisch  und  römisch  geworden 
war,  konnte  es  auch  keine  »Herrschenden'  mehr  geben;  man 
erkennt,  dass  es  kein  echter  Volksname  war,  sondern  nur 
Bezeichnung  des  kriegerischen  Adels  unter  jenen  Völkern.  — 
Die  Aapaioi  •  eOvo;  0px/.tov,  'ExaTaToq  Eupo)-;?/)  (St.  B.),  dürfen  wohl 
mit  den  Aspcaict  verglichen  werden,  welche  Herodot  (VH  110) 
und  Thucydides  (H  101)  als  freie  Thraken  neben  Odomanten, 
Satren  und  Edonen  anführen;  die  AsppaTci  oder  Itipaioi  der 
Abderitis   (St.  B.)   dagegen   scheinen   Bewohner   der  Ortschaft 


Die  alten  Tbruker.  I.  69 

AstpiJ  gewesen  zu  sein.  Neben  den  Dersaiern  kennt  Thucydides 
sonst  nirgend  erwähnte  Apwoi.  Im  Akontisma-Passe  fanden  wir 
TpaXXst^  (cod.  TpwaBeT;).  Tiefer  in  der  Rhodope,  zwischen  den 
Sapaiern  und  Bessen,  sass  der  Stamm  der  Apiaot,  welche  der 
«rrpaTTjYC«  Apoorixii  (Ptol.)  den  Namen  gaben. 

laxaioi,  bei  Hecataeus  Saxat  •  i^oq  öpaxtov  (St.  B.,  Hesych.), 
hausten  nach  Plinius  ,ad  Mestum  amnem  et  ima  Rhodopae', 
von  den  Odomanten  und  Satren  an  bis  zu  den  Korpilen.  Wir 
finden  sie  unter  den  Völkern,  welche  dem  Zuge  des  Xerxes 
folgten  (Hdt.  VII  110).  Zur  Zeit  des  Perseus  tritt  'AßpouxoXi? 
5  loxaicov  ßaaiXeO;  als  Freund  der  Römer  und  Gegner  des  Make- 
donen,  dessen  Land  er  bis  zum  Strymon  hin  verwüstete,  hervor; 
vielleicht  war  auch  Bapaa^ä^  6  twv  QpctiM!)'*  ßaaiXeOi;,  zu  welchem 
Andriskos  geflohen  war  (Diod.  fr.  H.  Gr.  11,  p.  XV),  ein  Sapaier. 
Im  Bürgerkrieg  zwischen  Brutus -Cassius  und  Antonius -Octa- 
vianas  stand  'PacjxouzoXK;  6  twv  SaTratwv  ßaaiXeu;  auf  Seiten  der 
Republikaner,  sein  Bruder  Taaxo;  auf  Seiten  der  Gegner  (App. 
B.  civ.  rV  87),  deren  Feldherren  den  korpilischen  Pass  und 
•ci  22xa{ü)v  dtsva  besetzt  hielten;  das  Heer  der  Republikaner 
umgieng  jedoch  die  südliche  Rhodope  (Qarlygh-dagh  und  Qyälaq- 
dagh)  oder  tb  twv  2aTca{o)v  6po<;  und  erreichte,  nachdem  jene  die 
Pässe  aufgegeben  hatten,  die  Ebene  von  Philippi.  Die  römische 
(TcpaTYjfta  ^cwcaVxT^  verzeichnet  Ptolemaeus  in  den  Vorbergen  der 
Rhodope  vom  Nestos  an  bis  zum  bistonischen  See,  an  der  West- 
seite der  Korpilen.  Ovidius  Fast.  I  389  sagt:  exta  canum  vidi 
Triviae  libare  Säpaeos;  er  meint  das  Hundeopfer  der  Hekate 
Zripuv6{a.  In  einem  Epigramm  aus  der  Tundra-Region  heisst  es 
(Ephemeris,  Athen  1884,  p.  263  fg.):  e5  KeXsiwv  xaTpwo;  avi 
SäKratxtjv  ip(ßü)Xcv;  man  könnte  daftir  22ji.aV)w^v  lesen.  Auf  den 
lat.  Inschriften  werden  Sapaier  nicht  erwähnt;  die  oben  er- 
wähnten Eigennamen  sind  echt-thrakisch.  Der  Volksname  Saxat, 
laexaioi  Hesse  sich  etwa  aus  der  Wurzel  skr.  9ap  ,schwören, 
fluchen^  deuten. 

KopxtXsi,  Kop^iXoi  oder  KopTcCXXot,  CORPILLI,  sassen  an  der 
Ostseite  der  Sapaier  in  der  oTpaTtj-fCa  KopxiXixij,  (Ptol.)  KopxtXXixi}, 
welche  vom  bistonischen  See  bis  zur  Mündung  des  Hebrus  und 
in  die  'A'^'tvOi;  (St.  B.)  hineinreichte  und  die  isolierten  östlichen 
Vorberge  der  Rhodope  (z.  B.  den  Öabb-khäne-dagh)  und  die 
Bergenge  Tempyra  (am  Bodama-(?ai*  oberhalb  Ded^-aghaö)  oder 


70  rv.  Abhandlnng:   Tomascbek. 

10L  T(ov  KopxiXwv  Gxeva  umfasste.  Längst  waren  hier  die  Kikonen 
nnd  Paiter  verschwunden  oder  in  der  griechischen  Küsten- 
bevülkerung  aufgegangen;  die  thrakischen  Korpilen  aber  waren 
aus  dem  inneren  Bergland  der  Khodopc  zur  Küste  vorgedrungen. 
Im  Jahre  188  v.  Chr.  griffen  in  der  Enge  zwischen  Kjpsela 
und  dem  Ilebrus  10.000  Thraker  aus  vier  Stämmen  den  römi- 
schen Feldhemi  ManHus  an  (Liv.  XXXVHI  40,  8):  Astii  et 
Caeni  et  Maduateni  et  CORPILl  (cod.  coreli).  Die  MADUATENI 
werden  sonst  nirgend  erwähnt;  MaBuTeiq  oder  Ma^uTtot  der  Qrie- 
chenstadt  MdSuToq  (i.  Maito)  im  Chersonnes  werden  es  nicht 
gewesen  sein,  sondern  irgend  ein  thrakischer  Bergstamm  aus 
der  Rhodope.  Als  Eigenname  findet  sich  KopxtXo^  auf  einer 
Inschrift  aus  Imbros  (Syllogos  XIII,  Anhang  S.  U,  n^  19); 
vielleicht  waren  die  von  Stephanus  (v.  "Avxupa)  erwähnten  litepicoi 
oder  Sxopwoi  Thraken.  Letztere  deuten  wir  vom  Thema  skerp-, 
kerp-  ,scheeren,  schneiden,  schlachten,  pflücken',  die  KopicTXot 
von  Wurzel  qerp-  ,wendcn,  drehen,  sich  umdrehend 

Auch  die  Tpaucc(  gehörten  ohne  Zweifel  zu  den  centralen 
Stämmen  der  Rhodope.  Livius  erwähnt  sie  als  einen  zur  Küste 
vorgedrungenen  Stamm  beim  Zuge  des  ManUus  (XXXVIII  41,6): 
aliae  angustiae  circa  Tempyra  excipiunt;  huc  ad  spem  praedae 
TRAUSI,  gens  et  ipsa  Thraecum,  convenere.  Nach  deren  Be- 
wältigung schlugen  die  Römer  ihr  Lager  bei  XiXt)  auf.  Von 
diesen  Montagnards  erzählte  sich  das  Alterthum  einen  auf- 
fallenden Brauch  (Hdt.  V  3.  4;  Hesych.  v.  TpoOffo^,  N.  c.  Damasc. 
de  moribus  v.  Tpaixjiavoi) :  ,den  Neugeborenen  bejammern  die 
Verwandten  wegen  aller  jener  Übel,  die  er  von  nun  an  zu  er- 
dulden hat,  wobei  sie  alle  menschlichen  Leiden  aufzählen;  den 
Hingeschiedenen  aber  begraben  sie  mit  Jubel  und  Freude, 
wobei  sie  anfüliren,  wie  er  nun,  von  all  den  Übeln  erlöst,  in 
voller  Seügkeit  lebe'.  Ausser  der  Vorstellung  von  einem  Jen- 
seits finden  wir  hier  den  Ausdruck  der  vollen  Energielosigkeit 
und  Faulheit,  welche  das  Loswerden  von  angestrengter  Arbeit 
für  das  höchste  Glück  hält  (vgl.  Lobeck  Aglaoph.  801  ff.);  gewiss 
waren  diese  Trausen  weder  fleissige  Landleute  noch  strebsame 
Handwerker,  sondern  armselige  xaXüßTxaC  tivs^  vjxI  Xuicpoßioi,  wie 
Strabo  von  den  Bessen  bemerkt.  Hesychius  bezeichnet  die 
Trausen  als  lövo^  SkuOixöv,  was  nicht  viel  bedeuten  will;  wenn 
wir  jedoch  bei  ^Stephanus  die  Notiz  finden:  Tpauaoi  •  lOvo^  o\ki  cl 


Die  alten  Thraker.  I.  71 

'E/vXyjVc;  'AvaO-jpacu;  JvcfjiaCöy^i,  so  erkennen  wir  darin  den  echten 
nationalen  Namen  jenes  nordischen  Volkes,  das  die  Skoloten 
mit  einem  skoptischen  Vorsehlag  'Afi-Öjp^oi  benannten;  wie  alle 
Thraken,  so  waren  auch  die  Trausen  aus  dem  Karpatenwall 
gekommen.  Mit  dem  Flussnamen  STpaOo;  (von  Wurzel  streu: 
stru  p§to))  des  Biston enland es,  dem  heutigen  Quru-c^ai,  haben 
die  Trausen  nichts  gemein;  ihr  Name  erklärt  sich  vielmehr 
von  einem  Thema  tröu-9,  trau-k  (vgl.  xpö/o),  trucido,  xpaö-ixa) 
und  aus  der  Wurzel  teru :  tru  (TpO)  ,aufreiben,  durchbrechen, 
entzweireissen,  verwundend 

Die  AXoi,  d.  h.  die  ,Göttlichen,  die  Gottesdiener',  erscheinen 
als  eines  der  ursprünglichsten  und  namhaftesten  Völker-  der 
Rhodope.  Als  Sitalkas  gegen  die  Makedonen  auszog  (429),  ent- 
bot er  ausser  den  Geten  viele  von  den  unabhängigen  Thraken, 
welche  grösstentheils  die  Rhodope  bewohnen  und  Ab»,  genannt 
werden,  zu  den  Waflfen;  die  Einen  gewann  er  durch  Gold, 
Andere  schlössen  sich  ihm  freiwillig  in  Hoffnung  auf  reiche 
Beute  an'  (Thucyd.  II  96).  An  anderer  Stelle  (VII  27)  spricht 
Thucydides  von  Spoxe;  tou  Aiay.cu  y£vou^,  woraus  Cassius  Dio 
(LXVII  6)  Toj  Aaxtxoü  ^^ou;  und  Vorväter  der  Daken  gemacht 
hat:  ,im  Sommer  des  19.  Jahres  (412)  kamen  von  den  mit 
Schwertern  bewaffneten  (ixa/aipccöpci)  Thraken  des  duschen 
Stammes  1300  Peltasten  nach  Athen ;  jeder  erhielt  täglich 
eine  Drachme  als  Sold.  Da  sie  zu  spät  anlangten,  wurden 
sie  zurückgeschickt;  auf  der  Fahrt  durch  den  Euripos  über- 
rumpelten sie  den  boiotischen  Mykalessos,  plünderten  und  mor- 
deten und  schlachteten  sogar  die  Kinder  in  der  Schule,  wie 
denn  die  Thraken  keinem  Barbarenvolke  an  Blutgier  nach- 
stehen; der  thebanischen  Reiterei  gegenüber  vertheidigten  sie 
sich  nicht  übel,  indem  sie  nach  ihrem  heimatlichen  Brauche 
aus  Reih  und  Glied  vorgiengen  und  sich  wiederum  in  Ord- 
nung sammelten.'  Der  Besitz  von  eisernen  Schwertern  er- 
weist metallurgische  Technik,  wie  sie  die  Bessen  seit  Alters 
übten.  Noch  einmal  erscheinen  DU  neben  Odrysen  und  Koila- 
leten  als  Vertheidiger  der  nationalen  Freiheit  wider  die  Römer 
unter  Kaiser  Tiberius  (Tac.  Ann.  IV  46 — 51)  in  den  Jahren 
21 — 26;  der  Aufstand  wurde  lihitiir  unterdrückt,  die  Rebellcn- 
fuhrcr  Tarsas,  Turcsis  und  Dini^i  stürzten  sich  todesnmthig  in 
ihre  Schwerter. 


72  IV.  Abhandlung:    Tomascbek. 

DIOBESSI  nennt  Plinius  unter  den  hessischen  Stämmen 
am  Mestus  und  in  der  Rhodope;  dieses  \hezeichnende  Compo- 
situm, gehildet  wie  die  hessischen  Eigennamen  Dio-scuthes,  Dia- 
zenus  (=  Aiov^vr^;),  Deo-spor  (auch  das  Simplex  Aic^  und  Moq 
findet  sich  öfter  bezeugt),  erweist  die  innige  Verbindung  des 
hessischen  Stammes  mit  den  Diern,  welche  die  Stelle  der  hero- 
doteischen  Satren  einnehmen.  Wir  fügen  hier  die  übrigen 
Stämme  an,  welche  zur  bessischen  Nation  oder  zum  duschen 
Stamme  zu  gehören  scheinen.  Der  Apoaot  haben  wir  bereits 
gedacht.  Aiaopai  vermerkte  Ilecataeus  als  eövo^  öpaxtcv  (St.  B.): 
sie  gehörten  kaum  in  das  bisaltische  5po<;  Ajawpov,  sondern  zu 
den  Bessen,  bei  denen  wir  Aefoopo«;  als  Eigennamen  vorfinden 
(Inschr.  v.  Batkun,  Dumont  p.  13,  n^  23).  Bpwat,  BRISAE, 
führt  Plinius  unter  den  bessischen  Sonderstämmen  an;  vgl.  den 
bessischen  Eigennamen  Dentu-brisa.  Oberhalb  der  Sapaier 
Sassen  ferner  die  'AXy)to(,  HALETI  (Plin.);  an  die  Diobessen 
schlössen  sich  ostwärts  die  CARBILESI  an,  und  bis  zum  Hebrus 
reichten  die  den  Coelaletae  minores  benachbarten  CARBILETAE 
(Plin.);  diese  bewohnten  vielleicht  ein  entholztes  Hügelgebiet, 
da  sich  der  Name  auf  die  Wurzel  (s)krebh :  krbh  ,dörren,  ver- 
trocknen lassen^  zurückführen  lässt.  Plinius  setzt  femer  in  die 
nördliche  Rhodope  SIALETAE  an;  als  unter  Kaiser  Augustos 
der  Dionysospriester  Vologaises  den  bessischen  Aufstand  an- 
zettelte (13 — 11  V.  Chr.),  schlössen  sich  den  nach  Makedonien 
eingefallenen  Bessen  auch  ol  SiaXetai  an;  Bessen  und  Sialeten 
wurden  sodann  von  dem  Statthalter  Moesiens  L.  Calpurnius 
Piso  unterworfen  (Cass.  Dio  LIV  34).  Nun  wollen  wir  die  Ge- 
schicke der  Bessen  selbst  ausflihrUcher  betrachten,  weil  gerade 
dieses  thrakische  Centralvolk  an  der  Bildung  des  ostromanischen 
oder  ,wlachischen'  Volksthums  in  hervorragendster  Weise  be- 
theiligt war. 

Btjaaoi  waren  nach  Herodot  (VII  111)  ein  Stamm  oder 
eine  Volksabtheilung  der  Satren,  welche  die  heiligen  Handlungen 
im  Dionysosorakel  versah ;  eine  Weissagepriesterin,  wie  in  Delphi, 
gab  die  bunten  Sprüche.  Dürfen  wir  die  Bessen  darum  als 
blosse  Tempcldiener  fassen?  Ist's  nicht  vielmehr  wahrschein- 
licher, dass  sie  im  Gegensatze  zu  dem  rein-thrakischen  Klriegs- 
adel  der  Satren  Angehörige  der  grossen  Volksmasse  darstellen, 
welche  sich  mit  den  im  Orbelos  und  in  der  Rhodope  altansässigen 


Die  alten  Thraker.  I.  73 

und  alle  Culturarbeiten  verrichtenden  phrygischen  Stämmen 
gemischt  hatte?  Von  diesen  phrygischen  oder  edonischen  Ueber- 
resten  war  auch  der  Dionysoscult  auf  die  Thraken  überge- 
gangen ;  eben  darum  verrichteten  gerade  hessische  Priester  den 
Tempeldienst.  Neben  Btjoaoi  (so  nach  Herodian)  oder,  wie  auch 
betont  wird  (zuletzt  bei  Eust.  zu  B  532),  Byjaaoi  finden  sich 
später  die  Formen  Biaoot  (vgl.  Becxao«;  6  fla'wv  Plut.  Mor.  p.  669) 
und  Becot  (in  byz.  Zeit) ;  auf  lat.  Inschriften  ausser  dem  üblichen 
Bessus  auch  BESUS  (C.  I.  UI  n^  558.  6109  VI  n«  26D9)  und 
VESÜS  (XIV  n«  234,  wie  Vitus  neben  Bitus,  BMü;).  Im  Ein- 
klang zu  der  oben  vermutheten  Deutung  der  SäTpai  könnten 
wir,  unter  der  Annahme,  dass  Byjaaot  aus  BeTaaoi,  Betaioi,  d.  i. 
Hiaiot  entstanden,  den  Namen  mit  ,Orts-  oder  Dorfbewohner, 
Clangenossen,  oixeToi'  oder  ,Gefolgemänner,  Dienstleute,  Hörige' 
übersetzen,  von  der  Wurzel  veik,  vei9:  vi9  ,eintreten,  sich 
niederlassen';  vgl.  skr.  ve9jis  ,Nachbar,  Clangenosse,  Dienstmann', 
ve9ia  ,Nachbarschaft,  Hörigkeit',  lit.  we§-pats  ,Gauvorstand, 
Hausherr'  etc.  Dabei  bemerken  wir  aber  ausdrücklich,  dass 
wir  nicht  an  jenen  strengen  Kastenunterschied  denken,  wie  er 
sich  bei  den  indischen  Ariern  zwischen  den  Käatriya  und 
Vai9ya  herausgebildet  hat  (Zimmer,  Altindisches  Leben  S.  187, 
193.  213).  Auch  an  und  für  sich,  ohne  Hinzutritt  einer  altan- 
sässigen Volksschicht,  konnten  sich  thrakische  Stämme  ,Clan- 
genossen'  benennen,  namentUch  in  der  Nachbarschaft  fremd- 
sprachiger Völker;  wir  finden  darum  Bessen  oder,  wie  die  ent- 
sprechende Form  im  dakischen  Dialekt  lautet,  Bicajoi  schon  in 
der  Urheimat  der  Thraken,  im  Karpatenwall,  wo  sie  Ptole- 
maeus  zwischen  den  Quellen  der  Theiss  und  der  Weichsel  an- 
setzt, nachdem  sie  von  den  lazygen  aus  der  Ebene  ins  Gebirge 
waren  verdrängt  worden.  Als  Volk  hatte  sich  die  Bessen  jeden- 
falls Hippokrates  gedacht,  wenn  er  von  einer  Heilpflanze  ßr^aaiaxi^ 
sprach;  vgl.  Galeni  Lex.  (XIX,  p.  88):  it  iiio  Brj^aüiv  tojv  ev  öpaxYj. 
Ihre  Bedeutung  als  Volk  tritt  in  der  Geschichte  immer  stärker 
hervor. 

Bessen  waren  jene  'OpßijXtoi,  welche  Philipp  mit  Anwendung 
barbarischer  Mittel  unterworfen  hat  (Polyaen.  IV  2,  16),  ferner 
jene  öpajce;  ol  aux^vo|xoi,  welche  sich  dem  Alexander  auf  seinem 
TribaUerzuge  am  Eingange  zur  Haemuspassage  innerhalb  einer 
Wagenburg   verschanzt    entgegenstellten    (Arr.    An.    I    1,  16). 


74  IV.  Abhandlang:    Tomaschek. 

Oft  ist  die  Rede  von  ,Bes8en  der  vier  Cantone',  Tizpac/tüpizai  o\ 
Bijaffoc  oder  TexoaxwfjLoi  (St.  B.);  Strabo  (VII,  p.  318)  schildert 
die  Bsacoi,  ot  to  xX^ov  toü  5pou;  v£[jLo^;Ta'.  tcu  Atpiou,  die  aber 
ausserdem  (fr.  48)  im  Bergland  am  Oberlauf  des  Hebrus  sassen, 
als  das  wildeste  unter  allen  thrakischen- Völkern,  als  xaXußiTaC 
Tive;  xai  Xiwpoßtot,  als  Leute,  die  sogar  von  den  benachbarten 
Raubstämmen  den  Titel  ,Räuber'  erhielten.  Philipp,  Sohn  des 
Demetrius,  zog  (183)  mitten  durch  die  Rhodope  si<;  'O^puca^, 
Be^aou;  xat  AevÖTQXiQTou;  und  erreichte  Philippopolis  (Polyb.  XXIII 
8,  4  Liv.  XXXIX  53,  12);  die  daselbst  zurückgelassene  Be- 
satzung wurde  jedoch  von  den  Thrakern  verjagt.  Sie  beun- 
ruhigten wiederholt  die  makedonische  Provinz;  die  römischen 
Truppen  kämpften  nicht  immer  mit  Erfolg.  Erst  M.  Terentius 
Varro  LucuUus,  der  Bruder  des  L.  Licinius  Lucnllus,  dem 
Makedonien  durchs  Loos  zugefallen  war  (73),  drang  erfolgreich 
in  das  hessische  Bergland  ein,  wahrscheinlich  unterstützt  von 
den  Odrysen,  deren  Gebiet  die  Bessen  besetzt  hatten;  er  schlug 
die  Bessen  in  einer  grossen  Schlacht  im  Haemus  und  veijagte 
sie  aus  Uscudama  (Hadrianopolis)  und  Cabyle  (Eutr.  VI  10; 
vgl.  Amm.  Marc.  XXVU  4,  11:  Lucullus  cum  durissima  gente 
Bessorum  conflixit  omnium  primus);  dann  wandte  er  sich  gegen 
die  Geten  und  Moesen.  Wir  finden  dann  (60)  den  C.  Octavius, 
Vater  des  Augustus,  im  Kampfe  mit  Bessen  und  Thraken 
(Suet.  Oct.  3);  derselbe  besuchte  auch  das  dionysische  Orakel 
(id.  54).  Der  Statthalter  L.  Calpurnius  Piso  (57.  56)  begünstigte 
die  Odrysen  auf  jede  Weise  zum  Nachtheil  der  Bessen,  deren 
Häuptling  RABOCENTUS  von  ihm  ohne  Verhör  getödtet  wurde 
(Cicero  in  Pis.  34,  84).  Im  Bürgerkriege  (48)  stellten  die  Bessen 
dem  Pompeius  Hilfstruppen,  theils  auf  Befehl  und  Bitten,  theils 
gegen  Sold  (Caes.,  B.  civ.  IH  4).  Nach  Caesar's  Ermordung 
schaltete  Brutus  (43)  mit  voller  Autorität  in  Makedonien  und 
züchtigte  die  BTjaao^  für  ihre  Räubereien  (Cass.  Dio  XLVII  25). 
Unter  Augustus  (28)  unterwarf  M.  Licinius  Crassus  die  Grenz- 
vülker  Makedoniens,  unterstützt  von  den  Odrysen,  denen  er 
zum  Lohne  den  Tempelbezirk  des  Dionysos  zuwies,  ai^sX6ii.t'fo^ 
Br^aaoy^  tou;  XÄTe/ovTa^  ttjv  x^P^j  ^^  7)  **•  "^^'^  ^^®^  ar^dWoDoi  (Cass. 
Dio  LI  25).  Zur  Zeit  des  pannonisch-delmatischen  Aufstandes 
erhob  sich  (13)  OüoXofaicTj;  öpaj  Bf^aao;,  Upsü;  toj  izap*  auTOt;  Atoyjcou, 
wider  die  Odrysen,  tödtete  den  Rhcskuporis,  Sohn  des  Kotys  IV., 


Die  alten  Thraker.  I.  75 

und  vertrieb  den  Regenten  Rhoimetalkas ;  M.  LoUius  brachte 
ihm  zwar  eine  Schlappe  bei,  doch  der  Aufstand  verbreitete 
sich  immer  weiter,  und  die  Bessen  wurden  immer  übermüthiger. 
Da  erhielt  der  Statthalter  von  Moesien,  L.  Calpurnius  Piso, 
von  Augustus  mit  geheimen  Mandaten  betraut  (Scneca  ep.  XII 

1,  14),  das  Commando  und  setzte  sich,  wie  ein  Dichter  sagt, 
die  makedonische  xauaia  auf  (Antipater,  AP.  VI  335);  er  schlug 
die  von  einem  Raubzug  heimkehrenden  Bessen  aufs  Haupt  und 
warf  die  Sialeten  nieder  (Cass.  Dio  LIV  34);  nach  vielen 
Kämpfen  wurde  (11)  der  Aufstand  bewältigt  und  dem  Piso  der 
Triumph  zuerkannt.  Damals  feierte  der  Dichter  Antipatros 
TrjV  xaTanwj'.v  twv  Bsaacljv  (AP.  IX  428):  aei^u)  B*  i/no  aot  JeSjAYifxevov 
WpeT,  Beaawv  etc.  Florus  erzählt:  Thraces  a  L.  Pisone  perdomiti 
in  ipsa  captivitate  rabiem  ostendere,  catenas  morsibus  tempta- 
bant!  Bei  Appian  (Illyr.  16)  sind  die  Beaaoi  irrthümlich  unter 
die  dalmatischen  Völker  gerathen. 

Die  Bscjffixij  wurde  als  grosse  Strategie  eingerichtet,  die 
wahrscheinlich  mehrere  Unter-Strategien  ümfasste ;  ringsum  lagen 
die  MaiBtx/|,  AovÖeXrjTtxii,  SspSixi^,  OuaBtxt;aiXT^^,  SsXXtqtixt^,  KotXaXyjTix^ 
DBpüdixi^,  Bsvvixii,  LanuaVxTQ  und  ApoatxiiJ.  Hauptmarkt  der  Bessen 
war  der  Ort  BESSA  PARA,  Ousao67;apov  bei  Prokop,  am  oberen 
Hebrus,  die  heutige  Eisenbahnstation  Beäikara  südlich  von 
Bazardiik;  von  BESSA  datieren  Schreiben  römischer  Kaiser 
a.  330  (cod.  lust.  HI  93,  3  VIII  4,  5)  und  a.  340  (X  32,  21 
cod.  Theod.  XII  1,  30).  Schon  bei  Ovidius  erscheinen  die 
Bessen  als  thrakisches  Hauptvolk  neben  den  Qeten  (Trist.  IH 
10,  5  IV  1,  67).  Als  römische  Legionssoldaten  erscheinen  Bessen 
überaus  häufig  auf  den  Inschriftsteinen,  sowohl  mit  nationalen 
wie  mit  römischen  Namen  (vgl.  Mommsen,  Hermes  XIX  33  flf. 
und  die  Abhandlung  von  E.  Keil,  De  Thracum  auxiliis, 
Berlin  1885).  Obwohl  die  Thraken  dem  Seewesen  abhold  waren, 
wurden  Bessen  stark  zum  Flottendienst  herangezogen,  wie  die 
Inschriften  von  Ravenna  und  Misenum  bezeugen.  BESSICA 
wird  in  der  Eintheilung  der  Erde  in  Khmate  namentlich  hervor- 
gehoben (Plin.);  selbst  das  Compendium  des  lul.  Honorius  ver- 
gisst  nicht  auf  die  Bessi,  ebenso  wenig  lul.  Africanus,  welcher 
Qpaneq  MucioC  Beccoi  und  AapBavoi  anführt,  und  Isidorus  (Etym.  IX 

2,  89),  welcher  Daci  Bessi  Sarmatae  und  Gipedes  als  Haupt- 
völker nennt.     Noch  im  13.  Jahrhundert  hebt  Niketas,  Bischof 


76  IV.  Abhandlaug:    Tomasche k. 

von  Seres,  nach  älterer  Vorlage  FsTai  und  Beaaot  hervor  (Jahrb. 
f.  class.  Philol.  133  Bd.  S.  660).  Wir  sehen,  wie  der  hessische 
Name  das  ganze  einheimische  Volkselement  Thrake's  nmfasst 
hat.  In  der  nationalen  Sprache  hiess  HadrianopoUs  USCÜDAMA, 
PhilippopoUs  PULPUDEVA;  lordanes  erkundete,  dass  der 
Stromname  HISTER  eigentlich  der  lingua  Bessorum  angehöre. 

Ausser  Viehzucht,  Ackerbau  und  Weinbau  war  eine 
Hauptbeschäftigung  der  Bossen  die  Ausbeute  der  metallischen 
Bodenschätze  (Gold,  Silber,  Kupfer  und  besonders  Eisen) ;  über 
den  thrakischen  Bergbau  hat  Const.  Jireöek  (Arch.  epigr. 
Mitth.  X.  Bd.  S.  75—85)  gründlich  gehandelt.  Die  Geschick- 
lichkeit der  Bossen  im  Graben  von  Stollen  wurde  militärisch 
verwerthet  (Veget.  II  11,  IV  24);  überaus  häufig  ist  vom  Gold 
die  Rede,  das  die  fahlen  Bessen  aus  den  Adern  der  Erde  her- 
vorholen (Claudianus  XVII  39,  Pacati  Drepanii  Panegyricus 
Theodosio  dictus  a.  391  28;  Paulinus  Nol.  a.  398);  den  Goten, 
welche  den  Haemus  überschritten  hatten  und  (376)  bei  Hadria- 
nopel  lagerten,  zeigten  einheimische  Grubenarbeiter,  sequendamm 
auri  venarum  periti  non  pauci,  die  Wege  durchs  Gebirge  (Amm. 
Marc.  XXXI  6,  6),  wie  dies  Jahrhunderte  später  die  Wlachen 
thaten,  als  Pe6en6gen  und  Rumänen  ins  Land  einfielen.  Die 
hessischen  auri  leguli  und  metallarii  banden  sich  indess  nicht 
an  ihre  heimatliche  Scholle,  sondern  wanderten  unstet,  wie  noch 
jetzt  die  Zinzaren  und  Zigeuner  in  der  Türkei,  überallhin,  wo 
sie  Waschgold  und  metaUische  Adern  vermutheten;  um  dieses 
Vagantenthum  hintanzuhalten ,  erUessen  die  Kaiser  mitunter 
strenge  Bestimmungen,  z.  B.  (370)  Valentinianus  (cod.  Theod. 
X  19,  15)  ad  universos  per  lUyricum  et  dioecesim  Macedonicam 
provineiales,  ,ut  nemo  quemquam  THRACEM  ultra  in  possessione 
propria  putet  esse  celandum  sed  ut  singulos  potius  regredi  ad 
solum  genitale  compellant'.  Gerne  wanderte  der  hessische 
Vagant  nach  Dardania  und  in  die  erzreichen  Striche  von  Prae- 
valis,  Dalmatia  und  Moesia;  diese  Strömung  des  thrakischen 
Elementes  nach  dem  Westen  ist  beachtcnswerth. 

Ein  wichtiges  Ereigniss  war  die  Bekehrung  der  hessischen 
Montagnards  zur  Lehre  Christi;  während  alle  grösseren  Orte 
der  thrakisch-moesischen  Diöcese  christlich  waren,  hieng  die 
Landbevölkerung  noch  immer  an  iliren  heidnischen  Vorstel- 
lungen.   Da  unterzog  sich  Niketas,  Bischof  von  Remessiana^  der 


Die  ftlUn  Thraker.  I.  77 

schweren  Aufgabe ^  in  die  Bergthäler  einzudringen  und  den 
Be8sen  in  der  ihnen  bereits  durch  die  Gerichte  und  den  Militär- 
dienst geläufig  gewordenen,  wenn  auch  zur  Ungua  rustica  ent- 
arteten Sprache  Roms  die  Lehre  zu  predigen;  vgl.  Hieronymus 
ep.  60  (a.  396)  ad  HeHodorum:  BESSORUM  feritas  et  pelli- 
torum  turba  populorum,  qui  mortuorum  quondam  inferiis  homines 
inmolabant,  stridorem  suum  in  dulce  crucis  fregerunt  melos. 
Belehrend  flir  die  Culturstufe  dieses  Volkes  ist  namentlich  das 
schöne  Gedicht,  welches  der  heil.  PauKnus  von  Nola  dem  Bischöfe 
Niketas  widmete  (a.  398):  die  BESSI  erhalten  da  folgende 
Epitheta:  semper  a  hello  indomiti,  simul  terris  animisque  duri 
et  sua  nive  duriores,  more  ferarum  viventes,  latrones,  rapaces, 
in  antris  viventes  et  in  inviis  montibus  et  cruentis,  aurileguli. 
Die  Lehre  wurde  von  dem  rohen  Bergvolke  mit  Feuereifer 
ei^rifFen.  Wir  finden  seither  hessische  Mönche  in  den  Klöstern 
des  west-  und  oströmischen  Reiches.  Eine  Inschrift  aus  Vercellae 
(C.  I.  V  n^  6733)  rühmt  dem  daselbst  (ca.  460)  verstorbenen 
presbyter  Marcellinus  nach:  is  rectis  castum  gessit  sub  moribus 
aevum,  religione  pius,  BESSORUM  in  partibus  ortus.  In  der 
von  Theodoinis  aus  Petra  (ca.  536)  verfassten  Lebensbeschreibung 
des  Mönches  Theodosius  (f  529)  heisst  es:  ,dieser  erbaute  am 
Ostufer  des  Jordan  nahe  dem  todten  Meere  ein  Kloster  toö 
KouTiXi  und  darin  vier  Capellen,  eine  f\ir  die  Griechen,  ^Tepav 
Ik  Iv6a  xottoi  TTjv  ctxe^ov  •^Xöffaov  yi^o^  Beaaü)V  tü>  ikI(9T(i)  iol^  eo/i; 
flhro${8«7tv,  die  dritte  flir  die  Armenier,  die  vierte  fiir  Besessene' 
(Acta  SS.  lan.  I  p.  692,  a;  Symeon  Metaphr.  ed.  Migne  vol. 
114,  p.  505,  e).  In  den  Concilacten  a.  536  (ed.  Hard.  IL 
p.  1277,  Mansi  VII  p.  987)  findet  sich  ein  'AvBpsou;  iQYOüji.6vo^  vf^^ 
pwvTj^  Twv  BiaGcov  unterschrieben.  Nach  Jo.  Moschus  (§  157,  Cotelier 
Mon.  U  425)  und  der  Vita  S.  Sabae  (§  86,  ibid.  lU  367,  Acta  SS. 
29.  Sept.  VIII,  p.  146)  gab  es  ein  kathoUsches  Jordankloster  Soußtßa 
iwv  Bi99a)v.  Als  der  Pilger  Antoninus  von  Placentia  den  Sinai  be- 
suchte, fand  er  am  Fusse  des  Berges  ein  Kloster  und  darin 
,tres  abbates,  scientes  linguas,  hoc  est  Latinam  (in  der  Zeile 
darunter  steht  richtiger  BESSAM)  et  Graecam,  Syriacam  et 
Aegyptiacam,  vel  multos  interpretes  singularum  ünguarum'  (Itin. 
ed  Gildemeister  cap.  37).  Die  thrakische  Sprache  war  damals 
längst  verschollen;  die  Bossen  sprachen  bereits  die  limba  Ru- 
mandsca;   ftir   ihre  Pilger   gab  es   selbst  am  Sinai  Dolmetsche. 


78  IV.  Abhandlung:    Tomascbek. 

Die  seit  Theodosius  IL  schrankenlos  überhandnehmende 
Sucht,  sich  dem  beschaulichen  Leben  zu  widmen,  zog  viele 
kräftige  Leute,  welche  dem  allzeit  bedrohten  Lande  als  Krieger 
hätten  dienen  sollen,  von  dieser  Pflicht  ab.  Als  die  Slowenen- 
schaaren  fast  ganz  Illyricum  und  das  Haemusgebiet  plünderten, 
erliess  Kaiser  Mauricius  ein  strenges  Verbot  gegen  den  Eintritt 
wehrpflichtiger  Leute  in  die  Klöster,  was  den  Unmnth  des 
römischen  Bischofs  Gregorius  I.  (ep.  III  66,  VIII  5)  erregte. 
Das  oströmische  Reich  in  Europa  war  vorzugsweise  auf  die 
thrakischen  Milizen  angewiesen ;  noch  war  die  Kraft  der  Landes- 
söhnc  nicht  völlig  geschwunden.  Kaiser  Marcianus,  der  Zeit- 
genosse des  Attila,  war  ein  Thrax  von  Geburt;  sein  Nachfolger 
Leo  I.  (457 — 474)  führte  den  Beinamen  6  BYjacio;  (Malala  p.  368; 
vgl.  lordanes  de  success.:  Leo,  Bessica  ortus  progenie).  Der 
Kaiser  Anastasi  us,  ein  lUyrier,  schickte  (492)  wider  die  re- 
bellischen Isaurcr  Generäle  aus  fxsxi  ttatiJOou^  Sy.u6(ov  xai  FoTOoiij?  xäI 
BsjcTtx^^  y^v-p6q  (Malala  p.  393)  und  später  (502)  gegen  die  Perser 
orpaTiav  FötOwv  te  %ol\  Beaatov  %a}.  Ixspwv  6pax(ü)v  eOvälv.  Unter  dem 
Dardaner  lustinian  I.  begegnen  unter  den  Milizsoldaten  wieder- 
holt eingeborene  Thraken  und  Bessen,  und  Prokop  gibt  uns 
die  letzten  Belege  für  echt-bessische  Eigennamen,  z.  B.  KourCXa;, 
MapxsvTio;,  (a.  539)  BoupxdvTtoq  Tw[jLa(u)v  tk;,  Bsaab(;  "{hoq.  Unter 
Mauricius  aber  führen  alle  Führer  römische  Eigennamen,  z.  B. 
Priscus,  Castus,  Martinus,  Commentiolus,  Salvianus,  obwohl  der 
Kaiser  selbst  ,primus  ex  Graecorum  genere^  (Paul.  Diac.  III  15) 
den  Thron  bestiegen  hatte.  Das  gesammte  oströmische  Staats- 
wesen trug  durchaus  noch  römischen  Charakter  in  Recht  und 
Gericht,  im  Heerwesen  und  in  den  kirchhchen  Einrichtungen; 
erst  seit  Heraclius  tritt  der  griechische  Charakter  hervor. 
Schrieb  doch  unter  lustinian  der  Grammatiker  Priscianus  seine 
Institutiones  grammaticae,  redigierte  Trebonianus  die  berühmten 
Digesta  (530 — 533),  und  erhielten  neu  angelegte  Castelle  römische 
Namen!  Zwar  hatte  der  Kappadoke  Joannes  (ca.  540)  den 
Versuch  gewagt,  die  griechische  Sprache  ins  Amt  einzuführen, 
aber  ohne  Erfolg,  und  zwar,  wie  der  Lydier  Joannes  bemerkt 
(de  magistr.  III  68  p.  262),  Jd  io  tou<;  ttj?  Eüpwwrj;  oixi^,Topa(;  TfJ 
Tü)v  'ItäXäv  (pöeffe^iöat  ^wvfj  —  ein  schlagender  Beweis  wider  alle 
Jene,  welche  meinen,  die  thrakischen  Provinzialen  hätten 
griechisch  gesprochen.    In  der  Rhodope  und  im  Haemus  erklang 


Die  alteo  Thraker.  I.  70 

bis  auf  Heraclius  noch  überall  die  lingna  rustica  Romanisca  — 
ein  Musterbeispiel  hiefür  bieten  die  bekannten  Worte  torna, 
retoma,  fratre!  welche  (587)  ein  Soldat  auf  der  Flucht  durch 
den  Haemuspass  seinem  Cameraden  zurief.  Die  Milizen  und 
Trossknechte  bestanden  aus  Leuten  hessischer  Abkunft;  vgl. 
Laurentius  Lydus  (de  magistr.  I  47  p.  109  a.  545) :  die  Römer 
nennen  Tipcova^  tou(;  TaTcstvoü^,  6xo(o'j^  eTvai  ouiJLßÄivEt  xaO'  f|(xa;  tou? 
XsvoiJLSvoü^  Bi(jo\}qy  0^?  'Appiavb^  ev  toi;;  irepi  'AXs^avBpoü  -jrpoaYjvopeuae 
TpißaXXoj;.  Mit  Stolz  aber  nannten  sich  diese  Dessen  Romani, 
so  wie  ihre  Nachkommen  von  heute,  die  Wlachen. 

Einige  Forscher  legen  auf  die  Thatsache  grosses  Gewicht, 
dass  die  byz.  Annalen  für  die  Zeit  600 — 1000  nicht  ein  einziges 
Zeugniss  fiir  das  Dasein  des  ostromanischen  Volkselementes 
auf  der  Haemushalbinsel  enthalten.  Das  kann  aber  Niemanden 
befremden,  der  mit  der  Geschichte  jener  Zeit  vertraut  ist: 
damals  war  die  griechische  Herrschaft  in  Europa  auf  den 
ägäischen  Küstenstrich  beschränkt,  im  Inland  treten  nur  die  zu 
politischer  Obmacht  gelangten  oder  die  feindlichen  Völker  hervor, 
also  die  Bulgaren,  Slowenen,  Serben,  Ungarn  und  die  pontischen 
Steppennomaden ;  es  war  niemals  Anlass  geboten,  auf  die 
romanischen  Hörigen  des  Inlandes  Bezug  zu  nehmen.  Erst 
seit  der  Niederwerfung  des  sloweno-bulgarischen  Reiches  durch 
Basilius  II.  (1019)  stellt  sich  wiederum  eine  genauere  Kenntniss 
ein,  und  sofort  beginnen  auch  die  Zeugnisse  über  das  sporadische 
Vorhandensein  des  zu  politischer  und  ökonomischer  Ohnmacht 
verurtheilten  ostromanischen  oder  ,wlachischen^  Volkselementes 
im  Pindus,  in  Makedonien,  in  der  Rhodope,  im  Haemus,  und 
in  der  serbischen  Rasa.  Aber  weit  mehr  Gewicht  als  zufällig 
überlieferte  Chrysobullien  und  Schriftwerke  besitzen  die  wla- 
ehischen  Dialekte,  welche  die  innige  Durchdringung  der  ro- 
manischen lingua  rustica  mit  dem  slowenischen  Sprachschatz 
erweisen  und  aus  deren  romanischem  Grundstock  wir  die  socialen 
und  ökonomischen  Zustände  der  vergangenen  Culturepoche  er- 
kennen. Sogar  Ausdrücke  für  das  kirchliche  Leben  aus  der 
Zeit  des  Theodosius  IL  sind  darin  enthalten.  Ausdrücke  für 
Steuerabgaben,  für  Hantierungen  aller  Art  und  für  ökonomische 
Zustände,  wie  sie  nur  südlich  von  der  Donau,  niemals  aber  in 
der  trajanischen  Dacia,  möglich  waren,  so  dass,  wer  die  wla- 
chische    Frage   von  Grund   aus   lösen  'will,   gerade   den   roma- 


80  r7.  Abhandlang:    Tomaschek. 

nischen  Grundstock  der  Dialekte  zum  Angelpunkt  der  Unter- 
suchung machen  muss.  Im  Centrum  der  Halbinsel  war  die 
Heim-  und  Bildungsstätte  der  wlachischen  Nation;  sie  hat  sich 
von  hier  aus  in  strahlenförmigen  Zügen  nach  drei  Haupt- 
richtungen verbreitet. 

Der  byzantinische  Stratege niatiker  Joannes  aus  der  Familie 
Kekaumönos,  welcher  um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  seine 
Erlebnisse  und  Erinnerungen  aufzeichnete,  handelt  an  mehreren 
Stellen  seines  mit  Anekdoten  und  soldatischen  Kunstgriffen  aus- 
gefüllten Buches  von  den  Pinduswlachen.  Er  schildert  sie, 
ähnlich  wie  der  Reisende  Benjamin  von  Tudela  (f  1173),  als 
räuberische  Wanderhirten,  als  verschlagene  und  treulose  Leute, 
denen  der  Grieche  niemals  trauen  solle.  Dann  gibt  er  seine 
Ansicht  über  den  Ursprung  dieses  Volkes  kund  (ed.  Weselowski, 
St.  Petersb.  1881,  S.  106  fg.).  Er  erinnert  an  die  Kriege 
Trajan's  gegen  Dekebalos,  von  denen  er  offenbar  aus  Xiphilinos 
Kunde  erhielt,  und  fügt  hinzu,  dass  die  Aaxat  ihre  Sitze  in  den 
unzugänglichen  Bergstrichen  an  der  Donau  und  Sawe  hatten, 
wo  zu  seiner  Zeit  die  Serben  sässen;  von  dort  sollen  sie  sich 
allmälig  über  Makedonien,  Epeiros  und  Hellas  ergossen  haben. 
Man  sieht,  der  Stratege  hat  keine  rechte  Vorstellung  von  der 
Lage  der  trajanischen  Dacia,  gerade  so  wie  schon  lange  zuvor 
der  Chronist  Malala,  dem  zufolge  Trajan  die  Provinz  AaxCav  x^v 
wapaxoTafAiav  (Daciam  ripensem)  geschaffen  haben  soll.  Völlig 
richtig  ist  aber  seine  Bemerkung,  so  seien  denn  die  Wlachen 
von  Abstammung  die  ehemahgen  Aaxai  xat  Bäaoi,  also  die  Ro- 
manen der  Dacia  Aureliana  und  des  Haemus-  und  Rhodope- 
gebietes.  Die  Bessen  waren  zu  seiner  Zeit  bereits  verschollen; 
der  Stratege  muss  also  aus  einer  älteren,  vertrauenswürdigen 
Schrift,  worin  die  Provinzialen  der  aurelianischen  Dacia,  sowie 
das    alte   Central volk    der   Bessen    als   Vorväter   der   Wlachen 

■ 

bezeichnet  waren,  seine  überaus  wichtige  und  richtige  Kunde 
geschöpft  haben.  Doch,  kehren  wir  in  das  Alterthum  zurück! 
An  der  Ostseite  der  hessischen  Stämme,  an  den  Wasser- 
läufen des  Hebrus,  Tonzus  und  Erginias,  wohnten  die  *05p6<y«:. 
Diese  hatten  offenbar  viel  später  als  die  Rhodopestämme  ihre 
nordische  Heimat  verlassen  und  waren  über  die  leicht  gangbaren 
östHchen  Hacmuspassagen  zunächst  in  das  von  moesischen  Ar- 
takiern  besetzte  Thal  des  'ApTr;(jx6(;  oder,  wie  der  Fluss  odrysisch 


Die  ftlUn  Tbnker.  I.  81 

hiessy  des  T6vCo^  (j.  Tundia,  T§ia)  eingedrungen;  .nach  Herodot 
(IV  92)  fliesst  der  Arteskos  Jti  'OBpoaiwv.  An  der  günstig 
gelegenen  Stelle,  wo  sich  dieser  Fluss  mit  dem  Hebrus  vereinigt, 
gründeten  sie  eine  Veste,  deren  hessischer  Name  Uscudama 
lautete  und  die  2sur  Zeit  der  makedonischen  Oberherrschaft  eine 
Colonie  von  Oresten  und  Magneten  erhielt;  daher  ihr  Name 
*OpeoT(a  oder  'Opsonin,  mit  der  Vorstadt  F^wot  (St.  B.),  das 
spätere  Hadrianopolis.  Das  war  die  eigentliche  'OJpucr(a  oder 
"Odpuaoc  •  xöAu;  'OBpüawv  (St.  B.).  Als  Nebenform  für  'OJpuaat 
finden  wir  'O8p6atot  und  *OJpüaiTat,  und  es  gibt  Münzen  'OJpilJtTwv. 
Die  mygdonische  Aue  südlich  von  Daskyleion  war  durchflössen 
von  dem  Flusse  '05p6aoT)^,  der  von  Osten  her  in  den  Rhyndakos 
einmündete  (Strabo  XII,  p.  550);  leider  steht  die  Lesart  nicht 
fest,  indem  daflb*  auch  6  *POjj.o^  überliefert  steht  —  der  nahe 
liegende  Schluss,  dass  Odrysen  einst  über  den  Hellespont  gesetzt, 
wie  die  Treren  und  Bithynen,  muss  daher  fUr  unsicher  gelten. 
Im  Slawischen  begegnet  der  Flussname  Odra,  unsicheren  Ety- 
mons; auch  *'03puaa  lässt  sich  schwer  deuten:  im  Inlande  von 
Dacia  ripensis  erwähnt  Prokop  ein  Castell  'OJp(oü!^o.  Weiters 
haben  sich  die  Odrysen  den  Hebrus  aufwärts,  wo  Philipp 
4>tXtincouicoXi<  gründete,  wie  entlang  dem  Erginias  ausgebreitet, 
bis  nahe  an  Byzantion;  in  der  Gründungssage  dieser  Stadt  er- 
scheint 'OJp6oTQ(;  als  König  der  Skythen  (Hesych.  Miles.);  auch 
wird  '08p6oTQ^  von  Arrian  als  Vater  des  Thynos  und  Bithynos 
hingestellt,  nicht  nur  wegen  der  geographischen  Nähe,  sondern 
auch  weil  die  thynischen  Stämme  von  den  Odrysen  unterjocht 
wurden.  Im  Becken  des  Erginias  war  offenbar  DRUZI-PARA 
oder  Drizipara  ein  alter  Vorort  der  Odrysen;  ferner  müssen 
wir  die  "Aorai,  deren  Königsburg  BtCut;  hiess,  fllr  einen  odrysischen 
Hauptstamm  halten.  In  der  Tab.  Peut.  fijiden  wir  am  Hebrus 
Brusdorciani  verzeichnet,  d.  i.  (O)DRUS(AE)  DORCIANI  (vgl. 
den  See  Aepxo^,  oder  nach  einem  Orte  A6pxiov,  wie  es  noch  jetzt 
ein  Dorkowo  selo  an  der  C^pina  gibt?);  oder  ist  BORCIANI 
zu  lesen  (vgl.  die  Göttin  Bopxtjtöia  bei  Kanitz,  Donaubulgarien 
ni,  n^  36)?  —  Erst  seit  den  Perserzügen  tritt  der  Odrysen -Stamm 
deutlicher  hervor:  bisher  waren  die  thrakischen  Stämme  unge- 
eint  gewesen;  durch  den  Skythenzug  des  Darius  wurden  sie 
aufgerüttelt,  und  im  Hebrusbecken,  das  eine  natürhche  Einheit 
darstellt,  erhielten  die  Odrysen  die  Obmacht  über  alle  Stämme; 

Sitxongsber.  d.  phU-Mst.  Cl.  CXXVm.  Bd.  4.  Abh.  6 


82  IV.  Abhandlung:    Tomischek. 

ihr  FUrst  heisst  fortan  0piQ<xü)v  ßaiiXe6^  (Hdt.  VIII  137),  innige 
FamiKenbande  verknüpften  ihn  mit  dem  skythischen  Herrscher- 
hause (IV  80). 

Das  Gefüge   dieses  Staatswesens  lernen  wir  ans  dem  Be- 
richt  des  Thucydides  (11  29,  97)  kennen:  ,Die  Herrschaft  der 
Odrysen  hat  zuerst  Ti^ptj?  über  einen  grösseren  Theil  des  übrigen 
Thrakiens   ausgedehnt.     Sein    Sohn    ItTaXxiQ^   (431 — 424)    ver- 
grösserte  die  Macht  nach  allen  Seiten.  (Er  unternahm  Züge  gegen 
die  Paionen  und  Triballer,  sowie  jene  grosse  Ebcpedition  gegen 
Perdikkas  von  Makedonien,   die  wir  bereits  mehrfach  berührt 
haben.)  Sein  Sohn  S66ÖY3;  beherrschte  ein  Gebiet,  das  sich  von  Ab- 
dera  bis  zur  Istrosmündung,  von  Byzantion  bis  zu  den  Quellen 
des  Strymon   erstreckte.     Die   Einnahmen   in  Gold  und   Silber 
betrugen   gegen  400  attische   Silbertalente;  ausserdem  giengen 
viele   freiwillige   Gaben   ein,    Gold   und   Silber,   gestickte  und 
einfache  Zeuge,  Hausgeräthe  aller  Art.  Diese  Gaben  waren  nicht 
blos  fUr  den  König  bestimmt,   auch  die  Edelinge  wurden  damit 
bedacht.     Denn  am  Hofe   der  Odrysen  lässt  sich  nur  mit  Gte- 
schenken  etwas  erreichen;  hier  gilt  der  Grundsatz:  Nehmen  ist 
seliger  als  Geben,   und  wer  mehr  gibt,   erhält  mehr.     So  war 
denn  damals  das  Odrysenreich  das  grösste  an  baren  EinktLnften 
und   an    sonstigem   Wohlstand;    auch   die   Wehrkraft   war  be- 
deutend :  Sitalkes  brachte  ein  Heer  von  150.000  Mann  auf,  davon 
ein  Drittel  Reiter;  nur  die  Skythen  standen  in  dieser  Hinsicht 
über.*    Nach  Seuthes  Tode  verfiel  das  Reich  in  mehrere  Theil- 
gebiete;   wir  finden  drei,   vier,   einmal  sogar  fünf  Herrschaften 
neben   einander.     Wir  haben  nicht  vor,  die  verwickelten  Ver- 
hältnisse dieser  Fürstenthümer  und  die  Beziehungen   derselben 
zu  den  Griechen  und  Makedonen,  deren  König  Philipp  endlich 
Alles  unter  sich   brachte,   genau   darzulegen;   die  Werke  über 
die    demosthenische    Zeit   geben    darüber   Auskunft,    und   die 
Reihenfolge   der   odrysischen   Fürsten   hat  Ad.   Hock  (Hermes 
1891,  Bd.  26,  S.  76—117)  genau  festgestellt.     Xenophon  wirft 
interessante   Streiflichter   auf  das    raubsüchtige   Gebahren    der 
odrysischen  Fürsten;  so  wenig  waren  diese  noch  vom  Griechen- 
thum  beeinflusst,  dass  beispielsweise  Seuthes  in  seinem  Verkehr 
mit   Xenophon   stets   eines  Dolmetschen   sich   bediente.     Wenn 
die    griechischen   Schriftsteller    von   Thraken    im  Allgemeinen 
reden,  haben  sie  meist  die  Odrysen,  das  nächste  und  best  be- 


Die  alten  Thnker.  I.  83 

kannte  Volk^  vor  Augen.  Auf  Alles^  was  fUr  dieses  Voiksthnm 
charakteristisch  ist;  werden  wir  in  dem  Artikel  ^Thraken'  zurück- 
kommen. 

Nach  Alexander's  Tode  gerieth  die  makedonische  Herr- 
schaft über  Thrake  ins  Schwanken;  es  bildete  sich  ein  neues 
odrysisches  Reich  heraus.  Schon  unter  Lysimachus  sehen  wir 
den  VasallenfUrsten  Seuthes  eine  zweideutige  Rolle  spielen, 
indem  er  es  versuchte  (314/13),  den  gegen  die  Geten  kämpfenden 
Makedonen  die  Haemuspassage  zu  sperren.  Wider  die  Odrysen 
zog  noch  Philipp,  des  Demetrius  Sohn,  zu  Felde,  ohne  dauernde 
Erfolge  zu  erzielen.  Zu  den  Römern  stellte  sich  das  odrysische 
Reich  auf  den  besten  Fuss:  galt  es  doch  für  beide  Seiten,  die 
rohen  Bergstämme  in  Zaum  zu  halten;  wiederholt  suchten  die 
Odrysen  ihren  Todfeinden,  den  Bossen,  den  Vereinigungspunkt 
der  gesammten  thrakischen  Völkerwelt,  das  dionysische  Orakel, 
zu  entreissen,  und  dies  gelang  ihnen  auch  mit  Hilfe  der  Römer, 
welche  hinwieder  in  dem  odrysischen  Fürstenhause  eine  kräftige 
Stütze  für  die  Sicherung  der  makedonischen  und  mysischen 
Provinz  erhielten.  Bei  einigen  OdrysenfÜrsten  gewahren  wir 
den  EinfiuBS  hellenischer  Bildung;  tief  ins  Hebrusgebiet  drang 
die  griechische  Sprache  und  Götterwelt  ein.  Doch  reichte  der 
Eanfluss  der  von  Rom  bevormundeten  Dynasten  nicht  immer 
aus,  um  die  Freiheits-  und  Raubgelüste  der  Bergstämme  zu 
dämpfen.  Von  der  Zeit  an,  als  die  mächtig  gewordenen  Daken 
ständig  Einfälle  über  die  Donau  machten,  fieng  es  unter  diesen 
zu  gähren  an;  und  ab  gar  der  Zwang  zum  Legionendienst 
hinzutrat,  und  als  die  Landessöhne  in  alle  Welt  verschleppt 
wurden,  brach  der  Aufstand  im  Bergland  los  und  wurde  erst 
unter  Strömen  von  Blut  unterdrückt.  Thracia  wurde  endlich 
römische  Provinz  (46  n.  Chr.),  und  die  Odrysen  als  herrschendes 
Volk  verschwinden  von  der  Bildfläche.  —  Wir  führen  nun  jene 
Stämme  an,  welche  nicht  nur  räumlich,  sondern  auch  verwandt- 
schaftlich den  Odrysen  nahe  standen. 

Binoi  oder  Bivoe,  (Plin.)  BENI,  finden  wir  in  der  Nach- 
barschaft der  Korpilen  und  Odrysen  am  Unterlauf  des  Hebrus 
an  beiden  Ufern  und  im  Flachgebiet  des  untern  Erginias  sess- 
haft;  wenn  sie  etwa  bis  zur  Meeresküste  reichten,  wo  einst 
Apsinthier  sassen,  so  konnte  6  ßewixb;  x6Xwo;  (St.  B.)  den  Melas- 

busen    bezeichnet  haben;   es  gab  jedoch,   wie  man  meint,   eine 

6» 


84  r7.  AbhandloDf :    Tomas  ob«  1c. 

von  Thraken,  die  auch  in  Erythrai  erscheinen,  besiedelte,  füXij 
'E^eadov,  Namens  B6^a  oder  BsTva,  (Ew.  Beevatot);  vielleicht  liegt 
ein  Thema  ves-no,  f.  ves-na,  zugi'unde,  von  ves-  ^wesen,  weilen, 
wohnen';  an  das  gallische  Wort  benna  ,Wagensitz^,  woher  con- 
bennones,  ist  nicht  zn  denken.  Ptolemaeos  kennt  eine  thrakische 
oTpoTTjY^a  BevvtxT^.  Herodian  nannte  Biwa  oder  B^«  •  xoXi^  OpoxvK 
und  deren  Einwohner  Bewiatot;  vermuthlich  war  es  derselbe  Ort, 
der  seit  Hadrian  Plotinopolis  hiess,  das  byzantinische  AiSupioTiTxoc. 
—  In  ihrem  Gebiet,  nahe  dem  Hebrus,  erscheint  eine  x«cotx(a 
ep<iyiT^<;,  Namens  Ti|/r;XtTat  (St.  B.),  HYPSALTAE  (Plin.),  ge- 
bildet wie  Bisaltae;  wahrscheinlich  zu  sondern  von  Ku^^sXo,  Bpatra 
7c6Xi<;  (Polyaen.  IV  16),  dem  heutigen  Ipsala. 

Katvoi  •  IOvo<;  epaxtov  (Apollodorus  ap.  St.  B.),  CAENICI 
(Plin.),  Sassen  südöstlich  von  den  Odrysen,  an  den  südlichen 
Zuflüssen  des  Erginias  bis  zur  Propontis.  Unter  den  thrakischen 
Stämmen,  welche  den  Manlius  (188)  zwischen  Kypsela  und  dem 
Hebrus  überfielen,  nennt  Livius  (XXXVIII  40,  8)  auch  die 
CAENI.  Einen  echt-thrakischen  Namen  führt  An^^uXi?  6  Rocvdv 
ßaaiX66<;  (Strabo  XIII,  p.  624,  6  tÖv  epoxwv  ßaaiX66<;  Diod.  XXXIII, 
fr.  17  App.  Mithr.  6;  Diogyris  Val.  Max.  IX  2  ext.  4),  ein 
Zeitgenosse  des  Attalus  11.  (159 — 139)  und  bekannt  ob  seiner 
Grausamkeit;  er  überfiel  die  Griechenstädte  an  der  Propontis 
und  zerstörte  Lysimacheia  durch  Brand;  von  diesen  iiK8po|Aal 
handelt  eine  Inschrift  aus  Sestos  (Wiener  Studien  I  32  ff., 
Dittenberger's  Sylloge  n®  246),  wobei  der  Thaten  des  Strategen 
im  Chersonnes  Straton  gedacht  wird.  Attalus  Asiae  rex  subegit 
CAENOS  (Trog.  Pomp.  prol.  XXXVI).  Die  Römer  machten 
die  KatvwT^,  regio  CAENICA,  zu  einer  arpoTYjY^a  vf^q  BponiQ^; 
Ptolemaeus  verzeichnet  sie  östlich  von  der  Bevvtxif  bis  gegen 
Perinthos.  In  ihrem  Gebiete  lag  die  colonia  *A7cpo>^.  Ihr  Name 
könnte  die  ,Jungen,  Frischen'  (gr.  xatvo{  vgl.  skr.  kanyä  ,virgo') 
oder  auch  die  ,am  Anfang,  an  der  Küste  sesshafben'  (vgl.  slaw. 
konü  , Anfang'),  von  Wurzel  ken-  ,anfangen,  frisch  sein',  be- 
deuten; sie  fUr  tylenische  Galater  zu  halten  (vgl.  Katvb^  icoroqjiö^ 
Fluss  in  Gallia  Narbonensis)  wäre  verfehlt. 

'AiTa{,  ASTAE  oder  ASTII,  was  vielleicht  ,die  Ansässigen' 
bedeutet,  gehörten  zu  den  odrysischen  Stämmen;  ihr  Vorort 
war  Bit^üY)  •  ib  twv  'Aotwv  ßaciXetov,  arx  regum  Thraciae,  das  heutige 
Wizöh.    Der  Istrand2a-dagh,  welcher  den  Byzantinern  das  Bau- 


Die  alten  Tbnker.  I.  85 

holz  für  die  Flotte  lieferte,  benannt  nach  der  im  Quellgebiet 
des  Erginias  gelegenen  Ortschaft  Sep^evr^tov  (=  'EpYt<Jxr<  des 
Alterthums) ,  hiess  zur  Römerzeit  MONS  ASTICUS  (TP.). 
'AoTixi^  wird  neben  der  Thynias  als  x^^  Bul^avTiwv  erwähnt 
(St.  B.).  Die  römische  Strategie  ASTICA  war  wahrscheinlich 
eingetheilt  in  eine  ,obere',  welche  den  Bergzug  umfasste,  und 
eine  ,untere^,  'Aotixtj  t^  zepl  DepivOov;  letztere  findet  sich  auf  zwei 
Inschriften  erwähnt.  Neben  den  ASTII,  welche  Livius  beim  Zug 
des  Manlius  vermerkt,  gab  es  PEHASTII  (TP.):  es  sind  die 
Uidaxai  •  lOvo?  'Kpb^  tw  U6^w  (St.  B.),  östlich  vom  Bergzug;  denn 
auch  die  Thynias  wird  zur  'AaitxY)  BpoxiQ  gerechnet  (Scymn.  759); 
die  thrakische  Vorsilbe  pi-  vertritt  die  Praeposition  £ic{,  skr.  dpi, 
neupers.  pi-,  fi-  ,zu,  bei,  an'  (vgl.  die  Glosse  ici-tut)).  Zum 
letztenmale  erscheint  der  Name  Astica,  al  likai  t^^  'Aotixt)^,  bei 
Theophylactus  Simocatta  a.  584  flf. 

SofJLatot,  obwohl  nicht  ausdrücklich  als  Volk  bezeugt,  waren 
die  Insassen  der  von  Ptolemaeus  ans  mittlere  Tundra-Gebiet, 
wo  RaßuXt]  Vorort  war,  angesetzten  orpocTTjYia  "fl  SaptaiVti^.  Als 
von  den  Sapaiem  der  Rhodope  gehandelt  wurde,  fanden  wir 
eine  Inschrift  mit  av3s  SäxaVxtjv  lp(ßü)Xov,  mit  der  Variante 
£ä|Aacx-)^v.  Die  Samaier  Hessen  sich  gut  deuten  als  ,die  Ge- 
zähmten, Ruhigen,  Friedfertigen';  vgl.  skr.  9äma  ,gezähmt',  von 
Wurzel  Kem  :  kam  (gr.  xajxvw)  ,sich  mühen ,  müde  werden, 
ausruhen';  allein  wer  bürgt  daftlr,  ob  das  Wort  im  Thra- 
kischen  nicht  etwa  mit  ö  angelautet  hat?  Von  den  alten 
Skyrmiaden,  Nipsaiem,  Siren  etc.  ist  in  späterer  Zeit  nicht 
mehr  die  Rede. 

KotXaXriXai,  ein  den  Odrysen  nahe  stehendes  Volk,  nicht 
zu  verwechseln  mit  den  K^paXXoi  im  getischen  Haemus,  waren 
zur  Römerzeit  in  zwei  Abtheilungen  geschieden:  COELALETAE 
MAIORES  Haemo  subditi,  MINORES  Rhodopae  (Plin.).  Es 
gab  also  zwei  Strategien  dieses  Namens:  Ptolemaeus  fUhrt  nur 
die  eine,  im  Arda-Thal  der  Rhodope,  zwischen  den  Bessen, 
Bennen  und  Odrysen  gelegene  KotX(aX)rjTtxT^  an;  die  Tab.  Peut. 
dagegen  setzt  an  den  Südabhang  des  Haemus,  neben  die  moe- 
sische  Artacia  am  Fluss  Tonzus,  PETE  •  CoLoLETICA  d.  i. 
das  Gebiet  der  ,grossen'  Coelaletae.  Das  Element  pete  wird 
nicht  auf  die  Uavzoi  der  Hebrusmünde  bezogen  werden  dürfen; 
auch  die  dem  Haemus  benachbarten  Qetae  werden  kaum  darin 


86  rV.  AblumdloDf :    Tomatchelc. 

Stecken;  ich  glaube,  es  ist  das  thrakische  Wort  für  den  Begriff 
ygross,  ausgedehnt'  lat.  patulus,  von  Wurzel  peta-  ^ausbreiten' 
(icetovvüfjit).  Zur  Zeit  des  Tiberius  (26)  empörten  sich  wider 
den  Römerfreund  Rhoemetalcas^  welcher  die  Landessöhne  zum 
Dienst  in  den  römischen  Legionen  zwang,  ausser  den  Dii  und 
Odrysae  namentUch  die  COELALETAE  (Tac.  Ann.  IV  46); 
der  Fürst  selbst  kam  dabei  in  Lebensgefahr;  vgl.  die  Inschrift 
bei  Dumont  p.  31  n®  62,  e:  urcep  t^;  'PotjxiQTaXxoü  xai  nuOoBcdptSo^ 
ex  Tou  %axk  tov  RoiXaXrjTtxbv  xoXefjLov  xiv^uvou  ocoTTipCa^.  Allgemach 
fanden  sich  die  gebändigten  Koilaleten  in  ihr  Schicksal;  ja  sie 
zeichneten  sich  im  Kriegsdienst  aus.  So  verlieh  Kaiser  Domi- 
tianus  (86)  ein  MUitärdiplom  (C.  L  III  n«  XIV  p.  857) 
SEUTHAE  TRAIBITHI  CoLoLETICO  equiti  coh.  H.  Thracum. 
Der  Singular  lautete  COELALA,  COLOLA,  gebildet  wie 
DANSALA;  zum  Thema  Coela,  Cola  vergleicht  sich  der  Ort 
im  Chersonnes  Coela,  Cuila,  Cuela,  Culla  (so  die  Varianten  auf 
röm.  Münzen);  man  denkt  hiebei  zunächst  an  xotXo^  (xcfiXoq) 
,hohP;  möglich  wäre  auch  eine  Herleitung  von  Wurzel  qel:  qol 
,drehen,  bewegen;  sich  bewegen,  bewohnen,  weidend 

SeXXriTsq,  die  Insassen  der  weiter  westwärts  sich  an- 
schliessenden crpaiTQYta  ^eXXtqtixtq  im  mittleren  Haemus,  deren 
Vorort  KaprojSatjxov  (Ptol.)  gewesen  zu  sein  scheint,  werden 
wahrscheinlich  schon  unter  Augustus  erwähnt,  als  M.  Licinius 
Crassus  gegen  die  Grenzvölker  Makedonien's  zu  kämpfen  hatte 
(28  V.  Chr.);  nachdem  er  die  Bastarnen  verjagt  hatte,  beschloss 
er  die  moesischen  Stämme  im  westlichen  Haemus  zu  unter* 
werfen;  er  fiel  zuerst  in  Sey^tixt^  ein,  hierauf  in  die  Mjai?  (Cass. 
Dio  LI  23);  Th.  Mommsen  denkt  hiebei  an  die  2€p2txi{, 
Mtülenhoff  verbessert  SeXercxi^.  Bei  barbarischen  Wörtern  stand 
die  Schreibung  nicht  immer  fest.  Auch  die  ^XXiQTtx')^  war  in 
zwei  Theile  geschieden:  ii  ipsivi^,  welche  den  Bergzug  und  das 
Einfallsthor  in  die  Moesia,  wo  die  Station  Monte  Emno  lag,  und 
in  später  Zeit  die  Tpatavou  Tp(ßo^  vermerkt  ¥rird  (an  der  Quelle 
der  Gjopsa),  umfasste,  und  r«  iceStaoia  im  Flachland  (an  den 
Bächen  Sspfjiio^  und  ^Ap^oq?) ;  in  einer  Inschrift  von  Swrlyg 
(Arch.  epigr.  Mitth.  1886  X  p.  240  n^  4)  erscheint  ein  Stratege 
StiXt^tcxy;;  opetvfjc;.  Ob  die  Selleten  thrakischer  oder  moesischer 
Abkunft  waren  (vgl.  SeXXi^e^  TZixa\i.6(;  bei  Arisbe  in  der  Troas)^ 
lässt  sich  nicht  ermitteln. 


Die  alten  Thraker.  I.  87 

Wir  reihen  mehrere  Stämme  an,  denen  das  Element  -gero- 
(ytjpo,  gerro)   anhaftet;    dieses  hängt  wohl  mit  der  Wurzel  ger- 
,sich   einander   nähern,   sich   schaaren,   hewohnen'   zusammen; 
vgl.    drxeipta,   «T^P«,   skr.  grftma  ,Schaar,   Dorf*,  gael.  ger  ,nahe* 
etc.   —   Zwischen   Bergule   und   Hadrianopolis   verzeichnet   die 
Tab.   Peut.   BETTE-GERRI.      Weiters   erwähnt  am    mittleren 
Hebras   neben   den  Odrysen  DRU-GERI,   d.  i.  ,Bewohner   der 
Gehölze',   wie  die   slawischen  Drewljani,   von  dru,   8pü^,  ,Holz^ 
Nördlicher  von   den    hessischen  Carbiletae   sassen  nach  Plinius 
PYRO-GERI,   etwa  im  Gebiet  von  PhilippopoHs  oder  Trimon- 
tium;   die  Tab.  Peut.   setzt   die  Pyrogen   an  das  Nordufer  des 
Hebrus,    zwischen  den  Bächen  "Ap^o(;  und  Sepjjwo;,   also  in  das 
vortrefflich  angebaute,  getreidereiche  Gebiet  von  Cirpan.    Schon 
Theophrast  (de  causis  plant.  IV  11,  5)  erwähnt  den  thrakischen 
Weizen    oder  Spelt,   SpAaioq  ic^po^-^   gewiss   hat   es  in  der  thra- 
kischen Sprache  ein  dem   gr.  iz'iipoq^   slaw.   pyro,   lit.  pura  ent- 
sprechendes Wort  gegeben,   so  dass  wir  die  Pyro-geri  als  ,Be- 
wohner    der   Getreidefelder*   fassen   dürfen.     Ein   nördlich    von 
PhilippopoHs  gelegener  vicus  (C.  I.  VI  n«  2799  a.  227)   hiess 
Cuntie-gerum;  eine  mutatio  am  oberen  Hebrus  m.  p.  IX  Bessa- 
pars,   Xn  Philippopoli  hiess  Tugu-gerum  (IH.);   bei  Germane, 
dem  Geburtsort  des  Belisar,  lag  ein  Castell  'PoXki^epoii;  ebendort, 
an  der  Ostseite  des  oberen  Strymon,  zwischen  den  Bossen  und 
Dantheleten,  hauste  nach  Plinius  das  Volk  der  DI-GERRI,  also 
nordwärts  vom  Ryla;  von  den  £iiyripoi  •  Idvo^  Opoxäv  hatte  bereits 
Polybius  im  13.  Buch  berichtet  (St.  B.).     Nördlicher,  zwischen 
Dardanem,  Triballern  und  Moesen  sassen  nach  Plinius  CEILE- 
GERI,  vielleicht  ,Höhlen-  oder  Hüttenbewohner'  (vgl.  lat.  cella, 
und  thrak.  Siro-cellae,  im  Gebiete  der  Siren),  von  Wurzel  qel: 
qol  ,bergen,  sich  bergen,  hausen'. 

Endlich  müssen  wir  der  TptßaXXoC  gedenken,  deren  ältere 
Sitze  Herodot  (IV  49)  angibt:  weJCov  to  Tptß«XXtx6v,  an  der  Ver^ 
dnigung  der  Flüsse  ^Arffpo^  und  ßp6f)fo<;,  d.  i.  der  serbischen 
Morawa  (sammt  Ibar  und  Sitnica)  mit  der  Binöa-Morawa,  also 
die  Ebene  von  Niä  und  das  Feld  Dobriö;  nicht  das  Kosowo- 
polje^  wo  illyrische  Dardaner  sassen.  Nordwärts,  entlang  der 
Morawa,  reichten  sie  wohl  bis  zum  Istros;  ostwärts  schlössen 
sich  die  Tilataier  und  Treren  an  (Thuc.  II  96).  Während 
diese  dem  Sitalkas  unterthan  waren,  waren  die  Triballer  unab- 


B8  nr.  Abhandlnng:    Tomas chek. 

liäDgig;  sie  hatten  die  Angriffe  der  Odrysen  glücklich  zurück- 
gewiesen (IV  101);  der  Teiievhtj^  X690<;  cv  tyj  Opoxt)  bildete  die 
Grenzmarke  %phi;  xij  TpcßaXXcov  (St.  B.).  Dieses  Volk,  das  vor- 
einst an  •  der  Auflösung  der  moesischen  Nation  am  stärksten 
betheiligt  war,  stand  lange  mächtig  und  wehrhaft  da.  Heraclides 
Ponticus  berichtet:  die  Triballer  ziehen  in  vier  Schlachtreihen 
ins  Feld;  im  ersten  Treffen  stellen  sie  die  Schwächeren  auf, 
dann  folgen  die  Stärksten  und  Tapfersten,  hinter  diesen  bildet 
die  Reiterei  die  dritte  Reihe,  zu  allerletzt  lagern  beim  Tross 
die  Weiber,  welche  (wie  bei  Kelten  und  Germanen)  die  Männer, 
falls  diese  den  Rücken  wenden,  mit  Zurufen  zu  erneuter  Gegen- 
wehr anstacheln.  Ihre  Sitten  waren  roh;  die  Redner,  zumal 
Isocrates  (Panegyr.  89),  schildern  die  Triballer  als  wahre  Wilde, 
cu^  ^cavTe^  ^ajiv  diuoXXuvai  ou  pLovov  xou^  b^tapoM^  xat  xwq  xXi^vCov 
oixouvra^,  aXXa  x.ai  tou;;  oXXou;;  3a(«>v  Sy  e^ix^oOot  Buvcdvrai.  Aristophanes 
(Av.  1565 — 1693)  lässt  einen  ungeschlachten  TptßaXXo^  auftreten, 
in  der  Maske  eines  Barbarengottes  und  als  Prototyp  eines  thra- 
kischen  Sclaven  oder  Häschers,  welcher  das  Griechische  in 
seiner  Weise  verhunzte;  er  sagt  z.  B.  vaßaCaa  Tp£u  ftir  devaßi^ott) 
u{jia^  'TpeT;;,  oder  aau  vixa  ßocxxapt  xpo6aa  für  aol  voexo^  ßaxTv^pCci» 
xpouact),  und  xaXavt  xipauva  xal  [LV^iXa  ßactXtvau  für  xoXi^v  x^piQV  xai 
|jL6YiXiQv  ßa(jiX6(av  —  man  glaubt  einen  Skythen  oder  Perser  zu 
hören.  Aber  den  illyrischen  Stämmen  war  dieses  Barbarenvolk 
weder  gewachsen  noch  ebenbürtig,  ebei^o  wenig  den  Galatem. 
Zuerst  waren  es  die  Autariaten,  welche  über  ihre  nächsten 
Stammesgenossen,  Eneter  und  Dardaner,  sodann  über  die  Tri- 
baller, die  sich  von  den  Agrianen  bis  zum  Istros  fünfzehn 
Tagereisen  weit  erstreckten,  die  Oberherrschaft  errangen 
(Strabo  VII  p.  318);  dieses  Drängen  der  Illyrier  steht  mit  der 
Ausbreitung  der  Galater  in  den  Ostalpen  und  an  der  Adria  im 
Zusammenhang  (400 — 300).  Schon  im  Jahre  376  erschien  eine 
flüchtige  Raubschaar  von  mehr  als  30.000  Triballen  mit  Weib 
und  Kind  im  Gebiet  des  Nestos  und  drang  bis  Abdera  vor 
(Diod.  XV  36,  Aen.  Poliorc.  15);  die  Abderiten  standen  damals 
im  Kampfe  mit  den  Bürgern  von  Maroneia,  welche  sich  der 
Beihilfe  der  Triballer  bedienten;  vgl.  schol.  Aristid.  III  p.  275: 
'AßSrjp(tat(;  eßuK^^jGS  Xa^piaq  €v  6paxY}  xoXE(jiou[jt.ivo(^  uro  Mapii»v€iTd>v 
xat  TptßaXXwv,  wv  l^pye.  XaXr<?;  Chabrias  brachte  einen  günstigen 
Vertrag    zustande.     Aber    auch    am   Haemus   und   Istros  ver- 


Die  alten  Thraker.  I.  89 

breiteten  sich  die  gedrängten  Triballer  immer  weiter;  wir  hören 
sogar  von  Kämpfen  zwischen  dem  Skythenkönig  'Axeac;  und 
Schaaren  von  Triballem  (Frontin.  11  4,  20  Polyaen.  VII  44,  1). 
Als  Philipp  von  seiner  Expedition  gegen  Ateas  zurückkehrte 
(339)  y  verlegten  ihm  die  Triballer  die  Haemuspassage  und 
forderten  die  skythische  Beute  fUr  sich;  im  Gefecht  wurde 
Philipp  schwer  verwundet,  und  die  Beute  gieng  an  die  Barbaren 
verloren  (lust.  IX  3).  Da  die  Raubzüge  der  Triballer  nicht 
aufhörten,  zog  Alexander  (334)  zur  Haemuspassage  und  schlug 
die  verbündeten  Thraken;  er  verfolgte  die  Triballer,  deren 
König  £6p|jL0<;  war,  bis  zur  Einmündung  des  Baches  Au-ftvo^ 
(Cema-woda)  in  den  Istros;  Syrmos  fand  Schutz  auf  der  Donau- 
insel Peuke;  nachdem  jedoch  Alexander  die  mit  den  Triballem 
verbtkndeten  Qeten  jenseits  des  Stromes  heimgesucht  hatte, 
huldigte  ihm  Syrmos  (Arr.  An.  I  3.  4,  Aen.  15);  es  hiess 
damals  in  Athen,  Alexander  sei  im  Kampfe  mit  den  Triballem 
gefallen.  Als  Alexander  nach  Asien  zog,  standen  in  seinem 
Heere  Dlyrier,  Odrysen  und  Triballer,  5000  Mann  (Diod. 
XVII  17).  Nach  seinem  Tode  erhielten  Krateros  und  Antipater 
Makedonien,  dazu  'A^ptovo^  %ai  TpißaXXoo^  (Arr.  ap.  Phot.  bibl.). 
Die  Macht  der  Autariaten  wurde  von  den  Galatem  ge- 
brochen. Schon  um  das  Jahr  300  kämpfte  Kassander  im 
Haemus  gegen  die  Galater  (Seneca,  Nat.  quaest.  III  11);  er 
siedelte  zugleich  20.000  flüchtige  Autariatenfamilien  als  Grenz- 
wacht im  Orbelos  an  (Diod.  XX  19).  Immer  häufiger  wurden 
die  Einfalle  nach  Makedonien;  die  Dardaner,  welche  damals 
eine  starke  Macht  bildeten,  zählten  leider  ebenfalls  zu  den 
Feinden.  Eäne  grosse  Galaterschaar  unter  Kerethrios  wandte 
sieh  (280)  iwl  Opoxo?  xit  tö  eövo^  twv  TpißaXXoiv  (Paus.  X 
19,  4)  und  zog,  fugatis  Getarum  Triballorumque  copiis  (lust. 
XXV  1,  2)  zum  Nestos  und  Strymon,  wo  sie  Antigonus  Gonatas 
(277)  fast  aufrieb;  er  nahm  9000  Galater  unter  Bid^rios  in 
Sold  (Polyaen.  IV  17).  Galater  wurden  im  Bermios  angesiedelt; 
es  waren  VETTH,  gens  GalUca  beUicosa  (Liv.  XLV  30,  5). 
An  der  Morawa  hatten  sich  neue  galatische  Schaaren  unter 
BoOccvato^  festgesetzt;  diese  treten  später  unter  dem  Namen 
(illyr.  maked.)  SxopJCaxat,  (thrak.)  2xop8ujxoi  auf;  der  Weg,  den 
sie  auf  ihren  Raubzügen  nach  Süden  nahmen,  führte  entlang 
der   Morawa    (slaw.    put    Morawskyj)    und    hiess    noch    lange 


90  TV.  Abhandlung:    Ton a 8 che  1c. 

BaOavoersia  686<;  (Athen.  VI  p.  234,  b).  Sie  bedrängten  aufs 
äusserste  die  hier  ansässigen  Tri  baller ;  schaarenweise  verliesaen 
diese  ihr  Land  und  flüchteten  ins  Donaagebiet,  wo  sie  schon 
lange  heimisch  waren;  vgl.  App.  Illyr.  3:  SxopJCoxot  xaJ  TptßaXXot 
£?  ToaoüTov  aXXi^Xou;  xoXepio)  Bt^fOeipov,  ü^  Tp(ßsXXa>v  el  Tt  incoXoncov 
ijv  iq  Vexa^  uwep  ''lorpov  ^irfetv  xal  y^^o?  touto  oxfAseerav  \ki/jpi  4>(X(irxou 
TS  xal  ^AXeJavBpoü  vöv  Iprjfxov  xal  ovtovufjiov  toi?  lij^e  eTv«.  So  wurden 
auch  die  Skordisker  geschwächt;  doch  waren  sie  noch  im  Stande, 
geeint  mit  den  Resten  der  Triballer,  die  römische  Provin« 
Macedonia  ständig  zu  beunruhigen  (135 — 84),  obwohl  sie  oft 
tüchtig  geschlagen  wurden,  z.  B.  im  Jahre  110:  a  M.  Minncio 
Rufo  in  Macedonia  Scordisci  et  Triballi  victi  sunt  (Eutr.  IV  27). 
Als  unter  Augustus  Moesia  als  Provinz  eingerichtet  wurde,  gab 
es  hier  noch  Reste  der  Triballer,  an  der  Seite  der  Dardaner 
und  Moesen  (PUnius;  Cass.  Dio  LI  23.  27);  bei  Ptolemaeos 
finden  wir  sie  beschränkt  auf  den  Strich  zwischen  den  Flüssen 
Kiabros  und  Utos,  und  als  ihr  Vorort  erscheint  OToxo?  TptßatXXt&v. 
Unter  Tiberius  wird  in  der  Moesia  noch  eine  TREBALLIA 
unterschieden.  Der  Kaiser  Maximinus  (236 — 237),  ein  Thra- 
ciscus,  war  früher  Hauptmann  einer  ala  Triballorum ;  Diocletianns 
datierte  ein  Schreiben  (294,  cod.  lust.  VHI  48,  5)  TRIBALLIS. 
Das  sind  die  letzten  Spuren  ihres  Namens;  die  Byzantiner,  die 
sich  gerne  verschollener  Namen  anstatt  der  gleichzeitigen  be- 
dienten, durften  schon  wegen  der  theilweisen  Uebereinstimmang 
der  Wohnsitze  wie  des  Namens  die  slawischen  Srbljane  oder 
ZepßXoi  Triballer  benennen.  In  diesem  unstreitig  thrakischen 
Volk  wollte  V.  Hahn  vielmehr  Illyrier  erkennen;  tri-bÜl^  konnte 
nämlich  im  Elyrischen  ,dreigipfelig'  oder  ein  Volk  bedeuten, 
dessen  Front  nach  drei  Seiten  gekehrt  war.  Doch  sind  auch 
andere  Deutungen  möglich;  z.  B.  aus  tri-bala  ,8ehr  mächtig, 
überschwenglich',  von  Wurzel  bhel:  bhal  (vgl.  fiXXo?  gaeh  baH 
,penis,  membrum*).  Wir  wollen  noch  Einiges  über  die  gala- 
tischen Intrusionen  anfügen. 

An  der  Donau,  an  der  Morawa  und  NiSawa  finden  wir 
Spuren  der  keltischen  Namengebung:  erinnern  wir  uns  an  Orte 
wie  Singi-dunum,  Taliata,  Gerulata;  an  den  Namen  Navissus 
flir  die  Niäawa;  ferner  an  die  civitas  Remesiana  und  die  mansio 
Meldia,  welche  in  das  Gebiet  der  Serder  führten.  Denn 
Remesiana,   das  heutige  Aq-palanka,   hatte  seinen  Namen  von 


Die  alten  Thraker.  I.  91 

den  gallischen  'Ptiixot,  Remi,  obgleich  die  Bewohner  den  Anklang 
an  Roma  bevorzugten  und  ihren  Vorort  Romansiana  oder  Ro- 
matiana benannten;  eine  Landschaft  RIMESICA  setzt  die  Tab. 
Peat.  an  den  östlichen  Haemus^  also  in  das  Galaterreich  von 
Tylos.  Meldia  hinwieder,  etwa  bei  Sliwnica  gelegen,  erhielt 
diesen  Namen  von  den  Nachbaren  der  Remer,  den  MeXBst  oder 
MdXdat;  diese  erscheinen  thatsächlich  im  Norden  des  Beckens 
von  Sofia  zur  Zeit  der  Heereszüge  des  M.  Licinius  Crassus: 
toi  ofcov  MeXBsu^  (cod.  (xspSou;)  [jt.£v  xal  Zep8ou^  V^'/o^^i  xaTaxpaTu>v 
fXtipbiQaxo  (Cass.  Dio  LI  25,  4).  Die  Zeploi  dagegen,  welche 
die  thrakische  Strategie  SepBixiQ  bewohnten  und  deren  Vorort 
££pScdv  7r6Xt<;,  dann  auch  2ep8ixTQ  und  SapSixij  (das  heutige  Sofia, 
slaw.  Sr^ec,  byz.  TptaBixCa)  hiess,  werden  wir  den  thrakischen 
Stämmen  zuweisen  müssen,  da  gallische  Namensanalogien  fehlen ; 
der  Name  könnte  etwa  ,die  Trotzigen,  Ragenden'  bedeutet 
haben,  von  der  Wurzel  ker  +  dh,  skr.  9ardh-.  Die  Galater, 
welche  in  starken  Banden  die  Haemushalbinsel  bis  Delphi  und 
Dodona  hinab  durchzogen,  haben  sich  auch  südlich  vom  Haemus 
eine  Heimstätte  bereitet;  es  waren  die  TuXTxat  oder  TüXr^voi,  so 
benannt  nach  ihrem  Vororte  T6Xiq  oder  TuXtc;  •  ic6Xt<;  Opaxrj^  tou 
AEjjwü  icXt)<j{ov  (St.  B.,  Suid.).  Diesen  Raubstaat  hatte  (278) 
Kommontorios,  ein  Grenosse  des  Brennos,  gegründet,  nachdem 
Leonorios  und  Lutarios  mit  ihren  Schaaren  über  den  Hellespont 
gesetzt  hatten,  um  Kleinasien  zu  beunruhigen;  derselbe  bestand 
bis  auf  Kavaros,  welcher  (um  213),  von  den  Thraken  vertrieben, 
gleichfalls  nach  Asien  auswanderte.  Die  Tyliten  hatten  ihr 
Gebiet  bis  vor  die  Mauern  von  Byzantion  ausgedehnt,  dessen 
Bdi^er  hiedurch  weit  ärgere  Feinde  erhielten,  als  es  bisher  die 
thynischen  und  odrysischen  Thraken  waren;  sie  mussten  den 
Galatem  Jahrgelder  entrichten,  zuerst  3000,  dann  5000  und 
10.000  Goldstücke,  zuletzt  sogar  80  Talente  (Polyb.  IV  46). 
üeber  das  ßaaCXetov  TuXy)  hat  Jireöek  eine  ansprechende  Ver- 
muthang vorgebracht:  er  vei^leicht  das  Dorf  Tulowo  im  Tu- 
lowsko-polä  (provincia  de  TuHa  e  Zagora,  Urkunde  a.  1595) 
am  Oberlauf  der  Tundra  östlich  von  Qazanlyq;  hier  gibt  es 
zahlreiche  Tumuli,  in  denen  Waffen  aus  Bronze  und  Eisen 
gefimden  werden;  das.  gut  angebaute  Hochthal  besitzt  an  der 
Tundia-Beuge  ein  Ausfallsthor  nach  Süden.  In  dieser  Gegend 
hat  Ptolemaeus  einen  Ort  'OpxcXXaC,   d.  i.  Vercellae;   das  spät 


92  !▼•  Abhuxdlang:    Tomaschelc. 

erwähnte  Castell  roX6tj  (Zon.  Said,  etc.)  hat  einen  Namens* 
genossen  in  dem  x<*>P^o^  roX6t)  (juxpo^  Takaxiaq  (C.  I.  Gr.  n®  9764, 
christl.  Inschr.  aus  Rom). 

Schliesslich  seien  noch  einige  Stämme  erwähnt,  deren 
Lage  und  Herkunft  unbekannt  ist:  'EvrpißaC  •  l6vo?  ^pA^T^, 
Hecataeus  (St.  B.);  BavTtot  •  60vo<;  öpaxr,^,  Hecataeus  (St.  B.); 
Boacxvtaai  oder  Baviooi,  Herodianus  (St.  B.);  Bußat  •  l6vo«  Bpoxtxov 
(St.  B.);  üoBap^oLi  •  eOvo?  epAnriq  (St.  B.);  IpteXat  •  lOvo;  epobucv, 
Hecataeus  (St.  B.).  Femer  Baaaapoi,  ein  Menschen  opferndes  und 
verzehrendes  Volk  in  Thrake;  ebenso  Oös?  (Porphyr.)  — 
wahrscheinlich  pure  Erfindungen  der  Orphiker. 

b)  Die  nördliche  oder  getische  Gruppe. 

Den  letzten  Theil  der  thrakischen  Völkerwelt,  der  aus 
dem  Nordland  auszog  und  über  dem  Haemus  sich  lagerte,  wo 
sich  noch  Reste  moesischer  Völker  erhalten  hatten,  bilden  die 
Fexat  oder,  wie  sie  Arrian  gelegentUch  nannte  (St.  B.),  Fctijvoi; 
diese  dürfen  von  der  grösseren  Masse  der  Karpatenstämme  in 
keiner  Weise  getrennt  werden,  wenn  auch  erst  in  römischer 
Zeit  die  Gleichheit  der  Geten  und  Daken  hervortrat.  —  Um 
gleich  mit  dem  Namen  zu  beginnen,  so  lässt  sich  derselbe, 
gleichwie  jener  des  edonischen  Königs  FeTo^,  nur  schwer  deuten: 
am  besten  als  ,Gänger,  Schreiter,  Hirten',  von  der  Wurzel  g'Ä: 
g'e  ,gehen';  vgl.  griech.  ßoii-ßijTe^  lit.  getis,  gatwis,  gatwe  ,Vieh- 
trift,  Weidet  FiQTi-orpdou;  hiess  ein  Castell  in  Haemimontus;  eine 
reduplicierte  Form  finden  wir  im  dakischen  (Sarmi-)  ze-gete, 
zegetusa,  vgl.  skr.  ^-gat,  gr.  ßt-ßi<;.  —  Die  Geten  fUhrt  Herodot 
in  die  Geschichte  ein,  mit  dem  ehrenden  Beisatz:  ol  F^at  6pi}&iwt 
iovxt^  div2pY](6TaToi  xat  ^nMi6':axoi,  Die  griechischen  Colonisten, 
welche  an  den  pontischen  Gestaden  einen  günstigen  Boden  Air 
ihre  Handelsgeschäfte  und  sogar  fUr  dauernde  Niederlassungen 
gefunden  hatten,  erkannten  in  den  ,Stutenmelkem  und  Milch- 
essern' des  Homer,  den  Nachbaren  der  Mysen,  ,sehr  gerechte 
Leute';  ein  Redner  gieng  nachmals  so  weit,  zu  behaupten 
(lord.  5):  Getae  paene  omnibus  barbaris  sapientiores  semper 
extiterunt  Graecisque  paene  consimiles.  Das  einfache  Leben 
der  Barbaren,  die  ,noch  nicht  vom  entnervenden  Hauche  der 
Civilisation  angekränkelt'  waren,   mochte  moralisch   angelegten 


Die  alt«n  Tbnker.  I.  93 

Naturen  als  etwas  Hohes  erscheinen  —  so  pries  im  sittenver- 
dorbenen Rom,  in  einer  Anwandlang  moralischer  Extase^  Horaz 
den  G^tennamen  und  die  im  dakischen  Gemeinwesen  wuchernde 
Natorkraft.  Tapfer  waren  die  Geten  unstreitig;  doch  entsprach 
der  Erfolg  nicht  immer  ihrem  Heldenmuth:  mitten  durch  ihr 
Land  hatten  die  Skythen  Raubzüge  bis  zur  Propontis  unter- 
nommen; unschwer  bezwang  Darius  die  Geten;  dem  Odrysen 
Sitalkas  leisteten  diese  und  die  übrigen  zwischen  Haemus  und 
Hister  gelagerten  Stämme  Heeresfolge.  Sie  stellten  Bogen- 
schützen zu  Ross,  lincoTo56Tat  (Thuc.  H  96),  von  gleicher  Tracht 
und  Bewaffnung  wie  bei  den  Skythen.  Unter  Seuthes  I.,  dessen 
Reich  sich  bis  zur  Donaumündung  erstreckte,  stand  der  Geten- 
häuptling  offenbar  noch  im  Vasallenverhältniss  zu  dem  Odrysen- 
reiche.  Gerne  hätten  wir  erfahren,  wie  jener  Getenherrscher 
geheissen  habe,  der  dem  persischen  Heere  nach  kurzem  Kampfe 
unterlegen  war;  vielleicht  hilft  da  eine  Vermuthung  aus. 
Sophokles  hatte  in  seinem  Triptolemos  als  Gegner  des  Demeter- 
dienstes einen  barbarischen  Getenflirsten  vorgeführt  (Hygin. 
Astr.  II  14),  und  aus  diesem  Stück  citiert  Herodianus  den  Vers 
,xa:  Xapvaßc5vTo^,  8;  FeToJv  äpr/ti  -zk  vuv^  Aus  dem  Beisatz  t3i  vuv, 
sowie  aus  der  echtthrakischen  Namensform  Xapvotßojv  (vgl.  armen, 
cham-a-ban  ,einer,  der  die  Worte  durcheinander  mengt',  z.  B. 
in  unbesonnener  oder  prahlender  Rede),  könnten  wir  schliessen, 
dass  der  Dichter  einen  Namen  aus  der  unmittelbaren  Ver- 
gangenheit seinen  Zuhörern  in  Erinnerung  gebracht  hat,  eine 
Freiheit,  die  sich  die  Tragiker  manchmal  gestatteten. 

Das,  was  den  Griechen  seit  Hecataeus  bei  den  Geten- 
stämmen  am  meisten  auffiel,  war  der  ihnen  in  Fleisch  und  Blut 
übergegangene  Unsterblichkeitsglaube  und  die  Verehrung  des 
Naturgottes  2iX(jio§t(;,  den  die  pontischen  Colonisten  in  euheme- 
ristischer  Weise  zum  Schüler  des  Pythagoras  machten.  Das 
hat  auch  neuere  Forscher  bewogen,  den  Geten  und  ihrem  Gotte 
Beachtung  zu  widmen;  hiezu  kommt  die  Aehnlichkeit  der 
Namen  Tixai  und  röx^oi,  welche  bereits  den  Cassiodorius  ver- 
anlasst hatte,  die  Geschichte  der  Goten  mit  jener  der  Geten 
EU  verquicken;  Jakob  Grimmas  Versuch,  diese  Theorie  ernstlich 
zu  begründen,  musste  sich  jedoch  alsbald  als  nichtig  erweisen, 
üeber  den  Zalmoxisdienst  werden  wir  bei  den  mythologischen 
Namen   handeln;   hier  sei   nur  erwähnt,    dass   die  G^ten  stets 


94  IV.  Ablumdlnng:    Tom»tohe1c. 

das  bezeichnende  Prädicat  ol  dOavaxiXovre^  (Hdt.  V  4)  behalten 
haben;  Plato  spricht  von  thrakischen  Aerzten  des  Zahnoxis,  ot 
XefovTat  x«t  dtTcoOavarilJeiv;  ebenso  Diodor  (I  94),  Arrian,  Kaiser 
Julian  und  Origenes,  von  Tizai  ol  aTCaOavatiT^ovTe?,  Julian  leitet 
die  Tapferkeit  des  Volkes  von  diesem  Glauben  ab:  Fetai  twv 
^(iyi70T£    (jLOXtfiKdTaTO'.   Y^Y^^^^'^)    ^   ^   devdpeix^   [jt.6vov   tou    Qii^iunoQf 

Was  die  weiteren  Geschicke  der  Geten  betrifft^  so  hat 
darüber  Müllenhoff  (vgl.  DA.  III  125  ff.)  ausführlich  gehandelt; 
wir  beschränken  uns  auf  die  wichtigsten  Thatsachen.  Als 
Philipp  das  Odrysenreich  bewältigt  hatte,  erhob  er  Ansprüche 
auf  das  Getenland.  KcOt^Xa;  6  twv  FeTöv  ßactXe6^,  drfwv  Mi^Bov  t^ 
OüYaTepa  xat  Soipa  tcoXXöE  (Theop.  ap.  Athen.  XIU,  p.  557,  c; 
Meda,  Gudilae  regis  Gothorum  filia,  lord.  Get.  10),  zog 
ihm  entgegen,  und  es  kam  ein  Vergleich  zustande:  Kothelas 
gelobte  Heeresfolge  zu  leisten,  und  Philipp  nahm  die  Tire?  zur 
Frau.  Theopomp  benutzte  dieses  Ereigniss  zu  einem  Excurse 
über  die  getischen  Sitten;  wir  erfahren  von  ihm:  Ti-cai  xcOapa; 
Ixovte?  %ol\  xiOap(CovT£^  xa^  exixY;pux6{a?  icotouvrat  (Athen.  XIV 
p.  627,  c);  ferner  vofxoq  Ih  retwv  ib  STnc^a^eiv  tJ)v  Tuvoctsut  xw  ctvjpt 
(St.  B.):  so  sehen  wir  einen  aus  der  Urzeit  vererbten  grausamen 
Brauch,  dem  auch  die  strymonischen  Thraken  folgten,  vereint  mit 
der  herzgewinnenden  Gabe  der  Musen.  Als  später  (339)  Philipp, 
um  seine  Kriegscasse  zu  füllen,  Odessos  angriff,  welche  Stadt 
zum  Bereich  der  Getia  gehörte,  erschienen  wiederum  getische 
Priester  ,cum  citharis  et  vestibus  candidis,  patriis  diis  voce 
supplici  modulantes'  vor  ihm:  Odessos  wurde  geschont,  der 
getische  Freundschaftsbund  erneuert;  denn  Philipp  mochte  in 
den  Geten  eine  Schutzwehr  gegen  die  Skythen,  Triballer  und 
andere  Bergstämme  Thrake's  erkennen.  Das  Vasallenverhfiltniss 
bestand  noch  in  den  ersten  Jahren  Alexander's;  als  dieser 
(335)  die  Geten  heimsuchte,  waren  es  nicht  die  Haemus-G^ten^ 
sondern  Fixat  ol  wdpav  toQ  lorpou  (dxta{i.ivoi  (Arr.  I  3,  5),  welche 
4000  Reiter  und  über  10.000  Fussgänger  aufgestellt  hatten; 
geschlagen,  flohen  sie  zuerst  in  eine  schwach  verschanzte  Stadt 
an  der  Donau,  dann  in  die  weite  ipiQjxCa  (4,  4)  nördUch  vom 
Delta  oder  die  sogenannte  reT{a  i^  lpt)|jio^.  Unter  den  Truppen 
Alexander's  in  Asien  werden  Geten  nicht  genannt;  völlig  miss- 
lang ein  Feldzug  des  Zopyrion  (327/26)  ins  Flachland  über  die 


Die  alt«n  Tbnker.  I.  95 

Donau  gegen  Geten  und  Skythen.  Die  Geten  südlich  vom 
Strome  scheinen  sich  damals  der  pontischen  nevTobcoXi^  ange- 
schlossen zu  haben ;  welche  Lysimachus  (seit  313)  zu  unter- 
werfen versuchte;  gegen  die  Geten  entbot  er  seinen  Sohn 
Agathokles,  welcher  von  ihnen  gefangen  und  mit  Geschenken 
zurückgeschickt  wurde;  ob  hierauf  Lysimachus  die  pontischen 
Städte  und  die  benachbarten  Geten  wirklich  bezwang,  wird 
nicht  überliefert;  es  ist  dies  jedoch  sehr  wahrscheinHch ,  weil 
Lysimachus  seine  Schätze  in  der  getischen  Veste  TCpt^t;  barg. 
Nachdem  er  mit  Demetrius  von  Macedonieif  EVieden  geschlossen, 
erneuerte  er  den  Krieg  gegen  die  noch  freien  Geten  jenseits 
der  Donau,  ,kriegskundige  und  an  Zahl  weit  überlegene  Streiter' 
(Paus.  I  9,  5),  und  deren  König  Apo|jLixai'nQ;  (Strabo  VII,  p.  302); 
ein  G^te,  Namens  'AeOt]^,  spielte  damab  die  Rolle  des  Zopyrus 
(Polyaen.  VII,  25);  Lysimachus  gerieth  mit  seiner  Armee, 
100.000  Mann,  in  die  wasserlose  FexcLv  £pY;(/.{a,  die  Noth  stieg 
aufs  höchste,  und  er  musste  capitulieren.  Dromichaites  kam, 
nannte  ihn  Vater  und  flihrte  ihn  in  die  Veste  ''HXt<;,  wo  er 
ein  Mahl  bereiten  Hess,  köstUch  ftlr  die  Makedonen,  ärmlich 
für  die  Geten  —  mit  dem  Hinweis  auf  die  Armuth  und  Bar- 
barei seines  Volkes  wollte  der  Fürst  die  Eroberungssucht  des 
Makedonen  dämpfen.  Es  kam  ein  Vertrag  zustande:  Lysimachus 
verzichtete  ,auf  den  jenseits  der  Donau  gelegenen  Theil  seiner 
Herrschaft'  (Paus.).  Wir  sehen  hier,  trotz  der  Siege  der  Geten, 
die  Herrschaft  des  Dromichaites  auf  die  Striche  über  der  Donau 
beschränkt.  Nach  Lysimachus'  Tode  (281)  hören  wir  wenig 
von  Geten;  ihr  Land  wurde  ein  Durchgangsgebiet  der  Galater- 
schaaren  sowie  der  Bastamen ;  die  Herrschaft  des  Dromichaites 
musste  sich^  in  der  Folgezeit  in  mehrere  schwache  Theile  auf- 
gelöst haben,  und  südlich  vom  Strome  traten  mehr  die  Moesen 
hervor,  mit  denen  zuerst  C.  Curio  von  Westen  her  (74), 
M.  Lucullus  (71)  von  der  pontischen  Küste  aus  Bekanntschaft 
machte.  Zur  Zeit  des  Boeribista  stand  das  rechte  Ufer  der 
Donau  bis  zum  Ostende  des  Haemus  unter  der  dakischen  Bot- 
mässigkeit,  und  selbst  nach  seinem  Tode  hörten  die  Einfalle 
der  Daken  über  den  Strom  nicht  auf;  zwischen  Geten  und 
Daken  lässt  sich  überhaupt  kein  Unterschied  mehr  ziehen.  Für 
Daken  müssen  wir  auch  jene  Fürsten  halten,  welche  zur  Zeit 
des  Augustus   unter  M.  Crassus  (27)   am  Donaustrom   sassen: 


96  IV.  Abbandlang:    Tomasebelc. 

den  römerfreundlichen  T(iXt)?  und  seinen  Ghegner  AchcoS,  sowie 
den  Zupi^^,  dessen  Veste  FevouxXa  an  der  Donaubeuge  vor  dem 
Delta  lag  (Cass.  Dio  LI  26);  Crassus  triumphierte  ex  Thraecia 
et  GETEIS.  Geten  hiessen  im  Munde  der  Griechen,  wegen 
der  Gleichheit  der  Sprache  und  Sitten,  auch  die  nördlich  vom 
Slrome  gelagerten  Stämme,  die  Daken;  diesem  Sprachgebrauche 
folgten  mitunter  auch  die  Römer  (z.  B.  Antonius  bei  Sueton. 
Oct.  63  jCotiso  rex  GetarumO,  vor  allem  die  Dichter.  Für 
die  Haemus-Geten,  welche  im  Bereiche  der  pontischen  Griechen- 
Städte  standen,  wurde  häufig,  gemäss  der  politischen  Ein- 
theilung,  der  Name  Moesi  verwendet. 

Die  Griechen  der  pontischen  Küste  fanden  sich  mit  den 
Geten  stets  gut  ab;  nicht  selten  fanden  Wechselheiraten  statt 
Die  Krämer  Ueferten  den  Binnenstämmen  Fabrikate  aller  Art, 
Ocl  und  Wein  und  das  unentbehrliche  Salz;  dafür  erhielten  sie 
Getreide,  Bauholz  und  vor  allem  Sklaven.  Bei  den  Dichtem 
der  neuattiscl^pn  Komödie  spielen  T^tyjc;  und  Aio^  (G^ta,  Daves) 
eine  ständige  Rolle.  Ein  charakteristischer  Zug  ftlr  die  Geten, 
wie  flir  alle  Thraken,  war  die  Ungebundenheit  der  Sitten,  femer 
die  Vielweiberei,  wie  der  getische  Sklave  bei  Menander  (Strabo 
VII,  p.  297)  sie  schildert  —  schon  dieser  Zug  hätte  unseren 
J.  Grimm  von  seiner  Theorie  abhalten  sollen.  Bei  Natursöhnen, 
welche  ihrer  Sinnlichkeit  keine  Zügel  anlegen,  stehen  hinwieder 
Asketen,  Männer  des  Heiligenscheins,  in  hohem  Ansehen;  darum 
genossen  bei  Moesen  und  Geten  nach  dem  Zeugniss  des  Posi- 
donius  gerade  die  weiberlosen  xaTcvoßatai  und  die  asketischen 
xTtcrca'.  (s.  d.  Glossen)  Verehrung  und  Einfluss.  —  Die  Geten 
bei  Tomi,  die  man  ebenso  gut  Daken  nennen  könnte,  lernen 
wir  aus  der  Schilderung  Ovid's  kennen:  sie  erhalten  bei  ihm 
die  Epitheta  Marticolae,  crudi,  rigidi,  truculenti,  hirsuti,  intonsi, 
pelliti,  braccati;  Menschenopfer  waren  ihnen  nicht  fremd;  sie 
trugen  stets  das  Messer  im  Gurt»  und  waren  bewehrt  mit  Bogen 
und  vergifteten  Pfeilen.  In  Tomi  wurde  griechisch  und  getisch 
gesprochen;  Ovid  erlernte  die  getische  Sprache  und  schrieb  in 
derselben  ein  Gedicht  über  die  pontischen  Fische.  —  Wenn 
wir  uns  überdies  den  Geten  tätowiert  denken,  wie  er  wenigstens 
in  älterer  Zeit  geschildert  wird,  so  haben  wir  den  echten  Typus 
des  Barbaren  vor  uns.  Mit  Unwissenheit  verbindet  sich  oft  lächer- 
liche Gewichtigkeit  und  Grosssprecherei;   ßopu^^Tat  hiessen  den 


Die  alten  Thmker.  1.  97 

Komikern  ^ipo^  iJtiv  l^ovre;,  xal  aAa2^ove<;,  Yixai  8e  Svte;  (Hes.). 
Ungeachtet  ihres  Unsterblichkeitsglaubens  und  ihres  Kriegs- 
muthes  waren  die  Geten  Barbaren,  wie  die  übrigen  Thraken, 
und  wir  dürfen  uns  ihre  Zustände  nicht  ideal  ausmalen. 

Von  Sonderstämmen  des  gotischen  Inlandes  erfahren  wir 
wenig;  Plinius  flihrt  an:  AODES  ('AwBeT^,  etwa  ,Zustösser, 
Schläger',  von  vedh:  vodh  wOeiv),  CAUGDAE  (etwa  ,Hügel- 
bewohner'  oder  ,Holländer'  von  Wurzel  keug-  ,wölben',  lit.  kügis 
,Haufe'  etc.)  und  ülariae  (Var.  Claneac,  Dareae).  Mitten  in 
den  Haemus  setzt  Strabo  (VII,  p.  318)  KopaXXoi,  während  sie 
bei  Ovid  (ex  Ponto  IV  2,  37.  8,  83)  als  ,flavi'  und  ,pelliti' 
Coralli  am  Hister  erscheinen  (vgl.  App.  Mithr.  69,  wo  sie  neben 
li^uYe?  stehen):  wahrscheinUch  eine  sarmatische  Horde,  die 
zum  Theil  in  den  Haemus  eingedrungen  war,  etwa  als  ,Thätige, 
Kriegerische'  zu  deuten  (altpers.  k.ira  ,Heer%  skyth.  KoXi-^aV^ 
,Heereskönig').  Ebenso  waren  sarmatische  AKKAEI  oder 
AREATAE  (Plin.)  ins  Gctenland  eingewandert,  und  die  heutige 
Dobrudi^a  führte  zuletzt  den  Namen  Scythia  minor.  Die  Küsten- 
stämmc  waren  den  Griechen  genauer  bekannt. 

Die  TiptH^oK  nannte  bereits  Hecataeus,  nach  ihm  Hellanicus 
(EM.  p.  408,  Phot.  Lex.,  Suid.  v.  TeptCoi,  ZaixoXStq):  aOavatiCoiiat 
li  tat  Tipi^oi  xal  Kpoßu^oi  xal  tou<;  aicoOavovxa;  a>{  ZaX(Jio^iv  faaiM 
o^e^at,  l^eev  Ik  auOtc;.  Sie  wohnten  an  dem  Landvorsprung 
Tipel^t^  oder  Ttptl^a  (ebenso  hiess  ein  Küstenpunkt  Paphlagoniens; 
vgl.  Tecpisraoi^  zwischen  Ganos  und  Bisanthe  an  der  Propontis, 
von  Wurzel  ter-  ,eindringen'),  der  späteren  KäXyj  oxpa  (j.  Celigrö- 
borun).  —  Hecataeus  nannte  femer  die  Kpößul^oi  •  SOvo;  ^cpb^  v6tov 
aye{Aov  TOü  'löTpoü  (St.  B.).  Nach  Herodot  (IV  49)  flössen  die 
zum  Istros  gehörigen  Bäche  östlich  vom  Athrys  (Jantra)  $t^ 
Bpijdudv  Tcüv  Kpoßul^cov  —  so  weit  erstreckte  sich  die  Kpoßul^ixifj  ins 
Inland!  Nach  Scymnus  (745.  750.  756)  wohnten  sie  rings  um 
Odessos  und  am  Ostende  des  Haimos,  sowie  bei  Dionysopolis, 
wo  sie  an  die  Skythen  stiessen.  Auch  Ptolemaeus  setzt  sie 
zwischen  Odessos  und  Kallatis  (j.  MangaUa).  Einer  ihrer 
Häuptlinge,  Namens  'iaovBtj^,  tü>v  xaXoupiEvcov  KpoßOCcov  ßaatXeu^ 
(Phylarchus  ap.  Athen.  XU  p.  536,  a),  zeichnete  sich  durch 
Schönheit,  Reichthum  und  Wohlleben  aus.  Plinius  setzt  Cro- 
bigni  nördlich  über  das  Donaudelta,  also  in  die  epiQpiia.  Ob  der 
Name  von  Wurzel  kreu-  ,verletzen^,  lat.  crü-du-s  ,roh,  blutig*  etc., 

SitxiinffBber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVUl.  Bd.  4.  Abb.  7 


98  IV.  Abhandlnag:    Tomsüchek. 

hergeleitet  werden  könnte?  zd.  Krvighni  ^greulich'?  —  Tpa>YXo- 
86Tat  oder  Tp<i)YoB>>Tai  wohnten  in  Kleinscythien  nahe  dem  Hal- 
myris  (Ptol.  Plin.),  oder  auch  ^repl  xou  Tr,v  TpißaXXcov  yijv  (Eost.  ad 
Dion.  180).  Noch  jetzt  finden  sich  an  der  unteren  Donau^  so- 
wie in  Armenien,  Erdwohnungen,  die  mit  Rohr  und  Dünger 
zugedeckt  sind;  es  können  auch  Grotten  im  Fels  gemeint  sein. 

Öpt^t^iv  [JLiYaBe;  SxuOai  werden  an  der  unteren  Donau  bei 
Ap.  Rh.  IV  320  erwähnt;  nach  Herodot  hatten  die  Skoloten 
das  ganze  Flachland  etwa  bis  zur  Einmündung  des  Alt  inne. 
Kallistratos  wusste  von  Kämpfen  zwischen  Skythen  und  Thraken 
zu  erzählen,  wobei  letztere  den  Kürzeren  zogen;  die  skythischen 
Weiber  sollen  die  ihnen  dienstbaren  Thrakinnen,  t3e?  Bpoxiov 
Tälv  i:po^  l(7zipav  xa;  depxtav  ^uepioixcov  ~^vaix2;,  als  Zeichen  der 
Schmach  tätowiert  haben,  woraus  dann  später  ein  k6<j|jlo^  wurde 
(Athen.  XII,  p.  524).  An  der  Westgrenze  der  Skythen  finden 
wir  in  der  That  unterworfene  thrakische  Stämme,  z.  B.  die 
ackerbautreibenden  'AXa^ove;  und  die  später  zu  besprechenden 
Kapx{5at.  Die  über  den  Stromschnellen  des  Borysthenes  hau- 
senden 'A(xa3ox9i  jedoch  waren,  obgleich  sich  'AfxaSoxo^  als  Eigen- 
name bei  den  Odrysen  findet,  keine  Thraken,  sondern  Jäger- 
stämme finnischer  Herkunft,  ,Rohäeischesser'  (skr.  ämAdaka), 
wie  sie  bei  den  Skythen  hicssen. 

Nach  dem  Sturze  der  Skythenmacht  —  der  letzte  mächtige 
skolotische  Herrscher  war  jener  'ÄTsa;,  gegen  welchen  Philipp 
einen  Zug  unternahm  —  erhielt  sich  -zwar  noch  ein  Rest  der 
,königUchen^  Skythen  oder  Saist  (zd.  khsaya)  im  Gebiet  von 
Olbia,  die  eigentlichen  HeiTcn  des  pontischen  Steppengebietes 
wurden  jedoch  die  Sarmaten  vom  Tanais;  ausser  kleineren 
Stämmen  waren  es  zunächst  die  lazygcn  (zd.  yazuka  ,gros8, 
mächtig'),  welche  zur  unteren  Donau  vorrückten;  sie  scheinen 
bereits  nach  Boerebista^s  Tode  (ca.  43  v.  Chr.)  den  karpatischen 
Grenzwall  und  das  dakische  Reich  bedroht  zu  haben;  Strabo 
setzt  sie  neben  die  Tyrigeten,  Ovid  spricht  von  ihren  Einfällen 
über  die  Donau.  Wann  sie  in  das  Land  zwischen  der  Donau 
und  Theiss  eingerückt  waren,  lässt  sich  nicht  genau  bestimmen; 
jedenfalls  sassen  sie  hier  in  den  späteren  Jahren  des  Tiberios 
(27 — 37),  und  Vannius  (ca.  50)  fand  in  ihnen  Bundesgenossen. 
In  die  bisherigen  Sitze  der  lazygen  rückten  die  sarmatischen 
Rhoxolani  vor;   für  einen  rhoxolanischen  Häuptling  dürfen  wir 


Die  alten  Thnker.  1.  99 

jenen  Susagus  halten,  den  Pliniuä  d.  J.  in  einem  Schreiben 
an  den  Kaiser  erwähnt.  Dasselbe  gilt  von  jenem  SardoniuB, 
den  Aorelius  Victor  als  Verbündeten  des  Dekebalos  und,  wie 
es  scheint,  als  rex  Sacorom  anfUhrt  (vgl.  oset.  Sürdon,  Name 
eines  Narten  oder  nrtd).  Noch  zur  Zeit  des  Kaisers  Valens 
(367)  erscheinen  auf  den  Vorhügeln  des  südlichen  Karpaten- 
walles  sarmatische  SEKRI  (Amm.  Marc.  XXVII  5,  3),  in 
welchen  einige  Forscher  haben  Serben  erblicken  wollen.  Auch 
diese  sarmatischen  Abtheilungen  sind  endlich  unter  den  Slawen 
verschwunden. 

Im  Norden  des  Karpaten walles,  wo  sich  ursprüngUch  an 
die  thrakische  Völker  weit  die  slawische  anschloss,  war  eine 
grosse  Wandlung  durch  das  Eindringen  volkischer  Galater- 
stämme  (3(X) — 200),  denen  sich  Schaaren  von  Ostgermanen 
(Skiren  u.  A.)  anschlössen,  zustande  gekommen;  dieses  ,Bastard- 
Volk',  bei  dem  erst  später  das  germanische  Element  stärker  her- 
vortrat, verbreitete  sich  (200 — 100)  entlang  dem  östlichen  Berg- 
abhang (Alpes  Bastarnicae,  TP.)  und  auf  den  Platten  zu  beiden 
Seiten  des  Tyras  bis  Olbia  und  zu  den  Donaumündungen,  auf 
der  Nord-  und  Ostscite  wie  mit  eisernen  Armen  das  Stammland 
der  Thraken  umklammernd.  Sie  erbauten  am  Tyras  die  Burgen 
Kapp68ouvov,  Maixa>viov,  Oüißavrauapiov,  ^'HpaxTov  und  an  der  unteren 
Donau,  im  Gebiete  der  BpiToXa^at,  'AXioßpt?  und  iNoouiöSoüvovj  von 
hier  aus  unternahmen  sie  wiederholt  weite  Fahrten  und  Raub- 
züge in  die  südlichen  Striche;  so  reichten  sie  den  Skordiskem 
and  den  übrigen  Keltenstämmen  der  Ostalpen  die  Uände. 

Zu  Beginn  der  geschichtUchen  Zeit  linden  wir  im  karpa- 
tischen  Bergwall  als  Ursasseu  die  ^ÄYi-Ojpaoi,  d.  h.  im  skythischcn 
Munde  die  ,bösen,  quälenden^  (zd.  agha)  Tliyrsen.  Bupaot  aber, 
skythiscli  etwa  Thurso  oder  Thwarso  (vgl.  'IvSa-Oupac;),  erscheint 
wie  eine  dem  Skythischcn  angepasste  Umformung  eines  thra- 
kischen  Völkernamens,  nämlich  IpoeuaoC.  Nun  linden  wir  in  der 
aus  Schriften  des  Uerodianus  zusammengesetzten  Uüstkammer 
des  Stephanus  von  Byzanz  folgenden  Artikel:  Tpauao{  *  tuöXk 
K^Xtou;  (offenbar  verderbt;  A.  v.  Gutschmid,  Lit.  Cb.  1864 
S.  1200  schlägt  vor  icXv)(7ioy  KeXiotq;  vielleicht  blosse  Dittographie : 
xoXi^  xai  eOvo;,  oüc;),  ^Övoc;,  olic;  oi  "KXXtjve^;  ovoiAä^ouat  'AYaOupaou?. 
Irgend  ein  kundiger  Schriftsteller  hatte  die  Agathyrsen  der 
Skythen  und  der  pontischen  Colonisten  ausdrücklich  den  Trausen 


100  rV.  AbhAadUng:    Tomsichek. 

gleichgesetzt;  der  Stamm  also,  der  seit  Alters  das  karpatische 
Bergland  innehatte,  nannte  sich  selbst  TpocucroC;  die  armseligen 
Trausen,  die  wir  in  der  Rhodope  fanden,  waren  nur  ein  kleiner 
losgerissener  Theil  des  in  der  Heimat  verbliebenen  grossen 
Stammes.  Wenn  es  heisst:  'ÄYaOupaoi  *  lOvo;  Iv^oT^po»  toO  AI(aou 
(St.  B.),  so  müssen  wir  uns  erinnern,  dass  der  Name  Haimos 
in  älterer  Zeit  auch  den  Karpates  eingeschlossen  hat;  die  drei 
grossen  Ströme  "AtX«;  Aüpa<;,  und  T{ßtffi<;  (Hdt.  IV  49),  ,welche 
von  den  Höhen  des  Haimos  herablaufen',  gehören  dem  Nord- 
lande an,  wie  der  Hauptstrom  MapK;,  welcher  dem  Istros  eu- 
strömt.  Die  Agathyrsen  wohnen  (Hdt.  IV  100)  oicb  ^orpoü  ia 
xaTikepOs  £i^  ty;v  pieaoYaiav,  und  der  Maris  äiesst  mitten  durch  ihr 
Land.  Die  vorgeschichtUche  Cultur  des  agathyrsischen  Landes 
lässt  sich  aus  zahlreichen  Fundstücken,  welche  der  neolitbischen, 
der  Kupfer-  und  der  Bronzezeit  angehören,  annähernd  erkennen; 
vgl.  darüber  Carl  Gooss  (Archiv  d.  V.  f.  siebenbürg.  Landes- 
kunde Xm.  Bd.  1877  S.  409  ff.  466  ff.  529  ff.).  Im  Lande 
selbst  wurde  jedenfalls  Grold  und  Kupfer  gewonnen;  beide 
Metalle  waren  schon  den  Indogermanen  bekannt,  und  die  erz- 
und  goldreichen  Gebiete  der  ungarischen  Länder  haben  ohne 
Zweifel  einen  Theil  der  indogermanischen  Heimstätte  gebildet 
—  Sitten  und  Bräuche  der  Agathyrsen  waren  thrakisch;  ak 
eigenthümlich  wird  nur  die  Ueppigkeit  und  das  Geschlechts- 
leben dieses  Volkes  hervorgehoben  (Hdt.  IV  104).  Es  herrschte 
bei  ihnen  Weibergemeinschaft  (exixotvov  xöv  -^uvaMtöv  tijv  jaT^iv 
TcoieuvTot),  unter  dem  Verwände,  sie  würden  dadurch  ,ein  einig 
Volk  von  Brüdern^  frei  von  Neid  und  Feindschaft.  Der  Bericht 
lautet  übertrieben,  und  die  Motivierung  legt  Zeugniss  ab  von 
der  humoristischen  Ader  der  Olbiopoliten;  es  werden  im  Gefolge 
der  Ueppigkeit  die  ehelichen  Bande  sich  etwas  gelockert  haben; 
auch  mochte  es  vorgekommen  sein,  dass  ein  Agathyrse  eine 
oder  die  andere  seiner  Frauen  dem  Gastfreunde  überliess,  um 
ein  andermal  die  gleiche  Gunst  von  diesem  zu  beanspruchen; 
bei  den  Thraken  war  namentlich  den  Jungfrauen  volle  Freiheit 
im  Umgange  mit  den  Männern  gestattet.  Weiter  heisst  es: 
ißpötoTot  äv3pü>v  ebi  xal  XP^^^P^^  "^^  pidXtoia.  Noch  jetzt  ist 
Siebenbürgen  an  Gold  ergiebig;  es  wird  daselbst  von  Zigeunern 
und  Wlachen  aus  dem  Sand  der  Bäche  ausgewaschen.  Als 
begehrtes  Tauschobject   brachte   das  Gold   den  Agathyrsen  die 


Die  alten  Thraker.  1.  101 

Fabrikate  des  Südens  sowie  die  Gaben  entfernter  Länder, 
Perlen,  Bei*nstein  und  Zinn,  ein;  zuletzt  kamen  Münzen  ins 
Land,  von  Kerkyra,  Apollonia  und  Dyrrhachion,  von  Thasos, 
Erythrai  und  Lysimacheia. 

Einen  Beitrag  zur  Charakteristik  des  Volkes  lernen  wir 
durch  Aristoteles  kennen  (Problem.  19,  28):  die  Agathyrsen 
hatten  den  Brauch  (wie  die  gallischen  Druiden),  die  Summe 
ihrer  Gesetze  in  Gesangsform  dem  Gedächtnisse  ihrer  Nach- 
kommen zu  überliefern.  Der  jüngere  Pisander  hatte  der  Aga- 
thyrsen gedacht  mit  Anspielung  auf  den  dionysischen  ö6pao5 
(St.  B.);  Valerius  Flaccus  gebraucht  die  Form  Thyrsagetae. 
Etwas  Weinbau  war  im  Lande  vorhanden,  das  überhaupt  ver- 
möge seiner  alpinen  Natur  für  Mythenbildung  wie  geschaffen 
ist;  eine  dem  Zalmoxis  entsprechende  Naturgottheit  wurde  dort 
seit  Alters  verehrt.  Sonst  wird  den  Agathyrsen  noch  die  Be- 
malung des  Leibes  zugeschrieben;  auf  das  Vorhandensein 
eines  Geschlechtsadels  weist  der  Beisatz:  je  dichter  und  grösser 
die  farbigen  Zeichen  der  Haut  eingeprägt  waren,  einen  desto 
höheren  Rang  der  Person  zeigte  dies  an.  —  Später  hat  man 
das  Volk  nicht  mehr  vorgefunden,  es  wurde  immer  weiter  in 
den  Norden  hinausgeschoben;  denn  als  die  Römer  in  den  Donau- 
ländem  auftraten,  hörten  sie  nicht  mehr  von  Agathyrsen;  ein 
ganz  anderer  Name  war  im  Karpat  üblich  geworden,  der 
dakische. 

DACI  (sing.  Däcus,  C.  L  VI  n«  3236  Daqus),  Aoxci  oder 
Aaxot,  auch  Aöbuxi  und  Aixe^,  in  der  Tab.  Peut.  DA  GAE  (wie 
Sagae  für  Sacae),  nannten  sich  die  vormaligen  Trausen,  die 
Brüder  und  Nachbaren  der  Geten;  völlig  unbekannt  ist  uns 
die  Veranlassung  zum  Aufkommen  dieses  schwer  deutbaren 
Namens.  Strabo  (p.  304,  St.  B.)  erinnerte  an  die  Aaoi;  Cassius 
Dio  an  die  ATot  und  -das  Aiaxcv  y^^^??  ^^^  c  ohneweiters  in 
loxtxiv  änderte.  In  neuerer  Zeit  hat  Leo  skr.  dhavaka  ,Läufer, 
Renner'  verglichen;  näher  hegt  das  dakisch-thrakische  Wort 
dava  :  deva  ,Siedelung',  von  der  Wurzel  dh6  :  dhe  ,setzen',  und 
die  Daken  wären  dann  ,Sassen^  Sonst  liesse  sich  noch  die  Wurzel 
das  ,zeigen'  heranziehen  (vgl.  Bs-Sadx;  ,kundig';  also  Leute, 
welche  sich  verstehen).  Strabo,  welcher  die  Daken  nach 
griechischem  Brauche  stets  Geten  nennt,  bezeichnet  sie  aus- 
drücklich (VII  p.  303.  305)  als  6[jL6YXcdTTov  toi?  9pa§iv  lövo?.    Dies 


102  IV-  Abhandlung:    Tomsschek. 

ergibt  sich  auch  aus  den  geringen  Sprachresten,  z.  B.  aus  den 
Personennamen  auf  -porus  (thrak.  bithjm.  -icopi?,  von  Wurzel 
per  :  per  ^durchbohren,  stechen,  schlachten')  und  den  Ortsnamen 
auf  -dava  (vgl.  Desu-dava  im  Lande  der  strymonischen  Maiden); 
doch  müssen  dialektische  Abweichungen  für  das  Dakische  natur- 
gemäss  zugegeben  werden. 

Der  erste  dakische  König,  den  die  Geschichte  zu  nennen 
weiss  (lust.  XXXII  3,  16),  war  OROLES  (vgl.  den  Thraken 
"OXopo?,  "OpoXo;):  lange  kämpfte  er  unglücklich  gegen  die  Ba- 
starnen, welche  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  auf 
dem  Gipfel  ihrer  M«acht  standen;  endlich  gelang  es  ihm,  den 
Muth  seiner  Mannen  dadurch  anzustacheln,  dass  er  sie  nöthigte, 
alle  weiblichen  Dienstleistungen  zu  verrichten,  wie  es  Memmen 
geziemt.  Die  Daken  fassten  ein  Herz  und  schlugen  die  Ba- 
starnen. Wir  finden  frühzeitig  (HO)  Daken  als  Waffenbrüder 
der  Skordisker  im  Kampf  mit  den  Römern  (Frontin.  II  4,  3): 
Minucius  Rufus  imperator  a  Scordiscis  Dacisque  premebatur, 
quibus  impar  erat  numcro.  Als  C.  Curio  die  Dardaner  be- 
zwungen hatte  (74),  rückte  er  bis  zu  den  Stromschnellen  der 
Donau  (>taiappaxTai  Strab.  p.  304)  vor,  willens,  ins  Dakenland 
einzudringen ;  doch  schreckten  ihn,  wie  Florus  bemerkt,  die  un- 
erforschten Waldberge  und  Thäler  ab.  Vielleicht  hatte  schon 
damals  Boirebista  zu  regieren  begonnen. 

Dieser  dakische  Herrscher  führte  im  Verein  mit  den 
Priestern,  an  deren  Spitze  Aexaivso^  (Strabo  nennt  ihn  einen 
dEvvjp  ^6r,q'  ob  er  aus  Aegyptcn  gekommen  war,  darf  bezweifelt 
werden)  stand,  ein  grosses  Reformwerk  durch,  die  sittliche 
Hebung  der  Nation.  Mitten  im  Lande,  in  einer  unzugänglichen 
Höhlengegend,  erhob  sich  bei  einem  Flusse  der  Berg  KwYafwvo?, 
zubenannt  der  ,hcilige%  weil  man  ihn  f\ir  den  Sitz  des  Natur- 
gottes (Zalmoxis)  hielt;  hier  hatte  auch  der  jeweilige  Ober- 
priester, ,der  Nachfolger  des  Gottes',  seinen  Aufenthalt;  selten 
verkehrte  er  mit  der  Aussenwclt,  nur  der  König  und  seine 
Diener  erholten  sich  bei  ihm  Rathes.  Seine  Rathschlttge  wurden 
als  ,göttliche  Befehle'  verkündet,  und  das  Volk  gehorchte  dem 
Könige  um  so  williger,  weil  es  in  seinen  Befehlen  den  gött- 
lichen Willen  ersah.  Stets  hatte  der  Pontifex  Antheil  an  der 
Regierung.  Boirebista  wusste  mit  Hilfe  des  Dekaineos  sein 
Volk  zu  bereden,   den  Weinstock  auszurotten  und  ohne  Wein 


Die  alten  Thraker,  l.  103 

ZU  leben;  die  Hecresdisciplin  wurde  mit  allen  Mitteln  straff 
gehalten.  Durch  häufige  und  unglückliche  Kriege  hatten  sich 
die  Daken  sehr  geschwächt;  durch  Nüchternheit  und  Folgsam- 
keit,, wie  durch  das  theokratische  Regimen  erstarkt,  erwehrten 
sie  sich  in  wenigen  Jahren  der  Grenzfeinde  und  unterwarfen 
sich  sogar  die  meisten  Nachbarvölker.  Gegen  die  Germanen 
bildete  das  hercynische  Bergland  die  Grenze,  wo  die  ANARTES 
Sassen  (Caes.  B.  Gall.  VI  25,  2;  ein  Collectivname  für  keltische 
Stämme;  vgl.  ir.  anart  ,sago  indutus^  von  kelt.  an  =  pan 
,weben*  gr.  wjvo^  etc.?).  Die  Bastarnen  scheinen  damals  nicht 
mehr  Feinde,  sondern  WaflFengenossen  des  Boirebista  gewesen 
zu  sein;  so  konnte  er  denn  auch  nach  dieser  Seite  Erfolge  er- 
ringen: eTXov  xt;v  'OXß(av  FeTai  %ol\  t«;  «XXa;  toc;  £v  to:^  opiarspoT? 
Toö  növTOü  zoXet^  l^XP'  'A7:oXXa)via(;  (Dio  Chrys.  or.  36  U,  p.  75  R.); 
diese  TsXeuTaia  xa».  yLS-^hvfi  aXwai;  von  Olbia  fällt  etwa  in  das 
Jahr  50  v.  Chr.  —  Boirebista  überschritt  mehrmals  die  Donau 
und  verheerte  alles  Land  bis  Makedonien  und  Illyrien;  mit  den 
galatischen  Skordiskern  verbunden,  deren  Gebiet  am  Saus  und 
Margus  er  bereits  früher  verheert  hatte,  warf  er  sich  (ca.  44. 
43)  auf  die  Teurisker  (Noriker)  und  Boier,  deren  König 
Kritasiros  war,  und  vernichtete  die  letzteren  gänzlich;  schwache 
Reste  der  Boier  verblieben  in  den  ,Einöden^  südöstlich  vom 
Neusiedlersee.  Die  Daken  unter  Boirebista  vermochten  ein 
Heer  von  200.000  Mann  aufzustellen;  so  erschienen  sie  den 
Römern  furchtbar,  ein  aucrTr,pbv  %a\  ^iXoiccXefJi.ov  xat  ^eiibv  £0vo(;  (App. 
B.  civ.  n  110),  gegen  welches  Caesar  eine  grosse  Expedition 
auszurüsten  begann,  bevor  ihn  der  Tod  ereilte  (15.  März  44). 
Aber  auch  sein  Zeitgenosse  Boirebista  wurde  zuletzt  von  einigen 
Empörern  entthront,  welche  das  theokratische  Regimen  satt 
bekommen  hatten:  sein  Reich  schied  sich  in  vier  Theile. 

Nach  Dio  Chrysostomus  (lord.  11  fg.)  soll  nach  Dicineus 
als  rex  et  pontifex  COMOSICUS  höchst  gerecht  regiert  und 
nach  diesem  CORYLLUS  den  Thron  durch  40  Jahre  einge- 
nommen haben;  die  übrigen  Berichte  wissen  davon  Nichts. 
Von  jenen  vier  Theilherrschern  werden  zur  Zeit  des  zweiten 
Triumvirates  (40 — 31)  zwei  namhaft  gemacht,  Acxciatj;  (Plut. 
Ant.  63)  und  Koxiawv  (Suet.  Oct.  63);  einen  dritten,  SxopuXwv 
(vgl.  Coryllas  des  lord.)  lernen  wir  aus  einer  Anekdote  bei 
Frontinus  I  10,  4  kennen.    Als  M.  Crassus  gegen  die  Bastamen 


104  I^-  Abhandlung:    Tomsschok. 

kämpfte,  sassen  am  rechten  Donauufer  drei  Fürsten  der  Geten 
oder  richtiger  (vgl.  Cass.  Dio  LI  53)  Daken,  'PwXt)?,  Aöbcü?  und 
Züpa5Y;(;.  Am  linken  Ufer  muss  aber  noch  die  Macht  des  Cotiso 
bestanden  haben,  da  wir  wiederholt  von  dessen  Einfällen  .über 
die  Donau  (nach  Pannonien?)  hören;  auch  sarmatische  Horden 
waren  dabei  betheiligt.  Um  endlich  Ordnung  zu  schaffen, 
schickte  Kaiser  Augustus  nach  Beendigung  des  pannonisch. 
delmatischen  Krieges  den  Gnaeus  Lentulus  aus,  um  das  schwer 
zugängliche  Dakenvolk  vom  Donaulimes  zu  entfernen;  dieser 
setzte  über  die  Donau  und  schlug  nachdrücklich  die  Daken, 
deren  Reich  damals  sogar  in  fünf  Theile  geschieden  war  (Strabo 
p.  304);  so  wurden  die  ,gente8  DACORUM^  gezwungen,  die 
Befehle  des  römischen  Volkes  über  sich  ergehen  zu  lassen 
(Mon.  Ancyr.  V  47 — 49).  Damals  wurden,  wie  Strabo  bezeugt, 
50.000  gefangene  Daken  von  Aelius  Catus  am  rechten  Ufer 
unter  den  Moesen  angesiedelt.  —  Unter  Tiberius  herrschte  Ruhe; 
aber  es  scheinen  damals  in  das  Flachland  zwischen  der  Donau 
und  Theiss  die  sarmatischen  lazygen  eingedrungen  zu  sein  — 
ein  Ereignis,  welches  die  Macht  der  Daken  an  der  Westseite 
schwächte:  DACI,  pulsi  ab  lazygibus  montes  et  saltus  tenent 
usque  ad  Pathissum  amnem  (Plin.).  Gleichwohl  hören  wir  von 
einem  Einfalle  der  Daken  und  Sarmaten  in  Moesien  (ca.  35, 
Suet.  Tib.  41).  —  Unter  Nero  finden  wir  den  Einfluss  der 
römischen  Macht  sehr  gefestigt,  wie  die  Inschrift  des  Ti.  Plautius 
Aelianus  lehrt  (C.  I.  XIV  n'>  3608  a.  56/57):  100.000  trans- 
danuvianische  Familien  mit  ihren  Stammeshäuptern  wurden  ans 
rechte  Ufer  gebracht  und  zur  Steucrleistung  gezwungen;  durch 
das  Eingreifen  der  Legionen  erhielten  die  Könige  der  Bastamen 
und  Rhoxolanen  ihre  Söhne,  die  Könige  der  Daken  ihre  Brüder 
aus  Feindesland  wieder  zurück.  Die  Wirren  nach  Nero's  Tode 
wurden  jedoch  von  den  Rhoxolanen,  lazygen  und  Daken  zu 
neuen  EinfUllen  ausgenützt.  Die  grossen  Kriege  der  Daken 
unter  Dekebalos,  dem  Nachfolger  des  Duras,  und  die  Unter- 
werfung des  dakischen  Landes  durch  Traianus  (107)  dürfen 
wir  übergehen,  da  hierüber  vortreffliche  Arbeiten  vorliegen^ 
ebenso  die  Zustände  dieser  Provinz  bis  auf  Gallienus  und  Aure- 
lianus;  Alles,  was  sich  an  Namen  knüpft,  wird  in  der  2.  Ab- 
handlung zur  Sprache  kommen.  Nur  Folgendes  sei  hervor- 
gehoben. 


Die  alten  Thraker.  I.  105 

Traianuß  hatte  den  Beschluss  gefasst  und  ansgefiihrt,  die 
dakische  Nation  auszurotten ;  das  Loos  der  Vernichtung  wider- 
fuhr nicht  nur  dem  königlichen  Hause  und  allen  Eldelingen, 
die  nicht  rechtzeitig  zu  den  freien  Bergstämmen  entkommen 
waren;  auch  von  den  Wehrhaften,  die  der  lange  Krieg  etwa 
verschont  hatte,  wurde  der  grösste  Theil  nach  römischem  Brauch 
in  die  Sklaverei  verkauft.  Was  sonst  übrig  blieb  (erwähnt 
werden  dakische  Reiter  ausser  Landes  unter  Hadrian,  denen 
erlaubt  war,  ihre  einheimischen  Schlachtrufe  zu  gebrauchen,  Arr. 
Tact.  44),  verfiel  in  der  zweiten  Generation  der  Roman isierung. 
Aus  der  römischen  Dacia  ist  uns  nicht  eine  einzige  dakische 
Gottheit,  nicht  ein  einziger  dakischer  Personenname  bekannt 
geworden !  Die  ins  Land  gezogenen  Colonen  kamen  vorwiegend 
aus  Kleinasien,  Thracien,  Macedonien,  Dalmatien  und  Pannonien 
—  das  dakische  Element  war  ganz  verdrängt,  und  Alles  sprach 
römisch.  Die  Namengebung  der  Ortschaften,  Berge  und  Flüsse 
lässt  sich  aber  nicht  so  leicht  verdrängen.  Der  Pinax  des 
Ptolemaeus,  der  uns  die  Dacia  Traiana  darstellt,  zeigt  uns 
neben  neuen  römischen  Castellanlagen  eine  Reihe  offener  Orte 
(dava)  aus  der  dakischen  Zeit,  sowie  einige  Reste  der  dakischen 
Stämme:  wenn  wir  nämlich  aus  den  drei  Reihen  von  ,Völker- 
schaften^,  welche  Ptolemaeus  verzeichnet,  zuerst  die  nach  Ort- 
schaften benannten  herausnehmen  (Burridavenses,  Potulatenses, 
Albocenses,  Saldenses,  Ratacenses,  Sienses,  Cotenses,  Caucoenses), 
femer  die  fremden  "AvapTot  und  Tsupicxct,  welche  durch  den  Ein- 
bruch der  lazygen  ins  dakische  Nordland  waren  verschlagen 
worden,  so  bleiben  nur  noch  drei  Stämme  übrig:  Bdrj^o',  Keiorfswoi 
und  Dti^eiYot.  Die  erstgenannten  sassen  nördlich  vom  Temesch- 
fluss  am  Westrand  der  Bergumwallung;  die  beiden  anderen  am 
linken  Donauufer  östlich  vom  Altfluss;  auf  beiden  Gebieten 
fehlen  römische  Inschriften,  die  Namen  selbst  sind  echt  dakisch; 
also  haben  sich  hier  am  längsten  dakische  Volksreste  erhalten. 

Nach  löOjährigem  Bestände  wurde  die  Provinz  von  den 
Römern  aufgegeben  —  zu  mächtig  erwies  sich  der  Ansturm 
der  germanischen  Völker,  der  Vandalen  und  Tervingen.  Doch 
gieng  die  Räumung  in  voller  Ordnung  vor  sich,  die  Legionen 
und  Provinzialen  wurden  südlich  von  der  Donau  geborgen, 
wo  eine  neue  Dacia  erstand.  Doch  darf  eingeräumt  werden, 
dass  nicht  Alles  über  den  Strom  gezogen  wurde,  und  dass  ein 


106  IV.  Abhandluug:     Tomaftchek. 

Theil  der  minderen  Bevölkerung  im  Lande  zorilckblieb  — 
Krämer,  Handwerker,  Bauern  und  Hirten  —  ein  Element,  von 
dem  sich  Reste  der  dakischen  und  römischen  Namengebung 
(z.  B.  Ampeluni,  slaw.  Omplö,  magy.  Orapoly,  Ompoy)  auf  die 
späteren  Insassen  vererben  konnte.  Die  Besitznahme  der  Dacia 
durch  die  Germanen  trägt  mehr  einen  tumultuarischen,  vorüber- 
gehenden Charakter;  dauernder  erwiesen  sich  die  Spuren  der 
slawischen  Besiedlung  in  allen  Ortsnamen;  dann  folgt  die 
ungarische  Einwanderung,  die  sächsische  und  zuletzt  die  wla- 
chische.  Jene  inferioren  römischen  Ueberbleibsel  haben  sich 
gegenüber  der  slawischen  Einwanderung  nicht  halten  können, 
sowie  im  Laufe  der  Zeiten  selbst  das  slawische  Element  ein- 
gieng.  Der  römische  Grundstock  der  wlachischen  Dialekte 
weist  mit  Nothwendigkeit  auf  eine  südlich  von  der  Donau  ge- 
legene Heimstätte  hin  und  auf  den  sermo  rusticus,  wie  er  sich 
von  400  bis  GOO  in  der  illyrisch-thrakischen  Diöcese  ent- 
wickelt  hat. 

Ausserhalb  der  römischen  Provinz  Dacia  gab  es  im  kar- 
patischen  Waldgebirge  neben  den  Bastarnen  und  Transiugitanen 
(Amra.  XVII  12;  Transmontani,  Ptol.)  unabhängige  Stämme 
dakischcr  Abkunft,  Aaxol  o'.  Trpocopo'.,  ol  bizkp  t/jv  Aax{<r/  ßapßapot 
auTovofjLot.  Wir  betrachten  zuerst  die  westlichen  Stämme,  welche 
von  der  oberen  Theiss  an  bis  zu  den  Quellen  der  Weichsel 
Sassen  und  in  diese  Sitze  durch  den  Einbruch  der  lazygen 
waren  verdrängt  worden,  gleich  den  'Avapxo^ppaxTot,  die  wir 
weit  von  den  übrigen  "AvapTci  an  den  Weichselquellen  finden; 
an  diese  schliessen  sich  die  'Apci^Tai  an,  mit  dem  Orte  *Apaöviov; 
lag  auch  noch  SsTi-^aua  in  ihrem  Gebiete,  so  dürften  wir  die 
Arsieten  mit  einigem  Rechte  ftir  einen  dakischen  Stamm  halten. 
Sicher  gilt  dies  von  den  Saßoixot,  deren  dakische  Herkunft  durch 
das  Element  -ß^xo».  (vgl.  KcTTo-ßaixoi)  erwiesen  wird.  Sie  werden 
als  Theilnehmer  am  Markomannenkrieg  erwähnt  (lul.  Capitolinus, 
M.  Aur.  22,  1 :  Bessi,  Cobotes,  d.  i.,  nach  MüllcnhoflF,  SABOCES). 
Weiter  ostwärts  sassen  die  lIisY^hat,  vielleicht  Anwohner  irgend 
eines,  Pienga  genannten,  Flusses.  Südlich  von  beiden,  mitten  im 
Karpates,  verzeichnet  der  Pinax  Bis^ac,  deren  Name  eine  dem 
dakischen  Dialekt  entsprechende  Nebenform  von  Bfjcaot  —  jenem 
grossen  thrakischen  Central volke  —  darstellt;  wie  erwähnt, 
werden  sie  im  Markomannenkriege  neben  den  Saboken  erwähnt, 


Die  alten  Thraker.  I.  107 

V 

und  zwar  in  der  classischen  Form  BESSI.  Safafik  und  Lelewel 
haben  auf  diese  dakischen  Besäen  den  Namen  des  Ortes  Besko 
und  des  Bergzuges  der  Beskyden  zurtickftihren  wollen,  was 
natürlich  sehr  unsicher  ist;  sie  sassen  jedenfalls  südlich  vom 
Dukla-Passe,  dem  Einfallsthore  der  vandalischen  Stämme,  und 
östlich  von  den  germanischen  Boupoi,  den  Nachbaren  der  lazygen; 
diese  Buren  treten  schon  unter  Dekebalos  als  Verbündete  der 
Daken  auf. 

Unmittelbar  an  der  Nordgrenze  der  Provinz  Dacia  sassen, 
neben  Anarten  und  Teuriskern,  dakische  Kocrroßtoxoi  5  an  diese 
schlössen  sich  die  Bastamen  vom  Tyras  und  weiter  südlich  die 
Rarpen  an.  Die  von  Ptolemaeus  vermerkten  Orte  Kapat-Bowa 
und  KXYjm-Sowa  dürfen  wohl  für  kostobokische  Ansiedelungen 
gelten.  Das  Element  xocto-  (mit  den  Varianten  xoitco,  xtoro-) 
wird  uns  auch  in  d«r  tlirakischen  Nomenclatur  begegnen; 
-ßü)xo^  sonst  nur  in  Sa-ßwxo».  erhalten,  erinnert  an  gael.  bocc(ot) 
,BuckeP  (z.  B.  am  Schilde)  und  an  slaw.  boktt  ,Seite,  Bergab- 
hang^  Ein  dakischer  Provinziale  (Ephem.  epigr.  V  n^  496) 
erhielt  das  Cognomen  COSTOBOCUS,  ,quod  inter  Costobocos 
nutritus  sit^  Es  gibt  sogar  Münzen  dieses  Volkes  (Eckhel,  DN. 
VI  330).  COSTOBOCI  erscheinen  in  der  Reihe  der  Völker, 
welche  sich  zur  Zeit  des  markomannischen  Krieges  an  den 
römischen  Grenzen  drohend  erhoben  hatten  (Capitol.,  M.  Aur.  22), 
neben  den  Bastamen;  in  der  That  finden  wir  die  traianische 
Provinz  unter  dem  tapferen  Statthalter  M.  Claudius  Fronte 
(ca.  170)  von  den  Barbaren  ernstlich  bedroht;  unter  seinem 
Nachfolger  Cornelius  Clemens  fielen  die  vandalischen  Azdingen 
mit  aller  Macht  über  die  Kostoboken  her  (Cass.  Dio  LXXI  12): 
'ri;v  Xüjv  Ko9TCuß(üX(i)V  yju>pccf  zoXq  otcXok;  XTT;a6[X£vot,  vwi^^avTec;  Ik  €>t6{vou?. 
xai  TY)v  AaxCov  ob^h  ySttov  eXuxouv.  Dieser  dakische  Stamm  gerieth 
also  damals  unter  die  Herrschaft  der  Vandalen;  grosse  Schaaren 
zogen  es  jedoch  vor,  Reissaus  zu  nehmen,  den  Durchzug  durch 
Dacien  und  Moesien  zu  erkämpfen  und  in  Raubbanden  auf- 
gelöst nach  Macedonien  vorzudringen.  Eine  stadtrömische  In- 
schrift (Arch.-epigr.  Mitth.  1890  XIII  189)  nennt  einen  L.  lulius 
Vehihus  Gratus  lulianus,  der  als  praep.  vexillationis  per  Achaiam 
et  Macedoniam  ,adversus  CASTABOCAS'  kämpfte.  Eine  Raub- 
schaar  drang  bis  Phokis  vor,  wo  sie  Mnesibulos  aufrieb  (165), 
wie   Paosanias    (X    34,  5    vgl.    Suid.    Xy)crTai)    berichtet:    tb    ^k 


108  IV.  Abbuddlang :    Tomaschek. 

Ko9Toßa)xü>v  Tü)v  XY]cmyai5v  ib  xai  iyik  ty^v  'EXXaSa  ^(dpa|Abv  afweto 
xal  iizi  TTjV  'EXiTeiav.  In  die  Zeit  des  Kaisers  Pins  oder  auch 
des  M.  Aurelius  Mt  wohl  jener  PIEPORUS  REX  COISSTa 
BOCENSIS,  dessen  Enkel  Natopoms  und  Drilgisa  zu  Rom  ihrer 
Grossmutter  Ziais^  Tochter  des  dakischen  Magnaten  Tiatus^ 
einen  Inschriftstein  setzten  (C.  I.  VI  n^  1801);  diese  Enkel 
waren  wohl  als  Geiseln  nach  Rom  gekommen^  und  Pieporus 
(vgl.  IIi£-9£tY0'  und  die  thrak.  Eigennamen  auf  -poris)  war  ent- 
weder ein  Grenzfeind  oder  ein  unzuverlässiger  Bundesgenosse 
der  Römer  gewesen.  Noch  später  hat  Antonius  Caracalla  den 
freien  Daken  Geiseln  abgenöthigt;  sie  wollten  unter  MacrinoB 
(208)  in  die  Provinz  einfallen,  standen  jedoch  davon  ab,  als  sie 
die  Geiseln  zurückerhielten  (Cass.  Dio  LXXVIII  27).  Die 
Kostoboken  verschwinden  seit  dem  Einbruch  der  Vandalen 
völlig  von  der  Bildflächc. 

DAC(i)  •  PETOPORIANI  werden  in  der  Tab.  Peut  an 
der  Grenze  von  Dacien  neben  den  Bastarnen  vermerkt:  es 
waren  wohl  Kostoboken  oder  auch  Karpen,  welche  zur  Zeit  der 
Antoninen  unter  einem  Fürsten,  Namens  PETO-PORUS  (vgl. 
Pie-porus)  standen  —  ob  als  Grenzfeindc,  ob  als  Verbündete 
Roms,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Die  Tabula  verzeichnet 
ferner  neben  DAGAE  oder  den  freien  Daken  über  den  Donau- 
mündungen PITI-GETAE  (GR.  Geto-Githi):  es  sind  vieUeicht 
,picti  Getae'  d.  h.  Daken,  welche  ihren  Leib  bemalen  (vgL 
Plin.  XXII  2:  apud  Dacos  mares  quoque  corpora  inscribunt; 
Vn  50). 

Kaprco-Sixat  erwähnt  Zosimus  IV  34  (a.  380)  als  Bundes- 
genossen der  Hunnen  und  germanischen  Skiren;  diese  mit 
Aoxai  zusammengesetzte  Form  erweist  den  innigen  Zusammen- 
hang der  Kapicoi  mit  der  dakischen  und  thrakischen  Nation 
(vgl.  Kap7:ou5at(ji.ov ,  Ort  im  Haemus;  und  KapicornQ?  5po?).  Als 
KaXXiTCxiSat  —  mit  gemächlich  gedehnter  skythischer  Aussprache 
—  treten  sie  schon  bei  Herodot  (IV  17)  in  der  Nähe  von  Olbia 
auf:  aiTOv  xal  G7:e{psuai  y.7\  ctTeovrat,  xsl  xp6[x{jLua  xal  ax6po3a  xal  fcoLoh^ 
xal  xsYxpoü; ;  unter  dem  Einfluss  der  Städter  hatten  sie  sich  in 
"EXXiQvsq  Sx'jOai  verwandelt.  In  der  echteren  Grundform  Kaprdiai 
verzeichnet  sie  Scymnus  'S41  als  Barbaren  zwischen  den  Donau- 
mündungen und  den  IxjOai  apoTYJpsc.  Westwärts  mochten  sie 
sich  an  den  Seret  {TidpxKoq^  *Hpacoq,   byz.  ^otporo?,  Sepeto^)   an- 


Die  alten  Thraker.  I.  109 

lehnen:  in  dieser  Lage  kennt  Ptolemaeus  das  Volk  der  "ApTuto'., 
d.  i.  eine  dialektische  Nebenform  von  KopTctot,  mit  dem  Vororte 
'Apict?  über  dem  Sumpfe  Qi<r(oka  und  den  peukinisch-keltischen 
BpcToXi^oa;  zahlreiche  Ortschaften  auf  -dava  entlang  dem  Seret 
erweisen  die  dakische  Herkunft  der  Harpier,  so  wie  der  weiter 
nordwärts  aus  einem  römischen  Bericht  eingesetzten  Kapiriavoi. 
Diese  Karpianen  mögen  an  der  Quelle  des  Prut  den  Kostoboken 
die  Hand  gereicht  haben.  Seit  dem  Markomannenkriege  traten 
auch  die  CAßPI  als  Qrenzfeinde  auf;  sie  verbreiteten  bei  ihren 
ESnfkllen  in  den  Umes  Dacicus  Schrecken  und  Flucht;  gar 
mancher  Provinziale  mochte ;  wenn  er  ihren  Händen  entgieng, 
den  Göttern  danken  (vgl.  C.  I.  IH  n^  1054  ,a  Carpis  liberatus, 
pro  Salute  sua  et  suorum').  Von  den  Donaumündungen  her 
fielen  sie  meist  in  das  benachbarte  Moesien  ein.  Unter  Maximus 
und  Balbinus  (237/38)  begann  der  gothische  Krieg  mit  der  Ein- 
nahme von  Histropolis  durch  die  Barbaren;  schon  damals  wurde 
^  Carpis  contra  Moesos'  gekämpft  (CapitoL,  16);  Dexippus  schil- 
derte weitläufig,  ä  Kiprcoi  xal  Ta  irspa  ßapßapa  sövyj  £7:pa5av  (Euagr. 
BQst.  eccl.  V  24).  Unter  Gordianus  HI.  war  in  Moesien  Statthalter 
Tullios  Menophilus  (240 — 242,  Priscus  fr.  8);  da  der  Kaiser 
den  Gothen  Jahrgeldcr  bewilligt  hatte,  forderten  solche  auch 
die  Karpen:  ifjfAsT^  y^P  xpetirove^  twv  r6T0ü>v  sopLgv  —  ohne  jedoch 
etwas  zu  erreichen.  Sie  verbanden  sich,  3000  Mann  stark,  mit 
den  Schaaren  der  Ostrogotha;  lordanes  (Get.  IG)  schildert  die 
Garpi  ab  ,genus  hominum  ad  bclla  nimis  expeditum,  qui  saepe 
fitere  Romanis  infesti^  Kaiser  Philippus  schlug  jedoch  (245) 
ihre  AngriflFe  zurück  (Zosimus  I  20:  outs;  eicl  Kip^ouq  ri^ti  xa  xepl 
tbv  "Jorpov  Xr/tffaix^oü^  eoxpaTeüae).  Die  nördlichsten  Castelle  von 
Dacia  waren  damals  schon  aufgegeben.  Unter  Decius  wurde 
zwar  Dacien  noch  gut  vertheidigt;  aber  Moesien  und  das  Haemus- 
gebiet  wurde  von  den  Gothenschaaren  des  Cniva,  denen  sich 
wiederum  Karpen  angeschlossen  hatten,  verheert;  im  Kampfe 
mit  diesen  fiel  Decius  bei  Abryttus.  Unter  Gallus  und  Gallienus 
wurden  die  pon tischen  und  ägäischen  Gestade  von  germanischen 
Piraten  beunruhigt;  die  Haemüsproviiizen  Utten  durch  die  £in- 
fiüle  der  Gothen  und  Karpen;  die  Provinz  Dacia  gicng  ver- 
loren (257).  Der  tüchtige  Kaiser  Claudius  regierte  zu  kurz, 
als  dass  seine  Heeresreform  Dacien  hätte  retten  können.  Da 
selbst   alle   Haemusläudcr   von   den  Barbaren   durchzogen    und 


110  IV.  Abhaadlang:    Tomsschek. 

verwüstet  wurden,  gab  Aurelian  diese  Proviuz  endgiltig  auf 
(271);  als  er  aus  dem  Orient  zurückkehrte  (274)^  schlug  er  in 
Tliracien  die  Grothen,  Karpen  und  Sarmaten;  unter  seinen 
Titeln  begegnet  daher  auch  Carpicus  —  er  selbst  pflegte  gering- 
schätzig Carpisculus  zu  sagen.  Unter  Diocletianus  und  Galerius 
(ca.  295)  wurden  die  äarmaten,  die  Karpen  und  die  Bastamen 
in  zahlreichen  Schlachten  gesciilagen  und  bedeutende  Reste 
dieser  Völker  in  den  Donauprovinzen,  Pannonien  und  Moesien, 
angesiedelt  (vgl.  Aur.  Vict.  Caes.  34:  Carporum  natio  translata 
omnis  in  nostrum  solum).  Wir  sehen  also,  dass  selbst  das  nörd- 
lichste Grenzvolk  des  trajanischen  Daciens,  die  Bastamen,  aus 
dem  solum  Barbaricum  vertrieben,  in  der  Romania  Aufnahme  fand; 
und  da  soll  eine  die  römische  Oultur  ruhig  weiter  fortpflianzende 
Masse  römischer  Provinzialen  im  Karpatenland  sich  weit  über 
die  Zeit  der  Völkerwanderung  hinaus  erhalten  haben?  Alle  in 
die  Romania  aufgenommenen  Nationen  verwandelten  sich  bald 
in  lateinisch  sprechende  Provinzialen;  so  auch  die  Karpen  und 
Bastarnen.  Ein  Römer  karpischer  Abkunft  war  der  in  Sopianae 
geborene  Staatsmann  Maximinus  (Amm.  Marc.  XXVU  1,  ö: 
ortus  a  posteritatc  Carporum,  quos  antiquis  excitos  sedibus 
Diocletianus  transtulcrat  in  Pannoniam).  Als  Valens  (376)  an 
der  unteren  Donau  gegen  die  Gothen  kämpfte,  lagerte  er  ,prope 
Carporum  vicum*  am  moesischen  Ufer  (id.  XXVIU  5,  5).  Jene 
Kapi:oBixat,  welche  noch  unter  Theodosius  I.  als  Genossen  der 
Hunnobulgarcn  und  Skiren  auftreten,  werden  bald  unter  diesen 
Völkern  verschwunden  sein.  Wiis  die  Bastarnen  betrifft,  so 
finden  wir  ihre  letzten  Spuren  im  Uaemns:  hier  fiihrt  noch 
Prokop  ein  moesisches,  im  Gebiet  von  Nikopoiis  gelegenes 
Castell  B37;£pv2:  an:  ein  zweites  Ciustell  BiTiefvai  gab  es  noch  in 
spätbyzantinischor  Zeit  zwischen  Iteroe  und  Lardea  an  der  Beuge 
der  Tund2a.  Mit  den  Karpon  ist  der  Kreis  der  thrakischcn  Kar- 
paten Völker  geschlossen;  AHo^,  was  mit  dem  Namen  der  römi- 
schen Provinz  l^acia  zus^immenhängt,  die  barbarischen  8t&mme 
sowohl  wie  die  riunisohen  Pri>vinzialen.  hatte  südlich  von  der* 
Donau,  in  der  1  >acia  dos  Auivlianus  und  im  Uaemns,  eine  neue 
Heimstätte  gefunden:  hier  hat  sich  auch  die  ostromanische  oder* 
,wlachisohe*  Nation  hemusirobildet.  An  dieser  Bildung  haben  die 
ver^»hietiensten  Völker  und  ^>ti&mme  tbotigvnomiuen:  der  llteast^ 
Grundstock  jedoch  gehört  unstreitig  der  thmkisohen  Nation  an« 


Die  alteu  Tbr&kor.  I.  111 

Damit  Nichts  fehle,  sei  hier  noch  an  den  Ursprung  des 
Namens  ,Wlache'  erinnert.  Die  galatischen  VOLCAE  (vgl. 
gael.  folc  ,celer,  alacer'),  welche  entlang  dem  hercynischen  und 
karpatischen  Bergzuge*  Nachbaren  der  Germanen  geworden 
waren  und  von  diesen  Valhos  genannt  wurden,  standen  den 
germanischen  Stämmen  als  ein  fremdes  und  anderssprachiges 
Volk  entgegen;  da  schliesslich  alle  volkischen  Stämme  der  Ro- 
manisierung  anheimfielen,  erhielt  jene  Bezeichnung  den  Begriff 
,Romanen^  Name  und  Begriff  fanden  im  Slawischen  Eingang: 
dieses  bezeichnet  mit  Vlahü  (pl.  Vlaäi)  jeden  ,Welschen^,  vor 
allem  jedoch  den  Ostromanen;  der  Nebenbegriff  ,Wanderhirte' 
ergibt  sich  aus  der  Thatsache,  dass  der  Ostromane  im  Mittel- 
alter vorzugsweise  als  Viehzüchter  und  Wanderhirte  auftrat. 
Sowohl  jene  Hirten,  welche  von  der  unteren  Donau  seit  dem 
11.  and  12.  Jahrhundert  in  das  Karpatenland  einwanderten, 
als  auch  jene,  welche  im  späteren  Mittelalter  dem  Zuge  des 
Karpat  folgend  bis  nach  Mähren  kamen,  wurden  Wlachen 
genannt. 

IV.  Allgemeines  über  die  Thraken. 

Das  Volk  der  Thraken  hatte  seine  Heimat  in  der  kühlen 
Hochregion  des  karpatischen  Bergzuges,  auf  dessen  Halden  es 
der  Viehzucht  oblag.  In  der  thrakischen  Namengebung  spielt, 
wie  sich  zeigen  wird,  ähnHch  wie  bei  den  Ariern  und  Griechen 
das  Ross  eine  hervorragende  Rolle;  die  Jagd  zu  Ross  bildete 
das  Hauptvergnügen  des  Nordländers.  Als  lange  nach  dem 
Abzüge  der  arischen  Nachbaren  die  Thraken  als  Eroberer  über 
den  Haemusgürtel  hinabstiegen,  fanden  sie  da  in  den  moesischen 
und  phrygischen  Stämmen  leiblich  und  sprachlich  verwandte 
Ursassen  vor,  die  sie  theils  bewältigten,  thcils  bei  Seite  schoben 
und  zur  ägäischen  Küste  drängten;  der  Thrakenname  —  un- 
gewiss, wie  zu  deuten  —  wurde  vom  Bosporus  bis  zum  Strymon 
allherrschend;  selbst  die  ,hohe'  Samos  erhielt  den  Beinamen 
Opii'txfri,    und  der   nördliche  Theil  des   ägäischen  Beckens  hiess 


'  Beachtung  venlient  eiue  von  R.  Mucb  (in  Sievor's  Beiträgen  z.  Gesch. 
d.  d.  Spr.  XVll.  Bd.,  S.  12)  vorgebrachte  Ansicht,  wonach  die  Wohn- 
ritze der  Volken  auf  das  Marchland  beschränkt  und  volkische  Händler 
die  Träger  des  Handelsverkehrs  zwischen  8üd  und  Nord  waren  —  daher 
die  allgemeine  Bekanntschaft  ihres  Namens  bei  den  Deutscheu. 


112  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

fortan  9pifjt)Wo<;  tcövto?,  xb  TceXorfo^  Vo  6piQfx(ov,  Bponua  'OiXoovz. 
Sogar  als  Piraten  mögen  die  Thraken  einst  aufgetreten  sein; 
an  Schiffsbauholz  war  ihr  Bergland  reich,  und  es  wird  von 
einer  ,thrakischen  Thalassokratie*  gesprochen,  wie  von  Piraten- 
ziigen  nach  Naxos.  Aber  den  Seevölkern  des  Südens  waren 
hierin  die  thrakischen  Noraaden  doch  nicht  gewachsen,  und  in 
historischer  Zeit  blieb  die  Thätigkcit  derselben  durchaus  auf 
das  Festland  beschränkt.  Während  die  Eroberer  als  Vieh- 
züchter, Jäger  und  Krieger  in  der  Cultur  eine  primitive  Stufe 
einnahmen  —  die  Geschichte  bietet  Beispiele  genug  von  No- 
madenstämmen,  welche  höher  stehende  Völker  überfiuthet 
haben  — ,  standen  die  Untergebenen  thcils  infolge  eigener 
Thätigkcit  auf  dem  milderen  und  culturfreundUcheren  Böden, 
theils  infolge  inniger  Berührungen  mit  der  vom  Orient  stark 
beeinflussten  lelegisch-pelasgischen  Völkerwelt,  bereits  auf  einer 
relativ  höher  entwickelten  Stufe;  man  kann  sagen:  Boden- 
wirthschaft,  Bergbau,  Handwerk  und  Verkehr  lagen  in  den 
Händen  der  älteren  Landesbewohncr.  Der  Gegensatz  zwischen 
den  beiden  Bevölkerungsschichten  Thrakcs  spricht  sich  am 
dcutUchstcn  in  den  mythologischen  Gebilden  aus:  während  die 
ägäischen  Küstenstämme  mit  ihren  orgiastischen  Culten  sich 
innig  an  die  nach  Kleinasien  ausgewanderten  Brudersippen  an- 
schUessen,  zeigt  die  Sagenwelt  der  Thraken  grössere  Verwandt- 
schaft mit  jener  der  nordischen  Völker,  namentlich  der  Ger- 
manen; doch  lässt  sich  eine  endliche  Ausgleichung  auch  auf 
diesem  Gebiete  an  der  Geschichte  des  dionysischen  Cultes  ver- 
folgen, wobei  sich  die  Thraken  als  der  empfangende  Theil 
zeigen. 

Vielen  Forschern,  zumal  W.  Heibig  (Das  homerische  Epos 
aus  den  Denkmälern  erläutert,  1884,  S.  4  ff.),  war  es  aufgefallen, 
dass  das  Epos  die  Thraken  in  Hinsicht  auf  Bewa£Ehung  und 
materielle  Cultur  als  den  Acliaicrn  ebenbürtig  behandelt.  Wiö 
die  Achaier,  so  kämpfen  die  ,thrakisehen^  Bundesgenossen  der 
Troer  auf  Streitwagen,  sie  tragen  die  gleiche  eherne  und  reich- 
verzierte Rüstung,  die  gleichen  Helme,  sowie  lange  auf  Hiel^ 
und  Stich  berechnete  Schwerter;  selbst  von  einem  herrlicheim 
thrakischen  Becher  ist  die  Rede;  von  der  musischen  Begabung 
legt  der  Thrakc  Thauiyras  Zeugniss  ab.  Die  Phoeniker  hattea 
einst    die    Metallschätze    des   Pangaios    und    von   Thasos    ans' 


Die  alt«D  Thnker  t.«  113 

gebeutet;  vielleicht  gieng  ihre  Metalltechnik  auf  die  Thraken  über, 
and  konnteD  phoenikische  Fabrikate  als  thrakische  in  Umlauf 
kommen;  zwischen  der  thrakischen  Küste  und  den  klein- 
asiatischen Griechenstädten  fand  bereits  im  homerischen  Zeit- 
alter ein  reger  Verkehr  statt.  Unmöglich  konnten  daher  die 
Sänger  die  Zustände  der  wohlbekannten  Thraken  dichterisch 
idealisirt  haben!  Wie  verschieden  von  diesem  älteren  Cultur- 
stande  zeigen  sich  später  die  ökonomischen  Zustände  und  die 
Gesittung  der  rohen,  der  Trunksucht  völlig  ergebenen  thrakischen 
Stämme!  Offenbar  war,  meint  Heibig  (S.  9),  die  alte  ,thrakische^ 
Cultur  eine  ,kurzlebige  Treibhauspflanze'  gewesen,  welche  die 
orientalische  CiviUsation  der  Phocniker,  die  bloss  friedUchen 
Tauschhandel  getrieben  hatten,  ins  Leben  rief;  dieses  Gewächs 
wurde  aber  in  seiner  Entwicklung  gehemmt,  als  die  Phoeniker 
ausblieben,  und  erstickt  von  der  aufschiessenden  Macht  der 
Griechen,  welche  auf  der  thrakischen  Küste  Ackerbaucolonien 
gründeten  und  unter  Kämpfen  stetig  an  Boden  gewannen.  So 
verfielen  die  Thraken  wiederum  in  einen  barbarischen  Zustand, 
ähnlich  wie  die  Irländer,  die  einst  Culturträger  waren,  später 
aber  zu  Heloten  herabsanken.  Wir  müssen  von  unserem  Stand- 
punkt aus  Folgendes  bemerken.  Die  Cultur  der  binnenländischen 
Thraken  war  sich  vom  Anbeginn  bis  in  die  hellenistische  Zeit 
gleich  geblieben;  sie  trug  stets  den  Charakter  der  Rohheit  der 
altindogermanischen  Zustände;  nur  der  knegerische  Sinn  und 
die  kräftige  Phyäis  zeichneten  den  echten  Thraken  allezeit  aus 
und  befähigten  jhn  zur  Rolle  eines  Eroberers.  Der  höhere 
Stand  der  Civilisatiou  der  homerischen  Thraken  gilt  einzig  und 
allein  ftlr  die  höher  gesitteten  Küstenstämme  phrygischer  Ab- 
kunft; es  war  eben  die  höhere  geistige  Begabung  und  der 
bessere  Culturstand,  was  diese  Stämme  schliesslich  dem 
Hellenismus  zuführte,  der  hier  nicht  bloss  eine  auflösende, 
sondern  auch  eine  befruchtende  Thätigkeit  entfaltet  hat. 

Der  Thrake  blieb  allezeit  angestrengter  schaffender  Thätig- 
keit abhold;  seine  Losung  war  der  Krieg,  seine  Lust  die  Jagd, 
seine  Sorge  das  Ross;  Bodenanbau,  Gewerbe  und  niedere  Han- 
thierungen überliess  er  den  Untergebenen;  ft\r  edelgeboren 
{frfynot,  thrak.  i;tßüO{S£(;)  galten  ihm  nur  die  Söhne  des  Mars, 
das  Handwerk  verachtete  er  (Hdt.  H  167);  oder,  wie  Herodot 
an  anderer  Stelle  (V  6)  sich  ausdrückt,  ,sein  Liebstes  ist,  von 

SUxaii«sb«r.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVIU.  Bd.  4.  Abh.  S 


114  [V.   Abhandlung:    Toinaschek. 

Krieg  und  Raub  leben;  nichts  zu  arbeiten  gilt  ihm  für  hoch- 
anständig, Feld  bauen  für  ehrlos  (ap^bv  sivai  xiXXiorov,  •fiq  Ik 
spYaTYjv  dcTijxcTaTov)^  —  hierin  glich  er  also  dem  Bastarnen,  auch 
wohl  dem  kriegerischen  Germanen.  Auf  Ausbeutung  der  Unter- 
gebenen beruhte  das  Wesen  der  odrvsischen  Fürsten ;  offenherzig 
gestand  Seuthes:  ,Ich  lebe  von  dem,  was  ich  mit  meinem  Kriegs- 
volk auf  dem  mir  vom  Vater  hinterlassenen  Gebiete  erbeute.' 
Dass  voreinst  auf  dem  Boden  Thrakes  grosse  innere  Reibungen 
stattgefunden  haben,  Verschiebungen  von  Stämmen,  ja  völlige 
Vernichtungskämpfe  —  das  bezeugen  die  wiederholten  Auszüge 
von  Stummen  und  Völkern  nach  dem  kleinasiatischen  Süden. 
Auf  dem  Tummelplatz  des  Ares  gab  es  keine  Einigkeit  der 
Völker;  wo  sich  Staatswesen  bildeten,  wie  bei  den  Odrysen  und 
Daken,  wurden  sie  mit  Gewalt  zusammengehalten,  und  sie  haben 
niemals  die  ganze  Nation  umfasst.  Und  doch  wurde  die  Grösse 
und  Ausdehnung  dieser  Nation  gefühlt  und  erkannt:  Manchem 
erschien  Thrake  als  eigener  Erdtheil  neben  Europa,  als  ein 
Viertel  der  Erde;  Herodot  (V  3)  gibt  seine  Meinung  folgender- 
massen  kund:  ,Das  Volk  der  Thraken  ist  nach  den  Indiern 
unter  allen  Völkern  das  grösste;  wenn  es  zusammenhielte  oder 
einen  Herrn  hätte,  so  wäre  es  unbekämpfbar  und  bei  weitem 
das  mächtigste  —  aber,  weil  es  ihnen  dahin  zu  kommen  un- 
möglich ist,  so  sind  sie  demgemäss  auch  schwach.  Ihre  Bräuche 
sind  aber  so  ziemlich  dieselben,  obwohl  sie  in  eine  grosse 
Anzahl  von  Stämmen  zerfallen.*  Aehnlich  spricht  sich  Pau- 
sanias  aus  (19,5):  ,Die  Thraken  zusanmiengenommen  sind  das 
zaldreichste  aller  Völker,  mit  Ausnalime  der  Kelten,  wenn  man 
sie  als  Nation  den  anderen  Nationen  gegenüberstellt;  deshalb 
hat  wohl  vor  den  Römern  Niemand  die  gesammten  Thraken 
unterworfen:  den  Römern  aber  ist  jetzt  ganz  Thrake  unterthan.' 
Die  Odrysen  hatten  unter  Sitalkas  ein  Heer  von  150.000  Mann 
aufgestellt,  davon  ein  Drittel  Reiter  (Thuc.  II  98);  die  Daken 
unter  Boirebistas  stellten  eine  Armee  von  200.000  Mann  auf. 
Nach  Strabo  bestand  das  Thrakenland  südlich  von  der  Donau 
aus  22  Völkerschaften  und  vermochte,  wenngleich  ausser- 
ordentlich erschöpft,  200.000  Fussgänger  und  15.000  Reiter  zu 
stellen.  Auch  Plinius  reclmet  die  Tliraken  ,inter  validissimas 
Europae  gentes'  und  spricht  von  50  Strategien  oder  Volks- 
bezirken. 


Die  alten  Thraker.  I.  115 

Unbestritten    blieb    allezeit     der    kriegerische    Sinn    der 
Thraken  und  ihre  Verwendbarkeit  zum  Heeresdienst.    Die  Dier 
der  Rhodope  fochten  in  geschlossenen  Reihen  und  wussten  sich 
bei  Reiterangriflfen  regelrecht  zu  vertheidigen ;  von  den  Skythen 
sollen  die  nördHchen  Thraken  (Geten)  die  keilförmige  Schlacht- 
ordnung gelernt  haben  (Arr.  Tact.  16,  6).    Thrakische  Söldner 
kämpften    in    den   Heeren    der  Epigonen:    und    wie   stark   die 
Römer  die  Thrakenstämme,  zumal  die  Bossen,   zum  Legionen- 
dienst  herangezogen  haben,    davon  legen  die  Inschriftsteine  in 
allen  Reichsprovinzen  Zeugniss  ab.    In  einer  Beschreibung  des 
römischen  Reiches  heisst  es:  Thracia  provincia,  dives  in  fructi- 
bus et   maximos   habens  viros  et  fortcs  in  hello,   propter  quod 
et  frequentes  in  de  milites  tolluntur.     Noch  K«üser  Justinian  er- 
geht  sich    darüber   in    rühmenden    Worten   (Nov.   26   a.  635): 
ex£;vo  Toiv  av(i)|/.oXoYiQ(JL£V(i)v  ecriv,    oii  i:e.p  iX  ti?  Ttjv  6paxü)V   ovofAötceis 
X(i>pav,    euöu^   ouveiaepy^STat  to)   X^y*!*   ^^^  '^^^    avBp£{a(;  xxl   aTportwTtxou 
xAi^doü^  xal  TCoXe|jui)v  xal  j^a/r^;  svvotot.     Wir  fügen  hier  eine  pane- 
gyrische Schilderung  des  thrakischen  Lebens  aus  dem  Gedichte 
des  Sidonius   an  den  Thraken  Anthemius  an:    Rhodopam  quae 
portat  et  Haemum,  |  Thracum  terra  tua  est,  hcroum  fertilis  ora. 
I  excipit   hie   natos   glaeies   et  matris   ab   alvo  |  artus  infantum 
molles  nix  civica    durat;  |  pcctore  vix  alitur  quisquam,   sed  ab 
ubere  tractus  |  plus  potat  per  vulnus  equum:    sie  lacte  reUcto  | 
virtutem  gens  tota  tibit;  crcvcrc  parumper,  |  mox  pugnam  ludunt 
iaculis;    hos   suggerit  illis  |  nutrix  plaga  iocos;    pueri   venatibus 
apti  I  lustra    feris    vacuant;    rapto    ditata    iuvcntus  |  iura    colit 
gladii;    cosummatamque   senectam  {  non  ferro  tinire  pudet:   tali 
ordine  vitae  (  cives   Martis  agunt!  —  Wir   wollen   uns   dieses 
Leben  etwas  näher  betrachten. 

Die  griechischen  Aerzte  und  Physioguomiker  reihen  die 
Thraken  in  Bezug  auf  Haut  und  Haar  den  nordischen  Völkern, 
Skythen  und  Kelten,  au.  Die  Nordvölker  gelten  seit  Aristoteles 
flir  ixaXotyi-,  eüOü-,  Xsttcc-  und  -^lüppo-Tpi^s?  j  bei  Dichtern  finden 
wir  auch  die  Praedicato  ^avOot,  flavi;  so  heisscn  z.  B.  die  bi- 
stonischen Frauen  AP.  VH  10  5avOa(,  die  gotischen  Coralli  bei 
Ov.  ex  Ponte  IV  2,  37  flavi.  Was  die  Haartracht  bctriflft,  so 
kämmten  die  Thraken  ihr  langes  Haar  nach  rückwärts  und 
banden  es  entweder  am  Scheitel  zu  einem  Schöpfe  zusammen 
oder  Hessen   den   Haarbusch   herabwallen;   ohne   alle  Ordnung 

8* 


116  IV.  Ablumdlaog:    Tomaschek. 

Hessen  die  Geten  ihr  struppiges  Haar  hängen.  Auf  der  Bühne 
erschienen  die  Tliraken  als  öbtpoxcjxat  (Pollux  H  28)  und  oÄXP^ijpc- 
xofjwit  (Anaxandrides  ap.  Athen.  IV  p.  131);  in  dieser  Tracht 
erscheinen  bereits  die  homerischen  Abanten  auf  Euboia^  was 
die  Alten  seit  Aristoteles  veranlasst  haben  mag;  in  ihnen  ein 
thrakisches  Volk  zu  erblicken,  Iiol  to  xopifv  toc  2hna6sv  t^  QpcpJxä 
vofxci)  (Eust.  ad  Dion.  per.  520).  —  Was  die  Haut  betrifft,  so 
schreibt  Galenus  (I  p.  627)  den  Kelten  und  Germanen  xal  icovr«) 
Bpaxio)  xe  xal  ^xuOixo)  "^hei  <]n;xpov  %a\  uyph^  Tb  iip[ka  xal  8ia  xouto 
(jiaXaxöv  te  xal  Xeuxbv  xal  tj/cXcv  Tpi/o^v  zu;  ihre  Haut  neigt  zum 
Fettansatz,  als  7ut(jLsAa)§£(;  erscheinen  nicht  bloss  alle  Kelten  und 
die  kleinasiatischen  Galater,  sondern  auch  QpänLtq  xal  BtOuvoC 
(XI  p.  513).  Als  Gegensatz  zu  den  dunkelhäutigen  Aethiopen 
stellte  die  lichtgefärbten  Thraken  bereits  Xenophanes  hin,  als 
er  darauf  hinwies,  dass  jedes  Volk  seine  Götter  nach  seiner 
eigenen  Leibesbeschaffenheit  sich  bilde,  AJMozi^  te  (asXovjc^  oijiou^ 
T6,  9paxe^  T£  Tcuppolx;  xal  •{>^(xm%o()^  (Clem.  Alex.  Strom.  VII  p.  302 
Sylb.,  Theodoret.  IH  p.  519)  —  wobei  irupp6<;  sowohl  auf  die 
röthhche  Hautfarbe  wie  auf  das  röthUche  Haar  bezogen  werden 
darf.  Ebenso  wirft  lul.  Firmicus  I  1  die  Frage  auf:  cur  omnes 
in  Aethiopia  nigri,  in  Thracia  rubri  procreantur?  Die  Griechen 
nahmen  eine  Mittelstellung  ein,  der  nordländische  Typus  war 
bei  ihnen  bereits  stark  verwischt.  Auf  die  Schädelform  haben 
die  Alten  bekanntlich  noch  nicht  Rücksicht  genommen;  den 
heutigen  Ostromanen  ist  im  Durchschnitt  die  Mittelform,  der 
mesokephale  Typus,  eigen;  die  Armenier  sind  brachykephal, 
wie  alle  Kleinasiaten,  was  als  Folge  einer  langandauemden  und 
durchgreifenden  Mischung  mit  dem  Aboriginerelemente  betrachtet 
werden  darf.  Ucbcr  die  Schädelform  der  Thraken  werden  wir 
erst  urtheilen  können,  wenn  sich  einmal  in  einem  Tumulus  so- 
matische Uebcrreste  vorfinden  werden. 

Der  uralte  barbarische  Brauch,  die  Haut  mit  Farben  zu 
ätzen,  war  den  meisten  thrakischen  Stämmen  eigen,  etwa  bis 
in  die  römische  Zeit  hinein,  wo  die  Nachrichten  hierüber  fast 
aufhören.  Ihm  huldigten  im  thrakischen  Stammland  die  Aga- 
thyrsen.  Mela  berichtet:  Agathyrsi  ora  artusque  pingunt,  ut 
quisque  maioribus  praestat,  ita  magis  aut  minus,  ceterum  iisdem 
omnes  notis  et  sie,  ut  ablui  nequeant;  ebenso  Amm.  Marc. 
XXII  8,  30:  interstincti  colore  caeruleo  corpora  simul  et  crinesy 


Die  alten  Thraker.  I.  117 

et  humiles  qaidem  minutis  atque  raris,  nobiles  vero  latis  fucatis 
et  densioribus  notis.  Sie  heissen  darum  bei  Verg.  Aen.  IV  146 
picti  (vgl.  TP.  PITI  •  GETAE),  was  von  den  Erklärern  meist  auf 
das  Haar  bezogen  wird:  cyanea  coma  placentes  (Serv.),  caeru- 
leo  capillo  Agathyrsi  (Plin.),  caeruleo  picti  colore^  fucatis  in 
caeruleum  crinibus  (Solin.).  Die  angeborene  Blondheit  des 
Haares  scheint,  weil  im  Volke  allgemein  verbreitet,  flir  gemein 
und  unedel  gegolten  zu  haben;  die  Edelinge  färbten  sich  darum 
ihr  Haar  stahlblau.  Die  Leibesbemalung  gieng  auf  die  Daken 
über:  apud  Dacos  mares  quoque  corpora  inscribunt  (Plin.  XXn2): 
quarto  partu  Dacorum  originis  nota  in  bracchio  redditur  (VH 
50).  Noch  im  vorigen  Jahrhunderte  wusste  der  Türke  Had2i- 
Chalfa  (Sitzungsber.  d.  kais.  Akad.  XL  S.  570),  dass  die  Woj- 
woden  der  Moldau  ihren  Söhnen  eine  eigene  Marke  einätzen 
liessen,  um  sie  als  ,Herrensöhne'  (bej-zäde)  für  immer  kenntlich 
zu  machen.  —  Callistratus  (ap.  Athen.  XH  p.  524)  hat  wiU- 
kürlich  pragmatisiert,  wenn  er  die  Tätowierung  der  Thrakerinnen 
als  einen  von  den  Skythen  ausgehenden  Brauch  hinstellt,  der 
ftir  ein  Zeichen  der  Knechtschaft  gegolten  habe  und  erst  später 
zu  einem  >t6ajxO(;  geworden  sei.  Allerdings  waren  die  aus  den 
pontischen  Colonien  bezogenen  getischen  Sklaven  tätowiert,  weil 
auch  Kinder  von  Edelingen  in  die  Sklaverei  verkauft  wurden; 
die  Tätowierung  aber  galt  als  ein  Vorrecht  des  Adels.  So  lassen 
sich  die  Nachrichten  vereinigen:  soril^ovTo  irapa  loT;  0pa$lv  ol  eu^eveT^ 
^caTSe^,  xapa  8s  tcT;  Yixau;  ol  SoöXot  (Artemidorus  Onirocr.  I  9); 
ol  xapa  TW  'IffTpü)  oiXÄÖvTei;  aT'XovTat  (Hesych.  v.  Icrcptova  (xeTtoxa); 
vor  allem  gilt  aber  Herodot's  Zeugniss  (V  6):  xb  [x^v  daxt^Oat 
^TfVikq  xixptTat,  t^  Ik  aaTtxTov  ÄYevvd^.  Vornehmlich  die  Weiber 
Hebten  das  Bemaltsein,  wie  der  Rhetor  Dio  Chrysostomus  angibt: 
kü^pocMi^  oi5v  ^v  OpaxY)  Ta<;  Y^vaixa?  Ta(;  iXsuÖEpai;  ortYlAa^wv  jxeora^  xal 
tojouTü)  icXefova  lyp'na^  GrCYM^axa  x.at  xoixtX^Tspa,  Saw  äv  ßsXtiou^  xal 
ex  ßsXTtivwv  Jcxoöai;  Nach  Phanokles  soll  die  Zerreissung  des 
Orpheus  durch  thrakische  Bakchantinnen  die  Thraken  veran- 
lasst haben,  dass  sie  fi;  aXö^ou;  loriljov,  Tv'  iv  /pol  aY^iAor' 
^Xouaai  I  xüovea  oiuYspou  |jlyj  XeXaöoivro  fovou.  Das  oriljetv  geschah, 
wie  Callistratus  angibt,  mit  Nadeln:  £i:o(xiXXov  za  awfjLata,  7cep6vai^ 
YpofJjv  evstaai;  nach  dem  Epigramm  der  AP.  VH  10  haben  die 
bistonischen  Frauen  den  Tod  des  Orpheus  beweint  und  aus 
Leid  sich  die  Arme  tätowiert,  indem  sie  durch  die  Haut  Nadeln 


118  IV.  Abhandlung:    Tomascbek. 

zogen,    deren   Fäden   mit  Russ   imprilgniert   waren:    otixtou?  5' 
i^jfxa^ovTo    ^poi'/io'^aq^    apL^tpieÄatvY)  {  SeuöfjLevat  oiro^iY]  6pT]t)ciov  zX6xa{i.ov. 
So   ätzen   sich   noch  jetzt  die  Weiber  der  Tungusen  die  Haut 
ihrer  Stime,  ihrer  Wangen,  des  Kinns  und  der  Arme  mit  Boss. 
Die  Kleidung   bestand    vorwiegend  aus  grobem  Hanfzeug 
und   darüber  geworfenen  Fellen.     Der  Hanfanbau  wurde  sehr 
gepflegt,  und  xöcvvaßtc  scheint  urspriingKch  ein  thrakisches  Wort 
gewesen  zu  sein  (s.  d.  Glossen);  Hcrodot  berichtet  (IV  74  vgl. 
Hesych.):  £a  xavvaßtoc  Bpi^ixe^  |X£V  xai  eTixot«  xotsuvtat,  ToTat  Xtv^ot« 
ojxoi^iaTa  etc.     Diese  feineren  Hanfzeuge,  mit  Hilfe  eines  primi- 
tiven Webstuhles  gewoben,  wurden  mit  Pflanzenfarben  allerart 
bunt   gefärbt   oder   mit  bunter   Stickerei   ausgenäht:   ol   Bpcos; 
7C0tx(Xai;    i'i^fjtQi    xpwviai    (Hesych.);    die    lang    herabwallenden 
ßaaaipai  der  Bakchen  waren  bunt,  nicht  selten  auch  mit  kleinen 
Goldflinsen  belegt  —  solche  Gewänder  tragen  in  antiken  Dar- 
stellungen Orpheus,   Thamyris   und  Dionysos  selbst;    es  waren 
Fabrikate   der  Siidstämmo,    zumal    der  Edonen,    IBwva  \[ukv.2. 
Witzig  sagte  Aeschylus  vom  bunten  Wiedehopf,  er  habe  einen 
thrakischen  Waff*enrock  an.    In  missduftende  Schafpelze  waren 
die  nördlicheren  Thraken,  z.  B.  die  Bossen  und  Geten,  gehüUt; 
sie  heissen  darum  pelliti.    Langärmel  ige  Kittel  tragen  die  Daken 
auf  den  Standbildern,  ebenso  weite  Hosen,  laxae  braccae,  gleich 
den   Geten.     Der   Filzhut    gehörte    zur  Tracht    der    dakischen 
Priester  und  Edelinge  (s.  d.  Glosse  tarabostei,   7:tÄOf6pot).     Den 
Fuss   schlitzten  Ledersandalen    oder  dicke  Filzsohlen,    d[j.ßa5e?  • 
svrceXI^  [xev  to  U7:65r<|xa,    Bpaxiov  Be  tb  £jpY;|xa,    tyjv  5s  llioa  xo06pv9i( 
TaiuetvoT;  eotxev  (Pollux  II  85).    Entsprechend  dem  kühleren  Klima 
und  den  rauhen  Temperatursprüngen  kleidete  man  sich  warm, 
selbst  in  Bithynien.     Xenophon  sagt:   ,l)ie  Thraken  hüllen  um 
Kopf  und  Ohren  Fuchspelze;  ihre  Leibröcke  bedecken  auch  die 
Schenkel;    der  Kälte   wegen   tragen  sie  zu  Pferde  statt  kurzer 
Wamse  Reitermäntel  (l^eipaq),  welche   bis  auf  die  Füsse    herab- 
reichen.^     Schon  Herodot  beschreibt  uns  die  Tracht  der  bithy- 
nischen  Thraken   im  Heere    des  Xerxes   (VII  75):   exl  jjl^v  ttJ« 
xe^aXi^Gi  aXdüTztyLiaq  l^ovieq  eorpaTeiovro,  Tuspl  Bs  Tb  (7(o|xa  xi0c5va^,  ewt  8^ 
^etpai;   ireptßsßXrjfjisvoi   xoixiXa^,    rspl  Be  to*j(;  7:5oa;  t£  xal  t«^   xvi^{jLa^ 
Tzi^ikoL  veßpwv  (vgl.  die  Glossen  eßyjvot  und  ^eipä).     Weit  leichter 
war  die  Sommertracht   der   dakischen  Krieger:   ein   gegürtetes 
Wams   mit   einem   über  die  Schulter   geworfenen  Mantel,   den 


Pio  alten  Thraker.  I.  119 

eine  Fibel  festhält.  Erinnert  sei  noch  an  den  ständigen  Typus 
des  thrakischen  Reiters  und  Jägers  in  Wams,  flatternder  Chlamys, 
Pelzmütze  und  Ledersehuhen,  den  Jagdspiess  in  der  Rechten, 
den  Pferdezügel  in  der  Linken,  und  den  Hund  hinterher. 

In  der  Bewaffnung  waren,  wie  bereits  erwähnt,  schon  zu 
Homer's  Zeiten  die  Thraken  den  Achaiern  ebenbürtig;  schon 
damals  stand  das  thrakische  Schwert  (;i<po;  D.  XXIII  808, 
(pisYovov  XIII  577)  in  gutem  Rufe.  Sollen  die  Phöniker  den 
Thraken  alle  Waffenstücke  geliefert  haben?  Dürfen  wir  nicht 
vielmehr  an  Erzeugnisse  einheimischer  Schmiede  denken?  In 
der  phrygischen  Sage  treten  die  metallurgischen  Daktylen  KeXfjits 
oder  ilxeX[xt<;  (,Schürfer,  Gräber*),  Aa{i.vai^.£vs'j<;  (,Bläser*)  und 
"AxfjLwv  (,Ambos'  aus  Kiesel,  dann  aus  Stahl)  nebst  AsXXa;  (dem 
ySpalter,  Schmelzer')  bedeutungsvoll  hervor,  und  die  Anfiinge 
der  Erzbearbeitung  wird  die  phrygische  Nation  schon  in  ihrer 
erzreichen  europäischen  Htnmat  sich  eigen  gemacht  haben ;  von 
den  thrakischen  Stämmen  liaben  namentlich  die  Dessen  Erze 
aller  Art  zutage  gefördert  und  verarbeitet ;  so  konnten  denn  noch 
zu  Thukydides'  Zeit  die  Dier  der  Rhodope  als  jjiaj^aipo^opot  auf- 
treten; als  thrakischer  Ausdruck  für  die  [Aa^aipa  wird  axaX[ji.Y; 
überliefert.  Die  Thraken  kannten  auch  schon  den  , Krummsäbel*, 
apTOQ  •  \}.i'/jxiz%  xaixTCuXr^,  Bpaxwv  eupscTK;  (Clem.  Alex.  Strom.  I  p.  307) 
oder  sica  *  0pax.txbv  ^{^s^  £7:iy,a|x7:£;  (Gloss.  Labb.),  die  falx  supina 
(luv.)  der  dakischen  Sichel  träger.  Speer,  Spiess  und  Lanze 
gehörten  gleichfalls  zur  thrakischen  Bewaffnung  (vgl.  die  Glossen 
Xo^x^Q;  ffopiasa  und  besonders  popi^ata);  die  d%:vTta  werden 
namentUch  den  Bithynen  und  den  illyrischen  Agrianen  beigelegt, 
den  ersteren  auch  Dolche  (i^xeipiSta  [xixpa,  SoXwve;).  Dass  daneben 
Bogen  (mit  Pferdesehnen)  und  Pfeile  ihre  uralte  Rolle  nicht 
verloren  hatten,  versteht  sich  von  selbst;  als  Bogenschützen  zu 
Fuss  (To^i^Tai)  wie  zu  Pferde  (k^roTö^oTai)  treten  die  Odrysen, 
Geten  und  Daken  auf;  diesen  war  auch  der  Brauch  eigen,  die 
Pfeilspitzen  zu  vergiften  —  sie  sollen  dazu  den  Saft  von  Alant 
(inula  helenium,  Galen.  XIV  p.  244)  verwendet  haben.  Ausser 
Bogenschützen,  Sichelträgern  und  Speerwerfern  zeigt  uns  die 
Trajanssäule  auch  Steinschleuderer.  Die  odrysischcn  und  ge- 
tischen  Reiter  im  Heere  des  Sitalkas,  die  dakischen  im  Heere 
des  Dekebalos,  waren  gepanzert  —  es  waren  entweder  Platten- 
oder,  wie   bei  den  Sarmaten,   Schuppenpanzer.     Auch   Helme 


120  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

und  Schilde  (galeae  ac  scuta,  Plin.  XVI  144)  fehlten  nicht; 
namentlich  werden  die  thrakischen  "X^ppo^,  wapjAat  und  wdXTat  er- 
wähnt, und  die  iceXta  galt  flir  ein  eüpr^iAa  6paxc5v  (s.  d.  Gl.); 
wenn  die  Thraken  flohen,  warfen  sie  den  Schild  auf  den  Rücken 
(Xen.).  Die  Daken  brachten  es  sogar  zu  einem  eigenen  Feld- 
zeichen, der  Drachenfahne,  deren  Aussehen  uns  sowohl  aus  der 
Abbildung  der  Trajanssäule  wie  aus  alten  Schilderungen  (Suid. 
V.  oTifAsTa  SxuOixa  *  ufaaixaTa  ßo^YJ  TSTcoixiXjx^va;  Arr.  Tact.  36,  3: 
ext  xovTöv  5piAovT6(;  axatpoujxsvct  etc.;  Amm.  Marc.  XVI  10:  pur- 
pureis subteminibus  texti  dracones,  hastarum  summitatibus  illi- 
gati,  hiatu  vasto  pcrflabiles  et  ideo  velut  ira  perciti  sibilantes 
caudarumque  volumina  reUnqucntes  in  ventum)  genugsam  be- 
kannt ist;  Hadrian  gestattete  dieses  nationale  Abzeichen  den 
ausser  Landes  verwendeten  dakischen  Schwadronen.  Der 
homerische  Kriegswagen,  auf  dem  noch  der  Thrake  Rhesos  fiihr 
und  dessen  sich  die  Kikoncn  auf  ihrem  ebenen  Boden  wohl 
bedienen  konnten,  kam  nachmals  ausser  Gebrauch.  Erwähnt 
sei  noch  die  geschätzte  eiserne  Axt  der  Thraken  (su^oaCplei  icsXsxu; 
9paxt>t6(;,  Pollux  I  149),  wiederum  ein  Beweis  für  die  Metall- 
technik des  Rhodopelandes,  welche  mit  jener  der  Lakonen  vom 
Taygetus  rivahsieren  durfte.  Mit  der  Bewaffnung  der  thrakischen 
Eroberer  stand  es  demnach  auch  in  historischer  Zeit  nicht  schlecht 
Die  Wohnorte  der  Thraken  waren  sehr  verschieden;  wir 
finden  alle  Formen,  von  der  Hühlenwohnung  des  Troglodyten 
bis  zur  gut  verschanzten  Vestc,  vom  Viehgehöfte  des  Senners 
und  vom  Fischerpfahldorf  bis  zur  offenen  Stadt,  dem  Knoten- 
punkt des  Verkehrs.  Die  Sitze  der  Troglodyten  an  der  unteren 
Donau  haben  wir  bereits  erwähnt,  ebenso  die  paionischen  Pfahl- 
bauten am  Prasias  —  vielleicht  hal)en  hier  eigentUch  edonische 
Leute  gehaust,  da  [xocctjv  (s.  d.  Gl.)  phrygischen  Ursprung  ver- 
räth.  Herodot's  Zeugniss  über  jene  Fischerwohnungen  (V  16) 
ist  allen  Forschern  zu  sehr  bekannt,  als  dass  wir  es  wörtlich 
anflihren  und  erläutern  sollten;  erwähnt  sei  nur,  dass  man  dort 
sogar  Rindern  und  Schafen  Fische  zur  Nahrung  gab;  die  am 
unteren  Strymon  gesäete  Gerste  war  ob  ihres  schlechten  Ge- 
schmacks und  Geruchs  berüchtigt  —  Pferde  und  Rinder, 
Schweine  und  Hunde  verschmähten  sie,  nicht  aber  der  Mensch 
(Mirab.  ausc.  116),  der  in  Zeiten  der  Noth  sogar  mit  einem 
Brote  aus  den  Nüssen  des  TpißoXo?  (trapa  natans)  verlieb  nahm 


Die  alten  Thraker.  I.  121 

—  dieselbe  Verwendung  der  Wassernuss  finden  wir  bei  den 
Urinsassen  des  Laibacher  Moors.  Das  dakischc  Pfahldorf 
mitten  im  (See-  oder  Fluss-)  Wasser  hat,  wie  die  Trajanssäulc 
zeigt,  runde  Holzhütten  mit  spitzigem  Dach.  Xenophon  schildert 
uns  die  Weiler  und  Viehgehöfte  der  Tliynen  (Anab.  VII  4,  14): 
an  die  Wohnhlitte  (xaXußri)  schlössen  sich  Stall  und  Schafpferch 
an,  und  das  Ganze  war  mit  Holzpßlhlen  (oroupoi?)  verschanzt. 
Eß  gab  natürUch  auch  offene  Dörfer  und  Märkte  (para,  dava 
oder  deva  ,SiedelungO,  verschanzte  und  mit  Dämmen  umgebene 
Orte  (xsXtuv),  Umfriedigungen  auf  erhölitem  Boden  (ßpta  oder 
ßpca)  und  regelrecht  theils  mit  Holzpfahlwerk,  theils  mit  thurm- 
besetzten  Steinmauern,  die  den  Sturmböcken  Widerstand  ent- 
gegensetzten, versehene  Vesten  (Bt^a  oder  Be^t)  sowohl  in  der 
südlichen  Thrake  wie  im  Dakenlande  und  bei  den  Geten  — 
leider  kennen  wir  nicht  das  dakische  Wort  flir  solche  Vesten, 
da  diese  alle  von  den  Römern  geschleift  worden  waren,  so  dass 
nur  die  offenen  Dörfer  (dava)  übrig  blieben.  Leider  wissen 
wir  auch  Nichts  von  der  inneren  Einrichtung  und  den  Geräth- 
schaften  des  thrakischen  Hauses;  die  wenigen  Tumuli,  welche 
bisher  auf  thrakischem  Boden  aufgedeckt  wurden,  enthielten 
ausser  Thon-  und  Glasscherben  kupferne  und  bronzene  Lanzen- 
spitzen; die  weitere  Durchforschung  derselben  wird  wohl  einmal 
bestimmtere  Resultate  ergeben.  Ueber  die  von  Skorpil  be- 
schriebenen Steindenkmäler  getrauen  wir  uns  kein  Urtheil  zu. 
Nach  Diodor  (I  55  vgl.  Hdt.  II  103)  soll  es  an  vielen  Stellen 
Thrakes  Standsäulen  gegeben  haben,  welche  Sesostris  als  End- 
ziel seiner  Eroberungen  beim  Skythenzuge  aufgestellt  hatte. 

Die  Küsten-  und  Seeanwohner  nährten  sich  hauptsächUch 
von  Fischen,  von  denen  die  Alten  mehrere  besondere  Arten 
aufzählen  (vgl.  d.  Gl.  TCöncpa?,  tiXoiv,  TueirpiBtXo^,  X40pa5,  8eXxav6^, 
femer  ^pd^/P^^  ^^^^  xtöapa).  Bei  den  phrygischen  Küstenbewohnem 
wurden  die  Früchte  der  Demeter,  Weizen  und  Gerste,  Roggen 
imd  ßpK«,  fleissig  angebaut;  das  Getreide  wurde  in  Erdgruben 
(ffipoi)  aufbewahrt.  In  dem  Namen  der  Pyro-geri  am  mittleren 
Hebrus  haben  wir  ,Siedler  des  Weizengebietes*  erkannt;  die 
thynischen  MsXivo9aYot  bauten  vornehmlich  Hirse  an,  eine  Gattung, 
die  auch  den  Sarmaten  und  Pannoniern  die  Hauptnahrung 
lieferte.  Die  KopxtBat  im  heutigen  Bessarabien  bauten  ausser 
Weizen  und  Hirse  auch  noch  Zwiebeln,  Knoblauch  und  Linsen 


122  IV.  Abhandlung:    Tomas  che  k. 

au;  allen  Thraken  diente  Knoblauch  als  Würze  zum  Mahle 
(vgl.  schol.  ad  Aristoph.  Acharn.  165  £axopo5tc[X6vO(;  5  Hesjch.: 
crAcpocc^oYsSjiv  cl  0pax£;).  Salz  jedoch  war  rar,  nur  das  dakische 
Land  besass  davon  (vgl.  Salinae,  Ort  bei  dem  heutigen  Thorda); 
die  pontischen  Griechen  gewannen  Salz  aus  Lagunen,  bei  An- 
chialos  und  Mesembria,  Tyras  und  Olbia.  Dieses  Salz  wurde 
vortheilhaft  an  die  binnenlilndischen  Thraken  verhandelt,  gegen 
Sklaven:  twv  0pa:cü)v  o\  [kzco-^zioi  aXwv  a'/TaaxriXXaTovTO  tou^  sixets^ 
(PoU.;  vgl.  Hesych.  v.  aXü)^nr;To;  •  tsu;  äXa^  XafAßovovTs«;  c\  Bpaxe; 
avBpazoBa  eMSoaov).  So  geriethen  selbst  Kinder  von  Edelingen 
in  die  Sklaverei,  und  spöttisch  hiess  es:  0pa;  suysv/j;  et;  Tzpz:; 
aXa^  wvr^fjLsvs;!  —  Die  echten  Thraken,  Viehzüchter  von  Haas 
aus,  zogen  allezeit  die  animalische  Nahrung  vor.  Schon  die 
Säuglinge  erhielten  mitunter  frisch  abgezapftes  und  mit  Rahm 
gemischtes  Pferdeljlut.  Fleisch  aller  Art  wurde  theils  roh  (vgl. 
den  Eigennamen  '\\):r,lo%oz  ,Rolifleische8ser*),  theils  gebraten  ge- 
gessen, in  schmale  Stücke  zerschnitten  (s.  d.  Gl.  •^vna).  Milch- 
nahrung war  aUgemein  und  Butter  sehr  beliebt  —  '^jkont.'zoTKxai 
und  ßouTupo^aY^i  werden  die  Thraken  öfter  genannt;  ein  flacher 
Brotkuchen,  Bienenhonig  und  Gemüse  bildeten  die  Zukost.  Mit 
der  Käsebereitung  waren  Thraken  und  Ulyrier  gleich  vertraut. 
—  Der  thrakische  Wein  stand  seit  den  homerischen  Gesängen 
im  besten  Kufe;  wir  werden  die  schrittweise  Verbreitung  des 
Weinbaues  in  Thrake  im  Artikel  At(i)vu7o;  verfolgen.  Die  harte 
Arbeit  des  Winzers  überliess  der  faule  Thrake  seinen  Unter- 
gebenen, desto  tapferer  sprach  er  sell)st  der  dionysischen  Gabe 
zu.  p]s  war  wohl  eine  harte  Aufgabe  für  Boirebistas  und  seinen 
Pontifex,  dem  dakischen  Volke  den  Weiiigenuss  abzugewöhnen 
und  die  Rebenstöckc  auszurotten!  Bei  allen  thrakischen  Stämmen 
finden  wir  Unmiissigkeit  im  Trinken;  szteixü);  8*  sict  xivTsg  o\ 
6pa)^£?  xoXuxotat  (Theop.  ap.  Athen.  X  p.  242).  Sie  tranken  den 
Wein  stets  ungemischt  (Athen.  XI  p.  781,  d  nach  den  Versen 
des  Callmachus  X  j).  242,  f);  eine  Ausnahme  machte  König 
Kotys  IV.,  welcher  stets  vii^rry];  bliel)  (Suid.).  Die  Troren  büsstea 
ihre  Trunksucht  vor  Herakleia  am  Pontus,  wo  ihnen  der  Weia 
mit  axcv'.Tov  vergiftet  wurde;  die  Thraken  pflegten  angetrunkea 
zur  Schlacht  auszuziehen  (Paus.  IX  31,  5).  Wie  die  Paionen, 
so  tranken  auch  die  Odrysen,  Geten  und  Daken  bei  ihren  Ge- 
lagen aus  Stierhörnern  (vgl.  d.  Gl.  ßovaccoj;),  und  wir  finden  bei 


Die  alten  Thraker.  I.  123 

ihnen   die  Sitte   des  Zutrinkens  und  des  Weingusses.     Wie  es 
bei  diesen  Gelagen   zugieng,   ersehen  wir  aus  den  Versen  des 
Anaxandrides   über   die   Hochzeit   des  Ipliikrates   zur  Zeit  des 
Kotys    und   aus   Xenophon's    Schilderung   vom    Gastmahle   des 
Seuthes,    die    wir    hersetzen:    ,Die  Geladenen   setzten   sich  im 
Kreise  herum  nieder;  darauf  wurden  für  Alle  dreifüssige  Tische 
hereingebracht,    bedeckt    mit   Fleisch  schnitten   und   gesäuerten 
Broten.      Seuthes   nahm   die  Brote,   brach   sie   in    Stücke   und 
vertheilte    sie,    ebenso   die   Fleischstücke;    dasselbe   thaten    die 
Anderen.     Es   wurden    dann  Hörner  mit  Wein  herumgereicht, 
und  Alle  sprachen  zu.    Seuthes  erhob  sich,  umarmte  Xenophon 
und  dessen  Begleiter,  wobei  sie  einander  nach  thrakischer  Sitte 
zutranken.     Während   des  Trinkgelages   kam   ein  Thraker  mit 
einem  weissen  Pferde,  ergriff  ein  volles  Trinkhorn  und  sprach: 
ich  trinke  dir  zu,  Seuthes,  und  schenke  dir  dieses  schnelle  Ross. 
Ein  Anderer   brachte   einen  Knaben    und   schenkte  ihn,   unter 
Zutrinken,  dem  Fürsten;  ein  Dritter  brachte  fiir  dessen  Gemahlin 
Kleider,  u.  s.  w.    Seuthes  trank  zuletzt  mit  Xenophon  das  Hörn 
aus  und  goss  den  Rest  über  dessen  Genossen  hin.^    Wir  kennen 
noch  das  thrakische  Wort  für  ,Wein^,   nämlich  (^etXa  oder  ^'Xot. 
Zu  Heilzwecken  wurden  auch  Säfte  von  anderen  Pflanzen  z.  B. 
a']^tvOo;  abgezogen  und  zu  weinähnlichen  Getränken  verarbeitet. 
Endlich   müssen  wir   noch  des  Gerstenl)ieres  Erwähnung  thun, 
das    Phrygen    und   Thraken,    sowie   Paionen    und   Illyrier    zu 
brauen    verstanden    (vgl.    d.  Gl.    ßpuio;   oder   ßpokoc  ,Gebräu'): 
schon   Archilochus   hatte    dies   bezeugt   (Athen.    X   p.  447,  b): 
^OTcep   ?:ap'    aüXw    ßpOiov  9^  Spr^q  avY)p  |  Yj    ^Pp'J?    sßp^^Ce,    x6ß5a  3'  9jv 
xovEujjiivt).    Die  Trunksucht  der  Thraken  war  ein  Erbe  aus  der 
indogermanischen  Vorzeit    und  nicht,    wie    Heibig  meint,   eine 
Folge  ökonomischer  und  geistiger  Decadenz,  wie  etwa  bei  den 
Schnaps   trinkenden    Wandern.     Wissen    wir   doch,    dass  auch 
die  Arier  am  oberen  Indus,    wenn  nicht  dem  Weine,    der  dort 
erst  später  bekannt  wurde,  so  doch  dem  berauschenden  Soma- 
tranke  bis  zum  P>brechen  huldigten,  und  dass  alle  Naturvölker 
energischer    Natur    ihre    Lebenskraft    mit    berauschenden    Ge- 
tränken  aufzufrischen  suchen;    eine   nähere  und  innigere  Ver- 
wandtschaft  der   Thraken    mit    den    Germanen    hieraus    abzu- 
leiten,   erscheint  unnöthig.   —    Von   den  Skythen   stammt  wohl 
der   thrakische   Brauch,   sich  mit  dem  Dampfe  der  auf  heisse 


124  rv.  Abhandlang:    Tomaschek. 

Steinplatten  geworfenen  Hanfkörner  in  Schweiss  und  schlaf- 
ähnliche Betäubung  zu  versetzen  (Plut.  de  flum.  3;  3;  Tocilescu's 
Dacia  p.  758). 

Wenn  die  Odrysen  assen  und  tranken ,  durfte  dabei  der 
auX6;  nicht  fehlen;  zuletzt  schmetterten  die  Trompeten,  und  Alles 
sprang  auf  zum  Waffentanze.  Xenophon  schliesst  seine  Schilde- 
rung des  Mahles  bei  Seuthes  mit  den  Worten:  ^Hierauf  traten 
Leute  ein,  die  aus  Hörnern  und  Trompeten  nach  dem  Takte 
und  gleichsam  in  der  Oktave  bUesen;  Seuthes  stand  auf,  stiess 
einen  Kriegsruf  aus  und  machte  sehr  behend  einen  Luft- 
sprung.* Andernorts  (An.  VI  1,  5)  schildert  er  den  thrakischen 
Waffentanz  (s.  d.  Gl.  xaXaßpta[x6<;):  ,Die  Thraken  ftihrten  zur 
Flöte  den  Tanz  auf,  wobei  sie  mit  Leichtigkeit  hohe  Sprünge 
machten  und  ihre  Schwerter  schwangen  und  gegen  einander 
zückten;  zuletzt  hieb  einer  auf  den  anderen  los,  der  Getroffene 
fiel  zum  Scheine  um,  der  Sieger  zog  ihm  die  Rüstung  ab  und 
gieng  den  Sitalkas  singend  davon,  während  der  Getroffene  fort- 
getragen wurde.*  Nicht  immer  verliefen  solche  Erlustigungen 
unblutig:  so  war  bei  einem  Kampfspiele  ein  scharfgeschliffenes 
Breitschwert  aufgestellt,  das  denjenigen  sofort  tödtlich  verletzte, 
der  beim  Luftsprunge  das  Ziel  verfehlte  —  und  die  Anderen 
lachten  ob  seines  tödtlichen  Falles  (Seleucus  ap.  Athen.  IV 
p.  155,  e)!  Die  Odrysen  konnten  ein  Gelage  nicht  schöner  ab- 
schliessen,  als  dass  sie  zuletzt  über  einander  herfielen  und  sich 
selbst  wie  die  Anderen  im  Rausche  zerfleischten  (Amm.  Marc. 
XXVII  4,  9).  Ueberhaupt  hatte  das  Leben  des  Einzelnen  in 
Thrake  geringen  Werth;  grausam  waren  die  Spiele,  lebens- 
geftlhrlich  die  Leibesübungen  —  man  wird  förmlich  an  die  Blut^ 
abzapfungen  der  Indianer  gemahnt,  die  uns  Catlin  in  seinen 
Aquarellen  so  drastisch  hingeworfen  hat,  —  grausam  und 
summarisch  die  Rechtspflege:  ohneweiters  und  schonungslos 
stiess  z.  B.  Seuthes  die  ihm  vorgeführten  Gefangenen  mit  dem 
Wurfspiesse  nieder.  Henkersknechte  wurden  mit  Vorliebe  aus 
Thraken  gewählt;  noch  in  christlichen  Legenden  spielt  der 
Mucapor  ständig  seine  Rolle  als  Schlächter.  Ein  solches  Volk 
war  wie  geschaffen  zu  blutigem  Zweikampf  in  der  Arena;  der 
Threx,  mit  allen  Mitteln  der  Disciplin  für  das  Gladiatorenhand- 
werk abgerichtet,  bot  in  seinem  Blute  schwimmend  Neronen 
und  Messalincn  ein  ergötzliches  Schauspiel. 


Die  alten  Thraker.  I.  125 

Daneben  fehlte  es  nicht  an  edleren  Regungen;  auch  dem 
Thraken  war  die  sänftigende  Wirkung  der  Musik  nicht  unbe- 
kannt. Wenn  die  Geten  um  Frieden  baten,  so  zogen  ihre 
Priester  in  weissen  Gewanden  unter  Cither-  und  Flötenspiel 
heran.  Wenn  freilich  schon  bei  Homer  der  Kitharöde  Tliamyris 
um  die  Palme  des  Sieges  ringt,  so  ist  zu  beachten,  dass  dieser 
,Thrake^  doch  eher  dem  Volke  der  Edonen  oder  Brigen  ange- 
hört hat;  auch  die  apollinische  Gestalt  des  Orpheus  war  ur- 
spriingUch  dem  thrakischen  Boden  fremd;  erst  seit  der  Blüthe- 
zeit  der  orphischen  Mystik  treibt  die  Bpaxta  jjLOüfftxTQ,  der  0paxto^ 
vojio^,  die  Öp^oaa  xiOipa  bei  Dichtern  ihr  Wesen.  Die  Anfänge 
der  musischen  Kunst  sind  von  den  phrygischen  und  griechischen 
Stämmen  ausgegangen,  nicht  von  den  rohen  Thraken.  Eine 
Art  Op^vog  wurde  dem  verstorbenen  Thraker  unter  Flötenbe- 
gleitung  und  mit  dem  Refrain  -zopzXKri  nachgesungen,  sowie  selbst 
dem  Nadowessen  ein  solcher  Nachruf  zutheil  ward  —  das  will 
nicht  viel  bedeuten.  —  Zu  einem  eigenen  Schrift wesen  haben 
es  die  Thraken  selbstverständHch  niemals  gebracht;  Inschriften 
finden  sich  nur  in  griechischer  und  lateinischer  Sprache;  Münzen 
mit  griechischer  Legende  haben  zuerst  die  Edonen  und  Bisalten 
geschlagen.  Wie  verschieden  die  Culturstufen  der  thrakischen 
Stämme  gewesen  sein  mochte,  erkennen  wir  beispielsweise  aus 
der  Notiz  des  Aristoteles  (Problem.  XV  3),  wonach  einer  der 
Stämme  nicht  weiter  als  bis  vier  gezählt  haben  soll  —  so  be- 
schränkt war  dessen  Gesichtskreis,  so  stark  von  allem  Welt- 
verkehr abgelenkt!  Denn  schwerüch  wird  man  annehmen  dürfen, 
dass  es  richtiger  heissen  sollte  ,bis  vierhundert^,  entsprechend 
dem  Vigesimalsystem,  dessen  Endzahl  20mal  20  lautet;  dem 
indogermanischen  Sprachgebiete  war  diese  Zählmethode  fremd. 
Bemerkt  sei  noch,  dass  die  öp^^aaat  aav{5e;,  worauf  Orpheus  Heil- 
mittel verzeichnet  hatte  (Eurip.  Ale.  967),  Erfindung  der  Or- 
phiker  sind.  Ihre  Gesetzbücher  haben  Goten  und  Daken  in 
Gtesangsform  mündlich  überliefert,    wie  die  gallischen  Druiden. 

Bei  den  Thraken  war  den  Jungfrauen,  denen  offenbar 
Gelegenheit  geboten  war,  sich  mehr  in  der  freien  Natur  herum- 
zutummeln,  volle  Freiheit  im  Umgange  mit  der  männlichen 
Jugend  gestattet;  die  Frauen  dagegen,  durch  ihren  Beruf  ans 
Haus  gefesselt,  durften  die  Treue  niemals  verletzen  (Hdt.  V  6). 
Hatte   ein   Junggeselle   seine   Wahl  getroffen  oder  hatten  sich 


124  rV.  Abhandlang :    Tomaschek. 

Steinplatten  geworfenen  Hanfkörner  in  Schweiss  und  sehlaf- 
ähnliche  Betäubung  zu  versetzen  (Plut.  de  flum.  3,  3;  Tocilescu's 
Daeia  p.  758). 

Wenn  die  Odrysen  assen  und  tranken,  durfte  dabei  der 
auX6;  nicht  fehlen;  zuletzt  schmetterten  die  Trompeten,  und  Alles 
sprang  auf  zum  Waffentanze.  Xenophon  schliesst  seine  Schilde- 
rung des  Mahles  bei  Seuthes  mit  den  Worten:  ,Hierauf  traten 
Leute  ein,  die  aus  Hörnern  und  Trompeten  nach  dem  Takte 
und  gleichsam  in  der  Oktave  bliesen;  Seuthes  stand  auf,  stiess 
einen  Kriegsruf  aus  und  machte  sehr  behend  einen  Luft- 
sprung.^  Andernorts  (An.  VI  1,  5)  schildert  er  den  thrakischen 
Waffentanz  (s.  d.  Gl.  xaXaßpta|x6^):  ,Die  Thraken  fUhrten  zur 
Flöte  den  Tanz  auf,  wobei  sie  mit  Leichtigkeit  hohe  Sprünge 
machten  und  ihre  Schwerter  schwangen  und  gegen  einander 
zückten;  zuletzt  hieb  einer  auf  den  anderen  los,  der  Getroffene 
fiel  zum  Scheine  um,  der  Sieger  zog  ihm  die  Rüstung  ab  und 
gieng  den  Sitalkas  singend  davon,  während  der  Getroffene  fort- 
getragen wurde.'  Nicht  immer  verliefen  solche  Erlustigungen 
unblutig:  so  war  bei  einem  Kampfspielc  ein  scharfgeschliffenes 
Breitschwert  aufgestellt,  das  denjenigen  sofort  tödtlich  verletzte, 
der  beim  Luftsprunge  das  Ziel  verfehlte  —  und  die  Anderen 
lachten  ob  seines  tödtlichen  Falles  (Seleucus  ap.  Athen.  IV 
p.  155,  e)!  Die  Odrysen  konnten  ein  Gelage  nicht  schöner  ab- 
schliessen,  als  dass  sie  zuletzt  über  einander  herfielen  und  sich 
selbst  wie  die  Anderen  im  Rausche  zerfleischten  (Amm.  Marc. 
XXVn  4,  9).  Ueberhaupt  hatte  das  Leben  des  Einzelnen  in 
Thrake  geringen  Werth;  grausam  waren  die  Spiele,  lebens- 
geftlhrlich  die  Leibesübungen  —  man  wird  förmlich  an  die  Blut- 
abzapfungen der  Indianer  gemahnt,  die  uns  Catlin  in  seinen 
Aquarellen  so  drastisch  hingeworfen  hat,  —  grausam  und 
summarisch  die  Rechtspflege:  ohnewciters  und  schonungslos 
stiess  z.  B.  Seuthes  die  ihm  vorgeführten  Gefangenen  mit  dem 
Wurfspiesse  nieder.  Henkersknechte  wurden  mit  Vorliebe  aus 
Thraken  gewählt;  noch  in  christlichen  Legenden  spielt  der 
Mucapor  ständig  seine  Rolle  als  Schlächter.  Ein  solches  Volk 
war  wie  geschaffen  zu  blutigem  Zweikampf  in  der  Arena;  der 
Threx,  mit  allen  Mitteln  der  Disciplin  für  das  Gladiatorenhand- 
werk abgerichtet,  bot  in  seinem  Blute  schwimmend  Neronen 
und  Messalinen  ein  ergötzliches  Schauspiel. 


Die  altoD  Thraker.  I.  125 

Daneben  fehlte  es  nicht  an  edleren  Regungen;  auch  dem 
Thraken  war  die  sänftigende  Wirkung  der  Musik  nicht  unbe- 
kannt. Wenn  die  Geten  um  Frieden  baten,  so  zogen  ihre 
Priester  in  weissen  Gewanden  unter  Cither-  und  Flötenspiel 
heran.  Wenn  freilich  schon  bei  Homer  der  Kitharöde  Thamyris 
um  die  Pahne  des  Sieges  ringt,  so  ist  zu  beachten,  dass  dieser 
,Thrake'  doch  eher  dem  Volke  der  Edonen  oder  Brigen  ange- 
hört hat;  auch  die  apollinische  Gestalt  des  Orpheus  war  ur- 
sprüngUch  dem  thrakischen  Boden  fremd;  erst  seit  der  Blüthe- 
zeit  der  orphischen  Mystik  treibt  die  0pax(a  jjwucjix^  der  öpoxto^ 
vöjAo?,  die  0pf|Gaa  xiOipa  bei  Dichtern  ihr  Wesen.  Die  An&nge 
der  musischen  Kunst  sind  von  den  phrygischen  und  griechischen 
Stämmen  ausgegangen,  nicht  von  den  rohen  Thraken.  Eine 
Art  Opijvo(;  wurde  dem  verstorbenen  Thraker  unter  Flötenbe- 
gleitung und  mit  dem  Refrain  TopsXX^  nachgesungen,  sowie  selbst 
dem  Nadowessen  ein  solcher  Nachruf  zutheil  ward  —  das  will 
nicht  viel  bedeuten.  —  Zu  einem  eigenen  Schriftwesen  haben 
es  die  Thraken  selbstverständlich  niemals  gebracht;  Inschriften 
finden  sich  nur  in  griechischer  und  lateinischer  Sprache;  Münzen 
mit  griechischer  Legende  haben  zuerst  die  Edonen  und  Bisalten 
geschlagen.  Wie  verschieden  die  Culturstufcn  der  thrakischen 
Stämme  gewesen  sein  mochte,  erkennen  wir  beispielsweise  aus 
der  Notiz  des  Aristoteles  (Problem.  XV  3),  wonach  einer  der 
Stämme  nicht  weiter  als  bis  vier  gezählt  haben  soll  —  so  be- 
schränkt war  dessen  Gesichtskreis,  so  stark  von  allem  Welt- 
verkehr abgelenkt!  Denn  schwerhch  wird  man  annehmen  dürfen, 
dass  es  richtiger  heissen  sollte  ,bis  vierhundert^,  entsprechend 
dem  Vigesimalsystem,  dessen  Endzahl  20mal  20  lautet;  dem 
indogermanischen  Sprachgebiete  war  diese  Zählmethode  fremd. 
Bemerkt  sei  noch,  dass  die  Opf^acjat  aaviSe;,  worauf  Orpheus  Heil- 
mittel verzeichnet  hatte  (Eurip.  Ale.  967),  Erfindung  der  Or- 
phiker  sind.  Ihre  Gesetzbücher  haben  Geten  und  Daken  in 
(Jesangsform  mündlich  überliefert,   wie  die  gallischen  Druiden. 

Bei  den  Thraken  war  den  Jungfrauen,  denen  offenbar 
Gelegenheit  geboten  war,  sich  mehr  in  der  freien  Natur  herum- 
zutummeln,  volle  Freiheit  im  Umgange  mit  der  männlichen 
Jugend  gestattet;  die  Frauen  dagegen,  durch  ihren  Beruf  ans 
Haus  gefesselt,  durften  die  Treue  niemals  verletzen  (Hdt.  V  6). 
Hatte   ein   Junggeselle   seine   Wahl   getroffen  oder  hatten  sich 


126  IV.  Abhaadlaog:    Tumaschek. 

die  Eltern  gegenseitig  verständigt,  so  wurde  fiir  die  Braut  der 
Kaufpreis  in  Geld  und  Gut  erlegt,  und  sie  gieng  dann  in  das 
Eigenthum  des  Mannes  über.  So  stellte  auch  Seuthes  dem 
Xenophon  das  Anbot:  ,Wenn  du  eine  Tochter  hast,  so  will  ich 
sie  dir  nach  thrakischer  Sitte  abkaufen  und  ihr  Bisanthe  zum 
Wohnsitz  vermachen/  Bei  den  meisten  Stämmen  herrschte 
Vielweiberei:  je  reicher  ein  Mann  war,  desto  mehr  Frauen 
konnte  er  sich  kaufen  und  halten:  honoris  loco  iudicatur  multi- 
plex matrimonium  (Sohn.).  HeracUdes  Ponticus  berichtet:  ^ Jeder 
heiratet  drei,  vier  und  mehr  Frauen ;  ja  es  gibt  Keiche,  welche 
bis  dreissig  Frauen  besitzen;  diese  nehmen  die  Stellung  von 
Dienerinnen  ein.  Wenn  der  Herr  der  Keihe  nach  einer  solchen 
beiwohnt,  so  muss  sie  ihn  waschen  und  auf  jede  Weise  pflegen; 
führt  sie  sich  schlecht  auf,  so  wird  sie  heimgeschickt  und  vom 
Kaufpreis  muss  dann  ein  bestimmter  Theil  zurückgezahlt  werden. 
Stirbt  der  Gemahl,  so  gehen  die  Frauen,  wie  jedes  andere  Gut, 
in  den  Besitz  des  Erben  über.'  Humorvoll  spricht  sich  über 
die  Vielweiberei  der  gotische  Sklave  in  einem  Lustspiel  des 
Menandcr  aus  (Strabo  VII,  p.  21)7):  ,Stirbt  einer,  dessen  Weiber- 
zahl nur  vier  beträgt  |  oder  fünf,  so  heisst  er  bei  uns  zu  Land 
ein  armer  Wicht,  |  der  ohne  Brautlust,  ohne  Hochzeittanz  ver- 
schied;^ er  lügt  hinzu:  ,Die  Thraken  alle,  wir  jedoch  zu  aller- 
meist, I  wir  Getcn sind  in  Sittlichkeit  |  nicht  eben  Muster.' 

Das  war  auch  bei  den  Agathyrsen  der  Fall,  bei  denen  als  Folge 
der  Ucppigkeit  die  Bande  der  Ehe  locker  waren,  so  dass  die 
böse  Welt  von  Weibergemeinschaft  sprach.  Die  Sitte  der  Viel- 
weiberei fanden  wii*  namentlich  bei  den  Stämmen  oberhalb 
Krcstone,  bei  Maiden  und  Sinten  (Hdt.  V  ö). 

Die  Stellung  des  Weibes  war  überall  eine  untergeordnete. 
Im  Orient  und  in  allen  subtropischen  Strichen,  wo  die  Frauen 
in  Harems  eingesperrt  sind  und  wo  überdies  das  Klima  sinn- 
Uche  Verirrungeu  befordert,  bildet  sich  das  Laster  der  Knaben- 
üebe  aus  —  wir  meinen  nicht  jene  ideale  Form  derselben,  wie 
sie  in  Sparta  gepflegt  wurde,  oder  jenes  poetische  Verhältniss, 
wie  es  etwa  zwischen  Anakreon  und  dem  lakonischen  Jüngling 
Smerdies  bestand  —  sondern  die  entartete  Form,  wie  sie  in 
der  südlichen  Thrake  und  bei  den  Persern  bezeugt  erscheint; 
darauf  bezieht  sich  wohl  auch  jene  Anspielung  des  Aristophanes 
ül)er  die  Odomantcn,  die  man  gewöhnlich  mit  der  Beschneidung 


Die  altCQ  Tliraker.  I.  127 

in  Zusamineuhang  bringt.  Die  Thraken  wurden  mit  dem  Epi- 
theton y.a^pü}v-£(;  beehrt,  d.  i.  ol  5p[xr|Tiy,a);  l/o'^zeq  'izpo^  cuvousiav 
(Hesych.  vgl.  -Aiizpo^  *  Tb  aiBoTov  tou  avBpi;).  Um  so  grösserer 
Scheu  und  Verehrung  erfreuten  sich  bei  den  nördlicheren 
Stämmen  Asketen,  welche  Entsagung  von  allen  sinnlichen  Lüsten 
predigten,  wie  die  Zalmoxispriester  und  die  moesischen  xTiorat 
und  xairvoßiiat.  —  Bei  der  grossen  Zahl  der  Weiber  und  der 
sinnlichen  Naturanlage  der  Thraken,  sowie  bei  der  leichten 
Beschaffung  des  Lebensunterhaltes  infolge  der  Viehwirthschaft 
finden  wir  es  begreiflich,  dass  sich  die  thrakische  Nation  trotz 
stärkster  Heranziehung  zum  Kriegsdienst  sehr  lange  forterhielt 
und  allezeit  einen  Ueberschuss  an  Population  aufwies;  so  konnten 
die  politischen  Händler  thrakische  Burschen  und  Mädchen  nach 
Hellas  auf  den  Markt  bringen  (Hdt.  V  6);  in  Athen  wurde  die 
6parca  mit  Vorliebe  als  Dienstmagd  und  Amme  verwendet;  die 
römische  Arena  bezog  aus  Thrakc  ihre  taugUchsten  Kräfte. 
Eine  solche  populationskräftige  Nation  konnte  niemals  völlig  ver- 
schwinden, gerade  so,  wie  sich  ihre  Tochter,  die  wlachische 
Nation,  seit  Jahrhunderten  einer  steigenden  Prosperität  erfreut: 
noch  heutzutage  steigt  in  Siebenbürgen  die  bedürfnisslose 
Menschenzahl  der  Wlachen,  während  Sachsen  und  Magyaren 
im  Status  verbleiben. 

Die  Art  und  Weise,  wie  die  alten  Völker  ihre  Todten  be- 
statteten, bildet  ein  wichtiges  Merkmal  ihres  Daseins;  gerade 
in  dieser  Hinsicht  m.angelt  es  sehr  an  zuverlässigen  Nachrichten. 
Die  Lebensdauer  des  Thraken  war  —  wenn  wir  von  den  römi- 
schen Legionären  absehen,  für  welche  sich  aus  den  Inschriften 
eine  mittlere  Lebenszeit  von  nur  28  bis  30  Jahren  ergibt  — 
eine  verhältnissmässig  lange:  nicht  nur  am  Athos  linden  wir 
iwtxpößtot,  auch  die  Landleute  in  der  Rhodope  und  im  Haemus 
wurden  gewöhnlich  sehr  alt,  dank  ihrer  einfachen  Lebensweise 
(Amm.  Marc.  XX VII  4,  14).  —  Starb  ein  thrakischer  EdeUng, 
80  blieb  sein  Leichnam  durch  drei  Tage  aufgebahrt,  während 
die  Angehörigen  allerlei  Opferthierc  schlachteten;  nachdem  sie 
den  Verstorbenen  genugsam  beweint  hatten,  hielten  sie  den 
Schmaus  ab;  darauf  bestatteten  sie  ihn,  indem  sie  den  Leich- 
nam entweder  verbrannten  oder  auch  bloss  in  der  Erde  ver- 
gruben (xaTa3ca63avT£(;  y^,  aXXw;  yjj  xp j'{/avi£;) ;  in  jedem  Falle  warfen 
sie  einen  Tumulus  auf  (yw;^«  yM"^'^^^)^  worin  entweder  die  Aschen- 


128  IV.  Abhandlung:    Tomaschek. 

urne  oder  der  Leichnam  beigesetzt  wurde,  und  zuletzt  stellten 
sie  mannigfaltige  Kampfspiele  an,  wobei  sie  werthvolle  Kampf- 
preise für  die  Zweikämpfer  aussetzten.  So  lautet  Herodofs 
Bericht  (V  8)  über  die  Ta^aC.  Beide  Arten,  Verbrennung  des 
Leichnams  oder  dessen  einfache  Beerdigung,  finden  wir  zu 
freier  Wahl  in  den  ältesten  Veden;  auch  die  dreitägige  Auf- 
bahrung ist  den  meisten  indogermanischen  Stämmen  gemein- 
sam. Den  nach  dem  Opijvoi;  folgenden  Leichenschmaus  bezeugt 
auch  Xenophon  (Hell.  III  2,  5):  man  sprach  hiebei  dem  Weine 
nach  Kräften  zu,  bis  zur  völligen  Trunkenheit. 

Aus  der  entlegensten  Epoche  der  Menschheit  hat  sich  in 
die  geschichtliche  Zeit  des  thrakischen  Volkes  der  Brauch  ver- 
erbt, am  Grabe  des  Herrn  dessen  Lieblingsfrau  zu  schlachten. 
Man  könnte  die  Bewahrung  dieses  barbarischen  Brauches  der 
Nähe  der  pon tischen  Skythen  zuschreiben,  bei  denen  die 
Schlachtung  der  Weiber  beim  Tode  eines  Fürsten  in  üebung 
war;  vom  Nachbarvolke  der  Skythen,  den  Geten,  berichtet 
Theopomp:  vojjloi;  FsTaiv  to  l^ria^a^siv  Ttjv  YwvaXxa  tw  avSpt.  Herodot 
(V  5)  legt  jedoch  die  Witwenschlachtung  gerade  den  südlichsten 
Stämmen  am  Strymon  bei,  den  Sinteu  und  Maiden:  ,Wenn  einer 
von  ihnen  stirbt,  so  kommen  die  Frauen  und  deren  Anver- 
wandte in  ernstlichen  Eifer  und  Streit  darüber,  welche  von 
ihnen  am  meisten  von  dem  Manne  geliebt  worden  sei.  Jene, 
welche  schliesshch  den  Vorzug  vor  allen  erhält,  wird  unter 
Lobpreisungen  der  Männer  und  Frauen  von  ihren  nächsten 
Verwandten  über  dem  Grabe  des  Mannes  geschlachtet  und 
alsdann  mitbegraben.  Die  anderen  Frauen  aber  zeigen  grossen 
Kummer;  denn  ihnen  ist  grosser  Schimpf  widerfahren.'  Mela 
dehnt  diesen  Brauch  auf  alle  Thraken  aus;  er  hat  jedoch  deutlich 
Herodot  vor  Augen,  nur  dass  er  mehr  Worte  macht.  Da  sich 
diese  Sitte  auch  bei  den  Ariern  am  Ganges  und  selbst  bei 
einigen  alten  Völkern  Europas  vorfand,  so  werden  wir  der- 
selben ein  hohes  Alter  beimessen  müssen.  —  Die  Anschauung 
der  Trausen  über  Geburt  und  Tod  haben  wir  bereits  kennen 
gelernt  und  zugleich  bemerkt,  dass  dieselbe  nur  von  der  nie- 
drigen geistigen  und  ökonomischen  Stellung  dieses  Volkes  Zeug- 
niss  gibt. 

Der  edelgeborenc  Thraker  war  bereit,  wenn  Alles  fehl 
schlug,  muthig  dem  Tode  ins  Auge  zu  blicken;   selbst  stürzten 


Die  alten  Thraker.  I.  129 

sich  in  ihre  Schwerter  die  Häupter  der  Odryscn,  Koilaleten 
und  Dier,  die  Vertheidiger  der  nationalen  Selbständigkeit  wider 
die  Römer;  ebenso  schloss  Dekebalos  sein  thatenreiches  Leben; 
die  dakischen  Edelinge  sehen  wir  auf  der  Trajanssäule  um 
den  Kessel  sitzen  und  einen  nach  dem  andern  den  Giftbecher 
leeren;  bei  Geten  und  Daken  mochte  der  Glaube  an  die  Un- 
sterblichkeit des  Individuums  diesen  letzten  Schritt  erleichtern. 
Die  Alten  wollten  überhaupt  in  der  Psyche  des  Thraken  Todes- 
verachtung und  den  Hang  zum  Selbstmord  erkennen :  £Tot|x6T6pov 
Övi^/Txouai  (Eust.  ad  Dion.  per.  304);  Thracibus  barbaris  inest 
contemptus  vitae  et  ex  quadam  naturalis  sapientiae  disciplina 
concordant  omnes  ad  interitum  voluntarium  (Solin.);  habent 
appetitum  maximum  mortis  (Mart.  Cap.).  Dieser  Hang  wurde 
jedenfalls  durch  die  grausamen  Spiele  und  die  ständigen 
Kaufereien  gefördert;  der  Thrake  war  gewöhnt,  bei  jeder  Ge- 
legenheit Blut  zu  vergiessen.  Schon  Thucydides  sagt  von  den 
Diem,  einem  sonst  geachteten  Stamme:  sie  stehen  keinem 
Barbarenvolke  an  Mordgier  nach.  Die  Grausamkeit  der  da- 
kischen Weiber  hat  die  Trajanssäule  verewigt.  —  Sonst  wird 
den  Thraken  der  Hang  zu  Meineid  und  Treubruch  zuge- 
schrieben; die  6pax{a  icapeupeci;  war  zum  Sprichwort  geworden, 
und  seit  Menander  galt  der  Satz:  öpofxe;;  5p>tta  oux  exiatovrat. 
In  gleichem  Rufe  standen  im  Mittelalter  die  Pinduswlachen. 
So  finden  wir  im  Wesen  des  thrakischen  Volkes,  wie  bei  allen 
halbbarbarischen  Völkern,  Erhabenes  und  minder  Gutes  ver- 
einigt; die  Triebfedern  zu  Allem  hat  aber  die  Natur  gegeben; 
nur  die  fortschreitende  Civilisation  vermag  die  Naturwüchsigkeit 
zu  mildem  und  auf  gute  Bahnen  zu  lenken. 

Die  Psyche  eines  Volkes  lernen  wir  übrigens  am  besten 
aus  dessen  Sagengebilden  und  aus  der  Sprache  kennen;  über 
diese  Dinge  wird  der  folgende  Theil  handeln. 


Sitningsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXYin.  Bd.  4.  Abh.  9 


130  IV.  Abhandlung:    Tomaschek.   Die  alten  Thraker.  I. 


Inhalt. 


Seite 
Eiuleitung 1 — 12 

I.  Die  paionisch-dardaniBohe  Gruppe 13 — 27 

Tenkrernnd  Mysen  S.  13.  Pelag^nen  S.  17.  Paionen  S.  18. 
Agrianen  S.  21.     Dardaner  S.  23—26.     Veneter  S.  26. 

II.  Die  phrygisoh-mysische  Gruppe 27 — 52 

1.  Phrygen  oder  Brigen  S.  27—33. 

Edoniscbe  Stämme  S.  33—39.    Mygdoneu  S.  33—35   (Be- 

bryker  und  Dolionen  8.  35),   Krestonen   und  Krusaier 

S.  85.     Sithonen  S.  37.     Edonen  8.  37—39. 
Odomanten  8.  39.     Bistonen  8.  40.     Xanthier  8.  41.  Ki- 

konen  8.  42.     8a¥er  8.  43.     Siutier  8.  44.    Paiten  und 

Apsinthier  8.  45. 

2.  Mysen  und  Moesen  8.  47.    Artakier,  Kebrenier  und  8kaXer 
8.  50-52. 

III.  Die  thrakischen  Völkerstamme 53—111 

a)  Die  südlicbe  Gruppe  S.  53—92. 
Treren  8.  53.     Trallen  8.  56. 

8try monier  oder  Maidobitbynen  8.  58—68.  Bisalten  S.  68. 

8inten  8.  59.     Maiden  8.  Cl.     Denseleten  8.  62.     Bi- 

tbynen  und  Tbynen  8.  62—67.     Dolongken  8.  67. 
8atren  8.   68.      Dier  8.  71.      Diobessen  8.   72.      Bessen 

8.  72—80.     8apaier  8.  69.     Korpilen  8.  69.     Trausen 

8.  70. 
Odrysen  8.  80.     Bennen,  Rainen,  Asten  8.  83.     Samaier, 

Koilaleten,  8ialeten  8.  85.     Namen  auf  -geri  8.  87. 
Triballen  8.  87.  (keltische  Intrusionen,  Reich  von  Tylis 

8.  90). 

b)  Die  nördliche  oder  getisch-dakische  Gruppe  8.  92 — 111. 
Geten,  Terizen,  Krobyzen  8.  92 — 98. 

Agathyrsen  und  Trausen  8.  99.  Daken  8.  101.  Dakische 
Bergstämme,  8aboken,  Bessen,  Kostoboken,  Karpodaken 
8.  106—111. 

IV.  Allg^emeines  über  die  Thraken 111—129 

Culturunterschiede  8.  112.  Leiblicher  Typus  8.115.  Täto- 
wierung 8.  116.  Kleidung  und  Bewaffnung  8.  118.  Be- 
hausung 8.  120.  Nahrung  und  Getränke  8.  121.  Waffen- 
tänze und  Spiele  S.  124.  Musik  8.  125.  Schriftwesen 
8. 125.  Sittlichkeit  und  Ehe  8.  125.  Todtenbestattung 
8.  127.  Witwenschlachtung  8.  128.  Todesverachtung 
8.  129. 


Y.  AbhftDdlang:    Zingerle.    Zoi  vierten  Decade  des  Livins. 


V. 


Zur  vierten  Decade  des  Livius. 

Von 

Prof.  Dr.  Anton  Zingerle, 

coiresp.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften. 


,j3ei  der  unsicheren  und  zum  Theil  lückenhaften  Kennt- 
niss,  die  wir  von  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  der 
vierten  Decade  haben,  ist  die  Texteskritik  gerade  hier  mit 
bedeutenden  Schwierigkeiten  verbunden/  sagt  mit  Recht  H.  J. 
Müller  im  Jahresbericht  des  philologischen  Vereines  1891,  166. 
Die  hier  folgende  Abhandlung  möchte  nun  einige  Partien  und 
Fragen  beleuchten,  die  mir  bei  der  eingehenden  kritischen  Be- 
handlung der  Bücher  XXXVI— XXX VIÜ  fiir  den  6.  Theil 
meiner  Livius -Ausgabe  noch  immer  in  der  einen  oder  anderen 
Beziehung  zu  erneuten  Versuchen  oder  Auseinandersetzungen 
einzuladen  schienen.  Der  Inhalt  ist  so  trotz  der  angestrebten 
Kürze ^ ein  ziemlich  mannigfaltiger  geworden,  da  bei  der  Be- 
sprechung einzelner,  bis  zum  heutigen  Tage  recht  zweifel- 
hafter Stellen  natürlich  auch  die  von  bewährten  Forschern 
zwar  fleissig  gepflegten,  aber  dennoch  nicht  überall  abge- 
schlossenen Untersuchungen  über  Detailverhältnisse  der  zum 
Theile  verlorenen  Handschriften  hie  und  da  wiederholten  Er- 
wägungen zu  unterziehen  waren  und  die  durch  die  Güte  des 
Herrn  Director  Dr.  H.  J.  Müller  in  BerUn  mir  zur  Verfügung 
gestellte  Collation  des  Bambergensis  im  Vereine  mit  genauer 
Prüfung  der  alten  Ausgaben  und  Durcharbeitung  der  Drakeu- 
borch'schen  Fundgruben  bis  zur  Verfolgung  paläographischer 
Veraehen  herab  manchmal,  wie  ich  hoffen  möchte,  wohl  noch 
beachtenswerthe  Ausbeute  bot.  Auch  fiir  Sprachgebrauch  und 
für  Parallelstellen  ergab  sich  in  Punkten,   wofür  Fügner's  ver- 

Sitsnngvber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  5.  Abb.  1 


2  V.  Abhandlangr :    Zingerle. 

dienstvolles  Buch  noch  nicht  vorliegt,  gelegentlich  im  Rahmen 
einer  Begründung  aus  meinen  Sammlungen  einige  Vermehrung 
des  Materials. 

Bei  der  Eintheilung  glaubte  ich  nun  aber  nach  reiflicher 
Ueberlegung  am  besten  so  vorgehen  zu  sollen,  dass  ich  zu- 
nächst die  Erörterungen  über  einzelne  Stellen,  die  mir  in  erster 
Linie  bcachtenswcrth  schienen  und  für  die  ich  darum  mehr- 
fach im  Apparat  der  Ausgabe  nach  Angabe  des  kritischen  Ma- 
terials auf  diese  Abhandlung  verwiesen  habe,  mit  allen  mir  zu 
Gebote  stehenden  Erfahrungen  vorführe,  wobei  ich  jedoch  stets 
mir  wahrscheinliche  Verbesserungen  von  blossen  Andeutungen 
eines  etwa  einzuschlagenden  neuen  Weges  schon  durch  den 
Ausdruck  schied,  und  dann  erst,  nachdem  bei  solchen  Einzel- 
untersuchungen Manches  auch  über  die  Handschriftenverhält- 
nisse erneut  zur  Sprache  gekommen,  ein  paar  zusammen- 
fassende Nachträge  über  Beobachtungen  anreihe,  die  mir  auf 
diesem  schwierigen  Gebiete  theilweise  vielleicht  noch  zu  der 
einen  oder  anderen  Ergänzung  zu  führen  scheinen. 

I. 

XXXVI,  9,  12  revocati  (feinde  castigationibus  prin- 
eipum*  so  wird  nun  seit  Aldus  mit  Berufung  auf  den  ver- 
lorenen M  gelesen.  Die  ältesten  Ausgaben  bieten  castigationef 
was  durch  die  cod.  rec,  darunter  Lov.  2,  bestätigt  wird;  B  hat 
catftigationes.  Fehlerhafte  Zusetzung  oder  Auslassung  eines 
8  im  Wortschlusse  spielt,  wie  ich  erprobt,  in  den  bekanntlich 
so  reichen  Reihen  zufälliger  Versehen  des  cod.  B  eine  besondere 
Rolle  und  scheint  im  Ursprünge  theilweise  auf  ähnliche  alte 
Veranlassungen  hinzuweisen,  wie  ich  sie  für  manche  Hilarius- 
handschriften  in  den  Studien  zu  Hilar.  Pict.  S.  32  [898]  ange- 
deutet.^ So  hat  z.  B.  B  im  §  11  desselben  Capitels  multis  statt 
multi]  XXXVI,  11,  6  Apollinis  st.  Apollini*^  14,  4  maiestatis  st. 
maie8tati\  24,  6  Aetolis  st.  Aetoliy  24,  11  inhellis  st.  inhelli^ 
28,  9  condicionis  st.  condicioni]  35,  11  missis  st.  miMi;  36,  2 
senatus  st.  senatu  (woraus  sich  das  weitere  Verderbniss  erklärt); 


*  Für  dio  Fortdauer  vgl.   jetzt    z.   B.    auch  Paoli,    Abkürznng^n   in    der 
lateinischen  Schrift  des  M.-A.  §  21  (übersetzt  von  Lohmeyer  1892). 


Zur  rierten  Decade  des  Livius.  o 

37, 4  Cereris  st.  Cereri;  umgekehrt  27,  8  Uli  st.  illis',  28,  8  quo  st. 
qtLOSy  ipsi  st.  ipsis*,  44, 1  Polyxenida  st.  Polyxenidas.  Diese  zugleich 
für  die  betreflfende  Charakteristik  der  Handschrift  nur  aus  dem 
36.  Buche  ohne  Wahl  herausgegriffenen  Beispiele^  dürften  wohl 
schon  so  ziemlich  wahrscheinlich  machen,  dass  das  obige  casti- 
gationes  in  unserer  Handschrift  auch  näherliegend  auf  ein 
Verderbniss  aus  castigatione ,  als  auf  ein  sonst  freiUch  auch 
belegbares  aus  cctstigationibus  weist;  wenigstens  würde  man 
aber  im  letzteren  Falle  hier  eher  das  Versehen  castigatianis 
erwarten,  wie  denn  B  umgekehrt  XXXI,  46,  11  wirkUch  ein 
coHigationis  in  ca^tigationihus  corrumpirt  hat.  Vgl.  auch 
Drakenborch  zu  XXH,  8,  7.  Die  Stellen,  welche  ich  für  den 
Gebrauch  dieses  Wortes  bei  Livius  sonst  notirt,  scheinen, 
wenn  Ftigner's  Lexikon  nicht  etwa  noch  übersehene  Nach- 
träge liefert,  auch  für  den  Singular  zu  sprechen ;  z.  B.  XXVH, 
10,  10  tacita  castigatio]  15,  2  cum  verhorum  tantum  castiga- 
iioiie'^  XXX,  37,  1  revocatis  legatis  et  cum  multa  castigatione 
perfidiae    monitis;    XXVIH,  26,   3    ad    multitudinem    castiga- 

tionejn   satis  esse]    XXXI,  46,  11    castigationis  regis me- 

Tnores'y  ebenso  fand  ich  den  Singular  vorwiegend  bei  anderen 
Schriftstellern,  und  wenn  man  in  der  besprochenen  Liviusstelle 
den  Plural  etwa  wegen  des  da  folgenden  principum  für  noth- 
lirendig  oder  passender  halten  wollte,  so  könnte  Curtius  Ruf. 
X,  2,  13  als  bezeichnend  entgegengehalten  werden:  nee  aut 
praefectorum  castigatione  aut  verecumlia  regis  deterriti} 
Stehen  die  Sachen  so,  dann  scheint  mir  der  im  Grunde  wahr- 
scheinliche Consens  B  4>  dem  Berichte  über  M  vorzuziehen. 
XXXVI,  10, 1 :  Intra  decimum  diem^  quam  Pheras  venerat j 
Kii  perfectis  Crannonem  profectv^  cum  toto  exercitti  primo 
adventu  cepit  —  profectus  fehlt  in  B  4>  und  in  den  ältesten 
Ausgaben,  es  wurde  von  den  Moguntini  aus  M  beigefügt. 
Weissenborn  vermuthete  in  der  praefatio  der  Teubner'schen 
Ausgabe  p.  XVII,  dass  das  Wort  ursprünglich  hinter  perfectis 


*  XXXVII,  37,  3  liat  diis  Versehen  profectin  st.  profecti  in  B*  dann  zur 
Fehlerentwicklung  profectus  in  den  meisten  Handschriften  geführt. 

'  Vgl.  auch  Justin.  I,  6,  16  hoc  represai  conti  ff  atiane  in  prodium  redeunt, 
wo  die  yCastigatio*  ebenfalls  von  einer  Mehrzahl,  den  matres  et  uxores, 
ausging. 

1* 


4  V.  Abhandlung:    Zingerle. 

stand,  wodurch  sich  auch  der  Ausfall  um  so  leichter  erklären 
würde;  wie  ich  aber  sehe,  hat  Livius  dasselbe  meist  der  An- 
gabe der  Begleitung  nachgestellt.  Vgl.  II,  16,  6  infesto 
exercitu  in  agrum  Sabinum  profecti]  19,  3  magnis  copiis  pe- 
ditum  equitumque  profecti]  62,  1  cum  exercitu  in  Aequos  pro- 
feciu9\  IV,  46,  12  novo  exercitu  profectua*^  VDI,  6,  8  duobuB 
scriptis  exercitibus  per  Marsos  Paelignosque  profecti;  30,  4  exer- 
citu instructo  paratoque  profectus]  XXI,  48,  4  tadto  agmine 
profectus'^  XXIII,  17,  3  cum  exercitu  omni  profectU8\  40,  3  cum 
his  equitum  pedituinque  copiis  profectus  in  agrum  hoHium^ 
XXIV,  30,  1  cum  omni  exercitu  profectus  in  Leontinos ^  35,  1 
cum  tertia  fere  parte  exercitus  ad  recipiendas  urbes  profectus'y 
35,  8  cum  decem  milibus  peditum^  quingentis  equitibu^  nocte 
per   intermissa    ctistodiis    loca  profectus*^   41,  6  P.  Scipio  cum 

expeditis  dam  profectus'^  41,  9  Cn,  Scipio cum  legione  ex- 

pedita  profectus]  XXV,  25,  12  cum  triginta  quinqvs  navibus 
ex  poi'tu  SyracHiiaiw  profectus '^  27,  2  cum  classe  profectus 
Carthaginem*   XXVIII,  7,  16  cum   expedito   agmine  profectus; 

8,  8  inde  quinqueremibus  septsm profectus',^  doch  genug  der 

Beispiele,  welche  nach  meinen  Sammlungen  die  abweichenden 
weit  ül>ersteigen  und  schliesslich  nur  noch  die  Bemerkung, 
dass  selbst  an  der  in  Rede  stehenden  Stelle  im  unmittelbar 
Folgenden  gleich  derselbe  Gebrauch  wiederkehrt:  XXXVI,  10,5 
cum  tribus  milibus  peditum  Aetolorum  et  ducentis  equitibus  in 
Perrhaebiam  profectus  MaUoeam  et  Cyretias  vi  cepit.  Vgl.  auch 
XXXVI,  30,  3  inde  toto  exercitu  profectus:  42,  1  cum  quinqua- 
ginta  navibus  tectis  profectus',  43,  8;  13  u.  o.  Ich  möchte  mit 
Rücksicht  auf  Derartiges  und  auf  den  Umstand,  dass  oben  §  1 
auch  Anderes  bei  wiederholter  Leetüre  den  Verdacht  einer 
Verstellung  des  Wortes  profectus  entweder  in  M  oder  in  der 
Angabe  der  Moguntini  erweckt,  vorschlagen:  Crantionem  cum 
toto  exercitu  profectus  primo  adventu  cepit.  Zudem  ist  der 
Ausfall  des  Wortes  in  B  ^  so  bei  dem  folgenden  primo  immerhin 
auch  leichter  erklärlich  als  bei  der  Lesart  der  Moguntini. 

XXVI,  21,  5  Host  man  noch  immer  ad  Hydruntum,  und 
diese  Liviusstelle  erscheint  bei  Neue  Formenlehre  I,  326,  Georges 
Wortf.  S.  327,  Georges  Lex."  I,  2'>69  unter  den  wenigen 
Belesren  tur  die  Nebenform.  B  stützt  aber,  wie  ich  aus  der 
CoUation  orsoho,    vielmehr  durch    sein    ad  hidrunt^m   die   von 


Zur  rierten  Decade  des  Livins. 


alten  Ausgaben  (Camp.,  Rom.  1472,  Parm.  1480)  überlieferte 
und  von  Cicero  ausnahmslos  gebrauchte  Form  ad  Hydruntem,^ 
XXXVI,  28,  4  wird  in  neuester  Zeit  einfach  prope  dicen- 
iem  interfatus  Romanum  gelesen,  und  Weissenborn  bemerkte 
dazu:  ,das8  Phaeneas  gemeint  sei,  zeigt  der  Zusammenhangt 
Ich  mnss  gestehen,  dass  ich  hier,  je  öfter  ich  die  Stelle  lese 
und  alle  Umstände  überlege,  vielmehr  mit  früheren  Heraus- 
gebern einschhesslich  Bekker^s  den  Ausfall  jenes  Namens  in  B 
und  dem  grössten  Theile  der  4>-Classe  für  wahrscheinlich  halte. 
Dass  die  Ergänzung  des  Subjectes  consul  im  vorangehenden  §  3, 
worauf  sich  Weissenborn  in  der  praefatio  der  cd.  Teubn.  p.  XVTII 
und  in  der  genannten  Anmerkung  der  Weidmännischen  Aus- 
gabe berief,  denn  doch  gewiss  viel  leichter  ist  als  die  hier 
weiter  geforderte  des  Subjectes  Phaeneas,  zeigt  Jedem  ein  Ueber- 
blick  über  diese  Satzreihe  sofort;  bekannt  ist  ferner  die  häu- 
fige Versehenreihe  eines  Wortausfalles  in  B,  wie  uns  gerade 
früher  ein  sicheres  Beispiel  begegnet  ist;^  und  wie  dort  das 
in  B  <l>  ausgefallene  Wort  durch  eine  Notiz  aus  M  angedeutet 
war,  so  findet  sich  an  unserer  Stelle  eine  Andeutung  des  Aus- 
falles in  Elrmangelung  einer  Bemerkung  über  M  wenigstens  in 
zwei  Vertretern  der  4>-Classe,  deren  mehrfach  beachten  swerthe 
Verhältnisse  wir  in  dieser  Abhandlung  wiederholt  zu  berühren 
haben.  Der  cod.  Voss,  bietet  prope  dicentem  interfatus  Pha- 
neos  (sie!)  Romanorum,  Lov.  2  prope  dicentem  interfatus  legatus 
Romanorum.  Die  häufige  Corruptel  Romanorum  statt  Romanum, 
die  sich  in  der  ganzen  4>-Classe  findet,  konnte  vielleicht  theil- 
weise  auch  zum  Ausfalle  von  Phaeneas  beitragen,  erklärt  aber 
jedesfalls  die  Entstehung  des  weiteren  Verderbnisses  im  Lov.  2 
leicht;  legatus,  das  vielleicht  doch  auch  schon  vor  jener  Corrum- 
pirung  des  Romanum  in  4>  hier  und  dort  entweder  zur  Ergän- 
zung des  ausgefallenen  Phaeneas  oder  vielleicht  einst  zur 
Erklärung  desselben  dem  Rande  beigeschrieben  war  (vgl.  §  1 
Phaeneas  legationis  princeps),   wurde  dann  bei  gedankenloser 


*  XXXVI,  10,  8  alüs  nunc  vires  urhis  nequaquam  Pheris  conferendae  me- 
muMrantUma,  B  liest  hier  phaereU,  und  das  weist  zunächst  doch  auf  Phe- 
raeis,  wie  ich  es  in  alten  Ausgaben  (ed.  Parm.  1480,  Par.  1510)  fand. 
Ich  sehe  darüber  bisher  nirgends  etwas  notirt,  aber  auch  kaum  einen 
ganz  zwingenden  Grund,  diese  Herstellung  nach  B  zu  verlassen, 

»  Vgl.  oben  S.  3. 


4  V.  Abhandlung:    Zingerle. 

stand,  wodurch  sich  auch  der  Ausfall  um  so  leichter  erklären 
würde;  wie  ich  aber  sehe,  hat  Livius  dasselbe  meist  der  An- 
gabe der  Begleitung  nachgestellt.  Vgl.  II,  16,  6  infesto 
exercitu  in  agrum  Sabinum  profecti]  19,  3  magnis  copiis  pe- 
ditum  equitwnque  profecti]  62,  1  cum  exercitu  in  Aequos  pro- 
fectus]  IV,  46,  12  navo  exercitu  profectus]  VTII,  6,  8  du6bu$ 
scriptis  exercitihus  per  Afarsos  Paeligyiosque  profecti'^  30,  4  exer- 
citu instructo  paratoque  profectus'  XXI,  48,  4  tacito  agmine 
profectus]  XXIII,  17,  3  cum  exercitu  omni  profectus]  40,  3  cum 
his  equitum  peditumque  copiis  profectus  in  agrum  hostium^ 
XXIV,  30,  1  cum  omni  exercitu  profectus  in  Leontinos  ]  35,  1 
cum  tertia  fere  parte  exercitus  ad  recipiendas  v^rbes  profectus] 
35,  8  cum  decem  milibus  peditum^  quingentis  equitihus  nocU 
per   intermissa    custodiis    loca   profectus'^   41,  6  P.  Scipio   cum 

eocpeditis  dam  profectus '^  41,  9  Cn.  Scipio cum  legione  ex- 

pedita  profectus 'j  XXV,  25,  12  cu77i  triginta  quinque  navibus 
ex  portu  Syraciisano  profectus'^  21  j  2  cum  classe  profectus 
Carthaginem]   XXVIII,  7,  16  cum   expedito   a^ine  profectus^ 

8,  8  hide  quinqueremibus  Septem profectus ',  doch  genug  der 

Beispiele,  welche  nach  meinen  Sammlungen  die  abweichenden 
weit  übersteigen  und  schliesslich  nur  noch  die  Bemerkung, 
dass  selbst  an  der  in  Rede  stehenden  Stelle  im  unmittelbar 
Folgenden  gleich  derselbe  Gebrauch  wiederkehrt:  XXXVI,  10, 5 
cum  tribus  milibus  peditum  Aetolorum  et  ducentis  equitihus  in 
Perrhaebiam  profectus  Malloeam  et  Cyretias  vi  cepit.  Vgl.  auch 
XXXVI,  30,  3  inde  toto  exercitu  profectus*  42,  1  cum  quinqua- 
ginta  navibus  tectis  profectus]  43,  8;  13  u.  ö.  Ich  möchte  mit 
Rücksicht  auf  Derartiges  und  auf  den  Umstand,  dass  oben  §  1 
auch  Anderes  bei  wiederholter  Leetüre  den  Verdacht  einer 
Verstellung  des  Wortes  profectus  entweder  in  M  oder  in  der 
Angabe  der  Moguntini  erweckt,  vorschlagen:  Crannonem  cum 
toto  exercitu  profectus  primo  adventu  cepit.  Zudem  ist  der 
Ausfall  des  Wortes  in  B  ^  so  bei  dem  folgenden  primo  immerhin 
auch  leichter  erklärlich  als  bei  der  Lesart  der  Moguntini. 

XXVI,  21,  5  Hest  man  noch  immer  ad  Hydruntum,  und 
diese  Liviusstelle  erscheint  bei  Neue  Formenlehre  I,  326,  Georges 
Wortf.  S.  327,  Georges  Lex."  I,  2869  unter  den  wenigen 
Belegen  für  die  Nebenform.  B  stützt  aber,  wie  ich  aus  der 
Collatiou  ersehe,    vielmehr  durch    sein    ad  hidruntem   die   von 


Zv  Tierten  Dccide  4es  Lmi 


ahen  Ausgaben  (Camp.,  Rom.  1472,  Parm.  1480)  überlieferte 
nnd  von  Cicero  aosnahmslos  gebrauchte  Form  ad  Hydruntem^ 
XXXVI,  28,  4  wird  in  neuester  Zeit  einfach  prope  dicen- 
tem  interfatus  Romanum  gelesen,  und  Weissenbom  bemerkte 
dasa:  ,das8  Phaeneas  gemeint  sei,  reigt  der  Zusammenhang'. 
Ich  muss  gestehen,  dass  ich  hier,  je  öfter  ich  die  Stelle  lese 
and  alle  Umstände  überlege,  Tielmehr  mit  früheren  Heraus- 
gebern einschliesslich  Bekker's  den  Ausfall  jenes  Namens  in  B 
und  dem  grössten  Theile  der  <1>-Classe  fiir  wahrscheinlich  halte. 
Dass  die  Ei^nzung  des  Subjectes  consul  im  vorangehenden  §  3, 
worauf  sich  Weissenborn  in  der  praefatio  der  ed.  Teubn.  p.  XVUI 
und  in  der  genannten  Anmerkung  der  Weidmännischen  Aus- 
gabe berief,  denn  doch  gewiss  viel  leichter  ist  als  die  hier 
weiter  geforderte  des  Subjectes  Phaeneas^  zeigt  Jedem  ein  Ueber- 
blick  über  diese  Satzreihe  sofort;  bekannt  ist  femer  die  häu- 
fige Versehenreihe  eines  Wortausfalles  in  B,  wie  uns  gerade 
früher  ein  sicheres  Beispiel  begegnet  ist;*  und  wie  dort  das 
in  B  <l>  ausgefallene  Wort  durch  eine  Notiz  aus  M  angedeutet 
war,  so  findet  sich  an  unserer  Stelle  eine  Andeutung  des  Aus- 
falles in  Elrmangelung  einer  Bemerkung  über  M  wenigstens  in 
zwei  Vertretern  der  ^-Classe,  deren  mehrfach  beachten  swerthe 
Verhältnisse  wir  in  dieser  Abhandlung  wiederholt  zu  berühren 
haben.  Der  cod.  Voss,  bietet  prope  dicentem  interfatus  Pha- 
neos  (sie!)  Romanorumy  Lov.  2  prope  dicentem  interfatus  legatus 
Romanoram,  Die  häufige  Corruptel  Romanorum  statt  Romanum^ 
die  sich  in  der  ganzen  4>-Classe  findet,  konnte  vielleicht  theil- 
weise  auch  zum  Ausfalle  von  Phaeneas  beitragen,  erklärt  aber 
jedesfalls  die  Entstehung  des  weiteren  Verderbnisses  im  Lov.  2 
leicht;  legaiuSy  das  vielleicht  doch  auch  schon  vor  jener  Corrum- 
pirung  des  Romanum  in  4>  hier  und  dort  entweder  zur  Ergän- 
zung des  ausgefallenen  Phaeneas  oder  vielleicht  einst  zur 
Erklärung  desselben  dem  Rande  beigeschrieben  war  (vgl.  §  1 
Phaeneas  legationis  princeps),   wurde  dann  bei  gedankenloser 


*  XXXVI,  10,  8  aliU  nunc  vire»  urhi»  nequcujuam  Pheri»  conferendae  nie- 
morantibu».  B  liest  hier  phaereisy  und  das  weist  zunächst  doch  auf  Phe- 
raeisj  wie  ich  es  in  alten  Ausgaben  (ed.  Parm.  1480,  Par.  1510)  fand. 
Ich  sehe  darüber  bisher  nirgends  etwas  notirt,  aber  auch  kaum  einen 
ganz  zwingenden  Orund,  diese  Herstellung  nach  B  zu  verlassen, 

•  Vgl.  oben  S.  3. 


6  V.  Abbandlang:    Zingerle. 

Abschreibung  dem  verdorbenen  Romanorum  im  Texte  beigefligt! 
Ich  möchte  aber  bei  dem  sichtlich  frühen  Ausfalle  von  PÄa€- 
nects^  nach  manchen  Erfahrungen  in  diesen  Partien  auf  die 
Stellung  im  Voss,  nicht  zu  grossen  Werth  legen,  auch  die  bei 
den  früheren  Herausgebern  beliebte  Stellung  des  Sigonius  prope 
dicentem  interfatus  Romanum  Phaeneas  nicht  zu  hoch  halten, 
sondern  im  Anschlüsse  an  die  nächst  liegenden  unverdorbenen 
livianischen  Stellen  (XXXII,  34,  2  orsum  ev/m  dicere  . . .  violenter 
Phaeneas  interfatus '^  XXXVI,  27,  3  qu^s  dicere  exorsos  consul 
interfatus)  schreiben:  prope  dicentem  Phaeneas  interfatus  Ro- 
manum. 

XXXVI,  41,  3  Hannihal magis    mirari   se 

aiehaty  quod  non  iam  in  Asia  essent  Romaniy  quam,  venturos 
duhitare;  propius  esse  ex  Graecia  in  Asiam  quam  ex  Italia  in 
Graeciam  traicerey  et  multo  maiorem  causam  Antiochum  quam 
Aetolos  esse;  neque  enim  mari  minus  quam  terra  poliere  Ro- 
mana  arma. 

Das  handschriftlich  einstimmig  überlieferte  nequ^  enim 
(eni)  hat  bereits  J.  F.  Gronovius  mit  Recht  beanstandet,  daftür 
aber  ein  hier  recht  zweifelhaftes  neque  etiam  vorgeschlagen. 
Man  hilft  jetzt  der  Stelle  nach  dem  Vorgange  der  ed.  Camp. 
meist  durch  einfache  Streichung  des  enim  auf,  was  ja  auch 
paläographisch  noch  begründet  werden  kann.  Denkt  man  aber 
an  die  bereits  von  den  älteren  Kritikern  gut  hervorgehobene 
Dreitheilung  der  Gründe,  so  könnte  an  dieser  letzten  Stelle 
der  Gedanke  an  ein  nee  denique  nicht  zu  ferne  hegen.*  Die 
vielen  Verwirrungen,  welche  die  que  respective  q;  gerade 
auch  in  der  Liviusüberlieferung  anrichteten,  sind  bekannt; 
sollte  hier  etwa  bei  aller  sonstigen  Leichtigkeit  der  palAo- 
graphischen  Erklärung  der  Ausfall  des  Buchstabens  d  Bedenken 
erregen,  so  könnte  bemerkt  werden,  dass  derartiges  nach  ein- 
mal angerichteter  Verwirrung  auch  sonst  nicht  selten  ist;  ent- 
stand ja,  um  nur  ein  örtlich  recht  naheliegendes  Beispiel  dieser 


'  Oder  sollte  Jemand  im  legattu  das  Ursprüngliche  sehen  wollen,  welches 
Wort  allerdings  in  der  Nähe  eines  interfatu»  besonders  leicht  ausfallen 
konnte? 

'  Ich  hatte  zuerst  iiec  denique  oder  non  (nj  denique  vermuthet;  ich  theilte 
letzteres,  da  ich  dair  erstere  ilir  Livius  nicht  so  belegt  hatte,  H.  J.  Müller 
mit,  der,  obwohl  selbst  für  ed.  Camp.,  nee  denique  für  möglich  hält. 


Zv  Tiert«D  Decade  des  Lirint.  7 

PjLTtie  m  citiren,  XXXVII,  37,  1  in  B  aus  deinde  Rhoeteum 
ein  de  indro  &  eum\ 

XXX\TI,  4,  8  möchte  ich  fast  ohne  Bedenken  necopitiat^m 
statt  inopinatam  vorschlagen.  Letzteres  ist  nur  Lesart  mehrerer 
jüngerer  Handschriften  und  der  alten  Ausgaben,  während  B  und 
die  ihm  oft  besonders  nahe  stehenden  *^- Vertreter  Lov.  2  und 
Voss,  opinatam  überliefern.  Beachtet  man  nun  einerseits  die 
Vorliebe  des  Livius  für  necopinatuSy  die  bereits  Drakenborch 
zu  TVy  27,  8  durch  Keihen  von  Beispielen  beleuchtet  hat,  wie 
dieselbe  auch  aus  den  bisherigen  Indices,  z.  B.  bei  Emesti- 
Blreyssig,  sich  ergibt,  anderseits  auch  wieder  die  häufigen  Ver- 
wirrungen, welche  diese  beiden  Formen  in  den  Manuscripten 
selbst  bis  zur  Vereinigung  necinopiuatus  veranlassten  (so  z.  B. 
cod.  Voss.  XXXVII,  11,  7  und  dazu  die  weiteren  Beispiele 
Drakenborch's),  so  liegt  es  wohl  auch  an  unserer  Stelle  näher, 
das  opinatam  der  besseren  Ueberlieferung  zu  einem  necopinatam 
zu  ergänzen.^ 

XXX\T[I,  13,  8:  Postquam  nemo  adversug  ibnty  elasst  divisa 
pars  in  salo  ad  ostium  portiis  in  ancoris  stetity  pars  in  terram 
milites  exposuit,  in  tos  iam  inrftntem  praedam  laU  depopulato 
agro  agentis  Androniciis  MacedOj  qui  in  praesidio  Ephesi  tratj 
iam  moenibus  appropinqiiantis  eruptioneni  fecit  Schon  Crevier 
dachte  an  Tilgung  des  ersteren  /am,  und  ihm  folgten  in  neuester 
Zeit  Madvig  und  M.  Müller;  Weissenborn  berief  sich  filr  die 
nahe  Wiederholung  dieses  Wortes  auf  XXXVI,  34,  2,  zu  welcher 
Stelle  er  aber  selbst  wieder  bemerkte:  ,doch  ist  vielleicht  das 
eine  iam  unächt^  Im  obigen  Passus  des  37.  Buches  scheinen 
mir  die  Ueberlieferungsverhältnisse  einer  zusammenfassenden 
Erwähnung  werth,  da  Erscheinungen  in  B,  il  und  <l>  hier  viel- 
leicht auf  eine  ziendich  früh  entstandene  Verwirrung  hindeuten 
könnten.  BezügUch  des  im  eos  iam  scheint  Uebereinstimmung 
der  Ueberlieferung  anzunehmen  mit  Ausnahme  des  Harl.,  wel- 
cher ind^  eos  iam  bietet;  das  zweite  iam  (vor  moenibus)  fehlt 
in  B,  dem  grösseren  Theile  der  4>  Classe,  sowie  in  den  ältesten 
Ausgaben,  und  es  wurde  erst  von  Aldus  aus  M  aufgenommen; 


'  XXXVni,  30,  S  findet  sich  allerdings  inopinata  re,  aber  dort  ist  es  ein- 
stimmig überliefert;  andererseits  aber  vgl.  für  dieselbe  Verbindung  11, 14,6 
res  necopinata;  111,  3,2  necopinaia  etiam  re«,  XXX  VII,  11,  7  inre  necopinata. 


8  y.  Abhandlung:    Zingerle. 

dagegen  haben  vier  <l>-Codices,  darunter  der  Voss.,  für  dieses 
zweite  iam  ein  in  (in  moenibus).  Derartiges  könnte  auf  die 
Vermuthung  fUhren,  dass  eine  Verwechslung  zwischen  inde  (ifl), 
in  (vgl.  darüber  flir  Livius  z.  B.  die  Sammlung  bei  Drakenborch 
zu  X,  20,  6)  und  dann  iam  (iö)  zu  allen  diesen  Wirrnissen 
und  Erscheinungen  Anlass  gab.  Ein  in  eos  inde  ingeniem 
praedam  u.  s.  w.  am  ersteren  Platze  würde  zudem  ähnlichem, 
auch  sonst  bei  Livius  begegnendem  Wortklange  entsprechen; 
vgl.  z.  B.  V,  17,  1  ingen^   inde   haberi   captivus  vates   coepttu] 

VI,  6,  8  ingena  inde  ait  onus  a  populo  Romano  sibi in- 

iungi. 

XXXVII,  16,  9:  Hiy  dum  missilibus  primo  et  adversus 
paucoa  levibtcs  excursionibus  lacessebatur  magis  q^iKim  conr 
serebatv/r  pugna  cet.  Diese  Fassung  datirt  seit  der  ed.  BasiL 
1535,  M  hatte  leuibus  et  excursionibus,  B  ^  überliefern  nur 
leuibus,  Weissenborn  vermuthete  in  der  praef.  zur  Teubner- 
schen  Aasgabe  p.  XIX  levibus  annis  und  ftigte  in  der  Weid- 
männischen S.  184  dem  beibehaltenen  Basler  Texte  die  An- 
merkung bei:  ,levibus  excursionibus  ist  nicht  sicher,  da  excur- 
sionibus nur  die  Mz.  Hs.  und  davor  et  hat,  und  wohl  parvae 
excursion^s,  tumultuosae  u.  ä.  sich  findet,  aber  mehr  levia  cer- 
tamina,  proelia  oder  levia  per  excursiones  proelia^.  Mir  scheint 
diese  Bemerkung  beachtenswerth,  und  ich  denke  an  die  Her- 
stellung levis  armaturae  excursionibus  mit  Vergleichung  der 
nahen  Stelle  XXXVII,  18,  4  excursionibus  equitum  levisque 
armaturae  magis  lacessebat  quam  sustinebat  hostem]  vgl.  zur 
Sache  auch  XXXXIIII,  4,  2  et  hostes  levis  ai'matura  erai, 
promptissimum  genus  ad  lacessendum  certamen]  XXIII,  26, 7 
praemissa  igitur  levi  ai*matura,  quae  eliceret  hostes  ad  ceHamen, 
In  B  <1>  sind  in  der  in  Rede  stehenden  Stelle  des  37.  Buches 
gleich  dann  nach  lacessebatur  auch  die  Worte  magis  quam  con- 
serebatur  durch  aberratio  ausgefallen. 

XXXVII,  18,  7:  Plurimum  terroris  in  Gallorum  mercede 
conductis  qn-attuor  milibus  erat,  hos  p  au  eis  admixtis  od 
pervastandum  passim  Pergamenum  agrum  [milites]  emisit,  Daa 
in  allen  erhaltenen  Handschriften  überlieferte,  nun  aber  in 
den  Ausgaben  mit  Recht  eingeklammerte  milites  hatte  schon 
Gelenius  als  fehlerhaft  erkannt;  ob  mit  Hilfe  einer  seiner  Hand- 
schriften, muss  bei  seinem  diesmaligen  Ausdrucke  {,redund(it^ 


Zur  rierten  Decade  des  Lirins.  v 

freilich  zweifelhaft  bleiben.  Am  einfachen  paucis  admixtia  (B 
mit  den  meisten  Handschriften  paucis  admixtos)  haben  aber  erst 
Neuere  Anstoss  genommen.  Weissenbom  erwartete  statt  paucis 
eine  genauere  Bezeichnung,  vielleicht  Dahis ;  M.  Müller  bemerkt 
praef.  p.  VI  ,nomen  gentis  aut  excidit  post  paucis  aut  latet  in 
paucis.^  Fast  möchte  man  in  diesem  Zusammenhange  die  er- 
stere  Annahme  Jf.  Müller's  für  wahrscheinlicher  halten,  namentlich 
wenn  man  in  einer  bald  folgenden  Partie  unseres  Buches  cap. 
38,  3  liest  niaxima  pars  Gallograeci  erant  et  Dahae  quidam  . .  .  • 
intermia^i.  Nicht  unpassend  schiene  etwa  noch  und  im  Aus- 
fall paläographisch  nicht  schwer  zu  erklären  paucis  Syris  ad- 
mixtis'^  vgl.  cap.  40,  12  Syri  plerique  erant  Phrygibus  et  Lydis 
immixti. 

XXX Vn,  24,  7:  Consurrexere  omnes,  contemplatique 
irepidationem  fuganique  hostium  ac  prope  una  voce  omneSy 
ut  sequerentury  exclamaverunt.  So  lautet  die  hier  überein- 
stimmende Ueberlieferung  B  M;  in  den  Ausgaben  wird  jetzt 
gewöhnlich  mit  den  jüngeren  Handschriften  das  ac  gestrichen, 
doch  machen  sich  mit  Rücksicht  auf  jene  auffallende  Ueber- 
einstimmung  der  Hauptvertreter  mit  Recht  noch  immer  Zweifel 
geltend.  Weissenborn  dachte  in  der  Weidmännischen  Ausgabe, 
nachdem  er  die  früher  in  der  Teubner' sehen  angedeutete  Er- 
klärung des  ac  durch  Ergänzung  eines  sunt  zu  contemplatique 
aufgegeben,  an  einen  Ausfall,  und  auf  diesem  Wege  dürfte  nach 
manchen  Erfahrungen  in  solchen  Fällen  wohl  am  ehesten  vor- 
zugehen sein.  Vielleicht  ist  (alacrt)  ac  prope  una  voce  zu 
schreiben;  vgl.  z.  B.  Liv.  VI,  24,  8  et  adhortatio  in  vicem  totam 
alacH  clamore  perva^it  aciern;  XXIV,  l(i,  10  ad  quam  vocem 
cum  clamor  ingeiiti  alacritate  suhlatus  esset;  Curt.  IX,  4,  23 
non  alias  tarn  alacer  clamor  ah  exercitu  est  redditus  iuhentiumj 
duceret  dis  secundis  cet.  Dieser  Ausfall  würde  sich  auch  paläo- 
graphisch ziemlich  leicht  erklären. 

XXXVII,  34,  6:^  cum  turma  Fregellana  missiim  explo- 
ratum  ad  regia  castra,  effuso  ohmam  equitatu  cum  reciperet 
tw«,  in  eo  tumultu  delapsum  ex  equo  cet.  Dies  die  ge- 
wöhnliche Fassung  seit  Kreyssig,    die  bei  den  letzten  Worten 


*  lieber  die  Stelle  im  Allgemeinen   und  über  die  wahrscheinliche  Quelle 
vgl.  Mommsen,  Rom.  Forschungen  II,  517. 


10  V.  Abhandlung:    Zingerle. 

die  Wortstellung  der  Lesart  der  cod.  rec.  und  ed.  vet.  (in 
eo  tumulto  delapso  equo)  beibehielt.  M,  welcher  hier  die  Her- 
stellung erleichterte;  bot  in  eo  delapsum  tvmiuUu  ex  equOy 
B  überliefert  nur  delapsum  equOj  zeigt  also  wie  so  oft  einen 
Ausfall.  Beachten  wir  nun  aber  diese  Erscheinungen  in  den 
zwei  Hauptvertretern,  so  muss  sich  uns  wohl  die  Wortstellung 
delapsum  in  eo  tumultu  ex  equo  als  die  ursprüngliche  fast  auf- 
drängen. Nicht  nur  wird  so  der  Ausfall  in  B  paläographisch 
plausibler,  sondern  auch  die  unhaltbar  gezwungene  Wortstellung 
in  M  durch  frühen  Ausfall  und  dann  Eindringen  eines  Rand- 
nachtrages an  die  falsche  Stelle  des  Textes  erklärUch  —  ein 
Fall,  den  ich  in  den  Hilariusstudien  so  oft  in  besonders  be- 
zeichnender Weise  nachweisen  konnte.  Ein  Zweifel,  den  auch 
Weissenborn  in  der  Anmerkung  andeutet,  könnte  etwa  noch 
wegen  des  ex  bestehen,  welches  durch  M  allein  überUefert  ist 
Doch  scheint,  abgesehen  von  den  oben  dargestellten  Verhält- 
nissen, die  auch  diesen  Ausfall  in  B  <P  noch  unschwer  erklären 
lassen,  der  vorwiegende  Uvianische  Sprachgebi'auch  ziemlich 
deuthch  dafUr  zu  zeugen.  Trotz  sonstiger  Schwankungen  finde 
ich  in  meinen  Sammlungen  lahi  und  dessen  Composita  gerade 
in  Verbindung  mit  equus  bei  Livius  mit  ex  construirt;  vgl.  II, 
6,  9  ea?  equis  lapsi*  X,  36,  4  dslapsi  ex  equis]  XXI,  46,  6  muüia 
labentibus  ex  equis'^  XXV,  34,  11  labentem  ex  eqiLO]  XXVII, 
27,  7  prolabentem  ex  equo]  XXXV,  11,  9  labi  ex  equis  (IX, 
22,  7  hat  H.  J.  Müller  in  der  5.  Aufl.  1890  nach  Indicien  man- 
cher Handschriften  nun  auch  (ex)  equo  praecipitaret  vermuthet), 
XXX VII,  38,  1  wird  äd  Hyrcanium  campum  in  den 
Text  zu  setzen  sein.  Hertz  bezeichnete  Hyrcanium  st.  Hyr- 
canum  nur  als  Conjectur  Drakenborch's ;  nach  Alschefski's  CJol- 
lation  steht  aber  im  cod.  B  selbst  hyrcaniri;  in  einigen  cod.  rec. 
findet  sich  hyrcamum  und  hyrcaneum,  was  auf  dasselbe  weist, 
und  dazu  vergleiche  man  Strab.  XIII,  4,  13  xb  Tpxaviov  r^ilion, 
—  Nur  nebenbei  sei  bei  dieser  Gelegenheit  bemerkt,  dass  cap. 
36,  2  das  in  neuester  Zeit  von  M.  Müller  wieder  erkannte 
und  durch  den  Hvianischen  Sprachgebrauch  schön  begründete 
est  pollicitus^  bereits  bei  Aldus  begegnet. 

*  Cf.  Liv.  ed.  Weissenboru  —  M.  Mttller,  Pars  IV,  Fase.  I,  praef.  p.  HI; 
Fase.  II,  p.  VIII,  dazu  H.  J.  Mililer,  Jahresber.   des  Berl.  phil.  Vereins 


Zar  Tierteo  Decade  des  LiyioB.  1 1 

XXX Vn,  41,  2:  Nebula  rtuitutina,  crescente  die  levata  in 
nubeSy  ccdigiiiem  dedit;  umor  inde  ab  austro  velut  perfudit 
omnia.  Der  neneste  Herausgeber,  M.  Müller,  schliesst  sich 
nach  der  Bemerkung  praef.  p.  VlLL  ,coniecturae  propositae  non 
satisfacinnt^  im  Texte  an  Weissenbom's  Lückenzeichen  nach 
vdut  an.  Weissenborn  neigte  sich  nämlich  in  der  Weidmann- 
schen  Ausgabe,  in  welcher  er  seine  früher  in  der  Teubner' sehen 
praef.  p.  XXI  angedeutete  Conjectur  selbst  nicht  mehr  erwähnt, 
sur  Annahme,  dass  nach  velut  das  Verglichene  ausgefallen  und 
vielleicht  imber  zu  ergänzen  sei,  wofür  er  die  Stellen  aus  Florus, 
Frontin  und  Aurelius  Victor  (bei  letzterem  53  aber  pluvia)  an- 
ftLhrt.  Nachdem  hier  selbst  Madvig  auf  seine  frühere  Conjectur 
nicht  mehr  Werth  legte  und  weiter  M.  Müller  auch  die  Be- 
ziehung des  velut  auf  perfudit  gewiss  mit  Recht  bestritt,  dürfte 
diese  Ansicht  Weissenbom*s  den  richtigen  Punkt  in  der 
Hauptsache  getroffen  haben.  Auch  der  sonst  öfter  in  dieser 
Beschreibung  wiederkehrende  Gebrauch  des  velut  mit  Ver- 
gleichungen  scheint  mir  dafür  zu  sprechen;  vgl.  z.  B.  41,  10 
haec  velut  procella;  repente  velut  effrenati;  43,  9  velut  caeci. 
Ich  habe  mir  auch  bezügliche  Stellen  griechischer  Schriftsteller 
zur  Ergänzung  der  bisherigen  Sammlungen  angesehen  und  fand 
da  bei  Appian  und  Zonaras  auch  die,  wie  es  scheint,  in  allen 
Beschreibungen  dieser  Schlacht  fast  stereotype  Hervorhebung 
der  Dunkelheit  und  Feuchtigkeit.  Des  späten  Zonaras  Be- 
merkung über  den  letzteren,  uns  hier  interessirenden  Punkt 
ähnelt  in  der  allgemeinen  Auffassung  sichtlich  der  in  nach- 
livianischen  römischen  Schriftstellern  kurz  sich  vorfindenden;^ 
etwas  interessanter  für  unseren  Zweck  könnte  vielleicht  die 
Fassung  bei  Appian  Syr.  33  erscheinen:  d/XuwSou^  Be  xal  C^^spac 
T^^  TilkipoLq  YevopievTf;;  ij  xe  öi|;iq  eaßsaro  xi;^  e7:i8e(^e<i>;  vm  xa  TO^euixata 
'xarzoL  apißXuTepa  ^/,  w?  ev  ddpi  u^pw  xal  ay.0T£iv(7>.  Wenn  nicht 
Alles  täuscht,  so  standen  sich  in  diesen  Beschreibungen,  wie 
öfter    auch    sonst,    zwei   Varianten    gegenüber,    einerseits    der 


1888  S.  101,  1891  S.  168  und  meine  Bern,  in  der  Berl.  phil.  Wochen- 
schrift 1891  S.  1038. 
^  Zon.  IX,  20  (II,  p.  308  Dind.):  t^v  8e  ro^eCov  xai  d^v  a^EvdovTjaiv  ofißpo^ 
icoXuf  &ciYevd(i£vo^  aoÖsv^  iTCoiTjoev;  vgl.  Flor.  II,  8:  imbre,  qui  subito  super- 
fiuus  mira  feUcUtUe.  Persicos  arcus  corruperal,  Aur.  Vict.  53 :  cum  arcus 
hostium  pluvia  hefjetati  fuissent. 


12  V.  Abhuidlang:    Zingerle. 

dunkle ;  regnerisch-feuchte  Tag,  anderseits  der  niederfallende 
starke  Platzregen.^  In  der  ersteren  Anschauung  scheinen  sich 
aber  Livius  und  Appian,  wenn  man  die  Ausdrücke  prüft  (vgl 
z.  B.  wiederholt  uvwr  bei  Livius  mit  ev  depi  u^pw  bei  Appian) 
ziemlich  nahe  zu  stehen.  Sollte  daraus  bei  Livius  vielleicht 
noch  auf  eine  Ergänzung  umor  inde  ab  austro  velut  (jplumalü) 
perfudit  omnia  zu  schliessen  sein,  zumal  da  selbst  Aur.  Victor 
bei  seiner  Darstellung  wenigstens  noch  das  Wort  pluvia  er- 
halten hat?^  Allerdings  kann  man  pluvialis  in  den  uns  aus 
dem  grossen  Werke  des  Livius  erhaltenen  Partien  nicht  nach- 
weisen; aber  da  wir  das  Wort  in  der  augusteischen  Dichter- 
sprache, der  gegenüber  sich  bekanntlich  Livius  nicht  immer 
ablehnend  verhielt,  bereits  geläufig  und  öfter  in  bezeichnenden 
Verbindungen  treffen  (z.  B.  Verg.  Georg.  lH,  429  vere  madent 
vdo  terrae  ac  pluvialibus  austris'^  Ov.  Met.  ViU,  335  pluvicdes 
fungi  [,durch  Regen  erzeugt^]),  da  es  anderseits  auch  bald  in 
der  Prosa,  z.  B.  bei  Colum.  11,  13,  9  und  hier  nicht  uninteressant, 
durch  plumalis  dies  belegbar  ist,  könnte  die  Annahme  eines 
U7nor  ab  austro  velut  pluvialisj  namentUch  mit  gleichzeitiger 
Beachtung  der  Darstellung  Appians  immerhin  nicht  gar  zu  ge- 
wagt erscheinen. 

XXX VII,  44,  4:  legati  ab  Thyatira  et  Magnesia  ab  Si- 
pylo  ad  dedendas  urbes  venerunt.  Obwohl  nun  diese  auch 
durch  B  bestätigte  Ueberlieferung  in  den  neuesten  Ausgaben 
durchweg  in  den  Text  gesetzt  wurde,  kann  man  sich  doch 
gewisser  Zweifel  nie  enthalten.  Ich  brauche  hier  nicht  auf  die 
bekannten  Erklärungsversuche  einzugehen  und  bemerke  nur 
kurz,  dass  die  von  Weissenbom,  welcher  sich  gegenüber  Madvig 
mehr  zur  Auffassung  des  ab  Sipylo  als  einer  attributiven  Be- 
stimmung von  Magnesia  hinneigt,  beigebrachten  Beispiele  ftlr 
eine  solche  Verbindung  bei  Livius  wenig  beweisen,  wie  denn 
der  gewissenhafte  Gelehrte  am  Schlüsse  seiner  Anmerkung 
selbst  den  sonstigen  diesbezüglichen  Gebrauch  des  Livius  durch 


^  Am  stärksten  hat  diesen  Standpunkt  wolil  Frontin  zur  Geltung  gebracht 
IV,  7,  30:  ciim  die  ac  nocte  imhre  continuo  vexeUum  exercitnm  ArUiochi 
videret,  nee  hominejt  tanttim  aut  er^w«  deficere,  verum  arcw»  quoque  madenr 
tifrtu  nrrvU  inhahUe^  factos. 

*  Vgl.  zur  Wortbedeutung  nun  z.  B.  auch  Schmidt,  Latein.-griech.  Sy- 
nonymik S.  233. 


Zar  rierten  Decade  des  Liyias.  13 

Beispiele  klarlegt;  letzteren  wären  noch  Stellen  beizufügen,  wie 
XXX Vn,  45,  19  Magnesiam  ad  Maeandrum;  56,  2  Maffnesiam 
ad  Sipylum;^  XXX VII,  11,  3,  wo  nur  Magnesia  am  Mäander 
gemeint  sein  kann,  zeigt  die  einstimmige  Ueberlieferung  Magne- 
riam  ad  Sipylum  wenigstens  auch  noch,  wie  sehr  der  gewöhn- 
liche Sprachgebrauch  immer  nachklang.  Dennoch  würde  es 
fast  unnütz  sein,  diesen  Punkt  nochmals  zu  berühren,  wenn 
nicht  die  genauer  geprüften  paläographischen  Verhältnisse  des 
cod.  B  und  zum  Theile  auch  der  <1>-Classe  noch  einen  weiteren 
Anhaltspunkt  zu  bieten  schienen.  Da  zeigte  sich,  dass  Ver- 
wechslung von  ad  und  ab  auch  hier  ziemlich  ausgedehnt  auf- 
tritt. Schon  zufkllig  herausgegriffene  Beispiele  können  dies  zur 
Genüge  beweisen.  XXXVI,  14,  6  ad  cieria  B  statt  ab  Cierio; 
19,  1  ab  ea  castella  B  statt  ad  ea  ca^tella;  44,  7  ad  tHbus 
B  statt  ab  tribus;  XXX VU,  14,  3  ad  hellespanto  B  statt  ab 
Hellesponto;  23,  3  ad  aspendiis  B  und  zum  Theil  <I>  statt 
ab  ÄBpendiis;  32,  10  ab  rege  B  <P  statt  ad  regem;  34,  6  ab 
regia  caMra  B  statt  ad  regia  castra;  54,  17  ist  das  in  B  nach 
ab  servitio  regio  folgende  fehlerhafte  ad  sichtlich  auch  nur 
durch  dieses  Versehen  und  durch  Dittographie  zu  erklären; 
XXXVni,  14,  1  ab  tabusian  B  statt  ad  Thabusion;  38,  5  uaq; 
ab  itiga  B  statt  usque  ad  iuga;  40,  5  ad  lysimachiam  B  statt 
ab  Lysimachia;  41,  9  adderitarum  B  statt  Abderitarum;  was 
aber  wohl  das  Interessanteste  ist,  es  findet  sich  selbst  in  dem 
in  Rede  stehenden  Passus  XXXVII,  44,  4  unmittelbar  vor  dem 
verdächtigen  Magnesia  ab  Sipylo  in  B  das  Versehen  ad  tyatira 
statt  oJ  Thyatira!  Unter  solchen  Verhältnissen,  wo  sprachliche 
und  paläographische  Beobachtungen  so  auffallend  zusammen- 
stimmen, kann  man  doch  kaum  mehr  daran  zweifeln,  dass  das 
ah  Sipylo  sich  nur  successive  in  Folge  jener  Verwechslung 
entwickelt  hat,  wie  ich  gerade  auch  solche  Beispiele  in  den 
Hilariusstudien^  auffallend  belegen  konnte  (hier:  ad  sipylü,  ab 
fipylüy  ab  sipylo). 


^  Diese  hier  seit  der  ed.  Basil.  1631  natürlich  überall  aufgenommene  Les- 
art ist  in  den  Handschriften  auch  verdorben;  mag^nemam  &  asypüum  B, 
und  so  oder  magnesiam  asipylium  die  jüngeren  Codices,  Magnesiam  et 
Sipylum  die  alten  Ausgaben. 

*  Vgl.  8.  24  [890],  38  [904] ;  für  Livius  auch  die  oben  citirte  Stelle 
XXXVII,  32,  10. 


14  V.  Abhandlang:    Zingerle. 

XXX VIT,  51,  9:  desierant  enim  victum  in  Aetolia  metuere. 
Da  jüngst  M.  Müller  in  seiner  Ausgabe  p.  IX  die  Vermuthimg 
äusserte,  es  sei  mit  Umstellung  der  Madvig'schen  Ergänzung 
(regem)  zu  lesen  victum  in  Aetolia  metuere  regem^  H.  J.  Müller 
aber  im  Jahresbericht  des  philologischen  Vereines  1891,  S.  169 
dieselbe  schwer  glaublich  fand,  darf  bei  den  neuangeregten 
Zweifeln  hier  wohl  in  aller  Kürze  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dass  die  von  Madvig  Em.  L.  p.  534  an  zweiter  Stelle 
angedeutete  Ergänzung  in  der  Form  victum  in  Aetolia  An- 
tiochum  metuere  paläographisch  doch  am  meisten  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  hat;  ich  kann  dafUr  nun  auch  auf  ein  treffendes 
Beispiel  in  meinem  Bericht  über  die  Innsbrucker  Fragment- 
blätter der  Historia  rom.  des  Paulus  (Phil.  Abhandl.  IV,  S.  54) 
verweisen,  wo  das  dort  sonst  überlieferte  Antiochu^m  durch 
Versehen  in  ähnlicher  Weise  ausgefallen  ist,  wie  femer  auch  im 
cod.  B  des  Livius  an  den  Stellen  XXXVI,  20,  3;  XXXVIII, 
38,  2.1 

XXX Vn,  54,  18:  Non^  qiiae  in  solo  modo  antiqtw  sunt^ 
Graecae  magis  urbes  suntj  quam  colonias  earum,  illinc  quan- 
dam  profectae  in  Asiam,  Am  modo  hat  schon  Crevier  Anstoss 
genommen  und  es  wird  nun  in  den  Ausgaben  meist  einfach 
getilgt;  paläographisch  ist  diese  Streichung  sicher  nicht  sehr 
leicht,  da  an  eine  etwaige  Entstehung  durch  Dittographie  hier 
doch  kaum  gedacht  werden  kann.  Es  würde  die  Entzifferung 
eines  Wortes,  aus  dem  jenes  modo  corrumpirt  sein  könnte, 
jedenfalls  ein  einfacheres  Mittel  sein.  Bedenken  wir  nun,  wie 
wenig  weit  die  uns  flir  diese  Partie  des  Livianischon  Werkes 
erhaltene  Ueberlieferung  hinaufreicht  und  dass  uns  das  be- 
treffende Wort  da  oft  in  der  Abkürzung  md  begegnet,  wie  ich 
es  auch  in  den  älteren  Ausgaben  durchweg  noch  fand,  so  dürfte 
die  Entwicklung  dieses  mö  aus  einem  undeutUch  geschriebenen 
illo  (luo)  in  einer  Vorlage  nicht  unwahrscheinlich  sein:  in  wh 
illo  antiquo  schiene  wohl  auch  für  den  Sinn  gut  zu  passen,  und 
nicht  ganz  uninteressant  ist  bei  den  bekannten  Fehlerverhält- 
nissen des  cod.  B  auch  der  Umstand,   dass   dort  das  folgende 


*  Da  an  diesen  beiden  Stellen  regitt  Antiochiy  resp.  regi  Antiocho  gelesen 
wird  und  ähnlich  auch  sonflt  öfter  (z.  B.  XXXVIII,  58,  8  cum  AnUocho 
rege),  so  läjje  aufh  an  der  unserig-en  Ajitiocktim  regeni  nicht  ferne. 


Zur  Ticrten  Dccade  des  Livioa.  15 

illinc  mit  leer  stehendem  Räume  ausgelassen  ist,  was  naeh 
manchen  Erfahrungen  auf  eine  alte  Verwirrung  an  dieser  Stelle 
zu  weisen  scheint. 

XXXVn,  56,  2:  Lycaoniam  omnem  et  Phrygiam  utramque 
et  Mysiam^  regia 8  Silvas y  et  Lydiae  loniaeque  cet.  So  die 
Handschriften,  nur  mit  der  Abweichung,  dass  Mysiam  blos 
durch  M  nach  ed.  Mogunt.  belegt  ist,  während  die  anderen 
Codices  Mysias  {mi»ias  B)  oder  Myssias  bieten.  Die  mehr- 
fachen Bedenken  gegen  diesen  Wortlaut  haben  Madvig  Em.  L. 
S.  535ff.  und  Weissenborn  im  achten  Bande  der  Weidmännischen 
Ausgabe  S.  258  auseinandergesetzt  mit  Benützung  der  bereits 
von  Drakenborch  verglichenen  Stelle  XXX VDI,  39,  15:  Phry- 

giarti  utramque et  Mysianiy  quam  Piiisia  rex  ademerat^ 

et  restituerunt  et  Lycaoniam  et  Milyada  et  Lydiam  cet.  An 
dem  auf  dieser  Vergleichung  beruhenden  Herstellungsversuche 
Madvig's  an  unserer  Stelle  des  37.  Buches:  et  Mysiam  regiam 
et  Milyas  et  Lydiae  est.  muss  der  richtige  Blick  bezüglich  des 
et  Milyas  wohl  so  ziemlich  einleuchten;  Anstoss  erregen  kann 
regiamy  wie  nach  Harant  Em.  S.  190  auch  M.  Müller  in  der 
praefatio  seiner  Ausgabe  S.  X  wieder  betonte.  Weissenborn 
1.  c.  dachte  zweifelnd  an  Mysiam  regi  ademptam^  M.  Müller, 
welcher  an  einer  solchen  Stelle  die  Nothwendigkeit  stärkerer 
Heilmittel  hervorhebt,  schrieb  dieselbe  im  möglichst  engen  An- 
schlüsse an  die  genannte  des  38.  Buches  so:  et  Mysiam,  quam 
Prusia  rex  ademerat,  restituit  regi  et  Milyas  et  Lydiam  cet. 
Dagegen  bemerkt  H.  J.  Müller,  Jahresbericht  des  Berliner 
philologischen  Vereines  1891,  S.  169:  ,Ganz  unsicher^  Wenn 
an  einer  solchen  Stelle  auch  weitere  Versuche  wenig  lohnend 
scheinen,  wird  die  Mittheiluug  eines  Gedankens,  der  vielleicht 
wenigstens  auf  einen  noch  möglichen  Weg  hinweisen  könnte, 
immerhin  auf  Nachsicht  rechnen  dürfen.  Unter  den  geltend 
gemachten  Zweifeln  ragt  immer  besonders  der  hervor,  dass  zu 
Mysiam  auch  hier  eine  nähere  Bestimmung  erwartet  werde; 
schon  Drakenborch  berührte  leise  diesen  Punkt  mit  den  Worten: 
,non  dubito,  quin  indicetur,  quae  vulgo  Mysia  minor  vocatur; 
haec  enim  Straboni  XII,  571  ouveyr;;  tt^  Biöuvia  dicitur.*  Und 
Bekker  berief  sich  in  der  Anmerkung  seiner  Ausgabe  auf  diese 
Aeusserung,  welche,  wenn  man  Alles  beachtet,  der  Bestimmung 
im  38.  Buche  quam  Prusia  rex  ademerat  etwa  doch  am  nächsten 


16  V*  Abhuidlnog:     Zingerle. 

liegen  könute.^  Und  sollte  dann  an  dieser  sichtlich  schwer 
verderbten  Stelle  vielleicht  noch  an  eine  Entstellung  eines  geo- 
graphischen Namens,  etwa  des  in  jener  Gegend  eine  Rolle 
spielenden  Flussnamens  Rhyndacus^  zu  denken  sein?  Jeder 
Erfahrene  weiss,  wozu  Corrumpirung  von  Namen  und  nament- 
lich geographischen  in  Handschriften  allmäUg  flLhrte,  und 
Herausgebern  kommen  solche  Beispiele  bei  Eintragung  des 
kritischen  Apparates  besonders  oft  vor  Augen.*  Darnach  könnte 
'  auch  noch  eine  ähnHchc  Herstellung,  wie  et  Mysiam  ad  Rhyn^ 
dacum  sitam  et  Milyas  et  Lydiae  cet,  nicht  undenkbar  scheinen. 
War  aus  mysiäad  einmal  das  gewöhnlich  überlieferte  mysieu 
entstanden,  so  lag  in  solchen  Dingen  im  Folgenden  weitere 
Corrumpirung  nicht  zu  ferne,  et  MilyaSy  das  Madvig  in  den 
Schriftzeichen  siluas  zu  sehen  glaubte,  könnte  ja  ebenso  vor 
et  Lydiae  ausgefallen  sein. 

XXXVn,  58,  8  schreibt  jetzt  M.  MüUer  ab  Ultimi» 
Or lentis  ßnihuSy  welche  Lesart  aber  nicht  auf  codd.  dett.  und 
Gronovius  zurückzuführen,  sondern  als  Conjectur  Weissenbom'ß 
zu  bezeichnen  war.  Ich  möchte  an  dieser  vielbesprochenen 
Stelle*  bei  Beachtung  der  Schriftzeichen  B  ab  ultimis  otnentii 
in  und  der  allerdings  nach  Gelenius  nur  unsicher  vermutheten 
Lesart  M  ab  ultimis  orientis  Heber  noch  an  die  Herstellung  ab 
ultimis  Orientis  t  er  mini  8  denken,  wie  wir  in  der  verhältniss- 
mässig  nahen   Partie   XXXV,  48,  8   wirkUch   auf  Grund   ein- 


^  Vgl.  auch  Madvig  I.  c.  8.  535.  Bei  Polybios  21,  4S  wird  jetzt  bekannt- 
licli  auch  die  einst  schon  von  Drakenborch  angedeutete  Einsetzung  des 
Namens  üpoudCa^  für  Conjecturen  verwerthet.    Vgl.  Hultsch  IV,  p.  1086. 

*  Vgl.  z.  B.  Kiepert,  Lehrbach  der  alt.  Googr.  S.  106  oder  Forbiger  in 
Pauly's  K.  E.  V,  307  («Mysia  minor,  wozu  auch  die  von  Strabo  er^ 
wähnten  Landschaften  Morena  und  Abrettena  am  Fusse  des  Olympiu 
und  längs  des  Khyndacus,  also  an  der  Grenze  Bithyniens,  zu  rechnen 
sind').  Zur  nahen  Zusammenstellung  des  Rhyndacus  und  des  Myser- 
landes  vgl.  Apollon,  Rhod.  I,  1164;  Plinius,  N.  H.  V,  32,  40  nennt  ihn 
,Asiani  Bithyniamque  disterminans\ 

'  Ein  derartiges  Beispiel  haben  wir  schon  oben  S.  7  gelegentlich  ge- 
troffen (de  indro  &  cum  st.  deinde  RhoeteumJ;  vgl.  auch  XX2CVIII,  12,  9, 
wo  das  erst  dur^h  ed.  Bas.  hergestellte  ad  Hieran  Oomen  in  M  ad  phi- 
leram  conicn  lautete,  in  B  coviejien,  im  Voss,  ad  aynienaes ,  im  Lov.  3 
ad  canuniern,  im  Lov.  6  ad  eunieneni  u.  dgl. 

*  Vgl.  auch  meine  Bemerkungen  in  der  Berl.  philolog.  Wochennchrift  1891» 
S.   1Ü39. 


Zar  TiertoD  Deoade  des  LiTius.  17 

stiinmiger  Ueberlieferung  lesen:  quamquam  ab  ultimis  Orientis 
terminis  ad  liberandam  Graeciam  oeniat 

XXXVin,   7,   13    inde   non   solum  magna   vis  fumi   sed 
acrior  etiam  foedo  quodam  odore  ex  adusta  pluma  cum  totum 
cuniculum  complesset  cet.  Die  Aufrechthaltang  des  odore  gegen- 
über dem  bestechenden,  von  Hertz  und  Weissenborn  bevorzugten 
nidore  der  ed.  vet.  scheint  doch  ein  paar  Worte  der  Begründung 
sa  fordern.     Die  handschriftliche  Ueberlieferung  weist  deutlich 
auf  odore:  in  B  ist  quodam  odore  aus  quodam  modore  corrigirt, 
wobei  die  Entstehung  des  getilgten  m  aus  fehlerhafter  Wieder- 
holung des  Schlussbuchstabens  des   vorhergehenden  Wortes  — 
ein  in  B  auch  häufiges  Versehen  —  Jedem  klar  sein  muss;  die 
meisten  Vertreter  der  «l^-Classe,  darunter  Lov.  2,  geben  quodam 
odorcy    wenige  (Voss.)   qv^dam  more,    was    neben    dem  Fehler 
jener  Dittographie  eben  auch  noch  den  einer  ebenso  geläufigen 
Silbenauslassung  ^   involvirt   und   so    gewiss  eher  aus  odore  als 
aus  nidore  verdorben  ist.  Aber  auch  die  Verbindung  mit  foedu^ 
scheint  mehr  ftir  ersteres  Wort  zu  sprechen.     Vgl.  z.  B.  Cic. 
d.  n,  d.   n,   50,   127    insectantis   odoris    intolerabili  foeditate; 
Sali.  Cat.  55,  4  sed  incultu,  tenebrisj  odore  foeda  .  .  eius  fades 
est;  auch  in  ähnlichen  Verbindungen  findet  man  odor  häufiger 
als   nidor,   vgl.  Caes.  b.  c.   III,  49,  3   odore  taetro^   ex  multi- 
iudine    cadaverum;    Verg.    Georg.    IV,   49    odor   caeni  gravis; 
Petron.  117  Buch,   et  strepitu   obsceno  simul  atque  odore  viam 
impUhai.  u.  dgl.    Hält  man  alles  Derartige  zusammen,  so  kann 
die  bei  Drakenborch  ftir  das  nidore  der  alten  Ausgaben  haupt- 
sächlich ins  Feld  geführte  Stelle  Verg.  Aen.  XH,  300  (olU  ingens 
barba  relvacit  Nidoremque  ambusta  dedit)    mit   der  aus  Colum. 
de  r.  r.  VI,  18  gegenüber  der  Ueberlieferung  an  der  unserigen 
doch    nicht    als    ausschlaggebend    betrachtet   werden.     Das   in 
einigen   Vertretern   der   «l^-Gruppe   schliesslich   überlieferte   ad- 
implesset  (adimplesstt  Voss.)  statt  complesset  könnte  möglicher- 
weise den  Gedanken  an  ein   ursprüngliches  implesset   (iplesset 
statt  cplesset)^  wecken,   wie   wir   dies  Wort  auch  in  ähnlicher 

^  Vgl.  s.  B.  auch  meine  ililariiisstudien  S.  31  [897].     Im  cod.  B  des  Liv. 
finden  wir  in  der  nächsten  Nähe  XXXVIII,  IG,  G  trahendo  st.  tracehendo, 

*  Diese  Verbindung  ist  bekanntlich  auch  aus  Lucrez  so  wohl  belegt. 

*  Die  Zugabe  des  ad  in  diesen  Handschriften    würde  sich  durch  ein  aus 
dem  vorhergehenden  adusta  entwickeltes  Versehen  erklären  lassen. 

SttnufBber.  d.  phii.-hist.  Cl.  CXXVIII.   Bd.  5.   Alth.  2 


18  V.  Abhaadlirag:    Zingerle. 

Verbindung  bei  Petronius  getroffen,  doeh  dllrfte  Derartiges  erst 
nach  der  ganz  vollständigen  Sammlung  über  den  Gebrauch 
beider  Composita  bei  Livius  im  Lexikon  Flign.  eventuell  in 
Betracht  gezogen  werden. 

XXX VUI,  13,  9:  parva  disceptatio  de  Attali  auxiliaribu$ 
orta  est,  quod  Roviano  tantum  militi  pactum  Antiochum  ut 
daretur  frunientum  Seleucus  dicehat;  discuBsa  ea  quoque  €9t 
constantia  coiisulis  y  qui  misso  tribuno  edixit  cet  Das  alte 
Bedenken  Crevier's  bezüglich  des  quoqvs  an  dieser  Stelle  (,ei 
hie  locus  non  est,  cum  de  nulla  aUa  disceptatione  superius 
mentio  facta  sit^)  fand  auch  Weissenborn  in  seinem  Commentar 
der  Erwähnung  werth,  obwohl  er  das  Wort  durch  Hinweis  auf 
zwei  Stellen,  wo  dasselbe  sich  auch  nur  auf  etwas  Qedachtes, 
nicht  bestimmt  Ausgesprochenes  beziehe,  noch  zu  retten  suchte. 
Bei  näherem  Nachsehen  stehen  aber  jene  Stellen  mit  der 
unserigcn  doch  wohl  nicht  auf  ganz  gleicher  Linie,  wie  dies 
gut  auch  durch  die  nunmehrige  Fassung  des  Commentars 
Weissenborn  —  H.  J.  Müller'  zu  II,  22,  4  beleuchtet  wird.* 
In  unserem  Falle  handelt  es  sich  eben  nicht  blos  um  die 
freiere  Stellung  des  Wortes  oder  um  Beziehung  auf  eine  ent- 
ferntere, resp.  allgemeine  Andeutung,  sondern  um  die  einmalige 
Erwähnung  einer  disceptatio,  von  der  dann  gleich  gesagt  werden 
soll  disciissa  ea  quoque  est.  Das  Bedenken  dürfte  darum 
immerhin  hier  und  dort  von  Neuem  auftauchen,  aber  statt  der 
etwas  gewaltsamen  Streichung  von  quoque  könnte  dann  vielleicht 
die  nicht  zu  schwere  Acnderung  in  utique  vorgeschlagen  werden. 
Letzteres  Wort  ist  bei  Livius  ohnehin  in  mehrfachen  Nüanci* 
rungen  bekanntlich  sehr  beliebt.  Bezüglich  der  Partien,  wo  es 
auch  schon  in  die  Bedeutung  ,zumaP,  wie  der  Ausdruck  bei 
Fabri  —  Hcerwagcn  deutsch  wiedergegeben  ist,  oder  in  die  von 
praesertim,  wie  Kreyssig  mit  lateinischen  Commentaren  parar 
phnisirte,  hinüberspielt,  genügt  es  hier,  auf  die  Sammlungen 
bei  Fabri  —  Ilecrwagen  zu  XXI,  54,  9  und  bei  Kreyssig  im 
Index  zu  verweisen.  Allerdings  wird  das  Lexikon  in  einzelnen 

^  ,quoqti€  reiht  au  das  bellum  parare  das  legatos  dimiUere,  als  wenn  L. 
oline  leyalo«  goMigt  hätte:  mUtunt  quoqiie,  qui  itoUieitenV'.  Weissenborn 
oiiiHt:  jquot/ue  kauii  auf  das  durch  die  neuen  Rüstungen  gegebene  Bei- 
spiel bezogen  werden,  oder  es  gehOrt  zu  Latiuniy  wie  bei  L.  qwtque  bis- 
weilen freier  gestellt  wird'. 


Zur  Tierten  Deeade  de»  Lirins.  19 

üebergängen,  die  sich  auch  dem  fleissigen  Beobachter  bisher 
schon  mehr  und  mehr  nach  den  verschiedenen  Satzformen  auf- 
drängen mussten,  genauer  zu  unterscheiden  haben,  aber  die 
Sache  an  sich  steht  fest  und  Stellen,  wie  z.  B.  XXII,  7,11  oder 
XXXXn,  19,  7  könnten  jedes  Falls  auch  fllr  die  unserige  heran- 
gezogen werden.^ 

XXXVIII,  37,  11  dato  tempore  ad  eam  diem  praesidio 
decessum  est.  So  wird  nun  stets  nach  der  ed.  Basil.  1535 
gelesen.  B  4>  bieten  einmüthig  decessit  praesidio  et,  beztigHch 
M  haben  wir  die  Notiz  der  Mogunt.  praesidio  decessum  ^  von 
der  wir  nicht  wissen,  ob  sie  genau  und  vollständig  ist.  Ich 
möchte  nach  meinen  wiederholt  auch  in  der  Ausgabe  der 
Bücher  31 — 35,  namentlich  für  solche  Fälle,  entwickelten  Grund- 
sätzen lieber  im  möglichsten  Anschlüsse  an  die  Schriftzeichen 
B  ^  decessfi  praesidio  est  herstellen.  Vgl.  z.  B.  auch  IV,  29,  5 
deeesserit  praesidio;  XXXVI,  14,  4  decedenti  praesidio,^ 

XXXVin,  58,  8  L.  Sdpionem con- 

sulem  et  ab  senatu  dignum  visum^  cui  extra  sortem  Asia  pro- 
vincia  et  bellum  cum  Antiocho  rege  decerneretury  et  a  fratre,  cui 
cet.  Der  überlieferte  Ausdruck  msum  wurde  in  solcher  Ver- 
bindung von  Weissenborn  wiederholt  und  auch  von  Madvig 
bezweifelt;  M.  Müller  stellte  jüngst  daftlr  habitum  in  den  Text 
mit  der  Bemerkung  in  der  praefatio  crit.  p.  XV:  ^habitum  dedi 
ex  incerta  coni.  Weiss,  et  Madv.  Codd.  visum,  quod  ferri 
nequit^  In  Weissenbom's  Commentar  der  Weidmännischen 
Ausgabe  liest  man:  ,Man  erwartet  habitum^  iudicatum  oder  ein 
ähnliches  Wort^  Vom  paläographischcn  Standpunkte  läge 
wohl  noch  am  nächsten  ductum.  In  Folge  Ausfalles  des  d  nach 
dem  vorhergehenden  dignum  —  ein  in  unserer  Ueberlieferung 
öfter  notirter  Fehler  —  konnte  aus  dem  übrig  gebliebenen 
uctum  am  leichtesten  uisum  sich  entwickeln;  sonst  dürfte  viel- 
leicht auch  die  Verwechslung  zwischen  uictiis  und  ductus,  uictor 


*  Vgl.  auch  die  Erklärer  zu  Curtius  Ruf.  V,  6,  17. 

'  XXXVIII,  39,  17  machte  ich  für  das  ergänzte  rea  diese  Stellung  em- 
pfehlen: quia  pars  eitis  citra,  pars  ultra  Taurnni  est,  res  integra  ad  se- 
natum reicüur»  Vgl.  XX VIT,  25,  2  res  integra  postea  referretur\  XXXIX, 
38,  6  rem  inlegram  r^erri  iusserurU  und  meine  Bemerkungen  in  der 
Berl.  philolog.  Wochenschrift  1891,  S.  1038.  (Aehnlich  XXXIX,  4,  4 
discepUUio  irUegra]  XXX X,  17,  6  causam  irUegram  u.  dgl.) 

2* 


20  V.  Abhandlung:    Zingcrle. 

und  ductal'  nicht  ganz  uninteressant  sein,  vgl.  z.  B.  Drakenborch 
zu  Liv.  V,  26,  8;  VH,  3,  9  und  zu  Sil  IX,  199.  Und  ducere 
findet  sich  gerade  in  Zusammenstellungen  mit  dignuSy  idoneui 
u.  dgl.  nicht  ungeme;  z.  B.  Liv.  XXTTT,  42,  13  qiMSy  ut  socios 
hahei'es,  dignos  duxisti. 

Durch  verschiedene  Arten  der  aberratio,  Dittographie  eder 
Haplographie  hervorgerufene  Versehen  finden  sich  in  B  über- 
haupt recht  gerne  auch  in  den  hier  nächstliegenden  Partien, 
und  es  sei  gestattet,  Einiges  von  diesem  Qesichtspunkte  noch 
in  tibersichtlich  knapper  Weise  vorzuführen,  um  dann  im  An- 
schlüsse, wenn  es  sich  da  auch  nicht  um  neue  Conjecturen 
handelt,  wenigstens  die  bei  ein  paar  noch  immer  mehr  oder 
weniger  zweifelhaften  Stellen  bevorzugte  Gestaltung  kurz  in 
rechtfertigen. 

XXXVI,  28,  7  et  qui  adaint  aetolorum  scire  aetolarum  B^ 
während  die  übrigen  Handschriften  von  der  fehlerhaften  Wieder 
holung  frei  sind;  34,  0  ist  nondum  tot  B  ^  (st.  iiondum  dwu 
M)  durch  Abirrung  wegen  des  vorhergehenden  und  folgenden 
tot  entstanden,  und  die  ältesten  Ausgaben  suchten  dann  dieses 
Versehen  in  ihrer  Weise  zu  corrigiren  (vgl.  darüber  meinen 
Apparat);  XXXVII,  5,  1  in  muros  ingererent  B  (st.  in  mwro$ 
gererent  M  4>) ;  6,  7  perfecta  virtutis  videhatwr  res  B,  wo  virtuti$ 
aus  der  vorhergehenden  Zeile  wiederholt  ist;  11,  6  ea;  utraque 
classe  B  <^  (st.  ex  utraque  parte  M)  wieder  wegen  cUuMe  in 
der  früheren  Zeile;  16,  11  navalium  remigum  turham  B  (st 
remigum  turham  M  <1>)  durch  das  gerade  voranstchende  navolei 
etiam  hervorgerufen;  18,  11  agendi  de  pace  esse  B  ^  (st.  agendi 
de  pace  Mogunt.)  mit  Abirrung  auf  das  vorangehende  esse  und 
essent  (auch  hier  ist  auf  die  Herstellungsversuche  einiger  O- Ver- 
treter zu  Beibehaltung  des  esse  nicht  zu  achten,  und  es  steckt 
nichts  Weiteres  dahinter,  wie  Weissenborn  einst  meinte); 
20,  2  9;  tii  biduü  B  (st.  qui  hidiium);  20,  2  8tationihu9qu€  B  4> 
(st.  temporiljHsqtbe  M)  in  Folge  des  nahen  stationes,  ^  Es  mögen 
solche  in  so  kurzen  Zwischenräumen  sich  drängende  Beispiele^ 
wobei  ich  schon  von  Anderen   besprochene  wegliess,   genttgen, 


^  23,  3  erklärt,  sich  die  Verstiimmelnng  des  auf  ah  AspendiU  fol^nden  ad 
Sidam  in  iam  ß  <l>  zieinlicli  einfach ,  wenn  man  sich  erinnert,  daas  ab 
AxpendiU  auch  hier  in  ad  aspendÜM  corrumpirt  ist;  vgl.  oben  S.  13. 


Zur  Tierten  Decade  de»  Lirim.  21 

um  zu  zeigen,  dass  u.  A.  auch  XXXVII,  o,  2  im  et  qiiidem 
cibo  et  quiete  B,  <^  plerique  (st.  et  tunc  cibo  et  qniete  M,  et 
dbo  et  quiete  Lov.  2)  nichts  Weiteres  zu  suchen  sein  dürfte 
als  ein  Heilungsversuch  einer  ursprünglichen  Abirrung  auf 
quiete  (Weissenbom  hatte  einst  an  eine  Combination  et  tunc 
quidem  cibo  et  quiete  gedacht),  oder  dass  selbst  XXXVÜ,  10,  7 
das  an  sich  noch  haltbare  facturum  esse  B  (st.  facturum  M  ^) 
doch  auch  nur  aus  dem  unmittelbar  vorhergehenden  esset  er- 
wachsen sei.  XXXVn,  6,  2  halte  ich  es  nach  ähnlichen  Er- 
fahrungen nicht  für  zu  gewagt,  Weissenborn's  nur  in  der  An- 
merkung mitgetheilte  Conjectur  iam  enim  in  sinu  Maliaco  erat^ 
in  Form  einer  Parenthese  in  den  Text  zu  setzen;  das  venerat 
in  B  <^  ist  wohl  auch  nur  unter  dem  Einflüsse  des  gerade  vor- 
anstehenden veniebat  entstanden,  und  im  Uebrigen  kann  auf 
diese  Weise  die  Ueberlieferung  B  (iam  enim  in  sinumaliaco) 
vollständig  gehalten  werden,  während  die  hier  immerhin 
besonders  auffallende  Wiederholung  verschwindet  und  Pa- 
renthesen solcher  Art  gerade  in  diesen  Partien  so  häufig  sind 
(z.  B.  gleich  im  nämUchen  Capitel  §  3  iam  enim  magna  ex 
parte  moenibu^  nudata  erat;  §  7  nihil  enim  u.  s.  w.;  13,  5 
ita  enim  placuit;  7,  11  inde  enim  est  dimissus;  14,  4  u)  enim 
ett  primus  rogattis  sententiam^  oder  gar  die  diesbezügliche 
Häufang  21,  7!). 

Schliesslich  mögen  in  diesem  Zusammenhange  noch  einige 
Lesarten  des  Lov.  2  beispielshalber  übersichtlich  vorgeführt 
werden,  die  zur  Beurtheilung  dieser  im  Vorhergehenden  schon 
mehrfach  berührten  und  auch  im  Folgenden  noch  heranzu 
siehenden  Handschrift  Beiträge  liefern  könnten.  Zu  XXXVHI, 
17,  13  bemerkte  Madvig  Em.  L.  p.  543:  ,vix  dubium  est,  quin 
Livios  in  sua  quidque  se.de  scripserit,  non  hoc  uno  loco  quid- 
quid  pro  quidque^;  bereits  Florebellus  hatte  sich  für  quidque 
ausgesprochen,  ihm  stimmten  dann  Sigonius  und  J.  F.  Gronovius 
bei,  und  Drakenborch  fügte  hinzu:  ,ita  in  uno  Lov.  2  iuvenil 
Wir  werden  bei  solcher  Bestätigung  durch  einen  bei  genauerer 
Beobachtung  öfter  sich  beraerkHch  machenden  Codex  und  bei 
der  ohnehin   leichten  Verwechslung   der   beiden  Wörter,   trotz 


*  Für  die  Wortverbindung  vgl.  ss.  B.  18,  10  audivU  conmdeni  cum  fixe.rcitu 
iam  in  Macedonia  atm. 


Za  V.  Abhandlung:    Zingerle. 

dos  quicq^d  des  hier  noch  vorhandenen  B,  diese  leichtere  Her 
stellang  der  schon  etwas  gewaltsameren ,  von  M.  Müller  auf- 
genommenen Wescnberg's  um  so  eher  vorziehen  dürfen.  Der- 
artiges scheint  dann  nach  Erfahrungen  verschiedener  Art 
namentlich  auch  dort  einiger  Beachtung  würdig,  wo  B  aufhört 
(nach  XXXVni,  4i\  4)  und  über  M,  S  keine  näheren  Mit- 
theilungen der  Einzelheiten  vorliegen.  Wenn  z.  B.  XXXVIII, 
47,  6  Lov.  2  mit  Lov.  1  und  Harl.  cepi  auf  cecidi  bietet 
statt  der  Vulgata  repi  auf  oecidi  und  gleich  49,  11  eeei- 
deriint  et  cepe.runt  nach  Lov.  2  und  der  Mehrzahl  (mit  Aus- 
nahme von  Lov.  1  und  4)  von  allen  Herausgebern  anerkannt 
wird,  so  kann  nun  wohl  auch  bezüglich  der  ersteren  SteUe 
berechtigter  Zweifel  entstehen:  vgl.  auch  IV,  61,  7  infra  arcem 
caen!  capfique  mHlfi  mtniales;  XXXVI,  36,  6  exereitumque 
eins  vevuHf  (rnecidif  B)  B  mit  den  meisten  codd.,  nur  Voss, 
und  Lov.  6  ocnilif^  wozu  die  Sammlung  bei  Drakenborch  n 
vergleichen.  XXXVIII,  52,  10  hat  Lov.  2  mit  Harl.  und 
Mead.  die  Wortstellung  morbitm  cauitae  esse;  man  vergleicbe 
damit  dieselbe  Stellung  oben  v^  3  desselben  Capitels,  wo  sie 
durch  (iclcnius  lH?zeugt  und  von  allen  neueren  Herausgebern 
gebilligt  ist.  XXX VÜI,  08,  6  Lov.  2  mit  allen  •!>,  wie  es 
scheint,  morte  ovcubui*<se^  was  auch  Drakenborch,  selbst  Bekker 
und  Hertz  noch  hielten,  während  Weissenboni  und  M.  Müller 
mit  ed.  Tarvis.  und  ein  paar  Folgenden  mortem  accubuisse  in 
den  Text  setzten:  man  vergleiche  Weissenbom-II.  J.  Müller  s« 
I,  7,  7,  wo  übrigens  auch  M.  Müller  morte  occuhuit  aufnahm 
und  in  der  Anmerkung  seiner  erklän^nden  Ausgabe  auf  XXIX, 
18,  6  sich  berief.  XX  XVI  IL  i^\  9,  wo  die  neuesten  Ausgaben 
einschliesslich  der  M.  XlüUer's  noch  immer  a  cognatis  lesen,  hat 
nun  Fügner  im  Lexikon  Liv.  S.  12  richtig  ab  cognatis  notirt; 
es  ist  dies  die  Lesart  des  Lov,  2  und  der  Mehrzahl  der  <I>- Ver- 
treter. Erwähnt  wenlen  kann  nach  derlei  Erfahrungen  Tielleicht 
auch  noch  XXX VUL  4>^,  15  das  at  pr*»  yWicifa*«  mea  des  Lov.  8 
^  Düker  hatte  l>emerkt«  dass  zu  dem  sonst  überlieferten  dn- 
fachen  />r»)  uliritatf  im#»/i  ein  .W  zu  ei^inxen  sei,  Crevier 
und  Ussing'  setzton  davor  ein  ft  ein,  Hertz  dachte  an  immo, 
M.  Müller  an  die  l>«»pjvIoin>ohicbung  j*/  pn»  ftUritate  tantum 

*  Vpl.  daru  Mä-Ivii:  Em    L.  p.  &o'». 


Zar  Tiertea  Decado  des  Livios.  2o 

mea\  und  der  Umstand,  dass  XXXVIII,  49,  9,  Lov.  2,  Hari., 
Mead.  darch  ihr  in  hoc  quo  casu  infeliciter  incidit  ut  allerdings 
der  Hertz'schen  Vermuthung  in  hoc,  quod  casu  infeliciter  in- 
cidit, ut  günstig  wären. ^ 

IL 

Vieles  ist  Air  Aufhellung  und  Lösung  der  besonderen 
Schwierigkeiten,  auf  welche  Handschriftenforschung  und  Kritik 
bei  der  vierten  Decade  des  Livius  in  Folge  der  bekannten 
Verhältnisse  und  Verluste  stossen,  in  neuerer  Zeit  geleistet 
worden,  namentlich  durch  übersichtliche  Untersuchungen,  wie 
sie  Weissenborn,   Madvig  und   Luchs   lieferten. 

Im  Grossen  und  Ganzen  stellt  sich  trotz  mancher  Ab- 
weichungen im  Einzelnen,  respective  in  der  Werthschätzung, 
das  Resultat  der  zwei  Classen  heraus,  von  denen  die  eine  durch 
den  verlorenen,  aber  durch  mehrseitige  Mittheilungen  und  £x- 
cerpte  charakterisirten  Moguntinus,  die  andere  durch  den  für 
den  grösseren  Theil  erhaltenen  Bambergensis  und  die  jüngeren 
Codices,  sowie  durch  den  zwar  auch  verschollenen,  aber  von 
Gtelenius  benützten  Spirensis  vortreten  werde.  Bezüglich  des 
letzteren  hatte  Weissenborn  bereits  in  seiner  Besprechung  der 
Kreyssig'schen  Ausgabe  des  33.  Buches  in  den  N.  Jahrbüchern 
f.  Phil.  1840,  S.  183  die  in  vieler  Hinsicht  wahrscheinliche  Ver- 
wandtschaft mit  dem  Bambergensis  hervorgehoben;  derselbe 
Gelehrte  betonte  dann  in  den  Commentationes  Mommsen.  1877, 
8.  311  wieder  dessen  nahe  Berührung  mit  dem  Bambergensis 
und  den  jüngeren  Handschriften;  Madvig  in  den  Emendationes 
Liv.*  S.  460  charakterisirte  ihn  als  ,Bambcrgensi  per  omnia 
simillimum';  Luchs  im  Progr.  Univ.  Erlang.  1890*  stellt  ihn 
auch  zu  derselben  Classe,  hält  ihn  aber  den  jüngeren  Hand- 
schriften (<^)  näherstehend  als  dem  Bambergensis  (B)  und  ist 
der  Ansicht,  dass  Spirensis  (8)  und  <1>  nicht  aus  derselben 
Vorlage  stammen  wie  B,    wohl  aber  auf  denselben  Archetypus 


*  Für  die  Verbindung  könnte  ausser  XXX XV,  8,  5  auch  das  öfter  (1,46,5; 
XXVI,  28,2;  XXVIII,  17,  13)  begegnende /orte  ita  incidU,  ut  oder  (III, 
40,  9)  fato  incidit  f  ut  theil  weise  verglichen  werden. 

'  De  Gelenii  codice  Liviano  Spirensi  commentatio. 


24  V.  Abluuidlaiif :    Zingerle. 

zurückgehen  (8.  12).  Trotz  dieses  wenigstens  in  der  Haupt- 
eintheilung  der  zwei  Classen  im  Wesentlichen  übereinstimmenden 
Resultates  werden  sich  aber  bei  immer  genauerer  Darcharbeitung 
des  kritischen  Apparates  aller  Bücher  der  genannten  Decade 
und  namentlich  derjenigen,  in  welchen  Gelenius  wohl  beide 
verlorenen  Handschriften  benützte,  in  Folge  der  Vergleichung 
seiner,  allerdings  vielfach  recht  dunkeln,  Angaben  mit  den 
besser  controlirbaren  Apparaten  aus  B  ^  und  theilweise  aus  M 
im  Einzelnen  unwillkürlich  noch  manche  Zweifel  aufdrängen. 
Und  überschaut  man  dieselben  auf  Grund  der  gemachten  No- 
tizen unbefangen,  so  scheint  bei  aller  Achtung  vor  der  von  so 
erprobten  Liviusforschem  im  Ganzen  richtig  erkannten  Haupt- 
eintheilung  doch  der  Gedanke  nicht  ferne  zu  liegen,  dass  man 
beim  hier  allerdings  doppelt  noth wendigen  Streben  nach  einer 
endlichen  genaueren  wissenschaftlichen  Sonderung  und  bei  den 
oft  so  zweifelhaften  Angaben  über  die  verlorenen  Handschriften 
bisweilen  in  das  selbst  bei  viel  günstigeren  Verhältnissen  an- 
derer Autoren  wiederholt  vorgekommene  Verfahren  gerathen 
kann,  etwaige  Verbindungslinien  zwischen  zwei  Handschriften- 
classen  theilweise  zu  übersehen.  Ich  gebe  zunächst  einige  hier 
und  dort  aus  meinem  Apparat  herausgegriflFene  Beispiele  ftlr 
doch  auch  zwischen  M  und  *1>  belegbare  Berührungen,  da  hier 
das  Vergleichungsmaterial  mehrfach  immerhin  hinreichend  ge- 
sichert ist  und  daraus  dann  vielleicht  der  eine  oder  andere 
Schluss  über  Einzelheiten  in  S  und  über  Angaben  des  Gelenius 
(G)  sich  ergeben  könnte. 

XXXVI,  6,  4  ist  das  richtige,  zuerst  von  Aldus  aus  M 
aufgenommene  per  legatos  nach  Drakenborch  auch  Lesart  des 
Lov.  2  gegenüber  dem  ad  legatos  von  B,  <I^  pl.;*  10,  11  findet 
sich  das  dem  M  zugeschriebene,  in  B  ^P  fehlende  metatus  längst 
vor  der  Moguntina  und  Aldina  bereits  in  ältesten  Ausgaben; 
35,  7  weisen  alle  •!>- Vertreter  selbst  noch  in  orthographischen 
Abirrungen  auf  die  Lesart  M  Eleisy  während  zum  Aetolü  B 
sich  hier  nur  die  alten  Ausgaben  vor  der  Mogunt.  bekennen; 
40,  7  stellte  G  mit  Berufung  auf  seine  ,exemplaria^  spem  pro 
re  ferentes  her  gegenüber  dem  durch  B  und  4>  pl.  überlieferten 
ispem  pro  re  ferentibus'^  mit  der  obigen  Verbesserung  des  Ge- 


^  Ich  bozeichue  mit  4>  pl.  kurz  die  Mehrzahl  der  Vertreter  der  «P-CUsse. 


Znr  Tlert«D  Decade  des  Lirias.  25 

lenioSy  die  man  nun  meist  kurz  auch  auf  jVI  allein  zurückführt^ 
berührt  sich  aber  doch  ein  Glied  der  ^»-Classe  nahe,  und  zwar 
wieder  Lov.  2  mit  seinem  spem  praeferenteSy  das  offenbar  nur 
aus  einem  spem  p  rae^  ferentes  weiter  leicht  verdorben  wurde; 
XXX Vn,  1,  1,  wo  B  richtig  institerunt  hat,  stimmen  mit  dem 
insigtere  des  M  auch  3  <^  überein  (darunter  Voss.,  Gaertn.); 
l,  7  coeptum  agi  est  B  und  ^  pl.,  coeptum  est  agi  M  und  3  <^ 
(Lov.  2,  Harl.,  Mead.  1);  3,  l  halten  die  meisten  <1>  (darunter 
Lov.  2,  Voss.,  Gaertn.)  mit  M  in  promncias,  nur  vier  mit  B 
in  provinciamy  33,  3  triflft  Lov.  2  in  der  Wortstellung  ut  impedi- 
menta  aegrique  consequerentur  mit  M  zusammen ;  49,  5  perdoman- 
dosque  richtig  B  und  <^  pl.,  perdomandos  M,  3  <1>  (darunter 
Lov.  2,  HarL);  XXXVHI,  14,  14  u.  15,  11  Tnedimnum  B  und  ^ 
pL,  modium  M,  2  <I>  (Harl.  und  Gaertn.);  16,  14  ahsisterent  B 
und  4>  pl.,  abstinerent  M,  2  ^  (darunter  Lov.  3  nicht  uninter- 
essant zwischen  der  Zeile!)  und  die  ältesten  Ausgaben;  20,  1 
oppugnandis  richtig  M  und  Lov.  2,  expugnandis  B,  <1>  pl. ;  52,  7 
tribunum  (st.  tribunos)  M,  Lov.  2,  Harl.  Durch  solche  Bei- 
spiele, die  sich  leicht  mehren  Hessen,  dürfte  der  oben  berührte 
Gedanke  an  manche  Verbindungslinien,  die  denn  doch  auch 
zwischen  M  und  gewissen  Vertretern  der  4>-Classe  hie  und  da 
noch  durchblicken,  bestätigt  worden  sein;  reihen  wir  daran 
zwei  weitere  Erfahrungen,  erstens  die,  dass  einerseits  Gelenius 
selbst  wenigstens  XXXVI,  22,  8  auch  einen  Consens  von  M 
und  S  ausdrücklich  betont,*  zweitens  den  Luchs'schen  Nach- 
weis, dass  S  zwar  zur  zweiten  Classe  (B  ^)  gehörte,  im  Ganzen 
aber  den  O  näher  stand  als  dem  6,^  so  könnte  sich  aus  Allem 
zusammen  vielleicht  nicht  allzuschwer  ergeben,  dass,  wie  un- 
leugbar manche  4>- Vertreter,  so  wohl  auch  S  öfter  doch  noch 
Verbindungsfkden  mit  der  ersten,  d.  h.  mit  der  M-Classe, 
aufweisen  konnte,  und  dass  demnach  Gelenius  selbst  dort,  wo 
er  allgemeine  Ausdrücke  wie  ,exemplaria  nostra',  ,archetypa*, 


*  Vgl.  über  Derartiges  meine  Hilariusstudien  S.  13  [879].  urbae  st.  urhe 
hat  unser  B  XXXVl,  3,  3. 

'  »Maguntinus  et  Spirensis  Codices  aliter  habent,  hoc  modo :  a  ainu  MatiticOf 
qu€bß^\  vgl.  übrigens  über  diese  Stelle  auch  Weissenborn,  Comment. 
Momms.  p.  310,  Luchs  1.  c.  p.  3. 

'  Vgl.  auch  H.  J.  Müller,  Jahro-sber,  dos  Berl.  phil.  Vereins  1801,  S.  186. 


26  V.  Abhandlung :     Z  i  n  g  e  r  1  e. 

,vetU8  lectio'  u.  dgl.  gebrauchte,    wirklich  manchmal^  auch  die- 
selbe Lesart  in  M  und  S  gefunden  hatte. 

Wenn  er  z.  B.  XXXVI,  7,  7  für  das  richtige  qui  dubitare 
gegenüber  dem  quid  (qd  B)  dubitare  auf  seine  ,archetypa'  sich 
beruft  und  mit  letzteren  auch  wieder  Lov.  2  und  die  alten 
Ausgaben  seit  1482  sich  decken,  so  können  wir  wohl  glauben, 
dass  hier  auch  M  S  dieselbe  Uebereinstimmung  hatten,  dass 
also  die  Lesart  in  den  Apparaten  doch  nicht  einfach  mit  M  zu 
bezeichnen  sein  dürfte.  Oder  nehmen  wir  wieder  ein  zu 
Wichtigerem  aufsteigendes  Beispiel.  XXXVI,  35,  7  quia  BucLe 
gratiae  reservari  eam  Achaei,  Elei  per  se  ipsi  quam  per  Ro- 
manos maluerunt  Achaico  contribui  concilio^  so  Gelenius  mit 
Berufung  auf  seine  ,exemplaria';  quia  suae  gratiae  resertiari  ea 
Achaei  per  se  ipsi  quam  per  Romanos  maluerunt  Achaico  con- 
tribui concilio  <I>,  <Ja  suore  graeciae  reseruari  eä  achaei  p  malue- 
runt achaico  contribui  consilio  B.  Beachten  wir,  wie  nahe  hier 
auch  <1>  der  ersten  Lesart  stehen,  während  B  mit  seinem  be- 
sonders starken  Ausfalle  sich  allein  findet,  so  können  wir 
Madvig  nur  beistimmen,  wenn  er  Em.  L.  p.  526  ausdrücklich 
annimmt,  dass  die  ,exemplaria^  da  wirklich  auf  M  S  zu  beziehen 
seien;  denn  wenn  selbst  bei  Betonung  naher  Verwandtschaft 
zwischen  S  und  4>  doch  zugegeben  werden  muss,  dass  letztere 
im  Verlaufe  mehrere  Fehler  entwickelten,  so  ist  es  sehr 
glaubUch,  dass  im  alten  S  das  leichte  Versehen  ea,  welches  ja 
auch  B  nicht  hat,  und  der  Ausfall  des  Elei  nach  Achaei  noch 
nicht  platzgegriffen  hatte.  XXXVI,  38,  7  corrigirte  Gelenius 
wieder  mit  Hinweis  auf  seine  ,exemplaria'  ubi  ut;  da  hier  die 


^  Freilich  wird  hier  immer  genauer  ge8ondei*t  werden  müssen,  und  bis- 
weilen wird  allerdings  auch  die  schon  öfter  aufgestellte  Annahme  galten, 
dass  er  auch  das  nur  in  einem  seiner  beiden  Codices  Gefundene  mit 
einem  allgemeinen  Ausdrucke  empfahl.  So  wird  z.  B.  XXXVII,  11,  13 
,vetus  lectio*  cum  duabiis  Coia  wohl  am  ehesten  auf  S  zurückgehen,  der 
den  Fehler  copiis  B  <t>  bei  der  sonst  gleichen  Wortstellung  noch  ver- 
mieden hatte,  während  M  test.  Mogunt.  die  verschiedene  Wortstellung 
cum  Cois  duabua  hatte;  ähnlich  wohl  auch  XXXYI,  17,  4  UU  et  ,ex 
vetustis  codd.S  was  mit  B  4>  sich  deckt,  während  M  test  Mogunt.  muUo  et 
bot;  wenn  G  XXXVllI,  55,  4  Fnrii  Äciileonis  corrig^rt,  so  stammt  dies 
auch  wahrscheinlich  aus  S,  da  die  meisten  4>,  darunter  Lov.  2,  durch 
ihr  furiacii  leonia  nach  Heilung  der  falschen  Worttrennung  auf  dasselbe 
fuhren,  während  M  test.  Mod.  Furii  CktUeoni»  las 


Zar  rierten  Decade  des  LiTiiu.  27 

Mogantini  diese  Lesart  ausdrücklich  für  M  bezeugen^  könnte 
es  scheinen,  es  sei  sicher  an  letzteren  Codex  allein  zu  denken; 
sieht  man  aber,  wie  B  *l>  ubi  überliefern,  alle  ältesten  Ausgaben 
vor  Aldus  aber  ut,  so  ergibt  sich,  dass  die  auf  ubi  ut  führenden 
Verbindungslinien  auch  ausserhalb  M  nicht  fehlen,  S  also  das 
Richtige  wohl  auch  noch  haben  konnte.  XXXVII,  53, 4,  wo 
ipsi  auiem  von  Gelenius  durch  ,lege'  empfohlen  ist,  haben  wir 
nach  Drakenborch  dieselbe  Lesart  wahrscheinlich  auch  in  Lov.  2 
und  Lov.  1  anzunehmen,  B  und  4>  pl.  bieten  sibi  autem,  Lov.  6 
bezeichnend  si  autem;  überblicken  wir  diese  in  ihrer  Entstehung 
gewiss  sehr  durchsichtige  Mischreihe,  so  werden  wir  hier  Madvig 
weniger  beipflichten,  wenn  er  Em.  L.  p.  444  ipsi  autem  geradezu 
nur  auf  M  zurückführen  zu  müssen  glaubt.  Wir  haben  im  Laufe 
dieser  Abhandlung  wiederholt  bei  verschiedenen  Gelegenheiten 
den  Lov.  2  durch  gewisse  Erscheinungen  hervortreten  gesehen, 
welche  diesem  Codex  unter  den  jüngeren  eine  besondere  Auf- 
merksamkeit zuwenden  und  theilweise  vielleicht  auch  zur  etwas 
besseren  Aufhellung  mancher  Fragen  beitragen  könnten.  Es 
ist  übrigens  nach  den  bisherigen  Auseinandersetzungen  kaum 
nöthig,  noch  ausdrücklich  hervorzuheben,  dass  derselbe,  wie 
wir  ihn  einerseits  hie  und  da  in  gewisser  auffallenderer  Be- 
rührung mit  richtigen  oder  unrichtigen  Lesarten  M  getroffen, 
anderseits  auch  mit  B  das  Richtige  schützt.^  Nur  noch  ein 
Beispiel.  Wenn  XXXVU,  51,  9  Madvig  Em.  L.  p.  535  die  von 
Gelenius  fälschlich  durch  ein  ,legendum'  bevorzugte  Lesart 
mctam  Aetoliam  (statt  victurn  in  Aetolia)  dem  Cod.  M  zuweist, 
was  allerdings  nicht  unwahrscheinlich  ist,  so  hat  derselbe  auch 
hier  4>-Genossen  im  Lov.  3  und  theilweise  im  Voss.;  Lov.  2 
aber  stimmt  hier  im  Wahren  mit  B  überein,  was  wohl  auch 
in  S  stand. 

Fast  möchte  man,  wenn  man  alle  derartigen  Beobachtungen, 
die  an  dieser  Stelle,  wie  gesagt,  nur  durch  mehrere  Beispiel- 
reihen beleuchtet  werden  konnten,  zusammen  überbUckt,  zur 
Meinung  gelangen,  dass  etwa  doch  schon  ziemlich  frühe  ge- 
wisser  gegenseitiger   Einfluss    der    zwei   Classen    in    theilweise 


^  Aach  Unrichtiges,  so  z.  B.  das  von  Hertz  za  gewisseuliaft  gehaltene  in- 
dftxU  8t.  induit  XXXVI,  tl,  3,  wo  sichtlich  nur  das  vorhergehende  tra- 
duxU  einwirkte. 


28  ▼•  Abbivndlang:    Zingerle.  Znr  Tiert«]i  Decftde  des  Livins. 

durchcorrigirten  Exemplaren  stattfand,  und  dass  auch  S  viel- 
leicht mehrfach  solche  Spuren  zeigte.  Durch  eine  solche  kaum 
zu  gewagte  Annahme  könnten  manche  trotz  der  richtig  nach- 
gewiesenen Haupteintheilung  noch  bestehende  Schwierigkeiten 
und  Zweifel  im  Einzelnen  am  einfachsten  sich  lösen,  vielleicht 
zum  Theile  auch  die  über  einige  Stellen,  wo  S  im  31.  und  32. 
Buche  nicht  mit  B  <t>  übereinstimmt.  Indem  ich  schliesslich 
den  Wunsch  nicht  unterdrücken  kann,  es  möchte  A.  Luchs, 
der  ja  auch  neue  CoUationen  jüngerer  Codices  sich  zu  besorgen 
in  der  Lage  ist,  diesen  Untersuchungen  im  ganzen  Umfange 
der  Decade  erneute  Aufmerksamkeit  in  solcher  Beziehuug 
zuwenden,  glaube  ich  es  vorderhand  auch  gerechtfertigt  zu 
haben,  warum  ich  nun  im  Apparate  des  6.  Theiles  meiner 
Liviusausgabe  auch  die  Lesarten  mancher  jüngerer  Hand- 
schriften, namentlich  des  Lov.  2,  nach  nochmaliger  wohlüber- 
legter Durchmusterung  der  Speicher  Drakenborch's  öfter  na- 
mentlich aufführe,  als  dies  in  neuerer  Zeit  sonst  geschehen  ist. 


YI.  Abb.:  t.  Zelstberg.    Belgien  anter  Erzherzog  CmtI  (1798,  1794). 


VI. 


Belgien  unter  der  Generalstatthalterschaft 
Erzherzog  Carls  (1793,  1794). 

Von 

H.  B.  V.  Zeissberg, 

wirbl.  Hi^liede  der  kau.  Akademie  der  Wissenschaften. 

I.  TheU. 


I.  Traattmansdorff  und  Metternfch.  —  Die  Brflsseler 

Conferenz. 

Der  Kaiser  hatte  sieh  nach  der  Katastrophe  des  Jah- 
res 1792  anfangs  mit  der  Absicht  getragen,  das  niederländische 
Gouvernement  gänzlich  aufzulösen,  stand  jedoch  von  diesem 
Vorhaben  nachträglich,  als  man  die  Wiedergewinnung  Belgiens 
ernstlich  ins  Auge  fasste,  ab  und  ermächtigte  Metternich,  wie 
dies  auch  in  den  Jahren  1789  und  1790  der  Fall  gewesen  war, 
ein  Comit^  beizubehalten,  dessen  Mitgliederzahl  sich  nach  den 
vorhandenen  Bedürfnissen  richten  sollte.  In  dem  Masse,  in  wel- 
chem der  Feind  gezwungen  sein  würde,  die  Niederlande  zu 
räumen,  sollte  Metternich  der  Armee  mit  jenem  Comit^  folgen 
und  letzteres  im  Verhältnisse  zu  den  sich  mehrenden  Geschäf- 
ten verstärken. 

Zugleich  wurde  Metternich  der  Entwurf  einer  Proclama- 
tion  zugesendet,  die,  von  Coburg  unterzeichnet  und  in  einer 
grossen  Anzahl  von  Exemplaren  gedruckt,  allenthalben  erst 
nach  erfolgtem  Einmärsche  der  kaiserlichen  Truppen  in  dem 
von  dem  Feinde  occupirten  Gebiete  veröffentlicht  werden  sollte. 
Man  stellte  es  dem  Zufall  anheim,  inwiefern  dies  etwa  bereits 
zuvor  geschehe,   keineswegs  aber  sollte  Letzteres  officiell  ver- 

Sitznogsber.  d.  phiL-hist.  Ol.  CXXVUI.  Bd.  6.  Abh.  1 


2  VI.  Abhandlung:   v.  Zeissberg. 

anlasst  werden,  um  nicht  das  Manifest  muthwilliger  Behandlung 
auszusetzen  und  dadurch  compromittirt  zu  werden.^ 

Die  Proclamation '  eröffnete  vor  Allem  die  Aussicht  auf 
die  Wiederherstellung  der  von  den  Franzosen  umgestürzten 
constitutionellen  Rechte  und  jener  Grundsätze,  welche,  von  den 
Franzosen  angefochten,  Jahrhunderte  lang  den  Provinzen  zum 
Segen  gereicht  hätten.  Dies  sei  der  einzige  Zweck  aller  An- 
strengungen jener  Armee,  welche  der  Kaiser  seinen  treuen 
Unterthanen  zu  Hilfe  gesendet  habe.  Er  erwarte,  dass  sie  sich 
beeilen  werden,  ihrerseits  zu  diesem  heilsamen  Zwecke  beizu- 
tragen, während  diejenigen,  welche  es  wider  alles  Erwarten 
wagen  würden,  sich  diesen  Absichten  zu  widersetzen^  der 
vollen  Strenge  des  Gesetzes  verfallen  sollten. 

Es  war  dies  die  letzte  Weisung,  welche  Philipp  Cobenzl 
an  Mettemich  erliess.  In  eben  diesen  Tagen  bereitete  sich 
sein  Sturz  vor.  Am  27.  Februar  wurde  er  der  Leitung  des 
niederländischen  Departements  enthoben  und  dieses  dem  Grafen 
Trauttmansdorff  mit  dem  Titel  eines  belgischen  Kanzlers  über- 
tragen,' eine  Massregel,  die,  abgesehen  von  dem  Charakter 
der  betreffenden  Personen,  insofeme  nicht  unzweckmässig  war, 
als  dadurch  das  belgische  Departement  aus  den  Agenden  der 
Hof-  und  Staatskanzlei  ausschied  und  eine  besondere  Ver- 
tretung erhielt,  welche  seiner  in  Folge  der  letzten  Ereignisse 
gesteigerten  Bedeutung  entsprach. 

Cobenzl  selbst*  behauptet,  durch  diese  Verfügung  über- 
rascht worden  zu  sein,  während  sie  nach  der  Behauptung 
Anderer  von  seiner  Seite  eifrig  bekämpft  worden  war.*  Ec 
betrachtete  sich  ab  das  Opfer  einer  Cabale,   die  von  dem  Ca- 


^  Ph.  Cobenzl  an  Mettemich.  Vienne,  le  20  fövrier  1793.  Orig. 

*  Vergl.  Wiener  Zeitung,  1163. 

*  Ameth  v.:  Graf  Philipp  Cobenzl  und  seine  Memoiren  (Archiv  f.  (taterr. 
Gesch.  LXVU,  43). 

*  Ph.  Cobenzl  an  Mettemich.  Vienne,  le  1*'  mars  1793.  Orig.  (abgedruckt 
bei  Gachard,  Analectes  II,  105),  In  einem  eigenhändigen  vortraulichen 
Schreiben  vom  selben  Datum  an  Mettemich  fügt  Ph.  Cobenzl  dieaer 
Mittheilung  bei:  ,V.  E.  n*aura  pas  ^t^  peu  surpris  d*apprendre  de  mm 
lettre  d'office  de  ce  jour  que  c^est  la  demi^re  que  j*ai  Thonneur  de  vous 
adresser  sur  les  affaires  provinciales  des  Pays-Bas.  H  n*y  a  que  vingt- 
qnatre  heures  que  j*ai  eu  la  mSme  surprise.' 

^  Araeth,  a.  a.  O.  43. 


Belfien  tinter  der  Oeneralstatthaltenchaft  Enchcnog  Carls  (1708,  1794).  3 

binetsminister  CoUoredo  und  dem  Oberstkämmerer  Rosenberg 
ausgegangen  und  die  auf  die  Erhebung  TrauttmansdorfiTs  und 
Thugut's  gerichtet  gewesen  sei,  welche  beide  damals  unbe- 
schäftigt waren  und  eine  Wiederansteliung  im  Staatsdienste  an- 
strebten.* In  der  That  vergingen  seit  jenem  ersten  Schlage 
nur  vier  Wochen,  und  Cobenzl  wurde  auch  seiner  Stellung  als 
Staats- Vicekanzler  enthoben,  mit  der  neu  geschaffenen  Würde 
eines  Kanzlers  der  italienischen  Provinzen  bekleidet,  dem  Frei- 
herm  von  Thugut  aber  zunächst  als  Director  des  auswärtigen 
Amtes  die  mit  demselben  verbundenen  Geschäfte  übertragen.* 

Trauttmansdorff  war  kein  Neuling  in  den  niederländischen 
Geschäftien.  Unter  Maria  Theresia  1770  in  den  Staatsdienst  ein- 
geftlhrt,  blickte  derselbe  auf  eine  ebenso  rasche  als  glänzende 
Beamtenlaufbahn  zurück.  1780  wurde  er  kurböhmischer  Ge- 
sandter beim  Reichstag  zu  Regensburg,  1783  von  Josef  II. 
gleichzeitig  im  fränkischen  Kreise  accreditirt.  Während  des  ,Für- 
stenbundes'  (1785)  wurde  er  in  wichtigen  Geschäften  nach  Mainz, 
in  den  oberrheinischen  und  in  den  fränkischen  Kreis  entsendet, 
1787  in  schwierigster  Zeit  trotz  seiner  Gegenvorstellungen  zum 
bevollmächtigten  Minister  der  Niederlande  ernannt,  in  welcher 
Stellung  er  sich  durch  sein  Eingehen  auf  dessen  Ideen  das  Ver- 
trauen des  Kaisers  im  höchsten  Masse  erwarb.  Von  demselben 
ftlr  den  Posten  eines  Reichs -Vicekanzlers,  ja  zum  Nachfolger 
Kaunitz'  ausersehen,  wurde  er,  da  sich  beides  nicht  bewerk- 
stelligen Hess,  durch  die  Verleihung  des  goldenen  Vliesses  aus- 
gezeichnet. ' 

Die  Leitung  der  Niederlande  wurde  Mettemich  und  Trautt- 
mansdorff zu  einer  Zeit  anvertraut,  in  der  die  Lösung  der  bald 
wieder  hervortretenden  Spannung  der  inneren  Verhältnisse  weni- 
ger von  Persönlichkeiten  als  von  der  Entscheidung  der  äusseren 
Frage,  von  dem  Ausgange  des  Krieges  mit  Frankreich  abhing. 
Immerhin  war  es  ftir  Belgien  kein  Glück,  dass  es  fortan  von 
zwei  so  verschieden  veranlagten  Staatsmännern  geleitet  werden 
sollte;  jedenfalls  war  vorauszusehen,  dass  es  der  inneren  Politik 


»  Arneth,  a.  a,  O.  164—155. 

*  Ebenda.  43. 

'  Nach  einer  undatirten,  durch   seine  spätere  Enthebang  von  dem  Amte 

eines  Kanzlers  der  Niederlande  veranlassten  Eingabe  desselben  an  Kaiser 

Frans. 

1* 


4  VI.  AbhAndlang:  t.  Zelstberf. 

auch  fernerhin  an  Festigkeit  und  Beständigkeit  fehlen  werde, 
da  dem  Minister,  diesem  ausgesprochenen  Anwalte  der  ständi- 
schen Wünsche,  in  dem  Kanzler  eine  Persönlichkeit  gegenüber- 
stand, die  bei  aller,  selbst  von  Leuten  wie  Baillet  anerkannten 
Mässigung  ihre  Vergangenheit  nicht  verleugnen  konnte.  Metter- 
nich  wurde  denn  auch  durch  den  Personenwechsel  von  vorne- 
herein auf  das  Unangenehmste  berührt;  auf  Cobenzl's  Mittheilong 
erwiderte  er:  ,Eucre  Excellenz  bemerken  ganz  richtige  dass  der 
Wille  des  Souveräns  für  mich  stets  ein  Befehl  ist  und  sein  wird. 
Doch  ist  es  nicht  minder  gewiss,  dass  ich  äusserst  erstaunt  war, 
als  ich  von  dieser  neuen  Ordnung  der  Dinge  vernahm,'*  Und 
in  der  That  gestaltete  sich  das  Verhältniss  Mettemich's  zu  Trautt- 
mansdorff  binnen  kürzester  Zeit  so  unerquicklich,  dass  es  wieder- 
holt des  unmittelbaren  Eingreifens  des  Kaisers  bedurfte,  um  dem 
Federkriege  beider  ein  Ziel  zu  setzen.  Letzterer  blieb  nicht  lange 
ein  Geheimniss  *  und  wurde  von  den  Ständen  gar  bald  zu  ihrem 
Vortheile  ausgebeutet. 

Gleichzeitig  mit  CobenzFs  Entfernung  von  der  Leitung  des 
niederländischen  Departements  wurde  die  Jointe  in  Wien,  die 
man  wohl  als  seine  Schöpfung  bezeichnen  darf,  und  deren  Un- 
Zweckmässigkeit  sich  während  der  kurzen  Zeit  ihres  Bestandes 
erwiesen  haben  mochte,  aufgelöst.  *  Statt  dessen  wurden  in  Brüs- 
sel selbst  die  sogenannten  Conferenzen  eingeführt.  In  Nachbil- 
dung einer  Einrichtung  nämlich,  die  der  verstorbene  Kaiser  für 
die  Lombardie  getroflFen  hatte,  sollte  der  Generalgouvemeur  der 
Niederlande  sich  fortan  zur  Erledigung  der  Geschäfte  und  der 
Berichte  an  den  Kaiser  nicht  blos  wie  bisher  der  Beihilfe  des  be- 
vollmächtigten Ministers  und  des  Staatssecretärs,  sondern  ausser- 
dem noch  der  Mitwirkung  zweier  eigens  hiezu  ersehener  Räthe 
(conseillers  assesseurs)  bedienen.  Während  bisher  die  Angelegen- 
heiten in  Conferenzen,  die  nicht  an  einen  bestimmten  Tag  und 
an  eine  bestimmte  Stunde  gebunden  waren,  zwischen  Statthalter 
und  Minister  erörtert  zu  werden  pflegten,  sollten  in  Zukunft 
wöchentlich  drei  regelmässige  Sitzungen  und  im  Falle  des  Be- 
dürfnisses  auch   mehrere   unter  Intervention  jener  zwei  Räthe 

^  Mettennoh  an  Cobenzl.  Coblence,  le  20  mars  1793.  Copie.  ,Confidentielle 

autogfraphe/ 
'  Mercy  an  Thugut.  BruxelleB,  le  28  juin  1793.  eig. 
'  Trauttmansdorff  an  Mottemich.  Vienne,  le  1*'   mars  1793. 


Belgien  unter  der  Oenerftlstatthalterscbaft  Erzherzog  Carls  (179S,  1794).  5 

Stattfinden.  Den  beiden  Käthen  und  dem  Staatsseeretär  fällt  die 
Berichterstattung,  jenen  in  allen  inneren,  diesem  in  allen  äus- 
seren Angelegenheiten,  zu.  Der  Generalgouvemeur,  oder  in  sei- 
ner Abwesenheit  der  Minister,  fasst  das  Conclusum  nach  der 
Stimmenmehrheit  zusammen,  ausser  wenn  gewichtige  Gründe 
dagegen  sprechen,  die  in  diesem  FaUe  im  ProtokoUe  zu  vei- 
merken  sind.  Auf  diese  Weise  hat  die  Verleihung  aller  Aemter 
und  Beneficien^  über  die  das  Generalgouvernement  verfügt,  sowie 
die  Anweisung  der  Gagen,  Pensionen  und  Gratificationen,  endlich 
die  Erstattung  der  Anträge  bezüglich  jener  Stellen,  deren  Be- 
setzung sich  der  Kaiser  vorbehält,  zu  geschehen.  Bei  Meinungs- 
verschiedenheit hat  jeder  Votant  seine  Ansicht  zu  Protokoll  zu 
bringen  und  in  demselben  zu  motiviren,  und  ist  es  eine  Sache, 
deren  Entscheidung  dem  Souverän  unterbreitet  wird,  so  steht 
es  überdies  jedem  Beisitzenden  frei^  seine  Ansicht  unmittelbar, 
und  zwar  versiegelt,  Sr.  Majestät  zu  übersenden.  Mit  Ueber- 
gehung  jener  Anordnungen,  welche  sich  auf  die  Anlegung  und 
die  wöchentliche  Einsendung  der  Protokolle  nach  Wien,  die 
Vertheilung  der  Referate,  die  Wahrung  des  Amtsgeheimnisses, 
Beschleunigung  der  Erledigungen  u.  dergl.,  kurz  auf  die  Ge- 
schäftsordnung, beziehen,  sei  hier  noch  hervorgehoben,  dass 
keine  Weisung  des  Generalstatthalters,  weder  an  die  Conseils 
collatöraux,  noch  an  die  Justiztribunale,  noch  endlich  an  die 
Stände  ergehen  sollte,  ohne  dass  sie  zuvor  den  Gegenstand 
eines  Berichtes  in  jener  Conferenz  gebildet  habe.  Alles,  was 
zur  Kenntniss  des  Souveräns  zu  gelangen  hatte,  sollte  ent- 
weder, und  zwar  in  wichtigen  Fällen  durch  einen  Bericht  des 
(Jeneralgouvemeurs,  oder,  in  minder  wichtigen,  durch  einen 
Auszug  aus  dem  Protokolle,  im  ersten  Falle  unter  der  Signatur 
des  Erzherzogs,  im  zweiten  unter  jener  des  Staatssecretärs,  unter- 
breitet werden.  Umgekehrt  sollten  alle  Anordnungen  Sr.  Ma- 
jestät dem  Gouvernement  entweder  durch  vom  Kaiser  gezeich- 
nete, an  den  Generalstatthalter  gerichtete  Depeschen  oder  durch 
Schreiben  des  Hofkanzlers  an  den  Minister  erfolgen,  in  beiden 
Fällen  aber  die  gleiche  Geltung  haben.  Endlich  sollte  es  dem 
Generalstatthalter  zustehen,  wenn  es  sich  um  Gegenstände  von 
grosser  Tragweite  handle,  ausser  den  gewöhnlichen  Beisitzern 
auch  andere  Staatsräthe  oder  königliche  Beamte  zu  jenen  Con- 
ferenzen  beizuziehen,   wie  dies  auch  bisher  unter  dem  Namen 


6  VI.  Abhandlung:  y.  Zeissberg. 

einer  Joiute  geäcliefaen  sei.  Doch  sollte  vou  dem  Generalstatt- 
halter der  Landescommandirende  in  all  den  FäDen  in  die  Cton- 
ferenz  berufen  werden,  in  denen  es  sich  um  einen  wichtigen 
Fall  handle,  bei  welchem  die  Civilregierung  militärischer  Assi- 
stenz bedürfe  oder  das  Umgekehrte  der  Fall  sei.  In  all  diesen 
Fällen  sei  die  Ansicht  des  Generalcommandanten  dem  Proto- 
kolle beizuschliessen.  ^ 

Am  1.  März  setzte  Trauttmansdorff  den  bevollmächtigten 
Minister  von  seiner  Fmennung  in  Kenntniss.  Während  er  ihn 
im  Allgemeinen  auf  die  Instruction  verwies,  welche  binnen 
Kurzem  für  den  Fall  des  Einmarsches  der  österreichischen 
Truppen  in  Belgien  nachfolgen  werde,  forderte  er  ihn  bereits 
jetzt  auf,  flir  die  Neubesetzung  der  verschiedenen  Conseils  cd- 
latöraux  Sorge  zu  tragen.  ,£uere  Excellenz  kennen,'  bemerkte  er, 
,die  Intention  des  Kaisers,  die  dahin  geht,  dass  an  der  seit  je- 
her bestehenden  Ordnung  dieser  Conseils  nichts  geändert  werde, 
da  bisher  jede  Aenderung  von  üblen  Folgen  begleitet  gewesen 
ist.  Se.  Majestät  beabsichtigt  nicht,  den  Launen  ii^end  einer 
Partei  der  Nation  in  Bezug  auf  seine  Beamten  blindlings  zn 
folgen,  aber  sie  ist  zugleich  entschlossen,  der  öffentlichen  Mei- 
nung nicht  vor  den  Kopf  zu  stossen.'  Die  Mitglieder  der  auf- 
gelösten Wiener  Jointe  Müller,  Lannoj  und  Du  Rieux  sollte 
Metternich  in  seine  Vorschläge  einbeziehen,  da  denselben  der 
Kaiser  eine  entsprechende  Verwendung  in  Belgien  zugedacht 
habe,  obgleich  Trauttmansdorff  selbst  wünschte,  dass  denselben 
noch  ein  längeres  Verweilen  in  Wien  gestattet  werde,  weil  er 
sich  ihrer  Unterstützung  bei  den  bevorstehenden  Arbeiten  be- 
dienen wolle.*  In  einem  vertraulichen  Schreiben  fügt  er  hinzu, 
dass  der  Kaiser  nur  deshalb  bisher  Alles  im  Status  quo  belassen 
und  die  bereits  damals  (s.  unten)  überreichte  Demission  des  Chef- 
Präsidenten  Crumpipen  und  des  Staatssecretärs  Feltz  nicht  an- 
genommen habe,  weil  die  Absicht  bestehe,  das  ganze  Gouverne- 
ment aufzulösen  und  man  sich  daher  nicht  auf  eine  vereinzelte 
VeH\igung  beschränken  wolle.* 


^  Ordre  k  saivre  daus  les  conförences  que  le  ser^niasime  ^UTemeur  g^ 
ii^ral  tiendra  avec  le  ministre  plenipotentiaire,  le  secr^taire  d'Etat  et 
les  conseillers  assesseurs.  A.-A. 

'  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  l*'  mars  1793.  Orig. 

'  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  1*'  mars  1793.  Orig.  eig. 


Belfien  nnt«r  der  Oenenlatmttbaltencbaft  Erzbenof  Carls  (1798,  1794).  7 

Am  2.  März  sandte  Trauttmansdorff  durch  La  Valette 
dem  Minister  eine  neue  Proclamation  zu,  die  fllr  alle  Pro- 
vinzen gelten  und  an  Stelle  des  früheren  Entwurfes  treten 
sollte.  Die  Publication  derselben  sollte  weder  zu  früh,  noch  zu 
spät  erfolgen,  denn  im  ersteren  Falle  würde  man  die  Procla- 
mation der  Gefahr  der  Verspottung  aussetzen,  im  zweiten  die- 
selbe ihren  Hauptzweck  verfehlen.  Für  die  Verbreitung  des  Auf- 
rufes könne  theils  durch  die  Generale  Sorge  getragen  werden, 
welche  denselben  jedoch  erst  in  dem  Augenblicke  feierHch  zu 
verkündigen  hätten,  in  welchem  sie  sicher  wären,  dass  sie  sofort 
die  betreffende  Provinz  besetzen  würden,  theils  könne  dies  durch 
vertraute  Personen  unter  der  Hand  geschehen.  Trauttmansdorff 
billigte  zugleich,  dass  Mettemich  zunächst  in  Coblenz  seinen 
Sitz  zu  nehmen  gedenke,  nur  sollten  dahin  auch  die  Mitglie- 
der des  geheimen  Rathes  beschieden  werden,  um  die  Geschäfte 
an  einem  Orte  zu  concentriren. ' 

Die  neue  kaiserliche  Proclamation  war  im  Wesentlichen 
desselben  Inhaltes  wie  die  frühere;  nur  stellte  sie  auch  eine  all- 
gemeine Amnestie,  die  sich  selbst  auf  die  Deserteurs  der  Armee 
erstrecken  sollte,  in  Aussicht.*  Doch  wurde,  wie  wir  vorgrei- 
fend bemerken  wollen,  in  Wirklichkeit  nicht  diese  zweite  Procla- 
mation (vom  2.  März),  sondern  die  erste,  mit  dem  Datum  1.  März 
versehen,  von  Coburg  zu  Aldenhofen  und  später  (25.  März)  auch 
zu  Brüssel  publicirt. 

Es  ist  falsch,  wenn  behauptet  wird,'  Mettemich  habe  im 
Februar  von  Wesel  aus  an  seinen  Hof  die  Anfrage  gerichtet, 
ob  das  vielverbreitete  Gerücht  von  dem  bairisch  -  belgischen 
Tauschprojeete  der  Wahrheit  entspreche,  und  füi'  diesen  Fall 
um  die  Enthebung  von  seinem  Posten  gebeten,  da  unter  dieser 
Voraussetzung  die  Wiederherstellung  der  alten  Verfassung  nur 
Verlegenheiten  bereiten  würde,  und  es  vorzuziehen  sei,  das 
Land  nach  dem  Wiedereinmarsche  der  österreichischen  Trup- 
pen vorläufig  unter  militärische  Verwaltung  zu  stellen,   es  sei 


^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  2*  mars  1793.  Orig. 

'  Das  Manifest  datirte  vom  2.  März  und  trug  Siegel  und  Unterschrift  des 

Kaisers.  Beilage  zu  Trauttmansdorff*s  Weisung  an  Mettemich,  ddo.  Vienne, 

le  9  man  1793. 
'  M.  Craofurd  an   Lord  Auckland.   Brüssels,   April   29^   1793,   im  Journal 

UI,  41. 


8  VI.  Abliftndlang;  r.  Z«i8sb«rf. 

ilim  aber  bedeutet  worden^  dass  der  Kaiser  uicht  daran  denke, 
sich  Belgiens  zu  begeben,  dass  derselbe  gesonnen  sei,  die  alt- 
hergebrachte Verfassung  aufrecht  zu  erhalten,  und  dass  num 
in  dieser  Hinsieht  den  Bewohnern  des  Landes  jeden  Zweifel 
benehmen  möge.  Eine  derartige  Anfrage  Metternich's  liegt  in 
den  Acten  nicht  vor,  wie  sich  denn  auch  sonst  nachweisen 
lässt,  dass  der  Minister  schon  längst  von  den  constitutionellen 
Absichten  des  Kaisers  wohl  unterrichtet  war.  Nur  so  viel  ist 
richtig,  dass  es  am  Hofe  allerdings  eine  Partei  gab,  die  hierin 
anderer  Ansicht  war. 

Trauttmansdorff  wusste  dies  wohl,  als  er  im  Gegensatze 
zu  seinem  Vorgänger  Cobenzl,  der  die  Geschäfte  seiner  De- 
partements direct  mit  dem  Kaiser  zu  behandeln  pflegte,^  den 
Entwurf  der  Instruction  fUr  Mettemich  der  Begutachtung  der 
Conferenz-Minister  unterzog.  Er  wusste,  dass  unter  den  Rath- 
gebern  des  Kaisers  Meinungsverschiedenheit  darüber  bestand, 
ob  man  die  günstige  Stimmung  der  belgischen  Nation  und  Eng^ 
lands  benützen  sollte,  um  bei  dem  Wiedereinmarsche  ins  Land, 
auf  Waffengewalt  gestützt,  den  Streitigkeiten  ein  Ziel  zu  setzen, 
die  zu  den  inneren  Unruhen  den  Anlass  gegeben,  oder  ob  es 
sich  vielmehr  empfehle,  auf  dem  verfassungsmässigen  Stand- 
punkte zu  verharren.  Trauttmansdorff  war  der  letzteren  An- 
sicht. Er  hoffte  nicht  nur,  dass  sieh  auch  die  Conferenz  in 
diesem  Sinne  äussern  werde,  sondern  war  seiner  Sache  bei 
dem  Kaiser  so  sicher,  dass  er,  noch  ehe  jene  sich  geäussert 
hatte,  bereits  am  3.  März,  Mettemich  in  diesem  Sinne  infor- 
mirte:  ,Se.  Majestät  werde  nie  erlauben,  dass  die  Fundamental- 
gesetze des  Landes,  die  stets  zur  Richtschnur  dienen  müssen, 
verletzt,  abec  auch  nicht  gestatten,  dass  unter  diesem  Ver- 
wände oder  mittelst  falscher  Interpretationen  Ihre  Rechte  ver- 
kümmert werden.'* 

Die  Instruction  fUr  Mettemich'  datirte  vom  27.  Februar 
1793  und  wurde  demselben  ebenfalls  durch  La  Valette  über^ 
sendet  ;'^   sie  bezog  sich  theils  auf  gewisse  Verfassungsconfliete, 


*  Archiv  f.  Qsterr.  Gesch.  LXVII,  lö4. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  3  mars  1793.  Orig. 

*  Geilnickt   bei  Gachani,  Analectes  V,   148—153.    Doch  sind  die  der  In- 
struction bei^fii|rten  Erläuterungen  in  diesem  Abdrucke  nicht  entludten. 

*  Mettemich  an  Eraheraog  Carl,  13  mars  1793.  A.-A.  Copie. 


Belgien  imter  der  QeneraUtattbaltorsebaft  Enlienog  Cerli  (1798,  1794).  9 

welche,  wie  die  Besetzung  des  Conseüs  von  Brabaut  ^  und  jenes 
von  Flandern,*  oder  der  Streit  über  den  Conseii  von  Limburg,' 
unter  der  letzten  Statthalterschaft  entbrannt,  aber  nicht  zum 
Austrage  gebracht  worden  waren,  theils  fasste  sie  die  Wieder- 
herstellung der  alten  Ordnung  der  Dinge,  die  Beruhigung  der 
G^müther,  aber  auch  die  Ueberwachung  der  Malcontenten  ins 
Auge.  Daher  sollten  zunächst  alle  höheren  und  niederen  Ge- 
richtstribunale mit  Ausnahme  der  Conseils  von  Brabant  und 
Limburg,  für  welche  besondere  Verfügungen  in  Aussicht  stan- 
den, alle  Magistrate,  Fiscal-,  Justiz-  und  PoUzeibeamten  und 
alle  legalen  Corporationen  aufgefordert  werden,  ihre  Functionen 
wie  vor  der  französischen  Occupation  wieder  zu  beginnen,  und 
nur  da,  wo  dies  nicht  mögUch  sei,  provisorischer  Ersatz  ge- 
schaffen und  soweit  die  Ernennung  dem  Gouvernement  zustehe, 
so  bald  wie  möglich  zu  einer  Neubesetzung  der  Magistrate  in  ver- 
trauenerweckendem Sinne  geschritten  werden,  da  die  getroffene 
Verfügung  nur  dem  Uebelstande  begegnen  wollte,  dass  nicht 
etwa  in  der  ersten  Zeit  Justiz  und  Polizei  in  völligen  Stillstand 
geriethen.  Wurde  einerseits  dem  Minister,  sobald  Brabant  be- 
setzt sei,  die  Verkündigung  einer  allgemeinen  Amnestie  aufge- 
tragen, so  sollten  dagegen  Clubs  und  illegale  Gesellschafiten 
nicht  geduldet  werden,  und  wurde  die  Bestrafung  der  Bethu- 
nisten  und  die  gerichüiche  Verfolgung  der  Personen,  welche 
zur  Zeit  der  Fremdherrschaft  eine  besondere  Hinneigung  zu 
dem  französischen  System  gezeigt  hätten,  in  Aussicht  genom- 
men. Auch  die  Ueberwachung,  eventuell  Ausweisung  der  fran- 
zösischen Emigranten  wurde  dem  Minister  zur  Pflicht  gemacht. 
Vor  Allem  aber  sollten  die  Stände  der  Provinzen  baldigst  ein- 
berufen und  zur  Entrichtung  der  bereits  bewilligten,  aber  noch 
nicht  bezahlten  Subsides,  jene  von  Brabant  überdies  zur  Be- 
willigung der  Entschädigung  des  königlichen  Schatzes  und  der 
durch  den  Aufstand  von  1789  und  1790  geschädigten  Personen 
veranlasst  werden.  Auch  die  Beilegung  der  Differenzen  bezüg- 
lich der  aufgehobenen  Convente  wurde  als  wünschenswerth  be- 
zeichnet.   Von  vorneherein  erklärte  sich  der  Kaiser  einverstan- 


^  Vergl.  den  Aufsatz:    Zwei  Jahre  belgischer  Geschichte  (Sitzungsberichte 

Bd.  CXXm  und  Bd.  CXXIV). 
>  Ebenda,  Bd.  CXXIV,  162  ff. 
'  Ebenda,  Bd.  CXXm,  151  ff. 


10  VI.  Abhandlnng :  v.  Zeissberg. 

den  mit  der  Wiederherstellung  aller  Convente^  bei  denen  dies 
möglich  sei;  nur  sollte  daraus  keine  Belastung  für  den  könig- 
lichen Schatz  erwachsen^  auch  sollte  von  den  früheren  Con- 
ventualen  Niemand  zum  Wiedereintritt  gezwungen  und  die  Pen- 
sionen Derer,  die  nicht  wieder  eintreten  wollten,  sichergestellt 
werden.  Endlich  wurde  Mettemich  eingeschärft,  in  allen  Edicten 
und  Declarationen,  deren  Verkündigung  sich  bei  dem  Einmärsche 
der  Truppen  und  der  Rückkehr  des  Gouvernements  als  noth- 
wendig  herausstellen  würde,  eine  einfache,  bestimmte,  der  Würde 
des  Kaisers  angemessene  Sprache  zu  fUhren  und  durch  die  That 
zu  beweisen,  dass  die  Absicht  des  Kaisers  auf  die  Aufrechthaltung 
der  Verfassung,  wie  dieselbe  in  den  letzten  Regiemngsjahren 
Maria  Theresias  bestanden  habe,  gerichtet  sei,  sich  aber  über 
dieselbe  in  keine  Discussion  einzulassen. 

Mettemich  wurde  beauftragt,  diese  Instruction  auch  dem 
Prinzen  von  Coburg  mitzutheilen,  so  wie  andererseits  ihm  ein 
Exemplar  der  Instruction  Coburg's  mitgetheilt  wurde.  In  dieser 
—  sie  datirt  gleichfalls  vom  27.  Februar  —  wurde  dem  Prin- 
zen die  grösste  Mässigung  ans  Herz  gelegt.  Die  Truppen  soll- 
ten strenge  Mannszucht  halten  und  den  Bewohnern  nicht  über 
Gebühr  zur  Last  fallen.  Coburg  sollte  die  friedlichen  Bürger  seines 
Schutzes  versichern,  zwar  keine  Clubs  und  poUtischen  GeseU- 
schaften  dulden,  doch  der  Civilgerichtsbarkeit  volle  Wirksam- 
keit gewähren;  gefangene  Franzosen  sollten  als  Kriegsgefangene 
gelten,  Belgier,  sowie  Bewohner  von  Lüttich  und  die  Bethoni- 
sten,  di^  mit  Waffen  betreten  würden,  als  Rebellen  standrecht- 
lich behandelt  werden.^ 

Die  Instruction  fUr  Mettemich  wurde  am  4.  März  durch 
die  Bemerkung  ergänzt,  dass  er  stets  die  Haupteache  im  Auge 
behalten  und  diese  nicht  etwa  accessorischen  Gesichtspunkten 
unterordnen  möge.  Vor  Allem  sollte  er  sich  die  Gunst  des 
AugenbUckes   und  den  Eindruck,    den   die  Anwesenheit  einer 


*  S.  Witzleben  a.  a.  O.,  85—86,  der  jedoch  mit  Unrecht  Ton  der  Vorau' 
setznng  ausgeht,  dass  diese  Instruction  bereits  vor  Eröffnung  des  Feld- 
zuges zur  Kenntniss  des  Prinzen  gelaugt  sei.  Die  Abschrift  im  Wiener 
Staatsarchiv  ist  ausdrücklich  bezeichnet:  ,Copie  du  projet,  faitiVienne, 
27  fevrier  1793S  Auch  eine  Copie  derselben  in  A.-A.  (Beilage  sn  einem 
Briefe  Mettemich's  an  Erzherzog  Carl,  ddo.  13.  Mfirz  1793)  ist  ebenso 
datirt. 


Belgien  unter  der  Oeneralstatthalterschaft  Enherxog  Carli  (179S,  1794).  11 

siegreiciicu  Armee^  sowie  die  Proclamation  des  Kaiser»  auf  die 
Gemüther  ausüben  werde^  nicht  entgehen  lassen.  Sollte  sich 
der  Zusammentritt  der  Ständeversammlungen  verzögern  ^  so 
möge  er  sich  vorläufig  in  jeder  vom  Feinde  geräumten  Provinz 
drei  Deputirte  zugesellen  und  im  Einvernehmen  mit  diesen  zu- 
nächst jene  Anordnungen  treffen,  die  der  Augenblick,  nament- 
lich die  Sorge  ftir  die  öffentHche  Ruhe  und  Sicherheit  gebiete. 
In  Anbetracht  der  Anhänglichkeit  der  Belgier  an  die  Religion 
und  des  mächtigen  Einflusses  der  Priesterschafit  auf  das  Volk 
möge  er  an  die  Prälaten  des  Landes  ein  Rundschreiben  rich- 
ten, das  ohne  Affeetation  auch  zu  pubUciren,  und  in  dem  ge- 
schickt, zugleich  aber  in  würdiger  Weise  die  Interessengemein- 
schaft des  Clerus  und  Thrones  hervorzuheben  sei.  Mettemich 
sollte  die  öffentUchen  Gelder,  die  nicht  dem  Feinde  zur  Beute 
geworden  seien,  in  Sicherheit  bringen,  namentlich  aber,  da  der 
gegenwärtige  Krieg  mit  grossen  Kosten  verbunden  sei,  darauf 
bedacht  sein,  die  Hilfsquellen  Belgiens  dem  Kaiser  dienstbar 
zu  machen.  Als  die  wichtigsten  dieser  Quellen  werden  bezeich- 
net: die  rückständigen  Subsides,  Abkürzung  der  für  die  Ent- 
schädigung von  7,700.000  Gulden  festgesetzten  Zahlungstermine, 
neue  Dons  gratuits,  ein  später  flir  Rechnung  des  Kaisers, 
nöthigenfalls  unter  der  Garantie  der  Stände  zu  eröffnendes 
Anlehen,  specielle  Heranziehung  des  Clerus  zu  Opfern  ftir  den 
Staat  unter  gleichzeitiger  Ermächtigung  desselben  zur  Veräus- 
serung  seiner  weniger  werthvoUen  Besitzungen,  theilweise  Ver- 
äussemng  von  Domänen,  deren  Verwaltung  kostspielig  sei, 
u.  dergl.  m.  ,Wenn  man,^  so  schUesst  Trauttmansdorff,  ,die 
Gelegenheit  ergreift,  welche  die  Kundgebung  der  gerechten 
und  wohlwollenden  Absichten  Sr.  Majestät  gegen  Ihre  belgi- 
schen Provinzen  gewährt,  so  wird  man  Hilfsquellen  genug  bei 
einer  Nation  finden,  die  in  der  Liebe  wie  im  Hasse  ihre  Ge- 
fühle bis  zum  Extreme  zu  äussern  pflegt.'^ 

,Sie  werden,^  heisst  es  in  einem  anderen  Schreiben,  ,ge- 
wiss  einsehen,  dass  in  diesem  Augenblicke  die  Geldmittel  uns 
am  meisten  am  Herzen  liegen,  und  dass  daher  dies  die  Aufgabe 
ist,  mit  der  Sie  sich  vor  Allem  beschäftigen  müssen,  denn  in 
Wirklichkeit  hängt  Alles  davon  ab.    Zeichnen  sich  die  Nieder- 


*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le   17  mars  1793.  Orig. 


10  VI.  Abhandlung:  v.  Zeissberg. 

den  mit  der  Wiederherstellung  aller  Convente^  bei  denen  dies 
mögUch  sei;  nur  sollte  daraus  keine  Belastung  für  den  könig- 
lichen Schatz  erwachsen^  auch  sollte  von  den  früheren  Con- 
ventualen  Niemand  zum  Wiedereintiitt  gezwungen  und  die  Pen- 
sionen Derer,  die  nicht  wieder  eintreten  wollten,  sichei^estellt 
werden.  Endlich  wurde  Mettemich  eingeschärft,  in  allen  Edicten 
und  Declarationen,  deren  Verkündigung  sich  bei  dem  Einmärsche 
der  Truppen  und  der  Rückkehr  des  Grouvemements  als  noth- 
wendig  herausstellen  würde,  eine  einfache,  bestimmte,  der  Würde 
des  Kaisers  angemessene  Sprache  zu  fahren  und  durch  die  That 
zu  beweisen,  dass  die  Absicht  des  Kaisers  auf  die  Aufrechthaltung 
der  Verfassung,  wie  dieselbe  in  den  letzten  Regiemngsjahren 
Maria  Theresias  bestanden  habe,  gerichtet  sei,  sich  aber  über 
dieselbe  in  keine  Discussion  einzulassen. 

Mettemich  wurde  beauftragt,  diese  Instruction  auch  dem 
Prinzen  von  Cobui^  mitzutheilen,  so  wie  andererseits  ihm  ein 
Exemplar  der  Instruction  Coburg's  mitgetheilt  wurde.  In  dieser 
—  sie  datirt  gleichfalls  vom  27.  Februar  —  wurde  dem  Prin- 
zen die  grösste  Mässigung  ans  Herz  gelegt.  Die  Truppen  soll- 
ten strenge  Mannszucht  halten  und  den  Bewohnern  nicht  über 
Gebühr  zur  Last  fallen.  Coburg  sollte  die  friedlichen  Bürger  seines 
Schutzes  versichern,  zwar  keine  Clubs  und  politischen  Gesell- 
schaften dulden,  doch  der  Civilgerichtsbarkeit  volle  Wirksam- 
keit gewähren;  gefangene  Franzosen  sollten  als  Kriegsgefangene 
gelten,  Belgier,  sowie  Bewohner  von  Lüttich  und  die  Bethuni- 
sten,  di^  mit  Waffen  betreten  würden,  als  Rebellen  standrecht- 
lich behandelt  werden.^ 

Die  Instruction  fUr  Metternich  wurde  am  4.  März  durch 
die  Bemerkung  ergänzt,  dass  er  stets  die  Hauptsache  im  Auge 
behalten  und  diese  nicht  etwa  accessorischen  Gesichtspunkten 
unterordnen  möge.  Vor  Allem  sollte  er  sich  die  Gunst  des 
Augenblickes   und  den  Eindruck,   den   die  Anwesenheit  einer 


*  S.  Witzleben  a.  a.  O.,  85—86,  der  jedoch  mit  Unrecht  Ton  der  VoraiU' 
Setzung  aasgeht,  dass  diese  Instruction  bereits  vor  Eröffnung  des  Feld- 
zuges zur  Kenntniss  des  Prinzen  gelaugt  sei.  Die  Abschrift  im  Wiener 
Staatsarchiv  ist  ausdrücklich  bezeichnet:  ,Copie  du  projet,  Uäi  k  Yienne, 
27  f^vrier  1793S  Auch  eine  Copie  derselben  in  A.-A.  (Beilage  su  einem 
Briefe  Mettemich's  an  Erzherzog  Carl,  ddo.  13.  März  1793)  ist  ebenso 
datirt. 


B«lfi«ii  oBtar  dar  CteneraUtaUhaltencluift  Enhenof  Carli  (179S,  1794).  11 

siegreiclieu  Armee^  sowie  die  Proclamation  des  Kaisers  &\x£  die 
Gemüther  ausüben  werde,  nicht  entgehen  lassen.  Sollte  sich 
der  Zusammentritt  der  Ständeversammlungen  verzögern,  so 
möge  er  sich  vorläufig  in  jeder  vom  Feinde  geräumten  Provinz 
drei  Deputirte  zugesellen  und  im  Einvernehmen  mit  diesen  zu- 
nächst jene  Anordnungen  treffen,  die  der  Augenblick,  nament- 
hch  die  Sorge  für  die  öffentHche  Ruhe  und  Sicherheit  gebiete. 
In  Anbetracht  der  Anhänglichkeit  der  Belgier  an  die  Religion 
und  des  mächtigen  Einflusses  der  Priesterschafit  auf  das  Volk 
möge  er  an  die  Prälaten  des  Landes  ein  Rundschreiben  rich- 
ten, das  ohne  Affeetation  auch  zu  publiciren,  und  in  dem  ge- 
schickt, zugleich  aber  in  würdiger  Weise  die  Interessengemein- 
schaft des  Clerus  und  Thrones  hervorzuheben  sei.  Mettemich 
sollte  die  öffentUchen  Gelder,  die  nicht  dem  Feinde  zur  Beute 
geworden  seien,  in  Sicherheit  bringen,  namentlich  aber,  da  der 
gegenwärtige  Krieg  mit  grossen  Kosten  verbunden  sei,  darauf 
bedacht  sein,  die  Hilfsquellen  Belgiens  dem  Kaiser  dienstbar 
zu  machen.  Als  die  wichtigsten  dieser  Quellen  werden  bezeich- 
net: die  rückständigen  Subsides,  Abkürzung  der  fUr  die  Ent- 
schädigung von  7,700.000  Gulden  festgesetzten  Zahlungstermine, 
neue  Dons  gratuits,  ein  später  für  Rechnung  des  Kaisers, 
nöthigenfalls  unter  der  Garantie  der  Stände  zu  eröffnendes 
Anlehen,  specielle  Heranziehung  des  Clerus  zu  Opfern  ftlr  den 
Staat  unter  gleichzeitiger  Ermächtigung  desselben  zur  Veräus- 
serung  seiner  weniger  werthvollen  Besitzungen,  theilweise  Ver- 
äusaerong  von  Domänen,  deren  Verwaltung  kostspielig  sei, 
a.  dergl.  m.  ,Wenn  man,^  so  schliesst  Trauttmansdorff,  ,die 
Gelegenheit  ergreift,  welche  die  Kundgebung  der  gerechten 
und  wohlwollenden  Absichten  Sr.  Majestät  gegen  Ihre  belgi- 
schen Provinzen  gewährt,  so  wird  man  Hilfsquellen  genug  bei 
einer  Nation  finden,  die  in  der  Liebe  wie  im  Hasse  ihre  Ge- 
flihle  bis  zum  Extreme  zu  äussern  pflegt.'  ^ 

,Sie  werden,'  heisst  es  in  einem  anderen  Schreiben,  ,ge- 
wiss  einsehen,  dass  in  diesem  Augenblicke  die  Geldmittel  uns 
am  meisten  am  Herzen  liegen,  und  dass  daher  dies  die  Aufgabe 
ist,  mit  der  Sie  sich  vor  Allem  beschäftigen  müssen,  denn  in 
WirkHchkeit  hängt  Alles  davon  ab.    Zeichnen  sich  die  Nieder- 


*  Traattmansdorff  an  Metteruich.  Vienne,  le  17  mars  1793.  Orig. 


12  VI.  Abhandlung:  v.  Zeisgberg. 

laude  nicht  durch  besonderen  Eifer  aus  und  bieten  sie  in  diesem 
Augenblicke  der  Monarchie  nicht  wesentliche  Vortheile  dar^  so 
kann  man  fast  nichts  mehr  Denen  erwidern,  die  —  und  sie 
sind  in  der  Mehrheit  —  mehr  als  je  und  um  jeden  Preis  sich 
von  denselben  losmachen  wollen.  Vielleicht  finden  Sie  Gelegen- 
heit, diese  Bemerkung,  als  käme  dieselbe  von  Ihnen,  gegen- 
über Personen  fallen  zu  lassen,  von  denen  zu  erwarten  steht, 
dass  sie  einen  guten  Gebrauch  davon  machen  werden/^ 

,Ein  anderer  Gegenstand  Ihrer  Aufmerksamkeit,^  fHhrt 
Trauttmansdorff  fort,  ,wird  die  Entschädigimg  sein,  welche  die 
SUlnde  den  Mitgliedern  des  Gouvernements  leisten  müssen,  deren 
Entfernung  sie  wünschen,  da  dieselbe  sonst  den  königlichen 
Finanzen  sehr  zur  Last  fallen  würde.  Es  wäre  dies  wenigstens 
ein  Mittel,  um  Jene  zum  Schweigen  zu  bringen,  welche  den 
gewünschten  Aenderungen  eine  allzugrosse  Ausdehnung  geben 
möchten.  Sobald  Eure  Excellenz  in  Brüssel  angelangt  sein  und 
die  volle  Freiheit  der  Action  erlangt  haben  werden,  werden  Sie 
auch  ohne  Zweifel  die  Nothwendigkeit  des  Festhaltens  an  einem 
bestimmten  System  erkennen.  Ebendies  ist  es,  woran  es  nach 
meiner  Meinung  stets  sowohl  hier  wie  in  Brüssel  gefehlt  hat 
Man  darf  fortan  nicht  mehr  zwischen  zwei  Wässern  schwim- 
men und  es  gleichzeitig  Allen  recht  machen  wollen.  Man  mnss 
sich  fUr  eine  Partei  entscheiden,  die  andere  aber  ausrotten 
(Fräser).  Man  muss,  im  Vertrauen  bemerkt,  von  der  Lection 
profitiren,  die  uns  das  Benehmen  der  Stände  ertheilt  hat,  die 
ihr  wirklichem  Unrecht  vergessen  und  aus  einer  anfangs  schlech- 
ten eine  gute  Sache  gemacht  haben.^^ 


II.  Erzherzog  Carl  wird  zum  Generftlstattludter  ernamit. 
Sein  Einzug  als  solcher  In  Brüssel. 

Der  Kaiser  hatte  das  belgische  Statthalterpaar  —  Erz- 
herzogin Maria  Christine  und  ihren  Gemahl,  den  Herzog  Albeit 
zu  Saohsen-Tesohen  —  unmittelbar  nach  ihrer  Ankunft  in  Wien 
\^^Iitte  Februar  1793)  von  ihrem  Posten  enthoben.    Schon  seit 


*  Traattmaiudortf  «n  Metlernich.  Vienne,  le  19  nuurs  1793.  Orig. 

*  EbendMelbat 


BdflMi  vntor  d«r  Oenenlttittlmlterechaft  Enhenof  CtfU  (1T98,  1T94).  18 

längerer  Zeit  hegte  er  die  Absicht,  diese  Stelle  seinem  Bruder, 
dem  Elrzherzog  Carl,  zu  verleihen,  doch  behielt  er  sich  vor,  die 
Ernennung  desselben  erst  ,nach  Erledigung  des  Kriegs  und 
hergestellter  Ruhe  in  Niederland'  eintreten  zu  lassen;  ,da',  wie 
er  an  ihn  schrieb,  ,ich  bis  dahin  hoffe,  Dich  mit  ehrlichen  und 
wohldenkenden  Leuten  umgeben  zu  können,  die  Dir,  wo  es 
Dir  an  Erfahrung  fehlet,  gern  an  die  Hand  gehen  werden:  denn 
von  Deinem  Herzen  und  Deinen  Fähigkeiten  bin  ich  über- 
zeugt*^ 

Dem  Erzherzog  kam  dies  äusserst  erwünscht.  An  sich  ent- 
sprach der  militärische  Dienst  unendlich  mehr  als  die  ihm  zu- 
gedachte Stellung  seiner  Neigung;  *  ausserdem  glaubte  er  aber 
auch,  dass  es  im  Interesse  der  Sache  liege,  wenn  er  sich 
nicht  in  die  erste  Einrichtung  des  Landes,  bei  der  es  vor- 
aussichtlich nicht  ohne  ,An8tände  und  Difficultäten'  abgehen 
werde,  menge.  Er  bezeichnete  es  daher  geradezu  als  ,eine 
recht  grosse  Gnade',  wenn  ihn  der  Kaiser  während  der  Dauer 
des  Ejrieges  bei  der  Armee  belasse.' 

Doch  änderte  der  Kaiser  bald  seine  Ansicht;  vermuthlich 
wurde  er  hiezu  durch  den  unerwartet  raschen  Wechsel  der 
Dinge  auf  dem  Kriegsschauplatze  bestimmt  Die  gix)ssen  Waffen- 
erfolge, an  denen  dem  Sieger  von  Aldenhofen  der  rühmlichste 
Antheil  gebührte,  und  welche  den  baldigen  Einmarsch  der  kai- 
serlichen Truppen  in  Brüssel  gewärtigen  Hessen,  namentlich  aber 
die  Kunde  von  der  freudigen  Stimmung,  mit  der  man  allenir 
halben  die  Befreier  von  dem  französischen  Joche  begrüsste, 
mochten  die  früheren  Bedenken  des  Kaisers  zerstreuen;  ja,  es 
mochte  sich  jetzt  an  die  Ernennung  des  Erzherzogs  die  Hoff- 
nung knüpfen,  dass  es  gerade  ihm  geUngen  werde,  die  ersten 
Schwierigkeiten  zu  besiegen  und  die  Opferwilligkeit  der  belgi- 
schen Nation  zu  entflammen.  Den  Ausschlag  aber  gab  der 
Wunsch  des  Landes  selbst;  denn  dass  dieser  auf  die  sofortige 
Ernennung  des  Erzherzogs  zum  Generalstatthalter  gerichtet  war 
und  auf  irgend  eine  Weise,  vielleicht  durch  jene  heimliche  Ge- 
sandtschaft, die  zu  Beginn  des  Jahres  (Februar)  sich  in  Wien 


^  Kaifler  Franz  an  Enhensogf  Carl.  Wien,  den  16.  Homong  1793. 
'  Erzherzog  Carl  an  den  KaUer.    KOln,    den  21.   Homong  1793.    Orig. ; 
6rofl»-£ldem,  den  11.  März  1793.  Orig.  eig. 


14  VI.  Abhandlnng:  v.  Zeissberg. 

eingefunden  hatte,'  zur  Eenntniss  des  Kaisers  gelangte,  geht 
aus  der  Erklärung  des  Letzteren  ebenso  bestimmt  hervor,  als 
es  anderseits  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass  man  in  Belgien 
dem  jugendlichen  Helden  von  Aldenhofen  und  Neerwinden  die 
lebhafteste  Zuneigung  entgegenbrachte.*  So  wurde  denn  Erz- 
herzog Carl  schon  jetzt  von  dem  Kaiser  zum  Gheneralgouvei^ 
neur  und  Generalcapitän  der  Niederlande  ernannt.  Am  18.  März 
setzte  er  selbst  seinen  Bruder  yon  dieser  Emennimg  in  Kennt- 
niss.  ,Da8  Land  wünscht  es,'  schreibt  er  an  ihn,  ,und  Du  hast 
Dir  um  einen  Titel  mehr  hiezu  erworben,  weil  Du  zur  Räumung 
und  Eroberung  desselben  beigetragen.  .  .  .  Ich  bekenne,  dass 
Du  eine  grosse  Bürde  auf  Dir  hast;  allein  der  Dienst  erfordert 
es  und  Du  kannst  gleich  viel  Gutes  wirken.  Sobald  Niederland 
geräumt  ist,  komme  ich  dann  selbst,  um  mit  eigenen  Augen 
das  Land  und  jene  Einrichtungen  zu  sehen,  welche  noch  zu 
machen  wären.'  Er  weist  den  Bruder  an  Mettemich;  an  ihm 
habe  er  einen  rechtschaffenen  Mann  zur  Seite,  der  ihn  gut 
unterstützen  werde;  auch  den  neuen  Staatssecretär  Müller 
empfiehlt  er  ihm  als  einen  ,ehrlichen  Mann',  flr  bittet  den  Ei*z- 
herzog  übrigens,  ihm  ausser  den  ofüciellen  auch  vertrauliche 
Briefe  zukommen  zu  lassen,  denn  es  sei  zu  wünschen,  dass 
diesmal  das  Land  ,in  Ordnung  reoccupirt  werde  und  man  nicht 
aus  Mangel  an  Instructionen  und  Benehmungsart  in  eine  Con- 
fusion  verfalle,  wie  es  unter  ihrem  gottsehgen  Vater  geschehen'. 
Uebrigens  sollte  die  Publication  der  Ernennung  Carls  zum  Ge- 
neralgouvemeur  durch  Mettemich  erst  dann  erfolgen,  wenn  so- 
wohl Brüssel  als  auch  der  grösste  Theil  der  Niederlande  sich 
im  Besitze  der  Kaiserlichen  befinden  würde.  Erzherzog  Carl 
sollte  daher  die  Sache  vorläufig  für  sich  behalten  imd  auf  sei- 
nem Posten  verbleiben.*  Doch  wurde  bereits  jetzt  (17.  März) 
das  kaiserUche  Patent  ausgefertigt,  durch  welches  seine  Er- 
nennung den  verschiedenen  Provinzen  der  Niederlande  bekannt- 


*  Vergl.  den  Aufsatz:  Aldenhofen,  Neerwinden  und  LOwen  8  (Sitsongs- 
bericht  Bd.  CXXVH). 

*  Starhemberg  an  Thng^t,  k  la  Haye,  le  16  avril  1793:  ,Je  ne  suis  qne 
r^cho  de  Tarm^e  et  de  toute  la  nation  belgiqae,  en  parlant  k  V.  E.  de 
renthoQBiaBme  que  S.  A.  R.  inspire  par  ses  vertus  militaires  et  civilee  k 
tous  ceux  qni  ont  Thonneur  de  Tapprocher.* 

3  Franz  II.  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  18.  März  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


B«lgi«n  noter  der  OeneralMtatthaltcn<chaft  Erzherzog  Carls  (1798.  1794).  15 

gegeben  werden  sollte/  desgleichen  (18.  März)  eine  Zuschrift, 
welche  sich  auf  die  Einführung  der  Conferenz  bezog.  *  Die  Er- 
nennung des  Erzherzogs  wurde  übrigens  so  schleunig  vollzogen, 
dass  man  nicht  Zeit  fand,  um  an  dem  betreffenden  Patente  die 
Blechbüchse^  in  der  sich  das  Siegel  befand,  in  herkömmUcher 
Weise  vergolden  zu  lassen,  und  dass  dies  daher,  falls  man 
daran  in  Belgien  Anstoss  nähme,  erst  nachträglich  geschehen 
sollte.' 

Es  war  bisher  nicht  Sitte  gewesen,  den  Generalstatthalter 
mit  einer  speciellen  Instruction  zu  versehen.  Auch  diesmal  sah 
man  davon  ab.  Gleichwohl  schlug  Trauttmansdorff  dem  Kaiser 
vor,  den  Erzherzog  durch  eine  besondere  Depesche,  die  der 
Staatssecretär  Müller  an  seinen  neuen  Bestimmungsort  bringen 
könnte,  von  seinen  Intentionen  in  Eenntniss  zu  setzen.  Und 
zwar  unterschied  Trauttmansdorff  selbst  zwischen  allgemeinen 
Directiven  und  solchen,  die  sich  auf  besondere  Gegenstände 
bezogen. 

Im  Allgemeinen  bezeichnete  es  der  Hofkanzler  als  von 
besonderer  Wichtigkeit,  dass  der  Generalgouvemeur  selbst- 
thätig  eingreife  oder,  falls  er  dies  entweder  nicht  wolle  oder 
nicht  könne,  sich  wenigstens  den  Anschein  gebe,  da  er  sonst 
von  vornherein  die  Liebe  und  das  Vertrauen  der  Nation  ein- 
büssen  und  bald  ganz  und  gar  bei  Seite  geschoben  werden 
würde.  Der  Minister  habe  ihn  im  Detail  der  Geschäfte  und  in 
der  Ueberwachung  der  verschiedenen  Departements  zu  unter- 
stützen; seine  wahren  Rathgeber  aber  müssten  die  Conseils  col- 
Ut^raux  sein,  zumal  wenn  sie,  wie  man  dies  gegenwärtig  an- 
strebe, gut  zusammengesetzt  seien.  Eben  indem  man  sich  von 
diesem  Principe  entfernte,  haben  die  Minister  und  noch  mehr 
die  Staatssecretäre  einen  ftir  den  Dienst  so  schädlichen  Einfluss 
gewonnen.  Der  Minister  kenne  als  Fremdling  in  der  Regel  die 
Administration  zu  wenig  und  sei  daher  auf  den  Staatssecretär 
angewiesen,  durch  den  er  sich,  so  wie  dieser,  da  er  mit  Ge- 
schäften überbürdet  sei,  sich  von  seinen  Creaturen  leiten  lasse. 


*  Qachard,  Lettres  ^rites  par  les  souveraines  des  Pajs-Bas  287.  Moniteor 
Nr.  123,  pag.  539  ff. 

'  Gachard  289.  Monitenr  Nr.  742,  pag.  511  ff.  Ein  ähnliches  Schreiben  er- 
ging an  den  Erzherzog. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  17  mars  1793.  Orig. 


16  VI.  Abhandlung:  ▼.  Zeissberg. 

Dies  habe  zu  Verfügungen  Anläse  gegeben^  die  Missvergnügen 
erzeugten  und  den  Prineipien  der  betreffenden  Departements 
zuwiderliefen.  Auch  schleiche  sich  auf  diesem  Wege  Nepotis- 
mus in  den  Aemtem  ein.  Diesem  Uebelstande  solle  eben  die 
Einrichtung  jener  Conferenz  begegnen,  die  es  sich  jedoch^  um 
ihrem  Zwecke  zu  entsprechen,  zum  Grundsatze  machen  müsse, 
den  Conseils  collat^raux  Credit  im  Publicum  zu  verschaffen,  dies 
umsomehr,  als  die  Eigenliebe  imd  das  Ansehen  jener  Körper- 
schaften durch  die  neue  Einrichtung  einigermassen  beeinträch- 
tigt würden.  Am  besten  werde  man  dies  dadurch  erzielen,  dass 
man  die  Chefs  häufig  zu  jenen  Conferenzen  heranziehe  und 
ihnen  die  Prineipien  Sr.  Majestät  einpräge.  Vor  Allem  aber  sei 
es  erforderlich,  dass  die  Mitglieder  der  Conferenz  selbst  sich 
jedes  persönlichen  Interesses  entäussem  und  nur  das  Öffentliche 
im  Auge  haben.  ^ 

Zur  Ausfertigung  einer  Directive  für  den  Ek'zherzog  be- 
züglich specieller  Punkte  scheint  es  indess  nicht  gekommen  zu 
sein;  ohnedies  war  in  dieser  Hinsicht  die  Instruction  für  Metter- 
nich  erschöpfend  genug.  Die  Depesche  aber,  in  welcher  der 
Kaiser  die  allgemeinen  Gesichtspunkte,  die  ihm  zur  Richtschnur 
zu  dienen  hätten,  seinem  Bruder  mittheilen  liess  und  die  er 
demselben  durch  La  Valette  übersandte,*  war  folgenden  In- 
halts: Art.  1.  Als  oberstes  Princip  hat  in  allen  Provinzen  die 
Wiederherstellung  imd  Erhaltung  der  Verfassung  auf  dem  Fusse 
zu  gelten,  auf  welchem  sie  zu  Ende  der  Regierung  der  Kaiserin 
Maria  Theresia  beobachtet  worden  ist.  Daraus  folgt  (Art.  2), 
dass  in  allen  auf  die  Constitution  bezüglichen,  zur  Zeit  der 
französischen  Invasion  strittigen  und  seither  noch  nicht  durch 
ein  Uebereinkommen  mit  den  Ständen  ausgetragenen  Fragen 
der  Stand  der  Dinge  zu  Ende  der  Regierung  Maria  Theresias 
als  Richtschnur  zu  dienen  hat  und  Alles  rundweg  zurückzu- 
weisen ist,  was  zu  jener  Zeit  nicht  vorhanden  war.  Aus  diesem 
Principe  folgt:  1.  (Art.  3)  dass,  was  während  der  letzten  Un- 
ruhen geschah,  ganz  und  gar  vergessen  werden  muss.  Daher 
hat  man,  namentlich  anfangs,  den  Willen  zu  offenbaren,  nicht 
mehr  davon  sprechen  zu  hören,    denjenigen,  die  während  der 


^  Trauttmansdorff  an  den  Kaiser,  18.  März  1793.  A.-A.  Copie. 
'  Mettomich  an  Erzherzog  Carl,  13  mars  1793.  A.-A.  Copie. 


BelftMi  unter  der  Qenertlstattlialtertohaft  Erzhersog  Carls  (1798,  1794).  17 

Unrahen  Anhänger  der  Stände  gewesen,  öffentlich  wie  privat, 
freundlich  zu  begegnen  und  das  gleiche  Benehmen  den  Chefs 
und  Mitgliedern  der  Conseils  collatöraux,  der  Justiztribunale, 
kurz  allen  Beamten  zur  Pflicht  zu  machen,  zugleich  denen, 
die  dem  Souverän  treu  geblieben  sind,  zu  erklären,  dass  eines 
der  sichersten  Mittel,  um  Gnade  und  Gunst,  auf  die  sie  An- 
spruch hätten,  zu  erlangen,  darin  bestehe,  das  Ihrige  mit  bei- 
zutragen, um  alle  Gemüther  zur  alten  Anhänglichkeit  an  den 
legitimeti  Herrscher  und  zur  Achtung  gegen  die  Gesetze  und 
constitutionellen  Autoritäten  zurückzuführen;  2.  (Art.  4)  dass 
das  Militär  nicht  gegen  die  Bürger  und  Landbewohner  ver- 
wendet werden  darf,  ausser  auf  Requisition  der  Richter  und 
Magistrate  und  in  flagranti,  und  dass  man  nöthigenfalls  alle 
militärischen  Proclamationen,  die  den  Titel:  ,Loi  martiale'  füh- 
ren, widerrufen  muss;  3.  (Art.  5)  dass  das  Gouvernement  in 
den  Provinzen,  wo  der  dritte  Stand  in  seine  Versammlungen 
herkömmlicher  Weise  keine  Militärpersonen  zulässt,  es  vermei- 
det, derartige  Personen  zu  MitgHedern  des  dritten  Standes  zu 
ernennen;  dass,  wenn  4.  (Art.  6)  Schwierigkeiten  bezüglich  des 
Unterrichtes  in  den  Schulen  und  CoUegien  sich  ergeben,  man 
sich  darüber  mit  den  Ständen  einigt,  um  die  Unruhen  beizulegen, 
welche  durch  die  Depesche  vom  21.  December  1791  hervoi^e- 
rofen  wurden,  indem  man  aber  zugleich  den  Zweck  derselben 
zu  erreichen  sucht.  5.  (Art.  7)  Da  gute  Sitten  so  wichtig  wie  die 
Gesetze  sind,  so  hat  man  von  denen,  die  sich  um  Civilämter, 
Gterichtsstellen,  Würden  u.  dergl.  bewerben,  als  wesentliche  Be- 
dingung zu  fordern,  dass  ihr  Ruf  unbescholten  sei  und  sie  sich 
allgemeinen  Ansehens  erfreuen.  6.  (Art.  8)  Da  die  Religion  der 
mächtigste  Zügel  für  die  Menschen  und  der  festeste  Halt  für 
die  Sitten  ist,  muss  man  derselben  ihren  alten  Glanz  wiedergeben. 
Sie  muss  als  Barriere  gegen  das  jeder  socialen  Ordnung  und 
jedem  politischen  Bande  verderbliche  System  dienen.  Man  muss 
demnach  den  Clerus  begünstigen  und  ihm  empfehlen,  die  kirch- 
liche Disciplin  wieder  in  Kraft  zu  setzen  in  all  den  Punkten, 
die  nicht  den  Gesetzen  und  Privilegien  des  Landes  zuwider- 
laufen, und  den  Cult  in  seinem  Glänze  zu  erhalten.  7.  (Art.  8) 
Ein  Hauptgegenstand,  auf  den  von  Anfang  an  sich  die  Auf- 
merksamkeit vor  Allem  zu  richten  hat,  ist,  dass  jene  Magistra- 
turen,   deren  Verleihung   dem  Gouvernement   zusteht,   gut  zu- 

Sitsongsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVni.  Bd.  G.  Abb.  2 


13  VI.  Abhandlung:   t.  Zcissberg. 

sammengesetzt  werden.  Dieser  Punkt  ist  sehr  wichtig  für  das 
Volky  welches  glauben  würde^  dass  man  nichts  fUr  dasselbe 
gethan  habe^  dass  die  zugestandene  Verzeihung  nicht  vollkom- 
men, und  dass  die  Absicht,  die  Verfassung  zu  beobachten,  nicht 
aufrichtig  sei,  wenn  die  Magistrate  und  Polizeibeamten,  welche 
über  das  Schicksal  und  das  Leben  der  Einzelnen  zu  entschei- 
den haben,  nicht  der  Verfassung  zugethan  wären  oder  in  die- 
ser Hinsicht  nicht  das  öffentHche  Vertrauen  genössen.  Um  dies 
zu  erreichen,  wird  man  die  Personen  in  ihr  Amt  wieder  ein- 
setzen oder  anderweitig  befriedigen  müssen,  welche  anlässlich 
der  Unruhen  derselben  illegal  beraubt  worden  sind,  aber  auch 
keine  Schwierigkeiten  der  Wiedereinsetzung  solcher  Personen  zu 
bereiten  haben,  welche  in  Folge  ihrer  Anhänglichkeit  an  die  Ver- 
fassung das  Vertrauen  des  Publicums  genossen  haben.  8.  (Art  10) 
Der  Lauf  der  Justiz  und  die  Vollstreckung  der  Urtheile  (juge- 
ments),  Sentenzen  und  Arr^ts  dürfen  in  keiner  Weise  und  unter 
keinem  Vorwande  unterbrochen,  gehindert  oder  suspendirt  wer- 
den, vorbehaltHch  des  Begnadigungsrechtes.  9.  (Art.  11)  Vor- 
schläge, welche  auf  eine  Neuerung  in  der  Organisation  der 
Stände,  der  Art  der  Ernennung  und  Zusammensetzung  der 
Magistrate,  sowie  der  Gerichtsordnung  abzielen,  sind  ebenso  zu 
verwerfen  wie  jede  Bitte,  welche  auf  eine  Minderung  der  Aus- 
dehnung und  Ausübung  der  Rechte  der  souveränen  Autorität, 
der  administrativen  Gewalt  der  Stände  und  der  legalen  Körper- 
schaften, sowie  der  Autorität  der  Justiztribunale  gerichtet  ist, 
da  deren  Existenz  auf  den  constitutionellen  Gesetzen,  Gewohn- 
heiten und  Privilegien  des  Landes  beruht,  so  wie  diese  zu  Ende 
der  Regierung  Maria  Theresias  in  Kraft  waren,  und  eine  Aen- 
derung  überhaupt  nicht  stattfinden  kann,  ehe  die  Geister  hin- 
länglich beruhigt  sind.^ 

Die  Ernennung   des   Erzherzogs   zum   Generalgouvemeur 
war,  wie  schon  bemerkt,  in  aller  Eile  erfolgt,  und  auch  Metter- 


^  Am  13.  August  1793  wurde  der  Erzherzog  beauftragt,  diese  Depesche 
auch  den  Mitgliedern  der  Conferenz  und  der  Conseils  collat^raux  als 
Richtschnur  mitzutheilen.  Nochmals  wurde  dem  Gouvernement  einge- 
schärft, an  dem  Status  quo  zu  Ende  der  Regierung  Maria  Theresias 
nichts  zu  ändern,  und  wo  sich  dennoch  eine  Aenderung  als  im  Interesse 
der  Sache  wUnschenswerth  darstellen  sollte,  zuvor  den  Kaiser  davon  in 
Kenntniss  zu  setzen. 


BelgieD  iiDt«r  der  0«neralstatthalterschaft  Ersherzog  (arls  (1793,  1794).  19 

nich  wurde  nunmehr  Eile  zur  Pflicht  gemacht.^  Aber  gerade 
in  diesem  AugenbUcke  trat  die  schlimmste  Eigenschaft  Metter- 
nich's^  die  Langsamkeit  seiner  Geschäftsführung^  zum  grössten 
Nachtheile  der  Sache  zu  Tage.  Denn  statt,  wie  ihm  früher  be- 
deutet worden  war,  sich  der  siegreich  vordringenden  Armee 
anzuschliessen,  weilte  er  fast  den  ganzen  Monat  März  in  Cob- 
lenz,  wohin  er  sich  am  14.  Februar  von  Wesel  begeben  hatte, 
und  brach  erst  am  25.  März  nach  Maestricht  auf.  In  Tirlemont 
freundlich  empfangen,  zu  Löwen  von  MitgUedern  der  Stände 
begrtisst,  hielt  er  am  29.  seinen  Einzug  in  Brüssel,  der  sich 
ebenfalls  recht  herzUch  gestaltete.^ 

Durch  diese  Verzögerung  gerieth  aber  der  Erzherzog  in 
eine  ziemUch  peinliche  Lage.  Das  Gerücht  seiner  bevorstehen- 
den Ernennung  war  ihm  vorangeeilt,  so  dass  man  sich  schon 
bei  seinem  ersten  Einzüge  in  Brüssel  (25.  März)  an  ihn  mit 
den  verschiedensten  Anfragen  wendete,  die  er  aber,  ohne  die 
Intentionen  des  Kaisers  zu  kennen,  nicht  beantworten  konnte. 
Erst  am  folgenden  Tage  (26.  März)  langte  Graf  Wratislaw  mit 
dem  Ernennungsschreiben  des  Erzherzogs  in  Brüssel  an.  Da 
'  Mettemich  noch  immer  nicht  eingetroffen  war  und  auch  sonst 
sich  Niemand  von  den  Beamten  des  Gouvernements  in  Brüssel 
befand,  beschloss  Carl,  vorläufig  bei  der  Armee  zu  verbleiben, 
dies  umsomehr,  als  die  Franzosen  den  Palast  in  Brüssel  voll- 
ständig ausgeplündert  hatten. 

Auch  der  Kaiser  war  über  das  Zaudern  Mettemich's  un- 
gehahen,  zumal,  wie  er  meinte,  jetzt  ,Activität'  mehr  als  je 
nöthig  sei,  um  von  dem  Eifer  und  guten  Willen  der  Nation  zu 
profitiren.*  Daher  bat  er  seinen  Bruder,  sofort  nach  erfolgter 
Proclamation  das  Gouvernement  zu  übernehmen,  um  durch 
seine  ^Activität'  die  Langsamkeit  Metternichs  zu  ersetzen,  den 
er  in  einem  anderen  Schreiben*  als  einen  ,Phlegmaticu8'  be- 
zeichnet. Er  ersucht  den  Erzherzog,  bestimmte  Auskünfte  über 
alle  VorMle  zu  geben,  und   wenn   etwas  Wichtiges  geschehe, 


^  Tranttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  19  mars  1793. 

'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.     Coblence,  ce  25  mars,   le  31  mai  1793. 

Henne  et  Wauters,  Histoire  de  la  ville  de  Bruxelles,  1.  c.  II,  433. 
'  Franz  11.  an  Erzherzog  Carl.   Wien,  den  1.  April  1793.   Orig.  eig.  A.-A. 
*  Franz  II.  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  ....  April  1793. 

2* 


20  ^-  Abhandlang:  v.  Zelssberg. 

weder  Couriere  noch  Stafetten  zu  sparen^  da  Mettemich  kern 
Freund  des  Schreibens  sei.  ,Denke,  dass  Du  in  diesem  Augen- 
blicke der  Monarchie  Dienste  leisten  kannst^  welche  Du  zu 
leisten  vielleicht  nie  mehr  in  die  Lage  kommen  wirst/ 

Erzherzog  Carl  begab  sich  von  Brüssel  nach  Mons^  wo 
man  ihn^  als  er  an  der  Spitze  der  Avantgarde  (29.  März)  sei- 
nen Einzug  hielt;  so  wie  irüher  in  Brüssel  mit  aufrichtigem 
Jubel  empfing.  Zu  Boussu  (8.  April)  wurden  ihm  die  Insignien 
des  Maria  Theresien-Ordens  überbracht.  Von  da  begab  er  sich 
in  das  Hauptquartier,  welches  Coburg  mittlerweile  von  Mona 
nach  Qui^vrain  verlegt  hatte.  ^  Der  Erzherzog  weilte  nun  einige 
Tage  auf  dem  benachbarten  Schlosse  Qui^vrechin,  in  dessen 
Nähe  die  Avantgarde  lag,  während  die  Plauptarmee  zwischen 
Cond^  und  Valenciennes  bei  Quaroublc  stand. '  Man  beschränkte 
sich  vorläufig  bis  zur  Ankunft  der  zu  Antwerpen  in  Aussicht 
gestellten  Verstärkungen  auf  die  Beobachtung  von  Valencien» 
nes  und  die  Einschliessung  von  Cond^.  Erzherzog  Carl  begab 
sich  einmal  bis  unter  die  Kanonen  der  letzteren  Festung,  so 
dass  er  die  Umfassungsmauern  wahrnehmen  und  die  Unifor- 
men der  französischen  Soldaten,  welche  in  den  Forts  vor  der 
Stadt  lagen,  unterscheiden  konnte.*  Sein  Gesundheitszustand 
war  damals  vortrefflich;  ,trotz  aller  Strapazen,  trotzdem,  dass 
er  nur  wenig  schläft,  und  trotz  der  ungeregelten  Lebensweise, 
die  es  mit  sich  bringt,  dass  er  bald  um  10  Uhr  Morgens,  bald 
um  8  Uhr  Abends,  bald  kalt,  bald  warm  speist,  erfreut  sich 
mein  Herr  des  besten  Wohlbefindens,*  konnte  Delmotte  an 
Carls  besorgte  Tante  schreiben.  "* 

Stündlich  sah  der  Erzherzog  der  Ankunft  Mettemich's  ent- 
gegen. Auch  Prinz  Coburg  erwartete  den  Minister  ,wie  die 
Juden  den  Messias^  ,Man  erwartet  ihn,'  schreibt  Delmotte  am 
16.  April,  ,fur  morgen,  und  so  geht  es  von  einem  Tage  zum 
andern.    Mein   Herr  (Erzherzog  Carl)  hat  ihn  noch  nicht  ge- 


»  Witzleben  II,  181. 

"  Delmotte  an  Maria  Christine,  s.  d.  Orig.  eig.  A.-A. 

'  Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert,   s.  d.  Orig.   eig.  A.-A. 

Vergl.    Aackland   an  Grenville.  Hague,   April  23,    1793;   in   AuckUnd, 

Journal  III,  31. 

*  Delmotte  an  dieselben.  Mons,  le  6  avril  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


BelgieD  ant«r  der  OeoeralBtattbalierscbaft  Enherxof  Carls  (1798,  1794).  21 

seheiiy  seit  er  im  Lande  ist;  es  sind  miudesteus  vierzehn  Tage, 
dass  er  zu  kommen  verspricht/^ 

Endlich  langte  Mettemich  im  Hauptquartier  an,  und  da- 
mit trat  zugleich  der  Zeitpunkt  ein,  in  welchem  der  Erzherzog 
das  Generalgouvernement  übernehmen  sollte.  Aber  obgleich  er 
bisher  diesen  Augenblick  kaum  erwarten  zu  können  schien,  so 
versetzte  ihn  doch  jetzt  die  Nothwendigkeit,  die  Armee  zu  ver- 
lassen, in  die  missUchste  Stimmung,  da,  wie  er  seinem  Oheim, 
Herzog  Albert,  gegenüber  bemerkt,  das  Kriegshandwerk,  ,der 
Gegenstand  aller  seiner  Wünsche,  seine  einzige  Leidenschaft* 
sei.  ,Und  nun  werde  ich,^  fügt  er  hinzu,  ,zu  einer  Aufgabe  er- 
sehen, von  der  ich  nichts  oder  nur  wenig  verstehe,  und  das  in 
einem  der  kritischesten  Momente  und  mit  einem  Minister  wie 
Mettemich.  Ich  bin  trostlos  darüber  und  fühle  mehr  denn  je 
das  Unglück,  von  Ihnen  getrennt  zu  sein.  Wenigstens  hoffe 
ich,  dass,  wenn  es  mir  nicht  gehngt,  Sie  mich  bedauern  und 
nicht  verurtheilen  werden  .  .  .  Seien  Sie  versichert,  lieber 
Onkel,  dass  es  mich  ungemein  schmerzt,  Ihnen  auf  einem 
Posten  folgen  zu  müssen,  auf  den  Sie  nicht  verzichtet  haben, 
und  dass  ich  Alles,  was  in  meiner  Macht  steht,  dafür  geben 
würde,  wenn  es  anders  wäre.*^ 

Dieselben  Klagen  ergiessen  sich  in  einem  Briefe  an  den 
Erzherzog  Josef:  ,Mit  den  grössten  Schmerzen  und  mit  Thrä- 
nen  in  den  Augen  werde  ich  diese  Armee  verlassen,  und  ohne 
mir  zu  schmeicheln,  werde  ich  bei  selber  bedauert  werden. 
Schon  jetzt  geben  sie  mir  Beweise  davon,  und  die  Nachricht 
meiner  Abreise  hat  Alle  verdrossen,  Alle  geschmerzt.'^  Und 
auch  dem  Kaiser  gegenüber  machte  Erzherzog  Carl  aus  dieser 
Stimmung  kein  Hehl.  ,Wie  hart  es  mir  geschähe/  schreibt  er, 
,die  Armee  eben  in  dem  AugenbHcke  zu  verlassen,  wo  sie  so 
glorreiche  und  wichtige  Unternehmungen  vor  sich  hat,  kannst 
Du  Dir  einbilden.  Nur  der  Wunsch,  Deine  Zufriedenheit  zu 
erwerben,   und  die  Hoffnung,   vielleicht  dem  Staate  nützen  zu 


•  Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert    Qoi^vrain,  le  IC  avril 
1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

•  Erzherzog   Carl   an   Herzog  Albert   von   Sachsen- Teschen.   Qui^vreehin, 
le  20  avril  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

•  Erzherzog  Carl  an  Erzherzog  Josef.  Qui^vrechin,  den  19.  April  1793.   Orig- 
eig.  A.-A. 


22  VI.  AbhandloDg:  t.  Zeissberg. 

können,  lindert  in  etwas  meinen  Schmerz.  Ich  habe  Ursache, 
mich  zu  schmeichehi,  dass  die  Armee  mich  ungern  von  hier 
weggehen  sieht/ ^ 

Wenn  übrigens  Erzherzog  Carl  von  seiner  völligen  Un- 
kenntniss  der  niederländischen  Geschäfte  spricht,  deren  oberste 
Leitimg  er  nunmehr  übernehmen  sollte,  so  ist  dies  der  Aus- 
druck einer  zu  weitgehenden  Bescheidenheit,  die  den  übrigens 
nicht  verhehlten  Verdruss,  dem  seinen  Neigimgen  und  seinen 
Fähigkeiten  so  sehr  entsprechenden  militärischen  Berufe  wenig- 
stens ftlr  einige  Zeit  entsagen  zu  müssen,  nur  leicht  zu  ver- 
schleiern vermag.  Darum  bittet  er  in  jenem  Briefe  den  Kaiser, 
da  er  sich  während  dieses  Krieges  doch  einige  militärische 
Kenntnisse  gesammelt  und  die  Hoffnung,  seinem  Bruder  mit 
der  Zeit  in  diesem  Fache  Dienste  leisten  zu  können,  nicht  auf- 
gegeben habe,  ihm  zu  gestatten,  im  Falle,  dass  es  im  Felde 
zu  einer  wichtigen  Operation  kommen  sollte,  sich  auf  einen 
oder  zwei  Tage  zur  Armee  begeben  zu  dürfen,  zumal  die  Ent- 
fernung des  gegenwärtigen  Kriegsschauplatzes  —  Valenciennes 
—  von  Brüssel  nur  neun  Stunden  betrage  und  er  daher  jeder- 
zeit sofort  auf  seinen  Posten  zurückkehren  könne.* 

Gleich  ihrem  Liebling  wurde  auch  Maria  Christine  durch 
die  Nachricht,  dass  Carl  die  Armee  verlassen  müsse,  peinlich 
berührt.  Sie  erblickte  in  diesem  Auftrage  nichts  als  eine  Intri- 
gue  der  ,Mini8ter^,  d.  i.  Mettemich's  und  Thugut's,  welche,  so 
meinte  sie,  befiirchteten,  dass  der  Prinz  bei  längerem  Verwei- 
len in  der  Armee  seine  Gelehrigkeit  einbüssen  und  die  ihm  so 
noth wendige  Energie  finden  könnte.*  Richtiger,  jedenfalls  ruhi- 
ger, urtheilte  ihr  Gemahl,  der  vielmehr  den  Erzherzog  zu  trö- 
sten versuchte.  Es  handle  sich,  meinte  er,  wohl  nur  um  eine 
momentane  Verfligung,  um  eine  einfache  Besitzergreifting,  und 
er  werde  voraussichtlich  noch  genug  Gelegenheit  finden,  um 
seinem    gerechten    Ehrgeize,    der   ihn    zum   Waffenhandwerke 


*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.    Qui^vrechin,   den  19.  April  1793.    Orig. 

eig.    Auch  Delmotte   schreibt   am   26.  April    (Orig.  eig.  A.-A.):    «Unser 

gnädigster  Herr  ist  trostlos,   dass  er  die  Armee  verlassen  musste,   wo  er 

angebetet  und  der  er  selbst  zugethan  war.' 
»  Ebenda. 
'  Maria  Christine   an  den  Kurfürsten    von   KGln,    le   6   mai    1793.   Orig. 

A.-A.         ä 


B«lffi«D  nnter  der  Qeneralstetthaltonichaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  23 

ziehe.  Genüge  zu  leisten.  Auch  werde,  da  man  ja  den  Wün- 
schen der  Belgier  bereits  zuvorgekommen  sei,  seine  Aufgabe 
eine  angenehme  und  leichte  sein.  Der  Erzherzog,  ftigte  er  nicht 
ohne  Bitterkeit  hinzu,  werde  nur  Beifall  zu  ernten  und  Blumen 
zu  pflücken  haben,  wo  Andere  Kummer  empfanden  und  Dor- 
nen ernteten.^ 

Mit  um  so  grösserer  Genugthuung  empfand  der  Kaiser 
die  Resignation,  mit  der  sich  sein  Bruder  schliesslich  in  seinen 
Wunsch  fUgte.  Er  bezeichnete  dessen  Entschluss  als  einen 
Dienst,  den  er  dem  Vaterlande  erwiesen  habe.  ,Ich  begreife 
gar  wohl,^  bemerkte  er,  ,dass  Du  ungern  die  Armee  verlassest, 
wo  Du  Dir  gewiss  noch  mehr  Ehre  gemacht  hättest.  Indessen 
Du  mosst  Deine  Privatwünsche  dem  Dienste  aufopfern,  zumalen 
da  es  Dich  nicht  hindert,  bei  wichtigen  Unternehmungen,  die 
ohnehin  immer  von  kurzer  Dauer  sind,  wie  Du  es  wünschest, 
gegenwärtig  zu  sein.  .  .  .  Ich  kann  Dich  übrigens  nur  an  Alles 
hier  erinnern,  was  ich  Dir  in  den  vorhergehenden  Briefen  ge- 
schrieben, und  recommandire  Thätigkeit  und  genaue  Folge- 
leistung meiner  Befehle  oder  Vorstellungen  dagegen,  wenn  sie 
nicht  ausführbar  sind.  Endlich  nehme  von  Allem  Einsicht  und 
handle  durch  Dich  selbst  und  nicht  durch  Impulsion  der  An- 
deren, sonst  würdest  Du  in  Kurzem  alle  Liebe  und  Achtung 
des  Landes  verlieren.**  Und  wie  wenig  der  Kaiser  wünschte, 
dass  sein  Bruder  sich  etwa  blos  von  Mettemich  als  Vorwand 
seiner  Massregeln  gebrauchen  lasse,  geht  aus  einem  anderen 
Schreiben  hervor,  in  welchem  es  heisst:  ,Mache,  dass  Dir 
nichts  unbekannt  bleibe  von  Allem,  was  geschieht,  und  handle 
soviel  möglich  durch  Dich  selbst,  da  mir  viel  an  Deiner  Repu- 
tation und  an  dem  Besten  des  Dienstes  lieget.*^ 

Carls  Pflichtgefiihl  war  jetzt  so  rege,  dass  er,  als  Metter- 
nich  die  Veröffentlichung  der  Ernennung  des  Erzherzogs  zum 
Qeneralgouverneur  und  der  oft  erwähnten  Proclamation,  welche 
dieser  gleichsam  zum  Präludium  dienen  sollte,  neuerdings  hinaus- 

^  Herzog    Albert    an    Erzherzog    C&rl.     Dresde,    ce    2    mai    1793.    Copie. 

A.-A. 
>  Franz  II.  an  Erzherzog  Carl.    Wien,   den    16.  oder  26.  Mai  1793.    Orig. 

eig.  A.-A.  (Das  Datum  ist  undeutlich  corrigirt). 
*  Franz    II.    an   Erzherzog    Carl.    Wien,    den    12.    Mai    1793.    Orig.    eig. 

A.-A. 


24  VI.  Abhandlung:  t.  Zeissberg. 

schieben  wollte,  unter  Berufung  auf  den  directen  Wunsch  des 
Kaisers  auf  ein  beschleunigtes  Tempo  drang.  ^ 

Am  21.  April  wurde  im  Hauptquartier  Coburg's  (Quiövrain) 
durch  Armeebefehl  bekanntgegeben,  dass  Erzherzog  Carl  zum 
Generalgouverneur  und  Capitän  ernannt  worden  sei,  deshalb 
die  Armee  verlassen  müsse  und  das  Commando  der  Avant- 
garde, die  er  bis  dahin  befehligt  hatte,  an  FML.  Benjowskj 
übergebe.  Am  23.  kam  der  Erzherzog  nach  Brüssel;  da  aber 
die  Vorbereitungen  des  glänzenden  Empfanges,  den  man  ihm 
daselbst  bereiten  wollte,  einige  Tage  in  Anspruch  nahmen,  be- 
gab er  sich  zunächst  nach  Laeken,  das  die  Franzosen  fireilich 
in  einem  kläglichen  Zustande  zurückgelassen  hatten.  Da  nicht 
einmal  eine  Equipage  zur  Verfügung  stand,  schlug  Mettemich 
dem  Erzherzog  vor,  auf  seinem  Schlachtross  in  Brüssel  einzu- 
ziehen, was,  wie  er  meinte,  im  Publicum  Sensation  machen 
werde.  Doch  dass  es  eines  solchen  Theatereffectes  nicht  be- 
durfte, dafür  hatten  die  Bürger  von  Brüssel  gesorgt.  Als  Tag 
des  Einzuges  war  anfangs  der  25.  April  bestimmt,  doch  wurde 
auf  Bitten  der  Stadt  die  Ceremonie  auf  den  28.  verschoben. 

Der  Empfang  des  jungen  Generalgouvemeurs,  dessen  Brost 
bereits  die  Insignien  des  Maria  Theresien-Ordens  schmückten, 
war  ebenso  glänzend  als  herzlich.  Der  Einzug  fand  um  4  Uhr 
Nachmittags  statt.  Als  Triumphwagen  diente  ein  Phaäton,  der 
ihn  am  Thore  von  Laeken  erwartete  und  auf  dessen  Sitze  ein 
Amor  angebracht  war.  Statt  der  Pferde  spannten  sich  drei- 
hundert Bürger  selbst  vor  den  Wagen  und  brachten  den  Ge- 
feierten unter  dem  Jubel  der  Bevölkerung  in  sein  Palais,  nach* 
dem  er  zuvor  bei  St.  Gudule  angehalten  und  dem  Te  Deum, 
das  der  Nuntius  anstimmte,  bei*i:e wohnt  hatte.  Es  war  eine 
durchaus  spontane,  echt  bürgerliche  Huldigimg;  blos  die  be- 
waffneten Serments  bourgeois  empfingen  ihn  am  Stadtthore,  and 
sie,  nicht  eine  militärische  Bedeckung,  geleiteten  ihn  in  das 
Palais  Royal,   wo   ihn  ausser  den  Comit^s  des  Gouvernements, 

^  Erzherzog  Carl  an  deu  Kaiser.  Qui^vrechain,  19.  April  1793.  Ori^.  eig. 
Noch  am  3.  April  war  die  bevorstehende  Proclamation  des  Erzherzogs 
weitereu  Kreisen  ein  Geheimniss;  in  England  meinte  man  damala  noch, 
dass  Coburg  für  diesen  Posten  ausersehen  seL  Lord  Laughboroiigfa  an 
Auckland  in  The  Journal  and  correspondence  of  William  Lord  Anckland 

m,  8. 


Bel^n  unter  4er  GeneraUtatthalterscbaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  25 

der  Conseil  von  Brabant,  der  Magistrat  von  Brüssel,  der  Adel, 
die  Stände  und  die  Notabein  der  Bürgerschaft  erwarteten. 

,Es  wäre  unmöglich,'  schreibt  Mettemich,  ,die  Freude  zu 
schildern,  die  das  Volk  während  des  Zuges  des  Erzherzogs 
durch  die  Stadt  an  den  Tag  legte.  Alle  Häuser  waren  decorirt 
und  die  Devisen  fiir  Se.  königl.  Hoheit  äusserst  schmeichel- 
haft. Bei  Hof  war  grosser  Cercle.  Die  ganze  Welt  drängte 
sich  um  den  Prinzen,  um  ihm  ihre  allgemeine  und  lebhaft 
empfundene  Freude  auszudrücken.  In  dem  Augenblicke,  in 
dem  ich  dies  schreibe,  begibt  sich  Se.  königl.  Hoheit  ins 
Theater,  worauf  ein  Souper  und  Ball  in  dem  Maison  du  Roi^ 
stattfindet,  auf  Kosten  der  Stadt,  die  an  diesem  Abende  allge- 
mein illuminirt  sein  wird.  Es  ist  eine  merkwürdige  Anekdote 
in  Umlauf,  auf  die  man  grosses  Gewicht  legt,  dass  Se.  königl. 
Hoheit  weiland  Prinz  Carl  von  Lothringen  ebenfalls  seinen  Einzug 
durch  das  Thor  von  Lacken,  denselben  Tag,  denselben  Monat 
und  zur  selben  Stunde  gehalten  habe.'^ 

Namentlich  war  das  Theater  in  Brüssel  in  diesen  Tagen 
der  Schauplatz  rauschender  Ovationen,  in  denen  der  Wechsel 
der  politischen  Stimmung  augenfälligen  Ausdruck  fand.  Wäh- 
rend der  firanzösischen  Zwischenherrschaft  hatten  sich  die  Schau- 
spieler dieses  Theaters  den  Titel:  ,Les  com^diens  belgiques'  bei- 
gelegt. Seit  dem  8.  Januar  1793  hi essen  sie:  ,Comödiens  r^unis 
de  la  räpublique  fran9aise  et  belgique^,  zwei  Tage  darnach :  ,Les 
com^diens  de  la  r^publique  fran9aise  sous  la  direction  de  la 
citoyenne  Montassier,  reunis  aux  com^diens  de  la  r^publique 
belgique^,  nach  jener  berüchtigten  Montassier  —  eigentlich  Mar- 
garite  Brunet  —  die  nach  einem  abenteuerlichen  Leben  und 
anfänglichen  Misserfolgen  an  der  Comedie  fran9aise  die  Leitung 
des  Theaters  zu  Nantes  und  später  anderer  Bühnen  übernahm, 
bis  sie   sich  zuletzt  trotz  der  Ghinst,   die  ihr  Marie  Antoinette 

^  Eine  Abbildnngf  des  Maison  du  Roy  oder  Broodhnjs  bei  Wauters  m,  61. 

*  Metternich  an  Tranttmansdorff.  Bmxelles,  le  28  avril  1793.  Ver^l.  auch 
Qachard,  Analectes  U,  105 — 106;  den  officiellen  Bericht  des  Erzherzogs 
an  den  Kaiser.  Brnxelles,  le  1*'  mai  1793;  Klinkowström,  Le  comte  de 
Fersen  II,  71.  Denkmünze:  V.  Carl.  Lud.  arch.  Austr.  Belg.  praef.  Brust- 
bild im  Kürass  mit  goldenem  Yliess.  R.  Sechszeilig:  Fusis  fugatis.  que  Gallis 
Belgarom  cum  principe  suo  fortuna  redux.  MDCCXCIII.  Lorbeer  und  Palme, 
bei  Ameth,  Katalog  Nr.  469.  Die  Schilderung  bei  Duller  *,  142  beruht  auf 
derSchrtft :  ,Leben  Sr.kOu.  Hoheit  Karl  Ludwig  u.s.f.'  Nürnberg  1801.  S.25ff. 


26  VT.  Abhsndlnng:  t.  Zeissberg. 

erwies^  der  Revolution  mit  leidenschaftlicher  Gluth  in  die  Arme 
warf  und  an  der  Spitze  einer  Schauspielertruppe  im  Gefolge 
der  Armee  nach  Brüssel  kam,  wo  sie  die  damals  in  Paris  be- 
liebten Stücke  aufführen  Hess.  Mit  dem  Einzüge  der  Oester- 
reicher  verschwand  natürlich  ihre  Gestalt  von  der  Bühne.  Die 
Truppe  nannte  sich  jetzt:  ,Com^diens  de  Son  Altesse  Royale/ 
Aber  auch  das  Publicum  war  jetzt  ein  anderes  geworden.  Hatten 
zuvor  die  revolutionären  Stücke  so  elektrisirend  gewirkt,  dass 
ein  Theil  der  Zuschauer  auf  die  Bühne  sprang,  um  die  Carma- 
gnole  zu  tanzen  und  die  Marseillaise  zu  singen,  so  fand  jetzt, 
am  30.  April,  in  Gegenwart  des  Erzherzogs  eine  Vorstellung  des 
,Hommage  de  Bruxelles,  scfene  lyrique  de  De  Beaunoir,  musique 
de  Duquesnoy^  statt,  welche  der  leichtbeweglichen  Menge  zu 
neuen  Huldigungsbezeigungen  Anlass  gab. 

Vermuthhch  ist  es  diese  ,lyrische  Scene*,  von  der  Metter- 
nich  bemerkt,  dass  man  dieselbe  zu  BrtLssel  dreimal  und  jedes- 
mal mit  grösstem  Erfolge  aufgeführt  habe.  ,Ich  bemerke,* 
schliesst  Mettemich,  ,dass  dergleichen  zu  anderen  Zeiten  gleich- 
giltig  wäre,  es  aber  in  diesem  AugenbUcke  nicht  ist,  wo  alle 
Völker  sozusagen  unter  dem  Eindrucke  des  wahnsinnigen  Rau- 
sches stehen,  der  Frankreich  bethört  und  der  grösstentheils  auf 
jene  Gesänge  zurückzufahren  ist,  wie  seine  grossen  Verbrechen 
auf  die  Marseillaise.*^ 

Der  Erzherzog  nahm  derartige  Huldigimgen  mit  einer  Be- 
scheidenheit entgegen,  die  ihm  zu  um  so  grösserer  Zierde  ge- 
reichte, je  leichter  sich  sonst  das  jugendliche  Herz,  besonders 
wenn  sich  damit  der  Glanz  tUrstlicher  Stellung  verbindet^ 
Schmeicheleien  zugänglich  zeigt.  ,Gestern  Nachmittag,*  schreibt 
der  Erzherzog  am  Tage  nach  seiner  Ankunft  in  Brüssel,  wie 
gewöhnlich  das,  was  ihm  an  Ehren  zu  Theil  geworden  war, 
mit  Stillschweigen  übergehend,  ,habe  ich  meinen  Einzug  hier 
gehalten,  und  heute  habe  ich  das  Gouvernement  übernommen. 
Gott  gebe,  dass  Alles  gut  gehe  und  dass  Du  Ursache  habest^ 
mit  mir  zufrieden  zu  sein;  wenigstens  wird  es  gewiss  nicht  an 
gutem  Willen  von  meiner  Seite  fehlen,  und  ich  werde  keine 
Mühe  sparen,  um  Deine  Zufriedenheit  zu  erreichen.** 


*  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  21  avril  1798.  Copie. 

3  Erzherzog^  Carl  an  Kaiser  Franz.  Brüssel,  den  28.  April  1798.  Orig.  eig. 


Belgien  nnter  der  Generalstat thAlterscbaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  27 

Wenn  man  sich  die  Huldigungen  Brüssels  gerne  gefallen 
liess,  ja  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  denselben  sogar 
einen  gewissen  Werth  beilegen  zu  mllssen  glaubte,  so  sah  man 
dagegen  von  ähnlichen  Festen,  wie  sie  sonst  bei  derartigen  An- 
lässen auch  in  den  übrigen  Städten  abgehalten  zu  werden 
pflegten,  ab,  um  den  Bewohnern,  die  durch  die  feindhche  In- 
vasion harte  Einbussen  erlitten  hatten,  die  mit  solchen  Veran- 
staltungen verbundenen  Kosten  zu  ersparen.^  Es  fiel  daher 
Mettemich  nicht  schwer,  die  Stände  von  Brabant  in  diesem 
Falle  gegen  den  Vorwurf*  knauserischer  Sparsamkeit,  die  ihrer 
Opferwilligkeit  ein  schlimmes  Prognostiken  stelle,  in  Schutz  zu 
nehmen,  da  ja  er  selbst  es  gewesen  war,  der  mit  Zustimmung 
des  Erzherzogs  die  Stände  zur  Ersparung  von  50.000  Gulden 
veranlasst  hatte.^ 

m.  Der  Hofhält  Erzherzog  Carls  In  BrOssel. 

Durch  die  Ernennung  des  Erzherzogs  Carl  zum  General- 
statthalter der  österreichischen  Niederlande  wurde  die  Bildung 
eines  neuen  Hofstaates  fUr  denselben  bedingt.  Aus  früherer  Zeit 
gehörten  seiner  Umgebung  vor  Allem  WarnsdorflF  und  Maldeghem 
an.  Auf  Wamsdorff's  Rath  und  mit  Zustimmung  des  Kaisers 
nahm,  da  Wratislaw  damals  eine  Reise  nach  Wien  unternom- 
men hatte,  der  Erzherzog  den  jungen  Hauptmann  Graf  Collo- 
redo  (von  Wenckheim-Infanterie),  Sohn  des  Conferenzministers, 
in  seinen  Dienst.*  Dem  Haushalte  des  Erzherzogs  gehörte  auch 
der  Hauptmann  Delmotte  an,  der  Vertrauensmann  der  Erzher- 
zogin Maria  Christine,  mit  welcher  er  in  eifrigem  Briefwech- 
sel stand. 

Der  Erzherzog  wünschte,  diesen  Kreis  alter  Bekannter 
auch  fernerhin  beibehalten  zu  dürfen,  ,da  es  gar  zu  traurig 
wäre,   wenn  ich  Niemand  um   mich   hätte   oder  Leute   zu  mir 


^  Mettemicli  an  TrauttmansdorflT,  le  23  avril  1793.  Copie. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  3  mai  1793.  Orig. 

'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Braxelles,  le  13  mai  1793.  Entw. 

^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser   Bierbeck,  den  23.  März  1793.   Orig.  eig. 

Derselbe  an  Albert  von  Sachsen-Teschen.  Louvain,  ce  24  mars  1793.  Orig. 

eig.  A.-A.  Franz  ü.  an  Erzherzog  Carl.   Wien,  den  1.  April  1793.  A.-A. 

Orig.  eig. 


28  VI.  Abhandlung:  v.  Zeissberg. 

nehmen  und  mit  Leuten  leben  müsste^  so  ich  nicht  kenne  und 
deren  ich  nicht  sicher  wäre/^ 

Soweit  es  sich  um  den  Haushalt  des  Erzherzogs  handelte, 
fand  sich  auch  der  Kaiser  bereit,  dessen  Wünschen  Rechnung 
zu  tragen.  Was  aber  die  vier  belgischen  HofUmter*  betraf^  so 
musste  nach  altem  Herkommen  bei  deren  Besetzung  auf  die 
eingeborenen  Niederländer  Rücksicht  genommen  werden.  Wams- 
dorflF,  entschied  der  Kaiser,  könne  fortan  nicht  mehr  als  Oberst- 
hofmeister  fungiren,  noch  eine  andere  Hofcharge  bekleiden,  da 
er  kein  Niederländer  und  im  Lande  nicht  beliebt  sei.  ,Du 
wirst,'  fügte  der  Kaiser  scherzend  hinzu,  ,den  Prinzen  von 
Gavre,^  der  es  schon  ist  (nämhch  Grand -mi^tre),  speisen 
müssen/  Als  Grand- marechal  fasste  der  Kaiser  den  Duc  de 
Beaufort-Spontin*  ins  Auge;  bezüglich  des  Amtes  eines  Oberst- 
stallmeisters überliess  er  Carl  die  Wahl  zwischen  Maldeghem 
und  dem  Grafen  d' Arberg:  ,Ersterer  war  immer  bei  Dir;  letz- 
terer ist  nicht  ganz  im  Rufe  der  Heiligkeit.'  Auch  bezüglich 
der  Stelle  eines  Oberstjägermeisters  stellte  er  die  Entscheidung 
Carl  anheim.  ^ 

Dieser  erklärte  sich  einverstanden  mit  der  eventuellen  Er- 
nennung Gavre's  und  Beaufort's.  Dagegen  berührte  es  ihn  nahe, 
dass  sein  bisheriger  Obersthofmeister  Wamsdorff  für  keines  jener 
Hof  ämter  in  Betracht  kommen  sollte.  Er  bat  den  Kaiser,  diesem 
die  Würde  eines  Oberststallmeisters,  die  Maldeghem  zugedacht 
war,  die  aber  nicht  unbedingt  mit  einem  Niederländer  besetzt 


^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Qni^vrecbain,  den  19.  April  1793.  Orig.  eig. 

*  Jenes  des  Grand-maitre,  des  Grand-mardchal,  des  Grand-^uyer  und  des 
Grand -veneur. 

'  Fran^ois  Joseph  Prince  de  Gavre,  Comte  du  S.  E.  R.,  Marquis  d'Aiseau, 
Chevalier  de  Tordre  de  la  Toison  d'or,  Chanibellan,  Conseiller  d^Etat 
intime  actuel ,  Gouverneur  -  capitaine  g^nöral ,  Administrateur  g^n^ral, 
Souverain  -  bailli  de  la  ville  et  comt6  de  Namur,  G^n^ral-migor  au  Ser- 
vice de  S.  M.  TEmpereur  et  Roi. 

*  Fr^döric  Auguste  Alexandre  (Marquis  seit  1782)  Duc  de  Beaufort-SponÜn, 
Comte  de  Beauraing  et  du  St.  Empire  Romaine,  Marquis  de  Florennes, 
Vicomte  d^Esclaye,  Chambellau  actnell  de  S.  M.  (Biogp-aphie  nationale 
sub  b.  V.,  Yio  aber  seine  Ernennung  zum  Grossmarscball  ÜUschlich  in 
das  Jahr  1794  verlegt  ist.) 

^  Franz  U.  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  8.  März  1793.  Orig.  eig. 
A.-A. 


Balgitn  unter  der  GenenUtattbalterseliaft  Erzherxog  Carls  (1708,  1704).  29 

werden  müsse^  zn  verleihen  und  dafür  Maldegheni;  der  ohne- 
dies Grand -veneur  von  Brabant  sei,  zum  Oberstjägermeister 
zu  ernennen.  Sollte  dies  unmöglich  sein,  so  würde  er,  erklärte 
Carl,  immer  noch  Maldeghem  dem  Grafen  d' Arberg  vorziehen 
und  im  Einvernehmen  mit  Mettemich  eine  geeignete  Persönlich- 
keit für  die  Würde  eines  Oberstjägermeisters  in  Vorschlag 
bringen.  In  letzterem  Falle  bat  er  zugleich,  dass  Wamsdorff 
zum  Generalmajor  und  Generaladjutanten  mit  der  Anstellung 
bei  ihm  ernannt  werden  möge. ' 

Der  Kaiser  verlieh  indess  zunächst,  und  zwar  ,um^,  wie 
er  sich  ausdrückte,  ,die  Nation  noch  mehr  zu  obligiren^,  blos 
Maldeghem  die  Würde  eines  Oberststallmeisters,  während  Wams- 
dorff nach  wie  vor  Adjutant  bei  dem  Erzherzog  verbleiben 
soUte.*  Dieser  fühlte  sich  durch  die  getroffene  Entscheidung 
sehr  verletzt;  er  erklärte,  seine  Stelle  niederlegen  zu  wollen. 
Mit  Mühe  hielt  ihn  Erzherzog  Carl  davon  zurück;  neuerdings 
verwendete  sich  dieser  ftlr  ihn  bei  dem  Kaiser,  den  er  bat, 
Maldeghem  zum  Oberstkämmerer  zu  befördern,  Wamsdorff  zum 
Oberststallmeister  zu  ernennen.  ,Solltest  Du,'  bemerkte  er,  ,diesen 
Antrag  genehmigen,  so  würdest  Du  mir  eine  wahre  Gnade  er- 
weisen und  mir  dadurch  einen  alten  Freund  erhalten.  Diese 
sind  unschätzbar,  wie  Du  es  selbst  aus  Erfahrung  weisst.'*  In 
einem  Postscript  hebt  er  die  Verdienste  Wamsdorff's  in  der 
Schlacht  bei  Neerwinden  hervor.*  , Anfangs  war  seine  Idee, 
deswegen  das  Kreuz*  zu  verlangen,  allein  hernach  verhinderte 
ihn  seine  Modestie  daran.' 

Dass  sich  die  Entscheidung  längere  Zeit  verzögerte,  gab 
zu  mancherlei  Gerüchten  und  Intriguen  den  Anlass.  Die  Stände 
suchten  Merode  und  Beaufort  in  den  Hofstaat  des  Erzherzogs 
zu  bringen,  dagegen  standen  ihnen  der  Prinz  von  Gavre  imd 
Maldeghem  nicht  zu  Gesichte.  In  demselben  Sinne  arbeitete 
La  Valette  in  Wien.   Wamsdorff  wieder   suchte,   so  behauptet 


'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Hai,  den  26.  März  1793.  Orig.  eig. 

'  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den April  1793.  A.-A.  In  fran- 
zösischer Uebersetzung  bei  Mortimer-Temaux  VI,  538. 

'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  28.  April  1793.  Orig.  eig. 

*  Siehe  den  Aufsatz:  ,Aldenhofen,  Neerwinden,  LOwen'  (Sitzungsberichte 
Bd.  CXXVU,  70). 

'  Das  Maria  Theresien  -  Ordenskreuz. 


30  VI.   Abhaiidluni; :   v.  Zcissberg. 

wcmigstons  Dolmotte^  durch  den  Minister  und  dessen  Frau, 
sowie  durch  den  jungen  Colloredo,  den  er  ins  Haus  des  Erzher- 
xogH  gebracht  hatte,  den  Wiener  Hof,  namentlich  den  Cabinets- 
minister  sich  günstig  zu  stimmen.  Als  er  vernahm,  dass  die 
SUindo  Duras,  d'Overchies  und  den  Bischof  von  Antwerpen 
nach  Wien  senden  wollten,  machte  er  sich  an  diese,  ja  selbst 
au  La  Valette  und  dessen  Geführten,  den  jungen  Lalaing  und 
Van  Schorell  vor  ihrer  Reise  nach  Wien  heran.* 

Wenn  es  sich  wirklich  so  verhält,  so  hatte  sich  Wams- 
dorflf  wenigstens  in  den  zuletzt  genannten  Personen  gründlich 
goUluscht.  La  Valette  und  Lalaing  arbeiteten  ihm  in  Wien  ent- 
gt'gon.*  Dagegen  war  es  nicht  richtig,  wenn  man  behauptete, 
Mottornich  begünstige  d' Arberg  und  d'Overchies;'  ziemlich  con- 
form  mit  dem  Erzherzog  brachte  er  vielmehr  (javre,  Beaofbit 
und  WarnsdorflP  in  Vorschlag.  Besonders  eifrig  nahm  er  sich 
dos  Lotzten^n  an.  Auf  eine  ausdrückliche  Anfirage  des  Kaisers^ 
erklärte  or.  dass  Wamsdorff's  Ernennung  im  Lande  keinen 
Ublon  Eindruck  machen  und  auf  die  Geschäfte  keinen  nack- 
Uioiligen  Einfluss  nehmen  werde,  während  er  von  Maldegkon 
behauptete«  dass  derselbe  geringes  Ansehen  im  Lande  geniease 
und  zurückzutreten  gedenke.  Bei  dieser  Gel^enheit  brmdile 
MotUTuich  die  Ein(\lhrung  von  Hofconferenzen  in  Vorschlag, 
in  denen  joder  Chef  über  die  Angelegenheiten  seines  Departe- 
ments Borathungon  pflegen  und  deren  Protokolle  dem  Eniker- 
s\^^  zur  Entscheidung  vor^^^legt  werden  sollten,  um  Ordnoap 
und  iVkononiio  in  den  Hotlialt  zu  bringen.* 

IWh  der  Kaiser  wies  diesen  Vorschlag  zurück  und  ncser- 
saglo  OS  überhaupt  den  Departements,  sich  in  die  hinsBclMm 
Attg^logvnhoitou  seines  Bruders  zu  mengen.^  Andererseis  Ees 
er  sich  aber  auch  nicht  durch  die  Wünsche  der  üim  sa  ach 
wenig  svmjvithischen  Stände  von  Brabant  beim^n^  iiid<m  er 
v:}«.  Juui^  den  IMnzen  von  Gavre  zum  Grand-maitre«   der 


Belgien  unter  der  GenerftUtatthaUcn^cliaft  Erzherzog  Carls  (17US,  1794).  31 

gleich  die  Dienste  eines  Grand- chambellan  leistete,  den  Herzog 
von  Beaufort  zum  Qrand-mar^chal  ernannte/  einige  Zeit  dar- 
nach aber  die  Würde  eines  Grossstallmeisters  Wamsdorff,*  die 
eines  Oberstjägermeisters  Maldeghem  verlieh. 

Damit  war  der  Hofhalt  des  Erzherzogs  im  Wesentlichen 
gebildet.  Den  bisherigen  Grand-maitre  de  cuisine,  den  Comte 
de  Lalaing^  Vicomte  d'Oudenarde,  behielt  der  Erzherzog  bei, 
ebenso  die  Capitäne  der  beiden  Leibgarden,  jenen  der  Archers 
den  Grafen  von  Woestenraedt  und  jene  der  Hallebardiers 
Gomignies  und  Baron  CoUns  de  Ham.' 

Es  geschah  nun  aber,  was  Mettemich  vorausgesagt  hatte. 
Hatte  firUher  Wamsdorff  den  Beleidigten  gespielt,  so  fühlte  sich 
jetzt  Maldeghem  tief  verletzt,  und  dies  mit  viel  grösserem 
Rechte,  da  ihm  bereits  die  Würde  eines  Oberststallmeisters  zu- 
gedacht war  und  er  sich  jetzt  mit  dem  der  Reihe  nach  vierten 
Hofamte,  eines  Oberstjägermeisters,  begnügen  sollte.  Mochte  man 
auch  vielleicht  zu  Gunsten  dieser  Verftlgung  geltend  machen, 
dass  er  bereits  die  ähhUche  Würde  eines  Grand -veneur  von 
Brabant  bekleide,  so  lehnte  er  doch  die  ihm  zugedachte  Hof- 
würde (19.  JuU)  ab  und  bat  auch  um  seine  Enthebung  von  der 
Stelle  eines  Grand -veneur  von  Brabant.  Er  verreiste  auf  einige 
Zeit  nach  Flandern  und  hielt  sich  fortan  vom  Hofe  ferne,  zum 
grossen  Leidwesen  Delmotte's,  der  hierin  nichts  als  eine  Intrigue 
des  ,Dicken^  (d.  i.  Wamsdorff)  erblickte.  ,Mich  und  den  Kleinen 
(d.  i.  Wratislaw)^,  schreibt  er  an  die  Erzherzogin  Maria  Christine, 
,hat  dies  sehr  betrübt;  er  war  ein  anständiger  Mensch.'* 

Am  19.  August  wurden  der  Prinz  von  Gavre,  der  Herzog 
von  Beaufort  und  Baron  Wamsdorff  zum  Erzherzog  beschieden. 


^  Ebenda.  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bnixelles,  le  10  juillet  1793.  Orig. 
A..A. 

'  Im  Calendrier  de  la  conr  von  1794  wird  dieser  auch  als  ,aide-de-camp 
g^n^ral  an  senrice  de  S.  M.  rEmpereor  et  Roi*  bezeichnet.  Uebrigens 
ist  der  Calendrier  von  1794  (vergl.  Mettemich  an  Trauttmansdorff. 
Bruzelles,  le  8  fävrier  1794)  auch  sonst  im  Einzelnen  unzuverlässig.  8o 
werden  S.  164  Erzherzog  Carl  und  Marie  Louise  als  Kinder  Kaiser 
Franz  n.  aufgeführt. 

'  Vergl.  Guillaume,  Histoire  des  r^iments  nationaux  des  Pays-Bas  400 — 402. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  24  juillet  1793.  Copie.  Del- 
motte an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert  Bruxelles,  le  19  juillet,  le 
16  aoüt,  le  27  d^cembre  1793.  A.-A.  Orig.  eig. 


32  VI.  Abbandlnng:  t.  Zeissberg. 

und  es  fand  deren  Prociamation  statt;  am  nächsten  Mittwoch  er- 
folgte in  Beisein  des  Staats-  und  Kriegssecretftrs  die  Eides- 
leistung.* Bei  dieser  Gelegenheit  kam  auch  eine  Vereinbarung 
über  das  frühere  Hofpersonale  zustande,  das  einst  von  dem 
Prinzen  Carl  von  Lothringen  auf  die  Erzherzogin  Maria  Christine 
übergegangen  war.  Bisher  hatte  die  Letztere  die  Pensionen  dieser 
Hofleute  (20.000  Gidden)  bezahlt.  Jetzt  wurde  sie  natürlich  von 
dieser  Verpflichtung  entbunden  und  die  Bezahlung  von  den 
belgischen  Finanzen  übernommen.  Um  aber  auch  diese  wo- 
möglich zu  entlasten,  fand  sich  der  Erzherzog  bereit,  die  irgend- 
wie taughchen  Personen  in  seinen  Hofstaat  aufzunehmen. '  Doch 
ging  man  hierin  wie  in  allen  Dingen  mit  grosser  Sparsamkeit 
zu  Werke;  man  beschränkte  das  Hofpersonale  auf  das  Noth- 
wendigste;  auch  sollte  die  Compagnie  de  Thötel  allmäÜg  von 
300  Mann  auf  die  Hälfte  reducirt  werden. '  Denn  die  jährliche 
Revenue  des  (jcneralgouvemeurs  belief  sich  zwar  auf  385.000 
Gulden;  aber  es  verging  längere  Zeit,  bis  diese  Summen,  die 
erst  von  den  Ständen  bewilligt  werden  inussten,  flüssig  gemacht 
werden  konnten.  Vorerst  half  der  Kaiser  mit  VorschfLssen  am 
dem  TWsor  royal  aus. 

Kaiser  Josef  H.  hatte  einstens  gegen  Uebemahme  jener 
Pensionen  dem  Statthalterpaar  die  beiden  aus  der  Hinteriasseih 
Schaft  des  Prinzen  Carl  von  Lothringen  stammenden  Schldes^ 
Marimont  (^im  Hennegau)  ^  und  Tervueren  zum  Nutzgenosse 
überlassen.  Jetzt  hätten  dieselben  an  den  Tresor  royal  zorüct 
fallen   sollen.    Doch   beantragte  Mettemich,   ausser   dem  Palais 


*  Delmotte  jld  Maria  Chri5tine  nnd  Henop  An>erL  BnixeUc«.  ce  19  aoit 
1793.  Ori^.  A.-A.  Enhenop  Cjirl  an  den  Kaiser.  Brosiel.  den  21.  Angvii 
1793.  Ori|r.  eip. 

'  Mettemich  an  Tranttmanfdorff.  BnueH«»«  le  11  join  1793.  Copie.  En- 
heixop  Carl  an  den  Kaüer.  Brü»«!.  dem  10.  Jnni  1793.  Ori|r.  cogr.  TVantt- 
manMorff  an  Men^mich.  Vienne«  le  ^  jnin  1793.  Oriir.  Enkeraofr  Cari 
an  den  Kaijier.  BriiMel.  den  tU  Aurast  nnd  3.  September  1793.  Orif. 
es|r.  Frans  IL  an  Enbenc^  Caii.  Laxenbm^.  den  24.  Aniroj«  1793.  Orif. 
eif.  A.-A. 

*  Moneniich  an  TTaT:ninAr.s«^orff.  Brr*xelle*.  le  7  jnillet  1793.  Entw. 

*  l'ebrr  den  einsnrvTi  Znftanxl  t^mi  MariTOvni  renrl-  Le^enne,  Le  pajv  et 
le»  iardin»  de  la  maÜK>n  de  plaisance  de  Marimc'iit  sons  le«  airliidnci 
Albert  et  Iftabelle.  159$ — 1650.  In  drn  Annale»  du  c««r)e  aKhÄOc^qne 
de  MiMW^  t  XVI,  534  ff. 


B(Plfien  unter  der  GenerBlstmtthalterschafl  Erzherzog  Curls  (1798,  1794).  33 

royal  in  Brüssel  aach  jene  beiden  Schlösser^  deren  Besitz  dem- 
selben besonders  wegen  der  damit  verbundenen  herrlichen  Jagd- 
reviere manche  Annehmlichkeiten  bereiten  mochte,  dem  Erz- 
herzog unter  derselben  Bedingung  wie  seinen  Vorgängern, 
nämlich  gegen  die  Verpflichtung,  fUr  deren  Erhaltung  Sorge 
zutragen,  einzuräumen.^  Der  Kaiser  genehmigte  diesen  Antrag; 
nur  sollte  Tervueren  vorläufig  in  seinem  Stande  verbleiben  und 
dessen  beabsichtigter  Umbau  in  ein  Jagdschloss  auf  günstigere 
Zeiten  verschoben  werden.*  Zur  Uebernahme  des  Palais  royal 
und  der  genannten  Schlösser  wurde  von  dem  Erzherzog  Warns- 
dorff  ermächtigt.'  Am  3.  Januar  1794  fand  die  Uebergabe  des 
Palais  royal,  am  23.  Januar  jene  des  Schlosses  Tervueren,  am 
27.  Januar  jene  des  Schlosses  Marimont  statt.  ^ 

Der  Erzherzog  übernahm  diese  Besitzungen  im  traurigsten 
Zustande,  namentlich  galt  dies  von  Tervueren,  wo  das  Schloss 
während  der  Unruhen  von  1790  aller  Eisen-  und  Bleibestand- 
theile  beraubt  worden  war,  und  wo  es  im  Parke,  der  noch  die 
deutlichen  Spuren  der  Verwüstung  an  sich  trug,  kein  Wild 
mehr  gab,  da  man  die  Umzäunungen  gegen  den  Sonierwald 
hin  niedergerissen  hatte.^  Aber  auch  das  Palais  royal  hatten  die 
Franzosen  vollständig  ausgeplündert.  Die  Conventscommissäre 
hatten  Alles  verkauft.  Kein  Tisch,  kein  Sessel,  kein  Spiegel  war 
vorhanden.  Die  kostbaren  Bronzen,  der  Kamin,  der  Thron  im 
Audienzsaale  waren  gestohlen  und  verschleppt  worden,  sogar 
die  Tapeten  hatte  man  von  den  Wänden  gerissen  und  die 
Fensterscheiben   zertrümmert.    Die    einst   von    den    dankbaren 


^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  11  juin  1793.  Copie.  Erz- 
herzog Carl  an  den  Kaiser,  den  10.  Juni  1793.  Orig.  eig.  Mettemich  an 
Tranttmansdorff.  Bmxelles,  le  17  aoüt  1793.  Entw. 

'  Tranttmansdorff  an  Mettemich,  31  aoüt,  13  septembre  1794.  Orig. 

*  Delmotte  an  Müller,  le  28  novembre  1793.  Orig.  eig.  A.-A.  Die  Voll- 
macht datirt  vom  20.  December  1793. 

*  Beeogne  et  Proc^  verbal  de  Textradition  du  Palais  de  Bruxelles,  ainsi 
que  des  chftteaux  Marimont  et  de  Tervueren  avec  leurs  d^pendances, 
meubles  et  effets  k  S.  A.  R.  Tarchiduc  Charles  Louis  d' Antriebe,  gouver- 
nenr-g^n^ral  des  Pays-Bas  Autrichiens.  A.-A.  Datirt  ist  dieser  für  die 
damalige  innere  Einrichtung  des  Palais  royal,  sowie  der  beiden  Schlösser 
sehr  instructive  Notariatsact  vom  22.  Februar  1794. 

*  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bmxelles,  le  6  septembre  1793.  Orig. 
eig.  A.-A. 

Sitnngsber.  d.  pbil.-hist.  Cl.  CXXVm.  Bd.  6.  Abh.  3 


34  YI-  Abhundinng:  v.  Zeisaberg. 

Belgiern  errichtete  Statue  des  Prinzen  Carl  von  Lothringen  hatte 
man  umgestürzt^  und  den  schönen  ^Parc^  hatten  die  französischen 
OfHcicre  als  Man^e  für  ihre  Pferde  benutzt.^  Anfangs  fehlte 
es  an  Allem:  an  Möbeln,  Silbergeschirr  und  Pferden.  Das 
Te  Deum  anlässlich  der  Geburt  des  Kronprinzen  (Ferdinand) 
konnte  nicht,  wie  es  sonst  üblich  war,  zu  St.  Gudula  abgehalten 
werden,  da  es  dem  Erzherzog  an  den  zu  einem  derartigen  Auf- 
zuge erforderlichen  Gala  wagen  und  Galapferden  fehlte;  die 
kirchhche  Feier  fand  daher  in  der  Hofkapelle  statt,  wo  der 
Nuntius  das  Te  Deum  anstimmte.  ^  Aus  demselben  Grunde  nahm 
der  Erzherzog,  der  überdies  damals  unwohl  war,  auch  nicht  an 
der  sonst  so  prunkvollen  Frohnleichnamsprocession  theil.'  ,Wir 
sind,'  schreibt  Delmotte  an  die  Erzherzogin  am  12.  Juni,  ,80 
wie  wir  ins  Feld  gezogen  sind,  im  Gegentheil  noch  schlimmer 
als  damals  besteUt.  Se.  königl.  Hoheit  speist  noch  mit  eisernen 
Gabeln,  da  er  kein  Silbergeräth  hat.'^  Am  19.  kam  der  Mar- 
stall  aus  Wien;  Wratislaw  war  es,  der  die  Pferde  filr  den  Era- 
herzog  zuritt.^  Noch  anfangs  Juli  heisst  es:  ,Wir  sind  nun  zwei 
Monate  hier  und  noch  konnte  Niemand  zu  Tisch  geladen  werden^ 
denn  wir  haben  nicht  einen  SilberlöfPel,  wir  sind,  so  wie  wir 
im  Feld  gewesen.** 

Da  sonach  das  Palais  roval  erst  wieder  eingerichtet  werden 
musste«  so  nahm  der  Erzherzog  hier  blos  tagsüber  sein  ,Ab6teig- 
quartier*  und  liielt  sieh  vorläufig  meist  in  Lacken  (Schoenen- 
borgh")  auf,  das  Privateigenthum  des  Herzogs  Albert  war,  von 
diesem  jedoch  ihm  zur  Verfügung  gestellt  wurde.* 

*  Henne  und  Wauter».  1.  o.  III,  339. 

*  Menemieh  an  Trauttniaustlorff.  BruxeUe«.  le  7  nuü  1793. 

'  Delmotte  an  Maria  Christine,  Schoenenberiph,  le  29  mai  a  8  bearm  da 

skur  J793\  Orig.  A.-A. 
^  Delmotte  an   Maria  Christine  und  Herzog^  Albert.  BmxelleB»  ce  13  jmn 

1793,  i>riy.  A.-A. 

*  Derselbe  an  dieiselben.  Srhoenenber^h,  le  22  jnin  1703.  Der  boUiadifcke 
General  Warteusleben.  der  sich  mehrere  Jahre  in  Brfisvel  aii%elialieB 
hatte«  sandte  damals  dem  Enheraog  ein  kleine«  türkische  Pieni  xn,  tär 
das  ihm  I2i^  Lui»d\^r  anp^U^ten  freweä^^en  sein  sollten.  Delmotse  aa  dcr 
snb  6  citirten  Su»Ue. 

*  Delmotte  an  Albert  und  Maria  Christine.  Schoenenbereh,  le  1*',  2«.  3  jvillcC 
I7i^3-  OriiT. 

Enhersv"^  Carl  an  Mener.üoh    s.  d.  A. -A. 

*  Hort. VC  .Vibor:  aa  Erihen-TC  Carl    Dpt>»:e,  oo  2«   t::ai  17*3. 


B«lfi«D  anter  der  Oenrralst  itthalterficbaft  Erzherzog  Carls  (17»8,  1791).  85 

In  die  Kosten  der  Wiederherstellung  des  Palais  royal 
theilten  sich  der  Kaiser  und  der  Erzherzog.^  Es  gelang,  eine 
Anzahl  von  Möbeln  des  Palastes  um  denselben  Preis  zurück- 
zukaufen, um  den  sie  von  den  Franzosen  veräussert  worden 
waren.  Die  Kosten  des  Ameublements  überhaupt,  28.000  Gulden, 
trug  der  Kaiser  allein.  ^  Da  es  dem  Erzherzog  an  einer  silbernen 
VaisseUe  gebrach,  eine  solche  aber  unter  80.000  Gulden  nicht 
zu  beschaffen  war,  bat  er  den  Kaiser,  ihm  gelegentlich  einen 
Service  von  Wiener  Porzellan  zu  schicken.*  Wie  es  scheint, 
willfahrte  der  Kaiser  der  Bitte  und  versorgte  den  KeUer  des 
Erzherzogs  auch  mit  Tokayer,  der  in  Brüssel  nicht  zu  be- 
kommen war.* 

Die  WiederhersteUungsarbeiten  an  dem  Palais  gingen  je- 
doch anfangs  äusserst  langsam  von  statten.^  Erst  die  vertrau- 
liche Mittheilung  des  Kaisers,  dass  er  im  November  nach  Bel- 
gien zu  kommen  gedenke,  gab  den  Arbeiten  einen  kräftigen 
Impuls,^  so  dass  der  Erzherzog  am  1.  November  seine  Appar- 
tements zum  ersten  Male  eröffnen  konnte.  ,Das  Palais,^  meldete 
Mettemich,  ,ist  wieder  hergestellt,  in  anständiger,  wenn  auch  be- 
scheidener Weise.  Am  4.,  d.  i.  am  Namenstag  des  Prinzen, 
wird  Gala  sein,  Morgens  Cercle,  Abends  Appartement.  Man  wird 
in  Trauer  erscheinen.  Der  folgende  Tag  (5.)  ist  zur  Wieder- 
aufiichtung  der  Statue  des  Prinzen  Carl  bestimmt.^  ^ 

Der  Erzherzog  brachte  den  Winter  in  Brüssel  zu.  Nur 
fanden  wöchentlich  zwei-  oder  dreimal  Fuchsjagden  in  dem 
kleinen  Parke  von  Tervueren  statt.  Der  Oberst  Brady,  ein 
passionirter   Jäger,    der   Marquis    de    Gavre,    Traizignies    und 


^  Erzherzog  Carl  au  den  Kaiser.  Brüssel,  den  21.  August  und  den  3.  Sep- 
tember 1793.  Orig.  eig. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  24  jnillet  1793. 
'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  3.  September  1793.  Orig.  eig. 

^  ESrzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  26.  September  1793.  Copie. 
A.-A.  Franz  II.  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  11.  October  1793.  Orig. 
eig.  A.-A. 

*  Delmotte*8  Briefe  an  Maria  Christine  vom  22.  Juli,  16.  Angfust,  8.  und 
10.  September  1793.  A.-A. 

*  Delmotte  an  dieselbe.  Bruxelles,  le  10  octobre  1793.  Orig.  A.-A.  Franz  II. 
an  Erzherzog  Carl.  Laxenbnrg,  den  22.  September  1793.  Orig.  A.-A. 

'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  1*'  novembre   1793.  Copie. 

3* 


36  VI.  Abtaandlung:   t.  Zeissberg. 

D'OcttiDghem  waren  die  gewöhDlichen  Jagdgefkhrten  des  Prinzen, 
der  sich  auf  diese  Art,  sowie  durch  längere  Spazierritte  körper- 
lich zu  stählen  suchte.^ 

Auch  trat  jetzt  der  Erzherzog  im  gesellschaftlichen  Leben 
häufiger  hervor.  Zwischen  Mens,  dem  Winterquartiere  Coburg'«, 
und  der  Hauptstadt  Brüssel  herrschte  ein  reger  Verkehr.  Gäste 
reisten  ab  und  zu,  denn  Coburg  pflegte  grosse  Tafel  zu  halten, 
und  die  Besuche,  die  er  gelegentlich  von  dem  Erzherzog  (Ende 
Docember),  dem  Herzog  von  York  und  dem  Ek'bprinzen  von 
Uranien  erhielt,  gaben  zu  Bällen  und  Festen  Anlass,*  die,  wenn 
hinwiederum  Coburg  und  seine  Gäste  nach  Brüssel  kamen,  von 
dem  Erzherzog  und  dem  Minister  erwiedert  wurden.  Besonders 
im  Februar  1794  herrschte  in  Brüssel  ein  lebhaftes  Faschings- 
trciben.  Coburg  und  York,  der  englische  Prinz  Adolf  und  der 
Erbprinz  von  Oranien  kamen  wiederholt  nach  Brüssel  Am 
1.  März  trafen  die  Prinzessin-Mutter  von  Oranien,  der  Erb- 
prinz von  Oranien  sammt  Gemahlin,  sowie  der  Erbprinz  von 
Braunschweig,  ebenfalls  mit  seiner  Frau,  ein.'  Der  E^henog 
gab  zu  Ehren  seiner  Gäste  grosse  Cercles,  der  Minister  ver 
anstaltete  Bälle   und  der  sonst  so  ernste  Mercy  Maskeraden.^ 

Besonderer  Glanz  wurde  bei  diesen  Anlässen  fireilich  nicht 
entfaltet,  wie  denn  unter  Anderem  die  von  Coburg  veranstalte- 
ten Gelage  neben  der  Unterhaltung  der  jugendlichen  Heer- 
ftlhrer  den  Zweck  verfolgten,  die  Stimmung  der  Trappen  za 
heben.  Sonst  floss  das  Leben  des  Erzherzogs  ziemlich  ein&ch 
und  gleichmässig  dahin.  Es  war  dies  umsomehr  der  Fall,  ab 
auch  die  Physiognomie  der  Stadt  Brüssel  den  Wechsel  der 
Zeiten  nicht  verkennen  Hess.  Selbst  der  einst  so  lärmende 
Haufe  der  Emigranten  war  stiller  geworden,  seitdem  Marquis 
Caraman  seine  Diners  nicht  mehr  bezahlen  konnte  und  die 
Prinzessin  von  Montmorency  dem  Prinzen  von  Ligne  gestehen 
musste,  dass  sie  nur  12  Louis  in  ihrem  Vermögen  besitze  und 
sich  einem  Modehämllor  der  Stadt  zu  Nachtarbeit  vei 


^  Delmotte  an  Maria  ChristiDe,  le  tl  dec^mbre  ^lidS"^.  Oiip.  cig-.  A.-A. 

'  Mettemicli  an  Trauttmausdorfr.    BnueUets«  le  1*^  aiax«,  le  4  man  IT 

Ori^. 
•  Witzleben  Orig.  A.-A. 


Belgien  vnter  der  Qenonktatthaltorscbaft  Frzberzog  Csrls  (179S,  17M).  37 

wolle,  und  so  manches  von  den  Ahnen  ererbte  Kleinod  in  den 
Sfont  de  piet^  von  Brüssel  wanderte.* 

Nur  das  CeremonieU  des  Hofes  und  das  diplomatische 
Corps  erinnerten  noch  an  die  glänzendere  Vergangenheit.  Seit- 
dem sich  Belgien  in  österreichischem  Besitze  befand,  war  es 
das  erste  Mal,  dass  ein  Erzherzog  als  Generalstatthalter  an  die 
Spitze  der  Niederlande  trat.  Es  ergaben  sich  daraus  verschie- 
dene Fragen  der  Etiquette,  in  Bezug  auf  die  sich  Mettemich 
Weisungen  erbat.*  Von  Wien  aus  wurde  auf* die  am  Hofe  des 
Erzherzogs  Ferdinand  zu  Mailand  übUchen  Formen  verwiesen;* 
doch  konnte  Mettemich  flLgUch  geltend  machen,  dass  die  Stellung 
des  Generalstatthalters  der  Niederlande  jener  des  Statthalters 
der  Lombardei  nicht  vollständig  analog  sei,  dass  jener  gewisse 
£3irenrechte  geniesse,  die  diesem  nicht  zukämen,  insbesondere 
dass  am  BrUsseler  Hofe  verschiedene  Gesandte,  ja  sogar  ein 
päpstlicher  Nuntius  accreditirt  sei.*  Den  päpstUchen  Stuhl  ver- 
trat in  Brüssel  (seit  Februar  1793*)  der  Nuntius  Conte  Cesare 
de  Brancadoro,*  der  sich  indess  in  der  Folge,  wenn  auch 
nicht  bei  Mettemich,  so  doch  bei  der  Wiener  Regierung,^  wie 
zuvor  bei  Maria  Christine®  durch  seine  Hinneigung  zu  den 
Ständen  discreditirte.  Auch  die  übrigen  Gesandten,  die  mit  der 
Osterreichischen  Armee  das  Land  verlassen  hatten,  kehrten  jetzt 
nach  Brüssel  zurück;  so  Lord  Elgin,  der  schon  im  letzten  Jahre 
die  Functionen  eines  ,bevollmächtigten  Ministers  und  ausser- 
ordentlichen Gesandten'  des  Königs  von  England  bekleidet  hatte 
und  im  August  1793  dem  Erzherzoge  seine  neuen  Creditive 
überreichte,*  durch  sein  intrigantes  Wesen  aber  bald  Anstoss 
erregte.    Auch  der  G^nerallieutenant  Graf  Tauentzien,   der  bis 


^  Briefwechsel  des  Grafen  MontvaUat.    Erinnerangen  an  die  französische 
Emigration  von  1792—1797.  Herausg.  von  W.  M.  Zürich  1868.    8.  146. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  29  janyier  1794.  Orig. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  11  f^vrier  1794.  Ong. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  23  f^vrier  1794.  Orig. 

*  Ph.  Cobenzl  an  Mettemich.  Yienne,  le  13  fSvrier  1793. 

*  Im  Calendrier  de  la  cour  von  1794:  Brauerdoro. 

*  Thugnt  an  Colloredo,  le  22  juillet   1796;    Vivenot,  Vertrauliche  Briefe 
I,  246. 

■  Maria  Christine  an  den  Kurfürsten  von  COln,    ce  22   aoüt  1796.    Orig. 
eig.  A.-A. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  6  aoüt  1793. 


38  VI.  Abhandlung:  v.  Zeissberg. 

(laLiu  prcussischer  jVlilitärbevollmächtigtcr  bei  der  Armee  Cobarg's 
gewesen  und  dem  später  eine  so  glänzende  militärische  Lauf- 
bahn besehieden  war,  wurde  als  preussischer  Gesandter  zu 
Brüssel  beglaubigt,  indess  bereits  zu  Anfang  1794  wieder  ab- 
berufen und  durch  den  Grafen  Dönhoff,  Rittmeister  und  Flügel- 
adjutanten des  Königs,  ersetzt,  der  bisher  Gesandter  bei  der  Eid- 
genossenschaft gewesen  war  und  in  Brüssel  nun  gleich  seinem 
Vorgänger  zugleich  als  MiUtärbevollmächtigter  fungirte.  Als  sol- 
cher fand  er  bei  dem  damahgen  Chef  des  General-Quartier- 
meisterstabes,  Mack,  freundliches  Entgegenkommen;  die  bitte- 
ren Klagen  über  die  Abgeschlossenheit,  zu  der  man  ihn  zwinge, 
stammen  erst  aus  späterer  Zeit.^  Bevollmächtigter  Minister 
HoUands  war  Baron  de  Hop,  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz 
vertrat  Graf  Vieregg,  den  Maltheserorden  der  Bailli  Chevalier 
Texien  d'Hautefeuille,  den  Fürstbischof  von  Lttttich  dessen 
Geheimrath  und  Geschäf^träger  Dotrenge. 

In  der  Besetzung  der  grossen  Hofkmter  trat  unter  der 
kurzen  Statthalterschaf);  des  Erzherzogs  Carl  keine  Aenderung 
mehr  ein.  Die  Stelle  eines  Grand-veneur  bUeb  auch  weiterhin 
unbesetzt.  Als  sich  das  Gerücht  verbreitete,  der  Herzog  von 
Beaufort  wolle  sich  bewerben,  dass  ihm  ausser  seiner  Würde 
eines  Hofmarschalls  auch  die  Functionen  eines  Oberstkämmerers 
übertragen  würden,  die  seit  den  Tagen  des  Prinzen  Carl  von 
Lothringen  der  Prinz  von  Gavre  versehen  hatte,  sprach  sich 
der  Erzherzog  gegen  die  Berücksichtigung  eines  derartigen  An- 
suchens entschieden  aus,  nicht  nur,  weil  Gavre,  der  ,alte,  ehr- 
Uche,  brave  Mann'  es  als  ein  Zeichen  unverdienter  Ungnade 
betrachten  müsse,  wenn  man  ihn  einer  Stellung  entkleiden 
wolle,  die  er  seit  langer  Zeit  in  zufriedenstellender  Weise  aus- 
geflült  habe,  sondern  auch,  weil  bereits  die  Ernennung  Bean- 
fort's  zum  Grossmarschall  in  Anbetracht  seines  höchst  anstössi- 
gen  Benehmens  während  der  Revolution  unangenehmes  Ao&ehen 
gemacht  habe  und  weil,  falb  man  ihm  auch  die  Functionen 
eines  Obristkämmerers  übertrage,  zu  besorgen  stehe,  dass  es 
zwischen  ihm  und  den  Kammerherren,  besonders  den  WaUonen- 
OfHeieren,   die  Hitzköpfe  und  Zeugen  seines  unwürdigen  Ver- 


^  Mettemieh  an  Tntuttmaiisdorff.  Broxelles,  le  27  janvier  1794.  Witaleben 
a.  a.  O.  n,  36. 


Belfi«!  unter  der  GeneralitftttliaUorRcliaft  Erzherzog  Carls  (1799,  1794).  39 

haltens  gewesen  seien,  zu  peinlichen  Scenen  kommen  könnte.^ 
Doch  erwies  sich  das  Ganze  als  leeres  Gerede.  ,Was  Deine 
Hofchargen  anbelangt/  schrieb  der  Kaiser,  ,so  habe  ich  nie  an 
eine  Aenderung  gedacht,  ohne  darüber  eher  Dich  zu  ver- 
nehmen/ * 

Traten  die  Hofwtirdenträger  nur  bei  feierlichen  Anlässen 
hervor,  so  wurde  das  häusliche  Leben  des  Erzherzogs  durch 
seine  nächste  Umgebung  bestimmt.  Es  waren  noch  immer  die- 
selben Männer,  die  schon  zuvor  in  seinen  Diensten  gestanden 
hatten.  Leider  herrschte  unter  denselben  nicht  jene  Eintracht, 
die  allein  geeignet  gewesen  wäre,  dem  jungen,  vereinsamten 
Erzherzoge  wenigstens  einigen  Ersatz  für  den  gänzlichen  Mangel 
eines  FamiUenlebens  zu  bieten.  Namentlich  war  es  Wamsdorff, 
dessen  Ehrgeiz  und  Unverträglichkeit  bereits  Maldeghem  seine 
Stellung  verleidet  hatte  und  nun  auch  den  übrigen  Herren  lästig 
fiel.  Delmotte,  auf  dem  fast  ausschliesslich  die  Last  der  Geschäfte 
ruhte,'  sehnte  sich  aus  dieser  Stellimg  heraus;  er  war  entschlos- 
sen, wenn  sich  die  Verhältnisse  nicht  bald  ändern  würden,  zu 
seinem  Regimente  zurückzukehren.*  Auch  Wratislaw  wollte  nicht 
länger  bleiben,  trotz  aller  Vorstellungen  des  Erzherzogs,  der 
ihn  umsomehr  schätzte,  als  er  sich  bei  Aldenhofen  hervorge- 
than  hatte.  ^ 

Der  Erzherzog  zeigte  sich  stets  gleich  gütig  gegen  seine 
Umgebung;  er  schien  nichts  zu  merken  von  dem,  was  um  ihn 
vorging.  Mit  Besorgniss  glaubte  Delmotte  wahrzunehmen,  dass 
er  sich  von  Wamsdorff  leiten  lasse;  er  befürchtete,  dass  der 
Einfluss  des  harten,  jähzornigen  Mannes  den  Erzherzog  selbst 
um  die  Neigung  des  Landes  bringen  werde.  ^  Aber  wir  werden 
wohl  nicht  irregehen,  wenn  wir  den  Grund  seiner  Nachsicht 
in  diesem  Falle  nicht  blos  auf  die  Macht  der  Gewohnheit  imd 
auf  allzugrosse   Nachgiebigkeit,    sondern    auf   die   Rücksichten 


>  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  21.  December  1793.  Orig.  eig. 
'  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  11.  Jänner  1794.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert,    s.  d.  Orig.   eig.  A.-A. 

*  Derselbe  an  dieselben,  le  l•^  2«,  3  juillet  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Kolduc,  den  2.  Martii  1793.  Orig.  eig. 
Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert  Bruxelles,  le  16  aoüt 
1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Delmotte  an  dieselben,  le  1«',  2«,  3  juillet  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


40  VI.  Abhandlnni^:  t.  Zeitsberg. 

zui*llckilllu*eu^  welche  derselbe  einem  Maune  tragen  zu  sollen 
glaubte^  dem  er  nicht  nur  als  einstigem  Erzieher  zu  Dank  ve^ 
pflichtet  war,  sondern  der  sich  erst  jüngst  im  Felde  in  einer 
Weise  hervorgethan  hatte,  die  ihm  in  der  Folge  (1794)  das 
Maria  Theresienkreuz  eintrug. 

Man  fUldte  sich  übrigens  erst  etwas  behaglich,  als  Wams- 
dorfF  sich  in  einem  anderen  Hause  einlogirte.  Namentlich  galt 
dies  von  Delmotte,  der  nun  nicht  mehr  zu  Airchten  brauchte, 
spät  Abends  von  diesem  auf  seiner  vertraulichen  Correspondenz 
mit  der  Erzherzogin  ertappt  zu  werden.  ,Wir  sind  jetzt  häufiger 
allein  mit  unserem  guten  Herrn  und  können  tmgenirt  mit  ihm 
sprechen.  Wamsdoff  kommt  Meißens  vor  der  Messe,  dann  zur 
Zeit,  da  der  Erzherzog  ausreitet,  was  täglich  der  Fall  und  sehr 
nothwendig  fUr  seine  Gesundheit  ist,  und  zwar  Montag,  Mittwoch 
und  Freitag  wegen  der  Audienzen  von  11 — 1^',  ühr,  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  von  9 — 11  Uhr,  um  sodann  zur  Con- 
ferenz  zurück  zu  sein.  Nach  dieser  Promenade  kehrt  der  Baron 
nach  Hause  zurück  oder  begibt  sich  zu  Mettemich,  sein  Lieb- 
lingshaus, und  wir  sehen  ihn  erst  beim  Diner  wieder,  worauf 
er  bis  zur  Theaterstunde  bei  uns  bleibt.  Manchmal  geht  er  ins 
Theater.  Doch  geschieht  dies  nicht  regelmässig.  Nach  dem 
Theater  wünscht  er  ims  an  der  Treppe  ,6ute  Nacht'  und  ent- 
fernt sich.  Er  ist  jetzt  weniger  herrisch  tmd  ftngt  an  zu  merken, 
dass  sein  Herr  Oberwasser  gewinnt.  Freilich  wohl  nicht  genug.' ^ 
Erfreulich  war  es,  dass  sich  auch  der  junge  CoUoredo  im  All- 
gemeinen an  Wratislaw  und  Delmotte  anschloss.  Letzterer  konnte 
nicht  umhin,  ihn  als  einen,  wenn  auch  vielleicht  beschränkten, 
so  doch  gutmüthigen  tmd  höchst  anständigen  jungen  Mann  n 
bezeichnen.* 

Hatten  sich  so  die  Verhältnisse  im  Hanse  des  Erzhenogs 
fUr  den  AugenbUck  etwas  leidlicher  gestaltet,  so  blickte  der 
treue  Delmotte  doch  nicht  ohne  neue  Sorge  in  die  nächste 
Zukunft.  l>enn  der  ,Kleine\  wie  er  scherzhaft  Wratislaw  numte, 
fühlte  sich  in  seiner  SteUung  dauernd  unbehaglich  nnd  dachte 
daher  ernstlich   daran,    im   nächsten  Frühling  wieder  bei   der 


*  IVlmott«  «u  Maria  Christine  oimI  Hermof  Alben.    Bnixell«^    \t  IC 

vwubn?  I7t3^  OrijT,  A.-A. 
'  Der^^lbe  an  dieselben.   Broxelles.  le  7  join,  le  17  decembre  ITfS.  On^. 

A..A. 


Belgien  unter  der  Generalstatthaltorschaft  Erzherzog  Carls  (179S,  1794).  41 

Truppe  einzurücken.  Für  diesen  Fall  hatte  Warnsdorff  die  er- 
ledigte Stelle  seinem  Bruder,  Major  im  Regimente  Würzburg, 
einem  Manne,  wie  es  heisst,  ohne  jede  höhere  Bildung,  zugedacht, 
der  übrigens  auch  selbst  durch  Beaufort,  Merode  und  den 
Minister,  dessen  Haus  er  eifrig  besuchte,  ans  Ziel  zu  kommen 
trachtete.  Ein  anderer  nicht  minder  geftlhrlicher  Bewerber  war 
der  Vicomte  de  Nieidant,  der  trotz  ihrer  gegenseitigen  Ent- 
zweiung mit  Wamsdorflf  und  Maldeghem  auf  gutem  Fusse  stand 
und  sich  auf  jede  Weise  bei  dem  Erzherzog  einzuschmeicheln 
sachte.  Unter  diesen  Umständen  legte  es  Delmotte  dem  Erz- 
herzog nahe,  Wratislaw  dauernd  an  sich  zu  fesseln,  seine  Stelle 
vorläufig  unbesetzt  und  ihm,  während  er  im  Felde  stehe,  seine 
Zulage  zu  belassen.  Sollte  aber  der  Erzherzog  trotzdem  ent- 
schlossen sein,  den  dritten  Kämmererposten  in  seinem  Hause 
wieder  zu  besetzen,  so  wies  Delmotte  auf  D'Oettinghem  hin: 
,Er  stammt  aus  dem  Lande,  ist  ein  äusserst  anständiger  und 
sanfter  Mensch,  hat  eine  gute  Conduite  und  ist  ganz  und  gar 
flir  diesen  Platz  geeignet.  Ausserdem  liebt  ihn  der  Erzherzog 
bereits  in  hohem  Masse.' ^ 

Gütig  und  dankbar  wie  immer,  verwendete  sich  der  Erz- 
herzog ftlr  Wratislaw  bei  dem  Kaiser,  indem  er  ihn  bat,  den- 
selben bei  einem  Freicorps  oder  bei  irgend  einem  anderen  vor 
dem  Feinde  dienenden  Eegimente  als  Major  anzustellen.  ,Sollten 
wir  dann  wieder  Frieden  bekommen,'  setzt  er  hinzu,  ,so  werde 
ich  suchen,  ihn  dahin  zu  bringen,  wieder  zu  mir  zu  kommen, 
da  es  mir  hart  fallen  müsste,  einen  so  ehrlichen,  braven  Mann, 
der  nun  schon  zwei  Jahre  bei  mir  war,  entbehren  zu  müssen.'* 
Uebrigens  kam  es  nicht  dazu;  vermuthlich  war  es  der  sinkende 
Einfluss  Wamsdorfifs,  der  Wratislaw  bewog,  von  seinem  Vor- 
baben  abzustehen.  ,Die  zwei  Chinesen,'  wie  sie  der  Erzherzog 
im  Scherze  zu  nennen  pflegte,  Colloredo  und  Wratislaw,  blieben 
im  Hause  und  schmiegten  sich  immer  enger  ihrem  geliebten 
Herrn  an. 

Leibarzt  Carls  war  ein  gewisser  Dr.  Wolf,  bis  derselbe 
jacobinischer  Gesinnung  verdächtigt  und  von  dem  Kaiser  eine 

^  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bruxelles,  le  16  aoüt,  le  27  novembre,  le 
17  d^cembre  (1793).  Orig.  eig.  A.-A.  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser. 
Tirlemont,  den  21.  März  1793.  Orig.  eig. 

'  Erzherzog  Carl  an  Ii^anz  II.    Brüssel,  den  6.  December  1798.  Orig.  eig. 


42  VI.  Abhandlnng:  ▼.  Zeissberg. 

Uutersucliuug  wider  ihn  augeordnet  wurde.  ^  Natürlich  büsste 
er  darüber  seine  Stellung  ein.  Im  Calendrier  de  la  cour  von 
1794  wird  er  nicht  mehr  genannt.  Die  Stelle  eines  Leibarztes 
war  jetzt  überhaupt  nicht  besetzt.  Als  ^Leibchirurg'  des  Erz- 
herzogs erscheint  Hubertus,  ein  Zögling  des  Josefinums  in  Wien, 
der  zuvor  als  Bataillonschirurg  bei  dem  Militär  gedient  hatte, 
und  dem  auf  Wunsch  Carls  der  Charakter  und  die  Uniform 
eines  Stabschirurgen,  doch  ohne  Gehalt,  zugestanden  wurde.' 

Indess  erwies  sich  gleich  so  manchen  ähnlichen  Verdäch- 
tigungen jener  Zeit  auch  die  gegen  Wolf  ausgestreute  als  völlig 
unbegründet.  Denn  nur  unter  dieser  Voraussetzung  konnte  es 
geschehen,  dass  sich  derselbe  zu  Anfang  des  Jahres  1795  um 
seine  Wiederanstellung  bei  dem  Erzherzog  bewarb.  Zwar  wollte 
ihn  der  Kaiser  vielmehr  mit  Belassung  seiner  Bezüge  ins  Wiener 
allgemeine  Krankenhaus  versetzen.'  In  der  Folge  finden  wir 
ihn  aber  doch  auf  Empfehlung  des  berühmten  Arztes  Lfagusios 
bei  dem  Erzherzog  wieder  angestellt,^  ja  bestimmt,  denselben 
zur  Armee  zu  begleiten,^  während  Hubertus  zur  Truppe  ein- 
rücken sollte,^  wovon  man  aber  bald  wieder  abkam. 

lY.  Aas  dem  Privatleben  des  Erzherzogs. 

Unter  den  geschilderten  Verhältnissen  mochte  das  häus- 
liche Leben  des  Erzherzogs  wohl  wenig  Erfreuhches  bieten. 
Von  den  Personen  getrennt,  die  ihn  zärthch  liebten,  und  denen 
auch  er  in  der  Verehrung  und  Liebe  eines  Sohnes  ergeben 
war,  sah  er  sich  von  Männern  umgeben,  die  zwar,  woran  nicht 
zu  zweifeln  ist,  ihm  insgesammt  zugethan,  die  aber  unter  sich 
uneinig  und  zum  Theile  mit  ihren  Stellungen  unzufrieden  waren, 
und  imter  denen,  von  ihrem  meist  noch  jugendlichen  Alter  ab- 


^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  17  döcembre  1793.  eig.  En- 
herzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  80.  December  1793.  Orig.  eig. 
Der  Kaiser  an  Erxherxog  Carl.  Wien,  den  11.  Jänner  1794.  Orig.  eig. 

'  Vortrag  Lac/s  vom  11.  Februar  1794  und  kaxserl.  Resolution.  Kr.-A. 

'  Erzherzog  Carl  an  Delmotte.  Vienne,  ce  3  fSvrier  1796.  Orig.  A.-A. 

*  Maria  Christine  an  Delmotte.  Angsboorg,  ce  24  avril  1795.  Orig.  A.-A. 

^  Dieselbe  an  denselben,  ce  4  mai  1795.  Orig.  A.-A. 

"  Lacy  an  den  Kaiser.  Neuwaldegg,  den  21.  Juli  1795.  Kr.-A. 


Belgien  inker  der  GenenlsUtthalterschaft  Enbenog  Cu-lt  (179S.  17M).  43 

gesehen,  sich  keiner  befand,  der  etwa  durch  hervorragende 
Begabung  einen  tieferen  Einfluss  auf  die  geistige  und  moraliBche 
Entwicklung  Cark  zu  üben  vermochte,  wie  er  selbst  in  einem 
späteren  Rückblicke  auf  diese  Zeit  bedauernd  hervorhebt.  Im 
Ghrunde  auf  sich  selbst  angewiesen,  stählte  sich  dieser  in  der  Er- 
füllung der  ihm  übertragenen  harten  Pflicht  und  suchte  tmd 
fand  fast  nur  in  jenen  Ausflügen  Erholung,  die  er  mit  Erlaub- 
niss  des  Kaisers  zu  seiner  militärischen  Ausbildung  in  das  Haupt- 
quartier des  Prinzen  Coburg  unternahm.  Gewöhnlich  fand  er 
sich  ein,  wenn  irgend  ein  grösseres  Unternehmen  im  Werke 
war,  kehrte  aber*nach  wenigen  Tagen  immer  wieder  zu  seinen 
Amtsgeschäften  nach  Brüssel  zurück. 

Es  heisst,  dass  er  auf  einem  der  ersten  dieser  Ausflüge  in 
die  Gefahr  gerieth,  von  den  Franzosen  gefangengenommen  zu 
werden.  ,Seine  königl.  Hoheit  der  Erzherzog  Carl,'  schreibt  der 
,heimliche  Botschafter',  eine  sonst  allerdings  mit  vieler  Vorsicht 
zu  gebrauchende  Quelle,^  unter  dem  14.  Mai  1793,  ,werden 
nicht  mehr  zur  Armee  gehen,  da  Höchstdieselben  ihr  kostbares 
Leben  zu  sehr  der  Gefahr  aussetzen;  bei  Valenciennes  wäre 
der  Erzherzog,  da  er  sich  zu  weit  vorwärts  wagte,  beinahe  ge- 
fiwgen  worden.  Der  Erzherzog  war  schon  vom  Feinde  umrungen 
und  nur  durch  die  Tapferkeit  des  Mourray'schen  Regiments  wurde 
er  gerettet,  da  dies  Regiment  ein  Quarrt  um  den  Prinzen  schloss 
und  so  unter  beständigem  Gefechte  ihn  bis  zu  seinem  Corps, 
das  er  commandirte,  zurückbrachte.'  Und  imter  dem  21.  Mai 
heisst  es  in  derselben  Quelle:  ,Seine  königl.  Hoheit  der  EIrz- 
herzog  Carl  gehen  nicht  mehr  zur  Armee  und  haben  den  Bitten 
der  niederländischen  Stände,  sein  kostbares  Leben  nicht  mehr 
aufe  Spiel  zu  setzen,  nachgegeben,  und  werden  künftighin  das 
Gouvemeurspalais  in  Brüssel  immer  bewohnen.'^  Freilich  steht 
es  im  Widerspruche  damit,  wenn  es  in  derselben  Quelle  unter 
dem  7.  Juni  heisst,  dass  der  Erzherzog  der  Belagerung  von 
Condö  beiwohnen  werde  und  deswegen  bereits  von  Brüssel  zur 
Armee  abgegangen  sei.^ 


1  Kaniiscr.  der  Hofbibliothek  in  Wien;  über  den  Autor:  Standinger  vergeh 

Warzbach  s.  h.  v. 
*  Ebenda,  S.  82  b. 
'  Ebenda,  S.  92  a. 


44  VI.  Abh&ndliing :   v.  Zeissberg. 

Ist  nun  aber  auch  in  dieser  Fassung  die  Angabe  zu  ver- 
werfen, da  die  betreffende  Quelle  sich  selbst  und  den  nachfol- 
genden Thatsachen  widerspricht,  so  scheint  sie  doch  nicht  ganz 
gegenstandslos  gewesen  zu  sein,  wie  man  aus  dem  Schreiben 
ersieht,  das  Dumouriez  ebenfalls  am  14.  Mai  von  Mei^entheim 
aus  an  den  Erzherzog  richtete  und  das  mit  den  Worten  beginnt: 
,Ich  habe  erfahren,  dass  Eure  königl.  Hoheit  Gefahr  gelaufen 
sind,  gefangen  genommen  zu  werden.  Ich  war  entsetzt  darüber. 
In  was  für  Hände  wäre  ein  Ftlrst  gefallen,  der  für  das  Wohl 
des  Volkes  nöthig  ist.  Diese  Meinung,  welche  ich  mir  über  Sie 
gebildet  habe,  ist  es,  die  mir  das  grösste  Interesse  an  Ihrer 
Erhaltung  und  Ihrem  Euhme  einflösst.  Eure  Hoheit  müssen  es 
über  sich  gewinnen,  jenen,  den  man  mit  den  Waffen  gewinnt, 
dem  zu  opfern,  der  die  Frucht  der  Bürgertugenden  ist.  Ge- 
statten Sie  diesen  Kath  einem  alten  Kriegsmanne,  der  den  mili- 
tärischen Ruhm  nicht  höher  anschlägt,  als  er  es  werth  ist'^ 
Die  allerdings  sehr  fömüiche  Antwort  des  Erzherzogs*  auf 
diesen  Brief  geht  über  die  in  letzterem  enthaltene  Anspielung 
schweigend  hinweg,  und  auch  sonst  findet  sich  —  namentlich 
auch  in  der  sonst  in  solchen  Dingen  sehr  gesprächigen  Corre- 
spondenz  Delmotte's  —  keine  Andeutung  dieser  Art.  Aber  gerade 
der  Umstand,  dass  der  Erzherzog  über  die  Sache  schweigt, 
scheint  sie  zuzugeben.  Undenkbar  wäre  es  gewiss  nicht,  dass 
schon  damals  französischerseits  versucht  worden  wäre,  sich  des 
Erzherzogs  zu  bemächtigen,  wie  denn  im  späteren  Verlaufe  des 
Jahres  1793  noch  einmal  sich  das  Gerücht  von  einem  Complot 
der  Jacobiner  verbreitete,  das  dahin  zielen  sollte,  über  Charleroy 
ein  Cavalleriecorps  nach  Brüssel  zu  senden,  um  den  Erzherzog, 
Mercy  und  Mettemich  als  Geiseln  fiir  die  verhafteten  Convents- 
commissäre  aufzuheben,  ein  Gerücht,  das  damals  Coburg  sogar 
den  Anlass  zu  einigen  Gegenvorkehrungen  gab.'  Thatsache 
ist   übrigens   blos,    dass    sich   Erzherzog  Carl    am   4.   Mai   ins 


^  Dumouriez  an  Erzherzog  Carl.  Mergentheim,  le  14  mai  1798.  Orig.  eig. 

St.-A.  Abgedruckt  bei  Mortimer-Temaux,  1.  c.  VI,  589,    wo  aber  der 

Anfang  verstümmelt  ist. 
>  Erzherzog  Carl  an  Dumouriez.  Bruxellee,  le  21  mal  1792.  Entw.  Metter- 

nich*s. 
'  Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert  Bruxelles,  le  81  octobre 

1793.  Orig.  A.-A. 


B«lgi«n  unter  der  G«n«ralsUtthalter8chaft  Enbenog  Carls  (1798,  1704).  45 

Hauptquartier  begab,  um  der  Einladung  Coburg's  zufolge  dem 
Te  Daum  beizuwohnen,  das  am  5.  ftlr  den  Sieg  vom  1.  Mai 
über  Dampierre  gesungen  wurde.* 

Am  22.  Mai  wohnte  der  Erzherzog  der  Eröffnung  der 
Trancheen  vor  Cond^  bei.*  Am  23.  kam  es  zur  Schlacht  bei 
Famars,  deren  nächste  Folge  die  Einschliessung  von  Valen- 
ciennes  war.  Am  24.  kehrte  Carl  nach  Brlissel  zurück,'  wo  er 
unmittelbar  darnach  an  einem  Fieber  erkrankte.*  Doch  erholte 
er  sich  rasch  wieder  und  begab  sich  (12.  Juni)  nach  Valcn- 
ciennes,  um  die  dort  eröffneten  Trancheen  zu  besichtigen.^  Es 
war  ein  buntes,  ungemein  fesselndes  Bild,  das  sich  dem  auf- 
merksamen Beobachter  vor  Valenciennes  darbot,  wo  bei  Etris 
rechts  von  der  Strasse  das  englische  Lager,  reinlicher  als  das 
Ankleidezimmer  einer  deutschen  Modedame,  stand,  während 
links  das  kaiserliche  vielfach  an  die  Zustände  an  der  türkischen 
und  croatischen  Grenze  erinnerte.  Aber  dem  Erzherzog  mochten 
auch  die  Unterschiede  der  Nationalcharaktere  nicht  entgehen, 
wenn  er  wahrnahm,  wie  der  Ungar  oder  Slovenier,  immer  genüg- 
sam  und  thätig,  in  Mussestunden  die  Gelegenheit  wahrnahm, 
eine  Kegelbahn  anzulegen,  oder  sich  im  Laufen  und  Springen 
zu  üben,  während  der  Hesse  die  Ruhepausen  verschlief,  der 
Engländer  spazieren  ging  oder  sich  und  die  Zelte  putzte,  der 
Hannoveraner  kochte  und  ass.  Einen  eigenthümlichen  AnbUck 
mochte  ihm  auch  eine  Wanderung  durch  die  Trancheen  ge- 
währen: die  fast  unheimUche  Stille,  mit  der  hier  jeder,  was 
ihm  zukam,  ohne  dass  ein  Befehl  nöthig  war,  verrichtete,  und 
selbst  der  jüngste  österreichische  Bombardier  über  den  Hergang 


*  Mettemich  an  Trauttmansdoff,  4  mal  1793.  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser. 
Brüssel,  den  6.  Mai  1793. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  22  mai  1793.  Vergl.  Erz- 
herzog Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  18.  Mai  1793.  Orig.  eig.  Nach 
dem  Moniteur  Nr.  156,  p.  669  erfolgte  die  Abreise  Carls  ins  Haupt- 
quartier am  21.  Mai. 

'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  26.  Mai  1793.  Orig.  eig. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  26  Mai  1793.  Briefe  Del- 
motte's  an  Maria  Christine  vom  26.,  27.,  28.  und  30.  Mai  und  vom  2.  Juni. 
Orig.  A.-A.  Vergl.  auch  Trauttmansdorff  au  Colloredo.  Orig.  eig.  ohne 
Datum  (pres.  6  juin  1793). 

'  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bmxelles,  le  12  juin,  le  16  juin.  Orig.  eig. 
A.-A.  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  18  juin  1793. 


46  VI.  Abhandlang:   v.  ZeisHberg. 

der  Belagerung  Bescheid  zu  geben  wusste^  indess  die  Engländer 
in  den  Laufgräben  wie  in  einer  Wachtstube  bei  Ramflasche 
oder  Punschbowle  sich  gütlich  thaten,  der  Hesse  aber  sein 
Pfeifchen  schmauchte  und,  wenn  es  nicht  anders  ging,  im 
Stehen  schlief.  ^ 

Uebrigens  verband  mit  diesem  Ausfluge  nach  Valenciennes 
der  Erzherzog  noch  eine  andere  Absicht.  Es  verlautete  nämlich, 
dass  sich  der  Prinz  von  Wales  bei  der  Armee  einfinden  werde. 
Carl  wollte  sich  die  Qelegenheit  nicht  entgehen  lassen,  um  sich 
mit  demselben  zu  befreimden.  Er  meinte,  dass  dies,  da  man 
sich  mit  England  enger  verbinden  wolle,  nicht  ganz  werthlos 
sei,  zumal  der  König  zu  altem  beginne.  Wohl  erwies  sich  jenes 
Gerücht  als  falsch,  hingegen  suchte  sich  jetzt  der  Erzherzog 
aus  demselben  Grunde  dem  Herzog  von  York  zu  nähern,*  der 
den  Oberbefehl  über  die  engHschen  Truppen  fllhrte  und  gleich 
seinen  Brüdern,  den  Herzogen  von  Kent  und  Cumberland, 
durch  manche  kühne  Waffenthat  glänzte.  Es  hing  wol  mit  dem 
fortan  ziemlich  lebhaften  Verkehr  Carls  mit  diesem  Prinzen  zu- 
sammen, dass  sich  das  übrigens  völlig  unbegründete  Gerücht 
der  bevorstehenden  Vermählung  des  Erzherzogs  mit  einer  eng- 
Uschen  Prinzessin  verbreiten  konnte.' 

Am  16.  Juni  kehrte  der  Erzherzog  nach  Brüssel  zurück. 
Am  18.  treffen  wir  ihn  zu  Schoenenbergh,  wo  man  im  Parke, 
wenn  kein  widriger  Wind  blies,  jeden  Kanonenschuss  von 
Valenciennes  hören  konnte.*  Wie  Delmotte  versichert,  war  sein 
Herr  trostlos,  der  Belagerung  nicht  beiwohnen  zu  können,  son- 
dern an  Conferenzen  theilnehmen  zu  müssen,  in  denen  der 
Minister  keinen  Schritt  vorwärts  kam.^  Carl  selbst  schrieb  an 
seinen  Oheim:  ,Sobald  alle  Batterien  errichtet  sein  werden, 
gehe  ich  zur  Armee,  um  sie  spielen  zu  sehen,  das  wird  ein 
Heidenlärm  sein.'^* 

Zuvor  aber  ging  es  nach  Cond^,  denn  am  11.  Juli  Mor- 
gens traf  der  Kürassierrittmeister  Graf  Rosenberg,   den  gegen 


^  Girtanner,  Politische  Annalen  III,  1793,  S.  480  ff. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  8.  Juni  1793.  Orig.  eig. 

»  »Der  lieimliche  Botschafter*  166  a  zum  16.  October  1793.  Moniteur  Nr.  88. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert,  lo  16  et  18  juin  1793. 

»  Delmotte  an  Maria  Christine,  le  1«',  2«,  3  juillet  1793.  Orig.  A.-A. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert,  le  18  juin  1703.  Orig.  eig.  A.-A. 


Belgien  nntcr  der  Gonenil»tatthaltcrscbaft  Krzherzog  Carls  (17!h1,  I7!M).  47 

den  Wunsch  des  Erzherzogs*  Mcttemich  mit  zwölf  Postillons 
in  die  Stadt  einreiten  liess,  mit  der  Nachricht  in  Brüssel  ein, 
dass  Cond^  capitulirt  habe.*  In  Folge  dessen  reiste  der  Erz- 
herzog am  folgenden  Tag  nach  dieser  Festung.* 

,Am  13./  erzählt  Delmotte,  ,kam  er  um  2  Uhr  Morgens 
in  der  Eremitage  an,  wo  er  bei  dem  Prinzen  von  Würtemberg' 
(dem  Eroberer  von  Condö)  ,sich  einlogirte.  Um  7  Uhr  begaben 
wir  uns  nach  Cocq,  um  die  4008  Mann  starke  Garnison^  ab- 
ziehen zu  sehen,  die  sehr  gut  aussah,  trotz  der  Hungersnoth, 
unter  der  sie  durch  einige  Zeit  gelitten  hatte.  Sie  zogen  mit 
allen  kriegerischen  Ehren  ab,  mit  ihrer  Artillerie  und  ihren 
Pulverwagen  (caissons).  Als  sie  in  Cocq  anlangten,  streckten 
sie  die  Waffen  und  marschirten  nach  Peruwels,  wo  sie  die 
Nacht  zubrachten.  Das  ganze  Corps  des  Prinzen  von  Würtem- 
berg  bildete  längs  der  Strasse  Spalier,  vom  Stadtthore  an.  Auch 
Ihre  Division  Chevauxlegers  befand  sich  dabei;  sie  ist  süperb, 
man  kann  nichts  Schöneres  sehen.  Se.  königl.  Hoheit  sprach  in 
gütiger  Weise  mit  Chancel,  dem  Commandanten  von  Condö. 
Als  sich  der  Erzherzog  entfernte,  rief  jener  aus:  „Ach  Gott! 
hätten  wir  doch  in  Frankreich  königliche  Prinzen  wie  diesen 
gehabt,  es  wäre  nie  zu  einer  Kevolution  in  tmserem  armen 
Lande  gekommen,  wir  hätten  sie  angebetet;  wie  glücklich  sind 
Sie^  meine  Herren!^'  Um  11  Uhr  begaben  wir  uns  in  die  Stadt, 
besichtigten  die  Werke,  die  noch  unversehrt  sind,  imd  fanden 
über  105  Feuerschlünde  vor.  Die  Municipalität  der  Stadt  trug 
noch  die  tricolore  Schärpe;  Graf  Mercy  befahl  ihnen,  dieselbe 
sofort  abzulegen,  tmd  cassirte  anigleich  diese  Behörde.  General- 
major Czemezy  wurde  Platzeommandant,  der  Civilcommissär 
Maco  de  Toumy  Chef  der  Stadt,  um  Alles  zu  regeln.  Wir 
speisten  sodann  bei  dem  Prinzen  von  Würtemberg  in  der 
Heremitage;  der  Tafel  wohnten  bei:  der  Herz<^  von  York,  die 
Prinzen  Ernst  und  Adolf  von  England,  der  Sohn  des  Herzogs 
von  Braunschweig,  Prinz  Coburg,  FZM.  Clerfayt  und  alle  ihre 
Adjutanten.  Man  brachte  nur  einen  Toast  aus,  und  zwar  auf  die 
Sieger  von  Conde.   Es  ging  dabei  ebenso  heiter  als  anständig 

*  Metteniich  an  Erzherxog  Carl,  le  11  jnillet  1793,  Ori^.  eig.  A.-A. 

'  Debnoftte  an  Maria  Christine,  le  11  joillet,  an  moment  dn  d^part.  (frig^.  A.-A. 
'  Metternich  an  Tnuttmanadorff.  Bruxüilen,  le  12  jnillet  1793.  Copie, 

*  Nach  Witzleben  IL  220  waren  en  277  ^'^fficiere  nnd  -Ußff.i  Mann 


46  VI.  Abbandlang:   v.  Zeissberg. 

der  Belagerung  Bescheid  zu  geben  wusste^  indess  die  Engländer 
in  den  Laufgräben  wie  in  einer  Wachtstube  bei  Rumflasche 
oder  Punschbowle  sich  gütlich  thaten^  der  Hesse  aber  sein 
Pfeifchen  schmauchte  und^  wenn  es  nicht  anders  ging,  im 
Stehen  schlief.  ^ 

Uebrigens  verband  mit  diesem  Ausfluge  nach  Valencienne« 
der  Erzherzog  noch  eine  andere  Absicht.  Es  verlautete  nämlich^ 
dass  sich  der  Prinz  von  Wales  bei  der  Armee  einfinden  werde. 
Carl  wollte  sich  die  Gelegenheit  nicht  entgehen  lassen,  um  sich 
mit  demselben  zu  befreimden.  Er  meinte,  dass  dies,  da  man 
sich  mit  England  enger  verbinden  wolle,  nicht  ganz  werthlos 
sei,  zumal  der  König  zu  altem  beginne.  Wohl  erwies  sich  jenes 
Gerücht  als  falsch,  hingegen  suchte  sich  jetzt  der  Erzherzog 
aus  demselben  Grunde  dem  Herzog  von  York  zu  nähern,*  der 
den  Oberbefehl  über  die  englischen  Truppen  fllhrte  und  gleich 
seinen  Brüdern,  den  Herzogen  von  Kent  und  •  Cumberland, 
durch  manche  kühne  Waffenthat  glänzte.  Es  hing  wol  mit  dem 
fortan  ziemlich  lebhaften  Verkehr  Carls  mit  diesem  Prinzen  zu- 
sammen, dass  sich  das  übrigens  völlig  unbegründete  Gerücht 
der  bevorstehenden  Vermählung  des  Erzherzogs  mit  einer  eng- 
lischen Prinzessin  verbreiten  konnte.' 

Am  16.  Juni  kehrte  der  Erzherzog  nach  Brüssel  zurück. 
Am  18.  treffen  wir  ihn  zu  Schoenenbergh,  wo  man  im  Parke, 
wenn  kein  widriger  Wind  blies,  jeden  Kanonenschuss  von 
Valenciennes  hören  konnte.*  Wie  Delmotte  versichert,  war  sein 
Herr  trostlos,  der  Belagerung  nicht  beiwohnen  zu  können,  son- 
dern an  Conferenzen  theilnehmen  zu  müssen,  in  denen  der 
Minister  keinen  Schritt  vorwärts  kam.^  Carl  selbst  schrieb  an 
seinen  Oheim:  ,Sobald  alle  Batterien  errichtet  sein  werden, 
gehe  ich  zur  Armee,  um  sie  spielen  zu  sehen,  das  wird  ein 
Heidenlärm  sein.'® 

Zuvor  aber  ging  es  nach  Cond^,  denn  am  11.  Juli  Mor- 
gens traf  der  Kürassierrittmeister  Graf  Rosenberg,   den  gegen 


^  Qirtanner,  Politische  Annalen  III,  1793,  S.  480  ff. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  8.  Juni  1793.  Orig.  eig. 

*  ,Der  heimliche  Botschafter*  166  a  zum  16.  October  1793.  Moniteur  Nr.  88. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert,  le  16  et  18  jnin  1793. 

»  Delmotte  an  Maria  Christine,  le  1«%  2«,  3  juillet  1793.  Orig.  A.-A. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert,  le  18  jiiin  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


Belfpen  nnt^r  der  G«iieraUUttbaltenchAft  Enherzng  Carls  (1793,  1794).  47 

den  Wunsch  des  Enherzogs^  Mettemich  mit  zwölf  Postillons 
in  die  Stadt  einreiten  liess,  mit  der  Nachricht  in  Brüssel  ein, 
dass  Cond^  capitulirt  habe.  ^  In  Folge  dessen  reiste  der  Erz- 
herzog am  folgenden  Tag  nach  dieser  Festung.^ 

,Am  13./  erzählt  Delmotte,  ^kam  er  um  2  Uhr  Morgens 
in  der  Eremitage  an,  wo  er  bei  dem  Prinzen  von  Würtembcrg' 
(dem  Eroberer  von  Condö)  ,8ich  einlogirte.  Um  7  Uhr  begaben 
wir  uns  nach  Cocq,  um  die  4008  Mann  starke  Garnison^  ab- 
ziehen zu  sehen,  die  sehr  gut  aussah,  trotz  der  Hungersnoth, 
unter  der  sie  durch  einige  Zeit  gelitten  hatte.  Sic  zogen  mit 
allen  kriegerischen  Ehren  ab,  mit  ihrer  Artillerie  imd  ihren 
Pulverwagen  (caissons).  Als  sie  in  Cocq  anlangten,  streckten 
sie  die  Waflfen  und  marschirten  nach  Peruwels,  wo  sie  die 
Nacht  zubrachten.  Das  ganze  Corps  des  Prinzen  von  Würtcm- 
berg  bildete  längs  der  Strasse  Spalier,  vom  Stadtthore  an.  Auch 
Ihre  Division  Chevauxlegers  befand  sich  dabei;  sie  ist  süperb, 
man  kann  nichts  Schöneres  sehen.  Se.  königl.  Hoheit  sprach  in 
gütiger  Weise  mit  Chancel,  dem  Commandanten  von  Cond^. 
Als  sich  der  Erzherzog  entfernte,  rief  jener  aus:  „Ach  Gott! 
hätten  wir  doch  in  Frankreich  königliche  Prinzen  wie  diesen 
gehabt,  es  wäre  nie  zu  einer  Kevolution  in  unserem  armen 
Lande  gekommen,  wir  hätten  sie  angebetet;  wie  glücklich  sind 
Sie,  meine  Herren!^'  Um  11  Uhr  begaben  wir  uns  in  die  Stadt, 
besichtigten  die  Werke,  die  noch  unversehrt  sind,  und  fanden 
über  105  Feuerschlünde  vor.  Die  Mimicipalität  der  Stadt  trug 
noch  die  tricolore  Schärpe;  Graf  Mercy  befahl  ihnen,  dieselbe 
sofort  abzulegen,  und  cassirte  zugleich  diese  Behörde.  General- 
major Czemezy  wurde  Platzcommandant,  der  Civilcommissär 
Maco  de  Toumy  Chef  der  Stadt,  um  Alles  zu  regeln.  Wir 
speisten  sodann  bei  dem  Prinzen  von  Würtemberg  in  der 
Heremitage;  der  Tafel  wohnten  bei:  der  Herzog  von  York,  die 
Prinzen  Ernst  und  Adolf  von  England,  der  Sohn  des  Herzogs 
von  Braunschweig,  Prinz  Coburg,  FZM.  Clerfayt  und  alle  ihre 
Adjutanten.  Man  brachte  nur  einen  Toast  aus,  und  zwar  auf  die 
Sieger  von  Cond^.   Es   ging  dabei  ebenso  heiter  als  anständig 

»  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  le  11  juillet  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Delmotte  an  Maria  Christine,  le  11  juillet,  au  moment  du  d6part.  Orig.  A.-A. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  12  juillet  1793.  Copie. 

*  Nach  Witzleben  II,  220  waren  es  277  Officiere  und  4009  Mann. 


4o  VI.  Abhandlung:   v.  Zcittberg. 

ZU.  Nach  Tisch  gingen  wir  nach  Aubry  (bei  Valenciennes),  wo 
wir  in  einem  kleinen  Schlosse  mit  drei  Zimmern  einquartirt  sind. 
Die  dritte  Parallele  war  fertig,  und  wir  wurden  durch  den 
Donner  der  Kanonen  belästigt,  der  unaufhörlich  wiederhallte. 
Heute  Morgens  war  das  Feuer  excessiv.  Wir  gehen  um  7  Uhr 
nach  Herin^  (dem  Hauptquartiere  Coburg's),  ,um  dem  Te  Deum 
beizuwohnen,  das  vor  dem  Lager  der  Grenadiere  abgehalten 
und  von  der  Observations-,  der  Belagerungsarmee,  allen  Corps 
zu  Cond^  wiederholt  werden  soll.  Wir  speisen  bei  dem  Prin- 
zen Coburg.^  ^ 

Auch  dem  FZM.  Ferraris  stattete  bei  dieser  Gelegenheit 
Erzherzog  Carl  einen  Besuch  ab.*  In  der  Nacht  vom  18.  bis 
19.  Juli  kehrte  dieser  nach  Brüssel  zurück.* 

Interessant  ist,  was  Erzherzog  Carl  selbst  über  diesen 
kurzen  Ausflug  zu  erzählen  weiss.  ,Ich  habe  am  13.  d.,'  schreibt 
er  an  seinen  Oheim  Herzog  Albert,  ,um  10  Uhr  Morgens  die 
Garnison  von  Condä  abziehen  gesehen.  Sie  belief  sich  auf 
4009  Mann.  Man  hatte  ein  Späher  gebildet  von  der  Festung 
bis  Cocq  mit  den  Truppen  der  Blokade,  nämUch  2  Bataillone 
Josef  Colloredo,  1  Bataillon  Wartensleben,  1  Bataillon  d' Alton, 
den  Chevauxlegers  Ihres  Regiments,  die  sich  süperb  ausnahmen, 
und  den  Regimentern  Saxe,  Berchiny  imd  Royal  Allemand. 
Die  Garnison,  Chancel  an  der  Spitze,  rückte  aus  unter  Trommel- 
schlag und  mit  fliegenden  Fahnen  in  bester  Ordnung.  Zu  Cocq 
streckten  sie  die  Waffen;  sie  thaten  dies  schweigend,  aber  man 
sah  den  Schmerz  auf  ihren  Gesichtern;  sodann  ftLhrte  man  sie 
nach  Peruwels,  von  wo  sie  nach  Cöln  durch  1  Bataillon  d' Alton 
und  2  Peletons  Blankenstein  escortirt  werden.  An  der  Spitze 
der  Garnison  marschii^te  eine  Compagnie  Grenadiere,  Linien- 
truppe, die  sehr  schön  war,  die  übrigen  Linientruppen  war^i 
passable,  die  Nationalgarde  aber  sah  erbärmlich  aus.  Es  war 
nichts  als  Canaille,  Kinder,  insgesammt  zerlumpt  und  zerfetzt^ 
von  unglaubUcher  Unsauberkeit  (saloperie).  Darunter  befanden 
sich  auch  zwei  junge  Mädchen,  die  bitteriich  weinten;  sie  trugen 


^  Delmotte  an  Maria  Christine  und  Herzog  Albert.  Aubry,  le  14  (julUet)  k 

öVs  heures  de  matin  1793.  Orig.  A.-A. 
'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  18.  Juli  1793.  Orig. 
^  Delmotte  an  Herzog  Albert  und  Maria  Christine.  Bruxelles,  le  19  juillet 

1793.  Orig.  A.-A. 


Belgien  nnter  der  Genenlstattbalter-siliaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  49 

die  Uniform  der  Nationalgarde,  aber  ohne  Gewehr.  Chancel 
macht  einen  sehr  respectablen  Eindruck.  Man  fand  Cond^  in 
ziemlich  gutem  Zustande:  95  Kanonen  und  Mörser,  zahlreiche 
Munition,  aber  keine  Lebensmittel.  Wir  wurden  mit  Schweigen 
und  ohne  ein  Zeichen  der  Freude  empfangen,  was  ganz  natür- 
lich ist^i 

Am  28.  Juli  capitulirte  Valeneiennes ;  am  29.  Abends  eilte 
der  Erzherzog  wieder  dahin.  ^  Dem  Umstände,  dass  auch  Graf 
Fersen  sich  damals  nach  Valeneiennes  begab  und  über  diesen 
Ausflug  Mancherlei  in  seinem  Tagebuch  vermerkte,  verdanken 
wir  auch  einige  Details  über  die  Reise  des  Erzherzogs. 

So  erfahren  wir,  dass  sich  dieser  am  31.  Juh  zu  Kaismes 
befand,  wo  sich  damals  der  Armeeintendant  Bartenstein  auf- 
hielt, der  ein  Diner  zu  Ehren  des  Erzherzogs  und  des  Prinzen 
Coburg  gab,  dem  auch  Mercy  beigezogen  wurde.  Am  1.  August 
traf  Fersen  den  Erzherzog  früh  Morgens  zu  Aubry  und  be- 
gleitete denselben  in  Coburg' s  Hauptquartier  nach  Hörin.  Im 
Gefolge  des  Erzherzogs  wird  bei  dieser  Gelegenheit  Wamsdorff 
genannt  Die  ganze  Gesellschaft  brach  von  hier  um  7  Uhr  Mor- 
gens auf,  um  zunächst  auf  einem  der  drei  Dämme,  die  man 
errichtet  hatte,  das  Inundationsgebiet  zu  Fri  in  Augenschein 
zu  nehmen.  ,Um  8  Uhr,'  föhrt  Fersen  zu  erzählen  fort,  ,kamen 
wir  nach  La  Briguette;  die  englischen,  österreichischen  imd 
hannoverischen  Truppen  waren  bereits  angelangt  und  formirten 
sich  zu  einem  Spalier,  das  die  Franzosen  passiren  sollten.  Diese 
Versammlung  der  schönsten  Truppen  Europas  bot  ein  ebenso 
einziges  als  seltenes  Schaustück  dar.  Die  engUschen  Truppen 
waren  ztmächst  der  Stadt  postirt.  Die  Formation  währte  sehr 
lange,  und  es  schien  mir,  als  ob  sie  nicht  gerade  sehr  gut  ge- 
troffen seL  Um  9  Uhr,  zur  Stunde,  in  der  die  Garnison  abziehen 
sollte,  benachrichtigte  man  den  Herzog  von  York,  dass  die 
(Convent8-)Commissäre'  den  Anspruch  erhöben,  an  der  Spitze 
der  Garnison  auszurücken.  Der  Herzog  von  York  liess  ihnen 
sagen,  dass  er  Commissäre  nicht  kenne,  und  dass,  wenn  sie  ab- 
ziehen wollten,  sie  dies  entweder  in  Uniform  thun  oder  sich  unter 


^  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert.  Schoenenbergh,  ce  21  juillet  1793.  Orig. 

A.-A. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  29  juillet  1793.  Copie. 
'  Jean  de  Brie  und  Cochon.  Wiener  Zeitung  2438. 
Sitznngsber.  d.  phil.-bist.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  6.  Abb.  4 


50  ^-  AbhandlQDg:   ▼.  Zeissberg. 

den  Tross  mischen  müssten.  Coburg  stimmte  ihm  bei,  Mercy 
dagegen  schien  anderer  Ansicht.  Doch  der  Herzog  von  York 
blieb  dabei  und  sandte  Saint-Löger  ab,  um  ihnen  dies  zu  sagen. 
Man  hätte  gewünscht,  dass  sie  das  Volk  in  Valenciennes  ver- 
haftete, und  man  würde  dies  in  jeder  Weise  erleichtert  haben. 
Am  Abende  zuvor  hiess  es  auch,  dass  dies  geschehen  werde, 
aber  man  hatte  sich  getäuscht.'^ 

Statt  indess  der  Erzählung  Fersen's  weiter  zu  folgen,* 
ziehen  wir  es  vor,  den  anschaulichen  Bericht  mitzutheilen,  den 
Erzherzog  Carl  seinem  Oheim  Herzog  Albert  über  den  Auszug 
der  französischen  Garnison  aus  Valenciennes  erstattete  und  der 
die  Erzählung  des  schwedischen  Diplomaten  in  willkommener 
Weise  ergänzt. 

,Der  Auszug  der  Garnison,'  erzählt  Erzherzog  Carl,  ,fand 
am  2.  August^  Morgens  statt.  Den  Zug  eröffnete  Madame 
Cochon,  die  Gattin  des  (Convent8-)Commi8Särs,  begleitet  von 
einer  Anzahl  hübscher  Mädchen  und  Frauen  von  Paris  und 
einigen  Bürgern  von  Valenciennes.  Die  Garnison  bestand  aus 
6000  Mann,  theils  Linientruppen,  theils  Nationalgardisten,  und 
aus  1000  Kanonieren.  General  Ferrand  befand  sich  an  der 
Spitze,  desgleichen  General  Boileau  und  Tholoze,  der  Chef  der 
Ingenieurs.  Sie  benahmen  sich  äusserst  artig.  Dagegen  zog 
General  Beauregard,  einst  Komödiant,  nicht  einmal  den  Säbel 
und  lüftete  nicht  den  Hut  vor  dem  Herzoge  von  York  und  dem 
Prinzen  von  Coburg.  Die  Commissäre  marschirten  nach  ihrem 
Range;  sie  hatten  den  Gesichtsausdruck  grosser  Schurke  (sce- 
lörats).  Da  man  nicht  wusste,  was  man  mit  ihnen  anfangen 
sollte,  hatte  man  ihrer  in  der  Capitulation  nicht  ausdrücklich 
gedacht,  sondern  blos  gesagt,  dass  es  jedem  Bürger  nach  Be- 
lieben gestattet  sein  solle,  mit  der  französischen  Armee  Valen- 
ciennes zu  verlassen.  Die  französische  Besatzimg  marschirte  in 
geringer  Ordnimg,  defilirte  vor  der  englischen  und  hannoverischen 
und  einem  Theile  unserer  Armee  und  wurde  zu  den  Vorposten 
der  französischen  Armee  geflüirt,  nachdem  sie  die  WaflFen  nieder- 


*  Klinkowström,  Le  comte  de  Femen  II,  77  ff. 

'  Vergl.  auch  den  interessanten  Brief  bei  Girtanner,  Politische  Annalen  IV, 

1793,  S.  8  ff. 
^  Das  ist  ein  Irrthum;  vielmehr  muss  es  heissen:  1.  August. 


Belgien  nnter  der  OeneraUtuttbalt^^rscbaft  Erzherzug  CarU  (l7{tS,  1794).  51 

gelegt  hatte.  Sechs  Deserteurs,  die  man  unter  den  Franzosen 
entdeckte^  wurden  ohne  Gnade  und  Erbarmen  gehenkt.  Nach- 
dem die  Garnison  ausgerückt  war,  begaben  wir  uns  in  die  Stadt. 
Die  Municipalität  kam  uns  zum  Empfange  entgegen  und  über- 
reichte die  Schlüssel  dem  Prinzen  von  Coburg.  Wir  wurden  mit 
vielen  Zeichen  der  Freude  empfangen.^  Ich  eilte  durch  die  Stadt, 
begierig,  zu  sehen,  welche  Wirkung  unsere  Artillerie  daselbst 
hervorgerufen  habe,  und  ich  kann  Sie  versichern,  dass  ich  mir 
eine  solche  Wirkung  nicht  vorgestellt  hätte.  Der  ganze  an  der 
Frontseite  gelegene  Stadttheil  existirt  sozusagen  nicht  mehr. 
Alle  Häuser  sind  zusammengestürzt,  und  die  Strassen  sind  mit 
Trümmern  so  erfüllt,  dass  man  kaum  Einer  hinter  dem  Andern 
vorwärts  kommt  Zwei  grosse  Kirchen,  der  grösste  Thurm  von 
Valenciennes  sind  fast  eingestürzt,  und  man  sieht  nur  noch  zwei 
Mauern  von  dem  grössten  Thurme  der  Stadt,  der  dem  Feinde 
als  Observatorium  diente.  Und  all'  dies  ohne  eine  Spur  von 
Feuer,  denn  wir  haben  nie  die  Stadt  mit  glühenden  Kugeln 
beschossen.  Man  wird  Jahre  bedürfen,  um  dem  abzuhelfen. 
Was  die  Werke  des  Platzes  betriflft,  so  sind  ihre  Mauern  so 
zu  Grunde  gerichtet  und  eingestürzt,  dass  man  die  Aussen- 
werke  erstürmen  konnte,  ohne  Breschenbatterien  angelegt  zu 
haben,  und  die  Innenwerke  so  schadhaft,  dass  sich  in  weniger  als 
zwölf  Stunden  eine  prakticable  Bresche  hätte  herstellen  lassen.'  * 
Am  2.  August  um  7  Uhr  Morgens  fand  sich  der  Erz- 
herzog zu  Hörin  im  Hauptquartiere  Coburg's  ein ;  von  da  begab 
man  sich  zur  Observationsarmee,  weichein  zwei  Linien  auf  den 
Höhen  vor  Denain  lag.  Die  Truppen,  durchaus  Oesterreicher, 
gewährten  einen  prächtigen  Anblick;  namentlich  die  Hussaren, 
die  vor  acht  Tagen  aus  Kaschau  eingetroffen  waren  und  aus- 
sahen, als  wären  sie  eben  erst  aus  ihren  Quartieren  gekommen. 
£b  fand  ein  Te  Deum  statt,  welches  sowohl  der  Einnahme  von 
Valenciennes,  als  jener  der  Stadt  und  Festung  Mainz  galt.  Als 
man  sich   sodann  Mittags  zu  einem  Diner,    das  in   der  Kirche 


^  Im  Gegensatze  hieza  heisst  es  in  dem  officiellen  Berichte  der  ,Wiener 
Zeitang':  «B^i  dein  Einrücken  der  k.  k.  Truppen  herrschte  in  der  Stadt 
tiefe  Stille;  nar  einige  auf  dem  Platze  versammelte  Personen  weiblichen 
Geschlechts  klatschten  in  die  Hände/  Wiener  Zeitung  2437. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert  zu  Sachsen-Teschen.  Bruxelles,  ce  7  aoüt 
1793.  Orig.  A.-A. 

4* 


52  VI.  Abhandlnng:   t.  Zeissberg. 

stattfand,  versammelte,  traf  die  Nachricht  ein,  dass  Wunnser 
die  Franzosen  bei  Weissen  bürg  zurückgeworfen  habe.^ 

Am  4.  August  befand  sich  der  Erzherzog  wieder  in  Brüs- 
sel,* wo  aus  demselben  Anlasse  zu  St.  Gudule  ein  feierlicher 
Gottesdienst  stattfand  und  Abends  die  Stadt  beleuchtet  war.  Im 
September  besuchte  der  Erzherzog  die  Festung  Le  Quesnoy, 
wozu  deren  Capitulation  den  Anlass  gab.'  Am  15.  September 
kehrte  er  wieder  nach  Brüssel  zurück,*  um  sich  am  26.  neuer- 
dings zur  Armee  zu  begeben,  da  am  28.  und  29.  der  AngriflP 
auf  das  verschanzte  Lager  von  Maubeuge  stattfinden  sollte.^ 

Es  wurde  bereits  bemerkt,  dass  der  Erzherzog  bis  in  den 
Spätherbst  meist  auf  dem  Lande  zu  Laeken  weilte.  Hier  fand 
der  bekannte  Augeard  öfters  Gelegenheit,  den  Erzherzog  za 
sprechen.  Auf  dessen  Wunsch  fand  er  sich  jeden  Sonntag 
Mittags  bei  ihm  ein,  um  ihm  Vortrag  über  die  Ursachen  und 
Folgen  der  französischen  Revolution  zu  halten.  ,Ich  habe  nie,' 
bemerkt  Augeard,  ,ich  will  nicht  sagen  einen  jungen  Prinzen, 
nein,  einen  jungen  Mann  gefunden,  der  mehr  Eifer  für  das 
Gute  und  mehr  Ruhmbegierde  gezeigt  hätte  als  Erzherzog  Carl 
Ich  sagte  ihm  damals  voraus,  dass  er  sich  die  höchste  Achtung 
in  Europa  erwerben  werde.  Niemand  kennt  besser  als  er  die 
Unfähigkeit  und  die  Thorheit  der  Minister  des  unglücklichen 
Ludwig  XVI.  Er  schien  stets  auf  das  Aeusserste  der  Königin 
zugethan  und  gerührt  über  ihre  traurige  Lage  und  trug  mir 
auf,  dem  Grafen  Mercy  Alles  mitzutheilen,  was  ich  aus  Ver- 
sailles erfahren  könnte.*^  Auch  auf  Malmesbury,  der  den  Er«- 
herzog  am  5.  December  sprach,  machte  derselbe  den  günstigsten 
Eindruck :  , Well  mannered  and  speaking  to  the  purpose,^  ver- 
merkt er  über  ihn  in  sein  Tagebuch.' 

Am  31.  October  wurde  der  Sejour  in  Laeken  aufgehoben, 
und   der  Erzherzog   bezog   das   wiederhei^esteUte  Palais   royal 

*  Fersen  II,  81.  Wiener  Zeitung,  Beilage  Nr.  64. 
«  Wiener  Zeitung  2437. 

'  Delmotte  an  Maria  Christine.    Bruxelles,    le    12  septembre  1798.    Orig. 
eig.  A.-A. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert,  le  16  septembre  1798.  Orig.  eig.  A.-A. 
^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.    Brüssel,  den  26.  September  1798.  Orig. 

eig.  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bruxelles,  le  2  octobre  1798.  Orig.  A.-A. 

*  Augeard  808. 

'  Maline.sbury,  Diaries  and  corresp.  lU,  15. 


BolfiMi  unter  der  Oeoeralstatthalterschaft  Erzherzog  Carls  (1793,  17M).  53 

in  Brüssel.^  Vielleicht  hing  es  mit  der  veränderten  Lebens- 
weise, vielleicht  auch  mit  dem  tiefen  Eindrucke,  den  auf  ihn  der 
tragische  Ausgang  der  Königin  von  Frankreich  machte,'  zu- 
sammen, dass  der  Erzherzog  bald  darnach  (Anfangs  November) 
fieberkrank  wurde,  so  dass  er  genöthigt  war,  einige  Tage  das 
Bett  zu  hüten.  In  dem  betreffenden  Briefe  an  den  Kaiser  geht 
nämlich  zwar  der  Erzherzog,  der  es  überhaupt  nicht  liebte,  die 
Regungen  seiner  Seele  zu  erschlicssen,  mit  wenigen  Worten 
über  die  erschütternde  Katastrophe  seiner  königlichen  Tante 
hinweg,  indem  er  blos  bemerkt,  dass  er  die  übliche  Hoftrauer 
angeordnet  habe  5^  dass  aber  das  Ereigniss  ihn  heftig  bew^egte, 
da^  ist  wohl  Augeard  ein  zuverlässiger  Zeuge,  so  ungerecht 
auch  sein  Urtheil  über  Mercy  lautet,  mit  dem  er  sich  auf  Carls 
Wunsch  zur  Rettung  der  Königin  in  Verbindung  gesetzt  hatte, 
der  ihn  aber  ziemhch  trocken  abgefertigt  haben  soll.* 

Zwar  erholte  sich  auch  diesmal  Carl  bald  wieder  —  schon 
am  5.  November  verliess  er  zum  ersten  Male  das  Bett  ^  —  und 
seine  Genesung  rief  in  Brüssel  die  grösste  Freude  hervor.^ 
Man  beging  sein  Namensfest  nachträglich,  am  12.  November, 
mit  einem  Hochamte,  einer  Illumination  und  einem  Festspiele 
im  Theater  du  Parc,  betitelt:  ,L' Hommage  de  Bruxelles',  dem 
ein  anderes  Stück:  ,Les  yeux  de  l'amour  et  du  hazard^  folgte.'' 
Auch  wurde  aus  diesem  Anlasse  die  Statue  des  Prinzen  Carl 
wieder  aufgerichtet.  Aber  von  den  gewöhnlichen  Ausflügen  zur 
Armee  war  wohl  in  Anbetracht  des  Gesundheitszustandes  Carls 
und  der  bereits  vorgerückten  Jahreszeit  nicht  mehr  die  Rede. 


1  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bruxelles,  le  31  octobre  1793.  Orig.  A.-A. 
'  Mettemich  an  Trauttmanfldorff,  le  4  novembre  1793.  Copie. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  20.  Octobre.  Orig.  eig. 

*  Augeard  208.  Vergl.  aber  Vivenot-Zeissberg  UI,  275,  Nr.  177  und  330, 
Nr.  202.  Bacourt  II,  418  ff.  426  ff. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  11  novembre  1793.  Orig. 
Delmotte  an  Maria  Christine.  Bnixelles,  le  6  novembre  1793.  Orig.  A.-A. 

*  Delmotte  an  Maria  Christine,  le  14  (novembre)  k  10  heures  du  soir.  Orig. 
A.-A. 

^  Das  Festspiel  ist  gedruckt  (A.-A.)  und  betitelt:  ^a,  nouvelle  Dibutade, 
Bouquet  pour  le  jour  de  St.  Charles,  fete  de  S.  A.  R.  Tarchiduc  Charles, 
gouvemeur  des  Pays-Bas.  Ex^cut^  dans  la  salle  du  Parc,  devant  8.  A.  R., 
le  mardi  12  novembre  1792.  Par  Mr.  de  Beaunoir,  a  Bruxelles.  Chez 
J.  L.  de  Bonbers,  imprimeur  libraire  1793.  8^* 


54  ^I-  Abhandlung :  t.  Zeissberg. 


y.  Die  Stellung  des  Erzherzogs  als  Generalstatthalter 
im  Allgemeinen.  —   Sein  Yerhältniss  zu  den  Ständen 

und  zu  Metternich. 

Wir  kennen  bereits  die  Stimmung,  in  der  Erzherzog  Carl 
die  Statthalterschaft  der  Niederlande  übernahm;  wir  wissen^ 
wie  ungern  er  seinem  mihtärisehen  Berufe  entsagte,  um  sich 
einer  Thätigkeit  zu  widmen,  der  er  sich  nicht  gewachsen  wähnte, 
und  die  ihm  durch  die  Voraussicht,  dass  es  zu  neuen  unfirucht- 
baren  Kämpfen  mit  den  Ständen  von  Brabant  kommen  werde, 
von  vorneherein  verleidet  wurde.  Und  diese  Stimmung  beherrschte 
ihn  auch  in  der  Folge.  Beweis  dessen  sind  zahlreiche  Briefe 
desselben  an  vertraute  Freunde,  namentlich  aber  an  den  Kaiser, 
in  denen  er  sich  mit  einer  für  sein  Alter  bemerkenswerthen 
Klarheit  und  Klugheit  über  die  Vorgänge  in  dem  ihm  anver- 
trauten Lande  aussprach,  aber  auch  deutUch  zu  erkennen  gab, 
dass  er  sich  ebensowenig  als  in  seinem  häuslichen  Leben  in 
dem  ihm  übertragenen  pohtischen  Wirkungskreise  glücklich 
fiihlte,  ja  dass  er  schon  durch  die  erste  Berührung  mit  jenen 
unerquicklichen  Verhältnissen  angewidert  und  entmuthigt  wurde, 
und  daher  den  Wunsch,  seiner  Aufgabe  so  bald  wie  möglich 
wieder  enthoben  zu  werden,  durchschimmern  Hess. 

TieferbKekenden  entging  diese  Stimmung  nicht.  ,Ich  glaube 
wohl,'  schrieb  am  22.  Juni  Feltz,  der  frühere  Staats-  und  Kriegs- 
secretär,  an  ihn,  ,dass  in  gewisser  Beziehung  zu  dem,  was  gegen- 
wärtig geschieht,  das  General-Gouvernement  wenig  Anziehungs- 
kraft für  Eure  königl.  Hoheit  haben  dürfte.  Ihre  Seele  ist  zu 
gross,  Ihr  Genie  zu  erhaben,  Ihr  Urtheil  zu  gesund,  um  nicht 
so  manche  der  Verfügungen  zu  beklagen,  die  in  Ihrem  Namen 
erflossen  sind,  gegen  die  Würde  und  gegen  die  wahren  Inter- 
essen der  Krönet  ^ 

Besonders  bemerkcnswerth  aber  fUr  die  anfängliche  Stim- 
mung des  Erzherzogs  ist  ein  Brief,  den  er  ungefkhr  einen 
Monat  nach  seinem  Amtsantritte  an  den  Kaiser  richtete.  Der 
Brief  Uegt  uns  nicht  blos  in  dem  an  den  Letzteren  abgesandten 
Originale  in  deutscher  Sprache  vor;  ausnahujsweise  hat  ihn  der 


1  Feltz  an  Erzherzog  Carl.  Mastricht,  lo  22  juin  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


Belgien  anter  der  Generalstatthalterscbaft  Erzherzog  Carls  (1793,  17M).  55 

Erzherzog  zuerst  in  französischer  Sprache  concipirt  und  diesen 
Entwurf  dem  Grafen  Mercy  vorgelegt,  der  denselben  mit  eini- 
gen Bemerkungen  in  Bleifederschrift  versah,  die  eine  spätere 
Hand  vor  der  Gefahr  des  Verwischens  dadurch  bewahrte,  dass 
sie  dieselbe  nachträglich  mit  Tinte  nachzog.^ 

Das  Schreiben  ist,  wie  gesagt,  wenige  Wochen,  nachdem 
der  Erzherzog  die  Statthalterschaft  angetreten  hatte,  verfasst.  Es 
könnte  daher  auf  den  ersten  Blick  wohl  befremden,  dass  er, 
ohne  zuvor  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  gesammelt  zu  haben, 
sich  bereits  anheischig  machte,  sein  Urtheil  über  die  innere 
Lage  Belgiens  abzugeben.  Allein  wir  dürfen  nicht  übersehen, 
dass  Carl  nun  schon  seit  längerer  Zeit  in  Belgien  weilte,  und 
dass  er  sich  daselbst  keine  Gelegenheit,  seinen  politischen  Blick 
zu  schärfen,  entschlüpfen  Hess.  Wenn  er  nun  überdies  den  Ent- 
wurf jenes  Schreibens  einem  so  erfahrenen  und  kundigen  Manne 
wie  Mercy  zur  Prüfung  vorlegte,  so  zeigt  dies,  mit  welcher 
Vorsicht  und  Bescheidenheit  er  auch  in  diesem  Falle  zu 
Werke  ging. 

,Du  hast  von  mir  verlangt,'  so  lautet  der  merkwürdige 
Brief,  ,dass  ich  Dir  die  Wahrheit  und  meine  Art,  über  die 
Affairen  dieses  Landes  [zu  denken],  schreiben  solle.  Erlaube 
mir  einige  Bemerkungen,  so  ich  in  dem  kurzen  Zeiträume  eines 
Monats,  so  ich  erst  hier  bin,  gemacht  habe.  Das  Land  war 
in  drei  Parteien  getheilt:  die  der  Stände,  der  RoyaHsten  und 
[der]  Demokraten.  Die  erste  war  die  beträchtlichste,  und  man 
hat  sich  vorgenommen,  selbe  zu  gewinnen.  Man  hat  den  Ständen 
in  den  strittigen  Punkten  nachgegeben,  und  ich  glaube,  dass 
dies  nöthig  war,  um  die  Ruhe  in  dem  Lande  wieder  herzu- 
stellen; alle  Verbrechen,  so  während  der  Revolution  begangen 
worden,  hast  Du  verziehen,  und  dies  macht  Deinem  Herzen 
und  Deiner  Grossmuth  Ehre;  endhch  hat  man  alle  Diejenigen 
vom  Gouvernement  entfernt,  so  der  ganzen  Nation  verhasst 
waren.  Dies  Opfer  war  flir  das  öflfentliche  Wohl  nöthig,  und 
bisher,  glaube  ich,  wird  Niemand  Ursache  haben,  sich  zu  be- 
klagen   oder    die   Operationen    des   Gouvernements    zu    tadeln. 

^  Erzherzog  Carl  an  Franz  ü.  Brüssel,  den  18.  Mai  1793.  Orig.  in  deutscher 
Sprache  im  8t.-A.  Der  ebenfalls  eigenhändige  französische  Entwarf  im 
A.-A.  Die  Randbemerkungen  Mercy^s  werden  nachstehend  in  den  Anmer- 
kungen mitgetheilt. 


56  VI.  Abhandlang :  t.  Zeissberg. 

Allein  hier  sollte  man  sich  aufhalten  und  nie  einer  Partei  er- 
lauben, sich  zu  rühren  oder  den  Kopf  zu  heben.  Die  vergan- 
genen Verbrechen  hätte  ich  verziehen,  aber  nie  die  Dienste 
vergessen,  welche  Diejenigen  geleistet,  so  dem  Souverän  zuge- 
than  waren,  flir  den  sie  ihr  Glück,  ihr  Hab  und  Gut  au%e- 
opfert  haben.  Dem  Publicum  musste  man  Gleichgiltigkeit  für 
alle  Parteien  zeigen;  allein  durch  die  Erfahrung  unterrichtet^ 
wer  ehrliche  Leute  und  wer  Spitzbuben^  sind,  sich  deren  be- 
dienen, ohne  diese  zu  Verstössen.  Da  die  Departements  sozu- 
sagen directe  dem  Souverän  zugehören  und  in  seinen  Diensten 
stehen,  so  sollte  man  diese  mit  ehrUchen,  dem  Souverän  zuge- 
thanen  Leuten  besetzen,  und  denen  wenigen  Intriguanten,  so 
nicht  den  Wunsch  der  Nation  ausdrücken,  und  welche  so  lange 
schreien  werden,  bis  nicht  der  Souverän  lauter  ihrige  Creaturen 
in  seine  Dienste  genommen  haben  wird,  sollte  man  ewiges  Still- 
schweigen auferlegen.  Die  Magistrate^  sollten  aus  Personen 
von  allen  drei  Parteien  zusammengesetzt  werden,  um  sich  gegen- 
seitig im  Gleichgewichte  zu  erhalten,  und  gewiss  hätten  sie  dann 
dem  Souverän  und  dem  Lande  gut  gedient  [und  wären  ihm] 
nützUch  gewesen.  Die  Pensionärs  der  Stände,  welche  diese 
leiten,  müssen  geschmeichelt,  ihnen  Gnaden  und  Belohnungen 
hoffen  gemacht  w^erden,  dann  und  wann  [muss  man]  etwas  f&r 
sie  thun,  sie  immer  anhören,  sich  aber  nie  in  ihre  Arme  werfen, 
nie  [sollten]  sie  um  Alles  zu  Rathe  gefragt  werden,  in  Allem 
gefolgt  werden.  Dies  war  nach  meiner  Meinung  der  Weg,  wel- 
chen man  einschlagen  sollte,  gewiss  wäre  er  von  Statten  ge- 
gangen, wenn  man  zu  gleicher  Zeit  durch  eine  noble  Stand- 
hailigkeit  den  Ständen  über  alle  übrigen  Forderungen,  so  sie 
hätten  machen*  können,  den  Mund  gesperrt  hätte.  Zufrieden, 
die  Constitution  und  über  die  strittigen  Punkte  eine  ihren  Wün- 
schen gemässe  Entscheidung  erhalten  zu  haben,  steht  es  ihnen 
nicht  an,  dem  Souverän  vorzuschreiben,  was  er  thun,  wen  er 
in  seine  Dienste  nehmen  oder  nicht  nehmen  solle  o.  s.  w.  Allem 
wer  wird  sich  jemals  trauen,  standhaft  femer  mit  den  Ständen 
zu  reden  und  zu  handeln,  wenn  man  nicht  sicher  ist,  von  Wien 


^  Im  fT«Qid«u5che&  Eutwnrfe:  tripous. 

*  Dain  Mercy  jun  Rjuide  de«  t'nuii(!s«UcheD  Entwurfes:    «aecur«  iBfiBimcBt 
juste  et  la  :$eule  qne  1«»  Prvvinces  ;üeut  demauiiee  «  U  f— tig^  4e  t TSlX.' 


Belgitn  unter  der  Generalstattb alterschaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  57 

aus  unterstützt  zu  werden?  Anstatt  nach  denen  Grundsätzen  zu 
Iiandeln,  so  ich  hier  angeführt  habe,  hat  man  gerade  das  Gegen- 
theil  gethan.  Nachdem  die  Constitution  hergestellt/  denen  vorigen 
Klagen  der  Stände  war  genug  gethan  worden,  hat  man  weiteren 
unschicksamen  Forderungen  Gehör  gegeben,  so  man  gar  nicht 
aufkommen  lassen  sollte.  Denn  seit  wann  soll  es  Unterthanen 
erlaubt  sein,  dem  Souverän  den  Weg  vorzuschreiben,  den  er 
einschlagen  solle,  ihnen  Gesetze  zu  geben?  Man  hat  vielen 
Personen  ihre  Anstellung  weggenommen,  weil  die  Stände  ohne 
gegründeter  Ursache  sagten,  diese  missfielen  der  Nation,  und 
dies,  weil  sie  zwei  oder  drei  Personen  missfielen,  so  die  Stände 
leiteten.  Man  hat  Ungerechtigkeiten  begangen,  um  ihnen  zu  ge- 
fiällen,  und  erst  kürzlich  hat  das  Conseil  de  Brabant  einen  Ein- 
bruch in  die  Constitution  gemacht,*  indem  es  den  Procureur 
göneral  seiner  Anstellung  entsetzt  hat,  so  vermöge  der  ersten 
Artikel  der  Joyeuse  entröe  nicht  ohne  einen  Process  und  einen 
darauf  erfolgten  Rechtsspruch  geschehen  kann.  EndUch  hat  man 
bei  den  Aenderungen  der  Magistrate,  so  eben  vor  sich  ge- 
gangen sind,  nur  die  Pensionärs,  die  wüthigsten  Anhänger  der 
Stände  zu  Rathe  gezogen,  und  die  Magistrate  sind,  anstatt  ge- 
mischt zu  sein,  blos  aus  Leuten  besetzt,  so  den  Ständen  er- 
geben sind,  und  so  sich  während  der  Revolution  der  schauer- 
lichsten Verbrechen  schuldig  gemacht  haben.  Da  man  sich 
dadurch  ganz  in  die  Arme  der  Stände  geworfen  hat,  hat  man 
seinen  Endzweck  verfehlt.  Man  wollte  sie  gewinnen,  man  hat 
sich  blos  ihre  Verachtung  zugezogen,  und  Royalisten  und  Demo- 
kraten sind  nun  noch  aufgebrachter  wider  den  Souverän  und 
das  Gouvernement,  als  es  je  die  Anhänger  der  Stände  waren, 
so  dass,  wenn  heute  eine  Revolution  vorgeht,  der  Souverän 
Niemand  mehr  finden  wird,  der  es  mit  ihm  wird  halten  wollen. 
Was  ich  Dir  hier  schreibe,  sind  nicht  pure  Worte  oder  Ideen, 
ich  habe  Beweise  davon  neulich  gehabt,  als  ich  zu  G^nt  war, 
wo  ich  einige  wüthige  Anhänger  der  Stände  triumphirend,  alle 


^  Franzöaischer  Text:  la  Constitution  comme  eile  6toit  sous  le  r^ne  de 
Marie  Tb^rcse. 

*  Hiezu  bemerkt  Mercy  am  Rande  des  französischen  Entwurfes:  ,obser- 
vation  d^autant  plus  importante  qu^elle  prouve  avec  quelle  impudence 
on  pr^nd  astreindre  le  souverain  k  une  Constitution  que  Ton  n'b^site 
pas  de  violer  manifestement,  quand  cela  convient  aux  Etats/ 


Öo  VI.  AbhandluDg:  v.  Zeissberg. 

Uebrigen  aber  traurig  und  abgeschlagen  gefunden  habe.  Lasse 
Dich  nicht  über  die  Absichten  der  Stände  in  Irrthum  führen. 
Sie  waren  einmal  Souveräns^  können  sich  an  den  Gedanken 
nicht  gewöhnen,  keine  Macht  mehr  zu  haben,  und  arbeiten  be- 
ständig daran,  so  viel  als  möglich  an  sich  zu  ziehen,  es  mag 
nun  directe  oder  indirecte  sein,  indem  sie  die  Operationen  des 
Gouvernements  leiten  und  sich  unterwerfen  wollen.^ 

jDies  ist  die  Lage,  in  welcher  ich  die  Affairen  in  diesem 
Lande  gefunden  habe.  Wir  sind  nun  schon  zu  weit  gegangen, 
um  uns  zurückzuziehen,  wir  werden  dem  Systeme  folgen  müssen, 
so  wir  angefangen  haben  zu  folgen,  und  nur  nach  und  nach 
und  sehr  langsam  uns  zurücke  zu  ziehen  [vermögen].  Schon 
hat  man  sich  bei  einem  guten  Drittel  der  Nation  verhasst  ge- 
macht; schon  schreien  alle  Demokraten,  Röyalisten,  alle  Die- 
jenigen, so  ihre  Emplois  Creaturen  der  Stände  haben  abtreten 
müssen,  über  die  Ungerechtigkeit;  man  wird  ihnen  müssen 
nach  und  nach  das  Maul  sperren,  sie  wieder  anstellen,  ihnen 
Entschädigungen  flir  den  für  den  Dienst  erlittenen  Verlust  ver- 
schaffen u.  s.  w.  Allein  das  grosse  Uebel  ist  schon  geschehen. 
Vielleicht  wird  es  glücklich  gehen,  vielleicht  werden  die  Stände 
endlich  filhlen,  dass  ihr  Wohlsein  von  dem  des  Souveräns  nicht 
zu  trennen  ist.  Allein  das  Uebel,  sich  bei  zwei  Parteien  ver- 
hasst gemacht  zu  haben,  ohne  eine  dritte  zu  gewinnen,  das 
Uebel,  währenddem  man  allen  Parteien  ein  Ende  machen  woUte, 
der  einen  so  viel  Consistcnz  gegeben  zu  haben,  dass  sie  alle 
übrigen  unterdrückt  und  dadurch  der  Parteigeist  immer  er- 
halten wird,  dies  Uebel,  sage  ich,  ist  schon  geschehen.* 

,Zum  Glücke  für  Deinen  Dienst  und  für  mich  schreibt 
man  mir  Alles,  was  geschehen  ist  und  was  so  viele  Leute 
schreien  macht,  nicht  zu.  Man  bedauert  mich  im  publice.  Dies 
ist  ein  junger  Mensch,  sagt  man,  der  weder  die  Menschen, 
noch  die  Aflfairen  kennt,  der  den  Räthen,  so  man  ihm  gibt, 
folgen  muss,  und  dem  man  übel  rathet.  Zum  Glücke  lieben 
mich  noch  alle  Parteien.  Allein  wenn  die  Sachen  fortdauern  so  zu 
gehen,  wie  sie  gehen,  so  wird  das  auch  aufhören,  und  was  soll 
ich  thun,  da  ich  weder  die  Affairen  noch  die  Menschen  kenne, 
als  den  Räthen  folgen,  so  man  mir  gibt,  und  wenn  man  sich  in 
der  Nothwendigkeit  befindet,  eine  Partei  zu  ergreifen,  so  den 
Hass  eines   grossen  Theiles   der  Nation   nach   sich  zieht^    wäre 


Belgien  unter  der  Oenenüstatthalterschaft  Krxtaenog  CerU  (1799,  1794).  59 

es  nicht  besser,  wenn  ich  davon  befreit  wäre;  ist  es  wohl  fllr 
Deine  Dienste  nützlich,  dass  der,  so  dieses  Land  zu  gouvemiren 
bestimmt  ist,  von  einem  Theile  der  Nation  verhasst  sei?  In 
dieser  Absicht,*  und  da  ich  voraussah,  wie  nlltzHch  es  wäre, 
dass  ich  nicht  daö  Opfer  der  ersten  Einrichtungen  und  Ent- 
schlüsse, so  man  hier  nehmen  muss  und  zu  nehmen  müssen 
glaubt,  sei,  hatte  ich  Dich  gebeten,  mir  zu  erlauben,  so  lange 
bei  der  Ai*mee  zu  bleiben,  bis  eine  Einrichtung  wäre  gemacht 
gewesen.  Wegen  dem  Namen  Carl,  den  ich  fUhre,  beliebt, 
hätte  ich  dann  kommen  und  alle  Parteien  vereinigen  können. 
Niemand  wäre  wider  mich  aufgebracht  gewesen,  weil  ich  an 
Allem,  was  geschehen  wäre,  keinen  Theil  gehabt  hätte,  und 
vielleicht  hätte  ich  die  geschehenen  Fehler  verbessern  oder  ihnen 
abhelfen  können.  Nun  wird  es  aber  bald  oder  spät  heissen,  dass 
ich  daran  Theil  hatte,  da,  wie  ich  Dir  geschrieben  habe,  man 
nun  den  eingeschlagenen  Weg  nicht  ändern  kann.  Ein  Theil 
der  Nation  wird  mich  hassen,  und  ich  werde  nie  im  Stande 
sein,  das  Gute  zu  stiften,  was  ich  hätte  thun  können,  wenn  ich 
an  allem  Vergangenen  keinen  Theil  gehabt  hätte.  Um  diesem 
abzuhelfen,  sehe  ich  nur  zwei  Mittel:  entweder  dass  Du  mir 
erlaubst,  zu  der  Armee  zurückzugehen  oder  eine  Keise  zu 
machen,  oder  wenigstens  mich  so  passiv  als  möglich  zu  halten. 
Alles,  was  man  mir  sagt,  anzuhören,  den  Wunsch  zu  zeigen, 
dass  Alles  gut  gehe,  sich  alle  Parteien  um  das  Wohl  des  Landes 
zu  machen  u.  s.  w.,  aber  nie  in  keine  Details  von  AflFairen 
einzugehen.  Denjenigen,  so  etwas  Bestimmtes  wissen  wollen,  zu 
sagen,  dass  ich  von  den  Sachen  nicht  genug  unterrichtet  bin, 
hören  werde,  was  mir  die  Jointe,  so  übermorgen  ihre  Sitzungen 
anfangen  wird,  und  der  Minister  vorschlagen  werden  und  der- 
gleichen mehrere  nichtsbedeutende  Ausdrücke.  Dadurch  werde 
ich  immer  neutral  [bleiben],  und  in  einem  schweren  und  wichtigen 
Falle  wird  man  zu  mir  seine  Zuflucht  nehmen,  und  ich  werde 
im  Stande  sein,  einen  Entschluss  zu  fassen,  ohne  verdächtig  zu 
sein,  vom  Parteigeist  dazu  gebracht  zu  werden.  Ich  bitte  Dich, 
bester  Bruder,  alle  diese  Betrachtungen  wohl  zu  überlegen  und 


^  Zu  den  folgenden  Sätzen  bemerkt  Mercy  am  Rande  des  französischen 
Entwurfes  eigenhändig:  ,tout  ceci  est  d'unej astesse  de  raisonnement  sans 
repliqae.* 


60  VI.  Abhandlung:  t.  Zeissberg. 

mir  dann  Deine  Befehle  zukommen  zu  lassen.  .  • .  Da  die  Erz- 
herzogin und  der  Herzog  am  Ende  des  Monats  nach  Bonn  za 
kommen  gedenken^  so  hoffe  ich,  wirst  Du  mir  erlauben,  auf 
einige  Tage  zu  ihnen  en  visite  zu  gehen/ 

Von  derselben  Gesinnung  erfüllt  zeigt  sich  ein  Brief  des 
Erzherzogs  an  den  Kaiser  vom  1.  Juni,  in  dem  es  unter  Be- 
rufung auf  den  soeben  mitgetheilten  Bericht  und  ein,  wie  es 
scheint,  nicht  mehr  erhaltenes  Schreiben  des  Kaisers  vom  22.  Mai 
heisst:  ,Graf  Rosenberg  hat  mir  einen  Brief  von  Dir  vom  22.  Mai 
gestern  überreicht.  Aus  dessen  Inhalt  ersehe  ich,  dass  Du  selbst 
eingesehen  hast,  dass  bei  uns  der  Parteigeist  wieder  auflebet 
und  neue  Wurzeln  zu  fassen  scheinet  Allein,  wie  kann  dies 
wohl  anders  sein,  wenn  man  von  einer  Seite  in  Deiner  Kanzlei 
zu  Wien  Intriguanten,  so  von  einer  oder  der  andern  Partei 
dahin  geschickt  werden.  Gehör  gibt  und  sich  von  der  andern 
Seite  einer  Partei,  nämlich  der  ständischen,  ganz  in  die  Arme 
wirft  und  sich  durch  sie  leiten  lässt.  Man  muss  sich  über  die 
Absichten  der  Stände  nicht  betrügen;  sie  herrschten  einmal  in 
diesem  Lande  und  wollen  noch  immer  regieren,  sei  es  nun 
geradewegs  oder  indem  sie  die  Operationen  des  Gouvernements 
leiten.  Das  Opfer  von  einigen  Milhonen  selbst  wird  ihnen  nichts 
kosten,  wenn  sie  dadurch  ihre  Absicht  erreichen  und  uns  so 
in  der  Schhnge  tlihren,  dass  wir  uns  ihrer  Leitung  unterwerfen 
müssen.*  ^ 

Kaiser  Franz  beantwortete  den  Brief  seines  Bruders  in 
einem  Schreiben,  das  die  Auffassung,  als  sei  es  darauf  abge- 
sehen, die  Partei  der  Stände  principiell  zu  ergreifen,  widerlegen 
sollte  und  zugleich  in  eindringlichen  Worten  den  jungen  Statt- 
halter ermahnte,  nicht  über  die  ersten  Schwierigkeiten,  die  sich 
seinem  Wirken  entgegensetzten,  den  Muth  zu  verlieren,  sondern 
standhaft  auf  dem  ihm  anvertrauten  Posten  auszuharren.  ,Die 
Bemerkungen,'  schreibt  der  Kaiser,  ,die  Du  mir  in  Deinem 
letzten  Briefe  gemacht,  sind  alle  wohl  gegründet,  und  ich  bin 
mit  Dir  der  Meinung,  auch  ganz  überzeugt,  dass  das  Land  in 
mehrere  Parteien  getheilet  war.  Da  die  Partei  der  Stände  die 
stärkste  war.  so  musste  selber,  um  die  Ruhe  herzustellen,  etwas 
mehr  nachgegeben  werden.  Da  aber,  wie  ich  wünsche  ond  ver- 

^  Enhen«^  CatI  jui  deu  Kaiser.  Brüssel,  den  1.  Juni  1793.  Qri^.  eig. 


Belgien  unter  der  Oeneralstatthaltersrtaaft  Krzhorz«>g  Carls  (1798,  1794).  61 

laDge,   selbe   bei   ihren   Fondamentalgesetzcn,   bei   der  Joyeuse 
entröe  zu  erhalten,  so  bin  ich  jedoch  nicht  gesinnt,  von  meinen 
Rechten  als  Souverän  zu  weichen,  und  ich  müsste  sehr  verübeln, 
wenn   nicht  hierauf  aller  Bedacht  getragen  und   auf  mein  An- 
gehen  und  Bestes   gesehen    würde.'    Der  Kaiser  berührt   auch 
die   ertheilte  Amnestie.    Es   sei   durchaus   nicht   seine  Meinung 
gewesen,   dass  die  Uebelgesinnten  in  Bezug  auf  Bedienstungen 
denen,   die  ihm  und  ihrem  Dienste  treu  geblieben,   vorgezogen 
werden  sollten.   Er  habe  nur  jene  nicht  ganz  auf  die  Seite  ge- 
setzt wissen   und  dadurch   zu  erkennen  geben  wollen,   dass  er 
vergangene  Fehler  und  ihm  zugefügte  Beleidigungen  vergebe. 
Bei  allen  Gelegenheiten   aber  werde   er  es   sich  angelegen  sein 
lassen,  denen,  die  ihm  stets  treu  geblieben  seien.  Beweise  seiner 
ErkenntUchkeit  zu  geben  und  sie  vor  Anderen  nach  Verdienst 
zu  belohnen.    ,Du  meldest  mir,*    fUhrt  er  fort,    ,dass  die  Unzu- 
friedenheit und   noch   wenig    hergestellte   Ordnung   weder   mir 
noch  Dir  zugemuthet,  dass  Du  geliebet,  aber  zugleich  bedauert 
bist;  weiters,  dass  es  viel  filrträglicher  gewesen  wäre,    erst  das 
Gouvernement  anzutreten,  wenn  die  Ordnung  ganz  hergestellet 
und  in  Gang  gebracht  worden.  Du  äusserst  den  Wunsch,  Dich 
zu  der  Armee  zu   verfügen  oder   eine  Reise  zu   machen.    Auf 
alles   dieses   werde   ich  Dir  frei   meine  Willensmeinung   sagen. 
Ich  finde  dermalen  Deine  Gegenwart  an  Deinem  Platze  iment- 
behrlicb.    Ich  trage  Dir  auf,   bei  allen  Gelegenheiten  auf  mein 
Bestes   zu  sehen;    ich   setze   mein  ganzes  Vertrauen   auf  Dich, 
versehe   mich   auch,   Du   wirst  wissen,   durch   Deine  Klugheit, 
gute  Art  sowohl  mir  als  Dir  selbst  die  Liebe  und  das  erforder- 
liche Zutrauen  zu  gewinnen.    Alle  Deine  Aufmerksamkeit 
muss  dahin  gerichtet  sein,  die  Stimmung  der  Gemüther 
wohl  auszunehmen,   die  etwaigen  Factionen  zu  ergrün- 
den;^  trachte  eine  Wahl  einiger  treu  und  gut  Denkenden  zu 
machen,  Dich  mit  selben  zu  unterreden  und  zu  bcrathschlagen. 
Ertheile  mir  von  Allem,   so  meinen  Dienst  und  das  all- 
gemeine   Beste    betrifft,    genaue   Auskunft,*    handle   mit 
mir  aufrichtig   und  in  dem  besten  Vertrauen,   versichere  Dich, 


'  Zaerst  mit  Bleifeder,  dann  mit  Tinte  unterstrichen.    Am  Rande  von  an- 
derer Hand:  k  observer. 
*  Ebenso.  Am  Bande  von  anderer  Hand:  a  avertir. 


()2  VI.  Abhandlnog:   t.  Zeissberg. 

class  ich  Dir  bei  allen  Gelegenheiten  mit  Rath  und  That  an  die 
Hände  gehen  und  sicher  von  hier  aus  unterstützen  werde.  Lasse 
nicht  den  Muth  sinken  und  wende  alles  Mögliche  an  zu  dem 
Besten  meines  Dienstes,  ja  des  Landes  selbst.  Ich  muss  Dir 
noch  einmal  wiederholen,  dass  ich  nicht  zugeben  kann,  dass 
Du  Dich  weiters  von  dem  Gouvernement  entfernest,  und  ich 
ertheile  Dir  blos  die  Erlaubniss,  höchstens  auf  24  Stunden  zu 
der  Erzherzogin  Marie  Dich  zu  verfügen.^* 

Auch  Erzherzog  Leopold  richtete  an  Carl  damals  ein  Schrei- 
ben, das  in  herzlichem  Tone  und  wahrhaft  brüderlicher  Weise  dem 
Zagenden  Muth  oinzuflössen  suchte.  ,Ich  bedauere,^  heisst  es  in 
demselben,  ,Euere  Lage  der  Geschäfte ;  wenn  ich  Dir  aber  meine 
Meinung  als  Dein  bester  Freund  sagen  soll,  so  erheischt  eben 
diese  Lage  Deine  Gegenwart  und  Deine  soi^ältigste  Arbeit 
Man  Hess  Dich  in  dem  Lande,  weil  man  weiss,  dass  Du  es  gut 
meinst,  und  dass  Du  die  Nation  wieder  liebest.  Alle  Parteien 
sind  mit  Dir  zufrieden,  weil  sie  wissen,  dass  Du  von  keiner 
bist.  Erhalte  Dich  darin,  sei  von  keiner  Partei  und  gehe  den 
geraden  Weg  fort.  Freilich  ist  dies  nicht  leicht,  aber  eben  diese 
AuÖHUurung,  dieses  Bestreben,  das  Beste  des  Landes  zu  wollen, 
muss  Dir  die  Liebe  Deines  Souveräns  und  des  Landes  gewinnen 
und  befestigen.  Wenn  auch  gleich  nicht  Alles  beiderseits  gehet, 
wie  es  sollte,  so  musst  Du  Geduld  haben,  es  den  Umständen 
zuschreiben.  Wirbelköpfe,  unruhige  Leute  kann  man  nur  mit 
der  Zeit  curiren.  Fehler,  die  von  hier  gemacht  werden,  muss 
man  der  Entfernung,  etwa  auch  der  Uner&hrenheit  zuschreiben, 
überhaupt  aber  sich  trösten,  wenn  man  seine  Schuldigkeit  ab 
ein  ehrlicher  Kerl  gemacht  und  für  alle  Parteien  gleich  den  ge- 
raden Weg  gewandert  [sie]  hat  Darum  glaube  ich,  dass,  da  in 
einem  Lande,  wo  so  viele  Parteien  sind,  ein  Chef  nothwendig 
ist  auf  welchen  sie  ihr  Vertrauen  haben,  da  sie  sicher  sind,  dass 
er  sich  nicht  von  einer  gegen  die  andere  gebrauchen  wird,  son- 
dern das  Land  nach  Gerechtigkeit  regieren  werde,  Se.  Majetstit 
Dir  unmöglich  erlauben  könnte,  eine  Reise  zu  machen  und  jetil 
die  Geschäfte  liegen  zu  lassen,  wo  es  meiner  Meinung  die  här 
ligste  Ptlieht  ist.  Dir  alle  Mühe  zu  geben,  die  Sachen  zu  re- 
dressiren.    Verzeihe  mir  meine  Offenherzigkeit,   wenn  ich  Dich 


^  Fraiiz  II.  an  Enhenog  CarL  Laxenbarp,  den  {l)t.  Joni  179S.  Ori|^.  A.-A. 


Belgien  unter  der  Gener&lstatthaltprscbaft  Erzherzog  Carls  (1799,  1794).  63 

nicht  80  herzlich  liebte,  schriebe  ich  Dir  nichts  von  allem  diesem. 
Ich  kann  Dir  sagen,  dass  mein  Bruder  gar  nicht  dasjenige,  was 
Du  ihm  geschrieben,  übel  genommen  hat.  Er  liebt,  schätzt  und 
bedauert  Dich,  aber  sieht  auch  so  wie  ich  ein,  dass  er  Dich 
jetzt  unmögHch  von  Deinem  Amte  dispensiren  kann.'^ 

Erzherzog  Carl  fügte  sich  zwar  fortan  in  das  Unvermeid- 
liche, aber  seine  Ansichten  blieben  dieselben,  und  ebenso  auch 
die  Stellung,  die  er  den  Vorgängen  im  Innern  Belgiens  gegen- 
über einnehmen  zu  müssen  glaubte.  ,In  meinem  Briefe  vom 
18.  Mai,'  heisst  es  in  einem  Berichte  vom  28.  Juni  1793,  ,habe 
ich  Dir  geschrieben,  dass  die  Factionen  anstatt  vermindert  oder 
ganz  verschwunden  zu  sein,  noch  immer  dieses  Land  theilen. 
Dies  bestätigt  sich  von  Tag  zu  Tag.  .  .  .  Jede  Provinz  enthält 
zwei  oder  drei  Personen  voll  Geist  und  mit  einem  besonderen 
G^ist  von  Intrigue  begabt  Diese  formiren  mitsamm  eine  geheime 
G^ellschaft,  correspondiren  miteinander  und  arbeiten  alle  zu 
dem  nämlichen  Zwecke,  alle  Autorität  an  sich  zu  ziehen.  Sie 
sind  es,  welche  das  Gouvernement  zu  Brüssel  überUefen,  sich 
anmassten,  zu  entscheiden,  welche  Personen  dem  Volke  ange- 
nehm oder  unangenehm  seien,  vorgaben,  unterrichtet  zu  sein, 
was  das  Volk  wünsche,  und  in  alledem  blos  dem  Triebe  ihrer 
Leidenschaften  folgten,  dasjenige  als  Wünsche  des  Volkes  dar- 
stellten, so  ihrem  Interesse  gemäss  war  und  in  ihr  System  ein- 
schlug, kurz,  welche  es  dahin  brachten,  dass  ihre  Creaturen  zu 
allen  Magistratsstellen  ernannt  wurden,  sich  dadurch  einen  thäti- 
gen  Einfiuss  in  alle  Aflfairen  verschafften  und  das  Gouvernement 
zugleich  so  zu  locken  und  zu  gewinnen  gewusst  haben,  dass  man 
glaubt,  nichts  ohne  ihnen  thun  zu  können.  Dies  sind  die  näm- 
lichen Leute,  welche  sich  seit  der  Regierung  des  Kaisers  Josef 
allem  demjenigen  widersetzen,  so  das  Gouvernement  machen 
wOl,  so  unter  Kaiser  Leopold  so  viele  Anstände  gemacht  hatten, 
weil  man  ihrem  Systeme  und  ihrem  Plane  nicht  folgen  wollte,  so 
mm  eine  Menge  Anstände  gehoben  [sie]  haben  oder  wenigstens 
zu  heben  schienen,  und  deren  man  sich  bedienen  musste,  ohne 
sich  ganz  in  ihre  Arme  zu  werfen,  ohne  ihnen  blindlings  zu 
folgen.  Sie  haben  ihren  Endzweck  erreicht  und  werden  uns  für 


^  Erzherzog  Leopold  an  Erzherzog   Carl.    Laxenhurg,  den  8.  Juni   1873. 
Orig.  eig. 


64  VI.  Abhandlung:   y.  Zeissberg. 

den  Augenblick  keine  Difficultäten  machen^  allein^  wenn  wir 
einmal  werden  etwas  Anderes  thun  wollen  oder  werden  ge- 
zwungen werden,  etwas  zu  thun,  was  nicht  in  ihren  Plan  ein- 
schlagen wird,  dann  werden  wir  entsetzliche  Difficultäten,  An- 
stände von  allen  Seiten  zu  überwinden  haben,  und  alle  Parteien 
werden  missvergnügt  sein,  sowohl  die,  welche  es  zuvor  waren, 
als  die,  welchen  man  bis  dahin  wird  geschmeichelt  haben,  und 
denen  man  nun  auf  einmal  wird  vor  den  Kopf  stossen  müssen.' 
,Dies  ist,*  so  schliesst  der  Erzherzog,  ,die  Art  zu  denken  und 
zu  handeln  von  der  Gesellschaft,  welche  sich  Alles  unterwerfen, 
Alles  leiten  will.  Ich  will  nicht  sagen,  dass  man  sie  gänzlich 
auf  die  Seite  setzen  soll;  man  sollte  sich  ihrer  bedienen.  Viel- 
leicht hätte  man  alle  diese  Leute  ganz  gewinnen  und  Dein 
Interesse  mit  dem  ihrigen  verbinden  können,  wenn  man  die 
vornehmsten  directe  in  Deine  Dienste  genommen  hätte.  Ich 
glaube  sogar,  dass  sie  gedacht  haben,  dass  dies  der  Plan  des 
Gouvernements  sei,  und  glaube,  dass  dies  die  Ursache  ist,  warum 
Kapsaet,  welcher  einer  von  den  ersten  unter  ihnen  ist,  die  Stelle 
von  Conseiller  priv^  nicht  angenommen  hat,  so  ihm  angetragen 
worden.  Ihre  Hauptintrigue  geht  jetzt  dahin,  dass  die  Vornehm- 
sten von  dieser  Gesellschaft  zu  Pensionären  der  Stände  in  denen 
verschiedenen  Provinzen  erwählet  werden,  und  dass  sie  dadurch 
sich  von  allen  Schritten,  so  die  Stände  machen  werden,  ver- 
sichern und  selbe  so  leiten,  wie  sie  es  mit  dem  Gouvernement 
schon  machen.  Gelingt  ihnen,  ihren  Plan  auszuftihren,  so  wir 
nicht  verhindern  können,  da  die  Wahl  der  Pensionärs  blos  von 
den  Ständen  abhängt,  so  haben  sie  dadurch  alle  Autorität  in 
Händen  und  werden  bald  unter  dem  Namen  des  Gouverne- 
ments, bald  unter  dem  der  Stände^  regieren.'  Erzherzog  Cail 
kommt  unter  diesen  Verhältnissen  zu  seinem  anfänglichen  Vor- 
satze zurück.  ,Was  mich  betrifft,  bester  Bruder,'  sagt  er,  ,glaube 
ich  bis  jetzt  ftir  das  Wohl  Deines  Dienstes  nichts  Anderes  thun 
zu  können,  als  bei  Allem,  was  geschieht,  passiv  zu  bleiben,  um 
mir  den  Hass  weder  von  einer  noch  von  der  anderen  Partei 
zuzuziehen  und  nicht  zu  scheinen,  an  Sachen  und  Einrichtungen 
Theil  zu  haben,  so  vielleicht  bald  oder  spät  werden  geändert 
werden  müssen,  und  mich  immer,  wenn  zu  grosse  Inconvenients 


1  Im  Originale:  ,des  Gouvernements*. 


Belgien  unter  der  Oenenlstatthaltcrüchaft  Enhenog  C&rb  (1793,  1794).  65 

daraus  entstehen  sollten,  als  ein  neutraler  Mensch  ins  Mittel 
legen  zu  können.  Man  hat  ein  System  genommen,  man  kann 
es  jetzt  nicht  ändern,  nur  mit  der  Zeit  und  nach  und  nach, 
oder  wenn  zu  grosse  Anstände  entstehen  sollten,  wird  man  viel- 
leicht über  verschiedene  Sachen  zurückkommen  müssen.  Ich 
werde  indessen  suchen,  mir  die  Liebe  und  das  Vertrauen  des 
Landes  zu  gewinnen,  um  im  sich  ergebenden  Falle  Dir  wich- 
tige Dienste  leisten  zu  können,  auf  welches  ich  verzichten 
müBste,  wenn  ich  jetzt  zu  viel  AnhängUchkeit  fUr  eine  oder  die 
andere  Partei  zeigen  imd  zu  viel  Antheil  an  Operationen  nehmen 
würde,  so  durch  eine  Partei  allein  geleitet  werden.** 

Anlässlich  der  Brabanter  Kanzlerfrage  kommt  der  Erzherzog 
auf  seine  Voraussagungen  zurück.  ,Nun  zeigt  sich,^  schreibt  er, 
was  ich  Dir  schon  einmal  die  Elire  gehabt  habe  zu  schreiben, 
dass  Alles  gut  gehen  wird,  so  lange  man  den  Ständen  in  Allem 
nachgeben  wird,  dass  aber  Alles  wird  rebelUsch  werden,  wenn 
man  in  etwas  ihrem  Willen  nicht  folgen  wird.  Sie  haben  sich 
von  ersterem  geschmeichelt.  Nun  verweigern  sie  oder  machen 
wenigstens  die  grössten  Anstände  mit  den  Lieferungen  für  die 
Armee,  so  dass  es  neuUch  bei  selber  bald  an  Stroh  gefehlt 
hätte,  weil  sie  keines  hefern  wollten.  Nun  wollen  sie  nichts 
mehr  von  Inauguration  reden  hören;  kurz,  nun  sind  wir  wie- 
der wie  zuvor.  Alles  in  Unordnung.  Wenn  je  Standhaftigkeit 
nöthig  war,  so  ist  es  nun  mehr  als  jemals.  Sei  versichert,  dass 
ich  Alles  thun  werde,  was  von  mir  abhängen  wird.  Deinen 
Dienst  zu  befördern.  Sollte  ich  aber  jemals  das  Unglück  haben, 
meinen  Zweck  nicht  zu  erreichen,  oder  sollte  es  Dir  scheinen, 
dass  ein  Anderer  besser  als  ich  und  besser  für  das  Wohl  des 
Staates  diese  SteUe  bekleiden  könne,  so  bitte  ich  Dich  durch 
die  Freundschaft,  die  Du  immer  für  mich  gehabt  hast,  mir  es 
zu  schreiben.  Ich  werde  zu  glückUch  sein.  Dir  in  etwas  eine 
Probe  geben  zu  können,  dass  mir  nur  die  Beförderung  Deines 
Dienstes  und  das  Wohl  des  Staates  am  Herzen  hegt,  und  dass 
ich  bereit  bin,  demselben  alles  Privatinteresse  aufzuopfern.^^ 

Nicht  minder  interessant  ist  ein  Brief,  den  damals  Erz- 
herzog Carl   an   seinen   einstigen  Lehrer,    den  Bisehof  Hohen- 


^  Erzhersog  Carl  an  deu  Kaiser.  Brüssel,  den  28.  Juni  1793.   Orig.  oig. 
*  Derselbe  an  denselben.  Brüssel,  den  27.  Juli  1793.  Orig.  eig. 
Sitraugsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  CXXVUl.  M.  6.  Abb.  5 


66  VI.  Abhaadlung:  v.  Zeissberg. 

wart,  richtete,  da  er  die  Schwierigkeiten  seiner  Stellung  noch 
von  einer  anderen  Seite  als  den  bisher  berührten  beleuchtet 
,Sie  beurtheilen,'  schreibt  er,  ,meine  Lage  recht  gut,  bester 
Freund,  sie  ist  sehr  beschwcrUch.  Ein  Land  leiten  zu  müssen, 
welches,  noch  voll  vom  Geiste  verschiedener  Revolutionen,  in 
Parteien  getheilt  ist,  und  in  welchem  noch  ein  stilles  Feuer 
unter  der  Asche  glimmt,  welches  besonders  durch  unsere  Nach- 
barn erhalten  wird,  ist  sehr  schwer.  Und  was  mir  auch  oft 
sehr  hart  fidlt,  ist.  Befehle  aus  der  Entfernung  von  200  Meilen 
aus  einem  Lande,  wo  man  weder  mit  der  hiesigen  Lage,  noch 
mit  der  Verfassung  dieser  Provinzen  bekannt  ist,  zu  erhalten 
und  mich  oft  gezwungen  zu  sehen,  diese  Befehle  nicht  aus- 
üben zu  können,  aber  sie  doch  manchmal  ohngeachtet  wieder- 
holter Vorstellungen  ausüben  zu  müssen,  obwohl  ich  von  dem 
Schaden  überzeugt  bin,  der  daraus  entstehen  muss.  Nur  mit 
der  Zeit  und  mit  vieler  Geduld  darf  ich  mir  schmeicheln,  dass 
es  mir  von  Statten  gehen  wird,  die  Ruhe  vollkommen  herzu- 
stellen. Der  Ausschlag  des  französischen  Krieges  kann,  wenn 
er  glückhch  ist,  am  meisten  dazu  beitragen.** 

Mit  der  Brabanter  Kanzlerfrage,  meinte  Erzherzog  Carl, 
werde  die  Hauptsache  geschehen  sein.  ,Aber,'  fügt  er  voraus- 
Ijlickend  hinzu,  ,das  Detail  wird  noch  viele  Klugheit  und 
Festigkeit  erheischen,  allen  Paii;eiungen  ein  Ziel  zu  setzen, 
den  Geist  derselben  zu  ersticken,  zu  belohnen  oder  doch  Ge- 
rechtigkeit zu  üben  gegen  so  Viele,  die  man  nicht,  wie  sie  es 
verdienten,  behandelt,  die  souveräne  Autorität  wieder  herzu- 
stellen, die  man  manchmal  nur  zu  sehr  erniedrigt  hat;  mit 
einem  Worte,  wir  werden  noch  auf  lange  Zeit  hinaus  viel  zu 
thun  haben.  Nehmen  die  Dinge  in  Frankreich  ein  gutes  EInde, 
so  zweifle  ich  nicht,  dass  sich  hier  Alles  beruhigen  wird,  aber 
im  entgegengesetzten  Falle  wird  Alles  umgestürzt  werden,  hier 
und  in  allen  Monarchien  und  Staaten  Europas.*^ 

Es  wäre  indess  durchaus  verfehlt,  wenn  man  aus  der 
Stimmung  des  Erzherzogs  auf  den  Grad  des  Eifers  schliessen 
wollte,   mit  dem  er  sich  den  Ptiichten  seines  Amtes  widmete. 

*  Erzhensog  Carl  an  Hoben  wart.  Brüssel,  dou  30.  October  1793.  A.-A. 

'  Erzherzog  Carl   an   Herzog:  Albert   von  Sacbson-Teschen.    Bmxelles,   le 

26  (novembre)  1793.  Orig.  eig.  A.-A.  Da»  Schreiben  erwähnt  die  soeben 

erfolgte  Eiuualime  von  Fort  Loais. 


Belgien  unter  der  GenerftUtatthaltorschaft  Erzherzog  Carls  (17*J3,  171M).  67 

Wie  geschickt  er  vielmehr  sich  in  seiner  schwierigen  Stellung 
zu  benehmen  wusste,  geht  aus  der  unfreiwilligen  Anerkennung 
hervor,  die  ihm  selbst  der  Feind  zu  zollen  sich  gezwungen 
sah.  ,Der  junge  Erzherzog/  heisst  es  im  ,Mouiteur^,  ,spielt  die 
ihm  zugewiesene  Rolle  mit  Vollendung.  Er  behandelt  mit  Klug- 
heit alle  Parteien,  er  schmeichelt  dem  Aberglauben  des  Volkes 
und  sucht  den  Despotismus  liebenswürdig  zu  machen.  Mehrere 
Personen  haben  patriotische  Spenden  dargebracht;  der  Prinz 
hat  sie  in  einer  Weise  angenommen,  die  zur  Nachahmung  an- 
spornt. Als  eine  Commune  ihm  jüngst  ein  Don  gratuit  anbot, 
nahm  er  die  Abgesandten  dei*selben  so  freundlich  auf,  dass  sie 
mit  Thränen  in  den  Augen  fortgingen.  Schon  vergleicht  man 
ihn  mit  dem  „edlen  Carl  von  Lothringen,  dem  Vater  des  Vol- 
kes", ein  Ausdruck,  der  freiHch  auf  das  Alter  des  Erzherzogs 
noch  nicht  passt.  .  .  .'  ^ 

Man  wird  dies  um  so  williger  anerkennen,  als  dem  Erz- 
herzog in  Metternich  nicht  blos  nach  dem  Urtheile  des  immer- 
hin befangenen  Delmotte,  der  ihn  geradezu  als  einen  schwa- 
chen Mann,  der  nach  der  Pfeife  der  Stände  tanze,  bezeichnete,* 
sondern  auch  nach  der  übereinstimmenden  Ansicht  aller  ein- 
sichtsvollen und  wohlmeinenden  Augenzeugen  ^  ein  Minister  zur 
Seite  stand,  der  neben  manchen  vortrefflichen  ügenschaften 
gerade  diejenige,  deren  er  vor  Allem  bedurft  hätte,  ziel- 
bewusste  Festigkeit,  nicht  besass. 

,Ich  fiirchte,  dass  der  bevollmächtigte  Minister,  begabt 
mit  den  schätzbarsten  moralischen  Eigenschaften ^  einer  Auf- 
gabe, die  über  seine  Kräfte  geht,  unterUcgen  wird.  Er  wird 
von  Trauttmansdorff  gequält,  der  ihn  sehr  hart  behandelt;  man 
setzt  ihn  unter  die  Vormundschaft  eines  sehr  kleinen  Areopags, 
der  aus  einigen  aus  Wien  gesandten  Personen  besteht,  welche 
den  Ständen  sehr  ergeben  sind.  Diese  gewinnen  an  Raum  auf 
Kosten  der  souveränen  Autorität,  die  sich  bald  auf  nichts  re- 
ducirt  sehen  wird.  Der  Erzherzog  sieht  entweder  selbst  ein 
oder  Andere   zeigen   ihm,    dass   man   ihm   die   Statthalterschaft 

>  Moniteur,  le  22  mal  1793,  Nr.  U2,  pag.  611. 

*  Delmotte   au  Marie  Christine,    le   !•',    2%    3  juillet  1793.    Orig.    A.-A. 

Vergl.  auch  dessen  Brief  an  dieselbe  vom  7.  Juui  ebenda. 
'  Vergl.    das    äusserst   sitharfe  Urtheil    Erzherzog  Johanns    über    ihn    bei 

Krones,  Aus  Oesterreichs  stillen  und  bewegten  Jahren,  S.  141. 

5* 


68  VI.  Abhandlung:  ▼.  Zeissberg. 

verleidet;  er  sucht  sich  also  fernzuhalten  von  AUenu  was  ge- 
schieht, und  das  wird  einen  Zustand  herbeiflihren,  den  man 
sehr  schwer  zu  heilen  im  Stande  sein  wird/  ^ 

Aber  auch  in  Wien  war  man  über  die  Thätigkeit  Metter- 
nich's  nichts  woniger  als  entzückt.  Wenn  schon  ein  Fremder 
wie  Craufort^  zunächst  allerdings  nur  von  den  Ständen  von 
Brabanty  bemerkte^  sie  seien  so  unempfänglich  ftir  die  Gefahr, 
als  wäre  Frankreich  100  Meilen  entfernt  von  ihnen,*  so  ist  es 
begreiflich,  dass  man  in  Wien  den  Mangel  an  Enthusiasmus 
ftlr  die  Sache  des  Kaisers  auf  das  Tiefete  beklagte.  Man  war 
geneigt,  einen  Theil  der  Schuld  daran  auf  den  Minister  su 
wälzen,  und  tadelte  vor  Allem  dessen  fortgesetzte  Nachgiebig- 
keit gegen  die  Stände,  die  doch  nicht  die  gehofften  Früchte 
bringe.  Aber  auch  die  Rückstände,  die  sich  Mettemich  in 
seiner  Amtsgebahrung  zu  Schulden  kommen  liess,  sowie  die 
Eigenmächtigkeit,  mit  der  er  häufig  in  directem  Widerspruch 
zu  den  Intentionen  des  Kaisers  zu  Werke  ging,  gaben  za  den 
bittersten  Vorwürfen  Anlass. 

Umsomehr  verdient  es  betont  zu  werden,  dass  zwar  der 
Erzherzog  sich  die  Unabhängigkeit  von  dem  Minister  zu  wah- 
ren wusste,  wie  es  denn-  überhaupt  aufmerksamen  Beobachten! 
nicht  entging,  dass  derselbe  sich  nicht  mehr  so  nachgiebig  wie 
früher  zeigte,^  dass  er  aber  nicht  etwa  gleich  seiner  Tante  ein 
principieller  (icgner  Mettcniich^s  war.  Wenn  auch  mit  Vielem 
von  dem,  was  geschehen  war,  nicht  einverstanden,  suchte  er 
doch  auch  den  unverkennbaren  Verdiensten  seines  Berathen 
gerecht  zu  werden.  ,Er  besitzt/  schreibt  Carl,  ,das  Vertrauen 
von  allen  denen  Leuten,  so  die  Stände  dirigiren,  er  eriiält  vid 
dadurch,  was  wir  sonst  nicht  erhalten  würden,  und  man  kann 
ihn  in  der  jetzigen  Lage  der  Sachen  nicht  genug  souteniren/^ 
«Gewiss  ist  er/  heisst  es  ein  anderes  Mal,  ,ein  grundehrlicher, 
diensteifriger  und  unermüdeter  Mann,  arbeitet  Tag  und  Nacht 
imd  opfert  sieh  ganz  dem  Dienste  auf.*^  ,Gewis8  ist  er/  hdaBt 


*  Merv'V  an   Thusriit,    HnixolK\H.    le   :i^   inai    1793.    bei  Vivenot-] 
UI,  83. 

*  Aucklauil  lU,  137. 

'  IVlmottt'  an  Mario  Christine.  Bnixelle«,  le  26  uoveinbre  179a.  Orip.  A.-A. 

*  Enherzt^  Carl  au  Franc  II.  BrfiMel,  den  1.  Juli  179S.  Orif.  «ip. 

^  Erzhenog  Carl  an  den  Kaiser.  BrüsseL  den  1.  Juni  179S.  Orif.  «if. 


Belgien  unter  der  Oeneralstatthaltentchaft  Erzherzog  Carls  (1793,  17M).  69 

es  bei  einer  dritten  Gelegenheit,  bei  der  ihn  der  Erzherzog 
geradezu  wider  Vorwürfe  des  Kaisers  in  Schutz  nimmt,  ,der 
ehrlichste  Mann  von  der  Welt,  und  ich  bitte  Dich  flir  das 
Beste  des  Dienstes,  ihn  in  diesem  Augenblicke  zu  schonen. 
Er  besitzt  das  Vertrauen  des  grössten  Theiles  der  Nation  und 
besonders  der  Stände,  und  er  ist  dadurch  in  diesem  Augen- 
blicke der  Einzige,  welcher  uns  aus  der  Verwicklung  heraus- 
ziehen kann,  in  der  wir  uns  befinden,  weil  er  der  Einzige  ist, 
in  welchen  die  Stände  Vertrauen  haben.  Wenn  man  ihn  de- 
goutirt  und  verliert,  so  werde  ich  und  das  ganze  Gouverne- 
ment in  einem  erschrecklichen  Embarras  sein,  aus  welchem 
sich  weder  ich,  noch  was  immer  ftlr  ein  Nachfolger,  den  Du 
mir  geben  wirst,  wird  herausziehen  können.^  * 

Besonders  der  rauhe  Ton,  den  der  Hofkanzler  in  seinen 
Weisungen  an  den  Minister  anschlug,  war  dem  Erzherzog  in 
tie&ter  Seele  zuwider.  Wiederholt  bat  er  den  Kaiser,  Trautt- 
mansdorff  aufzutragen,  den  Grafen  Mettcrnich  in  seinen  Briefen 
etwas  mehr  zu  schonen.  ,Man  hat  ihm  in  zwei  oder  drei 
Briefen  hintereinander  auf  das  Härteste  mit  so  unangenehmen 
Ausdrücken  begegnet  und  ihm  so  starke  Sachen  gesagt,  dass 
ich  an  seiner  Statt  den  nämUchen  Tag  meine  Stelle  (Dir)  zu 
Füssen  gelegt  hätte.  Dies  thut  Deinem  Dienste  den  grössten  Scha- 
den, verursacht  ein  Missverständniss  zwischen  denen  Departe- 
ments, einen  Federkrieg  zwischen  Deinem  hiesigen  und  dem 
Wiener  Ministerium,  gibt  einen  öffentHchen  Scandal  und  trägt 
viel  bei,  den  Gang  der  Affairen  zu  verzögern.  .'.  .  Graf  Met- 
iemich  hat  gewiss  Fehler,  und  grosse  Fehler  begangen,  allein 
in  diesem  Augenblicke  wäre  es  der  grösste,  ihn  zu  entfernen, 
man  würde  glauben,  dass  man  dadurch  Alles,  was  bis  jetzt 
geschehen  ist,  desavouirt,  Aenderungen  machen  will:  Misstrauen, 
Murren  und  Unordnungen  würden  daraus  entstehen,  und  nie 
wtlrden  wir  mit  den  Ständen  ein  Ende  machen,  so  in  ihn 
allein  ihr  Vertrauen  setzen.  Der  Brief,  den  Graf  Trauttmans- 
dorflF  auf  Deinen  Befehl  an  Metternich  geschrieben,  ist  vortreff- 
lich, man  macht  darin  den  ewigen  Nachgiebigkeiten,  so  man 
bis  jetzt  für  die  Stände  gehabt  hat,  ein  Ende  und  bestimmt 
Grundsätze,   auf  welchen   man  festhalten  soll.    Man  wird  sich 


*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  20.  Juli  1793.  Orig.  eig. 


70  VI.  Abhandlung:  v.  Zeicsberg. 

g(^wisH  daran  halten,  nur  bitte  ich  Dich  inständigst,  immer  dar- 
auf Uileksicht  zu  nehmen,  dass  man  nur  nach  und  nach  und 
nicht  auf  einmal  von  dem  einmal  angenommenen  System,  in 
dem  man  schon  so  weit  vorgegangen  ist,  zurückkommen  kann.' ' 
Auch  in  dem  gereizten  Briefwechsel,  der  sich  zwischen  Metter- 
nicli  und  TrauttmansdorfF  über  Dumouriez  entspann,  ergriff  der 
Krzherzog  fi\r  jenen  das  Wort*  und  erreichte  auch,  dass  zwar 
der  Kaiser  über  Metternich's  Benehmen  in  diesem  Falle  noch- 
mals seine  Missbilligung  aussprach,  aber  zugleich  versprach, 
dass  Invectiven  und  Beleidigungen  wider  Mettemich  fortan  ver- 
mieden werden  würden,  sofeni  auch  er  derselben  sich  enthalte.' 
Noch  spilter,  zur  Zeit  der  Anwesenheit  des  Kaisers  in  Belgien, 
ergab  sieh  ein  iihnlieher  ZwischenfaD,  in  dem  auf  die  Inter- 
vention des  Krzhei*zog9  der  Kaiser  neuerdings  und  diesmal  auf 
das  Strengste  den  Federkrieg  seiner  beiden  Minister  untersagte.* 
niese  wiederholten  Beweise  gütiger  Gesinnmig  blieben 
nicht  ohne  Eindruck  auf  Mettemich.  Zu  Anfang  des  Jahres  1  iM 
wollte  dieser  seine  Stelle  niederlegen,  wohl  ans  Verstimmong 
über  die  Angriffe,  denen  er  neuenlings  in  der  Brabanier 
Kan/.lertrage  ausgesetzt  gewesen  war:  nur  die  VorsleDnngeii 
des  Entherzi^  bewogen  ihn  damals,  wie  er  selbst  bemerkt. 
von  diesem  VorhaWn  abzustehen.*^  Er  mochte  wohl  all  dessen 
eingedenk  sein,  als  er  in  dem  Augenblicke,  da  er  Brüssel  Ar 
immer  verliest,  an  den  Erzherzog  schrieb:  ^ien  Sie  aber 
zeugt,  das*  ich  als  den  schönsten  Augenblick  meines 
jenen  Moment  erachte,  in  welchem  mich  glücklichere 
wie\ler  zu  Eurvr  köniirl.  Hoheit  tubren  werden:  denn  icb  bin 
ont^chKvsisen,  in  der  schwierigen  Beamtenlanfbahn.  die  ick  seit 
äS  J,^hr\^n  vertelirt»,  nur  unter  der  Betlimnmsr  ausznbarren.  i^» 
dies  unter  lhr\T  Leitung:  der  Fall  ist."^    Und  die  sieieifee  Ter- 


»  ErBh^rivy  Carl  w  d^c  KA£<«r.  RrtÄwI.  den  2»>.  JoU  ITML  O 
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^v,^    ^uJT    A  -A 
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Belgi«D  unter  der  GeneraUtstthaltorHchaft  Erzherzog  CarU  (1793,  1794).  71 

Sicherung  kehrt  auch  in  einem  Schreiben  wieder,  das  er,  bereits 
auf  der  Reise  nach  Wien  be^fFen,  an  den  Erzherzog  richtete.  ^ 
Erzherzog  Carl  hatte,  obgleich  ihn  sein  Beruf  als  General- 
statthalter an  Brüssel  kettete  und  er  nur  ab  und  zu  sich  in  das 
Hauptquartier  begeben  durfte,  auch  die  Vorgänge  auf  dem 
Kriegsschauplatze  nie  aus  dem  Auge  verloren,  und  seine  Briefe 
an  den  Kaiser  sowohl,  als  an  den  Herzog  Albert  beweisen,  dass 
er  ein  scharfer  Beobachter  und  Beurtheiler  dereelben  schon  in 
jungen  Jahren  war.  In  Folge  dieses  Umstandes  und  der  meist 
zutreffenden  kritischen  Bemerkungen,  mit  denen  der  Erzherzog 
die  Vorgänge  im  Felde  begleitete,  erheben  sich  jene  Briefe  zu 
Geschichtsquellen  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung.  So 
glaubt  man  das  Urtheil  eines  modernen  Kriegsschriftstellers  *  zu 
vernehmen,  wenn  sich  Carl  über  den  Angriff  auf  das  Cäsar- 
lager folgendermassen  äussert:  ,Die  Operation  gegen  das  Cäsar- 
lager war  an  sich  gut,  doch  glaube  ich,  dass,  wenn  wir  ihn 
mit  grösserem  Nachdrucke  (rapidit^)  unternommen,  wenn  wir 
die  französische  Armee  sofort  verfolgt  hätten,  als  sie  sich  aus 
ihrer  Position  zurückzog,  wir  sie  hätten  schlagen  und  ft\r  das 
ganze  Jahr  ausser  Stand  setzen  können,  sich  im  Felde  zu  be- 
haupten, was  ja  der  Zweck  dieser  Operation  war.  Indem  wir 
dies  nicht  vermochten,  haben  wir  einen  Monat  mit  Märschen 
und  Gegenmärschen  verloren,  und  der  Feind  kann  heute,  wenn 
er  will,  seine  alte  Position  wieder  einnehmen.  Das  war  die  Ur- 
sache der  Zerwürfnisse,  zu  denen  es  zwischen  dem  Prinzen  von 
Hohenlohe  und  dem  Herzog  von  York  kam.  Letzterer  wollte 
den  Feind  verfolgen,  da  aber  Ersterer  es  nicht  wollte,  blieb 
dem  Herzog  von  York  nichts  übrig,  als  die  Verfolgung  mit 
einiger  englischer  und  hannoverischer  Cavallerie  auszuführen. 
Unsere  Truppen  blieben  auf  ihrem  Platze,  ohne  jenen  zu  fol- 
gen und  ohne  sie  zu  unterstützen,  obgleich  der  Herzog  von 
York  dem  Namen  nach  die  ganze  Colonne  commandirte.  Dies 
imd  ausserdem  das  rauhe  Wesen  des  Prinzen  von  Hohenlohe, 
der,  obschon  der  rechtschaffenste  Mann  der  Welt,  nicht  auch 
der  höflichste  ist,  verbunden  mit  dem  grossen  Unterschiede, 
den  man  in  Allem  zwischen  ihm  und  Mack  findet,  gab  Anlass 

*  Mettemich   an  Erzherzog  Carl.    Beurath   (Bayreuth?),   le  26   aoftt   1794, 

Orig.  eig^.  A.-A. 
'  Vergl.  Witzleben,  Prinz  Fri«Mlrich  Josias  von  Coburg  II,  263  ff. 


72  VI.  Abbasdlnng:  v.  Zeissberg. 

ZU  Klagen  und  wird  ihm,  wie  ich  fürchte,  Unannehmlichkeiten 
bereiten/  ^ 

Nicht  minder  interessant  ist,  was  Erzherzog  Carl  über  die 
bevorstehende  Belagerung  von  Maubeuge,  die  bekanntlich  fehl- 
schlug, bemerkt.  Man  sieht  es  seinen  Worten  deutlich  an,  dass 
er  zur  Ansicht  Clerfayt's,*  Hohenlohe's  und  Tauentzien's  neigte, 
welche  vielmehr  die  Belagerung  von  Landrecies  empfahlen. 
Letztere  thaten  dies,  weil  sie  die  Belagerung  von  Maubeuge 
für  schwieriger  erachteten.  ^  Anders  der  Erzherzog.  ,Landrecies,' 
bemerkt  er,  ,wäre  für  uns  und  die  gemeine  Sache  der  wich- 
tigste Punkt.  Es  ist  ein  Platz  der  zweiten  Linie,  wir  wären 
dadurch  im  Stande,  in  weitem  Umkreise  zu  fouragiren  und  das 
Land  in  Contribution  zu  setzen.  Landrecies  würde  ab  Vor- 
posten für  Maubeuge  und  Lo  Quesnoy  dienen,  doch  ftirchte  ich, 
dass  die  Engländer,  denen  ihr  Interesse  mehr  als  das  gemein- 
same am  Herzen  Hegt,  von  der  Belagerung  von  Dünkirchen 
nicht  ablassen^  und  dass  wir  uns  dazu  werden  entschliessen  und 
dies  schwierige  Unternehmen  noch  vor  den  Winterquartieren 
ins  Werk  setzen  müssen.  Dann  werden  wir  einen  Cordon  von 
Plätzen  haben,  um  unsere  belgischen  Provinzen  vor  feindlicher 
Invasion  zu  decken;  wenn  wir  aber  fortfahren,  auf  dieser  Seite 
zu  agiren,  so  werden  wir  noch  zwei  Linien  von  Festungen  vor 
uns  finden,  alle  Schwierigkeiten,  die  wir  bisher  hatten,  werdeo 
sich  von  Neuem  zeigen,  und  wir  werden  weniger  Mittel  be- 
sitzen, sie  zu  besiegen,  als  wir  in  diesem  Jahre  hatten.  Diese 
Revolution  und  dieser  Krieg  sind  von  allem  Andern  ganz  ver 
schieden;  man  kann  nichts  vorhersagen  und  das  Ende  nicht 
voraussehen.  Kommt  der  Kaiser,  so  wird  er  Vieles  selbst  sehen, 
was  er  nicht  weiss  oder  was  man  ihm  unter  einem  falschen 
Gesichtspunkte  darstellt.'  * 

Um  so  tiefer  beklagte  er  den  Ausgang  der  Belagerung 
von  Maubeuge.    ,Oott  gebe!'  ruft  er  aus,  ,das8  wir  bald  durch 


^  Ersherzogr  Carl  an  Herzog  Albert.  Bnixelles,  ce  8  septembre  179S.  Orig. 
eig:.  A.-A.  Vergl.  Witzleben,  a.  a.  O.  11,  264,  dessen  Angaben  hiedvrch 
eine  willkommene  Ergänzang  oder  vielmehr  Widerlegung  erfahren. 

'  Vergl.  Fersen  II,  97.    Nach  diesem   war  aber  auch  Hohenlohe  dagegen. 

•  Vergl.  Witzleben  a.  a.  O. 

*  Erzherzog  Carl  an  Herzog  Albert.  Bmxelle.s,  ce  10  octobre  1793.  Orig. 
eig.  A.-A. 


B«lfMn  unter  der  Gtnenlttatthaltenichaft  Enheraof  Carls  (1793,  17M).  73 

einen  Sieg  diesen  Schandflecken  auswetzen.  Ich  glaube  gewiss, 
wir  können  nichts  Besseres  thun,  als  den  Feind  aufzusuchen 
und  uns  alle  MtLhe  zu  geben,  ihn  mit  Vortheil  anzugreifen,  wo 
wir  dann  ihn  ohne  Zweifel  schlagen  werden/  ^  ,Man  weiss/ 
klagt  er  ein  anderes  Mal,  ,gewöhnlich  nicht,  wo  sich  die  feind- 
lichen Streitkräfte  befinden;  sie  werden  plötzlich  erscheinen  da, 
wo  wir  sie  am  wenigsten  erwarten,  und  das  kann  uns  recht 
übel  bekommen/^ 

Erzherzog  Carls  Bemerkungen  beschränkten  sich  übri- 
gens nicht  auf  den  belgischen  Kriegsschauplatz;  auch  die  Vor- 
gänge am  Oberrhein  zieht  er  in  Betracht.  Er  bezeichnet  es  als 
einen  grossen  Fehler,  dass  Wurmser  den  König  von  Preussen 
an  dem  Angriffe  auf  Saarlouis  gehindert  habe.  ,Die  Einnahme 
dieses  Platzes  hätte  das  Trier'sche  und  Luxemburgische  ge- 
deckt, unsere  Verbindung  mit  Deutschland  abgekürzt  und  ge- 
sichert, und  die  preussische  Armee  würde  gute  Winterquartiere 
an  der  Saar  gewonnen  haben.  Statt  dessen  theilen  wir  unsere 
Kräfte,  wenn  wir  sie  hätten  vereinigen  können,  und  statt  der 
reeUen  und  sicheren  Vortheile,  die  wir  uns  hier  verschaffen 
konnten,  suchen  wir  sehr  wenig  sichere  an  den  Ufern  des 
Rheins.  Das  ist  meine  Ansicht,  wenn  ich  auch  hier  nur  wenig 
in  der  Lage  bin,  darüber  zu  urtheilen.^^  Ebenso  tadelte  er 
Wurmser's  Absicht,  Strassburg  zu  belagern.  ,Ich  halte  das  fiir 
eine  schlechte  Speculation,  auch  ist  die  Jahreszeit  bereits  zu 
weit  vorgerückt  und  seine  Armee  nicht  stark  genug  zur  Be- 
lagerung dieses  Platzes.  Saarlouis  ist  fiir .  uns  der  wichtigste 
Punkt,  und  man  vernachlässigt  diesen  über  eine  Chimäre.^* 

Ueber  Frankreich  befindet  sich  in  den  Briefen  des  Erz- 
herzogs aus  jener  Zeit  folgende  bemerkenswerthe  Aeusserung: 
,In  Frankreich  wird  die  Confusion  immer  ärger,  und  Gaston 
scheint  das  Uebergewicht  zu  bekommen.  So  glücklich  das  für 
ans  ist,  und  so  sehr  es  wahr  ist,  dass  das  das  einzige  Mittel 
ist,  um  einen  König  wieder  auf  den  Thron  zu  bringen,  so 
wenig  muss  man  sich  doch  darüber  betrügen.    Was  immer  fiir 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  20.  October  1793.  Orij^.  eig. 
'  Erzherzog  Carl  an  Herzoge  Albert.  Bmxelles,  ce  11  novembre  1793.  Orig. 

eig.  A.-A. 
'  Derselbe  an  denselben.  Braxelles,  ce  8  septembre  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Derselbe  an  denselben,  le  5  octobre  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


74  VI.  Abhandlung:  ▼.  Zeissberg. 

eine  Partei  die  Oberhand  erhalten  wird,  so  wird  sie  uns  gewiss 
immer  feind  sein,  keine  wird  leiden  wollen,  dass  wir  Eroberun- 
gen über  Frankreich  machen,  und  soUten  sie  sich  auch  fbr  den 
Augenblick  diu'ch  eine  grosse  Uebermacht  gezwungen  sehen, 
ruhig  zu  bleiben,  so  werden  sie  doch  immer  wieder  suchen, 
was  man  ihnen  wird  abgenommen  haben,  mit  Frankreich  .wie- 
der zu  vereinigen/^ 

Unermüdlich  war  der  Erzherzog,  soweit  sein  Einfluss 
reichte,  in  der  Theilnahme  für  die  Armee.  ,Es  wäre  überflüs- 
sig,' schreibt  gelegentlich  Mettemich,  ,dem  durchlauchtigsten 
Generalgouvemeur  zu  empfehlen,  sich  der  Witwen  und  Waisen 
der  braven  Soldaten  zu  erinnern,  die  in  diesem  Kriege  sterben, 
da  dieser  Prinz  auf  das  Eifrigste  beflissen  ist,  dass  die  Gnaden- 
bezeigungen am  rechten  Platze  ertheilt  werden,  namentlich,  wie 
es  recht  und  billig  ist,  so  viel  als  möglich  an  Personen  dieser 
Kategorie/  * 

Unter  Anderem  gab  die  mangelhafte  Verpflegung  der 
Verwundeten  zu  mancherlei  Klagen  Anlass.  Nicht  selten  blieben 
sie  in  Brüssel  stundenlang  auf  den  Wagen  liegen,  allen  Unbilden 
der  Wittoning  ausgesetzt.  In  den  Hospitälern  mussten  oft  xw« 
Verwundete  in  einem  Bette  untergebracht  oder  auf  den  Fo8S> 
boden  oder  auf  Stroh  gelagert  wenlen,  und  Sttmden  vergingen, 
bevor  sie  einen  Verband  erhielten.^  Es  war  eine  Folge  davon, 
dass  im  Spital  zu  Brüssel  allein  von  iiOOO  Mann  täglich  28  bb 
30  Mann  starben,  was  bei  der  aUerdings  auffallend  grossen 
Gesammtzahl  von  14.(XX) — 15.000  Blessirten  und  Ejranken  im 
Lande  eine  proportionelle  t'lgKche  Verlustziffer  von  150  Mann 
ergab.  *  Der  Zustand  der  Spitäler  hatte  daher  schon  seit  länge- 
rer Zeit  die  Aufmerksamkeit  des  Erzherzogs  auf  sich  gelenkt 
Gehörte  sie  auch  nicht  in  sein  Ressort,  sondern  in  jenes  des 
Generalcommandos,  so  wendete  er  ihr  doch  den  regsten  Eifer 
zii.  Ein  Hauptübolstand  war  die  geringe  Anzahl  von  Militir 
Chirurgen.  Er  luit  daher  den  Kaiser,  Chirurgen  ans  Wien  la 
senden,  und  richtete  an  das  Generalcommando  die  Anfinge«  ob 
es  zidässig  sei.  den  Militär-  Ci\*ilchiru!^n  zuzugesellen,   sofeni 

^  EIniheni>|!r  Cat\  an  den  Kniser.  Bnlssel.  den  21.  Jnli  1793.  Orir.  op. 

*  Metteniioh  «n  TniuttmÄnisd»^rtf.  le  ?>  n«">vembre  1793.  P.-S. 

'  Tniamnanstiortr  an  Menemich.  Vienne,  le  3  novembi«  1793.  Orifr. 

^  KrEhen^Y  Carl  an  den  KaL<er.  BrÜ5wl.  den  15.  Norember  1793.  Ori|r*  ^- 


B«lgieii  unter  der  Otneralstatthalterschaft  Erzherzog  Carl»  (1793,  17M).  75 

diese  aus  der  Civilcasse  bezahlt  werden  würden.  Freilich  hatte 
bei  der  Eifersucht  der  Älilitärchirurgen,  welche  trotz  der  notori- 
schen Uebelstände  und  trotz  ihrer  ebenso  notorisch  ungenügen- 
den Anzahl  behaupteten,  dass  die  Kranken  ganz  gut  versorgt 
und  sie  selbst  für  den  Bedarf  ausreichend  seien,  diese  Mass- 
regel nicht  den  gehofften  Erfolg. 

Ein  besseres  Verständniss  für  seine  Intentionen  fand  der 
Erzherzog  diesmal  bei  den  Ständen,  namentlich  jenen  von  Bra- 
banty  die  unter  dem  Eindrucke  der  Depesche  vom  15.  November^ 
einen  Theil  des  Zuchthauses  von  Vilvorde  auf  eigene  Kosten 
zu  einem  Militärhospital  fllr  etwa  1200  Kranke  adaptirten  und 
überdies  für  dessen  Erweiterung  eine  freiwillige  Subscription 
veranstalteten,  die  einen  günstigen  Fortgang  nahm,  nachdem 
sich  der  Erzherzog  für  zehn  Plätze  an  die  Spitze  gestellt  hatte. 
Ueberdies  that  sich  eine  Anzahl  von  Brüsseler  Büi^em  unter 
dem  Brauer  Van  den  Esse  zusammen,  um  den  bürgerhchen 
Concertsaal  als  Krankendepöt  einzurichten,  während  auch  die 
Beggarde  (Bogards)  in  Brüssel,*  deren  Zahl  sehr  zusammen- 
geschmolzen war,  einen  Theil  ihres  Conventes  zu  einem  Hospital 
für  600  Personen  zur  Verfugung  stellten.^ 

Das  Beispiel  von  Brüssel,  wo  bald  drei  angesehene  Btlr- 
ger  als  Opfer  ihrer  Nächstenliebe  am  Spitalfieber  starben,*  fand 
Nachahmung  an  anderen  Orten.  ^  Auch  zu  Namur  veranstal- 
tete man  Subscriptionen  für  die  Militärhospitäler  der  Stadt.  ^ 
Antwerpen  erbot  sich,  1000  Kranke  zu  übernehmen.  Nur  in 
Löwen  sträubte  sich  die  Universität,  drei  ihrer  Collegien''  zu 
dem  gleichen  Zwecke  zu  überlassen,  indem  sie  die  Gefahr  vor- 
schützte, die  sich  daraus  für  die  Gesundheit  der  studirenden 
Jagend  ergeben  würde,  ein  Argument,  dessen  Gewicht  selbst 
Mettemich  zugestand.  Anders  der  Erzherzog,  welcher  der  An- 

'  S.  unten. 

•  Ueber  deren  Convent,  Wauters  III,  478. 

•  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bmxelles,  le  26  novembre  1793.  Orig.  eig. 
A.-A.  —  Metternich  an  Trauttmansdorif.  Bmxelles,  le  25  novembre  1793. 

^  Mettemich  an  Trauttmansdorif.  Bmxelles,  le  12  mars  1794. 

*  Schon  früher  (31.  März  1793)  hatte  man  den  Kapuzinerconvent  zu  Ath 
in  ein  Militärhospital  verwandelt.  Annales  du  cercle  archSol.  de  Mons 
XV,  628. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  18  janvier  1794.  Orig. 
^  Die  Colleges  de  Bay,  de  Winckel  und  des  Veterans. 


76  VI.  Abhasdlnng:  v.  Zeissberg. 

sieht  war,  dass  in  diesem  Falle  der  Humanität  jede  andere 
Rücksicht  weichen  müsse  und  daher  unnachsichtig  auf  die 
Räumung  der  Gebäude  drang.  ^  Er  handelte  hierin  unter  voller 
Billigung  der  Bürgerschaft  und  der  Stände.  Dass  die  Proviso- 
ren der  in  Betracht  kommenden  CoUegien  der  ihnen  drohenden 
Gefahr  durch  die  rasche  Vornahme  von  Bauten  zu  begegnen 
suchten,  die  deren  Werth  von  12.000  auf  40.000  fl.  erhöhte, 
deren  Fassungsraum  aber  beträchtlich  minderte,  hatte  zur  Folge, 
dass  das  Gouvernement  an  dem  Entschlüsse,  die  Collegien  in 
Hospitäler  zu  verwandeln  nur  noch  entschiedener  festhielt.' 

Freilich  vermochte  bei  dem  besten  Willen  der  Erzherzog 
nicht  allen  Uebelständen  zu  begegnen,  denen  durch  die  Be- 
schafiung  geeigneterer  RäumHchkeiten  nur  zum  Theile  abge- 
holfen wurde,  denn  es  traten  noch  manche  andere  und  noch 
viel  betrübendere  Erscheinungen  zu  Tage.  So  fiel  der  Nach- 
lass  der  in  den  Militärhospitälern  Verstorbenen  gewöhnlich  deD 
Krankenwärtern  zu,  woraus  sich  die  Härte  und  Nachlässigkeit 
erklärte,  mit  welcher  die  Kranken  von  diesen  behandelt  wur 
den.  Es  gab  Chirurgen,  die  nicht  einmal  von  den  Elementen 
ihrer  Wissenschaft  Kenntniss  hatten.  Mit  Thränen  in  den  Augen 
sprachen  die  Aerzte  davon;  einer  derselben,  Dr.  van  Leenpoel, 
überreichte  jNIetternich  eine  darauf  bezügliche  Denkschrift.  Es 
waren  das,  wie  Mettemich  mit  Recht  bemerkt,  Uebelstände, 
denen  nicht  das  Gt)uvemement,  sondern  nur  die  Militärverwal- 
tung begegnen  konnte. 

Der  Erzherzog  unterliess  es  nie,  sich  verdienter  Officiere 
anzunehmen.  Die  betreffenden  Briefe  an  den  Kaiser  sind  aach 
insofern  von  historischem  Interesse,  als  in  denselben  hie  und 
da  von  Waffenthaten  der  Empfohlenen  die  Rede  ist,  die  sidi 
unter  seinen  Augen  zugetragen  hatten.  So  heisst  es  von  dem 
Grenadierhauptmann  Grafen  Gyulay:  ,Ich  war  Augenzeuge,  da 
er  von  meiner  Brigade  war.  Er  hat  sich  so  brav  au^efthrt, 
dass  Keiner  braver  thun  kann.  Den  22.  (März),  als  sein  Batail- 
lon gesprengt  war,  hat  er  40  Mann,  und  das  ohne  Befehl  von 
Niemand,  gesammelt,  den  Feind  freiwillig  attaquirt,  reponssiit, 
alle   gesprengte   Mannschaft    zusammengerafft,    auf  den   Feind 


^  Mettemich  au  Traottmaiisdoiff.  BnixeUe:^  le  it  fevrier  1794.  Otig, 
•  Tnnittmanstlortf  an  Metteruioh.  Vieime,  le  20  man  1794.  Ori|r. 


Belgien  unter  der  Oenenüsiatthalterschaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  77 

noch  einmal  losgegangen,  ihn  bis  in  Löwen  und  aus  Löwen 
herausgejagt.  Den  19.  vertrieb  er  auch  freiwillig,  ohne  Befehl 
von  Niemand  den  Feind  um  Tirlemont  und  nahm  ihm  eine 
Kanone  ab.  Kurz,  er  hat  sich  so  distinguirt,  dass  er,  wenn  er 
um  das  Commandeurkreuz  einkommt  —  denn  er  hat  schon  das 
kleine  Elreuz  —  es  ohne  Zweifel  erhalten  wird.*  .  .  .  Und  in- 
dem ihn  der  Erzherzog  zur  Beförderung  empfiehlt,  fügt  er  bei : 
,Gyulai  ist  selbst  so  modest,  dass  er  mich  gar  nicht  darum  an- 
gegangen und  den  Schritt,  den  ich  gemacht  habe,  gar  nicht 
weiss.' ^  Auch  ftir  den  Oberst  Mylius  und  den  Obristwacht- 
meister  Branowaczki,  die  Anspruch  auf  Auszeichnung  zu  haben 
glaubten,  legte  er  sein  mächtiges  Fürwort  ein.  ,Ich  kann  Ihnen 
die  Gerechtigkeit  leisten,  dass  beide,  besonders  aber  der  Oberst 
Mylius,  so  lange  sie  unter  meinem  Commando  standen,  sich 
überall  hervorgethan  und  dieser  beständig  ein  detachirtes  Corps 
zur  allgemeinen  Zufriedenheit  commandirt  hat.''  Ein  anderes 
Hai  gilt  seine  Empfehlung  dem  Obersten  De  Vay  von  Ester- 
hÄzy-Husaren.  ,Du  hast  an  ihm  sowohl  einen  kreuzbraven  Sol- 
daten, als  auch  einen  Officier,  welcher  sehr  geschickt  und  sehr 
in  allem  dem,  was  zum  kleinen  Krieg  und  zu  den  Vorposten 
gehört,  zu  brauchen  ist.  Die  Art,  mit  welcher  er  voriges  Jahr 
unseren  Rückzug  von  Lüttich  bis  Köln  deckte,  unsere  Vor- 
posten während  des  ganzen  Winters  commandirte,  den  Vortrab 
der  Avantgarde  durch  die  Campagnc  führte  und  sich  am  13., 
15.,  16.  und  18.  März  besonders  hervorthat,  wo  er  dann  auch 
leicht  blessirt  wurde,  haben  ihn  bei  der  ganzen  Armee  bekannt 
gemacht  und  den  Beifall  aller  Generals  und  des  Prinzen  Co- 
burg selbst  zugezogen,  und  ich  muss  ihm  die  Gerechtigkeit 
leisten,  dass  er,  so  lange  er  an  mich  angewiesen  war,  sich 
überall  distinguiret  und  oft  durch  einen  schnell  gefassten  Ent- 
schluss  und  durch  Thaten,  so  er  von  sich  selbst  gethan,  ohne 
Befehl  zu  erhalten,  zu  dem  glückhchen  Fortgang  vieler  AfFairen 
beigetragen  hat.'^ 

Als  die  Regimenter  Royal  Allemand,  Saxe  und  Berchiny 
in  den   kaiserlichen  Dienst    übernommen    wurden,    nahm   sich 


*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Quiövrechaiu,  19.  April  1793.   Orig.   eig. 
'  Derselbe  an  denselben,  Brüssel,  den  15.  November  1793.  Orig.  eig. 

•  Derselbe  an  denselben.  Brüssel,  den  8.  December  1793.  Orig.  eig. 


78  VI.  Abhandlung:  t.  Zeissberg. 

Krzlicrzog  Carl  der  vielen  dadurch  brotlos  gewordenen  Offi- 
ciere  an  und  unterstützte  aufs  wärmste  die  Bitte  derselben, 
welche  dahin  ging^  dass  man  sie  wenigstens  als  supemumerSr 
bei  den  Kogimontem  ftllu-c  und  ihnen  Fourage  und  Brot- 
portionon  zuweise,  währtuid  die  in  den  Regimentern  beibehal- 
tenen OiKieiere  sich  anheischig  machten,  sich  in  die  Löhnung 
mit  ihren  einstigen  Kameraden  zu  theilen.  ,Diese  armen  Leute, 
so  sich  aus  Liebe  t\lr  ihren  König  aufgeopfert  haben,  meist 
deutsche  und  gewiss  brave  Leute  sind,  verdienen  gewiss  eine 
Ktlcksicht,  besonders  da  das  dem  Aerarium  gar  nicht  zur  Last 
fallen  wird/^ 

Ebenso  unterstützte  Krzlierzog  Carl  die  Bitte  der  einsti- 
giMi  Ilauptleuto  Lualdi  und  Dumont,  die  1790  anlässlich  der 
lleborgabo  der  Citadelle  von  Antwerpen  an  die  Rebellen  cassiit 
worden  waivn  und  denen  später  im  Gnadenwege  eine  Pension 
von  je  «KK)  (Tulden  zugestanden  worden  war,  um  Zuerkemmng 
der  llauptmannsponsion,  ila  Erkundigungen,  welche  aber  sie 
bei  ihren  einstigen  Kriegskameraden  eingezogen  worden  waren. 
in  Bezug  auf  ihn*  Uuschidd  ziemUch  günstig  lauteten.* 

Um  so  strenger  urtheihe  Erzherzog  Carl  in  all  den  FU- 
len,  wo  es  sich  um  die  Aufrechthaltimg  miHtärischer  DiscipEs 
und  Ehn'  handelte.  Als  sich  die  Stände  von  Henne^a  uni 
Flandern  t\lr  zwei  thticiere.^  welche  die  kaiserliche  Aimce 
vorlassen  und  bei  den  Patrioten  Dienst  genommen  hatleii  und 
in  Folge  dessen  kriegsrätliHch  zum  Tode  verurtheilt  word« 
waren,  verwendeten,  sprach  sich  der  Erzherzc^  entschiedcB 
dagogi'u  aus,  in  diesem  Funkte  nachzugeben,  ,da  es  bei  der 
Armee  den  üWlston  Fimlruck  machen  würde,  wenn  OfficKfCL 
so  ihnni  Eid  »rebrochon.  desertirt.  Cassen  bestohlen,  wider  ihra 
Souverän  goiliont  haben  und  in  etKgie  aufgehangen  werden 
sollten  begnadisrt  wonlen/  .Bios  die  Ehre  maehu*  ftgt  er 
KU,  ,dass  unsort*  IhMcioiv  cut  dienen,  nimmt  man  ihiieii 
Triobfeiler  wog  vhUt  sohwachi  mar.  sie.  so  wird  unsere  AivM 
eben   so   sohlecht   als   alle   anderen/*    Eben  deshalb  lelirsc  te 

^  Krs.be n-y  i'*r'.  *xi  xur.  Kjü^^r.    K:la»  deu  13.  Ucrciukp  17*3^  t>räp-  mf 
•  Krshorf.y  Cari  An  d^r.  K^is^r     Bris*«?!,  det  ?•    XoT^pinKer  II^ML   ^nc 


Belgien  nnter  der  OenermlsUtthaUcrsi-haft  Erzherzog  Tarls  (1793,  1794).  79 

die  BefllrwortODg  des  neuerlicheu  Äusucheus^  das  La  Marck  um 
die  Verleihung  des  Generaltitels  an  den  Kaiser  richtete,  ab. 
^ch  habe  versprochen,  Dir  die  Sache  zu  schreiben,  aber  unter- 
stützen kann  ich  diese  Bitte  nicht.  Sollte  es  geschehen  und  ich 
hätte  es  empfohlen,  so  würde  ich  mir  einen  Vorwurf  zu  machen 
haben  und  die  ganze  Armee  würde  über  mich  aufgebracht  sein.'  ^ 
Niemandem  unter  allen  Officieren  der  Annee  wendete  der 
Erzherzog  lebhaftere  Theilnahme  zu  als  dem  auch  sonst  von  den 
Zeitgenossen  vielbewunderten  Obereten  v.  Mack,  den  er  wieder- 
holt als  seinen  Lehrmeister  in  der  höheren  Kriegskunst  bezeich- 
nete. Desto  tiefer  verletzte  es  auch  ihn,  als  nach  den  grossen  Er- 
folgen, von  denen  der  Beginn  des  Feldzuges  von  1793  begleitet 
gewesen  war,  dem  Verdienste  die  Krone  versagt  zu  bleiben 
schien,  und  um  so  schmerzUcher  empfand  er  es,  als  Mack  in 
seiner  Verstimmung  die  Functionen  eines  Generalquartiermeisters 
niederlegte  und,  nachdem  er  von  einer  Wunde,  die  er  bei  dem 
Angrifife  auf  Famars  davongetragen  hatte,  geheilt  worden  war, 
den  Kriegsschauplatz  verliess,  um  den  liest  des  Jahres  auf  einem 
Oute  in  Böhmen  zur  Wiederherstellung  seiner  allerdings  schwer 
erschütterten  Gesundheit  zuzubringen.  So  nachhaltig  war  der 
Eindruck,  den  damals  Mack  auf  den  jungen  Erzherzog  übte, 
dass  dieser,  als  der  Krieg  im  weiteren  Verlaufe  des  Jahres  1793 
eine  minder  günstige  Wendung  nahm,  auf  ihn  als  den  Retter 
in  der  Noth  hinwies. 

VI.  Reorganisation  der  Aemter  des  Gouvernements. 

Die  erste  Aufgabe,  welche  neben  der  nothwendigen  Ein- 
richtung des  erzherzogUchen  Hof  haltes  an  den  Generalstatthalter 
and  dessen  Minister  herantrat,  war  die  Neubesetzung  der  Aemter. 
Denn  in  missverständlicher  Deutung  seiner  Instruction  hatte 
Mettemich  das  frühere  Gouvernement,  nämlich  die  Conseils 
collat^raux  und  die  Chambre  des  comptes,  vollständig  aiifgelöst 
und  dies  durch  die  Bemerkung  zu  motiviren  gesucht,  dass  über 
eine  Massregel,  von  welcher  Alle  insgesammt  betroffen  wür- 
den, sich  Niemand  beschweren  könne.  ^ 

^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  BrUssel,  den  21.  Juli  17D3.  Orig.  eig. 
*  Mettemich  an  Trauttniausdorff,  le  20  mar»  1793.  Vergl.  TrauttmansdorflTs 
Weisungen  vom  26.  März  und  2.  April. 


80  VI.  Abhaodlang:  v.  Zeitisberg. 

Während  aber  Mettemich  sich  mit  Vorschlägen  bezüglich 
der  Neubesetzung  nicht  beeilte,  hatte  der  Kaiser  bereits  auf  die 
ersten  Siegesnachrichten  aus  Belgien  über  die  beiden  wichtigsten 
Posten  des  Gouvernements  verfügt.  Der  Chef-Präsident  Crumpipen 
(der  Jüngere^)  und  der  Staats-  und  Kriegssecretär  Feltz  waren 
vor  Allem  jene  Männer,  bezüglich  deren  man  der  denselben  un- 
günstigen öffentUchen  Meinung  Rechnung  tragen  zu  sollen  glaubte. 

Crumpipen,  der  durch  36  Jahre  in  verschiedenen  Stellungen 
dem  Staate  die  wichtigsten  Dienste  geleistet,  hatte  bereits  selbst 
im  Januar  Mettemich  zu  Wesel  mündlich  um  seine  EntLassong  ge- 
beten und  am  8.  März,  angesichts  der  bevorstehenden  Rückkehr 
des  Gouvernements,  von  Köln  aus  diese  Bitte  auf  schriftlichem 
Wege  wiederholt.*  Er  war  dadurch  dem  Auftrage  an  Mettemich' 
zuvorgekommen,  der  ihn  in  schonender  Form,  unter  Aussicht  auf 
günstige  Pensionsbedingungeu  und  auf  anderweitige  Verwendung 
zu  diesem  Entschlüsse  veranlassen  sollte.  Und  ganz  dasselbe  war 
bezügUch  Feltz'  der  Fall.^  Auch  dieser  hatte  sich  stets  durch 
E^er  und  Anhänglichkeit  an  die  Regierung  hervorgethan,  ab^ 
auch  seine  Enthebung  wurde  von  der  ,öffentlichen  Meinung^  ge- 
fordert, da  sie  ihn  als  das  Haupt  jener  sogenannten  Christine- 
schen Partei  bezeichnete,  deren  Streben  darauf  gerichtet  sein 
sollte,  dem  früheren  Statthalterpaare  wieder  zu  seiner  Stellung 
zu  verhelfen,  ein  Vorwurf,  den  Feltz  in  einem  Schreiben  an  Er»- 
herzog  Carl  mit  der  zutreffenden  Bemerkung  zu  entkräften  im 
Stande  war,  dass  es  ihm,  falls  er  wirklich  der  Intriguant^  als 
den  man  ihn  hinstellte,  gewesen  wäre,  wohl  willkommener  hätte 
sein  müssen,  unter  einem  jugendlichen  Statthalter  zu  dienen  als 
imter  einem  Generalgouvemeur,  dem  vieljährige  Erfahrung  zu 
Gebote  stand.  ^  Auch  er  hatte  eine  ehrenvolle  Dienstzeit  von  21 
bis  28  Jahren  hinter  sich  und  demnach  ebenfalls  Anspruch  auf 
rücksichtsvolle  Behandlung. 

Diese  wurde  denn  auch  ihm  und  Crumpipen  zutheil.  Zum 
Chef  und  Präsidenten  des  geheimen  Rathes  aber  wurde  Fier- 
lant,    bisher  Präsident  des   grosen  Rathes  zu  Mecheln,    zum 


^  Henri  Uermau  Werner  Frau^ois  Autoine  Cr.  s.  Biogr.  nationale. 

'  Crumpipen  au  Mettemich.  Cologne,  le  8  mars  1793.  Copie. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  6  mars  1798.  Orig. 

*  Ebenda. 

^  Feltz  an  Erzherzog  Carl.  Mastricht,  le  21  juin  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 


Belgien  unter  der  Qeneralstatthaltorächftft  Krahcrzog  Carls  (1793,  17M).  81 

Staats-  und  Eoiegssecretär  der  geheime  Kath  Müller  und  zu 
Fierlant's  Nachfolger  im  grossen  Rathe  zu  Mecheln  der  Staats- 
und geheime  Rath  Le  Clerc  ernannt. 

Was  den  geheimen  Rath  (Conseil  prive)  betraf,  so  wm'de 
von  dessen  früheren  Mitgliedern  De  Aguilar  in  Ruhestand 
versetzt  und  sollte  De  Reuss  nicht  mehr  in  Betracht  kommen. 
Dagegen  wurden  der  Exconseiller  von  Brabant,  Robiano,  und 
der  Pensionär  der  Chätellenie  von  Oudenarde,  Rapsaet,  für  den 
geheimen  Rath  in  Aussicht  genommen.  Demnach  sollte  dieser 
Conseil  zunächst  aus  den  früheren  Mitgliedern:  dem  älteren 
Limpens,  Le  Vieilleuze,  De  Berg  und  Van  der  Fosse,  von  denen 
jedoch  Berg  stets  kränklich  war,  und  aus  den  neu  hinzutreten- 
den Mitgliedern  Robiano  und  Rapsaet  bestehen.  Robiano  sollte 
die  Ernennung  zur  Entschädigung  flii*  die  Verluste  dienen, 
welche  er  wegen  seiner  Anhänglichkeit  an  den  Hof  im  Jahre  1787 
erlitten  hatte,  dagegen  die  Ernemiung  Rapsaet's,  der  sich  zur 
Zeit  der  Revolution  nicht  tadellos  verhalten  hatte,  als  ein  Opfer 
gelten,  das  der  Kaiser  dem  Lande,  und  zwar  zunächst  der 
Provinz  Flandern  bringe.^ 

Da  indess  weder  Robiano  noch  Rapsaet  in  den  geheimen 
Rath  eintreten  wollte,^  sali  sich  endlich  Metternich  zu  Gegen- 
vorschlägen veranlasst,  wobei  er  von  dem  Grundsatze  ausging, 
dass  man  auf  die  verschiedenen  Provinzen  Rücksicht  nehmen 
und  sich  bei  der  Wahl  an  Personen  halten  müsse,  die  ,das  Ver- 
trauen^ des  betreffenden  Landes,  oder  sagen  wir  vielmehr  jenes 
der  Stände  besässen.  Eben  weil  sie  dies  Vertrauen  nicht  zu  ge- 
messen glaubten,  hatten  Rapsaet  und  der  von  dem  Minister  in 
Aussicht  genommene  Flandrer  Mullie,  Greflier  zu  Courtray,  ab- 
gelehnt. Bei  Baron  Josef  Bartenstein,  dem  einstigen  Conseiller 
von  Brabant,  stiess  er  auf  denselben  Widerstand.  Doch  wusste 
ihn  Metternich  zu  bewegen,  einer  etwaigen  Ernennung  durch 
den  ELaiser  Folge  zu  leisten,  und  der  Minister  hoffte,  dass  der 
£jitschluss  Bartenstein's,  der  sich  im  Volke  des  grössten  An- 
sehens erfreute,  auch  auf  Rapsaet  und  Andere  günstig  zurück- 
wirken werde.  Da  Metternich  an  dem  bisherigen  Status  von 
sechs  Mitgliedern   festhalten   zu   sollen  glaubte,    da  jedoch  von 


^  Trauttmaunsdorif  au  Metternich.  Vienne,  le  11  mars  1793.  eig. 
'  Metternich  an  Trauttmansdorflf.  Bruxelles,  le  19  avril  1793.  Copie. 
Sitxungsber.  d.  phil-hist.  Ol.  CXXYUI.  Bd.  6.  Abb.  6 


82  VI.  AbhandliiDg:  v.  Zeissberg. 

den  früheren  Mitgliedern  Le  Clerc,  nunmehr  Präsident  de» 
Grand-Conseil,  der  Staatsseerctär  Müller,  ferner  Van  der  Fosse, 
der  um  seine  Entlassung  gebeten  hatte,  Aguilar  und  Berg,  die 
im  Auftrage  des  Hofes  pensionirt  werden  sollten,  nicht  in  Be- 
tracht kommen  konnten,  demnach  der  Conseil  auf  zwei  seiner 
früheren  Mitglieder,  den  älteren  Limpens  und  Vieüleuze,  zu- 
sammenschrumpfte, von  denen  aber  auch  der  Letztere  sich  um 
die  durch  den  Tod  Pepin's  erledigte  Präsidentschaft  von  Toumay 
bewarb,  so  waren  für  den  Fall  der  Gewährung  dieser  Bitte, 
und  falls,  wie  Mettemich  es  wünschte,  Berg  vorläufig  noch  auf 
seinem  Posten  belassen  wurde,  vier  Stellen  zu  besetzen,  für 
welche  er  Bartenstein,  Rapsaet  oder  eventuell  einen  anderen 
Flandrer,  Du  Rieux  aus  Hennegau  und  den  ehemaligen  Pen- 
sionär der  Stände  von  Namur  Petit- Jean  de  Prez  in  Vorschlag 
brachte.  ^ 

Nun  wünschte  man  aber  in  Wien,  dass  in  Anbetracht  der 
Menge  rückständiger  Geschäfte,  die  der  Conseil  priv^  aufisu- 
arbeiten  habe,  derselbe  aus  sieben  Mitgliedern  bestehen  möge^ 
von  denen  sechs  sofort  in  Activität  zu  treten  hätten.  Und  wenn 
auch  der  Kaiser  die  Auswahl  der  Individuen  im  AUgemeinen 
dem  Minister  anheimstellte,  so  begleitete  Trauttmansdorff  dodi 
die  Personalvorschlägc  des  Letzteren  mit  verschiedenen  Gegen- 
bemerkungen. Eben  wegen  der  zahlreichen  Geschäfte,  welche 
demnächst  zu  erledigen  seien,  wünschte  er  nicht,  dass  Berg  dem 
Conseil  fernerhin  angehöre,  er  bedauerte  aber  aus  eben  diesem 
Grunde,  dass  Van  der  Fosse  um  seine  Enthebung  nachgesucht 
habe,  und  wünschte,  dass  man  denselben  veranlassen  möge, 
wenigstens  vorläufig  noch  im  Amte  zu  verbleiben.  Gegen  Petit- 
Jean  machte  man  seine  prononcirtcn  Anschauungen^  geltend 
und  schlug  statt  dessen  ftU*  Namur  den  Pensionär  der  dortigen 
Stände  Fallen  vor.^  Auch  Bartcnstcin's  Ernennung  flösste  Be- 
denken ein,  da  man  sich  nicht  dem  Vorwurfe  der  Vereinigung 
der  wichtigsten  Aemter  in  den  Händen  einer  Familie  aussetzen 
wollte,  der  insoferne  erhoben  werden  konnte,  als  die  beiden 
Bartenstein   mit   dem   neuen  Chef  et  Pr<58idcnt,  dem  Tresorier 

^  Mtitturnich  an  Trauttmutisdorfi',  lo  23  niai  und  lo  3  juiu   1793.  Copie. 

'  Des  prini'ipo8  un  pou  outres. 

^  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vieuue,  le  3  juin  1793.  Orig. 


BeiffiMi  uitor  d«r  Ooienastetth&lterschaft  Erzhenog  Carl»  (1793,  17M).  83 

genend  (De  Sandrouin)  und  dem  Staatssecrctär  verwandt  waren. 
Das  siebente  Mitglied  des  Conseil  priv^  sollte  den  höheren  Justiz- 
tribanalen  entnommen  werden^  und  man  wies  auf  den  Rath  an 
dem  Conseil  von  Hennegau  Antoine  hin. 

Mettemich  bestand  indcss  auf  seinen  Vorschlägen  und  auf 
der  vorläufigen  Beschränkung  des  Conseils  auf  sechs  Mitglieder^ 
da  es  schwerfalle,  auch  nur  diese  Zahl  ausfindig  zu  machen. 
Er  bat  daher  nochmals,  dass  man  Berg  vorläufig  belassen  möge, 
da  Van  der  Fosse  bei  seiner  erschütterten  Gesundheit  zu  länge- 
rem Verbleiben  im  Conseil  nicht  zu  bewegen  und  es,  um  nicht 
den  Zusammenhang  der  Geschäfte  zu  verUeren,  nöthig  sei,  dass 
wenigstens  vorderband  einige  der  früheren  Mitglieder  beibehalten 
würden.  Gtegen  Fallen  machte  Mettemich  sein  jugendliches  Alter 
geltend.  Neuerdings  betonte  er  die  Nothwendigkeit,  die  Mitglieder 
des  Conseil  privä  aus  den  verschiedenen  Provinzen  zu  wählen, 
namentlich  legte  er  Werth  auf  die  Vertretung  Luxemburgs,  da 
die  EigenthümUchkeiten  dieses  Landes  denen,  die  nicht  daselbst 
gewohnt,  wenig  bekannt  seien,  und  da  in  diesem  AugenbUcke 
der  Conseil  privö  einen  sehr  befähigten  Beisitzer  an  dem  Staats- 
radie  Le  Clerc  verliere.  Auch  hielt  der  Minister  den  Vorschlag 
Petit-Jeans  aufrecht,  den  er  gegen  Verleumdung  in  Schutz  nahm. 
£2r  schlug  also  neuerdings  ausser  dem  Chef  et  President  und 
den  Käthen  Limpens  (rainö),  Vieilleuze  und  Berg  zu  Käthen: 
Du  Kieux,  Bartenstein  und  Petit -Jean  vor.  Die  früheren  drei 
Secretäre,  darunter  ein  supemumerärer,  und  die  Subaltem- 
beamten  sollten  wieder  eingesetzt  werden.^ 

In  Wien  trat  man  zwar  auch  jetzt  noch  für  eine  Ver- 
stärkung der  Mitgliederzahl  des  Conseil  prive  ein ;  auch  tadelte 
man,  dass  Mettemich  bei  dieser  Frage  nicht  die  Conferenz  zu 
Rathe  gezogen  habe.^  Doch  ehe  noch  diese  Weisung  nach 
Brüssel  gelangen  konnte,  war  hier  der  Conseil  priv(5  bereits  in 
der  von  Mettemich  zuletzt  vorgeschlagenen  Zusammensetzung 
reactivirt*  Am  28.  Juni  nahm  der  Erzherzog  die  Eidesleistung 


*  Mettemich  an  Trauttmaiisdorff.  Bruxelles,  le  15  juin  1793.  Copie. 
'  Tranttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  27  juin  1793. 

*  Derselbe  bestand  aus:  Ficrlant  als  Präsidenten,  dem  älteren  Limpens, 
Vieilleuze,  De  rilove,  Do  Berg,  Du  Rieux,  Barteustein  und  Petit- 
Jean. 


84  VI.  AbhftndluDg:  t.  Zeissberg. 

des  neuen  Clief  et  President  entgegen.^  Am  1.  Juli  Morgens 
trat  der  Conseii  priv(^  selbst  zusammen  und  wurde  von  dem 
Minister  mit  einer  passenden  Anspraehe  eröffnet.  Aguilar  schied 
aus  dem  Couseil  prive^  und  das  Gleiehe  stand  bezüglich  De 
Vieilleuze's  zu  erwarten^  falls  ihm  die  Präsidentschaft  des  Con- 
seils  von  Tournay  zutheil  wurde. 

Die  neue  Besetzung  des  Conseii  privö  wurde  nachträglich 
von  dem  Kaiser  genehmigt^  dagegen  blieb  der  Antrag  Metter- 
nichts,  aus  diesem  Anlasse  Aguilar,  Limpens  und  Le  Vieilleuae 
den  Titel  von  Staatsräthen  zu  verleihen,  vorläufig  unerledigt 

Die  weitere  Ergänzung  des  Conseii  privö,  wie  sie  der 
Kaiser  wünschte,  wurde  erst  im  folgenden  Jahre  (1794)  in  An- 
griff genommen,  wobei,  wie  bei  der  Ergänzung  der  Conseils 
collat^raux  Uberliaupt  vor  Allem  auf  jene  Personen  Rücksicht 
genommen  werden  sollte,  die  in  letzter  Zeit  auf  Verlangen  der 
Stände  aus  ^unfruchtbarer  Gefälligkeit^  gegeii  dieselben  pen- 
sionirt  worden  seien.* 

Dem  Herkommen  gemäss  wurden  die  eingelaufenen  Ge- 
suche, darunter  jene  der  früheren  Conseillers  am  Conseii  von 
Brabant  Mercx  und  Bois  St.-Jean  und  des  Advocaten  am  Cob- 
seil  von  Luxemburg,  Franck,  zunäclist  (2.  April)  dem  Conseii 
privö  selbst  zur  Aeusserung  zugesandt,  sodann  letztere  der  Con- 
ference zu  weiterer  Berichterstattung  mitgetheilt. 

Das  Gutachten  des  Conseii  prive  ging  von  der  wohl  gani 
zutreffenden  Betrachtimg  aus,  dass  es,  sowie  jederzeit,  namenl- 
lich  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  von  der  grössten 
Bedeutung  sei.  dass  eine  Körperschaft,  in  deren  Schoosse  An- 
gelegenheiten der  Legislative,  der  Justiz  und  der  höheren  Polini 
des  ganzen  Landes  verhandelt  würden,  mit  Männern  besetil 
werde,  welche  sich  bereits  in  anderen  Aemtem  bewährt  hätton 
und  die  zugleich  allseitig  Achtung  und  Vertraaen  genössen. 
Daher  habe  man  stets  mit  VorÜebe  verdiente  Mitglieder  der 
höheren  Gerioht^höfo,  begabte  Beamte  des  Gouvernements  oder 
geachtete  Pensionäre  der  Stände  oder  der  Städte  in  VorscUag 


Mvuitcur  Nr.  ll^.  IWh  führ:  der  übrigens  wenig  veriäaüicke  Gütiadiür 
«le  U  cour  vou  ITiH  »uoh  uvK*h  d'Afuilar  aud  Beuss 

*  Moiüteur  Nr.  ll^i^. 

*  Trauttman$«lorir  an  Metieniich.  le  11.  le  lö  maz«  \7^L 


Belgien  unter  der  Qenentlstattbaltemch&ft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  85 

gebracht  Auch  darauf  habe  man  geachtet,  dass  nicht  zu  viele 
Mitglieder  einer  und  derselben  Provinz  entnommen,  vielmehr 
bei  der  Auswahl  die  vorzüglichsten  Provinzen  und  die  verschie- 
denen Justiztribunale  in  Betracht  gezogen  würden,  um  sich  so 
die  genaueste  Kenntniss  der  mannigfachen  Gesetze  der  ver- 
schiedenen Provinzen  zu  sichern.  Daher  glaubte  der  Conseil 
priv^  sich  nicht  lediglich  auf  eine  Begutachtung  der  einge- 
reichten Gesuche  beschränken,  sondern  auch  sonst  im  Kreise 
der  Tribunale  und  Magistrate  Umschau  halten  zu  sollen,  zumal 
es  bekannt  sei,  dass  die  ausgezeichnetsten  Mitglieder  der  letz- 
teren in  der  Regel  nicht  petitionirten,  wenn  sich  ihnen  nicht 
zuvor  Aussicht  auf  Erfolg  erschlösse. 

Auf  Grund  dieser  Erwägungen  schlug  der  Conseil  priv^ 
(Berichterstatter  de  le  Vieilleuze)  den  Conseiller  am  Conseil 
von  Brabant,  Charlier,  und  den  Conseiller  am  Grand  conseil  von 
Mecheln,  Pouppez,  vor,  von  denen  jener  ein  ebenso  genauer 
Kenner  der  Geschichte,  Gesetze  und  Gewohnheiten  von  Brabant, 
als  dieser  in  den  Gesetzen  und  dem  Herkommen  namentlich 
Flanderns  bewandert  und  beider  Landessprachen  kundig  sei, 
und  von  denen  der  Letztere  noch  in  der  Blüthe  der  Jahre 
stehe,  während  gegen  den  Erstercn  nichts  als  sein  Alter  geltend 
gemacht  werden  könnte,  wofern  man  nicht  wüsste,  dass  er  sich 
einer  festen  Gesundheit  erfreue.  Für  den  dritten  Platz  schlug 
der  Conseil  prive  einen  Flamändcr  vor;  zwar  wusste  er  selbst 
nicht  eine  geeignete  Persönlichkeit  ausfindig  zu  machen,  nament- 
lich nicht  unter  den  Mitgliedern  des  dortigen  Conscils;  doch 
schien  ihm  unter  den  dortigen  Magistratspersonen  der  Conseiller 
pensionnaire  des  Franc  de  Bruges  Sola  die  meiste  Eignung  zu 
besitzen.  Gegen  Mercx  und  Bois  St. -Jean  machte  man  geltend, 
dass  beide  Brabanter  seien.  Da  nämlich  ausser  dem  Chef  et 
President  bereits  zwei  Conseillers  geborene  Braban90ns  waren 
und  das  Gleiche  von  Charlier  galt,  dem  der  Berichterstatter 
jedenfalls  den  Vorzug  vor  jenen  Beiden  gab,  so  war  der 
Conseil  bereits  zur  Hälfte  aus  Brabantem  zusammengesetzt. 
Ausserdem  wendete  man  gegen  Mercx  und  Bois  St. -Jean  ein, 
dass  beide  nur  kurze  Zeit  im  Conseil  von  Brabant  gesessen, 
und  dass  die  Art  ihres  Eintrittes  in  den  Conseil  von  Brabant 
im  Publicum  Misstrauen  erregt  habe,  das,  so  ungerecht  dies 
auch   sein   möge,    doch   auch   auf  den  Conseil   prive   sich  aus- 


86  ^-  Abhandlang :   v.  Zeissberg. 

dehnen  würde,  falls  sie  demselben  als  Mitglieder  angehörten. 
Franck  endlich  zog  man  gar  nicht  ernstlich  in  Betracht,  da 
er  blos  kurze  Zeit  Richter  erster  Instanz  in  Luxemburg  ge- 
wesen sei. 

Der  Referent  der  Conferenz  Robiano  pflichtete  im  Ganzen 
dem  Vorschlage  des  Conseil  priv^  bei.  Namentlich  stellte  auch 
er  CharUer,  mit  dem  er  selbst  seit  1768  im  Conseil  von  Brabant 
gesessen  hatte,  das  günstigste  Zeugniss  aus ;  wohl  habe  er,  fügte 
Robiano  bei,  seither  manchen  Tadel  wider  denselben  vernommen, 
doch  wisse  er  nicht,  inwieweit  derselbe  begründet  sei.  Beson- 
deren Nachdruck  aber  legte  der  Berichterstatter  auf  die  Kennt- 
niss  der  vlämischen  Sprache,  da  sonst  in  Folge  der  vielen  Ein- 
gaben in  diesem  Idiom  die  ganze  Arbeitslast  auf  ein  paar 
Mitglieder  falle.  Sonst  nannte  er  nur  noch  den  pensionirten 
Conseiller  Bara,  der  seine  beiden  CoUegen  Mercx  und  Bois 
St. -Jean  entschieden  überrage,  aber  des  Vlämischen  nicht  mäch- 
tig und  zu  kurze  Zeit  im  Conseil  gewesen  sei,  um  jene  Kennt- 
nisse zu  besitzen,  die  der  blosse  Beruf  eines  Advocaten  nicht 
schaffe.  Ueberdies  gelte  von  ihm,  was  der  Conseil  priv6  von 
der  grossen  Anzahl  von  Brabantern  in  seiner  Mitte  bemerkt  habe. 

Lannoy  und  Müller  gaben  in  der  Conferenz  besondere 
Voten  ab.  Lannoy  machte  vor  Allem  darauf  aufmerksam,  dase 
De  le  Vieilleuze  demnächst  den  Conseil  priv^  verlassen  werde, 
dass  De  Berg,  der  in  Folge  dessen  das  älteste  Mitglied  des 
Conseil  priv^  werde,  diesem  erst  seit  1787,  und  zwar  mit  Unter- 
brechung von  fast  zwei  Jahren  angehöre,  dass  endlich  die  zwei 
übrigen  Mitglieder  erst  seit  acht  oder  neun  Monaten  dieser 
Körperschaft  angehörten,  dass  auch  der  Chef  et  Präsident  seil 
etwa  17  bis  18  Jahren  den  Geschäften  des  GouvemementB 
femegestanden  habe,  dass  also  nach  Abgang  De  le  Vieilleuze's 
es  im  Conseil  prive  eigentlich  Niemand  gebe,  der  auf  dem  Lau- 
fenden der  Geschäfte  sei.  Was  die  Vorzuschlagenden  anbelangte, 
war  auch  Lannoy  der  Meinung,  dass  der  Eine  darunter  ein 
Flandrer  sein  müsse.  Ueber  Charlier's  Verdienste  gebe  es  nur 
eine  Stimme,  er  sei  wohl  alt,  aber  noch  thatkräftig.  Dag^en 
beschuldige  man  ihn,  dass  er  während  der  Unruhen  Vonckist 
gewesen  sei  und  durch  vier  bis  fünf  Monate  die  Functionen  eines 
Fiscals  versehen,  dann  aber  sich  zurückgezogen  habe.  Doch  auch 
angenommen,    seine  Ansichten  seien  tadellos,   so  sei  es,  meinte 


Bellen  unter  der  Qener»l8tatthalt«rRchaft  p:rzherzog  Carls  (1793,  1794).  87 

Lannoj,  nicht  zu  empfehlen,  ihn  aus  dem  sowohl  was  Talent, 
als  was  die  Gesinnung  der  Mehrheit  seiner  Mitglieder  betreffe, 
ungünstig  zusammengesetzten  Conseil  von  Brabant  zu  entfernen. 
Gegen  Pouppez  hatte  Lannoy  nichts  einzuwenden.  Sola  sei  ihm 
durch  seine  trefflichen  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Municipal- 
administration  wohl  bekannt;  er  habe  vor  Allem  dazu  beige- 
tragen, den  Franc  de  Bruges  in  gute  Stimmung  zu  versetzen, 
doch  sei  ihm  unbekannt,  ob  derselbe  mit  den  Principien  der 
Verwaltung  im  Grossen  vertraut  sei.  In  Bezug  auf  Mercx  und 
Bara  schloss  sich  Lannoy  dem  Votum  Robiano's  an. 

Staatssecretär  Müller  hinwiderum  fand,  dass  es  überhaupt 
keine  Auswahl  gebe.  Charlier  kenne  er  nicht;  ihm  genüge  aber, 
dass  das  Volk  über  dessen  Grundsätze  in  Zweifel,  und  dass  er 
ein  wenig  zu  alt  sei.    Gegen  Pouppez   hatte   er  nichts  vorzu- 
bringen.  Für  Sola  spreche,  dass  er  ein  Flamiinder  sei  und  die 
Empfehlung  Maroucx',  der  denselben  stets  als  einen  unterrich- 
teten,   gemässigten,    klugen  Mann  gerühmt,   welcher  mit  allen 
Parteien  gut  stehe,  und  gegen  den  die  öffentliche  Stimme  nichts 
einzuwenden  habe.    Müller   sprach   sich   also   blos*  für  Pouppez 
und  Sola  aus.  Bezüglich  der  drei  Conseillers  von  Brabant  theilte 
er  die  Ansicht  des  Conseil  privö  und  meinte,  dass  es  nicht  auf 
die  Ersparung  einer  Pension   ankomme,    wo  so   wichtige  Inter- 
essen im  Spiele  seien.  Unter  den  Competenten  befand  sich  auch 
der  Pensionär  der  Stände  von  Limburg,  Wildt.  Auch  gegen  ihn 
wurde,    ob    mit   Recht    oder    nicht,    geltend   gemacht,    dass   er 
Vonckist  sei.  Es  sei,  schloss  Müller,  sehr  zu  beklagen,  dass  sich 
eine  so  geringe  Auswahl  darbiete,    aber  man  müsse  bedenken, 
dass  das  Land   noch   immer  in  drei  Parteien  getheilt  sei,   und 
dass  man  keine   exaltirte  Persönlichkeit   selbst  aus   der  gutge- 
sinnten Partei  in  Vorschlag  bringen  dürfe.   Das  Alles  schränke 
gar  sehr  die  Wahl  ein,   wenn  man  die  Eigenschaften  im  Auge 
behalte,    die  ein  geheimer  Rath  besitzen  müsse.    Dazu  komme, 
dass  man   innerhalb   weniger   als  einem  Jahre   den  wichtigsten 
und    ersten    Conseil    des    Landes    vollständig    erneuern    müsse, 
während  man  sonst  nur  höchstens  alle  drei  oder  vier  Jahre  ein 
Mitglied   für  den  geheimen  Rath  zu  wählen  habe.  Auch  Metter- 
nich  sprach  sich  im  Sinne  MüUer's  gegen  Charlier  und  blos  flir 
Pouppez  und  Sola   aus  und   beantragte,    den   dritten  Platz  vor- 
läufig offen  zu  lassen  und  erst  später,  etwa  im  Zusammenhange 


88  VT.  Abb&ndlQDg:  v.  Zeissberg. 

mit  der   schon   damals  geplanten  Umgestaltung   der  Conferenz, 
ßobiano  auf  denselben  zu  berufen.^ 

Im  Mai  1794  wurden  vom  Kaiser  Bara,  Pouppez  und  Sola 
zu  geheimen  Käthen  ernannt.  Insbesondere  sollte,  wie  Trautt- 
mansdorff  bemerkt,  die  Ernennung  des  Ersteren  zum  Beweise 
dienen,  dass  man  nicht  auf  die  vergesse,  welche  ,der  Autorität' 
ergeben  seien.  ^  Und  aus  demselben  Grunde  wurde  im  geheimen 
Rathe  dem  bisherigen  Conseiller  von  Brabant  Bara,  den  UbrigeuB 
auch  Metternich  als  einen  ,sehr  honneten  und  fUr  die  Stelle  sehr 
geeigneten  Mann'  bezeichnet,^  der  Vorrang  vor  Pouppez  einge* 
räumt,  obgleich  sonst  die  Conseillers  am  Grand  Conseil,  aas 
deren  Reihen  der  Letztere  hervorging,  im  Range  den  Conseillers 
priv^s  so  ziemlich  gleich  zu  stehen  pflegten.* 

Es  ist  wohl  als  eine  Folge  der  Besetzung  des  Conseil  privi 
mit  diesen  neuen  Mitgliedern  zu  betrachten,  dass  endlich,  am 
8.  Juni  1794,  De  le  Vieillcuze  auf  den  seit  zehn  Monaten  ver 
waisten  Posten  eines  President  Grand -Bailli  des  Conseil  von 
Tournay-Tournesis  mit  Belassung  seiner  bisherigen  Bezüge  ve^. 
setzt  wurde.  ^ 

Mindere  Schwierigkeiten  als  die  Wiederbesetzung  des  Con- 
seil privö  bereitete  jene  des  Conseil  des  finances.  Es  haur 
delte  sich  blos  um  Ersatz  der  zwei  Räthe  Limpens  und  Lannoji 
von  denen  jener  nach  des  Kaisers  Wunsch  nicht  mehr  in  Be- 
tracht kommen  sollte,^  dieser  in  die  Conferenz  tibergetreten  war. 


^  Metternich  an  Trauttmansdorff,  30  avril  1794,  sammt  Beila^n.  Denelbt 

an  Erzherzog  Carl,  le  3  mai  1794.  Orig.  eig.  A.-A. 
'  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Brnxelles,  le  8  mai  1794.  Orig. 
'  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  le  8  mai  1794.  Orig.  eig.  A.-A. 

*  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Hruxelles,  le  8  mai  1794.  Traattmam- 
dorff  an  Metternich.   Bruxellos,  le  9  mai  1794.  Orig. 

*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Bruxelles,  le  8  juin  1794.  Orig. 

*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  21  juin  1793:  ,S.  M.  veut  bidn 
approuver  au.ssi  que  le  conseiller  des  finances  Limpens  reste  enoore  em- 
ploy^  provisionnellement  a  lajointe  des  terres  contest^es,  mais  d*aprte 
des  renseignomens  qui  sont  parvenus  sur  les  principes  de  ce  conseillari 
Fintention  de  S.  M.  n'est  ancunement  qu'il  fasse  partie  da  comit^  qa^ 
pourroit  etre  question  d^6tablir  pour  Fadministration  et  goavemement 
interiour  dos  places  fran(^i8es  k  conquerir.*  Doch  schlug  die  Stimmnng 
in  Wion  siiäter  zu  seinen  Gunsten  um;  denn  als  er  sich  spKter  danun 
bewarb,  dass  seine  provisorische  Stellung  an  der  Jointe  dos  terres  con- 
tost^t^s  in  eine  definitive  umgewandelt  werde,    wurde  in  Anbetracht  ,d« 


BelgitD  QDter  d«r  Oenemlitatthaltenchaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  89 

Mettemich  schlug  ftlr  die  eine  der  erledigten  Steilen  den  Cheva- 
lier Van  der  Dilft  vor,  der  bereits  Finanzrath  war,  aber  bisher 
nicht  in  diesen  Conseil  eingetreten,  sondern  blos  in  der  Jointe 
d'administration  et  du  s^questre  verwendet  worden  war  und  im 
Rufe  eines  genauen  Kenners  des  Zollwesens  stand.  Für  den 
anderen  Posten  hatte  bereits  Trauttmansdorff  auf  den  Baron  de 
Charvet,  Conseiller  et  maitre  an  der  Chambre  des  comptes  hin- 
gewiesen, und  Mettemich  stimmte  diesem  Vorschlage  zu.  Zu- 
gleich sollten  die  früheren  Greffiers,  zwei  ordentliche  und  zwei 
snpemumeräre,  und  ebenso  die  Subaltenibeamten  wieder  ein- 
gesetzt werden.  Vorsitzender  des  Finanzrathes  war  der  Tr^sorier 
gänöral  Vicomte  De  Sandrouin. 

In  der  Folge  gab  gerade  der  Finanzrath  häufig  Anlass 
zu  Klagen  über  Mangel  an  Subordination,  die  sich  namentlich 
in  einer  abfälligen  Kritik  jener  Anordnungen  des  Gouverne- 
ments äusserte,  deren  Zweck  die  Versöhnung  der  Parteien  war. 
Die  Verhandlungen  in  diesem  Conseil  nahmen  oft  einen  recht 
stürmischen  Verlauf,  und  der  Tresorier  gc^n^ral  war  nicht  immer 
im  Stande,  den  Ausbruch  der  Leidenschaften  zurückzuhalten. 
Ueber  manche  Gegenstände  fanden  überhaupt  keine  Berathun- 
gen  statt,  und  der  Ton,  in  dem  die  Berichte  dieser  Körperschaft 
abgefasst  waren,  gab  wiederholt  zu  ernster  Rüge  Anlass.^ 

Die  Besetzung  der  Chambre  de  comptes  bereitete  in 
Folge  der  grossen  Zahl  von  Bewerbern  und  der  von  denselben 
geltend  gemachten  Ansprüche  vielerlei  Schwierigkeiten,*  so  dass 
dieselbe  überhaupt  erst  später,  während  der  Anwesenheit  des 
Kaisers  (20.  Mai  1794),  erfolgte.  Dieselbe  sollte  fortan  aus 
8  Conseillers  maitres,  12  Auditeurs  und  2  Greffiers  bestehen, 
'wie  dies  der  Conseil  des  finances  bereits  1791  vorgeschlagen 
liatte.  Vorläufig  sollten  die  bisherigen  Beamten  an  derselben 
l>ela8sen  werden,  um  die  Rückstände  aufzuarbeiten.  Um  den 
Präsidenten  Kulberg  zu  entlasten,  wurde  demselben  der  Finanz- 


m^rite  de  cet  excellent  ouviier  en  mati^re  des  finances*  nicht  nur  das 
Ansuchen  g^ewKhrt,  sondern  ihm  auch  Titel  und  Rang  eines  ,Conseiller 
des  finances*  auf  Grund  seines  frilheren  Patentes  vom  Jahre  1770  be- 
lassen. Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  6  dccembre  1793. 
Orig. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  7  dccembre  1793.  Copie. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  HnixoHes,  le  9  mai  1794.   Orig. 


90  VI.  Abbandlang:  t.  ZeittBberg. 

ratb  Bartenstein  als  Vicepräsident  zugesellt  und  Letzterem  Titel 
und  Rang  eines  Staatsrathes  verliehen.  Im  Conseil  des  finances, 
wo  er  dem  Cassenwesen  vorgestanden  hatte,  wurde  Bartenstein 
durch  den  Conseillcr  maitre  Barbier  ersetzt.^ 

Hingegen  ist  die  im  Jahre  1794  beabsichtigte  Errichtung 
eines  ,Bureau  h  la  recette  g^nirale^,  in  dessen  Ressort  vorzüg- 
lich Anlehenssachen,  die  Assignationen  k  ordre  imd  die  regel- 
mässig einlaufenden  Dons  gratuits  fallen  sollten,  nicht  mehr  zu- 
stande gekommen.^ 

Die  Zusammensetzung  des  Staats secretariates,  dem 
nunmehr  Müller  vorstand,  erfuhr  keine  wesentliche  Aenderung. 
Dagegen  wurde  die  frühere  specielle  Kanzlei  des  Statthalte^ 
paares  nicht  wiederhergestellt  und  die  Secretäre  derselben 
Pisiricht  und  Vicomte  de  Nieidant  pensionirt.* 

Die  sogenannte  ,Direction  des  ctudes'  hatte,  wie  alle 
öffentlichen  Institute,  durch  die  Unruhen  der  letzten  Jahre  er- 
heblichen Schaden  erlitten.  Sie  war  in  Folge  der  Aufhebung 
des  Jesuitenordens  entstanden,  1791  wiederhergestellt  worden. 
Damals  hatte  man  in  dieselbe  nur  zwei  Assessoren  fUr  das 
Schulwesen  aufgenommen:  den  ständigen  Socretär  der  Aka- 
demie Abbe  Mann  und  den  Pater  Janssens,  Mitglied  des  Brüs- 
seler Augustinerconvents.  Letzterer  war  aber  im  März  1792 
gestorben  und  seine  Stelle  bisher  unbesetzt  geblieben,  während 
seine  Functionen  mit  seinem  Oehalte  auf  den  Actuar  Podevin 
übergingen.  Natürlich  konnte  diese  Vertilgung  nur  eine  provi- 
sorische sein;  ja  die  Erfahrung  der  drei  letzten  Jahre  hatte  ge- 
lehrt, dass  zwei  Assessoren  zur  Bewältigung  der  Menge  literari- 
scher Arbeiten  und  eines  Theiles  der  ökonomischen  Geschäfte 
der  Commission  nicht  ausreichend  seien.  Daher  stellte  die  Stadien- 
commission  selbst  den  Antrag  auf  Ernennung  eines  dritten  Mi^ 
gliedes.  Die  Conferenz  befürwortete  den  Antrag,  zumal  über 
den  mangelhaften  Unterricht  in  den  königHchen  CoUegien  und 
über  die  Vemaehlässiirung  dieses  Zweiges    der  Verwaltung  all- 


*  TrÄuttmansdorff  an  Mottomich.  Bnixelles,  le  20  mai  I7d4.  Ori^. 

*  Trauttnian.'wlorflF  an  Mettcnüch.  Bnixelle«,  le  10  juin  1794.  Otig. 

*  Note  snr  la  conipnsition  de  la  secretairerie  d'etat.  Broxelles,  le  12  juin 
1794.  Mottomich  an  Traiittniansdorff.  Bnixelle«»,  le  15  juin,  le  13  aoüt, 
le  30  soptcinbro  1793.  Trauttmanitdorff  an  Mettemich,  le  10  juillei,  le 
25  aoüt,  le  21  soptembre  1793. 


B«lffi«n  onter  der  OeneraUtattbalterschaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  91 

gemein  geklagt  wurde.  Auch  der  Erzherzog  unterstützte  den 
Antrag;  wohl,  meinte  er,  sei  die  Mehrbelastung  der  Finanzen 
im  gegenwärtigen  Augenblicke  misslich,  aber  man  dürfe  sich 
nicht  täuschen  darüber,  dass,  wenn  man  fähige  Männer  ftir 
dies  Departement  gewinnen  wolle,  dieselben  entsprechend  ge- 
stellt werden  müssten.  Auch  sei  nicht  zu  übersehen,  dass  der 
öffentliche  Unterricht  ein  Erbe  sei,  das  man  von  den  Jesuiten 
übernommen,  imd  dem  der  Staat  bisher  nur  geringe  Summen 
zugewendet  habe. 

Unter  den  Bewerbern  um  die  beiden  erledigten  Stellen 
gab  die  Studiencommission  dem  bisherigen  Actuar  Podevin  und 
Huart,  der  1788 — 1789  Directeur  des  ^coles  latines  gewesen 
war,  den  Vorzug.  Für  beide  sprach  ihre  umfassende  Bildung, 
ftir  Podevin  überdies  seine  lange  Dienstzeit,  fllr  Huart  seine 
frühere  Stellung.  Allerdings  wurde  gegen  den  Letzteren  ange- 
ftihrt,  dass  er  sich  seinerzeit  den  Ständen  angeschlossen  habe. 
Allein  man  wusste  keinen  passenden  Ersatz  für  ihn,  wollte  sich 
auch  den  Ständen  von  Brabant,  die  sich  fllr  ihn  interessh*ten, 
gefällig  erweisen'  und  ging  zugleich  von  der  allerdings  sonder- 
baren Ansicht  aus,  dass  es  sich  ja  nur  um  das  Schulfach  handle, 
das  darüber  hinaus  keinen  Einäuss  übe.  So  wurde  also  Podevin 
zum  zweiten,  Huart  zum  dritten  Mitgliede  der  Commission  mit 
erhöhten  Bezügen  ernannt,  während  die  Stelle  eines  Actuars 
dem  Professor  der  Rhetorik  an  dem  königlichen  Colleg  in 
Brüssel  und  Mitglied  der  Akademie  Le  Broussart  zu  Theil 
Wurde.  * 

In  Bezug  auf  die  Besetzung  der  neugeschaffenen  Con- 
ferenz  zu  Brüssel  war  beschlossen  worden,  dass  das  eine 
^er  Mitglieder  in  den  Finanzen,  das  andere  in  den  Geschäften 
^e«  Conseils  bewandert  sein  müsse.  Eben  deshalb  konnte  auch 
Xücht  ausschliesslich  auf  Ständemitglieder  Bedacht  genommen 
'Werden,  ganz  abgesehen  von  der  Eifersucht  unter  den  Pro- 
"Vinzen,  zu  der  die  anscheinende  Begünstigung  der  einen  oder 
^er  anderen  Anlass  gegeben   hätte.    Für   die  Finanzen   wurde 


*  Extrait  du  protocole  de  la  Conference  du  26  septembre  179.3.  Commission 
royale  des  Etndes  du  31  aoüt  1793.  Bericht  des  Erzherzogs  an  den 
Kaiser  vom  2.  Januar  1794.  (Entwurf  mit  Correcturen  von  Milller's 
Hand.) 


u2  VI.  Abhandlnng:  t.  Zeissberg. 

Lannoy,  der  früher  Mitglied  der  Wiener  Jointe  gewesen  war, 
zum  Conferenzmitgliede  ersehen.  Um  auch  dem  ständischen 
Interesse  Rechnung  zu  tragen^  sollte  die  zweite  Stelle  dem 
Grafen  von  Coloma,  MitgUed  der  Stände  von  Brabant,  oder, 
wenn  dieser  ablehne,  dem  Vicekanzler  Van  Velde  angeboten 
werden,  oder  endlich,  falls  dieser  die  durch  die  mittlerweile 
erfolgte  Demission  Crumpipen's  ledig  gewordene  Eanzlerwttrde 
vorziehen  würde,  Robiano  in  Betracht  kommen.^ 

Da  Coloma  ablehnte,  Van  Velde  (s.  unten)  eine  andere 
Bestimmung  erhielt,  wurde  zuletzt,  ausser  Lannoy,  Robiano  in 
die  Conferenz  berufen  und  diese  am  22.  Mai  1793  eröffnet  Aus 
diesem  Anlasse  beantragte  Metternich,  Beiden,  sowie  auch  dem 
Staats-  und  Kriegssecretär  Müller,  Charakter  und  Bezüge  von 
Staatsräthen  zuzugestehen;  er  machte  dafür  geltend,  dass  diesen 
Titel  einzelne  Mitglieder  des  geheimen,  sowie  des  Finanzrathes 
führten,  deren  Berichte  doch  fortan  in  der  Conferenz  geprtkft 
und  entschieden  werden  sollten.  Für  Müller  sprach  überdies  der 
Umstand,  dass  denselben  Titel  sein  Amtsvorgänger  geftthrt  hatte.' 
Doch  der  Kaiser  gestand  ihnen  vorläufig  blos  das  Gehalt  zu^  den 
Titel  sollten  die  Mitglieder  der  Conferenz  sich  erst  verdienen.* 
Vergebens  wendete  Metternich  ein,  dass  Robiano  bisher  überhaupt 
keinem  Status  angehöre  und  keinen  anderen  Titel  Aihre,  Lannoy 
als  Finanzrath  den  meisten  Mitgliedern  des  Gouvernements  nach- 
stehe. Es  blieb  vielmehr  zunächst  bei  jener  Entscheidung. 

VII.  Die  Amnestie. 

Neben  der  Zusammensetzung  der  obersten  Hof-  und  Staats- 
ämter bildete  eine  der  ersten  Aufgaben,  die  an  den  General- 
statthalter und  dessen  Minister  herantrat,  die  PubUcation  der 
durch  die  Proelamation  vom  2.  März  in  Aussicht  gestellten 
Amnestie.  Metternich  erklärte,  dieselbe,  wenigstens  soweit  sie 
Brabant  betraf,  so  lange  verschieben  zu  woUen,  bis  der  Erz- 
herzog selbst  die  Zügel  des  Gouvernements  übernehmen  würde, 
um  ihm   die  Gclcprenheit  zu  ^eben,    seine  Statthalterschaft  mit 


^  Trauttnianiidorff  au  Mottornich.  Vienne,  le  22  mar»  1793.  Orig^. 

^  Metternich  an  Tranttmansilorff,   23  mai  1793. 

^  Trauttnianwlorft'  an  Mettornich,  lo  3  juin   179.'J.  Orig. 


B«lgMO  unter  der  QeoenOsUUthalterschftft  Erzherzog  Carls  (1793,   1794).  93 

einem  Gnadenacte  zu  eröffnen.^  Er  liess  sich  iu  dieser  Absicht 
auch  nicht  durch  wiederholtes  DrUnpen  Trauttmansdorflfs  beirren,* 
der  ihm  dies  umsomehr  verargte^  als  der  Kaiser  den  Wünschen 
der  Nation  hatte  zuvorkommen  wollen,  und  nun  aus  ander- 
weitigen Berichten  entnahm,  dass  von  allen  Seiten  gerade  jene 
Wünsche  geäussert  wurden,  denen  die  von  Metternich  der 
Oeffentlichkeit  bisher  vorenthaltene  Proclamation  bereits  Rech- 
nung getragen  hatte.  Man  besorgte  nicht  mit  Unrecht,  dass 
ttber  solcher  Verzögerung  der  günstige  Zeitpunkt  verstreichen 
und  der  Gnadenact  die  beabsichtigte  Wirkung  verfehlen  werde.  ^ 

Allein  es  zeigte  sich  bald,  dass  es  vielmehr  gewisse  Be- 
denken waren,  die  nicht  nur  Metternich,^  sondern  auch  den 
Erzherzog  zurückhielten,  die  Anmestie  in  ihrem  vollen  Umfange 
XU  publiciren.  Der  Erzherzog  liess  letztere  zunächst  bezüglich 
der  Unruhen  von  1789  und  1790,  da  für  diese  in  den  übrigen 
Provinzen  schon  früher  (1791)  ein  ähnlicher  Gnadenact  erfolgt 
war^  in  Brabant,^  insofernc  sie  aber  die  Bethunisten,  die  Deser- 
teurs und  alle  jene  belgischen  Unterthanen,  die  noch  franzö- 
sische Waffen  trugen^  betraf,  auch  in  den  übrigen  Provinzen 
bekanntgeben,  stellte  es  jedoch  noch  einmal  dem  Kaiser  an- 
heim^  ob  die  Amnestie  auch  bezüglich  alles  dessen,  was  sich  bei 
der  französischen  Occupation  zugetragen  habe  und  zu  Gunsten 
derer,  welche  den  Feind  herbeigerufen  und  unterstützt  hatten, 
ausnahmslos  gelten  solle. 

Wie  er  selbst  bemerkte,  waren  es  namentlich  drei  Gründe, 
die  ihm  dagegen  zu  sprechen  schienen:  1.  dass  bereits  jetzt  die 
Uebelgesinnten  zurückkehrten,  neue  Gährung  zu  erregen  such- 
ten und  die  Hoffnung  hegten,  ihre  Befreier  bald  wiederkehren 


^  TrauUmansdorff  au  Metternich,  le  17  mars,  le  2*  avril,  lo  10  avril. 

*  R^ponse  dict^e  par  Metternich  aux  iustructiunä. 

*  Trauttmanudorff  an  Metternich.  Vienno,  le  20  avril   1793.  Orig. 

*  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  13  mars  1793.  Orig.  x\.-A. 

*  Hier  wurde  in  der  Verlautbarung  die  Einleitung  des  Amnestiedecretes 
nnterdräckt,  da  die  Stelle,  welche  die  Amnestie  slU  Schlusssteiu  der  mit 
den  Ständen  über  alle  noch  strittigen  Punkte  getroffenen  Vereinbarun- 
gen bezeichnete,  für  Brabant  nicht  pauste,  wo  diese  Vereinbarungen  zum 
Theile  erst  zu  treffen  waren.  Metternich  au  Trauttmansdorff.  Bruxelles, 
le  15  mal  1793.  Da«  Amnestiedecret  datirt  vom  17.  April  und  ist  unter 
Anderem  im  Mouiteur  Nr.  Id5  abgedruckt;  jenes  für  die  Bethunisten 
(13.  Mai)  bei  Foucart  et  Fiuet,  La  defense  uatiouale  1,  456. 


!M  VI.  AbhandlaDg:  v.  Zeissberg. 

ZU  sehen;  2.  dass  die  öffentliche  Meinung  sich  gegen  einen  der- 
artigen Generalpardon  ausspri(ch^  und  dass  endlich  3.  die 
Stände^  sobald  sie  versammelt  sein  würden^  Qegenyorstellungen 
zu  machen  gedächten.  Jch  weiss/  heisst  es  in  der  officiellen 
Vorstellung  des  Erzherzogs,  ,dass  ein  Hauptbeweggrund  ftr 
Eure  Majestät  darin  bestand,  dass  die  reactivirten  Tribunale  An- 
sichten hegten,  die  denen  der  französischen  Revolution  entgegen- 
gesetzt seien,  und  dass  man  sich  daher  darauf  verlassen  dürfe, 
dass  diese  schon  selbst  für  die  Hintanhaltung  weiterer  Unter- 
nehmungen der  Uebelgesinnten  Sorge  tragen  würden.  Das  trifft 
aber  nicht  überall  zu,  da  es  Justiztribunale  und  Magistrate  gibt, 
die  von  den  französischen  Ideen  angesteckt  sind.  Das  hätte  weni- 
ger zu  bedeuten,  da  man  diese  Behörden  ändern  kann,  obgleich 
ihre  Pensionäre  und  andere  Beamte  inamovibel  und  gerade  diese 
es  sind,  welche  jene  Körperschaften  zu  leiten  pflegen.  Schlimmer 
aber  steht  es  mit  den  oberen  Justiztribunalen.  Ein  frappantes 
Beispiel  liefert  die  Stadt  Toumay,  wo  drei  Mitglieder  des  Con- 
seilö  und  zwei  Pensionäre  als  die  eifrigsten  Anhänger  der  Fran- 
zosen und  ihres  Regimentes  öffentlich  bekannt  sind/^ 

In  einem  beigefügten  Privatschreiben  schlug  daher  Era- 
herzog  Carl  vor,  die  Amnestie  zwar  zu  erlassen,  aber  von  de^ 
selben  die  ,Haupträdelführer',  die  dem  Gouvernement  wohl- 
bekannt seien,  auszuschliessen,  denn  sonst  stehe  die  Ankunft 
Van  der  Noot's  und  Van  Eupen's  zu  besorgen,  die  man  hier 
mit  vielem  Vergnügen  empfangen  werde.*  Doch  in  Wien  machte 
die  Besorgniss  vor  der  Rückkehr  eines  Van  der  Noot  oder  Van 
Eupen  nicht  den  mindesten  Eindruck.  Hatte  doch  kurz  zuvor 
das  Gouvernement  selbst  Van  Eupen  durch  Auckland  zur  Rück- 
kehr nach  Belgien  zu  bewegen  gesucht.^  Wenn  sich  dieselben, 
meinte  man,  das  Geringste  erlauben  würden,  sei  man  ja  im 
Stande,  sie  sofort  ,beim  Schöpfe^  zu  fassen.  Man  erweise  den 
Beiden  zu  grosse  Ehre,  wenn  man  sie  von  der  Generalamnestie 
ausnehme.* 

Auch  Hess  der  Kaiser  die  von  seinem  Bruder  entwickel- 
ten Gründe  nicht  gelten.    Hätte  man,   so  wie  es  in  seiner  Ab- 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Bruxolle»,  le  3  mai  1793.  Entw.  (Of&ciell). 
'  Derselbe  an  denselben.  Brüssel,  den  6.  Mai  1793.  Orig.  oig. 

"  Auckland  III,  17. 

*  Motteruich  an  Trauttmausdorff.  Bruzelles,  le  11  mai  1793. 


jtstnri  wstci^  Hrsxeri.^  Oat-^  -ITML  irMV  dö 

acht  Ijkg,  die  PrM^usAdvc  »Kort  uach  ilem  Al»i:ugo  des  Fciuiios 
puUiciit  K'^iicT  <&:<L  ächon  tLikiuskL»  GogouvorsteUim^'u  ^^lUäichu 
80  wftide  maa  ntcLc  in  die  Lago  gokouimou  sein«  jotzt  Vor 
stellmi^s  abrr  Aikordnangen  zu  macheu,  ilie  l^uge  zuvor  ge- 
troffen wofden  ieien.  Der  Kaiser  billigte«  was  der  Erzherzog 
bereits  reiftgt.  oninete  aber  zugh-ich  ilie  uubesohräukte  Voll- 
nehnng  der  Amnestie  an.^  Das  einzige  Zugestönduis^  das  er 
machte,  war.  daä»  die  Proolamation  vom  -.  März,  da  ihr  Wort- 
laut znm  TkeU  nicht  mehr  auf  die  gegenwärtigen  Umstände 
paaste,  umgearbeitet  and  erst  nach  Sclüuss  der  Ständeversamm- 
long  publieiit  werden  sollte.^ 

Indess  auch  in  dieser  Umgestahung  scheint  die  Amnestie 
nicht  mehr  pnbUcirt  worden  zu  sein.  In  Wien  selbst  kam  man 
später  Ton  dem  trüheren  Standpunkte  in  dieser  Frage  zurilck. 
,Wa&y^  ao  erklärte  jetzt  Trauttmansdorff,  ^im  Augenblicke  unse- 
res Einzuges  gut  gewesen  wäre,  wo  ilie  Amnestie  hätte  ver- 
öffentlicht werden  sollen^  kann  es  vielleicht  heute  nicht  mehr 
sein,  wo  es  mogUcherweisc  nöthig  ist,  die  Anhänger  dos  fran- 
zösiBcken  Systems  mehr  im  Zaume  zu  halten/  Deshalb  wurde 
jetst  die  Amnestie  filr  die  w*ährend  der  französischen  iVcupa- 
tion  des  Landes  begangenen  Excesse  auf  die  Zeit  bis  zimi 
34.  März,  d.  i.  bis  zum  Einzug  der  kaiserlichen  Truppen  in 
Bräaael,  beschränkt,  und  überdies  dem  Ei*me$son  Metternich*s 
and  der  Conferenz  anheimgestellt,  welchen  Ciebrauch  man  von 
dem  Amnestieacte  machen  wolle.  *^ 

Ja  am  30.  November  ordnete  Trauttmansdorff  selbst  die 
gerichtliche  Verfolgung  von  drei  Persönlichkeiten^  an,  die  sieh 
Während  der  französischen  Oceupation  mancherlei  Vergehen 
hatten  zu  Schulden  kommen  lassen.  Das  Urtlieil  sollte  getUUt, 
aber  dem  Gouvernement  vorgelegt  werden,  um  zu  beui*theilcn, 
ob  einer  von  denselben  oder  alle  zu  begnadigen  seien.  ,Da 
übrigens,^  schUesst  die  betreffende  Weisung,  ,die  Amnestie  noch 
nicht  einmal  pubUcirt  ist  und  vermuthlicli  auch  nicht  mehr 
pnbUcirt  werden  wird,   darf  dieser  Gnadenact  keinen  EinÜuss 


^  Der  Kaiser  au  Erzherzug  Carl  (ofdcicU).  Vieuno,  lo  18  mai  1793.  Coucept. 
*  Derselbe  an  denselben  (ofiiciell).  Vieuno,  le  2*  aoüt  1793.  Orig. 
'  Trauttmansdorff  an  Metteruicli.  Vienne,  le  9  octobre  1793.  Orig. 
^  Henry  Samels,  Bürger  von  Antwerpen,  der  Arzt  Charles  Wulff  und  Phi> 
lippe  Defuisseaux,  die  beiden  letzten  aut(  llenuegau. 


96  VI.  Abliaadlaag :   v.  Zeissberg. 

auf  jenen  Process  üben.  Auch  düifte  der  Zeitpunkt,  in  dem 
das  Land  von  Uebelwollenden  bedroht  wird,  nicht  der  geeig- 
nete sein^  um  die  Thätigkeit  der  Justiz  aufzuheben  oder  zn 
lähmen,  zumal  jene  Schuldigen,  wie  Se.  königl.  Hoheit  richtig 
bemerkt  hat,  selbst  kein  Zeichen  von  Reue  äussern  oder  ihr 
einstiges  Benehmen  in  Abrede  stellen,  sondern  es  dritte  Perso- 
nen sind,  die  sich  fllr  sie,  vielleicht  ohne  ihr  Vorwissen,  ve^ 
wenden/ ^ 

Selbst  im  Mai  1794  war  die  vielbesprochene  Amnestie 
noch  nicht  verkündet,  wie  man  daraus  ersieht,  dass  Mettemich 
am  16.  d.  M.  bei  Trauttmansdorff  anfragte,  ob  dieselbe  nach 
Schluss  der  gegenwärtigen  Ständeversammlung  von  Brabant  zu 
veröffentlichen  sei  oder  nicht.* 

Bei  alledem  darf  hervorgehoben  werden,  dass  selbst  in 
ihrer  Beschränkung  die  Amnestie  von  einem  Geiste  der  Ver- 
söhnlichkeit imd  Mässigung  Zeugniss  gibt,  die  der  Beruhigung 
der  Gemüther  sehr  zu  Statten  kam.  Im  Gegensatze  zu  Lüttich, 
wo  die  Politik  unkluger  Revanche  Massenauswanderungen  nach 
Paris  zur  Folge  hatte,  dürfte  die  Zahl  der  Belgier,  welche  ein 
freiwilliges  Asyl  strafloser  Rückkehr  in  die  Heimat  vorzogen, 
nur  gering  gewesen  sein.  Eine  Ausnahme  machten  blos  die 
demokratischen  Administrateurs  von  Mens,  die  einst  erklärt 
hatten,  dass  die  Bande,  welche  ihr  Land  —  den  Hennegau  — 
an  das  Haus  Oesterreich  knüpften,  fiir  immer  zerrissen  seien,* 
und  die  sich  nach  Frankreich  flüchteten,  wo  sie  unter  dem  Titel 
,Administrateurs  du  d^partemcnt  de  Jemappes*  ein  Schattendasein 
fristeten  und  sogar  das  Recht  der  Vertretung  dieses  ,Departe- 
ments^  im  Nationalconvent,  freilich  vergebhch,  in  Anspruch  nah- 
men. Gelegentlich  wird  auch  einer  ,Soci^te  de  Braban9ons^  in 
Paris  gedacht,  und  ebenso  deuten  vereinzelte  Nachrichten  auf 
den  Fortbestand  eines  belgischen  Emigrantencorps  hin.  Aber  all 
dies  hatte  wenig  zu  bedeuten;  gab  es  doch  derartige  Fremden- 
regimenter, die  im  Ganzen  blos  aus  13  Mann  bestanden,  da* 
gegen  26  Ofdciere  zählten.'^ 


^  Trauttmansdorff  au  Mettemich.  Vienne,  le  30  novembre  1793. 
'  Metteruich  au  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  16  mai  1793. 
'  S.  Zeissberg,  Zwei  Jahre  belgischer  Geschichte  II,  8.  246. 
*  Borgnet  U*,  2Ö9— 277. 


Belfitn  nnttr  d«r  OutraUtetthaltorsohaft  Enhenog  CurU  (1798,  1794).  97 


YIII.  BeorganIsation  des  Conseils  toii  Brabant. 

Ebenfalls  eine  der  wichtigsten  Veränderungen,  die  in  die 
Anfänge  der  neuen  Statthalterschaft  fiel,  und  die  vielleicht  mehr 
als  alles  Andere  den  völligen  Umschwung  der  inneren  Verhält- 
nisse Belgiens  charakterisirt,  war  die  Reorganisation  des 
Conseils  von  Brabant.  Hatte  die  Zusammensetzung  dessel- 
ben in  den  beiden  letzten  Jahren  zu  unaufhörlichem  Hader 
zwischen  dem  Gouvernement  und  den  Ständen  den  Anlass  ge- 
geben, so  trugen  jetzt  die  letzteren  in  dieser  Frage  einen  voll- 
ständigen Sieg  davon.  Im  Grunde  war  es  freilich  seitens  der 
Regierung  nur  die  Einlösung  einer  Zusage,  welche  bereits 
Maria  Christine  in  den  letzten  drangvollen  Momenten  ihrer 
Statthalterschaft  den  Ständen  geleistet  hatte. 

Würde,  so  heisst  es  in  einer  dem  Art.  2  der  Instruction 
für  Mettemich  beigefügten  Bemerkung,  die  Depesche  vom  8.  No- 
vember V.  J.  ^  nicht  existircn,  so  hätte  man  vielleicht  noch  immer 
mit  den  Ständen  ein  Abkommen  auf  Grundlage  jener  Prin- 
cipien  schliessen  können,  denen  die  ministerielle  Depesche  vom 
28.  October  v.  J.*  Ausdruck  gegeben  habe.  So  aber  bleibe,  da 
Brabant  seit  18  Monaten  dieser  Angelegenheit  mit  gespannter 
Aufmerksamkeit  folge  und  fast  die  ganze  Bevölkerung  die  An- 
sicht der  Stände  theile,  um  nicht  wortbrüchig  zu  werden, 
nichts  übrig,  als  jene  Zusage  zu  erfüllen,  so  misslich  es  auch 
sei,  dies  zu  thun,  noch  bevor  man  die  Gewissheit  habe,  dass 
die  Stände  die  dem  Kaiser  und  den  Privatpersonen  schuldige 
Entschädigung  leisten  und  auch  ihren  sonstigen  Verpflichtun- 
gen nachkommen  würden.  Demgemäss  war  Mettemich  in  sei- 
ner Instruction  beauftragt  worden,  den  Conseil  aus  denjenigen 
Räthen  zusammenzusetzen,  die  vor  dem  25.  Februar  v.  J.  auf 
Grund  von  Patenten  des  Souveräns  und  auf  Präsentation  des 
legalen  Conseils  MitgUeder  desselben  geworden  seien,  dagegen 
jene  Conseillers  auszuschliessen,  welche  1789  in  den  grossen 
Rath  übergetreten,  jene,  welche  von  den  Ständen  während  der 


^  Zwei  Jahre  belgischer  Geschichte  II,  213. 
*  Ebenda,  169  ff. 

Sitziingsber.  i.  phiL-hist.  Cl.  CXXVIU.  Bd.  6.  Abh. 


98  VI>  Abhandlung:   v.  Zeissberg. 

Insurrection,  sowie  jene,  welche  seit  dem  25.  Februar  1791  er- 
nannt worden  waren. 

In  diesem  Sinne  erfolgte  denn  auch  am  5.  April  1793  die 
Reinstallation  des  Conseils  von  Brabant.  Schon  am  4.  April  be- 
schied zu  diesem  Behufc  Mettemich  um  9  Uhr  Morgens  die 
Conseillers  De  Villegas  d'Estaimbourg,  Viron,  Charlier,  Van  den 
Cruyce,  Wirix,  Van  Dorselaer,  Baron  d'Overschies,  Strens,  Aerts, 
De  Jonghe  und  Baron  Bartenstein  zu  sich.  Er  theilte  den  Ver- 
sammelten mit,  dass  der  Kaiser  mit  ihrer  Haltung  während  der 
französischen  Invasion  sehr  zufrieden  gewesen  sei,  dass  er  daher 
die  Ereignisse  der  Jahre  1789 — 1790  in  Vergessenheit  begraben 
wolle,  und  dass  er  gesonnen  sei,  nur  nach  dem  ,Rechte  und 
der  Verfassung  Brabants^  ^  zu  regieren,  dass  er  daher  den  Con- 
seil  so  wieder  einsetzen  wolle,  wie  derselbe  vor  den  Unruhen 
gewesen  sei.  Demnach  sollte  der  Rath  fortan  nur  aus  den  e^ 
wähnten  eilf  Mitgliedern  bestehen,  da  der  Rath  Van  Velde,  der 
die  Stelle  eines  Vicekanzlers  des  Conseils  bekleidet  hatte,  um 
seine  Entlassung  gebeten  und'  dieselbe  erhalten  habe.  Der  Rath 
sollte  so  bald  als  möglich  die  übrigen  Ernennungen  vorschlagen, 
die  erforderhch  seien,  um  die  beiden  Kammern  auf  dem  alten 
Fusse  zu  completiren.  Der  Minister  sprach  zugleich  den  Wunsch 
aus,  dass  der  Zusammentritt  des  Conseils  am  folgenden  Tage 
geschehen  möge,  zu  welchem  Behufe  er  eine  Depesche  an  Vil- 
legas werde  gelangen  lassen,  der  als  ältester  Rath  die  Functio- 
nen des  Kanzlers  bis  zur  Wiederbesetzung  des  durch  den  frei- 
wiUigen  Rücktritt  des  (älteren)  Crumpipen*  vacanten  Postens 
zu  bekleiden  habe.  Auch  sei  es  wünschenswerth,  fügte  er  hin- 
zu, dass  die  Ceremonie  sich  möglichst  feierUch  gestalte  und 
daher  am  5.  April  um  9  Uhr  Morgens  ein  Hochamt  in  der 
CoUegiatkirche  St.  Michael  und  St.  Gudula  abgehalten  werde, 
bei  der  sie  sich  in  Amtstracht  einzufinden  hätten,  um  sich  so- 
dann sofort  in  den  Rath  zu  begeben,  wo  er  selbst  die  Instal- 
lation vornehmen  werde.  Schliesslich  bemerkte  er  noch,  dass 
der  Rath  De  Jonghe  als  Pensionär  der  Stände  bis  auf  Weiteres 
an  den  Sitzungen  des  Conseils  nicht  theilnehmen  werde.  Barten- 
stein machte  den  Minister  aufmerksam,    dass  er  um  seine  Ent- 


^  ,Par  la  loi  et  la  Constitution  du  Brabant' 

*  Josef  Ambroise  Henri  Jean-N4pomiic^ne  Cr.  (Biogr.  nat.). 


B«If{en  unter  d«r  Ocneralstatthaltersohaft  Entaerxof  Carls  (1798,  17M).  99 

hebung  eingekommen  sei  und  es  ihm  daher  schwer  falle,  seine 
Functionen  wieder  zu  übernehmen,  was  jedoch  Mettemi ch  mit 
dem  Hinweis  auf  das  Vertrauen  des  Kaisers  und  der  Stände, 
das  er  geniesse,  nicht  gelten  lassen  wollte.  Indess  muss  Metter- 
nich  von  der  Einberufung  Bartenstein's  schliesslich  doch  abge- 
sehen haben,  denn  in  der  Depesche,  datirt  vom  4.  April,  die  er 
Villegas  zusendete,  wird  unter  den  Käthen,  welche  dieser  ein- 
zuberufen habe,  Bartenstein  nicht  mehr  erwähnt.  Sonst  enthielt 
die  Depesche  jene  Zugeständnisse,  von  denen  bereits  die  Rede 
war,  und  ausserdem  wurde  durch  dieselbe  der  Conseil  auch  auf- 
gefordert, die  Fiscaux,  d.  i.  den  Conseiller  avocat  fiscal,  den 
procureur  g^n^ral  und  dessen  Substituten  zu  ernennen. 

Am  5.  April  um  9  Uhr  Morgens  versammelten  sich  die 
einberufenen  (10)  Käthe  zu  St.  Gudule  und  wohnten  einer  feier- 
lichen Messe  bei,  die  der  Doyen  sang,  im  Beisein  der  Aebte 
von  Grimberghe  und  von  DiUghem,  des  Grafen  Limminghe  und 
des  Baron  d'Hove  als  Mitglieder  des  geistlichen,  beziehungsweise 
des  Adelsstandes  von  Brabant.  Nach  dem  Gottesdienste  ver- 
tilgten sich  die  Käthe  unter  Vortritt  des  Huissiers  De  Vos  nach 
dem  gewöhnlichen  Sitzungssaale,  wo  sich  auch  Mettemich  ein- 
fand und  an  die  Versammelten  eine  Ansprache  hielt,  in  der  es 
anter  Anderem  hiess:  ,Belgien  wird  seine  Constitution  und  seine 
Gesetze  behalten.  Sie  werden  die  glückhche  Kegierung  Maria 
Theresias  wiederkehren  sehen.  Dies  ist  der  Wunsch  Sr.  Ma- 
jestät, und  ich  bin  ermächtigt,  Ihnen,  meine  Herren,  dafUr 
feierlichst  Bürgschaft  zu  leisten.  Ihr  Tribunal  ist  nach  den  con- 
stitutionellen  Gesetzen  des  Landes  organisirt,  und  ich  gebe  mich 
der  Hoffnung  hin,  dass  wir  am  Ende  jener  Unruhen,  jener  Ent- 
zweiung und  jenes  Misstrauens  stehen,  das  hundertmal  mehr 
als  Sie  einen  Souverän  betrübt,  der  nur  durch  das  Gesetz  und 
für  das  Glück  seiner  Unterthanen  regieren  will.' 

Die  Rede  des  Ministers  machte  den  besten  Eindruck;  man 
erbat  sich  eine  Abschrift  derselben,  um  sie  den  Acten  des  Con- 
seils  beizulegen.  Nach  einer  entsprechenden  Erwiderung  von 
Seiten  des  Alterspräsidenten  Villegas  trat  Mettemich  auf  den 
Balcon  des  Rathsgebäudes  hinaus,  begleitet  von  den  Mitglie- 
dern des  Conseils,  und  zeigte  sich  dem  Volke,  das  sich  rings- 
um angesammelt  hatte  und  seine  Freude  durch  laute  Zurufe 
kundgab.  Zuletzt  wurde  der.  Minister  von  Freiwilligen  der  Ser- 

7* 


100  VI.  Abhandlung:  t.  Zeissberg. 

ments  zu  Fuss  und  Pferd  unter  Musik  nach  seinem  Hotel  ge- 
leitet^ wobei  sich  die  enthusiastischen  Zurufe  erneuerten. 

Wie  wir  der  höchst  interessanten  Denkschrift  des  ,Citoyen' 
Camus,  eines  der  gefangenen  Conventsdeputirten,  der  gerade  an 
diesem  Tage  mit  seinen  Schicksalsgefährten  nach  Brüssel  ge- 
bracht wurde,  entnehmen,  wurden  Abends  in  der  Stadt  Feuer- 
werke gegeben  und  Schwärmer  geschossen.  ,Gegen  10  oder 
11  Uhr  Abends,'  erzählt  er,  ,warf  man  dergleichen  unter  unsere 
Fenster  und  rief  dabei:  „Das  gilt  ftir  den  Convent."  Alle  diese 
Vorfälle  hätten  einigen  Lärm  veranlassen  können;  aber  der  Qraf 
D'Yullay^  wandte  Vorsichtsmassregeln  an,  befehligte  Streif- 
wachen und  kam  mit  dem  Befehlshaber  der  Stadt,  der  seiner- 
seits viele  Sorgfalt  verwandte,  allen  Unordnungen  zuvor.'* 

Am  6.  April  um  11  Uhr  Morgens  machten  die  Mitglieder 
des  Rathes  in  Amtstracht  ihre  Aufwartung  bei  Mettemich.  Vil- 
legas  hielt  die  Ansprache,  worauf  Mettemich  den  Käthen,  wie  er 
versprochen  hatte,  eine  Abschrift  seiner  Ansprache  an  den  Con- 
seil  übergab,  die,  wie  er  hinzufügte,  sein  Sohn,  der  spätere  Staats- 
kanzler, angefertigt  hatte.  Am  8.  wurde  in  einer  Sitzung  des 
Bathes  die  Ansprache  Metternich's  verlesen  und  beschlossen,  so- 
wohl diese,  als  auch  die  Depesche,  welche  Mettemich  am  4.  April 
an  Villegas  gerichtet  hatte,  zu  registriren  und  den  Acten  bei- 
zuschUessen.  An  demselben  Tage  erstattete  der  Conseiller  Viron 
Bericht,  dass  er  am  13.  November  1792  durch  den  SecretSr 
Delvaux  einen  verschlossenen  Brief  der  Stände  von  Brabant 
vom  11.  November  erhalten  habe,  mittebt  welchem  dieselben 
dem  Conseil  zu  seiner  Information  und  Direction  die  Abschrift 
zweier  Depeschen  Ihrer  königl.  Hoheiten  übersandten.  Beide 
Depeschen  waren  an  die  Stände  von  Brabant  gerichtet;  die 
eine  bezog  sich  auf  die  Revocation  der  Declaration  vom  25.  Fe- 
bruar 1791  und  auf  die  Zulassung  der  fünf  zuvor  ausgeschlos- 
senen Räthe  von  Brabant,  die  zweite  auf  die  damals  erfolgte 
Abreise  des  Gouvernements.*  Da  während  der  französischen 
Occupation  der  Conseil  keine  Sitzung  abgehalten  hatte,  wurden 

*  Gyulay. 

*  Toulongeon,  Geschichte  von  Frankreich  seit  der  Revolution  (Deatsch  von 
Ph.  A.  Petri)  ni,  105,  wo  aber  das  Fest  falschlich  auf  die  Ankunft  Mettw- 
nichts  (hier  Kattarinack  grenannt)  bezogen  wird. 

'  8.  Zwei  Jahre  belgischer  Geschichte  II,  213. 


Belgien  unter  der  GenenÜBUtthulterscbeft  Enheraog  Cerls  (1798,  1794).  101 

erst  jetzt  jene  zwei  Depeschen  sammt  der  Zuschrift  der  Stände 
zur  Kenntniss  genommen^  registrirt  und  ad  acta  gelegt.^ 

Ausser  der  Reorganisation  war  auch  eine  Ergänzung 
des  Conseils  von  Brabant  erforderlich,  da  an  demselben 
nunmehr  fünf  Stellen  erledigt  waren.  Von  den  früheren  Käthen 
war  Cuylen  gestorben;  Mercx  und  Bois  St.  Jean  —  ersterer 
seit  October  v.  J.  Conseiller  fiscal  *  und  Nachfolger  van  Cuylen's 
in  dieser  Stellung'  —  kamen,  da  sie  einst  ohne  Präsentation 
des  ConseilSy  Willok*  und  Bara,  weil  sie  erst  nach  dem  Edict 
vom  25.  Februar  1791  ernannt  worden  waren  und  ihre  Prä- 
sentation nicht  durch  den  gesetzlich  anerkannten  Conseil  erfolgt 
war,  nicht  mehr  in  Betracht.  Von  diesen  hatte  ausserdem  Wil- 
lok  durch  seine  Haltung  während  der  französischen  Occupation 
auch  das  Vertrauen  der  Regierung  eingebUsst.  Um  so  höheren 
Werth  hätte  man  hingegen  in  Wien  auf  den  Wiedereintritt  der 
drei  anderen  noch  lebenden  Räthe  gelegt,  die,  um  den  Formen 
der  Verfassung  zu  genügen,  der  Conseil  selbst  in  seine  Vor- 
schläge einbeziehen  sollte.  Allein  zu  einem  solchen  Zugeständ- 
nisse waren  trotz  aller  Bemühungen  Metternich's  die  Stände 
nicht  zu  bewegen.* 

Vielmehr  machte  der  Conseil  von  Brabant  von  dem  ihm 
nun  wieder  zugestandenen  Rechte  der  Erstattung  eines  Tema- 
vorscblages  Gebrauch,  aus  welchem  der  Erzherzog  die  Advo- 
caten  Kockaert  und  Evenepool  in  den  Conseil  berief,  von  denen 
jener  einst  (1790)  von  den  Ständen  in  den  Conseil  berufen  wor- 
den war  und  im  Rufe  eines  gemässigten  Mannes  stand,  dieser 
das  Amt  eines  Administrators  der  Religionsgüter  bekleidete.^ 

Im  Laufe  des  Jahres  1793  wurden  sodann  noch  vier  weitere 
Plätze  am  Conseil  von  Brabant  auf  Vorschlag  desselben  besetzt. 


^  L.  Qalsloot,  La  r^installation  du  conseil  de  Brabant  en  1793,  d^aprös 
une  r^lation  officielle.  (Compte  rendu  des  s^nces  de  la  commission 
royale  d*histoire.  Bmxelles  1885.  S^rie  4,  tom.  XII,  pag.  54  ff.) 

*  Vergl.  Maria  Christine  an  den  Kaiser,  le  10  octobre   1792.  Entw. 

*  Mettemich  an  Cobenzl.  Broxelles,  le  23  septembre  1792.  Copie. 
^  In  Mettemich^s  Schreiben:  Wittonck. 

'  R^ponse  dict^e  par  Mettemich  aux  »Instructions*. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Bruxelles,  le  20  mai  1793.  Entw.  Officiell. 
Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  7  juin,  le  10  juin  1793. 
Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Vienne,  le  30  mai  1793.  Officiell. 
Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  21,  le  23  juin  1793.  Orig. 


102  VI.  Abhandlung:  t.  Zeissberg. 

Es  waren  dies  die  Advocaten  Melin  und  T'Kint,  femer  Van 
Elerwyck  und  Van  Hencxthoven.  —  In  Folge  des  Zugeständ- 
nisses^ welches  der  Kaiser  den  Ständen  von  Brabant  bezüglich 
jener  sieben  Räthe  gemacht  hatte^  die  einst  in  den  Qrand  Con- 
seil  von  Mecheln  übergetreten  waren,  konnte  auch  von  dem 
längeren  Verbleiben  des  Procureur  g^n^ral  von  Brabant  auf 
seinem  Posten  nicht  die  Rede  sein.  Traf  doch  in  den  Augen 
der  Stände  auch  ihn  der  Vorwurf,  dass  er  in  Folge  der  Ordo- 
nanz  vom  18.  Juni  1789  als  zweiter  Procureur  gen^ral  in  den 
Grand  Conseil  übergetreten  sei,  welche  Function  erst  in  Folge 
der  Wiederbesetzung  des  Conseils  durch  das  Edict  vom  25.  Fe- 
bruar 1791  erlosch.  Auch  wurde  gegen  Van  Laeken  —  so  hiess 
der  Procureur  gön^ral  —  geltend  gemacht,  dass  er  nicht  nach 
altem  Herkommen  ernannt  worden  sei,  dem  zufolge  auch  für 
diese  Stelle  dem  Conseil  von  Brabant  das  Präsentationsrecht 
zustand,  ohne  dass  freilich  die  Regierung  an  den  Temavorschlag 
gebunden  war. 

Es  fiel  nicht  leicht,  Van  Laeken  zum  Rücktritte  zu  be- 
wegen; er  erhob  exorbitante  Forderungen,  er  bezifferte  seine 
Einkünfte  aus  jenem  Amte  mit  20.000  Gulden.  Zuletzt  freilich 
gab  er  sich  mit  6000  Gulden  zufrieden,  und  der  Erzherzog 
konnte  zur  Wiederbesetzung  der  Stelle  schreiten.  Die  Wahl  fiel 
auf  den  Advocaten  De  Neck,  welcher  in  der  Tema  des  Con- 
seils den  ersten  Platz  einnahm.  Ausdrücklich  betonte  jedoch 
die  betreffende  Resolution,  dass  dadurch  dem  Rechte  des  Souve- 
räns, von  dem  Temavorschlage  abzugehen,  nicht  präjudicirt 
werden  solle.  ^ 

Dieselben   Gründe,    welche  dem  Wiedereintritt  des  Pro- 
cureur g^nöral  Van  Laeken   in   den  Conseil   von   Brabant  im 
Wege   standen,    wurden    auch    wider   die   vier   Substituts  pro- 
cureurs  gön^raux  Cuylen,  De  Leenher,  Schepmans  und  De  Sweert 
geltend   gemacht.    Abgesehen   von   dem   Hasse,    den   sich   die- 
selben durch  ihre  Theilnahme   an  den  in  den  Jahren  1788  bi 
1790  angestrengten  gerichtlichen  Verfolgungen  zugezogen  hatten 
hielt  man  ihnen  den  Eid  vor,  den  sie  1789  nach  Cassation  d 
Conseils  von  Brabant  bei  ihrem  Uebertritte  in  den  Grand  Consei 


^  Officieller  Bericht  des  Erzherzog  Carl  an  den  Kauer.  Bruxelles,  le  3  jni 
1793.  Copie. 


Belgien  unter  der  OeneralstatthaltcrRcbaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  103 

geleistet  und  der  sie  ihrer  ,place8  Uraban9onnes'  verlustig  ge- 
macht habe^  wozu  noch  überdies  kam,  dass  die  Constitution 
und  das  Herkommen  nur  einen  Substitut  procureur  gen^ral 
kannte^  daher  die  drei  anderen  fUr  illegal  galten.  Die  Stände 
waren  auch  in  diesem  Punkte  um  so  weniger  umzustimmen, 
als  mehrere  ihrer  MitgKeder  in  jene  Processe  verflochten  ge- 
wesen waren.  Es  mussten  also  auch  diese  vier  Beamten  zu 
freiwilligem  Rücktritte  bewogen  und  ihnen  eine  Entschädigung 
zutheil  werden. 

EndUch  sollten  auch  die  beiden  Greffiersposten  am  Con- 
seil  neu  besetzt  werden  und  die  früheren  Secretäre,  die  in 
dieser  Eigenschaft  in  dem  Conseil  neuerdings  Aufnahme  fan- 
den, da  sie  bereits  dem  früheren  Conseil  den  üblichen  Eid  ge- 
leistet hatten,  nun  auch  noch  den  Eid  auf  die  Jojeuse  entr^e 
in  die  Hände  der  Stände  ablegen.^  Aber  auch  hier  ergaben 
sich  allerhand  Schwierigkeiten.  Wie  man  aus  dem  Calendrier 
de  la  cour  ersieht,  waren  noch  zu  Beginn  des  Jahres  1794  die 
beiden  Oreffiersstellen  unbesetzt,  und  noch  im  December  1793 
beklagte  sich  Köckelberg  bei  dem  Erzherzog,  dass  die  Stände 
ihn  und  die  übrigen  Secretäre  nicht  zum  Eide  zulassen  wollten.  ^ 


IX.  Verhandlungen  mit  den  Ständen  von  Brabant. 
D^Overscliies,  La  Valette,  Limminghe. 

Von  der  grössten  Bedeutung,  namentlich  in  finanzieller 
Hinsicht,  mussten  sich  die  Verhandlungen  mit  den  Stän- 
den gestalten.  Die  schleunige  Einberufung  derselben  war  daher 
Mettemich  zur  Pflicht  gemacht  worden.  Wenn  sich  gleichwohl 
die  Eröffnung  der  Ständeversammlungen  verzögerte,  vielmehr 
allenthalben  zunächst  an  die  Neubesetzung  der  städtischen  Magi- 
strate geschritten  wurde,  so  geschah  dies  im  Hinblicke  auf  die 
Stellung,  welche  der  dritte  Stand  bei  allen  Berathungen  ein- 
nahm. Der  gedeihliche  Verlauf  der  letzteren  war  durch  eine 
der  Regierung  günstige  Zusammensetzung  des  dritten  Standes 
bedingt.    Daher  musste  die  Neubesetzung  der  Magistrate  noch 


^  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxellefl,  le  21  janvier  1794.  Orig. 
*  Erzherog  Carl  an  Müller,  le  9  d^cembre  1793. 


104  VI.  AbhandloDg:  t.  Zeissberg. 

vor  der  Eröffnung  der  Ständeversammlungen  erfolgen,  und  da 
die  Erneuerung  der  städtischen  Behörden  meist  an  bestimmte 
Termine  geknüpft  war,  über  die  man  sich  nicht  hinwegsetzen 
konnte,   wurde  bis  dahin  die  Einberufung  der  Stände  vertagt 

Auch  in  Brabant  ging  der  letzteren  die  Neubesetzung 
der  stildtischen  Magistrate  voran,  die  hier  —  wenigstens  zu 
Brüssel  und  Löwen  —  seit  1791  fungirten,  da  im  Jahre  1792 
die  Inauguration  des  Kaisers  noch  vor  dem  üblichen  Tage  der 
Erneuerung,  dem  Johannistage,  erfolgt  war,  und  da  im  In- 
augurationsjahre eine  Erneuerimg  der  Magistrate  nicht  stattzu- 
finden pflogte.  Erst  nachdem  man  sich  durch  die  Neubesetzung 
der  städtischen  Behörden  des  dritten  Standes  versichert  zu 
haben  glaubte,  und  nachdem  sich  Mettemich  zuvor  im  Sinne 
seiner  Instructionen  von  den  Ständen  selbst  die  Versicherung 
hatte  ertheilen  lassen,  dass  sie  keine  neuen  Forderungen  stellen, 
ja  nicht  einmal  irgend  einen  Wunsch  laut  werden  lassen  wür- 
den,* ertblgte  fUr  den  7.  Mai  die  Einberufung  der  Stände  von 
Brabant  Unter  diesen  fand  sich  auch  der  Herzog  von  Aren- 
berg ein,  während  zum  Verdrusse  der  Regierung  der  Herzog 
von  Ursel  nicht  erschien.* 

Bekaiuitlich  war  die  Inauguration  Franz  IL  in  Brmbant 
bis  dahin  nicht  erfolgt.  Daher  sandte  der  Kaiser  dem  Erzherzog 
die  Vollmachten  zu,  um  dieselbe  in  seiner  Vertretung  vorzu- 
nehmen, doch  erst,  wenn  die  Stände  zuvor  alle  ihnen  im  Namen 
des  Kaisers  gemachten  Propositionen  würden  angenommen  haben, 
um  nicht  die  Meinung  aufkommen  zu  lassen,  dass^  wie  man 
bei  anderer  Gelegenheit  behauptet  hatte^  die  Stände  Tor  der 
Inauguration  zur  Bewilligung  der  Subsides  nicht  TorpfficfateC 
seien.  Auch  sollte  strenge  darauf  ge«chtel  werden,  daaz  die 
Stände  in  den  Znstininiungsael  keine  ungewäuüielie  Clansel 
aufnähmen  und  bei  der  Ceremonie  selbst  jeder  fübcrihte^ 
Aufwand  unterbleibe.' 

In  g^w^^Echen  Zeidäuften  pflegten  sieh  die  Siände  von 
Brabant  jährlich  zweimal  zu  versammeln.  Im  November 


Belgien  nnter  der  GenenüiitAtthaUerscbaft  Enhertog  Carls  (1793,  1794).  105 

sie  die  Forderungen  des  Kegierungscommissärs,  d.  i.  des  Kanzlers 
von  Brabant  und  in  Ermanglung  eines  solchen  des  ältesten 
Conseillers  entgegen.  Die  Propositionen  desselben  lauteten  her- 
kömmlich auf  eine  Subside  von  1,200.000  Gulden  für  das 
nächste,  mit  1.  Januar  beginnende  Jahr;  2.  auf  die  Bewilligung 
der  Impöts,  d.  i.  einer  Auflage  auf  Wein,  Bier,  Mehl  und 
Fleisch,  welche  die  Stände  selbst,  doch  zu  Gunsten  des  Souve- 
räns erhoben,  auf  sechs  Monate;  3.  auf  das  übliche  Contingent 
an  dem  Unterhalte  des  Hofes  des  Generalstatthalters,  das  sich 
fUr  alle  Provinzen  auf  540.000  Gulden  Brab.  belief  und  woran 
der  Antheil  Brabants  160.000  Gulden  betrug.  In  der  April- 
sitzung jedes  Jahres  wurde  die  Forderung  auf  Bewilligung  der 
Impdts  fUr  sechs  weitere  Monate  eingebracht.^ 

NatUrUch  konnte  im  vorUegenden  Falle  das  Herkommen 
nicht  strenge  eingehalten  werden.  Es  wurden  daher  zunächst 
als  Propositionen  der  Regierung  1.  die  laufenden  Subsides,  2.  der 
Unterhalt  des  Hofes,  3.  die  Impöts,  4.  ein  ständisches  Don  gra- 
tuit,  wie  es  durch  die  ausserordentlichen  Verhältnisse  bedingt 
war,  eingebracht.  Weitere  Forderungen  bezogen  sich  auf  die 
rückständigen  Subsides  imd  Impöts,  sowie  auf  die  in  Brabant 
bisher  nicht  erledigte  Entschädigungsfrage. 

Die  vier  ersten  Punkte  wurden  von  den  beiden  ersten  Stän- 
den verhältnissmässig  rasch  erledigt,  sie  bewilligten  ausser  der 
gewöhnlichen  Subside  (8.  Mai)  ein  Don  gratuit  von  1,240.000 
Golden  als  Beisteuer  zum  Kriege  wider  Frankreich.  *  Nachträg- 
lich wurde  auch  die  Zustimmung  der  drei  Chef-villes  erlangt.^ 
Am  spätesten  auch  diesmal  wieder,  wie  gewöhnlich,  von  Ant- 
werpen, wo  Graf  Baillet  Bürgermeister  war  und  wo  man  an- 
fangs die  Zustimmung  von  der  Anerkennung  der  Nationalschuld 
durch  den  Souverän  hatte  abhängig  machen  wollen.^ 

Ueberhaupt  war  dies  ein  Gegenstand,  der  den  Malconten- 
ten  als  willkommenes  Agitationsmittel  diente  und  daher,  um 
letzteren  das  Handwerk  zu  legen,   den  Erzherzog  auf  Metter- 


^  Gachard,  Memoire  aar  la  composition  et  les  attribationB  des  anciens  £tats 
de  Brabant  (Acad^mie  royale  de  Bruxelles,  Eztrait  du  Tome  VI  des 
M^moires),  8.  16—17. 

•  Borgnet  n\  247. 

"  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  le  1"  juillet  1798.  Orig.  eig.  A.-A. 

^  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  9  juin  1793.  Copie. 


106  VI.  Abbandlang:  t.  Zeissberg. 

nich's  Anregung  veranlasste  (1.  Juli),  die  Uebemahme  der 
Revolutionssehuld  durch  den  Kaiser,  so  wie  dies  bereits  in  den 
übrigen  Provinzen  der  Fall  war,  auch  fUr  Brabant  nach  gänz- 
licher Beilegung  der  noch  strittigen  Punkte  in  Aussicht  zu 
stellen.  ^ 

Uebrigens  votirten  die  Stände  auch  ein  Don  gratuit  von 
120.000  Gulden  ftir  den  Erzherzog;  aus  eigenem  Antriebe 
fügte  die  Stadt  Brüssel  noch  30.000  Gulden  zu  dieser  Summe. 
Eine  Luxussteuer  auf  Bediente  und  Pferde  wurde  damals  ein- 
geführt. « 

Bei  alledem  vermisste  man  doch  auf  das  Schmerzlichste 
schon  bei  den  ersten  Verhandlungen  mit  den  Ständen  von 
Brabant,  ja  mit  den  belgischen  Ständen  überhaupt,  jenes  herz- 
liche Vertrauen,  auf  das  der  Wiener  Hof  nach  so  vielen  Opfern, 
die  er  dem  Lande  gebracht,  nach  erfolgter  Verkündigung  der 
Amnestie  und  nach  der  bestimmten  Erklärung,  an  der  Ver- 
fassimg des  Landes  festhalten  zu  wollen,  Anspruch  erheben  zu 
können  glaubte. 

So  wie  zuvor,  so  ging  auch  jetzt  wieder  das  Streben  der 
Stände  von  Brabant  dahin,  die  wichtigsten  Stellen  bei  der  Regie- 
rung an  ihre  Parteigänger  zu  bringen.  Die  alten  Klagen,  dass 
sich  im  Besitze  der  einflussreichsten  Aemter  Männer  josefinischer 
Richtung  befänden,  wurden  wieder  laut.  Anfangs  beschränkte 
man  sich  auf  leise  Andeutungen;  so,  als  der  Magistrat  von  Brüssel 
dem  Erzherzog  Carl  den  Ehrenwein  mit  den  Worten  credenzte: 
,Sie  werden  zu  Ihren  Rathgebem  Personen  zu  wählen  wissen,  die 
durch  Talent  und  Verdienst  sich  der  öffendichen  Achtung  w 


gezeigt  haben.'  Aber  bald  ging  man  zu  directen  Beschwer—*^ 
den  über.  Man  machte  es  der  Regierung  zum  Vorwurfe, 
sie  einerseits  die  Mitwirkung  der  Stände  in  Anspruch  nehme 
andererseits  die  Personen  zu  halten  suche,  welche  dazu  beii 
getragen  hätten,  den  Credit  eben  dieser  Stände  zu  zerstöreiK=3, 
dass  sie  den  Jakobinern  den  Krieg  erklärt  habe  und  an  ihrei 
Busen  Anhänger  ihrer  Grundsätze  nähre.' 


^  Erzherzog  Carl  an  die  Stände  von  Brabant.  Bnixelles,  le  1*'  juiUet  179  -^. 
Copie.  Vergl.  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bnixelles,  le  9  joiilet  179^  •^* 
Entw.;  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  le  !•'  juillet  1793.  Orig.  eig.  A.- 

*  Borgnet  n*,  249.  Moniteur,  29  janvier  1794,  pag.  521. 

»  Borgnet  U\  332. 


Belfien  unter  der  General  Statthalterschaft  Erzherxog  Carls  (1793,  1794).  107 

Nun  hatte  die  Regierung  bekanntlich  den  Wünschen  der 
Stände  bereits  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Rechnung  getragen. 
Der  Conseil  von  Brabant  war  im  Sinne  derselben  reorganisirt, 
die  verhasstesten  Mitglieder  der  Regierung,  die  man  als  Häupter 
der  ,Cabale'  bezeichnete,  die  beiden  Brüder  Crumpipen,  der 
Chef-Präsident  und  der  Kanzler  von  Brabant,  sowie  Baron  Feltz, 
der  Staats-  und  Kriegssecretär,  waren  fallen  gelassen  worden. 
Aber  weiter  konnte  und  wollte  die  Regierung  nicht  gehen,  da  sie 
sonst  von  der  Leitung  der  Geschäfte  die  fähigsten  Köpfe  hätte 
entfernen  müssen,  während  die  ständische  Partei  überdies  noch 
auf  die  Entfernung  einiger  anderer  Mitglieder  der  Regierung, 
80  der  geheimen  Räthe  De  Lirapens,  De  Reuss,  De  Berg,  De  le 
Vieilleuze,  der  Finanzräthe  Ransonnet,  D'Aguilar,  Duchesne  und 
des  trotz  aller  Gegenversicherungen  Mettemich's  verhassten 
Bartenstein  drang.  Die  Stände  betrachteten,  was  geschehen 
war,  nur  als  eine  AbschlagszahluDg,  man  zweifelte  an  der  Auf- 
richtigkeit des  Wiener  Hofes  und  meinte,  er  habe  sich  nur 
der  Noth  der  Umstände  gefügt,  werde  aber  dereinst  das  ver^ 
lorene  Terrain  wieder  zu  gewinnen  trachten.  Man  glaubte  da- 
her, zu  keinem  Danke  verpflichtet  zu  sein.  Was  geschehen,  sei 
nur  Recht,  und  auch  dies  nicht  vollständig.  Man  beschwerte 
sich  selbst  über  die  Amnestie.  Patrioten,  die  sich  edelmüthig 
der  Vertheidigung  der  Verfassung  geopfert,  bedürften  keines 
Pardons.^  Den  Leuten  dieser  Richtung  genügte  es  nicht,  dass 
Belgien  wieder  in  den  Stand  versetzt  werde,  in  dem  es  einst 
Maria  Theresia  zurückgelassen  hatte;  für  sie  waren  ,die  schö- 
nen Tage'  der  so  gefeierten  Regierung  der  Tochter  Carls  VI. 
die  Zeit,  in  der  sie,  durch  den  Kampf  mit  halb  Europa  in  An- 
spruch genommen,  noch  nicht  Müsse  gefunden  hatten,  um  ihre 
Aufmerksamkeit  der  Verbesserung  in  der  Verwaltung  ihrer 
Länder  zuzuwenden.  Nach  ihrem  Sinne  hätten  alle  Convente 
ohne  Ausnahme  wiederhergestellt,  gegen  die  Mönche,  welche 
sich  weigerten,  in  ihre  Zellen  zurückzukehren.  Zwang  geübt 
und  das  Edict,  welches  die  Ablegung  religiöser  Gelübde  von 
dem  Alter  von  25  Jahren  abhängig  machte,  wieder  abgeschafiPt 
werden  müssen.* 


»  Borgnet  U*,  254—255. 
«  Ebenda  U«,  257. 


1U8  VI.  Abbandlnng:  ▼.  Zeissberg. 

Anschauungon  dieser  Art  waren  es^  die  in  zwei  den  Stän- 
den von  Brabant  dui*ch  die  Doyens  der  neun  ^Nationen'  von 
BrUssel  überreichten  Memoiren^  iind  zum  Theile  selbst  in  einer 
Denkschriflt  der  Stände  an  den  Kaiser  zum  Ausdrucke  ge- 
langten^ in  der  sie  unter  Anderem  die  Absendung  einer  Depu- 
tation an  denselben  in  Aussicht  stellten.  An  sich  kam  letzteres 
dem  Wiener  Hofe  gerade  nicht  unerwünscht.  Man  hatte  sich 
hier  vielmehr  eines  dei'artigen  Schrittes  vom  Anfang  an  ver- 
sehen^ nicht  nur  von  den  Ständen  Brabants,  sondern  auch  sei- 
tens der  Stände  der  übrigen  Provinzen.  Man  hatte  erwartet, 
dtiss  eine  Deputation  derselben  ein  ansehnUches  Don  gratuit 
anbieten  und  die  GefUhle  des  Dankes  und  der  Elrgebenheit  an 
den  Stufen  des  Thrones  niederlegen  werde.  fVeilicb  sollte  Metter- 
nioh  den  Ständen  bei  Zeiten  bedeuten,  dass  eine  derartige  Ge- 
sandtschaft dem  Hofe  keine  Verlegenheiten  bereiten  dürfe,  dass 
man  sich  daher  jedes  auf  eine  Aendenmg  der  bestehenden 
Vertassung  abzielenden  Vorschlages  enthalten  und  das  woU- 
wollonde  Herz  des  Kaisers  vor  jeder  Ueberraschong  in  dieser 
Kichtuug  bewahren  müsse.'  Konnte  also  die  Ankündigung  einer 
IX'putation  der  Stände  von  Brabant,  wie  gesagt,  dem  Wiener 
Hofe  nicht  unerwartet  kommen,  so  machte  doch  die  danuif  vor- 
bereitende Denkschrift  hier  einen  recht  ungünstigen  ESndmck. 
Trauttmansdorff  trug  anfangs  sogar  Bedenken,  dieselbe  dem 
Kaiser  vorauleg^^n«  und  dieser  ftihlte  sich  durch  dieselbe  auf 
das  Empfindlichste  verletzt'  Er  habe,  Hess  er  dem  ^ii»i«ii*r 
melden«  mcht  erwartet^  dass  man  ihn  an  Dinge  erin]i»ii  werde, 
wud  denen  er  sehnlich  wünsche^  dass  dieselben  für  immer  der 
Vergessenheit  anheimfallen  m^bteii«  imd  dass  man  Gegen- 
stände berühren  wer\le«  die  den  Glauben  erxeogen  rnftssten, 
ak  hätten  all  seine  Sorvren  und  Mühen  um  das  GlAck  nnd  die 
Kühe  des  Landes  ihm  noch  immer  niebi  jenes  vdk  Ycitrmaen 
und  jene  aiUorkh^ee  Hingebong  veistcltfjit.  die  er  wb  dem 
odknen  und  k>valen  Charakter  seiner  beleisehen  ScKafeen  er- 
w;ute.  Er  habe  nicki  ge^^rlMibc  da^  man.  nafcUem  er  anf  das 


«inM^iii.  VatBBKw  W  tr  ATTtl  II^Kk  Oi%. 


B«lffi«i  nottr  der  OtntnlsteHbftltoncbaft  Enbenog  Cftrls  (1798,  17M).  109 

DeutlichBte  bewiesen^  dass  es  nicht  seine  Gewohnheit  sei^  nur 
halb  zu  verzeihen,  wofern  das  Wohl  der  Unterthanen  ihm  ge- 
statte,  sich  ganz  den  Regungen  der  Güte  hinzugeben,  nicht  sein 
Beispiel  nachahmen  und  alle  Empfindungen  des  Hasses  und 
der  Feindseligkeit  unterdrücken  werde,  deren  Quelle  jener 
Parteigeist  sei,  der  so  viel  Unglück  verschuldet  habe. 

Mettemich  wurde  beauftragt,  bei  erster  Gelegenheit  dies 
zur  Kenntniss  der  Stände  zu  bringen:  er  möge  sie  darüber  be- 
ruhigen, als  ob  seine  Befehle  nicht  ausgeführt  werden  würden, 
aber  ihnen  zugleich  zu  verstehen  geben,  dass  er  zwar  ent- 
schlossen sei,  die  constitutionellen  Gesetze  wieder  aufleben  zu 
lassen  und  zu  beobachten,  dass  er  aber  anderseits  umsoweniger 
irgend  einen  Eingriff  der  Stände  in  seine  durch  dieselbe  Con- 
stitution ebenfalls  garantirten  Souveränetätsrechte  dulden  und 
dass  er  daher  ihre  Deputation  nicht  eher  empfangen  wolle,  als 
bis  man  ihn  über  diesen  Punkt  beruhigt  haben  werde.  ^ 

Mittlerweile  (3.  Juni)*  hatten  die  Stände  die  Deputirten 
ernannt,  die  sich  nach  Wien  begeben  sollten:  den  Bischof 
(Nelis)  von  Antwerpen  und  die  Grafen  Duras  und  Baillet.  Jetzt 
aber,  in  Folge  der  Eröffnung  des  Ministers,^  unterbUeb  die  Ge- 
sandtschaft,^ und  Bischof  Nelis  begnügte  sich,  am  19.  JuU  ein 
Schreiben  der  überschwänglichsten  Art  an  den  Kaiser  zu  rich- 
ten, in  welchem  er  einerseits  der  Besorgniss,  dass  es  sowie 
einst  bei  dessen  beiden  Vorgängern  auch  bei  ihm  versucht 
worden  sei,  den  Brabanter  Episcopat  zu  verdächtigen,  ander- 
seits der  unverbrüchUchen  Treue  des  Clerus  und  Volkes  wenig- 
stens für  die  Zukunft  Ausdruck  gab  und  sich  erbot,  auf  die 
noch  vorhandenen  Uebelstände  und  die  geeignete  Abhilfe  der- 
selben hinzuweisen.* 


^  Tranttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  31  mai  1793.  Orig. 

*  Vergl.  Gachard,  Analectes  IV,  495. 

*  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  9  juin  1793.  Copie. 

^  Die  belgischen  Deputirten,  von  denen  der  Moniteur  Nr.  136,  16.  Mai, 
erzählt,  daM  sie,  Thrftnen  in  den  Augen  über  den  huldvollen  Empfang 
des  Kaisers,  den  Audienzsaal  verlassen  hätten,  ^aren  sicherlich  nicht, 
wie  Borgnet  II',  247  anzunehmen  scheint,  Abgeordnete  der  Stände,  son- 
dern werden  vielmehr  dem  Kreise  jener  Privatpersonen  angehört  haben, 
die  ohne  dazu  von  irgend  einer  Seite  autorisirt  zu  sein,  ab  und  zu  in 
Wien  erschienen. 

*  Gacfaard,  Analectet,  S^rie  1 — 4,  pag.  495. 


tlO  VI>  AbhftodluBg:  t.  Zeissberg. 

Iiuloss  wurde  das  MissvergnUgen  des  Wiener  Hofes  ohne 
Zweifel  nicht  blos  durch  jene  Denkschrift  yeranlasst.  Auch 
sonst  war  man  durch  die  Vorgänge  in  den  Niederlanden,  zu- 
mal in  Brabant,  gänzlich  enttäuscht.  ,Was  haben  wir/  schreibt 
TrauttmansdorfF  an  Metternich,  ^bisher  von  den  Ständen  dieses 
Landes,  das  Sr.  lilajestät  so  viel  verdankt,  erreicht?  Weldi' 
wenn  auch  nur  geringes  Entgegenkommen  haben  sie  bezügUch 
der  Hinge,  welche  geordnet  werden  sollten,  gezeigt?  Und  der 
Kaiser,  der  diesen  unglücklichen  Krieg  nur  zur  Vertheidigong 
seiner  Niederlande  unternommen,  der  sie  von  einem  tyranni- 
sehen  Feinde  mit  ungeheuren  Kosten  befreit  hat,  der  all  ihren 
Wünschen  zuvorkam«  indem  er  ihnen  in  vollem  Umfimge  ihre 
alte  Verfassung  zurückgibt  und  edelmüthig  alles  Gescheheiie 
verzeiht«  welche  neuen  Opfer  muthet  man  ihm  tftglicli  zu? 
Muss  er  nicht  treue  Menschen,  alte  Diener  im  Stiche  laasen 
und  sich  denen  in  die  Arme  werfen,  welche  diese  geg^m  ihn 
erhoben?  Muss  er  nicht  blindlings  den  Launen,  nicht  der 
Nation«  simdern  derer  folgen,  die  sich  anmassen«  in  deren 
Namen«  in  Wahrheit  aber  ohne  ihr  Wissen  za  sprechen?  Man 
will  den  Einen  nicht,  folglich  entlässt  man  ihn:  man  will 
Änderten«  fohdich  muss  man  ihn  dahin  stellen,  wolun 
wünschen.  In  der  That  will  die  ganze  Weh.  nnr  nidit  der 
Kaiser«  der  allein  das  Recht  hStte  zn  w<Aen.  Und  all  diei 
warum?  Um  einiger  Golden  willen,  die  wir  tr>»tzdem 
nicht  Wkommen  werden.  Das  kann  nnm^^sfidi  s«^ 
.^  wirvi  die  Zeil  komme»,  wo  wir  nicht  md.r  im  S 
w^nxlen.  AUe$  zu  thun.  was  man  wül.  die  ünzamedeckcii  wird 
$i>dann  um  so  griStSis^r  <^xn.  ab  man  an  We^^erav 
gewCQint  s^in  wiivi:  es  weiden  sich  Sehwienjk. 
es  winl  dann  Niemand  för  mas  >e£c.  Xiemazhi  e* 
uäs  lu  s«n.  und  dar.r^^r?  Ich  wiässehe  vc«  j 
nik'h  zu  tisi^cliei:.  aber  isein  Efer  f^  der  Ksnss  zoid 
P£cikt  oe^4axxe£  riiir  eicht  za  s»thweic>?ii."  - 

das   jwyäd<-uT5ce    BerieiiseTi   eaaecs-er   Pr^swrsrtDea:, 


sasuimrcf  is.  MfCMnöc^    aeta  1.  «^hoc  ITüi.. 


Belgien  unter  der  Oenenlstatthaltersobaft  Enbenof  Carls  (1793,  1794).  111 

mal  Baron  D'Overschies,  einer  der  fünf  durch  das  Decret  vom 
25.  Februar  1791  von  dem  Conseil  von  Brabant  ausgeschlos- 
senen Käthe. ^  Er  war  schon  im  März^  noch  vor  der  Schlacht 
bei  Neerwinden,  in  Wien  erschienen;  er  sprach  von  40.000  bis 
50.000  Belgiern^  die  bereit  seien,  sich  für  den  Kaiser  zu  er- 
heben,  und  von  einer  Summe  von  vier  Millionen,  die  man  Letz- 
terem darbringen  wolle,  freilich  nur  unter  der  Voraussetzung 
der  Begnadigung  Van  der  Noot's,  der  Bildung  einer  Miliz,  der 
gänzlichen  Cassirung  des  gegenwärtigen  Gouvernements.*  Er 
liess  es  nicht  an  darauf  bezüglichen  Noten  und  Memoiren  fehlen. 
Man  wusste  nicht,  was  man  von  dem  Manne  zu  halten  habe, 
ob  er  im  Auftrage  der  Stände  spreche  oder  nicht.  Man  begeg- 
nete ihm  mit  Misstrauen,  zumal  man  bereits  durch  La  Valette 
gewarnt  war,  und  da  eben  um  diese  Zeit  die  ersten  Sieges- 
aachrichten  aus  Belgien .  einliefen,  legte  man  der  Sache  über- 
haupt keine  besondere  Bedeutung  bei.*  ,Die8er  Brief,'  schreibt 
Trauttmansdorff  an  Metternich  (20.  März),  ,wird  Eurer  Ex- 
cellenz von  D'Overschies  übergeben  werden,  der  diesen  Abend 
abreist,  nachdem  er  sich  hier  acht  Tage  aufgehalten  hat.  Wenn 
Sie  nicht  besser  wissen  als  wir,  was  der  Zweck  seines  hiesigen 
Aufenthaltes  war,  und  wenn  Sie  nicht  mehr  von  ihm  selbst  er- 
fahren, als  ich  Ihnen  über  das  Resultat  seiner  Reise  mittheilen 
kann,  werden  Sie  sich  so  wie  wir  in  voller  Unwissenheit  in 
diesem  Punkte  befinden.  Se.  Majestät  hat  sich  in  kein  Detail 
mit  ihm  eingelassen,  und  mir  gegenüber  beschränkte  er  sich 
nach  dem  ersten  Gespräche  darauf,  drei  Denkschriften  zu  über- 
reichen, von  denen  die  eine  die  Einführung  von  Papiergeld  be- 
trifft, die  beiden  anderen,  wie  Eure  Excellenz  aus  der  Beilage 
ersehen  werden,  von  keinem  Nutzen  sein  können.  Uebrigens  ist 
ihm  der  Kaiser,  wie  ich  ihn  bat,  gütig  begegnet,  und  auch  ich 
war  bemüht,  ihm  Anlass  zu  geben,  mit  mir  zufrieden  zu  sein, 
da  ich  in  seiner  Reise  keinen  Grund,  um  ihn  zurückzustossen, 
erblickte.  Er  selbst  wird  freilich  nicht  sehr  zufrieden  mit  der 
Gesellschaft  gewesen  sein,  die  sich  ihm  gegenüber  absichtlich 
zurückhaltend  benahm,  und  ich  glaube,  dass,  wenn  ihn  persön- 


^  Siehe:  Zwei  Jahre  belgischer  G^chichte  I,  39. 

'  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  12,  le  13  mars  1793. 

'  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  13,  le  17  mars  1798.  Orig. 


112  VI«  Abhandlung:  ▼.  Zeissberg. 

liehe  Absiehten  hieher  geführt  haben,  er  eine  günstigere  21eit 
dazu  hätte  ersehen  und  sich  zuvor  die  Wege  ebnen  müssen. 
Das  hindert  nicht,  dass  Se.  Majestät  geneigt  ist,  etwas  für  ihn 
zu  thun,  sobald  er  es  wohl  verdient  haben  wird  und  Eure  Ex- 
cellenz dies  ihm  bezeugen.  Er  weiss  dies  imd  weiss  auch,  dass 
ich  ihn  an  Sie  gewiesen  habe,  da  es  mir  zweckmässig  schien, 
Sie  in  den  Stand  zu  setzen,  durch  Furcht  und  Hoffnung  einen 
Menschen  zu  leiten,  der  nicht  ganz  unbedeutend  und  nicht  ohne 
Ehrgeiz  ist/^ 

Anfangs  Jum',  das  ist  ungefUhr  zu  derselben  Zeit,  als  die 
Antwort  auf  die  Denkschrift  der  Brabanter  Stände  erfolgte, 
kam  auch  La  Valette  wieder  nach  Wien,^  diesmal  in  Begleitung 
zweier  Brabanter,  Van  Schorell  und  Lalaing.  Auch  sie  £uiden 
einen  sehr  kühlen  Empfang.  ,Er  habe  sie,^  schreibt  der  Kaiser 
an  Erzherzog  Carl,  ,nicht  einmal  angehört.  Denn  habe  das 
Land  ihm  irgend  einen  Wunsch  vorzutragen,  so  kenne  er  keinen 
anderen  Mittler  als  seinen  Bruder  oder  den  Minister.^* 

La  Valette  hatte  zwar  eine  Audienz  bei  dem  Kaiser,  der 
ihn  aber  an  Trauttmansdorff  verwies.*  Diesem  überreichte  La 
Valette  eine  Denkschrift  über  all  die  Gegenstände,  über  die  er, 
wie  er  sagte,  zu  sprechen  beauftragt  sei,  ohne  übrigens  seine 
Auftraggeber  zu  nennen.  Die  Denkschrift  selbst  ging  von  dem 
ganz  vernünftigen  Grundsatze  aus,  dem  übrigens  schon  zuvor 
Trauttmansdorff  gelegentlich  Ausdruck  gegeben  hatte,  dass  in 
Belgien  erst  dann  geordnete  Zustände  eintreten  würden,  wenn 
man  nach  einem  bestimmten  Plane  vorgehe  und  nicht  wie  in 
letzter  Zeit  von  der  Hand  in  den  Mund  lebe.  Als  Mittel,  um 
dies  Ziel  zu  erreichen,  empfiehlt  La  Valette  eine  völlige  Neu- 
besetzung aller  Stellen  am  Brüsseler  Hofe  und  am  Brüsseler 
Gouvernement  durch  eine  Jointe,  die  aus  den  unbefimgensten 
und  gemässigtesten  Personen  des  Landes  zu  bilden  sei,  die 
Vereidung  aller  Beamten  auf  die  Verfassimg,  die  Uniformirung 
der  letzteren  oder  wenigstens  die  schriftliche  Aufzeichnung 
der  alten  Gewohnheiten  jeder  der  verschiedenen  Provinzen, 
die  Zuziehung  von  Deputirten  der  letzteren  zu  den  Berathungei 

^  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  20  mars  1793.  Orig. 

*  Am  30.  Mai  sah  Trauttmansdorff  bereits  seiner  Ankunft  entgegen. 
'  Franz  U,  an  Erzherzog  Carl.  Laxenburg,  den  IS.  Juni  1793.  Orig.  eig. 

*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  7  juin  1798.  Orig. 


Belgien  iint«r  d«r  OenenÜBtatthaltcnchaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  113 

des  Staatsrathes,  die  Reform  des  Cleinis  mittelst  einer  Natio- 
nalsjnode  u.  s.  f.  Dem  Memoire  waren  zwei  specielle  Denk- 
schriften beigefügt,  von  denen  sich  die  eine  auf  die  Bildung 
belgischer  Legionen,  die  andere  auf  die  Errichtung  einer 
Elscomptebank  bezog. 

Es  leuchtet  von  vorneherein  ein,  dass  diese  Denkschriften 
grösstentheils  nur  der  Ausdruck  einer  ganz  bestimmten  Partei- 
richtnng  waren,    die  sich   zumal  gegen   die   so   verhassten  Mit- 
glieder der  sogenannten  Christine'schen  Partei  kehrte,  als  deren 
Anhänger  der  Lieutenant  des  Prövot  g^n^ral  de   T  Hotel  Stoc- 
quart,    Graf  Maldeghem,    der  jünger  Limpens   und  Vicomte  de 
Niealant   bezeichnet  werden.    Wenn    sich    daher    auch   Trautt- 
mansdorff  die  Mühe  nahm  (18.  Juni),  die  Denkschriften  einem 
ausftlhrlichen  Gutachten  zu  unterziehen,  so  konnte  dies  nur  ab- 
lehnend lauten,  zumal  es  sich  ja  blos  um  die  Vorschläge  eines 
Privatmannes   handelte,    von   denen   man   nicht   einmal   wissen 
konnte,  ob  sie  dem  Wunsche  der  Nation  entsprächen,   und  zu- 
mal dieselben  im  Gegensatze  zu  dem  einmal  adoptirten  Stabili- 
tätsprincipe  einen  gänzUchen  Umsturz  der  bestehenden  Einrich- 
tungen  ins  Auge  fassten.    Der  Kaiser   stimmte   seinerseits   den 
Anschauungen  TrauttmansdorfiTs   vollkommen   bei.    Ja,    da   die 
gemachten  Vorschläge   unzulässig  und   ihrem  grösseren  Theile 
nach   für  seine  Autorität  verletzend   seien,    erklärte   er  es  als 
einen    Ausfluss    seiner   besonderen    Güte,    dass    er    dies    nicht 
weiter  vermerken  wolle.  Daher  wurde  Trauttmansdorflf  ermäch- 
tigt, den  Ueberbringern  der  Denkschrift  ftlr  ihren  guten  Willen 
zu  danken,  doch  ihnen  zugleich  zu  erklären,  dass  man  von  ihren 
Vorschlägen  keinen  Gebrauch  machen  könne,  und  dass,  da  ihre 
Reise  bereits  Aufsehen   errege,    ihre  baldige  Rückkehr  in  die 
Heimat  umsomehr  gewünscht   werde,   als  ihr  längeres  Verblei- 
ben in  Wien   nur  die   eitlen  Hoffnungen  jener  beleben  würde, 
welche  die  Projecte  gemacht,  mit  deren  üeberreichung  sie  be- 
auftragt gewesen  seien.  ^ 

Schon  früher  hatte  Trauttmansdorff  den  Minister  von  den 
Umtrieben  jener  drei  Belgier  in  Wien  in  Kenntniss  gesetzt. 
,Hört  man  De  la  Valette,  De  Schorell  und  De  Lalaing  reden, 
80  konmit  man   zur  Ueberzeugung,    dass  man  eben  nicht  aller 


^  Correspondenz  Tranttmansdorff-Metternich,  25  juin  1793. 
Sitxiingsber.  d.  pMl.-hut.  d.  CXXVm.  Bd.  6.  Abb.  8 


\ 


114  VI.  Abhandlung:  t.  Zeifsberf. 

Welt  zu  Gefallen  sein  kann.  Würde  man  nacheinander  alle 
die  befragen,  welche  glauben,  eine  Meinung  über  die  Verthei- 
lung  der  Aemter  aussprechen  zu  können,  so  würde  man  schliess- 
lich dahin  gelangen,  alle  Welt  zu  entlassen  und  überhaupt 
Niemand  zu  wählen.  Sind  doch  diese  Herren  unter  sich  selbst 
nur  einig  in  dem  Tadel  dessen,  was  geschah,  oder  dessen,  was 
nach  ihrer  Meinung  noch  geschehen  soll.  Sie  wollen  weder 
Fierlant  noch  Müller,  sie  zettem  gegen  den  älteren  Limpens 
und  Bergh,  gegen  den  Pensionär  De  Jonghe,  gegen  Wams- 
dorff  und  Maldeghem,  kurz,  wenn  man  ihnen  Glauben  schenkt, 
so  sind  es  nur  sie  selbst  und  ihre  Anhänger,  die  allein  noch 
Belgien  retten  können.'^ 

Marquis  De  la  Valette  benützte  auch  diesmal  seinen  Auf- 
enthalt in  Wien,  um  zugleich  eine  persönliche  Angelegenheit, 
die  ihm  offenbar  sehr  am  Herzen  lag,  zu  betreiben.  Es  war 
dies  der  angestrebte  Ankauf  einiger  in  Brabant  gelegener  Do- 
mänen, der  Seigneurien  von  Hannut,  Leau  und  Landen,  sammt 
dem  zu  letzterem  gehörigen  Ingertrude  und  Racourt,  sowie  die 
Erwerbung  des  Eigenthumsrechtes  der  yerpfändeten  Seigneuries 
Hakendoven  und  Wilmerchem,  Lare  und  Waesmont,  Neer-  und 
Overhespen,  Neer-  und  Overwinden,  Gutsenhoven,  Hautgarden 
und  Elissem,  fast  lauter  Oertlichkeiten,  deren  Namen  uns  aus 
den  Schilderungen  der  Schlacht  von  Neerwinden  geläufig  sind. 
Schon  unter  Kaiser  Leopold  H.  (25.  Januar  1792),  dann  wieder 
am  28.  März  1792  hatte  sich  La  Valette  um  diese  Besitzungen 
beworben;  jetzt  schien  der  Kaiser  nicht  abgeneigt,  ihm  die- 
selben unter  für  ihn  günstigen  Bedingungen  zu  überlassen.  Zu- 
vor wurde  jedoch  Mettemich  beauftragt,  sich  über  die  mit  dem 
beabsichtigten  Verkaufe  verbundenen  Vor-  und  Nachtheile  zu 
äussern.  ^ 

Nach  Belgien  zurückgekehrt,  spielte  La  Valette  die  alte 
Rolle  fort.  Aller  Welt  versicherte  er,  gleich  D'Overschies,*  dass 
er  bei  dem  Kaiser  gut  angeschrieben  sei,  dass  er  das  volle  Ver- 
trauen des  Ministeriums  geniesse.  Er  gab  vor,  mit  geheimen  In- 
structionen Trauttmansdorff's  versehen  zu  sein,  und  sprach  von 


*  Traiittmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  9  juin  1793.  Orig-. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  24  juin  1793.  Orig>. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  31  juillet  1793.  Orig. 


B«lgi«n  nntor  der  OeneralsUtthalterschaft  Enbenog  C»rl8  (1799,  1794).  115 

dem  Austausche  Belgiens  wie  von  einer  Sache,  die  noch  immer 
stattfinden  könne.  Dem  Grafen  Duras  sagte  er,  dass  die  Depu- 
tation der  Stände  in  Wien  zurückgewiesen  werden  würde;  er 
habe  die  &n  Mettemich  gerichteten  Depeschen  hierüber  gelesen 
u.  dergl.  Es  war  eine  Folge  dieser  unbedachten  Aeusserungen, 
dass  sich  die  Stände  Aufklärung  bei  dem  Minister  erbaten,  der 
sich  jedoch  auf  seine  frühere  Erklärung  berufen  konnte,  die 
keineswegs  peremptorisch  gelautet  hatte.  ^ 

In  Wien  war  man  über  La  Valette's  Benehmen  anschei- 
nend  sehr  ungehalten,  zumal  über  jene  Aeusserung,  welche  sich 
auf  das  belgische  Tauschproject  bezog,  das  in  einer  Weisung 
an  Mettemich  entschieden  in  Abrede  gestellt  wurde:  ,sofern 
nicht  etwa  die  geringe  Dankbarkeit,  die  man  dem  Kaiser  be- 
zeige, und  die  fortwährende  Animosität  gegen  jene,  die  ihm  treu 
geblieben  seien,  oder  endlich  die  unziemUchen  Forderungen,  die 
man  sich  noch  immer  erlaube,  den  Kaiser  sozusagen  zwängen, 
sich  eines  Landes  zu  entledigen,  das  sich  so  wenig  erkenntlich 
erweise.  Das  sei,  hiess  es  in  jener  Weisung,  das  Einzige,  was 
La  Valette  vernommen  haben  könnte,  dem  er  aber  eine  miss- 
bräuchliche  Deutung  und  Ausdehnung  gegeben  habe.  Aber 
man  zürnte  noch  mehr  dem  Minister;  denn,  meinte  man,  die 
Stände  würden  sich  nicht  veranlasst  gefunden  haben,  bezüglich 
der  von  ihnen  beabsichtigten  Deputation  neuerdings  anzufragen, 
wenn  Mettemich  ihnen  schon  früher  die  ihm  durch  die  Wei- 
sungen des  Kaisers  vorgezeichnete  Antwort  gegeben  hätte.  Wür- 
den daher  die  Stände  noch  einmal  darauf  zurückkommen,  so 
sei  ihnen  bestimmt  die  Frage  vorzulegen,  ,ob  sie  es  wohl  wagen 
wollten,  nach  Wien  zu  kommen,  so  lange  sie  fortführen,  in  dem, 
was  ihre  Pflicht  sei,  dem  Souverän  Schwierigkeiten  zu  bereiten, 
80  lange  sie  ihm  bei  jeder  Gelegenheit  ihr  Misstrauen  zu  er- 
kennen gäben  und  sich  durch  ihr  Benehmen  von  allen  anderen 
Provinzen  unterschieden,  und  ob  sie  wohl  eines  guten  Empfan- 
ges von  Seiten  Sr.  Majestät  und  des  Volkes  sich  versehen 
dürften,  so  lange  sie  in  ihrer  gegenwärtigen  Haltung  verharrten? 
Man  wisse  ihnen  keinen  Dank  flir  ihr  Don  gratuit,  so  lange  sie 
sich  im  Vergleiche  mit  den  übrigen  Provinzen  bezüghch  ihrer 
Obliegenheiten  in  Rückstand  befanden.    Denn  es  sei  geradezu 


^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  BraxeUes,  le  20  juillet  1793.  Copie. 

8* 


Wß  VI.  AbbandluDg:  t.  Zeissberg. 

Hohn,  Jemandem   Geschenke  anzubieten,    dem   man   das,  was 
man  ihm  schuldig  sei,  nicht  zahlen  wolle/* 

Mittlerweile  hatten  die  Verhandlungen  mit  den  Ständen 
von  Brabant  ihren  Fortgang  genommen.  Im  Juni  stand  die 
Universität  Löwen  auf  der  Tagesordnung.  Ausser  den  De- 
putirten  der  Stände  nahmen  die  Mitglieder  der  Conferenz  und 
der  Referent  des  Conseil  privö,  später  auch  Abgeordnete  der 
Facultäten  an  diesen  Berathungen  theil.  Die  Deputirten  der 
Stände  fassten  ihre  Wünsche  in  drei  Punkte  zusammen.  Sie 
forderten  1.  eine  ofBcielle  Erklärung,  dass  die  Universität  ein 
,Corps  brabangon^  sei  und  verbleibe;  2.  dass  dieselbe  in*  den 
Genuss  ihres  Nominationsrechtes  wieder  gelange,  welches  be- 
züglich der  Luxemburgischen  Beneficien  durch  die  in  der 
Convention  vom  Haag  bestimmte  provisorische  Reserve  verletit 
worden  sei;  3.  endlich  verlangten  sie  die  Aufhebung  der  De- 
claration  vom  19.  Mai  1791,  welche  auf  Grund  derselben  Con- 
vention die  erneute  Wirksamkeit  jener  älteren  Ordonnanzen 
einstweilen  vertagt  hatte,  welche  den  Belgiern  untersagten,  ü- 
cenzen  anderswo  als  in  Löwen  zu  nehmen.  Ausserdem  yet- 
langten  die  Deputirten  den  Widerruf  einiger  Decrete,  die  das 
Gouvernement  in  rein  reglementären  Dingen  eriassen  hatte. 

Von  den  erwähnten  Punkten  war  sachlich  der   dritte  d»i 
wichtigste.  Denn  gewiss  war  die  Klage  nicht  unbegründet, 
das  Land  mit  Leuten   überschwemmt  sei,    die  sich  ihre  Gl 
an   verschiedenen  Universitäten   erkauft  hätten,    ohne   dasell 
gewohnt  und  studirt  zu  haben    und   ohne   geprüft  worden 
sein.  Gegen  die  Sache  selbst,  nämUch  den  Widerruf  der 
ration  vom  19.  Mai  1791,  vermochte  denn  auch  das  Gouvei 
ment  keine  Einwendung   zu  erheben.   Aber  während   der 
seil  privö  verlangte,    dass   die   seit  jener  Declaration   anders*''^ 
erworbenen  Licenzen  auch  fernerhin  ebenso   gelten  sollten,  . 
wären   sie   an   der  Universität  Löwen   genommen  worden, 
derten  die  Deputirten  der  Stände  die  Ajinullirung  der  letzte] 
da  die  Art  ihrer  Erwerbung  gegen  den  Geist  jener  kaiserlii 
Anordnung  Verstösse.    Wenigstens,   meinten  sie,   sollte  dies 
den  an  französischen  Universitäten  erworbenen  Graden  geto — ft 
Doch  die  Regierung  gab  in  diesem  Punkte  umsoweniger 


*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  31  jaillet  1793.  Orig. 


Belfien  anter  der  CtonenOstutthalterecliaft  Enbenof  Carls  (179S,  1794).  117 

als  gerade  die  Deputirten  der  Universität  nicht  auf  dieser  For- 
derung bestanden,  obgleich  sie  dabei  am  meisten  interessirt 
waren.  Sie  beschränkten  ihre  Bitte  auf  den  Widerruf  der  er- 
wähnten Maideclaration,  während  die  Commissäre  der  Stände 
auch  die  Aufhebung  der  Wirkungen  derselben  nicht  nur  ftlr 
die  Zukunft;  sondern  auch  flir  die  Vergangenheit  verlangten. 
Formelle  Gründe  sprachen  daftir,  den  dritten  Punkt  von  den 
beiden  ersten  abgesondert  zu  behandeln,  da  diese  nur  Brabant 
betrafen,  daher  den  Gegenstand  einer  Declaration  des  dortigen 
Conseils  bilden  konnten,  während  jener  sich  auf  alle  Provinzen 
bezog  und  demgemäss  den  Gegenstand  einer  besonderen  Decla- 
ration hätte  bilden  müssen. 

Demgemäss  beschränkten  sich  die  Verhandlungen  zunächst 
nur  auf  die  beiden  ersten  Punkte,  und  über  diese  wurde  auch 
eine  Vereinbarung  erzielt.  Der  Erzherzog  wollte  zwar  zuvor  die 
Entscheidung  in  Wien  einholen,  aber  allseitig  gedrängt,  ent- 
schloss  er  sich  am  24.  Juni  eine  Erklärung  zu  pubUciren,  durch 
welche  der  Universität  Löwen  der  ihr  von  Josef  11.  bestrittene 
Charakter  eines  ,Corps  braban9on^  zuerkannt  wurde,  und  diese 
Entscheidung  wurde  von  dem  Kaiser  nachträglich  (18.  Juli), 
wenn  auch  nur  ungern,  genehmigt.  Desto  zufriedener  zeigte  sich 
natürlich  die  Universität;  abgesehen  von  einem  aus  diesem  An- 
lasse abgehaltenen  Te  Deum  gab  sie  ihrer  Stimmung  dadurch 
Ausdruck,  dass  sie  dem  Kaiser  auf  fUnf  Jahre  als  unverzins- 
liches Anlehen  weiterhin  gegen  4V2  Percent  100.000  Gulden 
und  überdies  zu  denselben  Bedingungen  eine  Summe  von 
57.000  Gulden  überliess,  die  sie  bereits  im  Jahre  1789  in  ähn- 
licher Weise  vorgestreckt  hatte.  ^ 

Auch  sonst  schienen  die  MitgUeder  der  Universität  ver- 
söhnlich gestimmt;  sie  versprachen,  die  Parteiungen,  die  sie 
in  den  letzten  Jahren  vielfach  entzweit  hatten,  fallen  lassen  zu 
wollen.  Auch  gelang  es  Mettemich  in  einer  neuen  Jointe,  die 
aus  Mitgliedern  der  Universität  und  der  Stände  bestand,  den 
Streit  über  die  Verantwortung,    die  jene   hätte   treffen   können. 


^  Officieller  Bericht  des  Erzherzogs  an  den  Kaiser,  le  2ö  juin  1793.  Metter- 
uich  an  Traattmansdorff.  Bmxelles,  le  15  juillet  1793.  Der  Kaiser  an 
Erzherzog  Carl.  Vienne,  le  18  juillet  1793.  Officiell.  Erzherzog  Carl  an 
den  Kaiser.  Bruxelles,  le  15  septembre  1793.  Entw.  MUller's.  Officiell. 


118  VI.  Abbandlnng:  ▼.  Zeissberg. 

die  Güter  und  Fonds  der  Universität  seit  ihrer  Uebertragimg 
nach  Brüssel  verwaltet  hatten,  in  einer  alle  Betheiligten  befrie- 
digenden Weise  beizulegen.* 

Im  Zusammenhange  damit  wurde  auch  eine  Anzahl  von 
Universitätsmitgliedem  aus  älterer  Zeit  pensionirt^  andere,  die 
zur  Zeit  der  Reform  und  Uebertragung  der  drei  weltlichen 
Facultäten  (1788)  angestellt  worden  waren,  entfernt  und  ent- 
schädigt. Nur  sehr  ungern  that  dies  der  Kaiser.  ,Ich  will  ftlr 
diesmal,'  lautete  die  betreffende  Resolution,  ,noch  dem  Antrage 
der  Conferenz  Folge  geben,  doch  hoffe  ich,  dass  dies  die  letzte 
derartige  Ausgabe  ist,  die  man  mir  vorschlägt.'  Bios  provisorisch 
sollte  übrigens  jene  Entschädigung  sein,  der  Staatschatz  sobald 
wie  möglich  durch  anderwärtige  Verwendung  der  Betreffenden 
entlastet  werden.* 

Ueber  den  dritten  Punkt  erfolgte  erst  am  27.  Septem- 
ber 1793  die  Entscheidung  des  Kaisers.  ,Entsprechend  allen 
Principien  des  Rechtes  und  der  Gerechtigkeit,'  hiess  es,  ,wo- 
nach  jeder  im  Besitze  der  Vortheile  und  Privilegien  zu  ver- 
bleiben hat,  die  er  auf  legale  Weise  unter  dem  Schutze  eines 
seinerzeit  zu  Kraft  bestehenden  Gesetzes  erworben  hat,  ist  es 
meine  Absicht,  dass  die  Licenzen,  die  in  dieser  Weise  an 
fremden  Universitäten  erworben  worden  sind,  ihre  volle  Wir- 
kung behalten,  als  wenn  sie  an  jener  zu  Löwen  erworben 
worden  wären.'*  Dagegen  sollten  gemäss  einer  kaiserlichen 
Declaration  vom  14.  October  1793  fortan  die  Belgier  ver- 
pflichtet sein,  ohne  Ausnahme  die  akademischen  Grade  sich  in 
Löwen  zu  holen;  ja  die  Declaration  ging  noch  über  die  Ver- 
sprechungen der  Haager  Convention  hinaus,  indem  sie  der 
Universität  alle  jene  Prärogative  zurückgab,  die  sie  zur  Zeit 
Maria  Theresias  besessen,  einer  Epoche,  die  man  auch  sonst 
bei  diesem  Werke  der  Wiederherstellung  zum  Ausgangspunkte 
ersah.* 

Mittlerweile  trug  sich  ein  Zwischenfall  zu,  der  den  Ers- 
herzog  peinlich  berühren  musste,   wenn  derselbe   auch  fbr  den 


^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.    Brozelles,   le  6  septembre  1793.   Entw. 
Müller^s. 

*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  22  octobre  1798.  Orig. 
'  Wiener  Zeitung. 

*  Borgnet  H«,  24S. 


Belgien  nnter  der  Generalstatthalterscbaft  Enberxog  Carls  (179S,  1794).  119 

Gang  der  Hauptverhandlung  nicht  gerade  von  wesentlichen 
Folgen  begleitet  war. 

Einen  Gegenstand  vielfacher  und  nicht  ungerechtfertigter 
Klagen  bildete  nämlich  die  drückende  Last,  welche,  da  der 
französische  Krieg  grösstentheils  ein  Belagerungskrieg  war,  die 
Fuhrwerke,  das  Schanzen,  die  Strohlieferungen  den  belgischen 
Bauern  auferlegten.  Man  schlug  die  Zahl  der  täglich  erforder- 
lichen Pionniere,  die  man  den  verschiedenen  Provinzen  entnahm, 
auf  nicht  weniger  als  15.000  Mann,  aus  Brabant  allein  auf  3000 
Mann/  an.  Nicht  minder  beträchtlich  war  die  Zahl  der  Fuhr- 
werke. Diese  Lieferungen  wurden  noch  drückender,  als  die 
Zeit  der  Heumahd  und  der  Ernte  nahte,  die  in  dem  fruchtbaren 
und  reichcidtivirten  Lande  für  mindestens  zwei  Monate  alle 
Ackerpferde  und  alle  Arbeitskräfte  absorbirte.  Anfangs  waren 
indess  diese  Forderungen  auf  geringen  Widerstand  gestossen; 
nur  hie  und  da,  wie  in  Flandern  und  in  Mecheln,  hatten  sich 
Fälle  des  Ungehorsams  gezeigt,  der  von  der  malcontenten 
Partei  geschürt  würde,  aber  hier  wie  in  den  meisten  Provinzen 
waren  die  Leistimgen  gesetzUch  geregelt,  so  dass  man  vorkom- 
menden Falles  mit  Strafen  vorgehen  konnte.  Nicht  so  in  Bra- 
bant, wo  es  an  derartigen  gesetzlichen  Bestimmungen  bisher 
fehlte,  und  wo  zwar  die  Stände  sich  anfangs  im  Allgemeinen 
in  dieser  Frage  sehr  entgegenkommend  zeigten,  aber  es  doch 
nicht  an  Vorstellungen  fehlen  Hessen,*  zumal  als  eben  die  Ernte- 
zeit nahte.' 

Es  war  am  5.  August,  als  bei  dem  Erzherzog  eine  Be- 
rathung  stattfand,  bei  der  es  sich  um  die  Beischafiung  von 
500  Wagen  fUr  die  Armee  handelte.  Auch  die  Deputirten  der 
Stände  wohnten  dieser  Besprechung  bei.  Doch  alle  Vorstellun- 
gen, die  man  den  letzteren  machte,  sowohl  dass  das  Verlangen 
in  der  Verfassung  begründet  sei,  als  dass  Coburg  der  Lieferung 
unumgänglich  bedürfe,  fruchteten  nichts.  Die  Deputirten  weiger- 
ten sich  rundweg,  die  Lieferung  auszuschreiben,  ausser  ,par 
entreprise'  und  gegen  eine  höhere  Vergütung.  Als  man  dagegen 
einwarf,   der  Kaiser   sei    berechtigt,    die  Lieferung   zu   fordern. 


^  Mettemich  an  Traattmansdorflf.  Bruxelles,  le  22  mai  1793.  Copie. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  15  juin  1793.  Entw. 
'  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  23  juillet  1793.  Copie. 


120  ^'  AbhaDdlang :  v.  Zeissberg. 

und  nötliigenfalls  mit  Anwendung  von  Gewalt  drohte,  erwiderten 
die  Deputirten  in  drohendem  Tone,  man  möge  es  nur  versuchen, 
der  Kaiser  werde  es  bereuen,  und  dann  werde  es  zu  spät  sein. 
Ja,  Graf  Limminghe  vergass  sich  so  weit,  dass  er  in  G^en- 
wart  des  Erzherzogs  ausrief:  ,Wenn  wir  der  Armee  solche  Liefe- 
rungen machen  müssen,  sind  uns  die  Franzosen  viel  lieber,  die 
haben  uns  doch  viel  weniger  bedrückt/  Der  Erzherzog  wusste 
sich  zu  massigen;  er  gab  sich  den  Anschein,  als  habe  er  die 
Aeussserung  überhört.  Er  hob  bald  darnach  die  Sitzung  auf. 
Nachdem  sich  aber  die  Deputirten  entfernt  hatten,  bat  er  den 
^[inister,  in  Zukunft  derartige  Berathungen  bei  sich  abhalten 
zu  wollen,  da  es  äusserst  unschicksam  sei,  dass  man  ihm,  dem 
KeprUsentanten  des  Souveräns,  derartige  Impertinenzen  sagen 
dürfe.  ^  An  die  Stände  richtete  der  Erzherzog  eine  Depesche, 
in  der  er  sich,  falls  sie  wieder  einmal  Deputirte  an  ihn  schickes 
wollten,  den  Grafen  Limminghe  ausdrücklich  verbat.' 

Dieser  selbst  wurde  von  Mettemich  zum  Widerrufe  seiner 
Erklärung  aufgefordert,  doch  der  Brief,  den*  er  als  Entschuldi- 
gung an  Mettemich  richtete,  konnte  nicht  als  solche  gelt^ 
noch  weniger  ein  unmittelbar  an  den  Erzherzog  gerichtetes 
Schreiben«  das  in  so  unziemlichem  Tone  abgefasst  wmr,  da» 
dasselbe  auf  Grund  eines  Beschlusses  der  Conferenz  an  doi 
Grafen  zurückgeschickt  wurde.  Dagegen  zeigten  sich  die 
Stände  über  die  Taktlosigkeit  Limminghe's  sehr  bestflnt.  Am 
18.  August  fanden  sich  Deputirte  derselben  bei  dem  Ei»- 
herzöge  ein«  um  ihr  Bedauern  über  den  Zwischenfiül 
sprechen  und  ihn  zu  versichern,  dass  die  Aeusserung: 
minghe*s  nicht  ihren  Gesinnungen  entspreche.  Carl  erkllrCe. 
sei  von  ihrer  Ergebenheit  überzeugt  und  habe  auch  in 
Sinne  an  den  Kaiser  geschrieben;  er  hoffe,  sie  würden 
Beweise  ihres  Eifers  ftir  den  Dienst  liefern.  Ueber  den 
Sachverhalt  gab  sich  der  Erzhexzog  fineilich  keiner  T^biscli^ 
hin.  Limminghe,  meinte  er.  sei  blos  ,der  Ab&um  der  S 
von  Bmbant.  werde  aber  von  Anderen  gehetzt,  dMsjtmgt 
sagvn,   was  sie  sich  nicht  vonubringen  trauten*.' 


^  Enh^rt^^fT  Carl  an  den  Kaiwr.  BiQswL  den  7.  Aofoit  ITM.  CN%. 

*  Nach  BoripiM  U*.  :iS3  ist  di«ier  Brief  pubUciit  a  dem  mir 
ipu^Uchen  Metssa^r  d<M  skcienc^iB  hi5iic«i«iae»  de  Belpf«e  1S39L 

*  Enbrru^  Otfl  an  den  Kaüer.    BriLsseL  den  7.  A^vrt  ITM.  %>i^- 


B«lfieB  «nt«r  der  GenenlstottbalterFchaft  Enberzog  Carls  (179S,  1794).  121 

Der  Kaiser  billigte  die  massvolle  Haltung  seines  Bruders, 
wenn  er  auch  den  Zwischenfall  insofeme  beklagte,  als  er  dem- 
selben^ um  sich  nicht  zu  compromittlren,  die  Gelegenheit  ent- 
ziehe^  da  einzugreifen,  wo  er  durch  seine  Person  dem  Dienste 
sonst  wesentlich  nützen  könnte.^  Sonst  legte  man,  wie  aus 
einem  Schreiben  Trauttmansdorff 's  *  an  den  Bischof  von  Ant- 
werpen erhellt,  dem  Vorfalle  keine  allzu*  grosse  Bedeutung  bei, 
zumal  ja  die  Stände  sofort  Limminghe  desavouirt  hatten.  Ja 
man  gab  sogar  zu,  dass  das  Fuhrwesen,  namentUch  zur  Ernte- 
zeit, eine  drückende  Massregel  sei,  die  mau  durch  das  Aus- 
schreiben eines  Offertes  hätte  vermeiden  können,  zumal  der 
Geldpunkt  erst  in  zweiter  Linie  stehe.  Worüber  aber  der 
Kaiser  geradezu  ,8candalisirt'  war,  das  war  die  Thatsache,  dass 
die  Stände  von  Brabant  bereits  über  vier  Monate  versammelt 
waren,  ohne  über  die  ihm  zu  leistende  Entschädigung  schlüssig 
zu  werden. 

So  sehr  man  aber  auch  mit  dem  Gange  der  Verhandlun- 
gen in  Brabant  unzufrieden  sein  mochte,  so  bitter  man  auch 
die  allzu  grosse  Nachgiebigkeit  des  Ministers  beklagte,  so  hatte 
sich  doch  bisher  gerade  kein  Streitfall  principieller  Art  ergeben. 
Dies  war  erst  der  Fall,  als  die  Stände  behaupteten,  zu  jener 
Entschädigung  gar  nicht  verpflichtet  zu  sein,  besonders  aber 
als  sie  den  von  dem  Kaiser  ernannten  Kanzler  ihres  Conseils 
nicht  zulassen  wollten. 

X.  Der  Brabanter  Eanzlerstreit. 

Das  Recht  der  Ernennung  des  Kanzlers  von  Brabant  stand 
anzweifelhaft  dem  Kaiser  zu,  und  wenn  auch  der  Kanzler  einen 
Eid  auf  die  Jojeuse  entröe  in  die  Hände  der  Stände  ablegen 
musste,  hatten  doch  dieselben  kein  Recht,  den  Ernannten  zurück- 
zuweisen, sofern  er  nur  die  durch  die  Joyeuse  entr^e  vorge- 
schriebenen Eigenschaften  besass,  nämlich  (nach  Art.  ö)  eine 
,digne  personne*,  ,weerdige  persoon*  war  und  (nach  Art  6)  zu 
den  ,gens  de  bien*,  ,goode  luyden'  gehörte. 

^  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Laxenbnrg,  den  13.  August  1793.  Orig.  eig.  A.-A. 
'  Der  übrigens  selbst  auf  die  erste  Nachricht  der  Meinung  gewesen  war, 

dass   der  Kaiser   die  Sache    ^unmöglich*    mit    Stillschweigen    übergehen 

kOnne.  Trauttmansdorflf  an  Colloredo,  s.  d.  Orig. 


122  ^-  Abhandlung:  t.  Zeissberf. 

Die  Kanzlerstelle  war  durch  den  Rücktritt  des  jüngeren 
Crumpipen  erledigt.  Auch  er  hatte  sich  gleich  seinem  älteren 
Namensträger  in  den  Wunsch  des  Gouvernements  gefügt;  an- 
geblich um  nicht  ein  BGndemiss  für  die  Wiederkehr  friedlicher 
Zustände  und  des  nothwendigen  Vertrauens  zu  sein^  hatte  er 
freiwiUig  seine  Entlassung  genommen. 

Der  stricte  Befehl  des  Kaisers  ging  dahin,  diese  Stelle 
dem  fiüheren  Vicekanzler  Van  Velde  zu  verleihen.  Nun  hatte 
aber  gerade  die  Gefügigkeit,  mit  welcher  einst  —  zur  Zeit 
Kaiser  Josefs  H.  —  Van  Velde  sich  bereit  gezeigt  hatte,  die 
in  der  Verfassung  des  Landes  nicht  begründete  Stelle  eines 
Vicekanzlers  zu  übernehmen,  demselben  in  der  öffentlichen 
Meinung  sehr  geschadet,  die  in  diesem  Falle  mit  jener  der 
Stände  identisch  war.  Vermuthlich  war  dies  auch  der  Grund, 
weshalb  Mettemich  nicht  einfach  den  Befehl  des  Kaisers  zur 
Ausführung  brachte,  sondern  vielmehr  in  einem,  wie  es  scheint^ 
nicht  mehr  erhaltenen  Berichte  Bartenstein  und  d'Overschies, 
namentUch  den  letzteren,  vorschlug,  während  Van  Velde  in 
einem  beigefügten  Schreiben  auf  die  ihm  zugedachte  Stelle  ve^ 
zichtete.  Doch  der  Kaiser  hielt  an  seiner  ersten  Entschliessoiif^ 
fest.  Habe  sich  auch,  meinte  man,  Van  Velde  durch  den  Eifer^^ 
mit  dem  er  sich  bereit  fand,  die  Stelle  eines  Vicekanzlers 
übernehmen,  die  Gemüther  ein  wenig  entfremdet,  so  habe 
doch  nicht  die  ,aUgemeine'  öffentliche  Meinung  gegen  ü( 
wenigstens  nicht  so  sehr,  dass  man  davon  üble  Folgen  für  d< 
Dienst  zu  besorgen  habe.  Auch  scheine  es,  dass  er  nur, 
sich  den  Umständen  zu  fügen,  verzichte;  da  er  in  seinf 
Schreiben  an  Mettemich  durchschimmern  lasse,  dass  er  8i< 
auf  die  Ernennung  gefasst  gemacht  habe,  wozu  er  auch 
rechtigt  gewesen  sei.  Mettemich  wurde  also  nochmals 
gefordert,  den  Befehl  des  Kaisers  zu  vollziehen,  es  sei 
dass  er  positiv  versichern  könne.  Van  Velde  sei  so  ti 
dass  seine  Ernennung  unbedingt  schädlich  sei.^ 

Mettemich    schob    auch  jetzt   noch    die   Ernennung  V 
Velde's   hinaus;   er  glaubte,   wenigstens  die  damals  noch 
erfolgte    Bewilligung    der   Subsides    und    des   Don  gratoit 
warten  zu  sollen.    Er  wurde'  in  dieser  Ansicht  nicht  nur  di 


^  Trauttmansdorff  an  Metternicli.  Vienne,  le  11  mal  1793.  Ong, 


Belgien  nnter  der  Oenenlstattlialterscheft  Erzherzog  Carls  (t79S,  1794).  123 

Lannay  bestärkt/  sondern  auch  durch  eine  gedruckte  Re- 
präsentation, die  der  dritte  Stand  von  Brüssel  durch  die  beiden 
ersten  Stände  überreichte,  und  in  der  derselbe  seinen  ablehnen- 
den Standpunkt  in  der  Kanzlerfrage  unverholen  entwickelte. 
Jch  meine  zwar  trotzdem/  bemerkt  hiezu  Metternich,  ,da8S 
Se.  Majestät  sich  nichts  vorschreiben  lassen  soll;  die  Wahl  der 
Person  des  Kanzlers  ist  lediglich  seine  Sache.  Was  mir  aber 
die  Klugheit  und  die  Erwägung  der  Umstände  allerdings  zu 
fordern  scheint,  ist,  dass  Se.  Majestät  Ihre  Allerhöchste  Ent- 
scheidung noch  einige  Zeit  verschieben  möge.^* 

Aber  in  Wien  war  man  ganz  anderer  Ansicht.  Die  stän- 
dische Repräsentation  machte,  wie  gewöhnlich^  auf  den  Kaiser 
den  ungünstigsten  Eindruck,  den  beigefügten  Ergebenheits- 
versicherungen legte  man  nicht  den  mindesten  Werth  bei.  Auch 
den  verstorbenen  Oheim  des  Kaisers  habe  man  mit  dergleichen 
Versicherungen  überhäuft,  als  man  bereits  das  Banner  des  Auf- 
ruhres gegen  ihn  anpflanzte.  ,Unser  Herr,^  heisst  es  in  einer 
Weisung  Trauttmansdorffö  (7.  Juli),  die  allerdings  nicht  an  ihre 
Adresse  abging,  sondern  (13.  August)  durch  eine  andere  er- 
setzt wurde,  desto  mehr  aber  fiir  die  Ansichten  des  Wiener 
Hofes  bezeichnend  ist,  ,müsste  auf  jeden  Befehl  verzichten, 
wenn,  um  denselben  nicht  auszuftihren,  genügte,  dass  die, 
welche  gehorchen  sollen,  anderer  Ansicht  sind.^  Metternich,  hiess 
es,  möge  nicht  immer  von  dem  Willen  der  Nation  sprechen 
und  sich  nicht  vor  Allem  beugen,  was  diese  vorschreibe,  denn 
er  adoptire  hiermit  das  Princip  der  Volkssouveränetät.  Uebri- 
gens  schreibe  man  der  Nation  die  Intriguen  einiger  über- 
spannter Köpfe  zu,  die  um  jeden  Preis  ihren  Ehrgeiz  befriedi- 
gen wollen,  wie  jener  d'Overschies,  gegen  den  sich  damals  die 
Stimmung  des  Hofes  zu  kehren  begann. 

Wenn  andererseits  Metternich  sich  unter  Anderem  auch 
darauf  berief,  dass  Van  Velde  selbst  erklärt  habe,  unter  ge- 
wissen Bedingungen  zum  Rücktritte  bereit  zu  sein,  so  wurde 
gerade  diese  Behauptung  durch  Van  Velde  selbst  widerlegt. 
Wir  wissen  aus  dessen  eigenem  Munde,  dass  sich  die  Sache 
doch  wesentlich   anders   verhielt.    Darnach  hatte   er  vielmehr. 


^  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  25  juin  1793.  Copie. 
*  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  26  join  1793.  Copie. 


124  VI.  Abhandlung:  t.  Zeis^berg. 

als   er  die  Stelle   eines  Vicekanzlers   niederlegte,   sich  um  die 
Stelle  eines  Lieutenants  des  Lehenshofes  von  Brabant  beworben, 
und  als  ihm  die  Absicht  des  Kaisers  bekanntgegeben   wurde, 
ihn  zum  Kanzler  zu  ernennen,   in  einem  Schreiben  an  Mette^ 
nich  Yom   22.  April  und   auch  in  einem  Schreiben  an  Trautt- 
mansdorff  aus  seiner  Abneigung  gegen  die  Uebemahme  dieses 
Postens  gar  kein  Hehl  gemacht,   wohl  aber  sich  auf  alle  Fälle 
dem  Kaiser  zur  VerfUgung  gestellt.    Als  daher  der  Kaiser  auf 
seinem  Willen  beharrte   und   ihm  Metternich  dies   am   9.  Juni 
bekanntgab,  zugleich  aber  hinzufligte,  er  wisse  aus  guter  QueUe, 
dass  seine  Ernennung  bei  einem  Theile  der  Stände  Missfallen 
erregen  werde,  und  dass  er  daher  dem  Kaiser  von  Neuem  be- 
richtet und  seine  Ernennung  zum  Lieutenant  an  jenem  Lehens- 
hofe  imd   zum  Staatsrathe  beantragt  habe,  da  hatte  sich  Van 
Velde   seinerseits  auf  seine  frühere  Erklärung  vom   22.  April 
bezogen,   auf  der  er  auch  jetzt  noch  beharre  und  der  zufolge 
er  sich  der  Entscheidung  des  Kaisers,  wie  sie  auch  ausfaDen 
möge,  zu  unterwerfen  gedenke.    Und  als  sodann  Metternich  i& 
der  That  noch    einmal   dem   Kaiser   Vorstellung   machte,   von 
diesem  aber  nun  den  stricten  Befehl  erhielt,  mit  der  Ernennung 
Van  Velde's  zum  Kanzler  nicht  länger  zu  zögern,  erfuhr  dieser 
hievon  nicht  durch  Metternich  selbst,  sondern  erst  durch  Zn&II 
aus  dem  Munde   des   Staatssecretärs.    Metternich,   an   den  er 
sich  in  Folge   dessen   wandte,    bestätigte   die   Richtigkeit  der 
Mittheilung,  entschuldigte  den  Verzug  damit,  dass  die  betreffen- 
den Patente  aus  Wien   noch   nicht  eingetroffen   seien,    suchte 
aber  Van  Velde  nochmals  durch  die  eindringlichsten  Vorstellon- 
gen,  namentlich  durch  den  Hinweis  auf  die  Stimmung  der  Stände^ 
zu  fireiwilligem  Verzichte  zu  bewegen.    Doch  die  Antwort  Van 
Velde's  lautete   wie   zuvor.    Er  fägte   hinzu,   dass   die  Stände 
durch  den  bevollmächtigten  Minister  längst  hätten  erfahren  kön- 
nen,  dass   er  selbst  das  Amt  eines  Kanzlers  nicht  angestrebt 
sondern  sich  um  des  Friedens  willen  um  ein  anderes  Amt  be- 
worben habe.* 

Gegenüber  dem  stricten  Befehle  des  Kaisers  schien  Metfte^ 
nich  nichts  übrig  zu  bleiben,  als  an  dessen  Ausführung  zu  schrei- 
ten. Gleichwohl  machte  er  nochmals  seine  Bedenken  geltend,  wo- 


'  Van  Velde  an  TranttniAnsdorff.  Braxelle«,  le  26  jaillet  1793.  Copid. 


1 


Belgien  anter  der  Oeneralstatthalterscbaft  Enherzog  Cerls  (1793,  1794).  125 

bei  er  sich  auf  die  nach  älteren  Instructionen  dem  Gouvernement 
zustehende  Befugniss  berief^  wider  beabsichtigte  Massregeln 
dreimal  vorstellig  zu  werden.*  Doch  umsonst.  In  gemessenen 
Ausdrücken  gab  der  Kaiser  durch  Trauttmansdorff  dem  Minister 
zu  erkennen,  dass  er  fest  entschlossen  sei,  an  der  getroffenen 
Wahl  festzuhalten,  was  auch  immer  geschehen  möge.  Gerade 
der  Umstand,  dass  Van  Velde  einst  einen  Posten  übernommen 
habe,  der  ftir  verfassungswidrig  gelte,  sei  nicht  nur  kein  Aus- 
schliessungsgrund, sondern  vielmehr  ein  Moment,  das  ihn  dem 
Kaiser  empfehle,  da  es  nothwendig  sei,  dass  jene  Thatsache 
ebenso  von  den  Ständen  vergessen  werde,  wie  er  selbst  ihre 
einstigen  Ausschreitungen  vergessen  habe.  Mettemich  sollte 
daher  jede  Vorstellung  entschieden  zurückweisen  und  erhielt 
zugleich  den  für  ihn  persönlich  gewiss  nicht  erfreulichen  Auf- 
trag, Van  Velde  die  Anerkennung  des  Kaisers  für  die  Bereit- 
willigkeit auszusprechen,  mit  der  er  seinen  Befehlen  gehorcht, 
trotz  der  Unannehmlichkeiten,  die  er  in  Folge  dessen  zu  ge- 
wärtigen habe.' 

So  wurde  denn  endlich  (20.  August)  Van  Velde  eröffnet, 
dass  er  sich  am  23.  August  zur  Eidesleistung  bei  dem  Erz- 
herzog einzufinden  habe.  Als  er  sich  aber  am  21.  zu  dem  Mi- 
nister begab,  um  das  Patent  entgegenzunehmen,  das  er  besitzen 
musste,  um  den  Eid  ablegen  zu  können,  wurde  ihm  dies  zwar 
ausgefolgt,  aber  von  Mettemich  bedeutet,  dass,  da  mit  den 
Ständen  am  23.  August  verschiedene  wichtige  Angelegenheiten 
zu  erledigen  seien,  die  Eidesleistung  erst  am  26.  stattfinden 
könne.  Aber  auch  an  diesem  Tage  fand  die  Vereidung  nicht 
statt,  nochmals  wurde  dieselbe  ,auf  kurze  Zeit'  vertagt,  in  Wirk- 
lichkeit auf  längere  Zeit  verschoben.^ 

So  wie  in  Wien  sah  man  nämUch  auch  in  Brüssel  mit 
Ungeduld  dem  Schlüsse  der  Brabanter  Ständeversammlung  ent- 
gegen. Denn  man  meinte,  dass,  solange  dieselbe  währe,  das 
Volk  nicht  zur  Ruhe  kommen  werde.  ,Diese  Versammlung,' 
hiess  es,  ,wird  nicht  ewig  dauern  können.'^  Man  hatte  erwartet, 
dass  die  Inauguration,  die  den  Abschluss  des  Versöhnungswerkes 

^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  20  juillet  1793.  Copie. 

*  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Yienne,  le  1*'  aoüt  1793.  Orig. 

*  Van  Velde  an  Erzherzog  Carl.  Bruxelles,  le  4  d^cembre  1793.  Orig.  eig. 

*  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Yienne,  le  19  juillet  1793.  Orig. 


126  VI.  Ahhandlang:  t.  Zeissberg. 

bilden  sollte^  zu  Anfang  Juli  werde  stattfinden  können,^  und 
nun  sah  man  bereits  dem  Eintritte  des  September  entgegen, 
ohne  dass  man  zum  Abschlüsse  gekommen  war.  Da  geschah 
endlich,  was  seit  drei  Jahren  nicht  geschehen  war:  die  Stände 
Hessen  sich  (am  24.  August)  herbei,  ihre  Anerbietongen  in 
Bezug  auf  die  noch  strittigen  Punkte  in  Form  eines  Schrift- 
stückes vorzulegen.  Da  dies  am  Vorabende  jenes  Tages  ge- 
schah, an  welchem  die  Eidesleistung  des  Kanzlers  hätte  statt; 
finden  sollen,  beschloss  die  schleunigst  einberufene  Conferenz 
unter  Zuziehung  des  Chef  et  President  und  des  Tr&sorier 
gönöral,  diesen  Act  noch  einmal  zu  verschieben. 

Nur  der  Erzherzog  sprach  sich  entschieden  gegen  jeden 
weiteren  Aufschub  aus.  ,Ich  allein  war,^  schreibt  er  an  den 
Kaiser,  ,yon  einer  ganz  anderen  Meinung.  Entweder,  sagte  ich, 
wollen  die  Stände  im  Ernst  sich  zur  Ruhe  geben  und  mit  dem 
Souverän  wieder  aussöhnen  oder  nicht.  Wollen  sie  es,  so  wird  . 
sie  die  Einsetzung  des  Kanzlers  nicht  daran  verhindern  und  im 
Gegentheile  wird  es  ihnen  an  Vorwänden  mangeln,  um  die 
Epoche  eines  Vergleiches  immer  mehr  zu  verschieben.  Du  hast 
(Dich)  entschlossen,  unveränderlich  darauf  zu  bestehen.  Das 
wissen  sie,  die  Sache  ist  also  geschehen.  Wanim  soll  die  Ein- 
setzung desselben,  die  Antretung  seiner  Würde,  welche  mehr 
eine  Ceremonie  als  etwas  Anderes  ist,  alle  guten  Dispositionen 
der  Stände  über  den  Haufen  werfen?  Ich  sehe  also  dies  blos 
als  einen  Vorwand  an,  um  Zeit  zu  gewinnen,  in  der  Absicht, 
so  viel  Intriguen  zu  spielen.  Alles  anzuwenden,  um  Dich  von 
Deinem  Entschlüsse  abzuwenden,  und  ich  flirchte,  dass  diese 
Verschiebung  gar  keinen  Nutzen  haben  wird,  da  sie  so  lange 
tändeln  werden,  sich  über  die  übrigen  Punkte  zu  vergleichen, 
bis  entweder  darüber  ein  Entschluss  wird  gefasst  werden  oder 
die  Zeit,  so  man  diese  Affaire  zu  verschieben  entschlossen, 
wird  verflossen  sein.  Man  wird  dann  den  Kanzler  in  seine 
Stelle  einsetzen  wollen,  und  dies  wird  ihnen  zum  Verwände 
dienen,  um  die  Subsides,  Zahlung  der  Arreragen,  kurz  Alles 
abzuschlagen.  Ihnen  ist  unser  Mangel  an  Geld  bekannt  and 
sie  werden  sich  schmeicheln,  uns  zu  zwingen,  zum  Kreuz  zu 
kriechen,   um  Geld  von   ihnen   zu  bekommen.    Aus   allen  ür- 


^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  24  juin  1793.  Orig.  etg. 


Belfi«a  nntor  der  Gen«nUUtthaltencb»ft  Enhereof  Carla  (1798,  1794).  127 

Sachen,  welche  ich  also  hier  angefUhrt  habC;  und  da  ich  glaubte, 
dass  es  in  diesem  Augenblicke  höchst  gefährlich  sei,  Schwäche 
zu  zeigen,  war  ich  der  Meinung,  man  solle  den  Kanzler  gleich 
in  meiner  Gegenwart  den  Eid  schwören  lassen,  ihn  dann  zu 
denen  Ständen  schicken,  um  ihn  dort  abzulegen,  und  dies  auf 
eine  Art  machen,  als  ob  man  sich  gar  nicht  einfallen  lassen 
könnte,  dass  sie  sich  widersetzen  könnten/  Ja  der  Erzherzog 
fasste  bei  fortgesetztem  Widerstände  der  Stände  bereits  jetzt 
die  Anwendung  bewaffneter  Gewalt  ins  Auge.  AusdrückUch 
erbat  er  sich  von  dem  Kaiser  die  Erlaubniss,  sich  an  Coburg 
um  Ueberlassung  einiger  Truppen  wenden  zu  dürfen,  und  zwar 
deutscher  oder  ungarischer,  da  er  ihm  sonst  Wallonen-Regi- 
menter zusenden  werde,  deren  Anwesenheit  im  Lande  mehr 
Schaden  als  Nutzen  stiflen  könnte.^ 

Man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  dieses  unerwartet 
schneidige  Auftreten  des  sonst  so  mild  gesinnten  und  ruhigen 
Erzherzogs  auf  jene  Verstimmung  zurUckfUhrt,  die  das  jUngste 
Auftreten  der  Stände  und  namentlich  des  Grafen  Limminghe 
in  ihm  zurückgelassen  hatte.  Es  ehrt  indess  auch  in  diesem 
Falle  denselben,  dass  er  so  viel  Selbstbeherrschung  besass,  um 
sich  der  übereinstimmenden  Ansicht  erfahrener  Rathgeber  be- 
scheiden unterzuordnen.  ,Da,'  heisst  es  in  jenem  Briefe  an  den 
Kaiser,  ,alle  die  Herren,  welche  die  Jointe  ausmachten,  von 
einer  anderen  Meinung,  und  dies  zwar  einstimmig  waren,  und 
diese  die  traurigsten  Folgen  von  einem  solchen  Schritte  voraus- 
sahen, da  s\(e  andererseits  doch  glaubten,  man  könne  vielleicht 
zu  einem  gütlichen  Vergleiche  über  alle  die  übrigen  strittigen 
Punkte  mit  den  Ständen  gelangen,  so  habe  ich  es  nicht  ge- 
glaubt, auf  mich  nehmen  zu  können,  wider  ihre  einstimmige 
Meinung  zu  handeln.  Ich  habe  mich  daher  entschlossen,  den 
Zeitpunkt  der  Leistung  des  Eides  des  Kanzlers,  welcher  schon 
bestimmt  war,  bis  auf  eine  weitere  Resolution  zu  verschieben, 
jedoch  habe  ich  befohlen,  in  dem  Berichte,  welchen  ich  Dir 
ex  officio  machen  werde,  meine  Meinung  anzuführen  und  bei- 
zusetzen, dass  dies  wider  dieselbe  geschehen  sei.^  SchliessUch 
bemerkt  der  Erzherzog  noch,  dass,  obschon  die  Conferenz  sich 
einstimmig  für  die  Verschiebung  der  Einsetzung  des  Kanzlers 


^  Ersherzog  Carl  an  den  Kaiser.   Brüssel,  den  30.  Aug^t  1793.  Orig.  eig. 


128  VI.  Abhtadliing:  ▼.  Zaissberg. 

ausgesprochen  habe,  man  doch  ebenso  einstimmig  der  Ansicht 
gewesen  sei^  dass  der  Kaiser  seinerzeit  auf  der  Ernennung  Van 
Velde's  bestehen  möge. 

Wie  vorauszusehen  war,  zeigte  sich  der  Kaiser  sehr  er- 
freut über  den  Brief  seines  Bruders,  namentlich  fand  es  seinen 
Beifall;  dass  derselbe  ,durch  sich  selbst  und  nach  Beiner  lieber- 
zeugung  handle,  was  ihm  gewiss  die  Achtung  aller  ehrlichen 
Leute  verschaffen  werde,  die,  wie  man  aus  mehreren  Briefen 
ersehe,  seiner  Meinung  seiend  Da  er  die  Gerechtigkeit  für  sich 
habe,  erklärte  der  Kaiser,  bezüglich  Van  Velde's  nicht  nach- 
geben zu  wollen.  ,Mir  ist  es  leid,^  fährt  er  fort,  ,wenn  es  zu 
gewaltigen  Schritten  kommen  sollte,  denn  dann  müssten  wir 
coüte  ce  qui  coüte  durchsetzen.  Vielleicht  aber,  da  die  anderen 
Provinzen  schon  bereits  in  Ordnung  sind,  wird  auch  Brabant, 
wenn  es  Ernst  sieht,  nachgeben.  Die  Herren  sind  bis  jetzt  ge- 
wöhnt, dem  Gouvernement  Alles  abzuschrecken;  fährst  Du  aber 
in  Deiner  Conduite  fort,  so  werden  sie  bald  diesen  Wahn  ver- 
lieren.* * 

Mettemich  aber  erhielt  am  26.  September  neuerdings  die 
Weisung,  sofort  die  Kanzlerfrage  zu  Ende  zu  führen,  es  sei 
denn,  dass  er  versichern  könne,  nicht  nur  dass  aus  der  Aus- 
führung der  Weisung  ein  Uebel  erwachsen  werde,  sondern  auch 
dass  er  bestimmte  Aussicht  habe,  die  Angelegenheit  mit  den 
drei  Ständen  in  einer  Art  zum  Austrage  zu  bringen,  dass  dabei 
die  Würde  des  Souveräns  nicht  compromittirt  werde,  d.  h.  in- 
dem man  dem  Aufh*age  desselben  in  seinem  volI^n  Umfange 
entspreche.*  Am  16.  October  wurde  Mettemich  abermals  an 
seinen  Auftrag  erinnert.  Die  Inauguration  könne  erst  dann  statt- 
finden, wenn  alle  Streitpunkte  erledigt  seien,  namentlich  die 
Installation  des  Kanzlers,  die  Bewilligung  der  Impdts  und  Sub- 
sides  für  das  nächste  Halbjahr.^ 

Uebrigens   waren    auch   die    oberwähnten   Anerbietungei 
der  Stände   nicht  so  beschaffen,   dass  sie  die  Regierung 
en  bloc  hätte  annehmen  können.    Die  Stände  boten  unter 
Titel   eines  Don  gratuit  die   runde  Summe   von   vier  Millione^^ 

^  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Laxenburg,  den  11.  September  1793. 

eig. 
3  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  26  septembre  1793.  Orig. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  16  octobre  1793.  Orig. 


Belflan  unter  der  OenenOstotthaUerschmfl  Erzherxog  Carls  (1798,  1794).  129 

an;  diese  sollte  als  Abschlagszahlung  fUr  ihre  Quote  an  den 
beiden  lilckständigen  Subsides  und  an  den  Entschädigungen 
gelten^  wobei  jedoch  jene  der  Privaten  dem  Kaiser  zur  Last 
fielen.  Auch  wollte  man  mit  der  Auszahlung  dieser  Summe  erst 
dann  beginnen^  wenn  die  noch  bestehenden  ,Verfas8ungsver- 
letzungen^  gutgemacht  sein  und  der  Kaiser  es  übernehmen 
würde^  seinerseits  auch  Personen  zu  entschädigen^  die  in  den 
letzten  Jahren  durch  das  Gouvernement  Schaden  erUtten  hätten. 
Allerdings  stellten  die  beiden  ersten  Stände  zugleich  auch  die 
Zustimmung  des  dritten  in  Aussicht.^ 


XL  Die  Entschldignngsfrage  in  Brabant.  —  Die  Depesche 

vom  15.  November  1793. 

Von  Wien  aus  hatte  man  auf  die  erste  Verlautbarung  der 
ständischen  Absichten  Mettemich  jede  Transaction  bezüglich  der 
rückständigen  Subsides  untersagt.  Auch  wurde  es  sehr  übel  ver- 
merkt^ dass  die  Stände  sich  auf  die  öffentliche  Meinung  beriefen^ 
die  dahin  gehe^  dass  man  jene  Subsides  zu  bezahlen  eigentlich 
nicht  verpflichtet  sei.  Doch  Hess  es  Metternich  nicht  an  Gegen- 
vorstellungen fehlen^  und  auch  die  Conferenz  war  der  Ansicht, 
dass  jener  Befehl  nicht  buchstäblich  werde  erfüllt  werden  können, 
dass  es  vielmehr  zweckmässiger  sei,  die  Stände  zu  bewegen,  eine 
runde,  alle  Ansprüche  der  Regierung  umfassende  Summe  zu 
bewilligen.  * 

So  wurde  denn  die  Eingabe  der  Stände  vom  24.  August 
entgegengenommen,  und  nachdem  man  dieselbe  unter  Intervention 
der  ständischen  Deputirten,  der  Chefs  der  beiden  Conseils  und 
der  Mitglieder  der  Conferenz  einigen  Modificationen  unterzogen, 
dem  Conseil  des  finances  unter  Beiziehung  der  Staatsräthe,  wie 
es,  so  oft  es  sich  um  das  Subside  handelte,  üblich  war,  zur 
Berathnng  vorgelegt.^  Auch  hier  hatte  man  Mehreres  an  dem 


^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,   le   11  septembre  1793.    Officiell.   Entw. 

Möller. 
•  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  30  juillet  1793.  Vergl.  auch 

Bischof  Nelis  von  Antwerpen  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  23  aoüt 

1793.  Extrait. 
'  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bmxelles,  le  27  aoüt  1793.  Entw. 
Sitsnngsber.  d.  phil.-bist.  Ol.  CXXYin.  Bd.  6.  Abh.  9 


130  VI.  Abhandlung:  ▼.  Zeittberg. 

Entwürfe  der  Stände  auszusetzen  und  fögte  am  Bande  der 
Denksehrift  Gegenbemerkungen  bei^  über  die  sich  die  Stftnde 
ihrerseits  äussern  sollten.^ 

Und  auch  in  Wien  nahm  man  es  zwar  noch  immer  den 
Ständen  übel,   dass  sie  dem,   wozu  sie  verpflichtet  seien,  nicht 
mit  Acclamation  zugestimmt  hätten;  noch  grösseren  Werth  aber 
legte   man   darauf,   dass  die  Ständeversammlung,    dieser   o£Pene 
Quell    der    unbescheidensten    Ansprüche,    endlich    geschlossen 
werde.  Daher  wurde  jetzt  Mettemich  ermächtigt,  nachzugeben, 
vorausgesetzt,    dass   er  vollkommen   sicher  sei,   die  leidige  An- 
gelegenheit  zu  völligem  Abschluss   zu  bringen.    Man  gab   sich 
mit  einer  runden  Summe  zufrieden,  wofern  dieselbe  dem  gleich- 
komme, wozu  die  Stände  verpflichtet  seien;  doch  geschah  dies 
nur  unter  der  ausdrücklichen  Bedingung,  dass  von  den  Ständen 
der  Grundsatz  fallen   gelassen  werde,    demzufolge  sie  sich  zur 
Bezahlung    der   in   Frage    stehenden    Subsides   nicht   für   ver- 
pflichtet erachteten.  Man  wolle  sich,  hiess  es,  mit  einer  runden 
Summe  begnügen,  aus  Rücksieht  auf  die  Verluste,  welche  Bra- 
bant  in  den  letzten  Jahren   erlitten,  verlange  jedoch,   dass  die 
Summe  sofort  bewilligt  werde,    da   die  Verlängerung  der  stän- 
dischen Verhandlungen  aus  den  bereits  angedeuteten  Gründe 
hintanzuhalten   sei.    Daher  möge  Mettemich  jenen   Ständemit^ 
gUedem,  zu  denen  er  in  näheren  Beziehungen  stehe,  als  gehe 
dies  von  ihm  selbst  aus,  und   in  der  Form  freundschaftUchen 
Vertrauens  eröfihen,  dass  er  bereits  eine  Depesche  des  Kaisers 
erhalten  habe,  der  zufolge  die  Stände  sich  binnen  vierzehn  Tagen 
entscheiden  müssten,  da  nach  Ablauf  dieser  Frist  die  Versamm- 
lung geschlossen  werden  müsste,  dass  er  aber  hoffe,  sie  würden 
es  nicht  darauf  ankommen  lassen,  sondern  schon  früher  zu  einem 
Beschlüsse  kommen.^ 

Inzwischen  legten  die  Stände  ihre  Gegenvorschläge  dem 
Erzherzog  durch  den  kaiserlichen  Commissär  Villegas  vor.  Auch 
diese  wurden  gleich  den  früheren  einer  Begutachtung  durch  dea 


^  Mettemich  an  TrauttmansdorfF.  Bmxelles,  le  30  aoüt  1793.  Entw. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  2  septembre  1798.  Orig.  Yvfi^ 
Thugut  an  Colloredo,  le  22  aoüt  1793,  bei  Vivenot  I,  32.  Hievon  wm^ 
Bischof  Nelifl  von  Antwerpen  in  Erwiderung  eines  yertrmolichen  Sehra* 
bens  in  Kenntniss  gesetzt. 


Belfton  nntor  der  GeneraUtattholterscbaft  Entaerxog  Carls  (179S,  1794).  131 

Conseil  des  finances  unter  Iiitervention  der  Staatsräthe  unter- 
zi^en.  Die  Stände  hatten  diesmal  den  Betrag  von  4  auf  47,  Mil- 
lionen erhöht;  die  Zahlung  sollte  statt,  wie  früher  angenommen 
worden  war,  in  vier,  vielmehr  in  zwei  Jahren,  und  zwar  in  drei 
Terminen  zu  je  acht  Monaten  erfolgen.  Die  Conferenz  hielt  diese 
Proposition  ftir  annehmbar,  vorausgesetzt,  dass  sich  die  Stände 
zu  einer  entsprechenden  Erhöhung  der  Summe  um  einen  Be- 
trag herbeilassen  würden,  der  zur  Entschädigung  der  Privat- 
personen verwendet  werden  sollte.  Man  hielt  es  zugleich  für 
wtinschenswerth,  die  Sache  mit  den  beiden  ersten  Ständen  so- 
bald wie  möglich  zum  Abschlüsse  zu  bringen,  da  sonst  zu  be- 
sorgen stünde,  dass  es  der  Gegenpartei  gelinge,  den  dritten 
Stand,  dessen  Beitritt  in  Aussicht  gestellt  war,  neuerdings  um- 
zustinimen,  und  man  bedauerte  es  daher  lebhaft,  dass  man 
nicht  ohne  vorausgehende  Autorisation  des  Kaisers  abschliessen 
durfte.^ 

Dass  übrigens  diese  Autorisation  fehlte,  daran  war  in 
erster  Linie  Mettemich  Schuld,  der  zwar  über  den  Verlauf  der 
Verhandlungen  seinem  Hofe  regelmässig  berichtete,  aber  es 
unterUess,  die  betreffenden  Schriftstücke  beizufügen,  so  dass 
sogar  der  letzte  Vorschlag  der  beiden  ersten  Stände  seinem 
Wortlaute  nach  dem  Wiener  Hofe  unbekannt  blieb.  Bei  alle- 
dem legte  man  auch  in  Wien  auf  den  Abschluss  der  leidigen 
Sache  jetzt  einen  solchen  Werth,  dass  das  Gouvernement  zu 
demselben  unter  gewissen  Voraussetzungen  ermächtigt  wurde. 
Traattmansdorff  ging  dabei  von  der  Berechnung  aus,  dass  sich 
die  Quote  Brabants  an  der  Entschädigungssumme,  welche  der 
Tr^or  royal  für  sich  in  Anspruch  nahm,  und  die  Subsides  der 
Jahre  1791  und  1792  auf  3,924.000  Gulden  beliefen,  und  dass 
demnach  von  jener  Summe  von  47,  Millionen,  deren  Bewilli- 
gung die  Stände  in  Aussicht  stellten,  nur  576.000  Gulden  zur 
Entschädigung  der  Privatpersonen  erübrigen  würden,  ein  Be- 
trag, der  für  diesen  Zweck  nicht  ausreichend  sei.  Es  sollten 
daher  die  Stände  bewogen  werden,  die  Siunme  von  4Vi  Millio- 
nen um  jenen  Betrag  zu  erhöhen,  der  nach  der  Berechnung  des 
Gouvernements  erforderlich  sein  würde,  um  nach  Abzug  jener 
3,924.000  Gulden   den  Ansprüchen  der  Privatpersonen  gerecht 


'  Ifetternich  an  Tranttmaiisdorff.  Bruxelles,  le  7  septembre  1793. 

9» 


132  VI-  Abhandlang:  ▼.  Zeissbarf. 

ZU  werden,  oder  es  sollten  die  Stände  blos  3,924.000  Gulden  be- 
willigen, hingegen  die  Entschädigung  der  Privatpersonen  selbst 
übernehmen.    Da  indess   im  letzteren  Falle   zu  erwarten  stand, 
dass  die  Privatbetheiligten  ganz  exorbitante  Forderungen  stellen 
würden,  so  schlug  Trauttmansdorff  vor,    dass  die  Stände  den 
Betrag  von  4,500.000  Gulden  um  eine  entsprechende  Summe  er- 
höhen sollten,  wogegen  der  Kaiser  die  Entschädigung  der  Privat- 
personen in  der  Art  auf  sich  nehmen  würde,   dass,  wenn  auch 
diese  Summe  zur  zu  leistenden  Entschädigung  nicht  ausreiche, 
der  Mehrbetrag  zu  drei  Viertel  oder  wenigstens  zur  Hälfte  von 
den  Ständen   zu   decken   sei.    Doch    bemerkte  Trauttmansdorff 
ausdrücklich,    dass   dieser  letzte  Vorschlag  nur  im  äoasersten 
Falle  gemacht,  und  dass  ein  auf  demselben  beruhendes  Ueber- 
einkommen  nur  sub  spe  rati  geschlossen  werden  dürfe,  nament- 
lich wenn  sich  die  Stände  nur  zur  Uebemahme  der  Hälfte  jenea 
Mehrerfordemisses  bereit  finden  würden.  Würde  nun  eine  Ver- 
einbarung in  der   einen   oder  in   der  anderen  Weise  zustand» 
kommen,    so  sollte  den  Ständen  zugleich  die  Wiedereinsetsonj^ 
der  hohen  Gerichtshöfe  in  Limburg  in  Aussicht  gestellt  werden. 
Ja   Mettemich   wurde    für  diesen   Fall    sogar   ermächtigt,    den. 
Ständen  ein  Arrangement  über  die  aufgehobenen  Convente  anf 
dem  Fusse,    wie   ein  solches  in  Flandern   und  Namur  *^yin*^ 
bereits  erfolgt  war,    anzubieten,   ihnen  auch   die  beanspmchten 
Abztlge  an   den   rückständigen  Subsides  zuzugestehen,    sie  im 
Besitze  der  1790  bewilHgten  Auflagen  zu  lassen,  die  Liqnidalioii 
der  Revolutionsschuld  in  Aussicht  zu  stellen,  die  Veriftngenmg 
der  bestehenden  Lasten,    namentlich  der  neuen  Kop&tener  anf 
die  Domestiken  und  die  Abschaffung  der  Exemptionen,  mit  ge- 
ringen Ausnahmen  zu  bewilligen,  ja  vielleicht  sogar  ihnen  zn  ge- 
statten, durch  eine  bestimmte  Reihe  von  Jahren  den  UebeischnsB 
der  Subsides  xmd  Imp6ts  fbr  sich  zu  verwenden.  Was  dagegen 
den  Verzicht  ,auf  alle  weiteren  Forderungen*  betreffe,  wie  den- 
selben die  Stände  verlangten,  so  sollte  derselbe  in  dem  Ceber 
einkommen  entweder  gar  nicht  erwähnt,    oder  es  sollten  dieee 
Forderungen  ausdrücklich   bezeichnet   werden«    damit  nicht  ia 
der  Folge  dieser  Verzicht  auf  Dinge  Anwendung  finde,  um  die 
es  sich  momentan  gar  nicht  gehandelt  habe. 

Der  neue  Vorsehlag   der  Stände   bildete   den  Gegenstand 
neuer  Berathangen«   an   denen  auch  Le  Clerc,   der  an  dicacm 


Belgien  anter  der  OenenlsUtthalterscbafl  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  133 

Ende  eigens  von  Valenciennes^  und  der  Finanzrath  und  Generai- 
CSvilcommissär  Bartenstein^  der  aus  dem  Hauptquartiere  berufen 
wurde,  theilnahmen.  ^  Man  modificirte  die  Vorschläge  abermals 
and  theilte  diese  Modificationen  den  zu  diesem  Zwecke  in  die 
▼erstarkte  Conferenz  beschiedenen  Deputirten  der  Stände  mit. 
Allein  diese  erklärten  sofort,  dass  der  dritte  Stand  den  Entwurf 
des  GU>uyemements  nie  annehmen  werde.  Dies  galt  namentlich 
von  zwei  Abänderungsvorschlägen  des  Conseil  des  finances, 
welche  sich  beide  auf  die  Entschädigung  der  Privatpersonen  be- 
zogen. Während  nämlich  nach  dem  Entwürfe  der  Stände  der 
Kaiser  gegen  die  Bewilligung  von  4}/^  Millionen  alle  Entschä- 
digungsansprüche ohne  Unterschied  befriedigen  sollte,  hatte  der 
Conseil  des  finances  den  Vorschlag  gemacht,  dass  der  Kaiser 
diesem  Zwecke  blos  eine  fixe  Summe,  etwa  1  oder  IVa  Millio- 
nen, zuwenden  möge.  Ausserdem  soUten  nach  dem  Entwürfe 
des  Conseils  nur  diejenigen  entschädigt  werden,  die  durch  die 
Insurrection  Schaden  erlitten  hatten,  während  die  Stände  ausser- 
dem, und  zwar  in  wenig  passenden  Ausdrücken  eine  Entschä- 
digung auch  für  jene  in  Anspruch  nahmen,  die  durch  Willkür- 
acte  des  Gouvernements  zu  Schaden  gekommen  seien.  Die 
Deputirten  erklärten,  dass  der  dritte  Stand  nie  eine  Summe 
bewilligen  werde,  die  ausdrückUch  zur  Entschädigung  der  in 
den  letzten  Unruhen  Geschädigten  beansprucht  werde,  und 
dass  die  Zustimmung  nur  dann  zu  erreichen  sei,  wenn  man 
die  Forderung  allgemein  fasse,  da  der  dritte  Stand  im  Ganzen 
wohl  gerne  bereit  sei,  dem  Souverän  eine  Geldsumme  zu  be- 
willigen, nicht  aber  jene  zu  entschädigen,  die  er  als  Landes- 
feinde erachte.  Uebrigens  sei  der  Gedanke  einer  Entschädigung 
nicht  von  den  Ständen,  sondern  von  dem  Gouvernement  aus- 
gegangen; da  aber  derselbe  nun  einmal  angeregt  sei,  so  be- 
stehe der  dritte  Stand  darauf,  diejenigen  nicht  im  Stiche  zu 
lassen,  die  von  der  anderen  Seite  misshandelt  worden  seien. 
Die  Deputirten  fügten  hinzu,  dass  es  den  letzteren  nach  der 
Verfassung  zustehe,  gegen  den  Kaiser  klagbar  zu  werden,  der 
sich  zwar  vertheidigen,  nicht  aber  der  richterlichen  Entschei- 
dung entziehen  könne. 


^  Derselben  wohnten  auch  der  Chef-PriUident  Nieulant,  der  Schatzmeister 
De  Sandrouin  und  D'Agnilar  bei. 


134  y^'  Abbuidlnnf !  ▼.  Zeittberg. 

Vergebens   suchten   die   Mitglieder  der  Jointe    diese  An- 
sichten  zu  widerlegen.    Man  einigte   sich  endlich   zu   einer  un- 
bestimmten Fassung,  wonach  alle  jene  entschädigt  werden  solt 
ten,  welche  thatsächlich  Verluste  ,pour  et  k  Toccasion  des  troubles' 
erlitten   hätten.     Um    den   Kaiser   gegen   die   Gefahr  sicherzn- 
stellen,    der   er  ausgesetzt  wäre,    falls   er  die  Entschädigungen 
sammt  und   sonders   auf  sich   nähme    und   sodann   die  Summe 
der  letzteren   etwa   den   ihm  bewilligten  Betrag    überschreiten 
würde,    schlugen   die  Deputirten   vor,    dass   die  Entschädigung 
nicht    eher   ausbezahlt  werden    möge,    als  bis   alle   Ansprüche 
schiedsrichterlich  festgestellt  seien.    Würde  sich  dabei  ergeben, 
dass    die  Gesammtheit   der  letzteren   das   absorbire,    was  dem 
Kaiser  zur  Schadloshaltung  bestimmt  sei,   so  solle  letzterer  ge- 
richtlich darauf  bestehen  können,  dass  ihm  bei  der  Auftheilang- 
der  4V2  Millionen  der  proportionelle  Antheil  zugesichert  werde. 
Man  sprach  sodann  von  den  ,Verfassungsyerletzungen'  (infirao- 
tions),  von  denen  in  dem  Entwürfe  des  Acte  d'accord  die  Bede 
war.  Die  Mitglieder  der  Regierung  fanden  an  diesen  Ausdrücken 
umsomehr  auszusetzen,  als  zwei  Punkte,   um  die  es  sich  dab« 
handelte,  entweder  gegenstandslos  geworden  seien  oder  es  dem- 
nächst sein  würden:    da  nämlich  die  Haute  cour  von  Limbiii]g 
thatsächlich  wiederhei^estellt,  wenn  auch  noch  nicht  completiit 
sei,   da   bezüglich   der   aufgehobenen  Convente  die  Intentionen 
des   Kaisers   bereits  in   mehreren  Provinzen  realisirt  und  auch 
ftir  Brabant  kundgemacht  worden   seien,   und  da  die  Bildung 
der  Commission,  von  deren  Thätigkeit  jene  Operation  abhänge^ 
bereits  im  Zuge  sei. 

Nach  Schluss  der  Jointe  forderte  Mettemich  die  Mitglieder 
des  Gouvernements  auf,  sich  über  die  Sache  schriftlich  fli 
äussern.  Auch  der  Conseil  des  finances  erhielt  den  AuAng; 
unter  Beiziehung  der  Staatsräthe  das  neue  Project  des  Acts 
d'accord  noch  einmal  auf  Grund  der  Erklärungen  der  letsten 
Jointe  durchzuberathen.  Alle  diese  Gutachten  sendete  diesmil 
Mettemich  dem  Hofe  ein.  Er  selbst  aber  sprach  sich,  wie  tf 
sagte,  auf  Grund  der  Wahrnehmungen  aller  derer,  die  der  Con- 
ferenz  mit  den  Deputirten  der  Stände  beigewohnt  hatten,  dahin 
aus,  dass  man  vergeblich  versuchen  werde,  die  zwei  ersten 
Stände  zu  weiteren  Zugeständnissen  zu  bewegen.  Eine  Sache, 
von  der  vielleicht   die  Ruhe   des  Landes   während  der  ganzen 


BelfiMi  unter  der  Generalstattluafcenohaft  Enherzof  Carla  (1798,  1794).  135 

Regierung  Sr.  Majestät  abhänge^  dürfe  man  nicht  lediglieh  vom 
finanziellen  Standpunkte  betrachten.  Auch  der  Erzherzog  sei 
dieser  Meinung.  Doch  habe  er  (Metternich)  nach  den  an  ihn 
ergangenen  Weisungen  es  nicht  auf  sich  nehmen  können^  auf 
diesem  Fusse  abzuschliessen.  Er  bedauere  dies  umsomehr^  als 
gerade  gegenwärtig  die  Stimmung  des  dritten  Standes  eine 
günstige  sei,  während  ein  Aufschub  von  drei  bis  vier  Wochen 
leicht  einen  Umschwung  hervorrufen  könne.  Eine  rasche  Er- 
ledigung wäre  um  so  Wünschenswerther  gewesen,  als  man  gegen- 
wärtig allgemein  wünsche,  dass  die  Inauguration  am  Tage  der 
heil.  Theresia  stattfinden  möge,  und  als  es  wichtig  sei,  dass 
diese  Feier,  die  ein  enges  Band  zwischen  Herrscher  und  Volk 
knüpfe,  keinen  Aufschub  erleide,  besonders  in  gegenwärtiger 
Zeit,  wo  sich  der  französische  Einfluss  im  Lande  geltend  zu 
machen  suche.  Schliesslich  beklagt  sich  Metternich  noch  über 
die  starre  Unnachgiebigkeit  des  Conseil  des  finances  gegen  die 
Stände,  mit  denen  es  jener  auf  einen  Bruch  ankommen  lassen 
zu  wollen  scheine,  was  den  Intentionen  Sr.  Majestät  nicht 
entspreche,  eine  Unnachgiebigkeit,  die  dem  Conseil  vielleicht 
zur  Ehre  gereichen  würde,  wenn  sie  nicht  bei  den  meisten 
seiner  Mitglieder,  wie  D'Aguilar,  Ransonnet  und  Duchesne, 
der  Ausfluss  alter  Vorurtheile  und  persönlicher  Empfindlich- 
keit wäre. 

Bei  der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  legte  denselben 
Trauttmansdorfif  der  Ministerconferenz  zur  Entscheidung  vor.^ 
Doch  theilte  er  vorläufig  bereits  am  3.  October  dem  belgischen 
Minister  seine  eigenen  Ansichten  mit.  Unter  anderen  Umständen, 
meinte  er,  würde  man  wohl  die  Proposition  der  Stände  mit  In- 
dignation von  sich  gewiesen  haben,  doch  heute  müsse  man  sich 
vielleicht  der  Demüthigung  unterziehen,  sie  anzunehmen,  um 
ein  grösseres  Uebel  zu  vermeiden,  aber  zugleich  sich  auch  ver- 
sichern, dass  diese  neue  Schwäche  nicht  für  die  Zukunft  un- 
selige Folgen  habe.  Er  betrachte  die  Sache  nicht  lediglich  vom 
finanziellen  Standpunkte,  denn  so  wichtig  auch  fUr  den  Augen- 
blick dem  Staate  alle  seine  Geldmittel  seien,  so  meine  er  doch, 
dass  man  diese  erst  in  zweite  Linie  zu  stellen  habe,  wo  es  sich 


^  Es  liegt  im  Staatsarchiv  das  eigenhändige  Votum  Rosenherg's  vom  12.  Oc- 
tober vor;  es  lautet  affirmativ. 


136  VI.  AbhuidloDg:  y.  Zeissberg. 

um  die  Würde  Sr.  Majestät  und  darum  handle^  Principien 
zu  sanetionireU;  die  den  seinigen  offenbar  entgegengesetzt,  und 
die  daher  nicht  nur  fUr  den  AugenbUck,  sondern  auch  in  der 
Folge  dem  Dienste  nachtheilig  seien. 

Beklagenswerth  sei  es,  dass  Alles  von  dem  Willen  der 
Stände  abhängig  gemacht  werde,  und  dass,  obgleich  es  sich 
um  ihre  Pflicht  handle,  die  einfache  Behauptung,  dass  der 
dritte  Stand  zu  dem  oder  jenem  sicher  nicht  seine  Zustimmung 
geben  werde,  selbst  wenn  die  beiden  ersten  Stände  dazu  bereit 
seien,  genüge,  um  sich  vor  diesem  Ausspruche  wie  vor  einem 
Gesetze  zu  beugen,  und  alles  dies,  nachdem  der  Souverän  so 
viel  fUi*  das  Land  gethan  und  nicht  nur  das  gute  Recht  ftbr 
sich  habe,  sondern  im  äussersten  Falle  sogar  Gewalt  anzu- 
wenden berechtigt  sei.  Doch  sei  er  überzeugt,  dass  selbst  wenn 
der  Kaiser  alle  ihm  gestellten  Bedingungen  annehme,  er  doch 
in  einem  Punkte  nicht  nachgeben,  sondern  die  auf  die  Entschä- 
digung bezüglichen  Punktationen  dahin  werde  abändern  lassen, 
dass  er  nicht  verpflichtet  sei,  die  zu  entschädigen,  die  sich  über 
Verhaftungen  oder  andere  miUtärische  Massregeln  beschwerten. 
Denn  es  leuchte  ein,  welchen  Missbrauch  man  damit  treiben, 
welch  weites  Feld  man  dadurch  allen  Arten  von  Reclamationen 
erschliessen  werde  und  wie  ungünstig  die  richterlichen  Entschei- 
dungen für  Se.  Majestät  ausfallen  müssten,  nachdem  man  dar^ 
auf  gedrungen  habe,  dass  alle  Tribunale  mit  den  Ständen  er- 
gebenen Individuen  besetzt  würden.  Trauttmansdorff  schliesst 
mit  der  Bemerkung:  dass  der  Staatssecretär  ganz  richtig  be- 
merkt habe,  er  spreche  so  zu  Ende  September  1793  und 
würde  anders  gesprochen  haben,  wenn  man  noch  zu  Ende 
März  oder  Anfangs  April  stünde.  ,Das  eben  ist  es,*  ruft  er 
aus,  ,daraus,  dass  man  erst  Ende  September  Dinge  zum  Ab- 
schluss  bringt,  die  schon  in  den  ersten  Tagen  des  April  er- 
ledigt werden  sollten,  resultirt  all  unser  Unglück!*  In  einem 
Postscript  fügt  er  die  Bemerkung  bei,  dass  die  Inauguration 
nicht  am  Theresientage  stattfinden  könne.  Das  Benehmen  der 
Stände  lasse  nicht  vermuthen,  dass  sie  wirklich  einen  Wertfa 
auf  diese  Ceremonie  legen;  wählte  man  den  Namenstag  der 
Kaiserin,  um  ein  Zeichen  der  Anhänglichkeit  zu  geben,  so 
habe  man  tausend  andere  Mittel,  um  dieselbe  weit  eindring- 
licher zu  bezeigen.  ,Sagen  Sie,*  schliesst  er,  Jenen  Herren,  dass 


B«lgi«i  unter  der  Oeneraltstatthalterschaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  137 

Se.  Majestät  keinen  Werth  auf  die  Formen,  sondern  auf  die 
Sache  legt,  um  die  es  sieh  heute  handelt/^ 

Am  14.  October  erfolgte  die  Entscheidung  des  Kaisers. 
Se.  Majestät,  so  lautete  die  betreffende  Weisung,  nehme  die 
Vorschläge  der  Stände  von  Brabant  entgegen,  doch  unter  der  aus- 
drücklichen Bedingung  (sous  la  condition  bien  expresse),  dass  die 
Installation  des  Kanzlers  und  die  Bewilligung  der  Subsides  für 
die  nächsten  sechs  Monate  gleichzeitig  vor  sich  gehe,  da  er  von 
seinem  Entschlüsse  bezüglich  des  ersten  Punktes  unbedingt 
nicht  abstehen  wolle,  und  da  er  nicht  zugeben  könne,  dass  um 
der  Subsides  willen  in  nächster  Zeit  eine  neue  Versammlung 
stattfinde,  auf  der  vielleicht  neue  Schwierigkeiten  auftauchen 
würden.  Sobald  Alles  in  gebührender  Weise  (düment  et  com- 
pl^tement)  geschehen  sei,  doch  unter  keiner  anderen  Bedingung 
dürfe  die  Inauguration  vor  sich  gehen.  ^ 

Gleichzeitig  erhielt  Mettemich  eine  ostensible  Depesche, 
die  den  Ständen  von  Brabant  bei  erster  sich  darbietender  Ge- 
legenheit verlesen  werden  sollte.  Mettemich  werde  aus  derselben 
ersehen,  dass  der  Kaiser  zwar  die  Propositionen  der  Stände  an- 
nehme, dass  er  sich  aber  durch  dieselben  sehr  verletzt  fUhle, 
und  daher  wünsche,  den  Ständen  den  Unterschied  deuthch  zu 
machen  zwischen  der  Art,  wie  er  sie,  sei  es  in  ihrer  Gesammt- 
heit,  sei  es  im  Einzelnen,  zu  behandeln  gedenke,  im  Gegensatze 
zu  jenen  Provinzen,  mit  denen  er  Ursache  habe,  zufrieden  zu 
sein.  Der  Minister  möge  Alles  sorgfältig  vermeiden,  was  den 
Schein  erwecken  könnte,  ab  ob  diese  Nachgiebigkeit  eine  Folge 
von  Schwäche  sei.  Er  möge  betonen,  dass  der  Kaiser  von  Pro- 
positionen über  Gegenstände  einfacher  Pflicht  überhaupt  nicht 
habe  reden  hören  wollen,  namentUch  nicht  von  den  vorliegen- 
den, dass  es  daher  sehr  schwer  gefallen  sei,  von  seinem  guten 
Herzen  und  seiner  äussersten  Güte  das  zu  erlangen,  was  zu 
verweigern  ihm  eigentUch  seine  Würde  und  sein  Gerechtig- 
keitsgefühl gebiete.  Dem  Minister  selbst  verhehlte  Trauttmans- 
dorff  nicht,  dass  der  Kaiser  gegenüber  dem,  was  derselbe  stets 
in  Aussicht  gestellt  habe,  und  was  er  nach  so  vielen  dem  Lande 
gebrachten  Opfern  erwarten  durfte,  sehr  enttäuscht  sei.  Sei  doch 


*  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  3  octobre  1793.  Orig. 

*  Trauttmansdorff  an  den  Kaiser.  Vienne,  le  14  d^cembre  1793.  Orig. 


136  VI.  AbhuidloDg:  y.  Zeissberg. 

um  die  Würde  Sr.  Majestät  und  darum  handle^  Principien 
zu  sanetionireU;  die  den  seinigen  offenbar  entgegengesetzt,  und 
die  daher  nicht  nur  für  den  Augenblick,  sondern  auch  in  der 
Folge  dem  Dienste  nachtheilig  seien. 

Beklagenswerth  sei  es,  dass  Alles  von  dem  Willen  der 
Stände  abhängig  gemacht  werde,  und  dass,  obgleich  es  sich 
um  ihre  Pflicht  handle,  die  einfache  Behauptung,  dass  der 
dritte  Stand  zu  dem  oder  jenem  sicher  nicht  seine  Zustimmung 
geben  werde,  selbst  wenn  die  beiden  ersten  Stände  dazu  bereit 
seien,  genüge,  um  sich  vor  diesem  Ausspruche  wie  vor  einem 
Gesetze  zu  beugen,  und  alles  dies,  nachdem  der  Souverän  so 
viel  für  das  Land  gethan  und  nicht  nur  das  gute  Recht  fbr 
sich  habe,  sondern  im  äussersten  Falle  sogar  Qewalt  anzu- 
wenden berechtigt  sei.  Doch  sei  er  überzeugt,  dass  selbst  wenn 
der  Kaiser  alle  ihm  gestellten  Bedingungen  annehme,  er  doch 
in  einem  Punkte  nicht  nachgeben,  sondern  die  auf  die  Entschä- 
digung bezüglichen  Punktationen  dahin  werde  abändern  lassen, 
dass  er  nicht  verpflichtet  sei,  die  zu  entschädigen,  die  sich  über 
Verhaftungen  oder  andere  militärische  Massregeln  beschwerten. 
Denn  es  leuchte  ein,  welchen  Missbrauch  man  damit  treiben, 
welch  weites  Feld  man  dadurch  allen  Arten  von  Reclamationen 
erschliessen  werde  und  wie  ungünstig  die  richterlichen  Entschei- 
dungen für  Se.  Majestät  ausfallen  müssten,  nachdem  man  dar^ 
auf  gedrungen  habe,  dass  alle  Tribunale  mit  den  Ständen  er- 
gebenen Individuen  besetzt  würden.  Trauttmansdorff  schliesst 
mit  der  Bemerkung:  dass  der  Staatssecretär  ganz  richtig  be- 
merkt habe,  er  spreche  so  zu  Ende  September  1793  und 
würde  anders  gesprochen  haben,  wenn  man  noch  zu  Ekide 
März  oder  Anfangs  April  stünde.  ,Das  eben  ist  es,*  ruft  er 
aus,  ,daraus,  dass  man  erst  Ende  September  Dinge  zum  Ab- 
schluss  bringt,  die  schon  in  den  ersten  Tagen  des  April  e^ 
ledigt  werden  sollten,  resultirt  all  unser  Unglück!*  In  einem 
Postscript  fügt  er  die  Bemerkung  bei,  dass  die  Inauguration 
nicht  am  Theresientage  stattfinden  könne.  Das  Benehmen  der 
Stände  lasse  nicht  vermuthen,  dass  sie  wirklich  einen  Werth 
auf  diese  Ceremonie  legen;  wählte  man  den  Namenstag  der 
Kaiserin,  um  ein  Zeichen  der  Anhänglichkeit  zu  geben,  so 
habe  man  tausend  andere  Mittel,  um  dieselbe  weit  eindring- 
licher zu  bezeigen.  ,Sagen  Sie,*  schliesst  er.  Jenen  Herren,  dass 


Belgien  anter  der  Genenüstattbaltcrschaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  137 

Se.  Majestät  keinen  Werth  auf  die  Formen^  sondern  auf  die 
Sache  legt,  um  die  es  sich  heute  handelt/^ 

Am  14.  October  erfolgte  die  Entscheidung  des  Kaisers. 
Se.  Majestät,  so  lautete  die  betreffende  Weisung,  nehme  die 
Vorschläge  der  Stände  von  Brabant  entgegen,  doch  unter  der  aus- 
drücklichen Bedingung  (sous  la  condition  bien  expresse),  dass  die 
Installation  des  Kanzlers  und  die  Bewilligung  der  Subsides  ftir 
die  nächsten  sechs  Monate  gleichzeitig  vor  sich  gehe,  da  er  von 
seinem  Entschlüsse  bezüglich  des  ersten  Punktes  unbedingt 
nicht  abstehen  wolle,  und  da  er  nicht  zugeben  könne,  dass  um 
der  Subsides  willen  in  nächster  Zeit  eine  neue  Versammlung 
stattfinde,  auf  der  vielleicht  neue  Schwierigkeiten  auftauchen 
würden.  Sobald  Alles  in  gebührender  Weise  (düment  et  com- 
pl^tement)  geschehen  sei,  doch  unter  keiner  anderen  Bedingung 
dürfe  die  Inauguration  vor  sich  gehen.' 

Gleichzeitig  erhielt  Mettemich  eine  ostensible  Depesche, 
die  den  Ständen  von  Brabant  bei  erster  sich  darbietender  Ge- 
legenheit verlesen  werden  sollte.  Mettemich  werde  aus  derselben 
ersehen,  dass  der  Kaiser  zwar  die  Propositionen  der  Stände  an- 
nehme, dass  er  sich  aber  durch  dieselben  sehr  verletzt  fUhle, 
und  daher  wünsche,  den  Ständen  den  Unterschied  deutUch  zu 
machen  zwischen  der  Art,  wie  er  sie,  sei  es  in  ihrer  Gesammt- 
heit,  sei  es  im  Einzelnen,  zu  behandeln  gedenke,  im  Gegensatze 
zu  jenen  Provinzen,  mit  denen  er  Ursache  habe,  zufrieden  zu 
sein.  Der  Minister  möge  Alles  sorgfältig  vermeiden,  was  den 
Schein  erwecken  könnte,  ab  ob  diese  Nachgiebigkeit  eine  Folge 
von  Schwäche  sei.  Er  möge  betonen,  dass  der  Kaiser  von  Pro- 
positionen über  Gegenstände  einfacher  Pflicht  überhaupt  nicht 
habe  reden  hören  wollen,  namentUch  nicht  von  den  vorliegen- 
den, dass  es  daher  sehr  schwer  gefallen  sei,  von  seinem  guten 
Herzen  und  seiner  äussersten  Güte  das  zu  erlangen,  was  zu 
verweigern  ihm  eigentUch  seine  Würde  und  sein  Gerechtig- 
keitsgefühl gebiete.  Dem  Minister  selbst  verhehlte  Trauttmans- 
dorff  nicht,  dass  der  Kaiser  gegenüber  dem,  was  derselbe  stets 
in  Aussicht  gestellt  habe,  und  was  er  nach  so  vielen  dem  Lande 
gebrachten  Opfern  erwarten  durfte,  sehr  enttäuscht  sei.  Sei  doch 


*  Trauttmansdorff  an  Mettemich.   Vienne,  le  3  octobre  1793.  Orig^. 

*  Trauttmansdorff  an  den  Kaiser.  Vienne,  le  14  d^cembre  1793.  Orig. 


138  Tl.  Abhaadlang:  ▼.  Zeissberg. 

nicht  einmal  das  Princip  gerettet  worden^  dass  nämlich  die 
Zahlung  rückständiger  Subsides  eine  Pflicht  sei^  da  die  Acte  de 
consentement  blos  besage:  ^Que,  yu  les  depenses  de  la  guerre 
etc.,  on  accordait  un  don  extraordinaire  de  47i  mülions/^ 

An  den  Erzherzog  aber  richtete  der  Elaiser  auB  diesem 
Anlasse  ein  Schreiben,  worin  es  hiess:  Jch  habe  diesen  Schritt 
gewiss  als  schlecht,  jedoch  als  nothwendig  in  diesem  Augen- 
blicke betrachtet,  weil  er  der  einzige  war,  um  herauszukommen. 
Nun  steht  der  Erfolg  noch  zu  erwarten,  und  ich  soll  mir 
schmeicheln,  dass  er  gut  sein  wird.  Ich  bitte  Dich,  sobald  die 
Sache  entschieden  ist,  sogleich  die  Inauguration  zu  halten  und 
mir  sodann  auf  das  Eiligste  einen  Courier  mit  der  Nachricht 
davon  abzuschicken,  weil  ich  mich  dann  sogleich  auf  den  Weg 
setze,  um  zu  Dir  zu  kommen,  da  ich  es  nicht  eher  thun  will, 
um  mich  nicht  vielleicht  im  Falle  zu  finden,  mich  gegen  die 
Stände  compromittiren  zu  müssen.  Eine  Hauptklage  habe  ich 
gegen  Euer  Gouvernement,  wovon  Du  zu  Deiner  grössten  Ehre 
eine  Ausnahme  machest,  das  ist  die  abscheuliche  Nachgiebig- 
keit auch  in  Gelegenheiten,  wo  man  das  offenbare  Recht  für 
sich  hat.'* 

Indess  sollte  bald  auch  der  Erzherzog  keine  Ausnahme 
von  denen  machen,  die  unter  den  gegebenen  Umständen  Vor- 
sicht und  Mässigimg  empfahlen.  Derselbe  legte  die  soeben  er- 
wähnten Weisungen  der  Conferenz'  zur  Berathung  vor,  wobei 
zunächst  der  Ausdruck  ,sous  la  condition  bien  expressed  zu 
längerer  Discussion  Anlass  bot.  Derselbe  konnte  dahin  gedeutet 
werden,  dass  der  Annahme  des  die  4^/,  Millionen  betreffenden 
Anerbietens  die  Bewilligung  der  Subsides  und  der  Impöts  des 
nächsten  Termines  und  die  Installation  des  Kanzlers  voran- 
gehen müsse,  er  konnte  aber  auch  ein  Befehl  fUr  das  Gouverne- 
ment sein,  auf  diesen  beiden  Punkten  nachdrücklich  zu  bestehen« 


^  Tranttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  14  octobre  1798.  Ori^. 

*  FranE  n.  an  Enhenog  Carl.  Wien,  den  16.  October  1793.  Orig.  eif. 
A.-A. 

'  Der  Couferenz  wurden  auch  Nieulant,  De  Sandrouin  und  Du  Rieux  bei- 
g^zog^n,  von  welchen  der  letztere  anfangs  Bedenken  trug,  zu  erscheinen, 
da  er  in  Brabant  ohne  eigentliche  Anstellung  sei,  zuletzt  aber  dem  wieder- 
holten Dringen  des  Blrzhersogs  sich  fügte.  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser. 
BrOssel,  den  86.  October  1793.  Orig.  eig. 


Balfien  unter  d«r  G«n«nüstatt1ialtersohaft  Enbenog  Carls  (1798,  1794).  139 

Jenes  schien  der  Jointe  unausführbar  oder  doch  höchst  bedenk- 
lichy  und  man  neigte  daher  einstimmig  der  Deutung  zu,  dass  zur 
Inauguration  nicht  geschritten  werden  sollte,  bevor  nicht  die 
erwähnten  Gegenstände  erledigt  seien. 

Und  nun  ging  man  zur  Berathung  der  einzelnen  Punkte 
tLber.  Man  glaubte  im  Sinne  der  Depeschen  zu  handeln,  wenn 
man  vor  Allem  den  Acte  d'acceptation  bezüglich  der  bewillig- 
ten 47f  Millionen,  imd  zwar  ,purement  et  simplement*,  ^  den 
beiden  ersten  Ständen  mittheile  und  zugleich  durch  den  könig- 
lichen Commissär  die  Proposition  bezüglich  der  Impöts  und  der 
Subsides  einbringe,  von  denen  jene  mit  1.  December  begannen 
und  sich  auf  das  nächste  Halbjahr  bezogen,  die  Subsides  und 
der  Unterhalt  des  Hofes  aber  vom  1.  Januar  1794  an  zu  be- 
rechnen waren.  Ganz  entschieden,  und  gewiss  mit  vollem  Rechte, 
sprach  sich  jedoch  die  Jointe  dagegen  aus,  dass  der  Minister, 
wie  es  die  betreflFende  Weisung  vorschrieb,  die  ostensible  De- 
pesche einer  Deputation  der  Stände  vorlese.  In  einem  Augen- 
blicke, wo  man  besorgen  müsse,  dass  die  Franzosen  ihre  Drohun- 
gen bezüglich  dieses  Landes  verwirkUchen  könnten,  wo  die 
Verproviantirung  der  Armee  so  schwierig  sei,  wo  es  auch  im 
Innern  nicht  an  Wühlereien  seitens  der  Anhänger  des  französi- 
schen Systems  fehle,  schien  es  bedenklich,  durch  die  Verlesung 
eines  derartigen  Schriftstückes  unnützer  Weise  die  Gemüther 
dem  Elaiser  zu  entfremden.  Das  grösste  Opfer,  das  dieser  dem 
Lande  bringe,  sei,  meinte  die  Jointe,  dass  er  die  Propositionen 
der  Stände  angenommen  habe;  die  Motive,  die  ihn  dazu  be- 
stinmiten,  müssten  ihn  auch  bestimmen,  dies  in  gnädiger  Weise 
zu  thun,  da  man  sonst  bei  den  Ständen,  ja  selbst  bei  dem 
Volke  den  günstigen  Eindruck,  den  die  EntSchliessung  des 
Kaisers  hervorrufe,  zerstöre.  Dazu  komme,  dass  man  bezüglich 
der  Subsides,  Impöts,  Don  gratuits,  freiwilligen  Spenden,  An- 
leben  u.  dergl.  auf  den  guten  Willen  der  Stände  und  der  diesen 
der  Mehrzahl  nach  ergebenen  Bewohner  des  Landes  angewiesen 
sei.  Angesichts  dieser  ,dem  Wiener  Hofe  unzweifelhaft  unbekann- 
ten Verhältnisse'  einigte  man  sich  dahin,  dass  der  Minister  den 
Ständen  blos  gesprächsweise  und  als  lediglich  von  ihm  aus- 
gehend,   doch    als    eine    ihm    bekannte,    notorische    Thatsache 


^  Ershenog  Carl  an  den  Kaiser.  Brttssel,  den  26.  October  1798.  Orig.  eig. 


140  VI.  AbliandluDg:  t.  Zeit  aber  g. 

mittheilen   möge^    was   in  jener   ostensiblen   Depesche   enthal- 
ten sei. 

Von  denselben  Gesichtspunkten  ging  die  Jointe  bezüglich 
der  Installation  des  Kanzlers  aus.  Das  Recht  des  Kaisers  in 
der  Sache  sei  unanfechtbar  und  bisher  auch  nicht  von  den 
Ständen  angefochten  worden.  Mache  man  nun  die  Installation 
zu  einer  Bedingung,  so  anerkenne  man  damit^  dass  die  Stände 
in  der  Sache  mitzureden  hätten  und  gebe  einem  Ansprüche 
derselben  fUr  künftige  FäUe  Raum.  Es  sei  daher  vorzuziehen, 
in  dieser  Beziehung  keinen  Schritt  bei  den  Ständen  zu  thun, 
sondern  Van  Velde  einfach  zu  installiren,  und  zwar  noch  vor 
der  Inauguration.  Würden  sich  die  Stände  deshalb  an  den  Erz- 
herzog oder  den  Minister  wenden,  so  sei  ihnen  zu  erklären, 
dass  Se.  Majestät  von  einem  ihm  unzweifelhaft  zustehenden 
Rechte  Gebrauch  gemacht  habe,  dass  der  Kanzler  sich  den 
Ständen  zur  Eidesleistung  vorstellen  und  dass,  wenn  sie  gegen 
dessen  Eignung  etwas  einzuwenden  hätten,  der  competente 
Richter  darüber  entscheiden  werde. 

Neuerdings  sprach  man  sich  ftlr  die  Vertagung  der  Elanzle^ 
frage  aus,  bis  der  dritte  Stand  seine  Zustimmung  zu  den  Be- 
schlüssen der  beiden  ersten  Stände  ertheilt  haben  werde.  Auch 
die  Inauguration  sollte  erst  dann  erfolgen,  wenn  alles  Uebrige 
erledigt  sei.  ^ 

Der  Erzherzog  stimmte  diesen  Vorschlägen  zu.  Sehr  offen 
sprach  er  sich  hierüber  gegen  den  Kaiser  aus.  ,Propositionen 
von  ihnen  (den  Ständen)  annehmen,'  meinte  er,  ,und  ihnen  in 
dem  nämUchen  AugenbHcke  in  den  härtesten,  gröbsten  Aus- 
drücken über  eben  diese  Propositionen  schreiben,  heisst  ihnen 
sagen:  Ich  nehme  Eure  Propositionen  an,  weil  ich  es  nicht 
anders  thun  kann,  weil  ich  Geld  brauche,  allein  ich  hasse 
Euch,  ich  verabscheue  Euch,  und  nie  werde  ich  Euch  ve^ 
zeihen,  mich  dahin  gebracht  zu  haben.  Euren  Vorschlag  anzu- 
nehmen. Diese  Sprache  ist  weder  der  Pohtik,  noch  der  Würde 
gemäss,  welche  in  allem  demjenigen,  so  von  Dir  oder  Deinem 
Ministerium  kommt,  vorherrschen  muss.'^ 


'  Jointe  tenne  chez  S.  A.  R.,  le  23  octobre  1798.    Erahersog  Carl  an  den 

Kaiser.  Brüssel,  den  26.  October  1793.  Orig.  eig. 
'  Ershersog  Carl  an  den  Kaiser.  Brüssel,  den  26.  October  1798.  Orig.  eig. 


B«lgi«i  nnter  der  GcneraUtatthaltersohaft  Enhenog  Carls  (179S,  1794).  141 

Mettemich  beschied  eine  Deputation  der  Stände  zu  sich 
und  theilte  derselben  in  der  von  der  Jointe  vereinbarten  Weise 
die  EntschHessung  des  Kaisers  mit.  Wie  immer,  ergingen  sich 
die  Deputirten  in  feierlichen  Versicherungen  ihrer  LojaUtät, 
stellten  auch  die  prompte  Bewilligung  der  nächstfälligen  Sub- 
sides  und  Imp6ts  in  Aussicht,  berührten  jedoch  die  Kanzler- 
frage nicht,  obgleich  sie,  wie  wenigstens  Mettemich  meinte, 
eine  Stelle  seiner  Ansprache  auf  diese  Frage  bezogen.  Man 
kam  zuletzt  überein,  dass  die  Stände  am  29.  October  wieder 
zusammentreten  und  der  kaiserliche  Commissär  denselben  den 
Acte  d'accord  betreffs  der  4^/,  Millionen  einhändigen,  gleichzeitig 
aber  die  Petition  bezüglich  der  Subsides  und  Impots  stellen, 
sowie  auch  die  Verification  der  Vollmachten  des  Erzherzogs 
fbr  die  Inauguration  bereinigen  sollte.  ^ 

Am  31.  October  fand  sich  neuerdings  eine  Deputation  der 
Stände  bei  dem  Minister   ein.    Es  handelte  sich  diesmal  nicht 
unmittelbar  um  die  schwebende  Frage,  sondern  um  eine  jener 
,Verfas8ungsverletzungen^  (infractions),   von  denen  im  Verlaufe 
der  Verhandlungen   öfters  die  Rede  gewesen  war,   nämUch  um 
die  Verhaftungen   des  Jahres   1791.    Die  Deputirten   beklagten 
sich  darüber,    dass  man  sich   damals   über  Art.  1  der  Jojeuse 
entrde,  wonach  jeder  Braban9on  nur  ,par  droit  et  sentence^  be- 
handelt werden  solle,  mittelst  des  Art.  55  derselben  Handveste 
hinweggesetzt  habe.   Daher  verlangten  die  Stände,  dass  anläss- 
lich   der    bevorstehenden    Inauguration    seitens    der    Regierung 
folgende  Declaration  abgegeben  werde:   ,que  le  premier  article 
Sera  maintenu  et  observ^  k  tous  ögards,  sans  aucune  exception, 
et  sans  qu'il  sera  permis,   sous  pr^texte  de  l'article  55  ou  sous 
tout  autre  prötexte,   de  traiter   qui   que  ce   soit  autrement  que 
psT  droit  et  sentence,   conform^ment  k  ce   premier  article^  Sie 
beriefen   sich  unter  Anderem   darauf,    dass  auch    bei   der  In- 
auguration Kaiser  Leopolds   11.   eine   ähnliche  Declaration   be- 
züglich der  Convention   vom  Haag   erfolgt  sei.    Als  Mettemich 
erwiderte,    dass   der   Kaiser   die    Deutung    eines    Artikels    der 
Joyeuse  entröe   nicht   zugeben  werde,    da   er  lediglich  an  dem 
Stande  der  Dinge  zu  Ende  der  Regierung  Maria  Theresias  fest- 
zuhalten gedenke,  erklärten  die  Deputirten  sich  mit  einer  blossen 


<  Metternich  An  TranttmAtisdorff.  Broxelles,  le  29  octobre  1793.  Orig. 


142  VI.  Abbandlang:  v.  Zeiisberg. 

,Depe8che'  (d.  i.  eine  Erklärung  des  Gouvernements)  ähnlichen 
Inhaltes  zufriedenstellen  zu  wollen,  diese  sei  aber  um  so  noth- 
wendiger,  als  man  das  Misstrauen  der  Doyens  zerstreuen  müsse, 
von  denen  einige  bereits  die  Bemerkung  fallen  Hessen,  dass^ 
wenn  man  hierüber  keinen  beruhigenden  Aufschluss  geben  wolle, 
dies  ledighch  deshalb  geschehe,  weil  man  vorkommenden  Falles 
wieder  ähnliche  Verhaftungen  wie  1791  vorzunehmen  gedenke. 
Die  Deputirten  gaben  nicht  nach,  bis  endlich  Mettemich  ver- 
sprach, den  Erzherzog  zur  Ausstellung  der  gewünschten  De- 
pesche bewegen  zu  wollen.^ 

Wirklich  liess  sich  der  Erzherzog  zur  Ausfertigung  einer 
derartigen  Depesche  herbei.  Doch  befriedigte  sie  die  Stände 
anfangs  nicht,  da  in  derselben  von  den  Fällen,  in  denen  trots- 
dem  Militärgewalt  würde  angewendet  werden  müssen,  die  Rede 
war.  Neuerdings  betheuerten  die  Deputirten,  dass  ihre  Soige 
lediglich  auf  die  Beruhigung  des  durch  Agitatoren,  ja  seihet 
französische  Emissäre  aufgeregten  dritten  Standes  gerichtet 
sei.  Man  müsse  das  Volk  über  den  wahren  Stand  der  Dinge 
belehren,  nicht  nur  das  Landvolk,  sondern  auch  die  Bourgeoisie, 
und  deshalb  in  jener  Depesche  ausser  den  Artikeln  1  und  55  auch 
die  bereits  getroffenen  Vereinbarungen  namhaft  machen,  mit  der 
ausdrücklichen  Bemerkung,  dass  deren  Inslebentreten  von  der 
Zustimmung  des  dritten  Standes  abhängig  sei.  In  der  That 
wurde  mit  Zustimmung  des  Erzherzogs  die  Depesche  in  diesem 
Sinne  umgeformt  imd  am  15.  November  pubUcirt.* 

Die  Depesche  begann  mit  der  Erklärung,  dass  jene  beir 
den  Artikeln  ,einzeln  oder  im  Ganzen  genommen'  zu  deutlich 
seien,  um  einer  Erläuterung  zu  bedürfen,  und  dass  folglich  er 
(der  Erzherzog)  blos  versichern  könne,  ,dass  diese  Artikel  pünkt- 
lich und  redlich  sowie  der  ganze  Inhalt  der  Joyeuse  entr^ 
beobachtet  werden  sollend  Dafür  seien  die  Billigkeit  und  Ge- 
rechtigkeit Sr.  Majestät  sichere  Bürgen.  Se.  Majestät  habe  da- 
von die  überzeugendsten  Beweise  letzthin  gegeben,  da  auf  die 
Einwilligung  der  zwei  ersten  Stände  zur  Erhebung  einer  Summe 


^  Note  de  ce  qui  s^est  passS  dans  Taudience  que  S.  E.  a  donn^  anx  d^ 

put^s  des  Etats  de  Brabant,  le  31  octobre  1793. 
'  Metternich  an  Trauttmansdorff,  Bmxelles,  le  16  novembre  1798.  Orig.  En- 

henog  Carl  an  den  Kaiser,  den  17.  November  1793.  Orig.  eig. 


N 


Belfien  «nter  der  0«B«i»lttotth»ltertob»ft  Erxbenog  CwU  (1798,  1704).  143 

von  47j  Millionen  Se.  MajesUlt  erklärten,  dass  die  erste  der 
drei  Raten  dieser  Summe  nicht  eher  bezahlt  werden  solle,  als 
bis  die  Verletzungen  der  Constitution,  die  unter  den  vorigen 
Regierungen  durch  die  Aufhebung  der  Klöster  und  der  geist- 
lichen Gemeinden,  sowie  durch  die  Errichtung  des  Conseils  von 
Limburg  geschehen  seien,  gänzlich  gutgemacht  und  wenigstens 
in  diesem  Punkte  befriedigende  Ausgleichungen  mit  den  Stän- 
den getroffen  sein  würden.  Auch  habe  Se.  Majestät,  von  dem 
Wunsche  geleitet,  Alles,  was  an  die  Unruhen  der  Jahre  1789 
bis  1790  erinnere,  in  Vergessenheit  zu  bringen,  die  Erklärung 
beigeftlgt,  dass  mittelst  jener  Summe  alle  seit  dem  1.  Januar 
1787  eröffneten  Forderungen  und  Ansprtlche  als  erftlllt  ange- 
sehen sein  sollten  und  er  es  auf  sich  nehme,  aus  dieser  Summe 
nach  der  Entscheidung  einer  zu  diesem  Ende  mit  gemeinschaft- 
lichem Einverständnisse  zu  ernennenden  Commission  alle  die- 
jenigen, welche  för  und  wegen  besagter  Unruhen  ungerechter 
Weise  einen  wesentlichen  Verlust  erlitten,  auf  billige  Art  zu 
entschädigen.  Ueberdies  habe  Se.  Majestät  erklärt,  dass  ver- 
mittelst dieser  Geldbewilligung  der  Betrag  der  öffentlichen  Ab- 
gaben, welche  durch  die  Stände  im  Jahre  1790  zugestanden 
worden  seien,  zum  Besten  der  Provinz  verbleiben,  imd  dass  die 
wegen  oder  bei  Gelegenheit  der  erwähnten  Unruhen  contrahirten 
Schulden  genehmigt  und  als  Lasten  der  Provinz  angeschen 
werden  sollten,  Verftigungen,  die  in  volle  Wirksamkeit  treten 
würden,  sobald  der  dritte  Stand  der  Geldbewilligung  der  zwei 
ersten  Stände  beigetreten  sein  werde.  Auch  habe  der  Kaiser 
die  unter  den  verschiedenen  Provinzen  eröffnete  Liquidirung 
der  während  und  anlässlich  der  Unruhen  contrahirten  Schulden 
nicht  aoB  dem  Auge  verloren  und  erklärt,  dass  diese  Liqui- 
dirung unverzügUch  wieder  vorgenommen  und  beendigt  werden 
soUe.  Endlich  folgte  die  Erklärung,  dass  die  Haager  Convention 
vom  10.  December  1790  und  deren  Ratification,  die  am  19.  März 
1791  in  Brabant  publicirt  worden  sei,  der  Joyeuse  entr^  nicht 
zum  Nachtheile  gereichen  solle,  dass  vielmehr  diese  in  ihrem 
vollen  Umfange  zu  gelten  habe,  ,wie  weiland  die  Kaiserin 
Maria  Theresia  und  ihre  durchlauchtigsten  Vorgänger  sie  be- 
schworen haben^^ 


>  Wiener  ZeHong  3494  ff.  Doller  166. 


144  VI.  Abhandlnng:  t.  Zeissberg. 

Diese  Depesche  wurde  am  15.  den  versammelten  Ständen 
mitgetheilt,  die  es  übernahmen^  das  Schriftstück  in  beiden  Lan- 
dessprachen in  einer  grossen  Anzahl  von  Exemplaren  zu  ver- 
breiten. * 

Die  Depesche,  die  von  Manchen  als  eine  Erneuerung  der 
Jojeuse  entr^e  gedeutet  wurde,  gab  in  Brüssel  zu  allerlei  Ova- 
tionen Anlass.    So  wurde  am  17.  November  dem   kürzlich  erst 
genesenen  Erzherzog  ein  Ständchen  gebracht  und  ihm  zu  fairen 
eine  Komödie  von  Bonnoir  aufgeführt,   aUerdings   eine  taktlose 
Plattheit  —  wollte  man  doch  sogar  in  derselben  den  Erzherzog 
krönen,  der  sich  dies  ausdrücklich  verbat  —  die,  wie  Delmotte 
erzählt,  von  der  Frau  des  Ministers  und  den  Leuten  ihrer  Anti- 
chambre  veranlasst  und  von  Warnsdorflf  approbirt  worden  war, 
und  für   die  der  Erzherzog  nachträglich  noch  40  Louis    den 
Veranstaltern  des  Festes,  Van  Schorell  und  Genossen,  bezahlen 
musste.  Am  nächsten  Sonntag  (24.  November)  gaben  die  Doyens 
aus  Anlass  der  ,wiederverliehenen  Verfassung'  den  sogenannten 
jCapons  du  rivage'  ein  Fest  gegenüber  dem  Ministerhötel,  bei 
dem  Schinken,  Wein  und  Bier  unter  die  Menge  vertheilt  wurde. 
Löblicher  war  es,  dass  sich  eine  Gesellschaft  von  Bürgern  Iril- 
dete,  um  Unterschriften  für  die  Errichtung  von  Militärhospitälen 
zu  sammeln.^ 

Gab  sich  in  Brüssel  die  Befriedigimg  über  den  politischen 
Erfolg  in  derartigen  Bezeigungen  kund,  so  machten  diese  Nach- 
richten in  Wien  gerade  den  entgegengesetzten  Eindruck.  Schon 
die  Verlautbarung,  dass  es  Mettemich  unterlassen  habe,  den 
Ständen  durch  Verlesung  jener  ofßciellen  Depesche  eine,  wie 
man  meinte,  heilsame  Lection  zu  ertheilen,  rief  nicht  nur  d^ 
Unwillen  der  Minister,  in  deren  Conferenz  dieselbe  festgesteUt 
worden  war,  sondern  auch  des  Kaisers  hervor,  der  aus  diesem 
Anlasse  bemerkte,  es  sei  überhaupt  unnütz,  Anordnungen  sa 
treffen,  wenn  man  sich  herausnehme,  zu  gehorchen,  nur  wie  und 
wann  es  beliebe.* 


*  Metternich  au  Trauttmansdorff.    Bruxelles,  le   16  novembre  1793. 
Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Brtlssel,  den  17.  November  1793.  Orig. 

*  Delmotte  an  Maria  Christine.  Bruxelles,  le  26  novembre  1793.  Orig.  eig. 
A.A. 

*  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  5  novembre  1793.  Orig. 


N 


Belfi«n  unter  der  Oeoenl8tattb»It«rscbafi  Ercberrog  Carls  (I79S,  1794).  146 

Noch  ungünstigere  Benrtheilung  fand  jedoch  die  Depesche 
vom  15.  November.  Einstimmig  war  man  zunächst  der  Meinung^ 
dass  dieselbe  desavouirt,  und  dass  flir  die  Folge  der  Wieder- 
kehr einer  ähnlichen^  ohne  ausdrückliche  Genehmigung  des 
Kaisers  erfolgten  fhitscheidung  vorgebeugt  werden  müsse.  Na- 
mentlich beschwerte  sich  Thugut,  dass  in  der  Depesche  auf 
die  Convention  vom  £[aag  Bezug  genommen  worden  sei.  Die 
Depesche  selbst  wurde  als  gleich  schädlich  bezeichnet,  ob  nun 
die  Stände  dieselbe  zu  ihren  Gunsten  deuten,  worauf  die  Freude, 
mit  der  man  sie  begrüsst  habe,  hinzuweisen  scheine,  oder  ob 
sich  dieselben  in  ihren  Erwartungen  getäuscht  finden  und  daher 
das  Gouvernement  nachträglich  der  Falschheit  beschuldigen 
würden,  schädlich  auch  im  Hinblick  auf  die  anderen  Provinzen, 
die  mit  Recht  sich  ftbr  nicht  minder  befugt  erachten  würden, 
neue  Zugeständnisse,  im  Gegensatze  zu  den  feststehenden  Prin- 
cipien,  zu  erzwingen.  Der  Kaiser  liess  dem  Minister  seine  Miss- 
billigung zu  erkennen  geben,  dass  er  gethan,  was  bisher  kein 
Generalstatthalter  oder  Minister  über  sich  zu  nehmen  gewagt 
habe,  Entscheidungen  zu  treffen,  denen  so  oft  wiederholte  Be- 
fehle des  Souveräns  bestimmt  gegenüberständen,  und  Funda- 
mentalgesetzen  eine  Auslegung  zu  geben,  die  in  der  falschen 
Deutung,  die  man  ihr  gebe,  das  öffentliche  Recht  zu  erschüttern 
gedgnet  sei.^  Der  Kaiser  sah  von  einem  formellen  D^saveu  der 
Depesche  in  Anbetracht  der  Folgen  ab,  die  daraus  erwachsen 
könnten;  dagegen  sollte  Mettemich  keine  Gelegenheit  versäu- 
men, um  den  Ständen  im  Namen  des  Kaisers  zu  erklären: 
,da88,  da  er  an  Buchstabe  und  Sinn  der  Joyeuse  entr^e,  so  wie 
dieselbe  zur  Zeit  Maria  Theresias  bestanden  habe,  nichts  ge- 
ändert wissen  wolle,  die  Depesche  vom  15.  November  ihm 
wenigstens  überflüssig  erschienen  sei,  dass  er  dieselbe  wohl  be- 
stehen lassen  wolle,  dass  er  aber  nicht  zugeben  werde,  dass 
dieselbe  etwa  bei  der  bevorstehenden  Inauguration  als  Inter- 
pretation oder  Znsatz  der  Joyeuse  entr^e  beigefügt  werde,  dass 
die  Artikel  1  und  55  der  letzteren  klar  seien,  dass  er  nichts 
g^en  die  legitime  Freiheit  der  Bürger  unternehmen,  dass  er 
aber  auch  weder  ftbr  sich,  noch  fiir  seine  Nachfolger  auf  jene 
Mittel  verzichten  wolle,    welche  der  zweite  Passus  des  Art  55 


*  Trmottmaiisdorff  an  Metternich.  Viennet  le  26  noTembre  1798.  Ori^. 
8itnac>Wr.  A.  fhü.-kut.  Cl.  CUTni.  IM.  C.  AM.  10 


146  VI>  Abhandlung:  t.  Zeistberg. 

dem  Souverän  einräume,  um  Excesse  Uebelgesinnter  zu  ver- 
hüten/ Ausdrücklich  fUgt  Trauttmansdorff  bei,  dass  der  Kaiser 
in  diesem  Falle  die  Ausführung  seines  positiven  Befehles  nicht 
dem  Ermessen  des  Ministers  anheimstelle,  sondern  dass  diese 
Befehle  auch  dann  auszuführen  seien,  wenn  etwa  Mettemich 
anderer  Ansicht  sein  sollte.^ 

Der  Erzherzog  aber  wurde  im  Namen  des  Kaisers  ofEciell 
aufgefordert,  in  Zukunfl  sich  derartigen  Suggestionen  von  Seiten 
der  Conferenz,  wie  des  Ministers  in  all  den  Fällen,  wo  ein  Vei^ 
zug  möglich  sei,  zu  versagen  und  von  den  ihm  zustehenden 
Vollmachten  nach  eigener  Ueberzeugung  Gebrauch  zu  machen;' 
,da,'  wie  der  Kaiser  in  einem  vertraulichen  Schreiben  an  seinen 
Bruder  bemerkt,  ,ich  ofl  gesehen,  dass  Deine  Meinung  vid 
besser  als  jene  aller  Uebrigen  gewesen  und  der  Dienst  dabei 
gewonnen,  wenn  man  sie  befolgt  hätte/' 

Wenn  nun  auch  sowohl  der  Erzherzog  ab  auch  Metter 
nich  ihr  Vorgehen  nochmals  ins  richtige  Licht  zu  setzen  such- 
ten,^ so  hielt  man  in  Wien  doch  an  dem  einmal  gewählten 
Standpunkte  fest;*  ja  auf  die  Erwiderung  Mettemich's  erfolgte 
sogar  eine  scharfe  Replik,^  welcher  die  Thatsache  ein  gewisses 
Relief  verlieh,  dass  in  einer  Repräsentation  der  neun  Nationen 
an  den  Brüsseler  Magistrat,  die  zu  Anfang  December  in  Druck 
erschien,  die  Depesche  vom  15.  November  als  das  offene  Ein- 
geständniss  vorgefallener  Verfassungsverletzungen  gedeutet  und 
als  die  einzige  Garantie  der  Beobachtung  der  Verfassung  be- 
zeichnet wurde.'  Dem  gegenüber  durfte  sich  aber  andererseits 
das  Brüsseler  Gouvernement  eines  Erfolges  rühmen,  der  durch 
die  Depesche  vom  15.  November  veranlasst  zu  sein  schien. 

Allerdings   war   wieder  ein   voller  Monat  dahingegangen, 
ehe  man   die  Zustimmung  des  dritten  Standes  zu  den  mit  den 


*  Trauttmansdorff  an  Mettemick.  Vienne,  le  27  novembre  1793.  Orig. 

•  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Vienne,  le  29  novembre  1798.  Orig.  ofßciell 

•  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Wien,  den  27.  November  1793.  Orig.  «?■ 
A.A. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Bruxelles,  le  15  d&^embre  1793.  Entw. 
Müller's.  Derselbe  an  denselben.  Brüssel,  den  17.  December  1798.  Orig» 
eig.  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Broxelles,  le  16  d^cembre  1793. 

^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  27  d^cembre  1793.  Orig. 
**  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  29  d^cembre  1793.  Orig. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  5  d6cembre  1793.  B/iaonL 


Belgien  unter  der  OenenlsUttbalterscbaft  Erzbenog  Culs  (179S,  i79i).  147 

beiden  ersten  Ständen  erzielten  Vereinbarungen  zu  erlangen 
vermochte.  Musste  doch  zuvor  die  Zustimmung  all  der  ein- 
zelnen Corps  und  Metiers  eingeholt  werden,  aus  denen  sich 
die  drei  Chefs  -  villes,  d.  i.  der  dritte  Stand,  zusammensetzte.^ 
Endlich  aber,  zu  Anfang  December,  konnte  Metternich  melden, 
dass  diese  Zustimmung,  freilich  nur  theilweise,  erfolgt  sei.  Löwen 
und  Brüssel  zeigten  sich  dabei  von  seltenem  Eifer  erftült.  Zu 
Löwen  geschah  es  zum  ersten  Male,  dass  sich  keine  Stimme 
gegen  irgend  eine  der  Propositionen  vernehmen  Hess,  einstim- 
mig erklärten  vielmehr  die  Bürger,  dass  entsprechend  der  edlen 
Handlungsweise  des  Kaisers  an  der  vollständigen  Zustimmung 
kein  Zweifel  bestehe.  Länger  zögerte  man  in  Antwerpen;  drei 
von  den  vier  Mitgliedern  dieser  Stadt  stimmten  zwar  sofort  den 
drei  Propositionen,  die  ihnen  gemacht  wurden,  bezüglich  der 
47»  Millionen,  bezüglich  der  Inauguration  und  bezüglich  der 
Impots  vom  1.  December  1.  J.  bei,  aber  auch  diesmal  waren 
es,  wie  so  oft  in  früherer  Zeit,  die  Doyens,  welche  erst  nach 
längerem  Bedenken  ihre  Zustimmung  gaben.  Diese  Stimmung 
war  auch  der  Grund,  weshalb  der  Bürgermeister  von  Ant- 
werpen, Graf  Baillet,  zunächst  nur  diese  drei  Punkte  zur  Ab- 
stimmung brachte,  während  die  Zustimmung  zu  den  Subsides 
für  den  Kaiser  imd  den  Erzherzog  erst  später  eingeholt  werden 
sollte,  zumal  es  auch  sonst  Sitte  war,  dass  der  dritte  Stand  erst 
in  der  im  März  oder  April  des  folgenden  Jahres  stattfindenden 
Versammlung  seine  Zustimmung  zu  den  schon  zuvor  von  den 
beiden  ersten  Ständen  bewilligten  Subsides  ertheilte.  Nur  Brüssel 
hatte  diesmal  eine  Ausnahme  von  der  Regel  gemacht  und  schon 
jetzt  auch  zur  Subside  seine  Zustimmung  ertheilt.  Die  formelle 
Zustimmung  aller  drei  Stände  zu  der  Entschädigung  von 
47^  Millionen  ist  im  Januar  1794  erfolgt.* 

XII,  Ende  des  Eanzlerstreltes. 

Und  nun  war  noch  die  heikelste  Frage  zu  erledigen:  die 
Einführung  Van  Velde's  als  Kanzler  von  Brabant.  In  dieser 
Frage  hatte  mittlerweile  auch  Nelis,  der  Bischof  von  Antwerpen, 

^  Vergl.  Gachard,    Memoire  sur  la  composition   et  les  attributions  des  an- 

ciens  ^tats  de  Brabant.  1.  c.  pag.  17. 
'  Mettemicb  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  13  janvier  1794.  Orig. 

10* 


148  VI.  Abhaodlnng:  t.  Z  ei  sab  erg. 

seine  Stimme  vernehmen  lassen.  Er  bezeichnete  fünf  Personen 
als  Candidaten  um  den  zu  besetzenden  Posten:  den  firüheren 
Kanzler  Crumpipen,  Van  Velde,  De  Villegas,  der  als  Doyen 
des  Conseils  thatsächlich  die  Functionen  des  ELanzlers  ausübte^ 
D'Overschies,  der  im  Volke  vor  Allem  beliebt  sei,  und  De 
Jonghe,  den  Pensionär  und  Greffier  der  Stände.  ,Er  gibt  sich 
zwar  den  Anschein,  als  wünsche  er  die  Stelle  nicht;  aber  es 
soll  sich  damit  verhalten  wie  mit  dem  Fuchs  in  der  Fabel/ 
An  sich,  meint  Nelis,  sei  es  gleichgiltig,  ob  und  welchen  von 
ihnen  der  Kaiser  die  Siegel  von  Brabant  anvertraue.  Er  selbst 
weist  auf  den  einstigen  Conseiller  am  Conseil  von  Brabant, 
jetzt  MitgUed  des  geheimen  Rathes,  Bartenstein  oder  auf  Ro- 
biano  hin,  der  selbst  früher  Mitglied  jenes  Conseils  gewesen, 
nunmehr  Conferenzrath  und  Sohn  eines  Kanzlers  sei.  ,Man  hat 
ihn,'  sagt  er  von  Robiano,  ,vom  Lande  geholt,  wohin  er  sich, 
ein  anderer  Cincinnatus,  an  den  Pflug  zurückgezogen  hatte.  Er 
wäre  vielleicht  im  Stande  den  gordischen  Knoten  zu  lösen.  Man 
könnte  Van  Velde  durch  Ernennung  zum  Staatsrathe  entschä- 
digen.' ,Auf  jeden  Fall,'  schiiesst  NeUs  sein  Schreiben  an  Trautt- 
mansdorff,  ,hoflFe  ich,  dass  Eure  Excellenz  nicht  zugeben  wer- 
den, dass  man  diesen  unseligen  Zankapfel  auf  die  unglückUchen 
Gefilde  Belgiens  wirft,  ehe  nicht  die  anderen  Angelegenheiten 
erledigt  sind,  oder  vor  Ihrer  Ankunft,  mit  der  wir  uns  seit  eini- 
ger Zeit  schmeicheln.  .  .  .  Van  Velde  ist  ein  Mann  voll  Ver- 
dienst und  Rechtschaffenheit;  ich  kenne  ihn  seit  langer  Zeit, 
ihn  und  seine  Familie.  Ich  wünschte,  sein  Bruder  würde  Bi- 
schof von  Ruremonde;  aber  bei  alledem  ist  der  Vicekanzler 
keiner  der  Männer,  die  ein  Cardinal  Mazarin  angestellt  hätte, 
denn  er  ist  nicht  glücklich,  und  man  bedarf  glücklicher  Männer, 
um  mit  Erfolg  dem  Staat  und  dem  Fürsten  zu  dienen.'^ 

Seit  dem  Zeitpunkte,  zu  welchem  Van  Velde  die  Zulassung 
zur  Eidesleistung  als  Kanzler  von  Brabant  in  ,nahe'  Aussicht 
gestellt  worden  war,  waren  drei  Monate  verstrichen,  ohne  dass 
in  dieser  Sache  auch  nur  das  Geringste  geschah.  Man  wartete 
eben  die  Zustimmung  der  Stände  zu  den  Subsides  und  Impöts 
ab.    Als  am  26.  October  Van  Velde   sich  bei  dem  Erzher2K>ge 


^  Bischof  Neils  von  Antwerpen  au  Trauttoiansdorff.  Bnixellea,  le  9  Septem- 
bre  1793.  Gachard,  Analectes  I— IV,  503  ff. 


Belfito  unter  der  GenerAlstoUbaUerBcbaft  Erzherzog  Carls  (1798,  17M).  149 

einfand,  vertröstete  ihn  dieser  auf  die  Zukunft.^  Jetzt  aber^ 
nachdem  die  drei  Stände  von  Brabant  (am  26.  November)  ihre 
Zustimmung  bezüglich  der  Subsides  und  der  Inauguration  er- 
theilt,  demnach  das  früher  geltend  gemachte  Bedenken  der 
Eidesleistung  nicht  mehr  im  Wege  zu  stehen  schien^  meldete 
sich  Van  Velde  neuerdings  (29.  November)  bei  dem  Erzher- 
zoge an.' 

,Er  kam/   erzählt  Erzherzog  Carl  selbst,   ,um  sich  zu  er^ 
kundigen,    wann   seine   Beeidigung   stattfinden   werde.    Ich   er- 
widerte,   dass    ich   ihm    darüber   noch    nichts    Sicheres    sagen 
könnte,    da  die  Unterhandlungen   mit   den   Ständen   noch  fort- 
dauerten, dass  es  vielleicht  gelingen  werde,  alle  Schwierigkeiten 
zu  ebnen,    dass  jedoch,    wenn  die  Stände  sich  trotzdem  seiner 
Installation   widersetzten,    die   Sache   gerichtlich   würde    ausge- 
tragen werden  müssen.  Er  bedauerte  unendlich,  noch  nicht  den 
Vorsitz  in   seiner  Körperschaft  führen   und  keinen  Einfluss  auf 
die  neuen  Ernennungen  üben  zu  können.    Ich  sagte,   er  werde 
wohl  fühlen,   wie  ungelegen  uns  diese  Sache  sei  und  wie  miss- 
lich, wenn  sie  die  Inauguration  verzögerte.    Er  betheuerte,  dass 
ihn  nur  Gehorsam  gegen  seinen  Souverän  leite,  und  dass,  wenn 
er  wüsste,    dass  sein  Benehmen  dem  Gouvernement  Verlegen- . 
heiten    bereite,    oder    dass   Se.   Majestät   der  Kaiser    oder   ich 
wünschte,  dass  er  auf  seinen  Posten  verzichte,  er  dies  mit  dem- 
selben Gehorsam  thun  würde,    mit  welchem   er  denselben   an- 
genommen habe.    Ich  antwortete,    dass  Se.  Majestät  von  seiner 
Ernennung    nie   abstehen  könne   und   wolle,   dass   er  übrigens 
selbst    die    betreffenden  Befehle    und  Intentionen    des  Kaisers 
kenne,    die  ich   ihm  vor   einem  Monate  mitgetheilt  hätte.    Wir 
schieden  von  einander,    er  mit   der  Bitte,    man   möge   also  die 
Sache  zu  Ende  führen,  ich   mit   der  Versicherung,   dass  man 
sich  damit  gewiss  beschäftigen  werde.'*   Wenige  Tage  darnach 
kam  Van  Velde  abermals  zu  dem  Erzherzog  mit  einer  schrift- 
lichen  Eingabe,   welche   sich   ebenfalls   auf  diesen  Gegenstand 
bezog. 


^  Erzherzog    Carl     an     den     KaUer.     Brüssel,     den     26.    October     1798. 

Orig.  eig. 
'  Van  Velde  an  Erzherzog  Carl.  Bruxelles,  le  4  döcembre  1791.  Orig.  eig. 
'  Erzherzog  Carl  an  Müller,  le  29  novembre  1798.  A.-A. 


150  VI.  A1>haadlaag:  v.  Zeissberg. 

^Obgleich  ich  ihm  zweimal  sagte/  bemerkt  der  Erzher- 
zog, ,er  müsse  wohl  begreifen,  wie  sehr  seine  Angelegenheit 
das  Gouvernement  in  Verlegenheit  setze,  wollte  er  mich  nicht 
verstehen  und  beharrte  dabei,  dass  die  Stände  sich  seiner  Eides- 
leistung nicht  widersetzen  würden/ 

Auch  der  Erzherzog  wurde  jetzt,  wie  man  aus  diesem 
Schreiben  ersieht,  bedenklich;  er  besorgte,  dass  es  über  die 
Sache  zu  einem  Processe  am  Conseil  von  Brabant  kommen  und 
dieser  nach  den  Formen  des  belgischen  Rechtes  Jahre  lang 
dauern  werde.  Besonders  aber  ging  es  ihm  nahe,  dass  um 
dieser  Angelegenheit  willen  die  damals  bereits  angekündigte 
Reise  des  Kaisers  nach  Belgien  verschoben  werden  sollte,  auf 
die  er  hohen  Werth  legen  zu  müssen  glaubte. 

,Wäre  Van  Velde  nicht  schon  benennt,'  schrieb  er  an  den 
Kaiser,  ,und  folglich  Deine  Würde  nicht  dabei  compromittirt, 
so  würde  ich  Dir  rathen,  einen  Anderen  zu  nennen;  allein  in 
dem  Falle,  in  dem  wir  uns  jetzt  befinden,  und  wenn  Van  Velde 
nicht  selbst  seine  Stelle  niederlegen  will,  was  er  nicht  zu  thun 
gesinnt  scheint,  so  bleibt  nicht  Anderes  übrig,  als  auf  dieser 
Benennung  zu  bestehen.  Allein  ich  unterlege  es  Deiner  Ein- 
sicht; denn  Du  siehst  gewiss  die  Sache  am  besten  ein  und  bist 
am  meisten  im  Stande,  ein  gegründetes  Urtheil  darüber  zu 
fällen,  ob,  da  Deine  Reise  so  wichtig  und  so  höchst  nöthig  ist, 
Du  Dich  über  diese  Sache  hinaussetzen  und  ohngeachtet  dem 
hieher  kommen  könntest.  Vielleicht  würde  Deine  Ankunft  hier 
die  Sache  entscheiden,  und  sollte  sie  es  auch  nicht,  so  könntest 
Du  Dich  ja,  wenn  Du  auch  den  Brabantem  [Deine  Unzufirie- 
denheit]  über  ihre  AuflPÜhrung  zeigen  wolltest,  in  einer  anderen 
Provinz,  in  einer  anderen  Stadt  so  lange  aufhalten,  bis  die  noch 
bestehenden  Difficultäten  würden  gehoben  sein.'^ 

Erzherzog  Carl,  Mercy  und  Metternich  waren  jetzt  im 
Grunde  derselben  Ansicht,  die  dahin  ging,  dass  die  Kanzler- 
frage von  der  Inauguration  getrennt,  jedesfalls  aber  die  Reise 
des  Kaisers  nicht  von  derselben  abhängig  gemacht  werden 
möge.  Metternich  aber  fasste  alle  Bedenken,  die  sich  der  Ver- 
eidung Van  Velde's  entgegenstellten,  noch  einmal  (7.  December) 
in  einem   grossen  Berichte  zusammen.  Er  that  dies  umsomehr, 


^  Erzherzog  Carl  an  Franz  II.  BrUsael,  den  27.  November  1793.  Orig.  eig. 


Belgien  unter  der  Oenenüstatthalterscban  Erzherzog  Carls  (179S,  1794).  151 

ab  man  ihm  geradezu  den  Vorwurf  machte,  auf  die  Insinuatio- 
nen eines  Overschies  hin,  den  er  zu  begünstigen  scheine,  die 
Angelegenheit  Van  Velde's  hinausgeschoben  zu  haben.  ^  Dem 
gegenüber  wies  er  auf  den  Umstand  hin,  dass  letzterer  allge- 
mein verhasst  sei,  nii'gends  freilich  in  höherem  Grade  als  in 
Antwerpen,  wo  sogar  eine  ihm  vortheilhafte  Heirat  sich  daran 
serschlagen  habe,  weil  er  1787  einer  jener  Commissäre  gewesen 
sei,  welche  die  neuen  Tribunale  eingeführt  hätten.  Eben  deshalb 
babe  es  die  Conferenz  für  zweckdienlich  erachtet,  den  Abschluss 
ier  übrigen  Verhandlungen  mit  den  Ständen  von  Brabant  abzu- 
warten, ehe  man  den  neuen  Kanzler  zum  Eide  zulasse,  worauf 
ach  derselbe  den  Ständen  vorzustellen  hätte.  Wiesen  ihn  diese 
Eorück,  so  würde  er  gegen  dieselben  den  Rechtsweg  zu  betreten 
baben.  Es  würde  sich  bei  einem  Processe  dieser  Art  nicht  um 
las  Recht  des  Kaisers,  einen  Kanzler  zu  ernennen,  handeln, 
sin  Recht,  das  ihm  von  den  Ständen  nie  bestritten  worden  sei, 
sondern  um  die  private  Berechtigung  Van  Velde's,  von  dem  ihm 
ds  Kanzler  ausgestellten  Patente  Gebrauch  zu  machen,  kurz  um 
sine  sogenannte  Contestatio  des  ,meum  et  tuum^,  wobei  ent- 
Breder  die  Stände  den  Beweis  führen  müssten,  dass  Van  Velde 
lie  durch  die  Joyeuse  entr^e  vorgeschriebenen  Eigenschaften 
oicht  besitze,  oder  er  selbst  das  Gegentheil  zu  erhärten  hätte. 
Leider  habe  man  in  Wien  dieses  Mittel  verworfen,  welches 
zwischen  den  Rechten  des  Kaisers  und  denen  des  Kanzlers 
imterscheide  und  es  möglich  gemacht  haben  würde,  unabhängig 
70n  dem  Ausgange  des  Processes  die  Inauguration  vorzuneh- 
men. Demnach  habe  das  Gouvernement  vor  der  Alternative 
gestanden,  falls  die  Mittel  der  Ueberredung  versagten  entweder 
sine  Sache,  für  die  man  sich  eingesetzt,  fallen  zu  lassen,  oder 
ien  neuen  Kanzler  mit  Gewalt  zu  installiren.  Aber  auch  wenn 
man  die  Ständeversammlung  mit  Soldaten  umgebe,  würde  man 
iamit  nur  den  inneren  und  äusseren  Feinden  des  Gouverne- 
ments Freude  bereiten.  Van  Velde  werde  trotzdem  nicht  als 
legitimer  Kanzler  gelten  und  in  dem  Conseil  von  Brabant  nicht 
Aufnahme  finden.  Nichts  in  der  Welt  werde  die  Käthe  zwingen 
können,  mit  ihm  zu  rathen  und  zu  thaten,  nichts  das  Publicum, 
ihn  ak  legal  eingeführt   zu  betrachten.    Ohne  Zweifel  sei  diese 


*  Timattmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  5  d^cembre  1793.  Orig. 


152  VI.  Abhaodlnng:  ▼.  Zeinsberg. 

ablehnende  Haltung  zu  beklagen,  gewiss  gehe  solche  zum  Theile 
wenigstens  auf  persönliche  Gehässigkeit  zurück.  Wie  dem  aber 
auch  immer  sei,  jedenfalls  sei  dies  ein  Factor,  den  man  in 
Rechnung  zu  ziehen  habe,  und  es  sei  wenigstens  Pflicht  des 
Gouvernements,  ehe  man  weiter  gehe  und  etwas  thue,  was  viel- 
leicht nicht  mehr  gutzumachen  sein  werde,  noch  einmal  die 
Entscheidung  des  Kaisers  einzuholen  und  demselben  dabei  nicht 
zu  verhehlen,  dass  man  nach  so  vielen  MtLhen  und  Opfern  Ge- 
fahr laufe,  die  Früchte  derselben  einzubüssen,  falls  man  diese 
Sache  bruskire.  Auch  der  Erzherzog  sei  von  der  Richtigkeit 
dieses  Standpunktes  so  überzeugt,  dass  er  es  auf  sich  genom- 
men habe,  die  Anordnungen  des  Kaisers  nicht  zur  Ausführung 
zu  bringen.  Desgleichen  habe  Mercy  über  die  Sache  oft  mit 
ihm  (Mettemich)  gesprochen  und  wiederholt  Vorstellungen  bei 
dem  Erzherzog  in  dieser  Hinsicht  gemacht.  Denn  Mercy  be- 
trachte als  den  wichtigsten  Schritt,  der  zum  Heile  Europas  und 
zum  Besten  der  politischen  und  militärischen  Verhältnisse  zu 
geschehen  habe,  die  schleunigste  Ankunft  des  Kaisers  in  Bel- 
gien, weshalb  es  ihn  tief  bekümmere,  wahrzunehmen,  dass  man 
dieselbe  von  einer  im  Grunde  imtergeordneten  Sache  abhängig 
machen  wolle.  Er  meine  nicht,  dass  der  Kaiser  die  Ernennung 
Van  Velde's  zurücknehmen,  nur  dass  er  diese  Angelegenheit 
als  eine  nebensächUche  behandeln  möge.  Freilich,  setzte  Metter- 
nich  hinzu,  würde  es  unendlich  vorzuziehen  sein,  wenn  Van 
Velde  angesichts  der  ihm  wenn  auch  mit  Unrecht  bezeugten 
feindlichen  Stimmung  um  die  Enthebung  von  seinem  Amte 
bitten  würde.  ^ 

Ueber  diese»  Depesche  fanden  in  Wien  neue  Berathungen 
statt.  Die  Ministerconferenz  empfahl  dem  Kaiser,  um  keinen 
Preis  nachzugeben.  Der  Vorschlag,  es  dem  Elanzier  selbst  zu 
überlassen,  sich  auf  dem  Rechtswege  zum  Genüsse  seines  Pa- 
tentes zu  verhelfen,  würde,  meinte  die  Conferenz,  zu  billigen 
sein,  wenn  es  sich  wirklich  nur  um  persönliche  Anschnldigun* 
gen  wider  denselben  handelte;  aber  voraussichthch  werde  man 
gegen  Van  Velde,  dem  sonst  nicht  vorzuwerfen  sei,  die  An- 
schuldigung erheben,  dass  er  den  Befehlen  Kaiser  Josef  IL  ge- 
mäss 1787  die  Functionen  eines  Commissärs  bei  der  Errichtung 

^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bnixelles,  le  7  d^cembro  17M.  Gopie. 


Belgien  Bnter  der  OenenlttUUhalterachaft  Erzherzog  Carls  (179S,  1794).  153 

der  neuen  Tribunale  und  1789  den  neugeschaffenen  Posten 
eines  Vicekanzlers  von  Brabant  übernommen  habe.  Dadurch 
werde  die  Würde  des  Souveräns  blossgestellt,  der  Alles  ver- 
ziehen habe  und  dem  man  allein  nichts  verzeihen  wolle.  Festig- 
keit werde  die  Kaiserreise  nicht  nur  nicht  verzögern,  sondern 
sei  nothwendigy  um  zu  verhüten,  dass  man  nicht  im  Falle  einer 
Nachgiebigkeit  in  diesem  Punkte  die  Anwesenheit  des  Kaisers 
in  Belgien  zu  dem  Versuche  missbrauche,  demselben  weitere 
und  noch  verderblichere  Zugeständnisse  zu  entreissen.  Würden 
die  Stände  die  Zulassung  des  Kanzlers  verweigern,  so  sei  es 
noch  immer  Zeit,  jene  Massregeln  zu  erwägen,  die  zu  ergreifen 
seien,  um  die  Opposition,  sei  es  auf  gerichtlichem  Wege  oder 
in  anderer  Weise  zu  brechen,  ohne  dass  dadurch  die  Reise  des 
Ejiisers  gehindert  werden  dürfe. 

Die  Inauguration   endUch  sei   nicht  nur  vor  der  Ankunft 
des   Kaisers   nicht  nothwendig,    sondern   dürfe   vielmehr   über- 
haupt nicht  stattfinden,    so   lange  man   sich  seinen  Intentionen 
so  hartnäckig   und  ohne  einen  Schatten  von  Recht  widersetze. 
Daher  wurde  Mettemich  mitgetheilt,  der  Kaiser  sei  entschlossen, 
an  seinen  Befehlen  festzuhalten,  es  koste,  was  es  wolle;  er  wolle 
sehen,    ob   kluge  Festigkeit,    gepaart  mit  Gerechtigkeit,    nicht 
mehr   ausrichte,    als  jene   Lässigkeit,    mit  der   man   bisher  zu 
Werke  gegangen  sei,    und   die   bisher  so  wenig  Erfolg   gehabt 
habe.  Der  Erzherzog  aber  erhielt  von  dem  Kaiser  den  Auftrag, 
Van  Velde  zum  Eide   zuzulassen   und  ihn  sodann  den  Ständen 
▼orzostellen,    um   diesen   gegenüber,    was   die  Verfassung  vor- 
schreibe, zu  erfiillen.    Fügten  sich  die  Stände,  so  sollte  alsbald 
2ur  Inauguration  geschritten  werden;    wo  nicht,    so  sollte  auch 
nicht  von  dieser  Ceremonie  die  Rede  sein.  Man  sollte  in  diesem 
Falle  den  Ständen   noch  vier  bis  fünf  Tage  Bedenkzeit  geben, 
sodann  aber  sie  auflösen  und  es  der  Zeit   und  den  Umständen 
Überlassen,  sie  zur  Besinnung  zu  bringen.    ,Ich  wiederhole  es,' 
aohlieast  Trauttmansdorff  die  hochwichtige  Weisung  vom  21.  De- 
cember,  ,legen  Sie,  Herr  Graf,  alle  Eisen  ans  Feuer,  damit  die 
Sache  gelinge.'  ,Was  Overschies  betrifft,*   fügt  er  hinzu,  ,Over- 
Bchies,    diese   grosse  Triebfeder  des  Ganzen,    so   können  Eui*e 
!Excellenz    ihm    bestimmt    die   Versicherung  geben,    dass,    was 
auch   immer  geschehen  mag,    sein  Benehmen  in  dieser  Sache, 
Ton  dem  man  sichere  Kunde  hat,  genügt,  auf  dass  er  niemals 


154  VI*  AbhandLnng :  t.  Zeissberg. 

den  Posten  eines  Kanzlers  erhalte,  und  dass,  wenn  er  über- 
haupt noch  auf  etwas  von  Sr.  Majestät  hoffen  will^  sei  es  fiir 
sich  selbst,  sei  es  für  seine  Kinder,  er  diese  Gelegenheit  er- 
greifen muss,  um  das  Uebel  gutzumachen,  das  er  bereits  an- 
gestellt hat.  Der  Kaiser  ist  mit  gutem  Rechte  persönlich  gegen 
ihn  erbittert,  in  Folge  all  der  Lügen,  die  er  über  die  angeb- 
lichen Erfolge  seiner  letzten  Reise  verbreitet  hat,  während  er 
in  Wirklichkeit  ihn  so  schlecht  behandelt  hat,  als  es  das  gute 
Herz  dieses  trefflichen  Fürsten  zulässt/^ 

Es  sei  schliesslich  bemerkt,  dass  auch  Thugut  sich  im 
Principe  der  Ansicht  Trauttmansdorff's  anschloss,  dass  weitere 
Nachgiebigkeit  nur  das  Ansehen  des  Kaisers  schädigen  würde. 
Zweifelhaft  schien  ihm  blos,  ob  die  Eidesleistung  des  Kanzlers 
sofort  erfolgen  solle  oder  nicht  vielmehr  bis  zur  Ankunft  des 
Kaisers  in  Belgien,  um  die  Sache  selbst  an  Ort  und  Stelle  zu 
prüfen,  zu  verschieben  sei.* 

Der  Schwerpunkt  der  getroffenen  Entscheidung  lag  jedes- 
falls  darin,  dass  man  die  Kaiserreise  von  der  Kanzlerirage  und 
der  Inauguration  trennte.  Man  erachtete  es  fortan  fUr  gleiehgiltig 
oder  gab  sich  den  Anschein,  als  erachte  man  es  für  belanglos, 
ob  die  Inauguration  überhaupt  stattfinde  oder  nicht.  Auch  Maria 
Theresia,  hiess  es,  sei  erst  vier  Jahre  nach  ihrer  Thronbestei- 
gung inaugurirt  worden,  und  doch  habe  man  ihr  jederzeit  ge- 
horcht und  Niemand  ihre  Rechte  anzutasten  gewagt. 

,Da  mich  die  Reise  nach  Niederland,^  schrieb  der  Kaiser 
an  seinen  Bruder,  ,ohnehin  mehr  wegen  der  poUtisehen  Lage 
der  Geschäfte  drängt,  und  Du  ebenfalls  wegen  dem  Innerlichen 
des  Landes  selbe  als  schleunigst  nothwendig  ansiehst^  so  wird 
mich  nichts  mehr  davon  abhalten.  Indessen  da  die  ordentlichen 
Befehle  an  Dich  durch  eine  Estafette  folgen,  so  will  ich  Dich 
benachrichtigen,  dass  meine  Intention  dahin  gehet,  dass  Du  den 
Kanzler  ohnverzüglich  bei  Dir  schwören  lassest  und  ihn  dann 
zu  den  Ständen  schicken  mögest.    Nehmen  sie  ihn  [nicht]  an,  so 


*  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienoe,  le  21  döcembre  1793.  Orig.  Dem 
eutsprach  auch  die  officielle  Depesche  des  Kaisers  an  den  Erzherzog 
vom  selben  Datum. 

'  Thugut  an  CoUoredo,  ce  18  d^cembre  1793.  Vivenot,  Vertraaliche 
Briefe  I,  65. 


Belgien  unter  der  OenerftlsUtth&lterscbaft  Erzherzog  Carls  (1793,  1794).  155 

kann  man  das  Ganze  auf  den  Rechtsweg  weisen^  und  ich 
mische  mich  gar  nicht  mehr  in  selbe.  Wegen  der  Inauguration, 
so  kannst  Du,  wenn  Alles  gut  gehet,  sie  sogleich  halten,  widri- 
genfalls sie  auch  verschieben,  weil  auch  die  Nichtabhaltung 
derselben  meine  Reise  [nicht]  ferner  verschieben  kann.  Nur 
bitte  ich  Dich,  mir  sobald  als  möglich  durch  einen  Courier  das 
Resultat  über  die  Affaire  des  Kanzlers  und  die  Stimmung  der 
Gemlither  zu  wissen  zu  machen.  Ich  gehe  dann  sogleich,  denn 
ich  bin  marschfertig,  und  Alles  wird  in  Kurzem  hier  in  Ord- 
nung sein/ 

Aus  Anlass  der  bindenden  Befehle  des  Kaisers  fand  zu 
Brüssel  am  29.  December  eine  ausserordentliche  Conferenz  in 
Gegenwart  des  Erzherzogs  und  unter  Beiziehung  des  Chef  et 
President  statt,  wobei  man  sich  mit  der  Frage  beschäftigte,  wie 
jene  Befehle  am  besten  in  Vollzug  gesetzt  werden  könnten.  Die 
Stände  hatten  sich  gerade  vertagt,  und  namentlich  die  Aebte 
waren  wegen  des  bevorstehenden  Neujahrstages  in  ihre  KUöster 
zurückgekehrt.  Da  die  Eidesleistung  des  Kanzlers  in  der  Voll- 
versammlung der  Stände  vor  sich  gehen  musste,  wurde  be- 
schlossen, diese  auf  den  nächstfolgenden  Donnerstag  (2.  Januar 
1794)  einzuberufen.  Da  man  indess  besorgte,  dass  die  Gegen- 
partei, sobald  sich  Van  Velde  in  die  Ständeversammlung  be- 
gebe, oder  sobald  er  dieselbe  verlasse,  wider  ihn  Demonstra- 
tionen ins  Werk  setzen  werde,  so  beschloss  man  die  Sache 
geheim  zu  halten  und  daher  den  Pensionär  wohl  von  der  Ab- 
sicht, die  Stände  an  jenem  Tage  einzuberufen,  nicht  aber  von 
dem  Zwecke  der  Einberufung  in  Kenntniss  zu  setzen.  Man 
kam  femer  überein,  dass  der  Erzherzog  am  Morgen  jenes 
Tages  Van  Velde  zur  Eidesleistung  zu  sich  bescheiden,  zu- 
gleich aber  der  Minister  eine  Deputation  der  Stände  zu  sich 
berufen  solle,  um  derselben  den  unwiderruflichen  Entschluss 
des  Kaisers  bekannt  zu  geben  und  sie  durch  alle  Mittel  der 
Ueberredung  zu  überzeugen,  dass  es  in  ihrem  eigenen  Inter- 
esse li^e,  sich  dem  Wunsche  des  Kaisers  zu  ftigen.  Würden 
sie  sich  etwa  auf  die  Opposition  des  dritten  Standes  berufen, 
aber  auch  nur  in  diesem  Falle,  sollte  Mettemich  sie  zu  be- 
wegen suchen.  Van  Velde  wenigstens  ihrerseits  zuzulassen,  trotz 
des  Protestes  des  dritten  Standes  und  unbescliadet  dessen,  was 
sie  etwa  auf  dem  Rechtswege   gegen  Van  Velde's  Eignung  zu 


156  Vf.  Abbandlung :  t.  Zeiisberg. 

diesem  Amte  vorbringen  wollten.^  Die  Sache  sollte  zugleich  so 
eingerichtet  werden,  dass^  sobald  die  Deputirten  der  St&nde 
den  Minister  würden  verlassen  haben,  um  in  ihre  Versammlung 
zurückzukehren,  sich  auch  Van  Velde  dahin  zur  Eidesleistung 
begebe,  um  den  Ständen  so  wenig  als  möglich  Zeit  zur  Ueber- 
legung  zu  lassen. 

Am  2.  Januar  Morgens  legte  Van  Velde  den  Kanzlereid 
in  die  Hände  des  Erzherzogs  ab.  Zugleich  fand  sich  eine  Depu- 
tation der  Stände  ein,  welcher  der  Erzherzog  den  Entschluss 
des  Kaisers  kundgab.  Die  Deputirten  erklärten  indess,  sich  ab- 
seits des  Plenums  nicht  aussprechen  zu  können;  sie  seien  jedoch 
überzeugt,  dass  Van  Velde's  Zulassung  formellem  Widerstand 
begegnen,  sowie  auch,  dass  selbst  wenn  die  beiden  ersten 
Stände  sich  bereit  finden  würden,  dies  seitens  des  dritten  nicht 
der  Fall  sein  werde.  Vergebens  suchte  sie  Mettemich  umzu- 
stimmen, indem  er  das  streng  verfassungsmässige  Vorgehen  des 
Kaisers  betonte,  zugleich  aber  in  Aussicht  stellte,  dass  im 
Falle  eines  Widerstandes  Van  Velde  die  ihm  zustehenden 
Rechtsmittel  ergreifen  werde.  Die  Deputirten  erwiderten  blos, 
dass  sie,  was  sie  vernommen,  ihren  Committenten  mittheilen 
wollten. 

Der  Erzherzog  hatte   gewünscht,    dass  Van  Velde   sofort 
von  den  Ständen  zur  Eidesleistung  zugelassen  werde,  während 
in  der  Regel   der  Kanzler   seine  Patente   dem  Pensionär  über 
gab,  der  sie  seinerseits  den  Ständen  zur  Prüfung  vorlegte,   auf 
Grund   deren   sodann   Tag   und   Stunde   der  Eidesleistung  be- 
stimmt zu  werden  pflegten.  Auch  diesmal  beharrten  die  Stände 
auf  der  Beobachtung  der  üblichen  Formen.    Van  Velde  blieb 
nichts  übrig,   als   sich  am  folgenden  Tage  (3.  Januar)   an  De 
Jonghe   zu   wenden,    der  ihm   mittheilte,    dass   die  Stände  am 
8.  Januar  in  die  Berathung  des  Gegenstandes  eintreten  wtlrden. 
Uebrigens  konnte  Mettemich  bereits   am  4.   seinem  Hofe  die 
Mittheilung  machen,  dass  die  Aussichten  höchst  ungünstig  seien, 
da  sich  die  beiden  ersten  Stände  in  dieser  Frage  nicht  von  dem 
dritten   trennen  würden,    weil   sie   besorgten,    dass  die  Sdssion 
des  letzteren  so  wie  in  Frankreich  geradezu   die  Demokratie 


^  Protocole  de  la  Conference,    29  däcembre  1793.  Vergl.  Mettenüch*s  Be- 
richt vom  80.  December.  Copie. 


Belgien  unter  der  GenenüstatthaLtorscbafl  Erzherzog  Carla  (1793,  1794).  157 

herbeiführen  mUsste.  Und  Metternich  selbst  war  der  gleichen 
Ansicht.  Zugleich  verwahrte  er  sich  aber  entschieden  gegen 
den  Vorwurf,  als  ob  ihn  in  dieser  Angelegenheit  persönliche 
Abneigung  gegen  Van  Velde  geleitet  habe,  dem  er  sich 
ebenso  wie  seiner  Familie  vielmehr  stets  freundlich  erwiesen 
habe.  * 

Die  Stände  lehnten  (am  8.  Januar)  die  Eidesleistung  Van 
Velde's  ab.  Die  Ablehnung  drehte  sich  um  die  Frage:  ,si  Van 
Velde  est  ou  n'est  pas  convenable,  utile  ou  profitable  au 
pays'.  Van  Velde  theilte  sofort  den  ihm  zugesandten  Bescheid 
der  Stände  dem  Erzherzog  mit  und  sprach  zugleich  die  Er- 
wartung aus,  dass  nunmehr  das  Gouvernement  auf  Mittel  be- 
dacht sein  werde,  welche  die  Stände  zwingen  würden,  seine 
Eidesleistung  entgegenzunehmen.  Der  Erzherzog  erwiderte,  dass 
er,  wie  dies  auch  sonst  üblich  war,  die  Meinung  des  Conseil 
priv^  einholen  wolle.  Da  indess  Van  Velde  die  Ansicht  des 
Conseil  priv^  nicht  unbekannt  war,  welche  dahin  ging,  dass  er 
zunächst  selbst  die  Action  vor  dem  Conseil  von  Brabant  ein- 
zuleiten habe,  was  im  Nothfalle  eine  Unterstützung  durch  die 
Fiscale  nicht  ausschliessen  werde,  so  überreichte  er  dem  Erz- 
herzog  eine  Denkschrift,  worin  er  seine  abweichende  Meinung 
begründete,  mit  der  Bitte,  dieselbe  gleichfalls  dem  Conseil  privö 
vorzulegen.  Allein  bald  darnach  fand  er  sich  neuerdings  bei 
dem  Erzherzog  ein,  um  zu  dessen  nicht  geringer  Ueberraschung 
zu  erklären,  dass  er  seine  Würde  dem  Kaiser  zu  Füssen  legen 
wolle,  da  er  fUhle,  dass  seine  Ernennung  für  den  Dienst  und 
für  das  Wohl  des  Landes  nicht  zuträglich  sei.  Der  Erzherzog 
wollte  ihm  zwar  Bedenkzeit  gönnen,  da  aber  Van  Velde  auf 
seinem  Vorsatze  beharrte,  so  forderte  ihn  Carl  auf,  seine  De- 
mission schriftlich  zu  geben,  und  sandte  die  letztere  an  den 
Kaiser. 

,Wenn  man,^  schrieb  er  an  den  Letzteren,  ,die  Aflfaire  des 
Kanzlers  betrachtet,  so  ist  es  ausser  Zweifel,  dass  sich  die 
Stände  in  selber  niederträchtig  und  für  alle  Qnade,  so  Du  für 
sie  gehabt  hast,  undankbar  aufgeführt  haben.  Allein  der  Ein- 
druck, den  sie  auf  das  PubUcum  gemacht  hat,  ist  auch  ausser 
Zweifel.     Seitdem   die   emeuete   Befehle  gekommen   sind,    auf 


^  Metteniich  ao  Traattmansdorff.  Braxelles,  le  4  janyier  1794.  Orig. 


158  Vf.  Abhandinng:  t.  Zeissberg. 

der  Sache  zu  bestehen,  haben  alle  Don  gratuitum  von  Seiten 
der  der  Partei  der  Stände  zugethanen  Personen  aufgehört,  die 
Beiträge  von  1000  fl.,  so  jeder  Brabanter  Pferrer  machen  sollte, 
ein  End  genommen,  es  werden  fast  keine  Betten,  keine 
Leintücher,  keine  Matratzen,  keine  Charpie  mehr  in  die  Spi- 
täler geschickt,  Büchsen,  welche  in  denen  Wirthshäusem  auf- 
gestellt waren,  in  die  jeder  etwas  Geld  hineinwarf,  welches 
dann  in  den  Trösor  royal  gebracht  wurde,  wurden  den  näm- 
lichen Tag,  als  der  Kanzler  bei  mir  den  Eid  ablegte,  alle  weg- 
genommen, erbrochen  und  das  Geld,  welches  sich  darinnen 
befand,  von  denen  Wirthsleuten  weggenommen.  .  .  .  Die  Bür 
ger,  welche  hier  in  Ermangelimg  einer  genügsamen  Garnison 
die  Wachen  bestreiten  und  für  die  Polizei  und  Ordnung  sorgen, 
wollten  die  Waffen  niederlegen  und  auseinandergehen  u.  s.  £ 
Kurz,  es  mag  nun  eine  Frucht  von  Intriguen  sein  oder  nicht, 
der  Eindruck,  den  diese  Affaire  auf  das  Volk  und  auf  die 
Partei  der  Stände  machet,  ist  sehr  schädUch,  besonders  da 
das  Volk  die  Ernennung  des  Van  Velde  zur  Kanzlerstelle  ab 
einen  Eingriff  in  die  Constitution  ansiehet.  Auf  einer  anderen 
Seite  siebet  die  Partei  der  Royalisten  —  einige  fanatische  Men- 
schen ausgenommen  —  mit  Schmei'zen,  dass  nun  wegen  einem 
einzigen  Individuum  alles  wieder  in  Unordnung  und  in  Feu«r 
und  Flammen  komme,  man  missbilliget  die  Aufführung  der 
Stände,  allein  man  verwundert  sich  auch,  dass  wir  nach  so 
viel  gemachten  Concessionen  auf  diesen  Punkt  so  sehr  beharren 
und  einem  Zwiste,  der  so  leicht  auszuweichen  war,  nicht  zu- 
vorgekommen sind/ 

Carl  war  daher  der  Ansicht,  dass  der  Kaiser  die  De- 
mission, zumal  durch  dieselbe  sein  Ansehen  nicht  compromittirt 
werde,  annehmen  und  Van  Velde  in  Anbetracht  der  loyalen 
Weise,  in  der  er  sie  gegeben,  das  von  demselben  angestrebte 
Amt  eines  Lieutenant  des  fiefs  am  Brabanter  Lehenshofe  mit 
dem  Titel  eines  Conseiller  d'ötat  de  robe  und  den  entsprechen- 
den Bezügen  verleihen  möge.  Zugleich  aber  bezeichnete  er  es, 
um  allen  Intriguen  zuvorzukommen,  als  wünschenswerth,  dass 
sofort  dessen  Nachfolger  ernannt  werden  möge,  und  dass  mit 
dessen  Ernennung  und  durch  den  nämlichen  Courier  der  Kaiser 
das  Patent  sende,  damit  die  Einsetzung  sofort  erfolge  und  der 
Sache   ein  Ende  gemacht  werde.     Die  Wahl   müsse  auf  eine 


Belfieo  unt«r  der  GeDerftlstatthaltersobafi  Frzhenog  Carl«  (1798,  1791).  159 

Person  fallen^  die  keinen  Vorwand  böte,  nochmals  die  Emen- 
Diing  zu  hintertreiben.  Er  selbst  schlug  Villegas  d'Estairabourg 
vor;  derselbe  sei  im  Range  das  älteste  Mitglied  des  Conseil  von 
Brabanty  verrichte  seit  seinem  Wiedereintritte  in  denselben  die 
Functionen  des  Kanzlers,  habe  nie  einen  anderen  Eid  geleistet 
und  werde  daher  voraussichtlich  keinem  Widerstand  begegnen. 
Uebrigens  sei  er  alt  und  unbedeutend  und  stehe  daher  nicht 
den  Hoffnungen  derer  im  Wege,  die  auf  diesen  Platz  ihrerseits 
rechneten,  während  später,  in  ruhigeren  Zeiten,  der  Kaiser 
noch  immer  eine  vortheilhaftere  Wahl  treffen  könne. 

,Solltest  Du,'  fuhrt  der  Erzherzog  fort,  ,meinen  Vorschlag 
nicht  annehmen,  welches  mich  wegen  dem  Wohl  des  Dienstes 
sehr  schmerzen  würde,  so  bitte  ich  Dich,  wenigstens  den  Con- 
seiller  d'Overschies  nicht  zum  Kanzler  zu  machen,  da  er  es 
is^  von  welchem  besonders  aller  Widerstand  der  Stände  gegen 
Van  Velde  herrtthret,  in  der  Hoffnung,  dass  man  ihn  zum 
Kanzler  vorschlagen  würde,  imd  da  sich  erst  kürzlich  die 
Geistlichkeit  und  der  Adel  in  denen  Ständen  haben  verlauten 
lassen,  dass  es  ihnen  Selbsten  unangenehm  wäre,  wenn  d'Over- 
schies  zum  Kanzler  ernennet  werden  sollte.  Ueberdies  ist  das 
ein  Mann,  den  alle  Parteien  als  einen  niederträchtigen  Intri- 
ganten und  einen  übeldenkenden  Menschen  verachten.  Man 
wird  Dir  vielleicht  den  Conferenzrath  Robiano  vorschlagen, 
welcher  in  der  That  alle  Eigenschaften  hätte,  so  für  einen 
Kanzler  nöthig  sind,  und  der  gewiss  keinem  aus  beiden  Par- 
teien ohnangenehm  sein  würde.  Allein  man  könnte  ihm  auch 
vorwerfen,  dass  er  unter  dem  Kaiser  Josef  eine  inconstitutionelle 
Anstellung  angenommen  hat,  und  obwohl  ich  glaube,  dass  man 
dies  nicht  thun  würde,  so  müssen  wir  doch  diesem  Vorwurf 
ausweichen.  Bartenstein  der  Jüngere,  Conseiller  au  conseil  priv^, 
ist  in  dem  nämUchen  Fall  als  Robiano,  sowohl  wegen  seiner 
persönlichen  Eigenschaften  als  der  bei  der  von  Kaiser  Josef  H. 
gemachten  Aenderung  angenommenen  Stelle.  Allein  ich  muss 
Dir  bei  selbem  noch  die  Reflexion  unterlegen,  dass,  da  er 
Schwager  vom  Secrötaire  d'^tat,  Bruder  vom  Conseiller  des 
finances  ist,  man  durch  seine  Ernennung  in  den  nämlichen  In- 
convenient  fallen  würde,  über  welchen  man  so  sehr  in  vorigen 
Zeiten  über  die  Crurapipen  geschrieen  hat,  dass  eine  FamiHe 
alle  vornehmsten  Stellen  bekleiden  würde.' 


160  VI.  Abbandlvng:   v.  Zeissberg. 

Der  Erzherzog  fügte  noch  hinzu,  dass  er,  da  er  nicht 
wisse,  wie  sich  der  Kaiser  entscheiden  werde,  den  Verzicht  Van 
Velde's  auf  dessen  Wunsch  und  im  Einvernehmen  mit  Metter- 
nich  als  Geheimniss  behandelt  und  der  Conferenz  bisher  nicht 
mitgetheilt  habe.^ 

Dem  vertraulichen  Schreiben,  das  der  Erzherzog  aus  die- 
sem Anlasse  ausser  der  amtlichen  Relation  an  den  Kaiser  rich- 
tete, folgt  ein  Postscript  nachstehenden  Inhalts:  ,E!rlaube  mir, 
bester  Bruder,  noch  eine  Bemerkung  zu  meinem  schon  so 
langen  Brief  hinzuzufügen.  Personen  von  der  Partei  der  Stände 
haben  sich  in  Reden  geäussert,  dass  einer  der  Hauptbewegungs- 
gründe, wegen  welchen  sie  den  Van  Velde  nicht  zum  Eid  an- 
genommen haben,  sei,  weil  sie  hoflFten,  durch  Intriguen  und 
fortdauernde  Weigerung,  dazu  ernannte  Personen  anzunehmen, 
von  Dir  das  Vorrecht  zu  erhalten,  Dir  eine  Person  zur  Kanzler- 
würde vorschlagen  zu  dürfen,  dadurch  nur  ihnen  angenehme 
Personen  zu  proponiren  und  die  Ernennung  zu  dieser  Würde 
nach  ihrem  Sinn  lenken  zu  können.  Desto  wichtiger  ist  es, 
gleich  und  besonders  den  Conseiller  Villegas  zur  Kanzlerstelle 
zu  ernennen.  Sie  werden  nicht  frech  genug  sein,  um  diesen 
Mann,  der  es  einst  mit  ihnen  hielt,  nicht  anzunehmen,  und  wir 
werden  gänzlich  den  Disputen  über  diesen  Punkt  und  einer  den 
Rechten  des  Souveräns  und  der  Constitution  so  widrigen  Pre- 
tension  ausweichen.  Dispute,  welche  uns  zu  einer  Menge  an- 
derer flihren  und  ins  Unendliche  würden  vervielfältiget  werden. 
Als  mir  gestern  Abends  Van  Velde  den  Act  seiner  Demission, 
der  meine  officielle  Relation  darüber  begleitet,  einreichte,  bat 
er  mich.  Dir  zu  bemerken,  dass  er  durch  die  Niederlegung 
der  KanzlersteUe  aus  Eifer  für  Deinen  Dienst  und  fftr  das 
Wohl  des  Landes  auf  eine  Stelle  Verzicht  thue,  depen  Gehalt 
sich  auf  14.000  fl.  belaufe,  imd  dass  ihm  hart  geschehen  würde, 
wenn  er  deswegen  verlieren,  im  Gehalte  herabgesetzt  und  so- 
zusagen gestrafet  werden  solle.' 

Ganz  in  demselben  Sinne  wie  der  Erzherzog  sprach  sich 
Mettemich   aus,    zumal   gerade   damals   die    endgiltige   Zustim- 


^  Zwei  Schreiben  des  Erzherzogs  an  den  Kaiser,  beide  Tom  18.  Januar 
1794,  das  eine  (franzi^sisch)  officiell,  das  andere  (deatsch)  vertraulich. 


Belgien  unter  der  Oeoer«UI»ltbalicrscbaft  Ersherxog  Carls  (1793,  1794).  161 

mang  des   dritten  Standes   zur  Bezahlung  der  47^   Millionen 
sustande  gekommen  war.^ 

Noch  war  man  in  Wien  nicht  in  den  Besitz  dieser  Be- 
richte gelangt^  als  von  dort  aus  am  17.  Januar  neuerdings  eine 
Weisung  an  Mettemich  erging,  die  den  Entschluss  des  E^isers 
in  der  Kanzlerfrage  als  einen  ,unwiderruflichen'  bezeichnete, 
indem  derselbe  die  Angelegenheit  als  ^Probirstein^  der  Treue  und 
AnhängUchkeit  der  Brabanter  betrachten  wolle.  Die  von  den 
Ständen  ausgesprochene  Besorgniss,  dass  dies  zu  einer  Scission 
mit  dem  dritten  Stande,  zur  Demokratie  fUhren  werde,  Hess 
man  nicht  gelten;  gerade  der  Widerstand  gegen  des  Kaisers 
Wunsch  beweise  den  verhängnissvollen  Einfluss  der  Demo- 
kratie in  einer  Sache,  in  die  sich  zu  mengen  dem  dritten  Stande 
nicht  zustehe.  *  Man  hätte  übrigens  —  heisst  es  in  einer  gleich- 
seitigen Weisung  an  den  Erzherzog  —  Ansichten  dieser  Art 
bekämpfen  und  nicht  ohne  sie  zu  widerlegen  einfach  zur 
Kenntniss  nehmen  sollen.^ 

Schon  nach  zwei  Tagen  folgte  eine  zweite  Weisung,  welche 
sich  auf  die  Art  der  Ausführung  des  Befehles  bezog.  Damach 
aollte  der  Erzherzog,  der  in  dieser  Frage  stets  ein  richtiges 
Verständniss  gezeigt  habe,  ,persönUch  und  ausschUessUch^  diese 
yleidige^  Angelegenheit  zum  Abschlüsse  bringen,  Mettemich  aber 
sich  rein  passiv  verhalten,  dies  auch  denen,  die  ihn  darüber 
ausholen  würden,  zu  verstehen  geben,  im  Uebrigen  aber  den 
Srzherzog  nach  bestem  Vermögen  unterstützen.^  Mit  einer 
entsprechenden  Weisung  übersandte  der  Kaiser  seinem  Bruder 
«ine  für  die  Stände  bestimmte  Depesche,  doch  überUess  er  es 
ihm,  ob  er  von  derselben  Gebrauch  machen  wolle  oder  nicht 
JedenfEÜls  aber  sollte  er  denselben  eröffnen,  dass  der  Kaiser 
^on  dem,  was  er  gethan,  nicht  abgehen  werde,  und  sie  auffor- 
dern, ihren  ganzen  Einfluss  aufzubieten,  um  die  Nation  über 
ihre  Pflichten  und  seine  Rechte  aufzuklären  und  sich  nicht  in 
die  gewöhnUchen  Geschäfte  der  Verwaltung  zu  mengen.^ 


*  Siehe  oben. 

'  Traattnumsdorff  ao  Mettemich.  Vienne,  le  17  janvier  1794.  Orig. 

*  Der  Kaiser  an  Erzherzog  Carl.  Vienne,  le  19  janvier  1794.  Orig.  officiell. 
^  Tranttmansdorff  an  Metemich.  Vienne,  le  19  janvier  1794.  Orig. 

*  Der  Kaiaer  an  Erzherzog  Carl.  Vienne,  le  19  janvier  1794.  Orig.  officiell. 
Sitmngiber.  d.  pkiL-hist.  GL  CUTm.  Bd.  6.  Abh.  11 


162  ^I«  Abhandlnng:  t.  Zeissberg. 

Da  rief  nun  aber  das  Eintreffen  des  erzherzoglichen  Im- 
mediatberichtes  vom  8.  Januar  einen  vollständigen  Umschwung 
hervor.  Van  Velde  wurde  nun  endlich  fallen  gelassen,  ebenso 
auf  Trauttmansdorff's  Rath  der  Gedanke,  die  Ernennung  eines 
neuen  Kanzlers  bis  zur  Ankunft  des  Kaisers  in  Belgien  za 
verschieben.  ^  Freilich  von  Overschies,  den  man  in  Wien  noch 
immer  als  einen  ernst  zu  nehmenden  Gegencandidaten  betrach- 
tete, konnte  auf  keinen  Fall  die  Rede  sein.  Vielmehr  sollte 
ihm  Mettemich  neuerdings  bedeuten,  dass  er  auf  diese  Stelle 
nie  und  nimmer  rechnen  dürfe,  ja  dass  er  überhaupt,  wenn  er 
sein  Benehmen  nicht  völlig  ändere,  nie  irgend  eine  Gnade  oder 
Gunstbezeigung  von  Seiten  des  Kaisers  erwarten  dürfe.  *  Aber 
zugleich  erhielt  Mettemich  den  Auftrag,  unter  der  Hand  und 
in  unauffälliger  Weise  dazu  beizutragen,  dass  sich  die  Nachricht 
von  der  Resignation  Van  Velde's  äusserst  rasch  und  in  mög- 
lichst weite  Kreise  verbreite,  andererseits  aber  über  die  An- 
kunft der  neuen  Estafette  vom  22.  Januar  oder,  falls  dies  nicht 
möglich  sei,  über  den  Grund  ihrer  Absendung  das  strengste 
Geheimniss  zu  bewahren.* 

Die  Estafette  selbst  überbrachte  ein  Schreiben,  das  Trautt- 
mansdorff  im  Auftrage  des  Kaisers  an  den  Erzherzog  richtete, 
und  dem  ein  Schreiben  des  Kaisers  an  Letzteren  und  zwei 
königliche  Depeschen  beigeftlgt  waren. 

,Du  erhältst,'  hiess  es  in  einem  vertraulichen  Schreiben 
des  Kaisers,  ,mit  gegenwärtiger  Estafette  zwei  officielle  De- 
peschen von  mir,*  über  deren  Inhalt  Du  bis  zur  wirklichen 
Gebrauchmachung  einer  oder  der  anderen  das  strengste  Oe- 
heimniss  selbst  gegen  den  Minister  beobachten  wirst.  In  der 
ersten  ernenne  ich  Robiano  zum  Kanzler,  in  der  zweiten  trage 
ich  Dir  auf,  ein  anderes  taugliches  Subject  vorzuschlagen/  Der 
Erzherzog  sollte  darnach  zunächst  Robiano  ,im  strengsten  Ge- 
heim' zu  sich  bescheiden  und  ihn  fragen,  ob  er  die  Kanzler 
würde  anzunehmen  bereit  und  ob  im  bejahenden  Falle   irgend 


^  Trauttmansdorff  an  CoUoredo.  Orig.  undatirt. 

'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vieune,  le  22  janvier  1794.  Orig. 

^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  22  janyier  1794. 

^  Beide  datiren  vom  21.  Januar  1794  und  sind  noch  im  Original  vorhan- 
den.    In   der   ersten  heisst  es  von  Robiano  ,qui  est  d'aUletin  alli^ 
FZM.  Comte  de  Clerfait,  dont  j'estime  les  Services*. 


Belgien  unter  der  Oeneralstotthalterschaft  Erzherzog  Carls  (1798,  1794).  163 

ein  billiger  Einwand  der  Stände  zu  gewärtigen  sei.  Sollte  die  Er- 
nennung Robiano's  möglich  sein,  so  sollte  der  Erzherzog  von  der 
ersten  der  ihm  übersendeten  Depeschen  Gebrauch  machen,  im 
anderen  unter  Bewahrung  ,des  grössten  Stillschweigens  über  den 
gegen  Robiano  geschehenen  Schritt'  den  Inhalt  der  zweiten  De- 
pesche befolgen.  Denn  den  von  dem  Erzherzog  vorgeschlagenen 
Yillegas  könne  er  unmöglich  ernennen,  und  zwar  aus  folgen- 
den Gründen:  1.  weil  er  nach  Aussage  des  Erzherzogs  selbst  un- 
Mng  sei,  mithin  seine  Wahl  gegen  Pflicht  und  Ansehen  streite; 
2.  weil  der  angefUhrte  Grund,  dass  derselbe  bald  einem  Ande- 
ren Platz  machen  werde,  nur  jene  Intrigue  begünstigen  würde, 
um  derentwillen  man  schon  vor  vielen  Monaten  dem  Minister 
gerathen  habe,  den  Platz  oflFen  zu  halten,  nämlich  um  d'Over- 
schies  Gelegenheit  zu  bieten,  sich  bei  ihm,  dem  Kaiser,  ein- 
Euschmeicheln,  und  3.  weil  man  ihn  durch  fortwährende  Zurück- 
weisung derer,  die  er  ernennen  würde,  mürbe  machen  und  ihm 
Yillegas  aufdrängen  wolle.  ^ 

Wir  wissen,  dass  das  Demissionsgesuch  Van  Velde's  bis- 
her geheim  gehalten  worden  war.  Nun  aber  sollte  der  Erz- 
herzog in  unau£Fälliger  Weise  diese  Thatsache  zur  Kenntniss 
des  Publicums  bringen,  damit  der  neueste  Entschluss  des  Kai- 
sers als  eine  Folge  jenes  Schrittes  betrachtet  werde.  In  Privat- 
^esprächen  sollte  er  zu  erkennen  geben,  dass  Van  Velde  den 
^Kaiser  inständigst  gebeten  habe,  ihn  von  einem  Posten  zu 
dispensiren,  auf  dem  er  voraussichtlich  so  viel  Anstoss  erregen 
tind  den  er  nicht  mit  Ruhe  gemessen  werde,  da  er  besorgen 
müsste,  dass  darunter  der  Dienst  des  Souveräns  und  das  Wohl 
fies  Landes  leide;  daher  habe  er,  der  Erzherzog,  einen  Courier 
nach  Wien  gesendet  und  warte  weitere  Weisungen  ab.* 

Indess  war  die  Demission  Van  Velde's  ohnedies  kein  Ge- 
lieimniss  geblieben;  wenige  Tage  darnach  schon  stand  davon 
in  der  ,Kölnischen  Zeitung^  zu  lesen.  Unangenehmer  als  hie- 
dnrch  war  man  in  Wien  durch  die  Thatsache  berührt,  dass 
^ese  Zeitung  den  Ständen  ein  Mitwirkungsrecht  bei  der  Er- 
nennung des  Kanzlers  beimass,  ja  dass  in  derselben  behauptet 


*  Kaiser  Franz  IL  an  Erzherzoge  Carl.   Wien,  den  22.  Jänner  1794.    Orig^. 

eig.  A.-A. 
'  Trauttmansdorff  an  den  Erzherzog.  Copie. 

11» 


164  VI.  Abbandlang:  t.  Zeitsberg. 

wurde;  die  Stände  hätten  einen  Vorschlag  dieser  Art  bereits 
dem  Gouvernement  erstattet.  Ausdrücklich  erhielt  Mettemich 
den  Auftrag;  diese  lügenhaften  Gerüchte  zu  dementiren.^ 

Der  am  26.  Januar  von  Wien  abgesandte  Courier  Strens 
sollte  als  Ueberbringer  jener  Depesche  gelten^  durch  welche 
der  Kaiser  die  Demission  Van  Velde's  annahm.* 

Mettemich  frohlockte  über  diese  Wendung  der  Dinge. 
;Ich  beschränke  mich/  schreibt  er  an  den  Erzherzog,  ^für  den 
Augenblick  darauf,  meinen  ergebensten  Glückwunsch  darzu- 
bringen, dass  die  leidige  Kanzlerfrage  endlich  gänzlich  beendet 
ist  Eure  königl.  Hoheit  haben  durch  Ihre  kluge  Festigkeit 
bei  dieser  Gelegenheit  dem  Souverän  in  der  öffentlichen  Sache 
einen  wesentlichen  Dienst  erwiesen.^' 

Jetzt  erst  theilte  der  Erzherzog  Robiano  die  Absicht  des 
Kaisers  mit.  Doch  dieser  erwiderte  sofort,  dass  nichts  in  der 
Welt  ihn  bestimmen  könnte,  die  angebotene  Stelle  anzunehmoi, 
und  bei  der  Festigkeit,  mit  der  Robiano  diesen  Ausspruch 
wiederholte,  überzeugte  sich  der  Erzherzog  alsbald,  dass  jeder 
weitere  Versuch,  ihn  umzustimmen,  unmöglich  sei.^  Damit  trat 
aber  dem  ausgesprochenen  Wunsche  des  ELaisers  gemäss  an 
Erzherzog  Carl  die  Nothwendigkeit  heran,  seinerseits  Personal- 
vorschläge zu  machen.  Schon  früher  hatte  er  auf  Villegas 
d'Estaimbourg  hingewiesen.  Jetzt  that  er  dies  neuerdings:  der 
Minister,  die  Conferenz,  der  Chef  et  Präsident  und  andere  Mi^ 
glieder  des  Gouvernements  seien  hierin  seiner  Ansicht.^  Barten- 
stein  könne,  obgleich  es  ihm  nicht  an  den  erforderUchen  Eigen- 
schaften fehle,  nach  der  einstimmigen  Meinung  derer,  die  er 
hierüber  befragt  habe,  nicht  in  Betracht  kommen.  Bleibe  so- 
nach nur  De  Jonghe,  der  Pensionär  der  Stände;  sei  es  aber 
wohl  angezeigt,  auf  einen  solchen  Posten  den  Mann  zu  stellen, 
der   seit   einigen  Jahren   die  Stände   und  alle  ihre  Schritte  ge- 


^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  26  janvier  1794.  Orig. 

'  Ebenda. 

'  Metternich  an  Erzherzog  Carl,  le  3  fövrier  1793  (sio!  recte  1794).  Oiig. 

A.-A.    In  der  Datirung  eines  der  nicht  seltenen  Beispiele  der  aorgloaea 

Art  Mettemich'scher  Kanzleifühmng. 
^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser.  Bmxelles,  le  6  f^vrier  1794. 
^  Erzherzog  Carl  an   den  Kaiser.   Bruxelles,  le   11  f^vrier   1794.  MflUer'fl 

Entwurf. 


Belgien  unter  der  Oenenilstotthalterscbaffc  Erzhenog  Carls  (1793,  1794).  165 

leitet  habe?  Trauttmansdorff  hatte  auf  den  Fiscal  Strens  hin- 
gewiesen; dieser  habe  sich  aber  bisher  zu  wenig  hervorgethan, 
meinte  der  Erzherzog;  überdies  wäre  es  seltsam^  den  Sohn 
eines  Archer,  der  mit  fast  allen  Lakeien  der  Stadt  verwandt 
sei,  auf  den  ersten  Platz  der  Provinz  zu  erheben.* 

Aber  auch  jetzt  machte  der  Kaiser  aus  seiner  Abneigung 
g^en  Villegas  kein  Hehl.  Dass  er  der  erste  jener  fünf  Räthe 
sei,  zu  deren  Wiederaufnahme  in  den  Conseil  man  ihn,  den 
Kaiser,  veranlasst  habe,  spreche  nicht  zu  dessen  Gunsten,  son- 
dern sei  im  Gegentheil  ein  Ausschliessungsgrund,  zumal  wenn 
man  seine  Haltung  im  Conseil  während  der  Unruhen  in  Be- 
tracht ziehe,  woflir  die  Beweise  im  Staatssecretariat  hinterlegt 
seien.  Dazu  komme,  dass,  wie  der  Erzherzog  selbst  zugestehe, 
der  Conseil  so  schlecht  wie  möglich  zusammengesetzt  sei  und 
daher  nicht  eines  schwachen,  unbedeutenden,  sondern  eines 
aufgeklärten,  festen  und  wenigstens  einigermassen  zuverlässigen 
Präsidenten  bedürfe.*  Villegas  sollte  nur  dann  in  Betracht 
kommen,  wenn  es  ganz  und  gar  unmöghch  sei,  jemand  Ande- 
ren ausfindig  zu  machen,  gegen  den  die  Stände  nichts  einwen- 
den könnten.' 

Aber  schon  am  5.  stellte  TrauttmansdorflF  die  bevorstehende 
Entscheidung  des  Kaisers  in  unmittelbare  Aussicht.  Die  Wahl 
>verde  auf  eine  Persönlichkeit  fallen,  gegen  die  sich  keine  Ein- 
^wendung  erheben  lasse;  der  Kaiser  sei  entschlossen,  auf  der- 
selben zu  verharren,  was  auch  immer  geschehe.  Die  Emen- 
:tiung  werde  früh  genug  erfolgen,  so  dass  die  Inauguration,  die 
cUimals  auf  den  24.  März  anberaumt  war,  an  diesem  Tage 
"werde  stattfinden  können,  wofern  die  Kanzlerfrage  nicht  neue 
Schwierigkeiten  bereite,  in  welchem  Falle  diese  Ceremonie 
überhaupt  nicht  stattfinden  werde.  ^ 

Zwei  Tage  darnach  (7.  März)  ernannte  der  Kaiser  den 
geheimen  Rath  Limpens,  der  mit  Ehren  den  Posten  eines 
C^eneralprocurators  bekleidet  und  sich  auch  sonst  mehrfach  ver- 
dient gemacht  hatte,  zum  Kanzler  von  Brabant.    Er  theilte  dies 


^  Erzherzog  Carl  an  Trauttmansdorff.  Le  10  fävrier  1794.  A.-A.  Ck>pie. 
'  Der  K&iier  an  Erzherzog  Carl.  Vienne,  ce  4  mars  1794.   Orig.  officiell. 
'  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  3  mars  1794.  Orig. 
^  Trauttmansdorff  an  Mettemich.  Vienne,  le  5  mars   1794.  Orig. 


166  VI.  Abhuidlang:  t.  Zeissberg. 

dem  Erzherzog  mit;  dem  er  das  Patent  für  denselben  über- 
sandte^  damit  die  Installation  unverzüglich  erfolge.^  Limpens 
selbst  aber  wurde  eröffnet:  der  Kaiser  hoffe,  dass  er  die  Wahl 
nicht  etwa  unter  irgend  einem  Vorwand  ablehnen  werde.  So- 
bald er  den  Posten  in  Besitz  genommen,  möge  er  dies  ein- 
berichten, da  in  diesem  Falle  auch  das  Decret  eines  Staats- 
rathes  ihm  zugestellt  werden  würde,  welche  Würde  ihm  der 
Kaiser  gleichzeitig  verleihe.*  Metternich  aber  erhielt  den  Auf- 
trag, für  den  Fall,  dass  Limpens  ablehne,  demselben  zu  eröffiien, 
dass  der  Kaiser  ihm  anzunehmen  befeUe,  seine  Ablehnung  da- 
her als  Beweis  des  Ungehorsams  gelten  und  seine  Pensionirung 
unter  den  ungünstigsten  Verhältnissen  zur  Folge  haben  werde.' 
Allein  diese  Besorgniss  sollte  nicht  in  Erfüllung  gehen. 
Am  14.  März  Nachts  trafen  die  Depeschen  vom  7.  in  Brüssel 
ein.  Am  folgenden  Tage,  15.  Morgens,  legte  Limpens  den  Eid 
in  die  Hände  des  Erzherzogs  ab,^  am  17.  sein  Ernennung»- 
patent  den  Ständen  vor.  Diese  waren  nicht  in  pleno  versam- 
melt. Die  Deputirten  der  Stände  theilten  Metternich  mit,  dass 
die  Vollversammlung  erst  Samstag  ,ad  hoc^  stattfinden  und 
Limpens  vermuthlich  an  diesem  Tage  zum  Eide  zugelassen 
werde.  Da  indess  Metternich  nicht  mit  Unrecht  besorgte,  dass 
man  in  der  Zwischenzeit  den  dritten  Stand,  zumal  die  Bürger- 
schaft von  Brüssel  in  entgegengesetztem  Sinne  beeinflussen 
werde,  so  suchte  er  durch  die  Deputirten  die  Stände  zu  be- 
wegen, sich  bereits  am  folgenden  Tage  oder  doch  spätestens 
Mittwoch  (19.)  zu  versammeln.  Wirklich  wurden  die  Stände 
für  diesen  Tag  einberufen.  Doch  schon  am  19.  Morgens  mel- 
dete Metternich  dem  Erzherzog,  dass  zwar  die  Sache  gut  stehe, 
die  definitive  Entscheidung  aber  doch  erst  am  Samstag  erfol- 
gen werde.  Daher  beschied  der  Erzherzog  noch  an  demselben 
Tage  (19.)  die  Deputation  der  Stände  zu  sich,  in  der  ach  trotz 


^  Der  Kaiser  an  Enliermog  Carl.  Yienne,  le  7  mars  1794.  Orig.  offieidL 

VgL  aach  Traattmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  7  mars  1794.  Oiif. 

Der  Kaiser  an  Metternich.  Vienne,  le  8  mars  1794.  Orig. 
'  Traottmansdorff  an  den  geheimen  Rath  Limpens.  Vienne,  le  7  mars  1794. 

Concept 
*  Traottmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  8  mars  1794.  Rigi^nh. 
^  Metternich  an  Traottmansdorff.  Broxelles,  le  15  mars  1794.    Erskenog 

Carl  an  Müller,  15  mars  1794.  A.-A. 


B«lgieii  nnter  der  Oeneralstatthalterschaft  Erzborxog  Carls  (1793,  1794).  167 

des  früher  ergangenen  Verbotes  auch  Limminghe  einfand.  Met- 
temich  empfahl  den  Donnerstag  als  Ultimatum.  Aber  der  Erz- 
herzog erreichte  blos  die  Zusage^  dass  die  Stände  am  Freitag 
(21.)  schlüssig  werden  wollten.  Wirklich  fand  sich  an  diesem 
Tage,  um  1  Uhr  Mittags,  eine  Deputation  der  Stände  bei  dem 
Erzherzog  ein,  um  ihm  mitzutheilen,  dass  man  beschlossen  habe, 
am  nächsten  Tage  (Samstag)  Limpens  in  Eid  zu  nehmen.  Da 
indess  der  Erzherzog  noch  an  demselben  Tage  abreisen  wollte, 
hielt  Mettemich  den  Deputirten  vor,  wie  angenehm  es  dem- 
selben sein  würde,  wenn  er  erführe,  dass  zuvor  der  Kanzler 
vereidet  worden  sei,  und  so  einigte  man  sich  dahin,  dass,  ob- 
gleich das  sonst  nicht  üblich  war,  der  Kanzler  noch  an  demsel- 
ben Abend  vereidet  werde.  Er  wurde  denn  auch  am  Nachmit- 
tag von  den  Ständen  mit  mancherlei  Beifallsbezeigungen  em- 
pfangen, und  diese  wiederholten  sich  in  erhöhtem  Masse,  als  er 
die  Versammlung  verliess.  ^ 

Die  Sache  war  übrigens  doch  bis  zuletzt  zweifelhaft  ge- 
wesen. Namentlich  hatte  der  Advocat  Van  der  Hoop  eifrig 
gegen  die  Zulassung  Limpens'  intriguirt,  so  dass  sich  Metter- 
nich  veranlasst  sah,  den  Fiscalen  von  Brabant  aufzutragen, 
denselben  streng  im  Auge  zu  behalten.*  Um  so  mehr  freute 
8ich  Mettemich  des  Erfolges,  den  er  sich  beeilte,  zur  Kennt- 
iiiss  des  Kaisers  und  TrauttmansdorflF's  zu  bringen,  wobei  er 
Jedoch  nicht  unterliess,  sich  nochmals  und  energisch  gegen 
den  Anwurf  des  Letzteren  zu  verwahren,  als  ob  er  die  Ernen- 
nung Van  Velde's,  da  ihm  derselbe  persönlich  nicht  genehm 
gewesen  sei,  zu  hintertreiben  gesucht  habe.  Er  verlangte  ge- 
radezu, dass  die  betreffende  Weisung  aus  den  Acten  entfernt 
werden  möge.' 

Van  Velde  wurde  durch  Trauttmansdorff  die  besondere 
Zufriedenheit  des  Kaisers  mit  seinem  Verhalten  zu  erkennen 
gegeben.^  Er  wurde  unmittelbar  darnach  zum  Lieutenant  am 
Lehenshofe  zu  Brabant  ernannt,   und  zugleich  wurde   ihm   der 


^  Mettemich*«  Bericht   an  Trauttmansdorff  Tom   17.  und  21.  März   1794. 

Orig.  Mettemich  an  Erzherzog  Carl,  le  17  mars  1794.  Orig.  A.-A.  (3  Briefe.) 
^  Mettemich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles,  le  17  mars  1794.  Orig. 
'  Mettemich  an  den  Kaiser.   Bruxelles,  le  21  mars  1794.  yReservandum.* 

Copie.  Derselbe  an  Trauttmansdorff  von  dem  gleichen  Datum. 
*  Trauttmansdorff  an  Van  Velde.  Yienne,  le  26  janvier  1794. 


168  VI.  Abh. :  T.  Zeiisberg.    Belgien  unter  Erahenog  Carl  (179S,  1794). 

Titel  und  Charakter  eines  Conseiller  d'ätat  de  robe  mit  einem 
Gehalt  von  5000  fl.  zutheil.^  Van  Velde  war  mit  dieser  Ent- 
schädigung auch  zufrieden;  nur  bat  er,  dass  ihm  statt  des  Titels 
eines  Conseiller  d'^tat  de  robe  jener  eines  Conseiller  d'^tat 
d'^p^e  zutheil  und  gestattet  werden  möge^  den  Titel  Baron  zu 
führen,  den  sein  älterer,  aber  geisteskranker  und  unverheira- 
teter Bruder  filhrte.  *  In  der  That  wurde  auch  diese  Bitte  von 
dem  Kaiser  gewährt.'  Auch  in  der  Folge  vrurde  ihm  noch 
manche  Begünstigung  zutheil. 

Seitdem  die  Stände  von  Brabant  Limpens  zum  Eid  als 
Kanzler  zugelassen  hatten,  stand  der  Inauguration  nichts  mehr 
im  Wege.  Man  war  in  Wien  über  die  eingetretene  Wendung 
hocherfreut;  sie  wirkte  nachhaltig  auf  die  Entschlüsse  des  Kai- 
sers zurück.  Bei  fortgesetztem  Widerstand  war  derselbe  ent- 
schlossen gewesen,  während  seines  Aufenthaltes  in  Belgien 
Brüssel  blos  zu  passiren,  ohne  sich  daselbst  au£suhalten  und 
ohne  eine  Deputation  zuzulassen.  Jetzt  konnte  dagegen  Trautt- 
mansdoi*ff  in  Aussicht  stellen,  dass  der  Kaiser  sich  persönlich 
werde  inauguriren  lassen,^  während  er  sich  früher  durch  seinen 
Bruder  hatte  vertreten  lassen  wollen. 


^  Trauttmansdorff  an  Metternich,  le  5  fSvrier  1794. 
'  Metternich  an  Trauttmansdorff.  Bruxelles  le  17  fövrier  1794.  Orig. 
^  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  11  mars  1794.  Orig. 
^  Trauttmansdorff  an  Metternich.  Vienne,  le  27  mars  1794.  eig. 


Tn.  Ahh.:  Beiniieh.    Die  B«d*aj»-Spnche  in  Nordost-Afniu.  II.  1 


VII. 

Die  Bedauye-Sprache  in  Nordost-Afrika,  IL 

Tod 

Leo  Beinisoh, 

wirkl.  KiifUed«  der  kais.  Akademie  der  WiasenscIlAflen. 


Lautlere. 

L  Die  tpraehlante. 

1)  Die  Bedscha  sind  des  lesens  und  Schreibens  dorcbaus 
rnikiiTidig  und  waren  es  auch  gewiss  von  jeher^  indem  der 
alten  meroitischen  schrift^  welche  sich  aus  der  ägyptischen  ab- 
gezweigt hat,  nicht  wie  Lepsios  behauptet  hat,  das  Bei&ujQy 
sondern  die  altnnbische  spräche  zu  gninde  ligt.  Als  mnslims 
bestreben  sich  nnn  allerdings  einige  fromgläubige  Bedscha,  nnd 
zwar  hauptsächlich  nur  die  sogenannten  heiligen  scheche,^  die 
Arabische  schrift  zu  erlernen  um  den  Koran  lesen  zu  können. 
Allein  auf  die  fixirung  irer  muttersprache  hat  diese  kenntniss 
cler  arabischen  schrift  nicht  den  allergeringsten  einfluss,  da  ja 
dann  solche  schriftkundige  Bedscha  in  iren  correspondenzen 
cdch  nicht  des  Be<}au7e,  sondern  nur  der  arabbchen  spräche 
1>edienen.  Wir  fixiren  demnach  die  sprachlaute  der  Bedscha 
mittelst  xmserer  lateinischen  schrift  und  suchen  diejenigen  laute, 
"welche  unser  alfabet  nicht  kennt,  durch  besondere  diakritische 
zeichen  auszudrücken. 

2)  Mit  ausname  des  hamzeh  und  der  praecacuminalen 
werden  alle  übrigen  laute  des  Be^Jauye  wie  die  entsprechenden 
unseres  alfabetes  ausgesprochen.  Da  wo  eine  leichte  divergenz 
besteht,  wird  dieselbe  im  folgenden  kapitel  genau  verzeichnet 
und  beschriben,  ebenso  dort  auch  die  ausspräche  der  praeca- 
cuminalen angegeben  werden.  Das  palatale  j  lautet  wie  xmser 
d$ch,  oder  wie  das  englische  j  in  jaw,  joy  u.  s.  w. 


^  YgL  hierfiber  W.  Hanzinger,  OsUfrikjuiiBche  Stadien,  1S64,  p.  315. 
SHiufik«.  d.  pkiL-Utt  CL  GXXYm.  Bd.  7.  Abk.  1 


YII.  AbliAndlong ;    Reiniseb. 


3)  Der  vocalbestand  entspricht  völlig  dem  nnsrigen;  von 
den  consonanten  feit  dem  Be(}aaye  gleich  fast  allen  kuschitischen 
sprachen  nur  das  p^  die  labiale  tenuis.  Alle  vorhandenen  con- 
sonantischen  laute  des  Be<}aaye  stelle  ich  in  nachfolgender 
Ordnung  zusammen: 


dentale: 

t       d 

8      —      l       r       n 

praecacuminale : 

t       4 

S                               n 

• 

palatale: 

J 

y 

gutturale: 

k      g 

fi 

laryngale : 

y 

h 

labiale: 

h 

f     w     —    —     m 

Die  sogenannten  u-haltigen  gutturale^  welche  unten  näher 
beschriben  werden,  sind  als  zusammengesetzte  laute  hier  nicht 
mit  aufgefUrt  und  werden  in  §.  44  ff.  eingehender  besprochen. 
In  der  bezeichnung  der  obigen  lautgruppen  schliesse  ich  mich 
der  meines  Vorgängers  Almkvist  an.  Ueber  die  lautverbindungen 
des  Be<}au7e  vgl.  ebenfalls  Almkvist  s.  51,  §.  32.  Der  hoch- 
verdiente forscher  bat  sich  aber  in  seiner  grossen  genaoigkeit 
etwas  zu  weit  ins  kleinste  detail  one  wesentlichen  nutzen  ein- 
gelassen. Alle  Unarten  maulfauler  leute  aufzuzeichnen,  ist  nicht 
aufgäbe  der  Sprachwissenschaft,  es  genügt  diejenigen  formen 
kennen  zu  lemeu;  die  uns  einblicke  in  den  bau  der  spräche 
gewären. 

n.  Lautverändeningen. 
1)  Die   consonanten. 

A)  Die  dentalen. 

4)  Der  verschlusslaut  t  hat  sich,  wo  nicht  einwirkungen 
der  Umgebung  eine  erweichung  verursachen,  ungeschwächt  er- 
halten und  entspricht  in  der  regel  einem  t  im  chamitiseben, 
sowie  in  den  semitischen  lehnwörtern,  wie:  -t  =  Ku.  -Uj  Bar.  -to, 
A.  •!•  und;  ta  =  Bil.  Cha.  Qu.  tak,  A.  •f»l|i  gleichen;  tifa^ 
=  BU.  etbd,  Ti.  K^-fl*  A.  K^fl^i  (Sa.  'Af.  hinduh)  nabel; 
täkla  =  Sa.  'Af.  täklä,  G.  A.  Ti.  Ty.  •hWA»  wolf;  tikd$  - 
Ku.  takdsäy  A.  •f'^hH*  ferse;  tamiriy  tamün  =^  Sa.  tämmän^ 


^  Ueber  e  in  ä/a  s.  §.  105. 


Die  BedMiye-Spracbe  in  Nordost-Afrika.  IT.  Ö 

'Af.  täbandj  So.  tabdn  zehn;  terir  spinnen  =  Sa.  talal  drehen, 
wickeki;  tdwig  =  So.  tdkfi,  Ga.  ddfqi  floh;  entdr  =  Ku.  ontdräy 
Ti.  ht'PC*  geflochtener  teuer;  bütu  =  Ku.  börtä  hirse;  iu^n 
=  So.  kutan ,  ^\Js  wanze;  äemit  =  Bil.  Samaty  Ti.  ff <»■•+« 
schmieren;  mat  neben  nuMl  =  Ga.  mdta  köpf  n.  s.  w.  In  lehn- 
wörtem  wird  auch  der  arabische  laut  ^i»  welcher  dem  Be<j[au7e 
feit,  durch  t  ersetzt,  wie:  tib  =  ^\j  IV  füllen;  taldta  =  ünU3\ 
dienstag ;  teiöZ  =  J-^'  antilope  bubalis  (Ti.  »fc+A  •)  ^-  s-  w., 
vgl.  auch  tSkla  wolf  und  iJlij  {^1^^,  Ch.  xbyn)  schakal.   Ueber 

^4-  ^  gegenüber  dem  semit.  #n^^;X0c^i>  ^  '^gl*  §•  ^^^* 

5)  Erweichung  des  t  zu  d  tritt  häufig  vor  d,  j  und  6  ein, 
wie:  ad'beiT  neben  regelrechtem  at-beir  ich  erwache;  ki-d-bäden 
neben  regelrechtem  ki-t-bdden  sie  vergisst  nicht;  ki-d-guad  flir 
und  neben  ki-t-gifad  sie  bewacht  nicht;  ki-d-dir  flir  ki-t-dir  sie 
tötet  nicht;  ki-d-din  für  ki-t-din  sie  glaubt  nicht  u.  s.  w.,  vgl. 
auch  Almkvist  §.  33.  In  derselben  weise,  wie  sich  t  an  d,  assi- 
milirt  sich  dasselbe  auch  an  t,  4y  ^  ^nd  an  «,  wie:  kt-t-ta'  fUr 
ki-t-fcC  sie  schlägt  nicht;  ki-^-^ah  sie  ist  nicht  fett;  ki-S-SV  sie 
altert  nicht;  ki-s-sa  sie  sitzt  nicht  u.  s.  w.  Erweichung  von  ^ 
zxid  findet  auch  häufig  statt  zwischen  zwei  vocalen,  wie:  adü- 
märd  (Air  ctdimä-t,^  Ti.  J^li'i'v^  t)  atd'  iß  ich  halte  eine  malzeit 
in  Bereitschaft;  auch  zwischen  einem  vocal  und  hamzeh,  wie: 
ki-d'^am  (und  ki-t-^am)  sie  reitet  nicht. 

6)  Ebenso  entspricht  Be4.  d  dem  gleichen  laute  in  den 
übrigen  sprachen,  wie:  däbi  ==  Sa.  'Af.  döh  heft,  griff;  dib  = 
BiL  dibb  y,  Sa.  'Af.  dabis,  Ti.  J^iflA«  fallen;  dt^iba  =  Bil. 
dibbäy  Qu.  cfcJa,  Ku.  dibä,  Ti.  Ä-flÄ-fl^- «  Ä-fl^- »  Hügel  (G. 
Ji^nn*  eminere);  döf  =  Sa.  dö6ö  fleischstück;  dille  =  Bil.  dfr5 
fracht  der  adansonia;  dir  =  Bar.  dir.  So.  dtZ  töten;  4ndera 
^aus  imderay  mddera)  =  Sa.  madir  cordia  abessinica;  67u2ir%u 
(aus  emr  ftlr  wi«-diVÄtt)  =  Sa.  'Af.  dörhö^  G.  ^Clf «  Ti.  Ty. 
S^CXf^  hun;  jföd  ^=  Ga.  güd  vil,  gross  sein;  hida  =  Sa.  siddä, 
^Af.  tidda  gemeinschaft;  hawid  =  Ku.  atcddä  nacht;  mindd'ro 
*=  Sa.  inda'arOy  Ti.  Ty.  G.  ^tC*  ^^^^  vasta;  ra^^  =  Sa.  rigid 
foBBy  ragad  ("»P^)  treten  u.  s.  w.  Auf  firtiheres  t  fUrt  d  in  di 
<ftbr  dw,  s.  §.66)  =  Bil.  taü-uäy  Ti.  'tOh^^i  Schwitzbad; 
dagü^^  Bil.  takaü  u.  taküamy  Ti.  "Mliyvi   '{"tf'^'i"  beobachten; 


^  Zu  ä  vgl.  §.  96,  a. 


4  Tu.  AbbftDdliiDg:    Beiniieb. 

dagüg  neben  gewönlichem  t<igUg  zwanzig;  dagay  neben  sel- 
tenerem tagay  =  dccu  sich  umwenden;  dehd  nähe,  dähdy  neben 
seltenerem  tihäy  =  Cha.  tik,  cik  bei,  fllr;  fedig  =  ,3a  los- 
lassen n.  a. 

7)  Da  im  Bedanye  die  semitischen  laute  >  und  3  H  T  nicht 
vorhanden  sind,  so  werden  in  lehnwörtem  dieselben  ebenfalls 
durch  d  (bisweilen  auch  durch  «,  vgl.  §.  9,  b)  ersetzt,  wie:  dÄb 
=  \1j\\  laufen:  dib  =  v-^3  wolf;  deUb  =  ^.^woi  rosinen;  di- 
bedi  moschuskatze  =  ^Uj  moschus;  debdk  ==  ,3^;  quecksilber; 
dabdl  klein,  schmächtig  =  ^\i  zart;  dakdr  stier  =  ß>y  'Xfi 
männchen;  derd'  =  g^j  Ti.  tlCÖ*  samen;  dür  =  j\j  Ti.  fß/^t 
Ty.  |flD^>  besuchen;  derdf  =  ii\jj  Ti.  |f^9>  girafe;  dc2aia 
=  ^jl^  wittwe;  adum  =  fji  sich  unterhalten;  geddm  =  ^^pcai** 
Jj^Ä.  Wurzel;  heddm  =  ^\Jah.  leibbinde;  künfid  =  jJUj  igd; 
medid  =  J-i^  G.  iwtl<i»|f>  abrasiren;  middn  =  ^2>^3^  wage; 
na&id  =  J.^  wein  u.  s.  w.  Auch  ip  und  A  i>-»  werden  bis- 
weilen im  Be^auye  durch  d  ersetzt,  wie:  addr  =  J-iÜ  honig; 
d-daro  rot  =  Bil.  Agm.  De.  Qu.  sar  rot  sein;  dinne  =  vulg.  A. 
£L^  Ar.  üi:^  dorn;  'artd  =  ^^^^  tanzen;  baldnda  =»  ^^ 
fliessiges  pech;  de'tr  =  G.  ipCO*  erbauen;  döJ  =  OUa  eilen; 
{2Ö&-ft  =  G.  A'fl'k'n  >  hochzeit;  ddmba  (fUr  danba^  darba)  »  Sa. 
*Af.  sarbäj  Ga.  zarbd,  Ti.  ACQ*  wade,  schinbein;  AiicTa  (ftlr 
had'fadjuy  hadhfadja)  greis,  schech  ==  G.  4*AA>7  ^^I*  ^odeij 
Sa.  Ao«  alt  werden;  hddgüi  die  frisur,  das  flechten  =  G.  0A4** 
0IP4*'  flechten,  cf.  «f^Jai-,  Jj^  verstricken;  yawid  =  A.  \\A* 
G.  hlOA  *  flechten  u.  s.  w.  lieber  dftirU^^^,  OlftÜA 
vgl.  §.  20;  ebenso  über  d  als  ersatz  von  ^  vgl.  §.  25. 

8)  Abfall  von  dy  nur  im   anlaut  bekannt   und   erklärbar 
durch   fonetischen   Übergang  von   d  zu  8  und  h  welches   dann 
abfiel,  zeigt  sich  in:    anbur,  plur.  dnbir  =  Ti.  ^^flC*  flügel; 
angül-dy  taub  =  A.  fLt^C^  taub,  ^>ib^i  taub  sein;  üfigeuHij 
üfiewa  taub  =  G.  ^14*0^*  ^^^  s^i^y  ^g^-  ^^^^  ^^  ^uid  Sa. 
dtkö  geier,  weihe.    Uebergang  von  d  zu  «  sind  nach  dem  vor-    - 
ligenden  sprachmateriale  im  Becjauye  nur  in  seltenen  fidlen  zu  ^ 
constatiren;   so  in:  sehag  =  1^>  G.  Xr/hll '    A.  iS*fii  Ti.  Ifthl*  * 
Bil.  Sahag  rutschen,  abwischen;  seny  =  Uj,  lij  (Ti.  G.  )17#||')^ 
warten,  bleiben;  «a'  =  Ga.  tä  sitzen,  bleiben;  m^  ==  ijJU  Ti^  ■ 


^  Zur  länge  von  e  in  €ke  b.  §.  105. 


Die  Bedanyo-Spracbe  in  Nordost-Afrika.  II.  5 

G.  •TllÄT  •  A.  ^7)^ «  BU-  ^^<i  tisch.  Zum  Übergang  von  s  zu  h 
und  dann  abfall  von  h  vgl.  §.11  und  50. 

9)  Da  das  Becjauje  nur  einen  einzigen  dentalen  reibongs- 
lant  besitzt^  nemlich  s  (gesprochen  wie  unser  scharfes  ^  in  was^ 
daSy  hass)  und  daher  weder  das  sanfte  z  (in  unserem:  grasen, 
lesen)  noch  die  semitischen  laute  >  j  kennt,  so  werden  daher 
diese  genannten  Zischlaute  regelmässig  durch  das  einzig  vor- 
handene 8  ausgedrückt.     Daher  entspricht  dieses  s: 

a)  dem  s  und  z  des  chamitischen,  wie:  slb  =  So.  sBb  (Sa. 
'Af.  dilhdnä)  rüder;  segi  =  Sa.  «Ij,  G.  ziga  sich  entfernen,  ver- 
reisen; 8&cena  =  Qu.  aakänäy  Bil.  zägüdnäy  Cha.  säxänd^  Ti.  A. 
Gr-  Ah»V*  fussknöchel;  sellam  =  Sa.  saräw,  Ty.  ü/iithi  acacia 
etbaica;  san  =  Sa.  'Af.  sä'dly  Bil.  dän  plur.  fön.  De.  Qu.  ian 
bruder;  seriy,  seni  =  Bil.  safi  (sang),  Cha.  sinek,  sannq,  Sa.  'Af. 
So.  «öjf,  aus  «anj  (Ti.  Ty.  G.  X1#fi')  warten,  bleiben;  sünküa, 
9Ünka  =  Sa.  'Af.  9unkü,  Bil.  zej,  zaj,  Cha.  zig  (aus  ^ayj,  zang\ 
A.  iti7^*  (cf-  °^  i^^O  Schulter;  aar  =  Sa.  'Af.  «är,  Bil.  «i'^ir, 
Ti.  G.  4XC «  'uid  ftliC «  wasserschlauch ;  sdra  =  Sa.  'Af.  sdräy 
Cha,  «era,  i\j-^  rtLcken;  seram  =  So.  «ar^n,  Sa.  sinra,  Ty.  G. 
P^CSf»^  Ti.  TSJ^f^i  Weizen;  «itoJ  =  Bil.  sibd,  A.  Affli"* 
geleiten;  cw  =  Sa.  'Af.  o«,  Qu.  qUaz,  qäz  hinzuftigen,  mer  geben; 
kemis  gesäss,   sitzteile,   hinterbacken  =  Sa.  kamas   sitzen   (cf. 

AA  ^enUj  £MC€  id.);  kös  zan,  hom  =-  Sa.  gäid  plur.  göz,  'Af. 

gaysaj  So.  ^et  hom;  A:e«i«  =  Bil.  Aü«  und  käs  (cf.  nos)  zusammen- 
wickeln, zudecken;  mdae  =  Sa.  hasöj  'AI.  biso  Vergangenheit; 
mäsu  =  BiL  De.  Qu.  tcäSy  Cha.  Bar.  was  hören  (Eaf.  way  id., 
Qo.  trd;  or);  masdnko  =  Bil.  Qu.  m^izan^r^,  Ti.  Ty.  A.  G.  H^A^f  * 
harfe  u.  s.  w. 

b)  Die  semitischen  laute  >  j  7  H  in  der  ausspräche  dem 
neugriechiachen  d  gleichkommend,  werden  jenachdem  sie  durch 
das  or  aufge&sst  werden,  im  Be<}auye  entweder  durch  d  (v^. 
§.  7)  oder  s  ausgedrückt;  so:  sibade  und  dibedi  moschuskatze 
=  >Uj  moschus;  safari  =  Jj;  J^j  Ti.  ff^C  dreck,  mist; 
sdmbi  =  Sa.  zämbe,  vJ3S  Sünde;  sdmbil  =  Sa.  zambil,  'Af.  dambil, 
Bil.  danülj  Ti.  i^lfL^i  J^j  korb;  simsim  =  ^^i  sesam;  söy, 
so  =  Ti.  G.  HO '  erzälen;  jenasa  und  genada  =  «JÜä.  leichnam; 
yfimV  =  ^^^-^  kette;  hansir  =  jiyi^  schwein  u.  s.  w.  Nur  in 
ganz   vereinzelten   fallen   steht  für   diese   semitischen   laute  im 


6  VIL  Abbftndlimg:    Beiniieb. 

Be^^uye  ein  y,  wie:  jina  ehebruch,   vgl.  ,^J  njj  huren;  jn&be 
K^^yi>  =  Sünden;  u.  a. 

c)  Ebenso  werden  die  semitischen  laute  ft  0  ^  J»  > 
analog  dem  vorangehenden  fall  im  Be<}auje  bald  durch  t 
(s.  §.  20),  bald  durch  s  ausgedrückt,  wie:  aeba'  =  ^JJo  9^  (cf. 
Gr.  R-fl*^ « OlJ^O '  intingere)  ftlrben,  vgl.  So.  dob  £arbe;  sbuh 
(aus  sebhu,  vgl.  §.  45,  a  und  §.  46,  a)  =  J:i  morgen;  8abün  = 
t^yy^  seife;  9id  =  j^.^sa^  die  südliche  berglandschaft  von  Egypten, 
Nubien;  sidig  =-^  j;Xo  warheit;  «w/an  ==  ^^li^  zunder;  sild  = 
^^JJo  beten ;  sän  =  ^^^«t^  teller ;  saräf  =  l-5\^  geldwechder ;  « 
=  G-  0X0^ '  Giir.  J^£Bb  I  (Kaf.  hij,  hiSy  Go.  f c,  Bar.  e«t)  verschliessen; 
'i«i  und  hisa  =  Sa.  Aö?e,  Bil.  quSä,  Ti.  Gr.  #hft*  c^-*^  sand; 
iarel«  =  ^^4  aiissatz;  bös  =  Sud.-Ar.  ^^S  ror;  gamis  =  G. 
♦*TLJf »  ^^^  ♦'TLA«  c>=^  hemd;  tiöAcm  =  ^  G.  WfAt  Ti. 
AXr#li  *  ^yj  ^^^  ^^^^  9  raftf^  neben  erahis  =  ,^>at^j  billig  u.  s.  w. 

10)  Selten  zeigt  sich  im  Be<Jauye  im  gleichen  wort  ein 
Wechsel  zwischen  s  und  S,  wie  sÜsil,  sinsil  und  SinSel  =  Q. 
AAAA '  J ■**«?■*;■>  und  rntth?^  kette;  aakir  und  ^afctV  =  G.  Ah^> 
^^,  Ti.  ifh^*  "^5?^  sich  berauschen.  Wo  ein  be<J,  s  einem 
semitischen  ^  gegenübersteht,  muss  die  entlehnung  eines  Wortes 
einer  zeit  angehören,  in  welcher  auch  im  semitischen  noch  die 
form  mit  s  existirte,  vgl.  safari  und  Ti.  ff^C «  aber  jS:  mist, 
kot  (§.  9,b);  harU  und  Ti.  A^lfi  ^y^j^,  aber  G.  «h^/^' 
und  #fi^A  '  nashorn ;  hawas  und  Ti.  ffi^^ff  '(lA  >  neben  ^hA^A > 
scherzen;  mesär  und  Ti.  jr*?fC«  aber  G.  A.  ^AC*  axt. 

11)  Abfall  von  8  infolge  Überganges  von  ^  zu  A,  welches 
sich  dann  verflüchtigt,  lässt  sich  ersehen  in:  bariis  er,  bait&M 
sie  (BA),  das  im  Bischari  zu  barüh^  bat&h  übergeht  und  im 
Halenga  fast  wie  barü,  batü  lautet,  ebenso  bard  (m.),  batd  (f. 
pl.)  =  bardhy  batdh  (Bisch.)  und  bardsy  bald»  (BA.)  In  der- 
selben weise  scheint  ümero  ^  zeit,  ehemals,  aus  G.  H^'^'T  *  o^3 
l&f  (vgl.  So.  amdny  Bil.  emdnä  id.,  Sa.  kämdnä  heuer,  d.  i.  kä- 
amdnä  dieses  jar)  entstanden  zu  sein;  villeicht  gehört  auch 
hieher  niwa  (vgl.  Ti.  G.  HUl  *  ^^'>)  schwänz. 

12)  Die  liquida  l,  r  und   der   dentale  nasal  n  haben  di< 
gleiche  ausspräche  wie  im  deutschen.    Sie  wechseln  häufig  untere 
einander  ab,  wie:  babal  und  babar^  baber  flattern,  fliegen;  bÜe^ 


'  Für  emero,  s.  §.  88  und  über  den  accent  in  {nnero  s.  §.  108. 


Die  B«dM7«-Spracbe  in  Nordost-Aftikft.  n.  7 

und  Idre  regen;  delif  und  derif  dunkel;  braun;  ddhaloj  dd- 
baro  und  ddbano  zart,  klein;  tdlha  und  tärha  links;  lät  und  rät 
blatt;  gäl  und  gär  eins;  küle  und  küre  zan;  amhalöy  und  am- 
6aröy  Uppe;  maZö  (aus  ma-Zai?)  zwei,  und  raü  zweiter,  a«a- 
rdma  (4*  2)  siben,  Septem;  haiig  und  Aam^  biegen;  «i2«t7  und 
9{nBil  kette.  Demselben  Wechsel  begegnet  man  bei  vergleichung 
dieser  laute  mit  den  entsprechenden  Wörtern  in  den  übrigen 
sprachen;  vgl. 

a)  für  l:  lagt  (aus  lag^y  l^g^y^  Ictgctd,  vgl.  §.  31  und  33) 
reise,  weg  =  Bil.  langar,  Agm.  langad,  G.  Ti.  A.  ilfL  i  reisen, 
^IIÄ" «  weg;  la  =  ^  G.  MT^Ö «  fett,  von  lil  i^Q « ;  %« 
=  Ti.  hp*  Sa.  'Af.  ruguäj  Cha.  niyö,  Agm.  nati  kalb;  leh  = 
Sa.  'Af.  läh  krank  sein,   G.  A'lA'^«   t^j  '"^^  •"'y'?  l^^^s  f^t, 

n  ^^^^^  naha  abnemen,  schwach  werden;  lehd-y,  lehd-yt 
(ablaÜT)  am  morgen,  morgen  =  A.  ^p%  G.  ^^V^  der  morgen; 
Uhdk  =Ty.  ir'iO^ » ta-nhag  neben  ^Oi^ « ta-hnag,  A.  +V*7 «  *^- 
naj  fllr  ta-nhag,  Ti.  |l¥*7 1  »i>Ua.  gaumen ;  Ztjfc  (flir  lekü)  =  'Af. 
rtfgö,  Cha.  roqüä  thon,  lem;  ZaZö  =  Bil.  lilö,  Ti.  Ty.  A.  G.  A«A*» 
H  V  Asi  ***^^^?  WOTpc  geier;  lüm  =  ^^  steiss,  podex;  Uso 

»  LÜ  K^  wölke;  luw  (aus  leu?,  vgl.  §.  88)  brennen,  lau  (aus 
lahw)  brand  =  G.  Aflfl*  <4^  ^i!^  brennen;  babal,  auch  babar, 
hcAer  =  S&.falfal  flattern,  fliegen;  66^6^Z  =  Ti.  flTJ  i  Sa.  6a/an 
tripper;  bütu  =  Ku.  6rfr<5  Hirse;  dÜle  =  Bil.  dfra  frucht  der 
adansonia;  haiig  und  %am^  =^  Bil.  *agal,  Ti.  0^>t  und  0^>i 
hpp  (sy.  Dpjy  fUr  pr)  J-ä*  biegen,  krtlmmen,  wickeln ;  hankül  = 
,J^  kitzeln;  melah  =  Bil.  marh^  Sa.  'Af.  marah,  Ti.  G.  i'i'Cffi' 
ftbren,  den  weg  zeigen;  8Ülem  =  Sa.  saraw,  Ty.  A^IO"<  acacia 
etbaica;  Salit-ana  =  Ujit»  ipCXT'  zeichen;  ^«Z^ft^  =  Bil.  Hltüt, 
Ti-ffAm-T«  Ty.  fflUhT'  i>>i>>  fetzen;  teZa  =  Ti.  Ty.  m* 
AA>  (cf*  «{h^  1^9  id.)  durchboren,  -löchern. 

b)  für  r:  r5  =  Sa.  raw,  raü,  rä  brunnen,  tümpel,  G.  ^iDf  i 
irrigari,  ^jj  hausit  aUcui  aquam,  ^jj  aqu4  abundans  (fons); 
rrffta  =  Sa.  'Af.  So.  ia6  männUch;  rib  =  Sa.  'Af.  na" ab,  cjuj  nicht 
wollen,  imleidlich  finden;  ragdd  fuss  =  Sa.  rigid  id.,  ragad, 
«-Mi  Ä  *^?  treten,  tanzen;  regig  strecken,  verjagen  ==  3  con- 
tendit,  £j  movit;  rugüdi  =  T\,  /iptl »  Schlachtung  flir  den  leichen- 
schmaus,  ^TH«  Gl»  ^711«  j^g^lare;  r^/cai  =  Ga.  rägita-ma,  rägd- 
ma,  Kaf.  nd^,  nagü,   U.J  sich  furchten,  ^j  furcht;  ram  »  ^j 


8  VII.  Abhftadliing:    Beiniieh. 

folgen ;  äsorrdma  ([5]  +  2)  siben  =  Ga.  Uhrba  ([5]  +  2)  siben,  Wnio, 
So.  Idba,  Sa.  Idmmä  zwei;  rdyyi  (aus  rati?y,  rcaioh)  gewinn  = 
^j  ^"Hfh*  gewinnen;  ad<£r  =  J.^  honig;  imbira  (aus  cwmiv 
ra,  nömiVa)  =  iJLSp  n^ö3  ameise;  irJo  =  Sa.  «ZW,  Ti.  XA|li 
mais;  'arid  =  JJl»  ,j-Jl»  spilen,  tanzen;  drgin  (ftlr  roffin)  =  JjLj 
^Cn  schaf,  lamm;  ^m6  ===  %^^  sigen;  kars  ganz,  gesammtheit 
=  G-  hAA «  >i^  congessit;  mard'  =  Ga.  ftaZ'  weit,  breit  sein;  terir 
=  Sa.  talal  drehen,  spinnen  u.  s.  w. 

c)  flir  n;  na'  fener  =  Sa.  'Af.  lä'  brennen,  heisa  sein,  Cha. 
liyä  plnr.  lik.  De.  Qu.  layä,  Agm.  {ojf,  Bil.  Z^d  plnr.  lak  fener, 

vgl.  ^+f »    ,?li  ^^**^?  poR^  ardere;   nu'  =  Bil.  nö',  1^. 

?A<nA*  sich  setzen,  legen,  ligen.  Tgl.  ^Ü  sich  neigen;  nd'»  = 
Ga.  re\  So.  rt',  'Af.  ray,  Sa.  'Af.  taA  zige;  n«'ö/,  n'ö/=  Sa.  'Af. 
ityiT  nagel,  kralle,  vgl.  G.  >^+ 1  spalten;  na^cd  =  vnlg.  Ar.  Jju, 
Ar.  AjJ  verflnchen;  neba  =  Ti.  h^O'  heiss  sein,  brennen,  Q. 

A^O «  leuchten  (vgl.  i-i  r-,  ^  ^J^  leuchten,  licht,  tag  und  anp 

v^^  G.  Ann  *  brennen,  s.  oben  luw  brennen  in  §.  12,  a);  nug 
und  nSgäe  =  Sa.  *Af.  angü,  ängüy  Bil.  ungüy  Agm.  Qo.  engiUi 
mutterbrust.  So.  nujf,  Ga.  lüga  saugen;  ngiü  eierschale,  vgL  Sa. 
'Af.  engirö  hülse,  rinde;  nehad  =^  G.  AAH*  schwach,  wankend 
werden,  sich  verringern;  nehas  =  Q.  iKdk*  A.  >4i|f  1^  nj} 
Ti.  AXTtli*  Sil-  Zofe^,  Zcife"  rein  sein;  neAatr  mager,  schwach 
sein  =   PI    ^^  "^^  nehawy  G.  Ahfl'  >  viribus  deficere,  AA^** 

tenerum,  demlem  esse,  cf.  Drn  ^j  «^-J^'j  «^-H=^  i^- 1  *Mdki  dftaui, 
fein,  zart  sein;  schwanger  sein  und  ^J^'^  moUis  fuit,  ,^LJ  tem- 
pori  pariendi  appropinquavit  (femina);  ön  (aus  Adn)  =  Ä.  )lA' 
G.  b»tfhA*  J>^  mit  spiess^anz  die  äugen  bestreichen;  data, 
dmba  =  Ga.  alba-ti  stercus,  alba  cacare;  ba4en  unbeachtet  lasseiii 
vei^ssen  ^  Ti.  (ITA  >  G.  (linA  >  J]4  ^^s^^is  fuit,  cessarit;  An/» 
(ftür  ^n/tf,  e/nti,  o  aus  e  wegen  m  verdumpft)  =  C%a.  a/«r,  0. 
M^^^  1  fett;  6e  aa = JaS,  vgl.  Ti,  flCO »,  G.  ^LC0  »  »ch  ftlrchten; 
hekan  ^  Sa.  *Af.  itoAan,  So,  ja^al  lieben,  <^^al  freund;  kiäm  pliir. 
iriion  =  Bil.  De.  Qu.  ifcärd  plur.  kmr  fluss,  eher;  teta^  Jcd»  — 
Cha.  iti»ar,  Sa.  iiiroy,  Tv.  )|»^f  i  betrübt  sein;  meü  »  Sa.  * A£ 
«d*a'Z  bruder;  ielruda  kokett  =  J^  kokettiren,  u.  a.  w. 

13)  Aus  den  f-Iauten  hervorg^rangen  erweisen  sidi  die 
liquiden  in:  Zä#,  rät  plur.  lai^  rat  baumUatt  ^=  Sa^  daiy  da4j 
daf  prün  sein  =^  dali  grünes«  gras,  baumUatt;  kalif  ^  6.  Jb4¥' 


Die  BedM7«-Spncbe  in  Nordost- Afrika,  n.  9 

(zu  k  und  ^  Tgl.  §.  36)  nacken;  küal  =  Bil.  küaiküatj  Sa.  ^do^- 
jöaf,  Ti.  tT^#n*  picken;  ^fWi,  güär  (fUr  ti?5j«Z,  Wäger,  8. 
§.  45,  a)  =:  jkah.\^  eins  (über  ^  zu  ^  s.  §.  37,  b);  mehal  =  La^, 
La^  heransziehen;  ma-lo  (aus  ma-law,  -lau)  zwei,  ra<2  zweiter, 
asa-räma  (5  +  2)  ==  So.  to-A>6a  (5  +  2)  siben  (vgl.  §.  12,  b);  Bra 
(Ku.  arö,  Bar.  «rö)  =  Ga.  od/.  So.  od,  Sa.  'Af.  *adö  weiss,  G. 
4*^0^  >  weiss  sein;  dfigüra  =  Bil.  iaqutä,  Sa.  §dgda,  Ty.  ft^iS  i 
](i^^i  und  X^^*  Ti.  If^igi  Schöpfeimer;  dura  oheim,  tante 
=  iti  fem.  nrjtn  id.;  dardk  =  G.  ^ft||i  Sa.  dadd%  'Af.  Auü 
die  kalte  jareszeit;  fir  =  A.  i^-i  gesiebt;  yirma  köpf  =  ^l» 
Caput,  fji  praestitit;  u^er  =  Ti.  W^  i  G.  Wjf^h  i  machen.  Im 
etymologischen  zusammenhange  stehen  auch  riya,  Ar.  \L,j  miile, 
luid  G.  j%#hf  I  malen,  zerreiben,  <i»£r^i  müle,  mabtein;  ebenso 
hängt  rugiiäiy  Ti.  ^/^Ili  Schlachtung  fUr  bereitung  des  toten- 
males,  zusammen  mit  Sa.  ddüä  (aus  dcLgia),  'Af.  ddysa  (für 
dagsä)  id.,^  vgl.  damit  ,^^S  confodit  hastÄ  (die  genannte  Schlach- 
tung wird  mittelst  der  lanze  ausgefürt).  Auch  dtlrfte  Bed.  rab 
(Sa.  'Af.  So.  lab)  männlich  sein,  auf  Ti.  G.  •f'-flO  i  A.  «f-fl  i  vi- 
rilem esse,  zurückftiren,  vgl.  i'tlö't  *  ein  männliches,  mas,  mas- 
cnlus,  im  gegensatz  zu  Jitlt^t  weiblich. 

14)  Unsicher  ist  es,  ob  Z,  r  ftlr  früheres  $  steht,  in :  le'ub 
ziehen,  herausziehen  (das  schwert  u.  dgl.)  und  G.  Affifl '  vI^^a^ 
an^  id.;  damer  (ftür  daner)  schmutzig  werden  und  ,^^S  sorduit; 
nigir  und  ,^lcu  kupfer  (zu  g  und  h  vgl.  §.  37,  b),  doch  dtlrfte 
nigdr  eher  zu  Ti.  A.  ip£^9  gehören,  der  (meist  aus  kupfer 
verfertigten)  tronmiel,  welche  den  ftürsten  zu  eren  geschlagen 
und  vorangetragen  wird. 

15)  Abgefallen  sind  die  liquiden  in:  ^a  (zunächst  aus 
engaj/y  engar)  rücken  =  De.  Qu.  engiyä  plur.  enge,  Agm.  angir, 
BiL  ingeri  id.,  cf.  yiJ  posterior  pars;  femer  in  kam  =  jf^  G. 
TL  l^^A*  kamel.  Genau  dieselbe  form  zeigt  sich  in  Nub.  kam 
aber  noch  pfair.  kdnd-l  (EID.),  kdmr-l  (FM.)  kamel. 

16)  Abfall  von  n  ligt  vor  in:  'a  milch  =  So.  *dno,  Ga. 
andn^  Sa.  'Af.  han  id. ;  dwe  •  =  Ti.  G.  \fn  •  R?  stein,  vgl.  auch 


*  VgL  I  i  ^^^  rx»  neben  ilterem      1 1  ^^^  tx*  die  kele  durchBchneideiiY 

■chlachten. 
'  In  tekummmb  quanit  (Ifonz.)  ist  dieees  n  noch  vorhanden;  djtf  wort  bedeutet 
waracheinlich:  weiner,  gUnxender  stein,  ef.  X^tfl  l  I^Jhf  >  nitidam  e«e. 


10  Vn.  AbhudloDf :    Beiniieb. 

Eu.  ebdrä  quarz  d.  i.  ebä-drä  weisser  stein;  ddha  kinn  und 
kinnbart,  gegenüber  ^>  Ti-  Kth^  •  id. ;  dihe  =  'Af.  dikhendy 
Sa.  dilhenö  glutkole  vgl.  ^>  und  ^^^L>  ranch;  däme  »  G.  Ty. 
ii^lt*  ^^^  nord;  kdda  neben  kaddn  =  Bil.  kaddriy  Ti.  Ill%7* 
die  steppe.  Im  anlaut  ist  n,  en  abgefallen  in  da  neben  ^nda 
männer^  lente  =  Sa.  endd,  Ty.  }|7^>  stanun,  tribns;  day  neben 
seltenerem  endäy  gut,  schön  ==  ^^jJ  vortrefflich;  dehdy  neben 
endehdy^  mensch,  lente;  dann  det&j  detik,  dstis  n.  s.  w.  meine, 
deine,  seine  matter,  für  endBtü  n.  s.  w.  inda  mntter;  femer  küna 
und  kina  ^  neben  ankädna  (für  am-küdna  ans  mchküdna  =  Sa. 
makawdn)  herr.  Dieser  abfall  von  anlautendem  afij  en  mag 
wol  auf  einer  irrigen  grammatischen  auffassung  beruhen,  indem 
man  dieses  an^  en  fUr  das  gleichlautende  demonstrativ  der  plural- 
form betrachten  mochte;  vgl.  §.  76. 

Ueber  den  lauthchen  Übergang  von  n  zu  m  vor  labialen 
s.  §.  71,  sowie  über  m  vor  t-  und  ft-lauten  zu  n  s.  §.  72. 

B)  Die  praecacuminalen  f  ^  ^  n. 

17)  Das  t  ist  ein  mit  der  Zungenspitze  zwischen  dem  obern 
teil  des  alveolare  und  dem  beginn  des  gaumens  erzeugter  ve^ 
schlusslaut,  genau  dem  Tigrä  #n  gleichlautend  gesprochen,  wftrend 
das  etymologisch  entsprechende  arabische  1»  im  Sudan  wie  in 
Egypten  etwas  näher  an  der  articulationssteUe  des  t  gebildet 
wird.    Daher  kommt  es  auch,  dass  die  Beni-Amer  welche  im 
ständigen   contact  mit  dem  Tigr^volke  stehen  und  selbst  alle 
das  Tigrä  wie  ire  muttersprache   handhaben,  ir  f  genau  wie 
das  m  sprechen,  wärend  bei  den  Bischari  dieses  t  gleich  dem. 
erwänten  \>  lautet.    Dieser  kleine  unterschid  in  der  aas8pncli& 
des  t  hat  die  folge,  dass  bei  den  Beni-Amer  ein  radicales  t  Mif  eim. 
vorangehendes  (bisweilen  auch  nachfolgendes)  formationselemeDty 
wenn  dasselbe  t,  8  oder  n  lautet,  stets  palatalisirend  einwirkt; 
und  diese  genannten  laute  zu  ^,  i  und  9  umgestaltet;  vgl.  z.  b* 
ta  schlagen,  pass.  {ö-fa   (nicht  tö-fa)  geschlagen  werden,  caiiB- 
i(hta   (nicht  sö-fa)  schlagen  lassen,  anfV  ich  schlage   (dagegen 
z.  b.   afandig  ich  befreie,   von  fadig\   wärend  Almkvist  dk 


»  AoB  enda  lente  +  Äfly  =  Sa.  'Af.  he^,  heyo,  G.  ^fm*  I  viTeni. 
*  Für  kena  wegen  des  «ccentes,  t.  $.  106. 


N 


Die  B«dM7»-Spnche  in  Mordoet-Afrilu.  II.  11 

formen  to-ta  und  sö-fo,  anfürt  und  eine  reihe  gleich  gebildeter 
Wörter.  Ich  beeile  mich  aber  zu  constatiren,  dass  auch  die- 
jenigen leute  vom  stamm  der  Bischari  welche  mir  ftlr  meine 
arbeiten  zur  yerfbgung  standen,  ebenso  sö-fa  und  tö-fa'  u.  s.  w. 
bildeten,  genau  so  wie  Almkvist  angibt,  dieser  abo  gewiss  ganz 
richtig  gehört  und  darnach  seine  formen  aufgezeichnet  hat. 

18)  Aus  zwei  umständen  aber  ist  zu  entnemen,  dass  der 
laut  t  im  Be<jiau7e  (genau  so  wie  im  Sabo  und  *Afar)  stark  im 
Schwund  begriffen  ist,  und  zwar  einerseits  aus  dem  verhältniss- 
mässig  gar  ser  seltenen  vorkommen  desselben  in  Munzinger's, 
Almkvist's  und  meinen  eigenen  sprachlichen  aufzeichnungen 
(doch  dieser  umstand  könnte  immerhin  noch  ein  zufälliger  sein), 
anderseits  aber  und  worauf  gewiss  mer  gewicht  zu  legen  ist, 
aus  der  tatsache,  dass  dieses  f  so  ungemein  häufig  durch  t 
(auch  d)  und  wie  fast  allgemein  in  sämmtUchen  niderkuschi- 
tischen  sprachen  durch  ^  ersetzt  wird.  Die  erklärung  fUr  die 
erstere  erscheinung  ergibt  sich  aus  dem  in  §.  17  angegebenen 
lautfisiologischen  gründe.  Für  das  vorkommen  von  f  finde  ich 
in  meinen  aufzeichnungen  nur  folgende  belege :  fa'  und  ^a  (bei 

A.  t^\   bei  Mu.  ^a)  schlagen  =  o(]ö(]  tata   und 

taq,    taktaky  2COH!2fL€R,   Ti.  G.  aiTO «  A.  #n^«; 

So.  <2?a'  id.;  t^b  und  ^  (neben  ^a&)  bei  A.  täb  merere  schlagen, 
welche  bedeutung  unrichtig  ist,  indem  es  einfach  nur  schlagen 
bezeichnet,  vgl.  barus  efbi-hEb  er  schlägt  mich,  kl-täba-hib  er 
schlägt  mich  nicht.  Diesem  wort  entspricht  BiL  ia^anb^  Qu. 
tamhj  Cha.  tab  schlagen.  Femer  tabbal  zu-,  verschUessen  die 
tttre  »=  Ti.  mflA'  zubinden,  verschUessen,  wol  im  Zusammen- 
hang mit  Ti.  G.  ni'flAA  *  ^üi-,  zusammenwickeln.  Dann :  t^ldy 
regenbogen,  cf.  iyiL  albedo  aurorae.  Ausserdem  noch  die  zwei 
interessanten  formen  S%tan  und  tUdn  (Ti.  (^i^n '  ^-  Aj&^7  > 
^Ik^)  teufel,  vgl.  die  Verbindung  if  mit  i  und  8  mit  t  (s.  §.  17). 
Bei  A.  findet  man  noch:  tib  anfüllen,  wofür  ich  Hb  besitze  (s.  §.  4), 
dann  |a^u*  geknetet  werden  im  bade  =  Sud.-Ar.  3kAl>;  femer 
pn  (Ar.  ,2x^)  thon,  bei  mir  nur  tln;  endlich  t^ü  einschlagender 
hhtz,  das  man  wol  zusammenstellen  darf  mit  G.  0/'^  i  fragor 
tonitrufi  u.  a.  ip,  i  J^A  *  niit  voller  wucht  aufschlagen,  niderfallen. 

19)  Fast  regelmässig  steht  dagegen  in  lehnwörtem  einem 
Hl  k  im  Be^auye  dentales  t  gegenüber  (vgl.  §.  18),  wie:  tu"  und 


12  ▼ll*  AbhftDdliiDg:    Beiniseb. 

Ti.  G.  n^4*i  zwicken;  Ub  und  Ti.  Am^i  s^^  baumwoUe;  tüb 
und  Ti.  Hh*!!*  v^^  ziegel;  taga  und  Ti.  #i|4*^i  J^^  fenster; 
^I&a  und  iJJ^  Steuer;  tarn  essen,  und  Ti.  #I|Aiipi  A.  ^^pi 
G.  'fdao  I  ^^aL  verkosten ;  tama^  und  Ti.  #n^0 '  ^üdg  sein, 
A^  coneupivit;  t^myA;  und  Ti.  mS^^'  einwickeln;  i^ite  und 
G.  /n*T*  ^>^  baumwoUe;  taway  und  ^y>  von  sich  weisen;  ^at 
und  Lft  Sa.  *at  und*a^  treten;  'amat  neben  'amad  und  kU  ^* 
anfassen;  bat  und  Sud.- Ar.  UU  ==  Ar.  1^1  achselhöle;  Adt  und 
k5l^  mauer;  Adtera  und  Ti.  «fiTC'  ^r:^V^  mutig;  Ä:e^  und  iL 
setzen;  kaV  und  ^  abschneiden;  malt^  und  G.  tf^Alll*  ^ 
rupfen;  «e/:%t  und  ksiid  erwürgen  u.  s.  w.  Aus  der  tatsache  noDi 
dass  im  Be^auye  das  t  ^^^  üi  specifisch  semitischen  lehn- 
Wörtern  erscheint  und  auch  in  diesen  das  m  U  nur  so  sehen 
mittelst  t  ausgedrückt,  in  der  regel  vilmer  durch  dentaks  t 
ersetzt  wird,  darf  wol  erschlossen  werden,  dass  wie  in  den 
übrigen  nider-  und  hochkuschitischen  sprachen,  so  aoch  im 
Bo<)auye  das  f  nicht  ab  ein  ursprünglich  kuschitischer,  sondern 
als  ein  dem  semitischen  entlehnter  laut  zu  betrachten  ist. 

20)  Seltener  werden  die  laute  X  0  UiL,  ^  ^f  S  die  ja 
lauttisiologisch  ab  reibungsgerfiusche  auf  ein  in  ^  ^  xorQdL- 
fUren,  durch  i  (fUr  i)  ersetzt;  so  z.  b.  tim  und  6.  J^mmt  (c£ 
^)  schweigen;  tdmvga  und  Ty.  G.  Bp^9  Unks;  fgigt  md 
Ty*  Jt^*"*^*  T^'  m^^*  einwickeb;  ierig  und  A.  iBC^i 
mond;  tat  insect»  laus,  und  G.  lUU^*  Q^  f^^f^  Agm.  §imfi 
mücke.  Kaf.  Go.  f^c^,  Wir.  Wil.  c^cä  lans;  #Mr  und  TL  Tj. 
OLm^i  nA>  (cf.  G.  X^*0'  id)  schreien;  ardi  nnd  TL  ^iJ^i 
Bil.  ftrtraJd  (Sa.  ard*\  aeacia  etbaica;  TgL  andi 
seite^  haUty  dranssen,  und  A.  fl^-iB.  s  TTS  ilnnimi 
seiti^.  In  der  n?|^>l  steht  diesen  semitisclien  lantea 
ein  4  v^-  $*  ~^  ^^^  ^^  '  gegenüber,  wie  taM  wm^  TL  6. 
«tlt,*>t  eisen;  «ff  klein«  zarL  und  ,^y»^  zart  sein;  4tMm 
jLL^  hfdzenMT  r^el:  Mhdah  und  sS^  <!>>  eideckse;  dfi^ 
*n  ACi^t  Yc4-i  beüla:  dmlmmti  und  11  6.  J^A^»^!  aJ^ 
tiin^ti^raisst:  J^mtim  und  G.  9m^0^t  ZJ^  pnease«:  Um  ^si  J^ 
meinen,  glanben:  derim  und  |.^^  berde:  firim  nnd  ^2  l^fl**» 
$ttlek  eines  kleides:  ^Jiwi  und  49n  TSa.  'AI  «Bb^  nl  U 
ai<tfk  t  XQJ^^  t  Bil.  ri^A  volkssstftmm.  tnbtts  G.  S^flb*  sSin); 
/«riflbi  nnd  iL«^  ankerplaxz:  fdai  und  Tt.  fS^s  Tx  G. 
pei$k-h::  fäMhm  traszig.  und  TL  4»]Ul<  inAem:  fed 


Die  Bedanye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  II.  13 

teich;  hinde  und  A.  XTtt^^  ^*  Öt^  F?  bäum,  holz;  modah 
und  1^  streiten^  n.  s.  w. 

21)  Das  4}  in  sämmtlichen  niderkoschitischen  sprachen 
in  Reicher  weise  ausgesprochen  und  nur  in  diesen,  in  den 
hochkuschitischen  sprachen  aber  nicht  Yorkommend,  wofUr  hier 
t  erscheint,  ist  die  media  oder  tonans  praecacuminalis.  Es  wird 
dieses  4  gebildet,  indem  man  die  Zungenspitze  nach  rückwärts 
gegen  den  gaumen  biegt,  zugleich  die  beiden  unteren  seiten- 
rftnder  der  zunge  leise  an  das  alveolare  anlegt  und  nun  d  zu 
sprechen  sucht;  so  wird  ein  laut  erzeugt,  der  fast  wie  ein  rd 
gehört  wird  und  häufig  auch  von  reisenden  als  rd  aufgeschriben 
worden  ist;  vgl.  hiertlber  auch  Almkvist  1.  c.  p.  44  und 
A.  W.  Schleicher,  Somalisprache  p.  70.  —  Häufig  wird  dieses 
4  auch  so  gesprochen,  dass  die  untere  Zungenspitze  leise  das 
gaumendach  berürt  und  so  der  hervorgebrachte  laut  fast  wie 
ein  unvollkommenes  dsch  (eigentlich  ein  4y)  klingt.  Im  Saho 
und  *Afar  wird  dieses  4  genau  so  wie  im  Be^auje  ausgesprochen, 
aber  nur  im  anlaut,  im  in-  und  auslaut  aber  nur  dann,  wenn 
demselben  unmittelbar  ein  n  vorangebt,  mit  welchem  es  dann 
wie  im  Be<}auye  ein  n4  bildet,  sonst  geht  aber  4  ini  in-  und 
auslaut  in  {  über,  das  an  der  articulationsstelle  von  4  erzeugt 
wird.  Etymologisch  fkllt  dieses  l  mit  dem  Somali-^  zusammen, 
welches  Hunter  dem  Sanskritlaut  g^  gleichstellt  und  Bopp 
mit  Ira  umschreibt.  BöhÜingk  identificirt  diesen  letztern  laut 
mit  dem  polnischen  l,  welchem  das  l  im  Saho  und  'Afar  aller- 
dings nach  seiner  articulationsstelle  gleich  kommt,  von  diesem 
sich  aber  darin  unterscheidet,  dass  es  wenigstens  nach  meiner 
erfarung  nicht  im  Saho  und  'Afar  wie  i  mit  vertieftem  klang 
der  stimme  gesprochen  wird. 

22)  Hiernach  entspricht  Be^.  4  einem  4  oder  {  in  den 
niderkuschitischen  und  einem  f  in  den  hochkuschitischen  und 
semitischen  sprachen,  so  wie  den  aus  t  hervorgegangenen  Zisch- 
lauten ^9  ^9  X  0  ^  J>;  z.  b.:  ^t6d&  der  floh,  und  A.  oiflinn* 
springen,  laufen,  aiHfi  hüpfen;  4^^^'^  nnd  A.  m^aot  aus- 
bessern ein  kleid,  nähen,  flicken;  4^^^<^  und  Ga.  4<^<l^^i  Qu. 
dajfiäj  Ku.  ddgehä  thon,  lem,  vgl.  n^c  ^Ü;  4^'"^f>o  und  Ti.  A. 
mQ^tf  Sa.  t^bäy  ^c£6ö  brod;  ^en  anfangen,  und  G.  Tll*» 
anfang,  Wmit  anfangen;  a4  und  ^  heu;  k4  und  Bil.  qüaf- 
qüat,  Sa.  alal  zittern;  'a^(/^ rinde,  und  G.  4*^11*  I^O  *P^  \JbÜ 


14  VII.  Abhandlung:    Beinisch. 

abschälen;^  a4a.m  und  G.  <^ai)>  1^-  4*T)*  t^  klein  sein,  Sa. 
en4a  (ans  eina)  klein;  ^afii  und  Llf  Sa.  han4if  niesen;  dr^iehy 
dn4e^  (aus  am4eh  ==■  7na4eh)  und  Sa.  waldhö  gegerbtes  leder- 
kleid;  zugleich  als  unterläge  beim  schlafen  verwendet,  vgl.  G. 
ID^^i  ^3  VT^  stemere,  im  Bil.  wäic^äy  Cba.  wd^eq  gegerbte 
kuhhaut  als  unterläge  zum  schlafen;  he4dh  und  Ti.  G.  flXTffi* 
ankommen;  fi4  und  Tj.  9T*  AA*  sicl^  schneuzen;  fe4ag  um- 
rüren,  vgl.  G.  iPOlt '  separare;  hdmaia  knecht,  und  G.  Ollini 
jj^  "^d?  arbeiten;  A;tt^  und  Ti.  G.  'tTA*  (^  ^9C^  inre  gehen; 
ka4<iw  und  G.  ')^#n'  ^^  ^^  schlagen,  pochen;  ka%üi4  peitsche, 
und  G.  Afi'in*  Ti.  Ty.  fffi'in*  Bil.  Sa.  iau^^  peitschen;  ma4d4 
lebhaft,  heiter,  vgl.  ^^^  agilis;  mba4e  (aus  m(6ä-t)  und  G. 
Ti.  «'■'TQ^h^'  Schwert  (woher  auch  Nub.  mdtway  messer); 
mcLidm  die  matte,  und  Ti.  IDA>i  ^{^3  flechten  die  matte;  ie- 
^t^  und  G.  iPOim*  ^  X^  abschälen;  j^o^a*  und  Bil.  qfketj 
qüetqüetf  Qu.  Aic«^,  wef,  Ga.  ^tV,  So.  ^d^  feucht,  nass  sein,  und  Ga. 
hd4a,  So.  e4'in,  Sa.  eWn  grün;  vgl.  auch  baden  und  Jlj  (§.  12,  c). 

23)  Im  Be^auye  selbst  zeigt  sich  schon  zuweilen  lautlicher 
Übergang  von  d  zu  ^,  wie :  deb  und  ^e6  begraben,  dihani  und  ^ 
Aant  gesund,  heil,  mbdd  und  m6(£^  die  matraze,  matte,  dndo  und 
dn4o*  mist  u.  dgl.;  daher  kann  es  nicht  befremden,  dass  auch 
bisweilen  ein  Hei,  4  ^  ^  in  <^6ii  verwanten  sprachen  zum 
Vorschein  kommt;  vgl.  z.  b.  ^e6  neben  dcJ  =  Bil.  De.  Qu.  dab, 
Cha.  <K6  begraben;  ^^Aani  neben  dihani  heil,  gesund  =  Ti. 
^#hV>^M>  Gl^-  £"D*  A.  i{>i  salvum  evadere:  di^^o  neben 
dndäw  =  G.  XiSlD"  I  mist,  kot;  be4ätDye  ==  ^j,^\j^,,  ^Jh^  ^ 
duinisch;  m&c£^  neben  mbdd  (zunächst  aus  nbad)  =  jJJ  matte, 

teppich,  vgl.  Nub.  nebid^  nibid  und  1  o  X  nebti,      1       v     neM, 

K€&^  id.,     j  neied  flechten,  geflecht,  WOTÄT,  neqr,  liOTq 

plectere,  cf.  LSj  ligavit. 

24)  Einem  >j  steht  ^  gegenüber  in:  g%4d'  =  «\jkah.'  sole, 
Sandale;  hcufig  pressen,  kneten  =  «s^Jai.  pressit;  vgl.  auch  ie4i4 
abschälen,  und  JLu»  neben  Lm»,  G.  iP#nin  *  scindere.    Wie  4  '^ 

^  Vgl.   die   stammverwanten   formen    aiDp  aatp  ^Bp  ^BH  aXTT  uaLS  O. 

♦7#nfl  •  TL  t7#n^  «  «•  *•  w®?»  abreissen. 
'  4  wirkt  (wie  oben  das  t  in  §.  17)  auf  vorangehendes  §  und  n  palatalisirend 

ein  nnd  verändert  diese  zu  /,  ri. 
»  Zu  ^  flir  ^  vgl.  §.  S7,  b. 


Di«  B«dM7»-Sprmche  in  Nordost- Afrilu.  TL.  15 

(ufif  rinde  y  einem  iy  dann  s  ans  §  (t)  gegenübersteht  in  ^ipn 
uLfii  G.  4*^X  *  abschälen,  so  vgl.  Be^.  4^h  fett  sein,  mit  Agm. 
«o^y  Bil.  $aqü  (für  $aqw  aas  sawq),  Ti.  ff'flffi  *  G.  iP*n#fi  t  (cf. 
^i^i*  nnd  Nnb.  iähüa  fett)  pinguescere,  ^6%^  und  Bil.  Jau^ 
speise.  Demnach  dürfte  auch  Bei.  ^fna  bine,  mit  So.  iint  id., 
zusammengehören.  Be4'  4  steht  selbst  im  eingebürgerten  ^a/ 
fiarbe,  4if  f^ben,  einem  s  im  neueren  lehnwort  seba  färben  = 
^^  gegenüber ;  vgl.  So.  dob  ftlrben,  midab  färbe,  und  ' Af .  dobd* 
=  So.  nioi  indigo  i.  e.  ^X^  9^  färbe  (Sa.  musuwdn  d.  i.  mvr 
suw'-än  indigo). 

25)  Von  der  schon  oben  §.21  beschribenen  ausspräche 
des  4  fftst  wie  ein  dsch  (eigentlich  4y)  kommt  es  auch,  dass 
die  beiden  laute  4  ^ind  j  (das  ar.  ^)  häufig  mit  einander  ver- 
wechselt werden.  Nicht  selten  hört  man  auch  ganz  deutUch 
die  beiden  laute  in  ein  und  demselben  wort  bei  verschidenen 
individuen,  so:  embä4  und  embdj  die  matte;  be4dtoye  und  be- 
jiwye  das  beduinische  =  vifj^JO;  daher  denn  auch  die  Araber 
das  gebiet,  in  welchem  die'  Be^auyestämme  wonen,  als  i^\^ 
bezeichnen,  one  zu  wissen  dass  sie  es  hier  mit  einem  arabischen 
wort  zu  tun  haben;  ygl.  auch  wdja  und  sjl^  versprochenes, 
das  versprechen.  Umgekert  vernemen  wider  die  Bedscha  ein 
arabisches  j  bisweilen  ab  4]  vgl.  z.  b.  a4  ftlr  Ubip  schreien  das 
kamel;  €u}tn  (neben  richtigem  ajin)  für  ^^rt^  *®^S5  4^/^^  türe, 
von  U^  clausit  (portam);  ^tm  ausfüllen,  für  ^;  ^«mt  stinken, 
für  ^j$sf^j  und  dann  auch  zuweilen  d  für  j,  wie:  dif  (So.  4^f) 
für  jl».  vorbeigehen  (über  f  zu  z  vgl.  §.  61);  delib  für  y^A^ 
handel  treiben;  dilh  für  IL^  kräftig  sein;  dinne  himmel,  für 
ils^  paradies;  dawel  nahe,  vgl.  J^  TU  vicinus  fuit;  duwdn  ge- 
flbss  für  SSy^  P'^"'»  o^5  duwer  für  ^\^  stamm,  tribus;*  vgl. 
auch  däb  und  Bil.  De.  Qu.  j^öJ  vorder-,  gesichtsseite;  difo  und 
Ti.  ^C^ «  gekochte  getreidekömer,  belila  (s.  §.  20). 

26)  Wie  das  tönende  z,  so  feit  auch  das  i  im  Be(}au7e 
und  es  kommt  hier  nur  ein  i  (unser  seh)  vor.  Ueber  den  Über- 
gang von  «  zu  if  in  folge  einwirkung  eines  t  oder  4  war  be- 


*  Za  6  in  4^a  s,  §.  105;  zu  U^  gehOrt  auch  Ga.  cö/a  (lies  wol  ^'t</a) 

BchliesBen,  cufli  tfire. 
'  So  auch  im  *Afar,  vgl.  ?tAi/dä  und  jL^UL  sache;  nräd  und  r\lM»  das 

licht  in  der  laterne,  u.  a. ;  vgl.  hierüber  auch  im  Somali,  A.  W.  Schleicher, 

SomaU-sprache,  s.  67,  §.  33. 


16  Vn.  Abhandlung:    Reinisch. 

reits  die  rede  (§.  17).  Eine  andere  entstehung  von  i  aus  «iy 
8y  ligt  vor  in  rugiidS  =  Ty.  /iPli^t  totenopfer,  und  vermut- 
lich in  angaS  pflüg,  aus  ma-grcun,  Ty.  ^ghd/L*  (yS^-  §•  "^2). 
In  den  verwanten  sprachen  stehen  dem  Bed.  S  entweder  i^  «, 
c,  j,  auch  t)  selten  t^  d  gegenüber;  vgl.  Sä'  kuh,  uiid  Sa.  'Af. 
80*  vih,  So.  8a\  Ga.  zä  kuh;  Sl*  =  ^li»  alt  werden;  ieß  milch 
trinken  ==  Agm.  saf,  Bil.  De.  Qu.  ^«6,  Cha.  iaby  gaü,  Ty.  XQ  • 
milch,  G.  niflO*  A.  niQ*  lactare;  ^gü4  waschen  kleider  =  G. 
Mai*  condire  unguenta/ und  KöfL^Kihf^*  laevem,  politum, 
nitidum  esse;  Sük  =  Ku.  Sükä,  Sa.  'Af.  sakakö  atem,  lebens- 
hauch;  Selik  =  Sa.  Salag,  Bil.  Sallcig  wenig,  gering  sein;  ielhüi- 
ani  schlüpfrige  stelle  und  Sahat,  auch  Sat  =  Bil.  jcdhafy  Qu. 
sarxatf  QA.jdday  A.  /{ni*  T^^-  ^'tff*  ^*  J^'tff*  J^>  ausgleiten; 
Salit-ana  =  1»^  G.  ipCXT*  ^79  ^'?9  zeichen,  strich;  ium  » 
Sa.  'Af.  2^ti7,  sawj  Bil.  Cha.  De.  Qu.  Agm.  tuw  eintreten;  iemU 
=  Bil.  äamaty  Ti.  ifiiD'i*!  schmieren;  San  =  Qu.  ifdfi,  Agm. 
Qäny  Cha.  ^an,  Bil.  ca'an,  A.  ^>i  Ti.  Mi*  Gt-  KOi*  c^ 
]^^  ]9^  beladen;  idna  =  Ku.  adnäy  jLjuLo  arbeit;  dia  =  G.  9*^1 
fisch;  dJ^o  ==  ^U  rebell;  öS  harnen,  üSa  =  Sa.  haSiÜy  *A£. 
Aay«6  harn;*  AeW  ==  Bil.  jdifa,  Ti.  G.  -^Jti  staub;  Aeit  =  G. 
JtiM*  ^^  abreissen;  kdrfaS  =  Ku.  karbäSä^  Sa.  kdrfoBj  BiL 
käärbaVf  Ti.  hC^/^  *  schuh  der  pflugschar  aus  elefantenhaut; 
A;i(aj  =  G.  }iA>  #hAi  fortbringen;  roSdn  =  Sa.  ro«dn,  ^Loj 
bürg,  palast,  u.  s.  w.  Das  wort  kiS  geizig  sein,  scheint  aus 
kiky,  kic  entstanden  zu  sein,  vgl.  G.  44>f  i  geizig  sein,  ^^f^i 
geiz;   ebenso  mdS'ali  gestell,  tafel,  fach,  aus  masycdlj  maskaU 

-  Ty.  aoH*lt*  id. 

27)  Der  nasal  dieser  consonantenreihe,  nemlich  das  n  ist 
wie  im  Saho  und  'Afar  bloss  secundär  und  steht  nur  für  n  vor 
t  und  4]  8-  §•  1*7  ^Hid  Almkvist  pg.  43,  §.  14. 

C)  Die  palatalen  j  und  y. 

28)  Die  stärkeren  explosivlaute  c  und  ^  (Y>9)  kennt 
das  Beijauye  nicht,    sondern   nur    das    sanftere  j  =  ^  und  Ti. 

^  Das  waschen  der  kleider  in  Aethiopien  ist  ein  parfÜrmiren  derselben;  sie 

werden  in  abgestandenem  kohorin  eingeweicht»  der  als  seafe  dienL 
'  Vgl.  So.  kadi  id.,  kt^  uriniren,  und   ^u  orinatus    foit,  ^^ySi^m  Utrina, 
podex. 


••     S    '      ^ 


Dm  Bedsaye-Sprache  in  Nordott-Afrika.  ü.  17 

Jf;*  aber  anch  dieses  letztere  betrachten  Lepsius  und  Almkvist 
für  einen  nicht  ursprünglich  dem  Be^auye  angehörigen^  sondern 
aus  dem  Arabischen  entnommenen  laut^  weil  er  sich  fast  aus- 
schliesslich nur  in  arabischen  lehnwörtem  vorfinde.  Dieser  an- 
sieht vermag  ich  deshalb  nicht  beizustimmen^  weil  es  sich  nach- 
weisen lässt,  dass  der  genannte  quetschlaut  wie  in  anderen 
sprachen  auch  im  Be^auye  selbständig  und  in  einheimischen 
Wörtern  aus  der  Verbindung  von  ty,  ti  und  dy,  di  dann  ky^  gy 
entstanden  ist.  So  findet  man  z.  b.  kye  und  je  seeschlange; 
von  rät  fragen^  die  beiden  formen  rdtl-ya  und  räj-ya  er  fragte, 
u.a.;  vgl.  femer:  bajök  (neben  grammatisch  richtigem  batyök) 
geh  bei  dir;  ü-gaü  ü-bajük  (und  batyük)  wünu  dein  haus  ist 
gross;  ü-mSk-is  ü-bajüs  (und  batyüs)  amdgu  ir  esel  ist  schlecht; 
ürgaw-ik  ü'bajdkena  (und  bat-y-äkena)  daüribu  euer  haus  ist 
schön;  und  so  eine  reihe  anderer  grammatischer  formen.  Dieses 
genetivische  %  der  obigen  flirwörter  zeigt  sich  auch  im  werte 
enj6r  adeliger^  aus  end-i  ör  menschenson.  *  Femer  gehören  hieher 
die  parallelformen  gddi  und  gaj  gesicht^  und  güddi  neben  güaj 
äuge  (auch  gesicht)  und  quelle^  welche  zwei  doppelformen  auf 
gemeinschaftliches  Ty.  7X.  •  Ti.  G.  7}f  •  (Cha.  gas,  Bil.  De.  Qu. 
gaS,  Sa.  gada  und  gdzä)  gesicht^  zurückfUren.  Das  arabische 
lehnwort  dik  (d5o>)  erscheint  im  Be^auye  neben  dik  auch  als 
jik  hau;  auf  gleiche  weise  ist  jimmo  katze,  eine  selbständige 
bildung  im  Be^auye  aus  einem  vorauszusetzenden  dyimmo  = 
Ti.  ft^0^t  Ty.  A.  G.  f:co^t  ju>  id.,*  u.  s.  w.  In  arabischen 
lehnwörtem  wird  ^  an  den  küsten  des  roten  meeres  wie  j,  gegen 
die  westliche,  egyptische  seite  zu  aber  wie  g  ausgesprochen;  so: 
jib  und  gib  =  «^^-4^  tasche;  jeddad  und  gedddd  =  ^J^  hun; 
jendsa  und  gendda  =  ijU^  leiche  u.  s.  w. 

29)  Das  y  erscheint  auch  im  Becjauye  als  mouillirungs- 
laut  aus  jf  welcher   seinerseits   aus  dy  (im  Be<}.  auch  aus  ty) 


^  Daher   steht   auch  Be<}.  j   als   ersatz  für  c  und  e,  vgl.  z.  b.  jdjo  =  Ti. 

^t^/^t  (Ty.  G.  tftJttf»)   mücke;  jüju   =    Bil.  cued,   ^    das 

schnalzen  mit  der  zung^  als  zeichen  der  vemeinang. 
*  YgL  auch  Hunzinger,  Ostafrikanische  Stadien  pg.  363:    to-budjon  nehe 

wir  sind   im    vaterlande,    d.  i.  bül^-ön  land-von-nns;    dann  pg.  864:    en- 

didje  endoa  mutterstamm,  d.  i.  endi-U  i^&wa, 
'  lieber  den  Wechsel  von  j  mit  i  und  d  vgl.  §.  26;  ebenso  über  j  f&r  >  j 

8.  §.  9,  b. 
SitmngBbtf.  d.  pkiL-bist.  OL  CXXYm.  Bd.  7.  Abh.  2 


18  VIT.  Abbandlang:    Beiniteb. 

und  gy  (ky)  hervorgegangen  ist.  Auf  diesem  wege  flirt  y  auf 
k-  und  flaute  zurück.  Ein  y  für  j  erscheint  in:  ahaläy  (zu- 
nächst aus  ahalany,  dann  ahalanj)  =  jS  ^  cercopithecus  griseo- 
viridis,  vgl.  die  parallelformen  für  dasselbe  wort  im  Nubischen: 
abalaii  (i.  e.  abaläny)  und  abaldy;  femer:  yV  und  f'  =  *\ä.  (Bil. 
ga\  6a.  ga,  Sa.  'Af.  gay)  anlangen,  kommen;  yad  =  Ga.  jSda 
sagen;  ddya  =  A.  Äjf  •  Ty.  Ali  Har.  ddH,  Kaf.  Go.  cldjö 
erde,  land;  auch  dürfte  iham  waschen,  aus  yehanty  jeham^  = 


® 


/V>A/N/W 


sceneM,  '^  _       ^^^^^  kexem  lavare,  entstanden  sein. 

30)  In  derselben  weise  steht  y  einem  guttural-  oder  laryn- 
gallaut  gegenüber  in:  yö  =  Kaf.  gaüy  jfö,  Qu.  kuwä^  De.  kewä^ 
Agm.  kiwä  stier;  ya4a\  zunächst  aus  qa4q[a4]  =  Bil.  jö^^  Q^ 
Äöef,  t^ef,  Qa.ji^f  So.  jdy  feucht,  nass  sein,  grün,  unreif  sein, 
So.  'e^-in,  Sa.  ^el-in  feucht,  'alä  nässe;  yaund  =  A.  l\A*  G. 
hflA'  ^j^^  flechten  (vgl.  Nub.  awij  KD.,  ajw  für  ati?;  FM.  id.); 
maräy  =  A.  •7^h»  G.  •7ll^h»  anfallen,  überfallen,  angreifen 
den  feind;  ääy  (zunächst  aus  §ahay)  =  jjiw  pHtt>  wölke;  8äy 
(zunächst  aus  sahay)  =  j^iw»  G.  H#h4*  *  abhäuten  u.  s.  w.  Einem 
hauchlaut  entspricht  y  in:  seny,  seni  ==  Ti.  G.  Htgh*  iij  lij, 
Bil.  safi,  Cha.  §anaqy  So.  j'öj,  *tljf,  Sa.  'Af.  «öjf  (aus  sang)  warten, 
bleiben;  riya  —  iLj  mal-,  mül-,  reibstein;  rayyi  (assimil.  aus 
rawy)  =  ^j  Ti.  G.  /Hiih'  gewinnen;  vgl.  auch  ne-ydü  wir 
geben,  mi-ydü  die  gäbe,  und  hi,  Ti  flfli  (G.  IDflfli  <4^) 
geben.  Einem  hamzeh  oder  auch  'ayn  steht  y  gegenüber  in: 
yaf  =  Ti.  Ty.  A.  G.  hl^  i  (Sa.  'Af.  So.  af,  Ga.  afan.  De.  Qu. 
Af.,  Bil.  ab  plur.  afif)  mund;   yehäm,  ihdm  =  dwp(OM,  dwd(OM, 

'a^t^w  (vgl.  «^Iap  id.)  adler;  kuhdya  =  ^LaI*  n;P5|5  (Sa. 


kuhdya)  flasche,  becher;  aöy,  so  =  Ti.  G.  H0<  (Bil-  Cha.  Qu. 
jih)  erzälen.  Bei  yam  (plurale  tantum)  wasser,  ist  es  fraglich, 
ob  dasselbe  was  am  warscheinlichsten  ist,  zu  t\yi\  plur.  von 
'U  wasser,^  oder  villeicht  zu  d;  ^  meer,  gehört. 

31)   Zur   beleuchtung    des    Zusammenhanges    von    y   mit 
früheren  dentalen  besitzen  wir  ein  schönes  beispil  im  ay,   ey 

^  Vgl.  bei   metathes.  der   zwei  ersten   radicale  Ti.  '^Afl  >   ^-   *}  0fl>    •^• 

tißUt  waschen. 
■  Ueber  das  verhältniss  von  (2  zu  A  «^  o.  §.  7. 
3  Vgl.  Nub.  atnan  wasser,  und  in  den  Berbersprachen  Siva,  Biaachik,  Kabjl, 

Bpni  Mzab  \\.  s.  w.  am-an  (plur.  von  «Li)  wasser. 


Die  BedMje-Spntcbe  in  Nordost- AfHka.  11.  19 

band/  zunächst  aus  o;,  ej  =  A.  fcjf  i  {ej  aus  adi,  ady),  Ty. 
\^t  jS  A  *^^  In  derselben  weise  steht  hayük  =  So.  hadigy 
Sa.  *Af.  hotük  stem;  ebenso  erklären  sich  auch  die  nominal- 
endungen  auf  -nay,  -ney,  -nS  und  die  abstracta  auf  -ay,  -ey  und  -oy 
aus  den  alten  endungen  auf -nä^^  -ät  und  -öt,  wov^on  im  betrefifenden 
abschnitt  der  grammatik  die  rede  sein  wird. 

32)  Wie  dem  <,  d  steht  y  auch  einem  s,  ä  gegenüber* 
in:  ge"  (aus  gay\  Kaf.  gay,  A.  7«^i)  =  Ti.  G.  T*/*'(l  i  5*^. 
Ci.^  Sa.  ganda*  rülpsen;  hilay  (Hai.),  heldy  (B.  A.)  =  Ga.  hil- 
lesa  (bei  Kr.,  Ce.),  hilezd  (T.)  hase;  wiyu,  üyu  bine,  vgl.  Kaf. 
«yö,   W&l.  W&r.   ^SGy   Go.  A^o   honig;   'ey-a   zigen,   vgl.  yi,  T? 

i^i  'ad  zige.     Hieher  gehört  auch  das  genetivsuffix  -y,  -f 

(Bil.  Sa.  'Af.  -I,  A.  f-)  =  G.  H"5  femer  ihay  =  j^.!  nemen;' 
gay  =  j^  neu  sein. 

33)  Als  mouillirungslaut  aus  liquiden  stellt  sich  y  heraus 
in  yak  =  Ku.  laka  aufstehen ;  yiqeWf  ikew  =  G.  i^W  1  Ti.  J^  1 
rufen,  schreien;  kay  (Ku.  ke,  Bar.  Ä;e,  Sa.  'Af.  kl^  kln)  =  J^l^ 
Ti.  G.  Ml  werden,  sein;*  'ayuk  (G.  A,h«  Ty.  HifhO  =  sdJ^ 
eflü  »2il\  kauen;  ayay  =  G.  O^fi  Qu.  arg  befreundet  sein;  bäye 
=  Ga.  bdla  blatt,  folium;  6oy  =  Sa.  bilö,  'Af  6e£Zö,  Bil.  Cha.  Qu. 
Agm.  bir  blut,  hay  =  Ti.  ||A  >  A.  tili  1  G.  IIA  CD  1  sein,  existiren; 

htUdy  plur.  hatdy  =  gro,  gTop,  x  W  Je^er  pferd;  engäy, 
enga  =  De.  Qu.  engiyä,  Bil.  ingerdy  Agm.  angir^  Cha.  ejfrd  der 
rücken,  zu  K*^^«  r^^  "*"**  g^l^örig;    iagr«  (aus  iajd,   lagay)  der 


»  Vgl.  Nub.  {  (KD.)  aus  ?,  ay  )iaiid;  iddi  (FM.)  id.,  für  edi,  doppel-d  wegen 
des  accentes. 

'  Wie  im  Kafa,  vgl.  Kafasprache  §.11. 

'  80  ist  anch  der  gänzliche  abfall  von  >  in  den  berbersprachen  zu  erkl&ren, 
wie:  Masch.  ax,  Kab.  ^\  =  Ar.  jc^\  nemen. 

*  Mouillirung  des  n  zu  y  ligt  wol  auch  vor  in  kiiya,  verkürzt  k\ia  sklave, 
Sklavin.  Das  wort  gehOrt  zu  Ti.  ^ffy  l  O.  ^0)  l  nutrire,  daher  /|i9f  l 
knabe,  diener;  mädchen,  dienerin;  JcUya  steht  sonach  für  kUna,  kUan 
(über  A;  für  ^  s.  §.  37,  b  und  über  i  für  0  s.  §.  26).  Von  demselben 
Stammwort  bildet  das  Saho :  maandä  sklavin ,  für  mä-'adne-t  =  G. 
^StlOt^  I  quidquid  tutelae  alicuius  committitur.  Dieselbe  Umsetzung 
des  n  zeigt  sich  auch  in  den  Agausprachen,  Agm.  anzä  (sb  A.  Jl^fl 
KVl*  ^^'X  ^*  ^^^*  ^ä,  em/d  (f  sss  z)  knabe,  diener.  Mit  diesen 
formen  verbindet  sich  Nub.  öii  sklave,  öid  sklavin,  aus  anaij  hanti, 

2* 


20  ^^'  Abbandlnng:    Beinisob. 

wog  ^  =  Bil.  langar  (aus  lagar),  Agm.  langad,  A.  G.  J7Ä  *  reisen, 
ODl^J^i  der  weg;  mdyküa,  mäyuka  =  Ga.  mirga  (und  das  aus 
Sa.  mizgä,  mldgäy  'Af.  midgäy  So.  midig)  die  rechte,  dexter  u.  a. 
Zum  lautübergang  von  y  zu  i  vgl.  §.  79  und  90.  Abgefallen 
ist  y  im  masculinen  artikel  des  plurals  d,  accus.  ^,  bei  den 
Boni  Amer  noch  bisweilen  als  yä  und  yB  (yl)  vorkommend; 
ebenso  in  i'  neben  yi'  konmien,  anlangen;  in  neben  yln  die 
sonne,  u.  a. 

D)  Die  gutturallaute. 

34)  Hieher  gehören  im  Be<}auye  k,  g  und  secundäres  ^ 
welches  letztere  nicht,  wie  in  anderen  chamitischen  sprachen 
solbstündigy  sondern  analog  dem  n  vor  t  ^i^d  4^  nur  vor  k  und 
</  eintritt,  obwol  auch  hier  nicht  selten  die  dentale  ausspräche 
dos  n  vorkommt.  Die  ausspräche  von  k  und  g  entspricht  nicht 
v(^lli^  der  unsrigen,  sondern  ist  um  eine  leichte  schattinmg 
hftrtor,  indem  seine  articulationsstelle  zwischen  dem  harten  und 
weichen  gaumcn  sich  befindet.  Dem  k  stehen  in  den  verwanten 
»prachen  meist  &,  bisweilen  auch  g  und  hauchlaute  gegentlber, 
wie:  'ka  negationspartikel  =  Bil.  -g,  Qu.  -g,  -Ä;,  Cha.  -y,  Bar.  ka- 
nicht;  -ka  postpos.  von,  aus  =  Sa.  'Af.  -kö,  -fei.  So.  Äa-,  Bar. 
-<jf«,  Kaf.  -jßy  Ku.  -ton,  A.  h-;  kab  =  Bil.  kab  beschlafen;  kab&r 
«  Sa.  *Af.  kabaröy  Ku.  kübulä,  Bil.  kalamburä,  Ti.  A.  G.  hflf7> 
j^  trommel;  kaddn  =  Bil.  kadAn,  Ti.  X^fJ^i  steppe;  kehan^ 
Sa.  'Af.  kahan  lieben;  kük  =  Sa.  'Af.  käky  Kaf.  küky  A.  ||h> 
Ti.  tlh'  flA>  Ty.  l\lf|i  flA  >  gackern,  krähen;  kuiküay  =  Sa. 
•Af.  fcdÄö,  G.  V\V\J  rabe;  kaleb^  =  Bil.  ftaiaft,  Ti.  hA'fl'  bof- 
raum;  kelib  =  Bil.  gullaw  knöchel;  kan  wissen  =  Bil.  De.  Cha. 
kin,  Qu.  ton,  G.  h.1 »  erfarung,  gewonheit;  konbül  =  So.  gümbuTj 
JJa.  berg,  htigel;  kdnkani  =  Sa.  künkünity  Ti.  hlhll'«  fieber; 
A;uir6  =  Sa.  'Af.  gäryä  (i.  e.  güaryä),  So.  gäray,  Harari  gürayä 
straussvogel ;  Ä;öri6  =  Bar.  kürbe,  Ga.  ^ria  elefant;  fcröm  = 
Bil.  güräbj  Cha.  girdbäj  Ga.  gandma  friihmorgen;  JSc^ttm  =  Sa. 


^  Almkvist  Dimmt  Ule^  als  wortstamm  an  und  bemerkt  aoadrficklich: 
,Manzinger  hat  irrtümlich  te  als  weiblichen  artikel  anfgefassf.  Dasa  aber 
Hunzinger  hier  in  vollem  rechte  war,  wird  aus  klaren  beispilen  in  meinem 
Wörterbuch  ersichtlich  werden.    Zur  artikelform  le  vgl.  §.  113. 

3  Zu  i  in  kalib  s.  §.  106. 


Die  BedAoye-Spimche  in  Nordost- Afrik».  II.  21 

kataw  anlaDgen;  kutan,  kütdm  =  So.  kutan,  ^l^  wanze;  ^  kay 
=  Sa.  'Af.  ka,  Ku.  feg,  Kaf.  ä5  sein,  werden;  dardk  =  ö.  ß^fLtt » 
Sa.  dad&j  'Af.  c2a(2a  küle  jareszeit,  winter;  fakak  =  Bil. /aAaft, 
So.  'Af.  /oA,  Ti.  ^h  >  ^  vi*  öflFhen ;  tikds  =  Ku.  takdsä,  A. 
t^hH«  Ty.  l-^lllLi  ferse  u.  s.  w. 

35)  In  lehnwörtem  wird  auch  das  semitische  ^  4*  P  meist 
mit  k  ausgedrückt,  wie:  köba  =  ^^.Ji*  schale;  kühdya  =  i<Ml3 
flasche;  küfil  =  ji>  schloss;  kehdba  =  SJioBii  hure;  kilö  =  G. 
^liiDM  A.  ^^1  :^  rösten;  kedala  und  kdleda  =  jJLi  schale; 
fcA-4a6  =  Ti.  ^C^ü*  Sa.  qirqdb,  ^\m  holzschuh;  kat"  = 
^  abschneiden;  enkdlyu,  enkaliw  =  ^^Ia.«  topf;  dnkar  =  Ti. 
A.  G.  Kl4*C>  (BiL  Sa.  *Af.  dnqar)  rächen;  ankew  ==  G.  )4*ID » 
schreien;  hükla  =  Jl*5i  krug  u.  s.  w. 

36)  Eine  auf  den  ersten  blick  befremdende  eigenttimlich- 
keit  zeigen  sämmtliche  kuschitischen  sprachen,  dass  sie  fast 
regelmässig  die  semitischen  laute  *)  ^  x?  bisweilen  auch  ^  ^ 
}  mittelst  kj  und  nur  das  gewönliche  t  0  ^  ^md  meist  auch 
das  ^  mittelst  h  widergeben.  ^  Schon  daraus  Uesse  sich  die 
TermutuDg  ziehen,  dass  die  kuschitischen  Chamiten  ursprüng- 
lich nur  unser  gewönliches  h  (und  kein  $  und  %)  gekannt 
haben.  Dies  bestätigt  sich  durch  zwei  weitere  tatsachen, 
nemlich  1)  dass  in  wirklich  kuschitischen  Wörtern  kein  anderes 
als  unser  gewönliches  h  sich  nachweisen  lässt,  und  2)  dass  im 
semitisirten  Amharisch  grafisch  zwar  die  drei  äthiopischen 
schriftzeichen  ')  #h  II  Verwendung  finden,  alle  drei  aber  nur 
wie  Ä  ausgesprochen  werden.  Die  stärkeren  hauchlaute  J  und 
%  klingen  im  or  der  Kuschiten  wie  k,  was  ich  oftmals  zu  beob- 
achten gelegenheit  hatte.  So  sprach  man  mir  z.  b.  sogar  die 
deutschen  worte  fluchen,  wachen,  dach  wie  filukdn,  hakin, 
dak  aus,  und  erst  nach  oft  widerholtem  exercitium  merkten  die 
leute  dass  ich  in  den  genannten  Wörtern  kein  k  gesprochen, 
und  brachten  dann  ein  filugdn,  bagdn,  ddkhe  heraus.  Auch 
mein  Amharer  Wälda-Seldsye  obwol  er  in  Europa  deutsch  er- 
lernt hatte,  teilte  mit  den  kuschitischen  Chamiten  die  gleiche 
erwänte  eigentümlichkeit,  er  sprach  unser  ch  wie  k  oder  wenn 


*  DÄraufl  durch  Umstellung  Ti.  ^VjJ  >   ^    'tWt »  '^'  't^X  •   S*-  *^^- 

iukdn,  Bil.  lugüin,  Cha.  tu^^iiän,  Ag^.  tuhän  wanze. 
»  Vgl.  hierüber  D.  H.  Müller  in  ZdDMG.  XL  VI  (1892),  8.  407  f. 


22  Yn.  Abliandlnng:    Beiniscb. 

man  in  auf  den  feler  in  der  ausspräche  aufmerksam  machte^ 
wie  gewönliches  h  aus  und  immer  erst  nach  einiger  mühe  brachte 
er  ein  %  zuwege,  das  aber  auch  mer  einem  g^  glich.  Dieser  er- 
wänte  umstand  ist  auch  sicher  der  anlass  gewesen  zur  er- 
findung  des  Schriftzeichens  fi  im  Amharischen^  durch  welches 
man  die  semitischen  laute  -}  ^  und  Hi  c  grafisch  so  weit  dem 
verständniss  der  studierenden  zufUren  und  damit  sagen  wollte, 
es  Hge  in  Ti  ein  laut  vor,  der  nicht  ganz  so  wie  h  ^  gesprochen 
werden  dürfe.  Der  dem  zeichen  fi  zukommende  laut  ist  demnach 
eigentlich  mer  negativ  signalisirt,  als  positiv  genau  festgestellt 
und  in  der  Wirklichkeit  lasen  meine  Amharer  das  in  bibel- 
texten vorkommende  fl  bald  k  auch  9,  bald  A,  one  jenem  dia- 
kritischen zeichen  über  dem  k  irgend  eine  beachtung  zu  schenken. 

37)  Hiemach  begegnen  wir  auch  in  lehnwörtem  des  Be^auye 
einem  k: 

a)  für  ^  ^,  wie:  kadam  fUr  fj^  (Ti.  h^^>  Sa.  'Af.  Bil. 
u.  s.  w.  kadam)  dienen;  ka^aw  für  Llai.  G.  'l^ni '  ^^?  schlagen; 
käf  für  k3lL  singen,  klagen;  kalag  für  jJLL  schafifen;  kilmo  für 
^JlsL  ansidelung,  dorf;  küd  ähre,  und  ^^  TL  spicas  protulit 
(seges);  kira  (auch  Bil.  ker,  Ti.  ]f|,CO  ^  G-  'IC»  ^7^  S^^'i 
kuasi  eintauschen,  für  ^y^  III;  hdrka  für  G.  K^'t  1  (Sa, 
hardy  Ga.  ird)  band;  kansübe  nähnadel,  zu  L-i^*^  gehörig;  köniib 
für  ,j**i-^  ^tn  käfer;  neßk  für  ^  furzen;  rakis  (neben  jüngerem 
lehnwort  erahis)  für  v>*^j  wolfeil,  billig;  wälik  (aus  kualik) 
für  Sa.  güäräh,  G.  hAHi  *  ^  schreien  u.  s.  w. 

b)  für  gh  C;  wie:  kadam  für  Äi\ia.  steiss;  käl  für  Jli. 
lüstern  sein;  kalif  für  G.  #h^¥'  nacken;  keti  für  iLL  setzen, 
stellen;  kanjar  für  'jJ<^  laufen;  bluk,  mlyk  für  ^IS  dattel;  hdrka 
^r  G.  }|^«/h'  h^'t'  ')^#h'  band;  mtZdA;  für  ^vu  salz;  sekit 
für  kiu^  erwürgen  u.  s.  w.  Nur  in  ganz  vereinzelten  fkllen 
steht  g  für  semitisches  %,  h;  wie:  gidd^  für  '\J^  sandale;  ^el 
für  G.  •^fli  Ti.  }|»n'  l>ei,  an;  jfg/  für  ÜIä-,  aber  vulgär  auch 
vJl^  ufer;  ergdne  schaf,  lamm,  und  JjLj  lamm,  ^n^  schaf;  deg 
und  G.  Xr/hfl'  schwer  sein  (mittelglider:  Bil.  fo^'.  De.  ?€j,  Agm. 
seküy  Cha.  ^^at/?  id.);  ent^ngüli  der  malstein,  zu  Ti.  ^ih)* 
^  gehörig. 

38)  In  einigen  fallen  entspricht  Be<^.  k  einem  früheren 
^,  8j  wie:  küUla  katarrh,  husten  =  J^  phthisis,  JLja  phthisi 
laboravit;  ktnkeli  =  TLi.  colfilti'  hinterhaupt,  nacken;  kawi4 


Die  Bedanye^prache  in  Nordost-Afrika.  IT.  23 

=-  TL  iflDT*  G-  Afl^T»  ^y^  ^^^  peitsche;^  ferner  kuärdm 
gross,  kuss,  neben  dem  lehnwort  aus  neuerer  zeit  saldm  id., 
^i^.  Als  verbindungsglid  zwischen  küäräm  und  saldm  können 
betrachtet  werden  Kaf.  Sarämö  gruss,  und  Ga.  zdrama  grüssen. 
Zur  analogie  dieser  lautübergänge  vgl.  Sa.  'Af.  küäromd  =  Ti. 
ftA^»  G.  A¥^i  fÜ-J.»  der  höcker.     Ebenso  dürfte  wol  auch 

Be<J.  küa  kleiden,  mit  Bil.  sa,  ^mr^^~TV  ««?  •'^o  id.,  im  zu- 
sammenhange stehen. 

39)  Das  g  wie  unser  g  in  gut,  gattung,  genug,  steht  in 
den  verwanten  sprachen  auch  zumeist  einem  g  oder  k  gegen- 
über; wie:  gdba  und  Bil.  gübä  ziziphus  spina  Christi;  gübe  und 
Sa.  *Af.  göb,  Bil.  De.  Qu.  gib,  ^-j>ä.  schild;  gädi,  gaj  und  Sa. 
gddäy  gdzäj  Bil.  De.  Qu.  ga^,  Cha.  ga§,  Ti.  G.  iJfi  gesiebt;  gid 
und  Ga.  gad  werfen;  güd  und  Ga.  güd  vil,  gross  sein;  gif  und 
Ga.  güfa-ia,  Sa.  gi/nfö-yt  stolpern,  sich  anstossen;  glg  gehen, 
und  Bil.  güg  weg,  pfad;  gehi  und  Bil.  gehe-rä,  Cha.  giilt-räy  Ti. 
Ty.  G.  ^ Ji,  I  hyrax  abessinicus ;  gühar  Stelen,  und  Sa.  'Af.  Bil. 
guarehy  Ti.  T"C#h'  G.  7»A#h'  betrügen;  jam  und  Sa. 'Af. 
agam,  agim  dumm  sein;  gumba  (für  gunba)  und  Bil.  Cha.  Agm. 
girbj  Sa.  'Af.  gülüb,  So.  jiUb,  Qsi.jilbay  A.  T'Afll'*  knie;  janrf' 
flache   band,   und   *Af.  gend'  id..   So.  gadn,   Ku.  könä^   band, 

^Uä.,    ft^^         8    n      ?ani7i,  5^ndw^  manus;  gerdbi  wüstenweg, 

und  Qu.  garäwä  weg,  pfad,  Sa.  Bil.  gardb,  Ti.  Ty.  l^-fli  wüste; 
gürddi  krummsäbel,  und  Bil.  galudä,  Sa.  'Af.  gaUdä,  Ti.  7/|*JS  i 
Ty.  "JA./"^  I  messer,  Qu.  gärddä,  Ga.  gäradB,  Kaf.  ar(/ö,  A.  T^^R,« 
Schwert;  girgüma  und  Bil.  gürgumd,  Agm.  gdrgum,  *Af.  jför- 
d!ums,  Sa.  durgamä,  Ti.  T'CT^*?«  adamsapfel,  der  halsknorpel; 
gürgür  und  Bar.  gurgur,  Ku.  gärgärä,  Ti.  T'CT'C  *  die  Wasser- 
pfeife, nargile;  garar  und  Bil.  garar,  Qu.  jfarg  sich  abmühen, 
müde  werden ;  gdruwa  das  männchen  der  kuhantilope,  und  Bil. 


^  Vgl.  Be<}.  kcufawj  Llai.  tt^H  G.  ')^ni '  i^^ben  Hfl^  i  scblagen»  and 
B3^  ThH    ll  '6<2/  «i&fidT  baculus;   vgl.  auch  nnten  §.  43.     In  der- 

selben weise:  Bil.  ekrdt  =  G.  *}/*'^'|' l  zehent,  tribut:  ktd  (De.  Qu. 
Agm.  An«,  Kaf.  ^)  =  Ti.  J£^  i  Ty.  Af  Hl  '  ^-  "Hfll  *  verkaufen;  Ä:raÄ 
=  Ti.  G. /I^IO«!   kriegsheer,  trappe;   gttd{ium  =  ^\J^  holzkole,  u.a. 

'  Aus  kaün^  für  kahünä,  vgl.  Sa.  Araihi,  Arön,  'Af.  Arondd  für  kanähü  oder 
iteTid^u  (die  trübuiig  des  a  oder  e  ist  durch  den  u-haltigen  guttural  er- 
folgt) fünf. 


24  Vn.  Ablumdlung:    Beinisch. 

giruwä,  Qu.  geruwäj  Cha.  giluwd  mann,  männchen,  Ti.  ICV^ 
masculus,  mas;  gaü  bans,  and  Bil.  De.  kaü,  Qn.  ko,  Cha.  kiüy 

Bar.  kü  familie,  gehöft,  ansidelung,  dorf,  ^  cf^  "^  ör  ^  kaüi^ 
"IJ  Volk;  Bga  hirt,  und  So.  Ga.  eg  vih  bewachen,  weiden,*  vgl. 
Bil.  8.  V.  meqdqä;  dgaba  und  Sa.  agabd,  Ti.  hm  *  ^^I*  käbgä^ 
Ku.  jrfijfö  (für  gabgabä  wie  agabä  flir  gagaba)  büffel;  cngfa  und 
Agm.  dngir,  Bil.  ingerd,  De.  Qu.  engiyä  plur.  engre  rücken;  ^^' 
und  Bil.  anqdy  mitte;  «ngfi'K  und  Sa.  *Af.  engirö  rinde;  deigu  und 
Bil.  faA;ai2   ausspähen,  wachen;   dang  und   Bil.  tag,  Agm.  e^tjf, 

Cha.   faj,    ^Ä;6n   und    ^A  tek   nahen;   derdg   seile, 

wange;  ufer,   und   Ku.  ddrgä  seite,  G.  Ä'IPT*  ufer;  hug  und 

Bar.  ÄaÄ;i,  -^A^       sek,  cihi,  eine  malen,  mel  machen;'  Idga  und 

Ti.  lißi  Sa.  'Af.  rujTMa,  Cha.  niyü,  Agm.  nad  (für  waÄu)  kalb; 
mag  und  Ga.  m^a  schlecht  sein;  mdgüa  und  Bil.  bi/kü-dnäj 
Qu.  bekü'dnä  wölke;  nöjf  und  Sa.  'Af.  angü,  Bil.  ungu,  Agm. 
Qu.  engüä  weibliche  brüst;  ragdd  und  Sa.  rij/d  fuss;  segi  und 
Sa.  «Ij,  Ga.  ziga  fortgehen  u.  s.  w. 

40)  In  semitischen  lehnwörtern  steht  dem  Be(J.  g  in  der 
regel  ebenfalls  ein  ^  7  gegenüber,  wie:  gä\  g^  (aus  jay',  flföz') 
und  G.  l^/^O'  c*^- 1^  gänen,  rülpsen;  gabab  und  Ti.  7fli 
sündigen;  g(bne  und  dLil^  Ti.  ^-fl^»  käse;  jcidi,  ja;  und  Ty. 
7Ä,'  Ti.  G.  7Jti  gesicht;  gedüdi  und  Ti,  l^Ä"*  unfruchtbar; 
gadal  und  G.  7AA'  Ti.  lÄ'A*  J*H-  flechten;  gaddm  und  ^;;»>^ 
jJä.  Wurzel;  ji/jf  =  G.  T-/Ji  A.  T^T^I^i  eule;  gehar  schmähen, 
die  Schandtaten  aufdecken,  und  y^  (feler)  aufdecken;  galdd 
und  Ti.  lAÄ"«  fride;  galel  und  Ti.  7AA»  A.  7A7A>  G.  7A7« 
Ja.  sammeln,  vih  zusammentreiben;  gilla  Ursache,  wegen,  und 
jJLä.  propter;  goldl  und  Jvii.  grosser,  fürst;  gulid  und  Ti. 
lA'A«  dumm;  gulüs,  gillüs  verstopft,  taubstumm,  und  Ti. 
^A*/***  belegt,  mit  leder  überzogen,  jIä.  obvolvit;  egirtm  grsiXiy 
weisshaarig,  und  Ti.  I^aot  erwürdig  sein;  'ilogdni  Sturmwind, 
und  ,^li^  commotio,  cursus;  begAl  und  Ti.  fl77*  flj^l  *  tripper; 
legümi   und   Ti.    AT^l^'   stumm;    mdngaj   minga  wüste,    und 


^  Nub.  kä  haus,  plar.  kä-ji,  kd-nji  ansidelung,  familie,  stamm. 
'  Nub.  eg  vih  treiben,  es  weiden. 

'  l^nh.jäg  (für  jagü)  mel  reiben,  malen,  jage  (F.),  jdwe  (M.,  für  jahüe),  fi 
(KD.)  der  melreibstein. 


Die  BedAoye-Sprache  in  Nordoit-Afrikft.  II.  35 

Is^  locus  effugii^  \aBo  evasit^  über  fuit;  engad  und  j^  bleiben; 
negil  und  Jjco  aufdecken;  segdf  türvorhang;  und  s^ik^  velum 
u.  8.  w.;  vgl.  auch  oben  §.  37,  b. 

41)  Dessgleichen  entspricht  in  lehnwörtem  dem  g  ein  ^ 
t  (vffl.  auch  §.  35),  wie:  gü'ad  und  Sm  bewachen;  aab  und 
Cj\3  Ui  satt  sein  (Ga.  q'äfa)]  gubb,  gi^^j  ff^^  tind  SSs  maus; 
gabila  und  il^  stamm,  tribus;  gdrha  und  ^\^  (Ti.  7C#h1"*) 
acker;  galdm  und  ^  Ti.  +Al^»  schreibfeder;  gdm'a  und  ^ 
Weizen;  jfcir'a  und  Ti.  ^^^^-i  hofraum  mit  einem  zäun  um- 
geben; güdsir  und  'ijji^  '^^  lüge;  guiäa'  und  ^A»  niderstrecken 
(mit  der  lanze);  kalag  und  ^3!^  schaffen;  «ü^f  und  3^  markt 
u.  s.  w.^  Vil  seltener  entspricht  hier  einem  g  ein  fc,  wie:  gab 
und  U^  m  änlich  sein;  güd  (aus  ^aZd)  vil  sein,  und  jSs  ac- 
cumulavit;  hcujlig  kneten,  und  vsJja.  compressit;  hagäan  und  Ti. 
ifilhofl  *  Gr,  ghMl  >  Jc^  kratzen  u.  a. 

42)  Auch  drückt  das  Becjauye  den  laut  '^  regelmässig 
mittelst  j  aus;  wie:  gim  und  ^  (G.  1/%%  Ti.  %ao^i)  nebel; 
gdna  reichtum,  und  ^J^i  reich  sein;  gariby  enger  ab  und  v^^ 
u^yL^  west;  jrertJ  und  ^JSs^  sigen;  jfwra/ neben  kurafa,  mukraf 
und  JLiJiß  <^^}a^  becher;  gaHm  und  ^t<^4^  dumm;  &ajfe£Z  und  JäS 
Ti.  G.  fl4*A'  maultier;  gir§  und  jJS>J;i  j^Jj  piaster;  fegir  und 
^  (vgl.  yS  "ißa  id.)  be-,  zudecken;  rugfdna  und  ^Jl^^J  plur. 
^Ufi'  brod  u.  s.  w. 

43)  Wie  oben  in  §.  38  ein  k  auf  palatale  und  dentale 
zurückflirt,  so  zeigen  sich  dieselben  erscheinungen  auch  bei  g, 
wie:  feringi  =  A.  Ti.  ^dm/tr^  (mittelglid  ist  ferinji)  der 
guineawurra;  güa^  =  BiL^a',  De.  Qu.  ja^,  Agm.  suk,  Cha.  aeqüj 

9uqy  Ga.  4ügaf  A.  ni^  >  (f^r  iMilO '  i-  ^-  HlOniO '  wurzel  ^a') 
trinken;  vgl.  damit  £>  ^\S  trinken,  und  Be(J.  düg  saugen.  Femer 

giba  ^  Ti.  ^-no^i  G.  ^X-QA^'  t^^l  ^m  ^-^H  "^  J^ 
2e6',  c^rsi  y>B — o|  deb\  eH&,  THÄ  finger.  Dann:  güinhal,  gülhin 
-  Ty.  ^74*A^  >   (Ga.  jigiU),  Ti.  i-^hA »,   Bil.  tdnkal,   Qu. 

^  Es  besteht  bekanntlich  ein  kleiner  uuterschid  in  der  ausspräche  von  if» 
und  ^,  indem  jenes  seine  articnlationsstelle  mer  rückwärts  nach  der 
kele  zu  hat,  wärend  Jj  nnserm  g  näher  ligt.  Jene  Bedscha  die  mer  mit 
den  Tigr6  zusammenleben,  sprechen  also  das  4*  ^^^^  k,  dagegen  die  nörd- 
lichen Bedscha  das  Jj  wie  g.  Daher  sagen  z.  b.  die  Beni  Amer  dküa  = 
Ti.  gfi^'t'  I  nnd  die  Bischari  hügga  =  Jui^L  tabaksdose,  u.  a.  m. 


2Q  ^n.  Abbandlang:    Beiniscli. 

tdngal  eilenbogen,  eile.  Dann  auch:  genuf  =  Bil.  qünbdj  Qu. 
hümbäf  Agm.  kümhij  Ga.  humbi  nase,  A.  XtV^'ttf*  rüssel  des 
elefanteu;  Ty.  ii9^^^  i  plur.  A^^l*  i  nase  (hieher  die  fonetisch 
Jüngern  formen:  Ti.  G.  titV*  <-a^^  *1**  id.).  Vgl.  auch:  genube 
und  jenttbe  Sünden  (Ti.  1^*ü  i  plur.  ^Th*tt  *)  =  cß'>  pl^ir.  <^^y3 
peccatum.  Aus  d  scheint  g  entstanden  zu  sein  in:  iigar  zurück-, 
heimkeren,  vgl.  Sa.  'Af.  adar  id.,  A.  KÄ^»  G-  '^Ä^*  heim- 
keren,  das  nachtquartier  beziehen,  sich  niderlassen,  wonen. 

44)  Sämmtlichen  kuschitischen  sprachen  gemeinsame  und 
ureigentümliche  laute  sind  die  t^-haltigen  gutturale,  welche  auch 
die  äthiopischen  Semiten  von  den  Kuschiten  entlehnt  haben 
müssen,  weil  dieselben  in  den  übrigen  semitischen  sprachen 
nicht  vorhanden  sind,  demnach  die  Aethiopen  die  genannten  laute 
erst  nach  irer  einwanderung  nach  Abessinien  sich  angeeignet 
haben  können.  Die  articulationsstelle  des  k,  g  für  kü  und  gü  ist 
zwischen  dem  harten  und  weichen  gaumen,  also  ein  X:^,  g*  Brücke's. 

45)  Die  entstehung  der  u-haltigen  gutturale  erklärt  sich 
fisiologisch  am  natürlichsten  aus  der  articulationsstelle  der  gut- 
turalen im  Kuschitischen,  indem  k^  (vgl.  oben  §.  34)  am  meisten 
befähigt  ist,  sich  den  t^laut  zu  amalgamiren.  Und  tatsächlich 
bekunden  die  kuschitischen  gutturale  eine  gewisse  gefrässige 
gier  nach  labialen,  welche  denselben  in  eine  gef^rliche  nähe 
geraten.  Dies  wird  am  besten  ersichtlich,  wenn  man  kuschitische 
und  äthiopische  Wörter,  in  welchen  w-haltige  gutturale  vor- 
kommen, mit  den  entsprechenden  ciserythräischen  in  vergleich 
zieht.    So  reisst  der  kuschitische  und  äthiopische  guttural  an  sich: 

a)  vorangehendes  u,  w  und  b  in  folgenden  formen: 
äküa  (Ti.  Hit  1^ «  A.  ;||^  0  =  '^^  büchse  fiir  kautabak,  taba- 
tifere;  i^küa  (Ga.  ^agwe,  Qu.  daxuä)  thon,  gegenüber  n^B,  ^U 
übertünchen  (vgl.  ^Ü»  med.  w)]  mdgael  gegenüber  jÄ.j-i  pflitze; 
mikudl  =  G.  ao^Qfi^i  aber  ilXU  Jlili  fett;  suküäm  gegen- 
über ,^lLi»  Steuerruder;  sukudr  =  A.  Jlth^C  gegenüber  ß^ 
zucker;  täkla  (für  taküla)  =  Sa.  'Af.  täklä  (fUr  tdkülä),  Bil. 
täglä,  Qu.  tdxüläy  A.  Ti.  Ty.  G.  -Mf-A'  wolf,  gegenüber  Ülju, 
^?^,  Gh.  K^yn  Schakal  u.  s.  w. ;  über  tSkla  für  taküla  s.  §.  46,  c. 
Ebenso:  dehur,  duhür  und  ^4^  mittag;  sebuh  (für  sebhü)  =  JJo 
der  morgen,  u.  a.^    Wie  hier  der  kuschitische  und  äthiopische 


^  Ueber  »ebuh  aus  »ebhü  s.  §.  46,  a  and  §.  107. 


^ 


Die  Bedanye-Sprache  in  NordoBt-Afriks.  II.  27 

guttural  vorangehendes  u  an  sich  gezogen  hat,  so  auch  ein  w 
in  folgenden  beispilen:  güa'  gegenüber  G.  ID^Ki  14*3  stossen; 
güäl  filr  wägel  ==  J^\^  eins  (s.  149,  a);  güay,  göy  müde,  er- 
schöpft werden,  gegenüber  G.  IDhOi  ^3  (^^0?  ^^^^  (^^^  küa() 
=  Ti.  t,^t>m  •  picken,  hauen,  gegenüber  k*^  vehementer  per- 
cussit;  küata'  gegenüber  G.  ID'linis  lO-'tni'  verschlucken; 
küdhij  kuhi  =  So.  öjrfj,  öjdj  (Ga.  anqdqö,  Sa.  unqöqahöy  Ty. 
KfiM»!/*  I  G.  K^^^**^«)  das  ei.  Sogar  6  wurde  in  gleicher 
weise  amalgamirt  in:  ^rgüa  =  Bil.  eräküä  und  räküä,  Qu.  eratt?3 
(für  erdAiiä)  ledersack  mit  den  besten  habseUgkeiten ;  habe,  be- 
sitz, A.  ^CD^  I  (für  rähwa-t)  grosser  wasserschlauch  für  wüsten- 
reisen. Diese  formen  gehören  zu  G.  CQ#h  *  c^3  gewinnst,  er- 
werb,  besitz;  über  k  zu  semit.  h  s.  §.  36.  Hieher  gehört  ferner 
küati  einer  dem  in  allen  untememungen  jegUche  sache  gut 
von  statten  geht,  gegenüber  Ti.  fllt.!*!  C-^^^  ^^-5  dann:  tuküi 
=  Bil.  Saqü,  Saijq,  Cha.  ^aqü,  gegenüber  1^  kochen. 

b)  Ebenso  zieht  der  guttural  ein  nachtretendes  w,  tu,  b 
an  sich;  wie:  dagü  gegenüber  Bil.  takaü  ausspähen,  beobachten; 
naküj  näk  gegenüber  ^j  zart,  fein;  hluk  (aus  hlekü  s.  §.  46,  a) 

=  piS  dattel;  kunte  ficus  sycomorus,  gegenüber  I)  öiA  kionty 
RCitTC  ficus;  anküdna  (für  am-y  ma-küdnay  s.  §.  72)  =  Sa.  ma- 
kawdn  herr;  masänko  (aus  masankwa)  =  A.  Ty.  Ti.  G.  i'i>Al4^ » 
Bil.  mazänqüä-rä,  Cha.  mizinqüä  die  harfe,  gegenüber  der  radi- 
calform  )4*^*  khngen;  enkülih  (aus  ew-,  wa-Aiöft)  =  Sudan- 
Ar.  i_^*3^*4  ror,  worin  der  zucker  versendet  wird.^  In  gleicher 
weise  erscheint  ein  b  angezogen  in:  kua  weibchen,  weiblich, 
dann  auch  Schwester,  welches  mit  Bil.  qül,  uqül  weib,  weibchen 
(bei  tieren),  weiblich,  zusammen  gehört.  Diese  letztere  form 
fürt  auf  A.  ^»fll'  J  G.  ö^^'d^ «  wörtlich :  custodita,  die  bewachte, 
also  gattin,  aber  nur  gebraucht  speziell  für  concubine,  aber 
Sa.  'Af.  agabö-yta  die  gattin,  hausfrau;  Bil.  qü-l  steht  für  qbe-t,^ 
über  den  ausfall  von  femin.  t  in  küa  aus  küa-t  s.  §.  75.  Bei  küa 
an  Ty.  'Jm-I'i  »jUä.\  Schwester,  zu  denken,  verbietet  die  grund- 
bedeutung  von  küa  weib,  obwol  vom  fonetischen  Standpunkte 
aus  diese  Zusammenstellung  ganz  gut  möglich  wäre  (s.  §.  36). 
Ebenso   ist  b  vom   guttural   zerriben   in:    küabil   (aus   kebabiT) 


»  Vgl.  hierüber  §.  72,  note  2. 

'  Ebenso  steht  Bil.  qua  =  A.  ^^Q'  ^'  4**11^*  sAl^ex^- 


28  ^n.  Abhandlung:    Beinisch. 

verschleiern,  gegenüber  G.  7Aflfl  *  velare,  ^AH^fl  *  <w->Vj^-'»-  vo- 
lamen,  operimentum  capitis.  Anch  habe  ich  das  wort  kiUidj 
guad  (So.  od  aus  hüad)  seite,  in  starkem  verdacht,  dass  es  das 
m  in  Ti.  G.  ^f^9^t  seite,  verschluckt  hat.  ^  Möglich  ist  dieser 
Vorgang  auch  in  a^nküa  =  Sa.  'Af.  sunkü  gegenüber  DDB>  schulter, 
in  welchem  falle  dann  das  n  secundär  sein  würde. 

46)  Die  ausspräche  der  t^haltigen  gutturale  ist  im  Be^auye 
dieselbe,  wie  in  den  übrigen  kuschitischen  sprachen,  und  zwar: 

a)  steht  der  u-haltige  guttural  im  auslaut  mit  schewa 
quiescens,  so  nimmt  das  u  des  gutturals  vor  diesem  seinen  platz 
ein  und  ich  deute  solches  vortretendes  ü  mit  u  an,  womit  voran- 
gehendes S  verschmilzt,  vorangehendes  a  aber  ein  au  bildet, 
das  wie  ä  gesprochen  wird,  daher  ich  dasselbe  mit  ä  bezeichne; 
z.  b.  luk  (d.  i.  lekü,  vgl.  'Af.  rugd,  Cha.  räqd  id.)  thon,  lern;  de- 
r&c  (d.  i.  ddrkü)  aber  plur.  dirküa  (s.  §.  46,  b)  wassertrog;  enSk 
(d.  i.  4-naku)  er  wurde  schwach;  Hunzinger  schreibt  ennoky  Alm- 
kvist  inaküy  welche  form  zwar  grafisch  aber  lautlich  nicht  correct 
ist.  Dann:  sehi^h  (aus  sebhü)  der  morgen,  Ar.  J^,  vgl.  hierüber 
§.  45,  a.  So  bildet  z.  b.  'ayuk  (d.  i.  'aykü)  kauen,  das  präsens: 
a-'anyiuk  ich  kaue,  ne-'ayük  wir  kauen,  aber  ^anyiküa  du  kauest 
(bei  A.  d'^ayyiküj  nd-'ayukuy  und  'dyylküa\  perf.  ä-^ayük  (A. 
d-ayukü)  ich  kaute,  negat.  'ayküdb  koke  (abo  stamm:  ^aykü) 
ich  kaute  nicht. 

b)  Folgt  dem  w-haltigen  guttural  im  auslaut  ein  vocal,  so 
behält  das  ü  des  gutturals  seinen  eigentlichen  platz;  demnach: 
d4rküa  plur.  von  derük  wassertrog;  ebenso  dngüa  dumpalme, 
lalünküe  äffe,  hadgui  flechten  u.  s.  w.,  obwol  auch  bisweilen 
eine  trübung  des  dem  t^haltigen  guttural  vorangehenden  vocals 
eintritt;  z.  b.  ängüa  neben  dngüa  dumpalme,  lalünküe  (fUr  la- 
Unküe)y  ja  es  kann  sogar  in  solchen  fallen  das  ü  dem  guttural 
ganz  vortreten,  wie:  lalunke  neben  lalinküe  äffe,  mdyuka  neben 
Tndyküa  die  rechte  (band,  seite). 

c)  Im  inlaut  zeigen  sich  die  gleichen  erscheinungen,  wie: 
anküal  hinken,  angüil  und  ängüil  or,  mdgüel  tränke,  mäküara 
und  mäküara  kälte,  rugüdä  (für  regüdS)  Schlachtung,  sukena 
(flir  seküena  =  Ti.  fftf-^i  G.  Ah»?')  fussknöchel,  metunguliy 
bei  Hunzinger  metongole  d.  i.  Tnetängüdle  der  melreibstein  (Ar. 


^  Vgl.  Bil.  qüi  =  8a.  'Af.  Ga.  gam,  A.  ^0O  i  essen. 


Die  BedMTe-Sprache  in  Nordott-Afriks.  n.  29 

iiflß~),    läküdy  und    Idkdy   (für   Idküay)   das  was  küäläy  der 
stock;  täkla  i.  e.  taküla  wolf. 

d)  Im  anlant  bleibt  natürlich  das  u  an  seiner  bestimmten 
stelle^  wie:  küa  Schwester,  küardm  kuss,  güad  seite,  küire  vogel 
strauss,  güebdr  Schnabeltier,  küre  zan  u.  s.  w.,  doch  erfilrt  a 
nach  u  häufig  eine  verdumpfung,  die  ich  mit  ä  andeuten  will, 
wie:  küärdm  kuss,  küärkuär  neben  küdrkiiar  schlänge,  küäldy 
und  küaldy  stock  u.  s.  w.,  woher  dann  zu  erklären  sind  die 
Schreibungen  bei  reisenden,  wie:  koram  kuss,  kokwor  schlänge, 
koleiy  kuole  stock  u.  s.  w.  Kurzes  e  nach  u  fällt  oft  mit  diesem 
zusammen,  wie:  güebdr  und  gübdr  Schnabeltier,  küelil  und  küUl 
armband  u.  s.  w. 

e)  Tritt  ein  formbildendes  dement  dem  wortanlautenden 
u-haltigen  guttural  voran,  dann  kommt  widerum  die  obige  regel 
sub  c  zur  geltung;  so  lautet  z.  b.  von  kUata  verschlingen,  das 
perfect:  a-ükta\  dann  auch  äkta'  gesprochen  (bei  Almk.  d-kütd") 
ich  verschlang,  t-uktaa  (A.  te-küta^d)  du  verschlangst,  ükta' 
(für  e-kütd')  er  verschlang,  n-ykta^  (für  ne-kütä')  wir  verschlangen 
u.  s.  w.  Ebenso  das  negat.  präsens:  kduktä*  (fUr  ka-akütd')  ich 
verschlinge  nicht,  aber:  ki-t-kütd'a  du  verschlingst  nicht  u.  s.  w. 
Die  analoge  erscheinun^  zeigt  sich  ja  auch  z.  b.  in  «ju»^)  (für 
i^t)  Schwester  (vgl.  yLl  ^\  bruder).  Ist  aber  das  vorantretende 
formbildende  dement  selbst  ein  u,  dann  flüchtet  sich  das  ü  der 
ersten  Stammsilbe  bisweilen  in  die  nächstfolgende,  z.  b.  kürib 
elefant,  aber:  ü-krüb  der  elefant;  küdhi,  küehi  und  kühi  ei,  aber: 
ü-khüi  das  ei;  güebdr,  gübdr  Schnabeltier,  aber:  'ä-gbär  (d.  i. 
gbiLar  oder  gbav/r)  das  Schnabeltier,  plur.  ä-ugbara  die  Schnabel- 
tiere ;  küfil  =  jAs  schloss,  ü-kful  das  schloss,  plur.  ä-küfela  und 
ä-^kfela  die  Schlösser  (über  den  accent  in  küfil  s.  §.  107);  vgl. 
auch  güb  maus,  plur.  guba,  aber  d-gbua  (für  ä-güba)  die  mause, 
bei  Almkvist  §.31. 

E)  Die  kdkopflaute  A  und  '  (hamzeh). 

47)  Wie  schon  erwänt,  existirt  im  Be<Jauye  nur  ein  einziges 
A,  unser  h  und  das  semitische  ||  s  n  wärend  die  starkem 
reibungsgeräuschlaute  der  Semiten  *}  #h  c  C  '^  ^^^^  nicht  vor- 
handen sind.  Dem  Be(J.  A  entspricht  auch  in  den  übrigen 
kuschitischen  idiomen  gewönlich  ein  A,  wie:  hebib  =  Sa.  hinböj 
himböy  So.  hümbo  (G.  rliC4«0  schäum;  heldy  ==  Ga.  hilezd  hase; 


30  TII.  Abbandlang:    Beiniscli. 

hau,  hö  ==  Bil.  haüj   'Af.  hö  gebeil;   kam  und  hamham  ==  Sa. 
'Af.  Bil.  hamham,  ^     "^    gA  hamham,   £M£^M  ^i^-Jjb  und  ^ 


^    c 


Tl.  Ty.  llirilinya  wiehern;  Aiu;,  hi  =  Sa.  'Af.  Äotr  (Ti.  flfli 
G.  IDflfli  «4^i)  gßl^ßii;  hayük  =  Sa.  'Af.  hotik,  So.  Aa(2u^ 
Stern;  jeÄff  =  Bil.  gehB-rä,  Cha.  gifit-rä  (Ti.  G.  ^A,«)  hyrax 
abessinicus;  kehan  =  Sa.  'Af.  kahan  lieben;  leh  =  Sa.  'Af.  lüh 
krank  sein;  mah  =  Sa.  'Af.  mäh  morgen;  mahdy  drei  =  Sa. 
'Af  bahdr  acht  d.  i.  [5  +]  3  u.  s.  w.  In  semitischen  lehnwörtem 
steht  dem  h  ebenfalls  s  ü  gegenüber,  wie:  hüd  =  Sj^  donner; 
hadam  =  f  jjb  zerstören  u.  s.  w.,  vil  seltener  ein  ^  oder  ^  wofür 
besonders  in  den  eingebürgerten  lehnwörtem  meistens  ein  k 
eintritt;  vgl.  oben  §.  37,  a. 

48)  Als  erweichungslaut  der  gutturalen  entspricht  Be<J.  h 
auch  häufig  einem  k,  g,  auch  q,  wie  ja  schon  im  Be^auye  selbst 
in  vereinzelten  fällen  h  neben  k  vorkommt,  wie:  hdra  und  küdra 
räuber  (Bil.  gürgür,  Ku.  gür,  Bar.  hüal,  häl  rauben) ;  hüs  neben 
kösa  messer.  Den  verwanten  sprachen  gegenüber  steht  Be(J.  h 
=  ky  g,  q  in:  hdd'a  (für  hadha,  hadhada)  greis  =  Bil.  qadad, 
G.  4*AA'  Sa.  has  alt,  grau  werden;  har  =  »p  die  monatliche 
menstruation;  harib  =  iSy^  (im  Sudan  i^^)  wasserschlauch; 
hu  =  G.  ♦XI'*  *^  gespei;  drha  hinaus,  draussen  =  ^jjL  ex- 
temus,  ^jL\  J\  foras;  erh  =  Ga.  arg,  So.  arag,  araq  sehen; 
'd^ha  postpos.  zu,  bei  =  Bar.  -dik,  Cha.  -tik  id. ;  güinhal,  gülhin 
=  So.  söhul  (für  sanhul),  Ga,.  jigiU,  Ty.  ^74» A^«  Ti.  i-^hA' 
Bil.  tdnkal,  Qu.  tdngal  eile,  arm,  ellenbogen;  hankill  =  JiJi 
kitzeln;  lehd-y,  lehd-yt  (ablativ)  =  A.  ip»  G.  J*7||>  morgen; 
mah  =  So.  bago  erschrecken,  Bil.  ba§a§ä  schreck;  mehi  =  Ti. 
(H*K'  übrig  bleiben;  muh  (für  mehü,  s.  §.  46,  a)  genügen  == 
A.  fl^i  id.,  G.  114^0 1  zuträglich  sein;  m§hin,  emhin  =  ^^lÜ 
ort;  toÄ  =  Sa.  *Af.  Cha.  dag,  Ga.  ^liga  berüren,  tasten;  idlha, 
tdrha  ==  Ku.  sdrgä  links,  linke  seite. 

49)  Ebenso  steht  Be<J.  h  bisweilen  einem  'ayn  oder  hamzeh 
gegenüber,  wie:  hadug  und  G.  Oip4*9  oA4*>  flechten;  haküar 
und  G.  Ot>d'  Sa.  'Af.  'ajar  binden;  haiig  krümmen,  hanag 
krumm  sein,  und  Ti.  in>i  (l4»>i  Jü  ^15?  krümmen;  AoZan 
und  ,£^^\  jetzt;  hdma^a  knecht,  und  G.  Ofloi'  »5^  "^5?  arbeiten; 
hamay  und  Ti.  G.  O^flf  i  gross  werden,  wachsen;*  Airwf«  und 

*  Vg^l.  Cha.  ;|fay  aus  ;|fatoy  =  G.  0«flf  I  Chamirsprache  §.  68. 


Die  B«dM7»-Spimche  in  Nordost-Afrika.  II.  81 

6.  M*  A.  'htCEL't*  (Sa.  'Af.  hald,  So.  ged)  banm,  holz;  hdrka 
und  G.  X^^i  (Sa.  hard,  Ga.  ir^)  arm,  band. 

50)  Der  hanchlaut  h  ftirt  auch  auf  ein  früheres  8  zurück, 
wie  aus  den  dialeetformen  des  Be^auye  selbst  zu  ersehen  ist 
in:  barüh  (Had.  Hai.)  neben  barits  (BA.)  er,  batuh  neben  bat&s 
sie,  baräh  neben  baräs  sie  (pl.  m.),  batdh  neben  batas  sie  (pl.  f.), 
-üh  sein,  ir,  suus,  neben  -fi«,  -hena  neben  -sena  ir,  eorum.  So 
steht  auch  Be^.  h  für  früheres  s  in:  hob  zeit,  -hob  wann,  zur 
zeit,  und  G.  /kfl,  i  /kfl  *  eo  tempore,  tunc,  vgl.  SS^  tempus  (Nub. 
i6be  zeit);  hida  =  Sa.  siddä  (*Af.  tidda)  gemeinschaft,  zusammen; 
hakab  =  Ti.  Allfl*  0^-  Ahfli  ^?^  sich  setzen,  sitzen;  hakik 
stutzen  (die  haare)  =  lCi>  stutzen  (zu  lange  oren);  hdmUy  hämo 

haar,  wolle  =  Gur.  ÜV^^i  IL^'I'I*^'^  ^^^^  (Kopt.  tmmi.  So. 
tin  plur.  iim-o)  id.;  Äwm  =  Ga.  zum  gehim;  herü  =  A.  Ty. 
HID^t  G.  H^»  herumgehen,  suchen;  hirer-dni  =  Bil.  sarirdy 
Ga.  zarariti  (So.  'aro),  Ti.  G.  '^^'t  •  A.  ?f  ^^l*  i  spinne  u.  a. 

51)  Abfall  eines  frühem  h  zeigt  sich  in:  ibäb  =  ^^  auf 
der  reise  sein;  ad  schlummern  =  \jjb  njn  träumen;  ^ndi  (für 
ejin)  =  Ti.  G.  'iH/}  i  eisen,  ^^^i'^  securis;  äküa  =  Ti.  fh^^  * 
A.  A^i  ^^AA^  büchse  für  kautabak;  öS  pissen,  tiSa  harn  =  Sa. 
haSSü,  *Af.  Äay«ti  urin;  at2  =  ]li.  honig;  t£u;t  =  Sa.  hawd,  G. 
ififj^i  dämmerung;  iwa  =  ^^  ^^.?  durstig;  bök  (aus  JaAatfÄ) 
=  ö.  n#|i1rf'*  bock;  dl  =  Sa.  'Af.  So.  ^aA,  Ga.  ^a  sagen;  /am 
=  ^Jeift  (genau  wie  A.  99^  t  gegenüber  G.  ^A^*  i^O  kole; 
laA;  =  sjüj  schlürfen,  trinken;  Zöm  malzeit,  vgl.  ^  essen,  on^ 

0 

speise;  man  glätten,  rasiren  =  ^^ji\^  mundavit  corium;  «ein  = 
^■n^  teUer;  iat  neben  Sehat  =  G.  Ä"lff«  ausgleiten;  was-am 
neben  hwas-am^  hawas-am  =  Ti.  fh^Tf'  flA*  scherzen;  so  auch 
la'  (für  AZa')  =  Sa.  qalaö  (rnß)  kälte;  <a/  (für  htaf^^  =  uJ^ 
»l^ij  wegreissen,  abstreifen;  mos  salz  (für  Arno«)  =  Jcx^  Salz- 
pflanze, Jf^^  pön  sauer,  scharf  sein;  tiw  =  Bil.  faöy,  Ti.  ttUHi 
HA*  A.  iC^I/i  ^U>  nix  schreien. 

52)  In  gleicher  weise  ist  aus  der  in  §.  48  berürten  Ursache 
im  Be^auye  oft  ein  ausfall  von  früherem  A,  gf,  g  zu  beobachten, 
wie:  abäb  =  Bil.  qabab,  Ti.  +fli  verachten;  a4  ^uid  a^  =  Bil. 

qify  A.  «|»T'  Vulva,  vgl.  \J^  qat  und  (1  ^  'a<,  OOTTC  id.;  a« 
(Sa.  *Af.  os)  =  Qu.  Amoz,  A4«  (aus  wakasy  Umstellung  von  G. 
fl'Ah*)  hinzufügen,  mer  geben;  esse  (aus  erse^  herse)  =  G.  hCA*** 


33  Vn.  Abhandlung:    Beinisch. 

^J;^  tTt*?  inneres,  bauch ;^  u^  =  Bil.  qüäiqü&t  (Sa.  aldf)  zittern; 
edid  =  Bil.  Cha.  Qu.  qafqat,  Ti.  G.  tT+fll  *  '^O?  teilen,  zer- 
schlagen; o^am  =  G.  ^mi*  Iteß  klein  sein;  dfra  =  i^Ü  dunkel- 
heit;  üla  =  Bil.  ^SZa,  A.  ^A^*  hoden;  ima  und  ima  (zunächst 
aus  hayma)  =  Ti.  tfry^i  winter;  embal-öy,  embar-öy  =  Ti.  A. 
G.  h1^C>  Sa.  kdmfer  lippe;  (£mna  Wöchnerin  =  Agm.  kaman, 
Bil.  Qu.  Bar.  kaban  gebären;  ön  =  A.  \\A'  G.  tf"#liAi  niit 
kohol  die  äugen  bestreichen;  ör  (für  aür,  awr^  Ga.  awdld)  = 
Ti.  ♦•0^1  G.  tn^i  )I*  "Qß  begraben;*  arid  und  'arid  =  JJi» 
^^,^  spilen,  tanzen;^  a«öi  ==  G.  t^AA*  wunde;  oti^^y  =  Bil. 
De.  Qu.  Cha.  käb  helfen;  marä  (und  maräy)  =  A.  •7^h>  Ti. 
G.  •7Ü^h »  überfallen  den  feind,  u.  a. 

53)  Das  hamzeh,  obwol  noch  in  zalreichen  fällen  yorhandeui 
ist  im  Be^uye  im  aussterben  begriffen^  was  man  leicht  daraus 
ersehen  kann,  dass  in  semitischen  lehnwörtern,  worin  hamzeh, 
ja  sogar  noch  *ayn  vorkommt,  diese  laute  im  Bedauye  insbe- 
sondere im  anlaut  häufig  nicht  mer  gesprochen  werden.  Bis- 
weilen kommen  im  Be^auye  noch  die  parallelformen  mit  und 
one  hamzeh  vor,  wie:  'ör  und  ör  kind,  ^arid  und  arid  tanzen, 
*a«  und  as  verschliessen  u.  s.  w. 

54)  Im  vergleich  mit  den  verwanten  sprachen  steht  dem 
hamzeh  meist  ebenfalls  hamzeh  oder  *ayn  gegenüber,  wie:  *a^ 
und  Jafi  heu,  vihfutter;  ^afi4  nnd  Li*  niesen;  ^agir  mannbares 
mädchen,  und^t  sponsalitium ;  'a^  und  G.  0%(Dt  verschliessen; 
*<Uo  und  G.  If^i  fisch;  'at  und  Li,  Sa.  'Af.  *at  treten;  Jr  be- 
schlafen, und  iU  id.,  'U  coitus;  beWäy  und  Ti.  G.  «fld^J&i  Sa. 
"Af.  be'irä  (Bil.  De.  Qu.  Agm.  bira)  stier;  di\  de  klein,  zart, 
und  ^^yLo  tenuis  fuit;  deHr  bauen  ein  haus,  heiraten  =  G.  wCO* 
struere,  condere;  fila*  entjungfern,  und  ^  fidit,  XaXj  pudendum 
muliebre;  güa"  und  G.  Oü^ti*  ^i  stossen;  guad  bewachen, 
und  jJi*  sedit,  servavit;  gi^d*  und  *\ja^  sandale;  gand'  und  *Af. 


^  e««e  für  er«e  genau  so  wie  in  keus  (Beni  Amer,  Had.  Hai.)  =  kars  (BiBch.) 
greBammtheit,  ganzes.  Wie  in  4s9e  für  er«e  das  r  sich  an  folgendes  # 
assimilirt  hat,  so  dürfte  in  Ga.  gdrra  (Bk.  Kr.,  bei  T.  gära)  bauch,  hert, 
das  #  sich  an  vorangehendes  r  angeglichen  haben  und  gdrra  darnach  auf 
G.  )|C/^l  2^  beziehen  sein. 

'  Die  gleichen  lautverhältnisse  zeigen  sich   in   Bil.  arb,  Qu.  arb  =  *Af. 

qdrehi,  Sa.  qdrhe  nnd  qäbrCy  G.  «^flC  *   "^i*  4*'flCl  ^^  i^*^- 
•  Ueber  d  für  »  vgl.  §.  7. 


Ihe  Bedaaye-Sprache  in  Nordost-Afrilu.  Ü.  33 


'W 


genn'y  So.  gadn  band;  la  und  p^  perle;  rtm  feucht  sein,  und 
f^V-i  G.  ^UWi  flüssig  sein;  nu'  und  ^li  sich  neigen;  mdf  und 
Sa. 'Af.  Zi/T  nagel,  kralle  (vgl.  G.  ii^^i  spähen);  neba  heiss 
sein,  und  TL  A^O*  brennen,  G.  li^O*  glänzen,  leuchten;  sä' 
kuh,  und  Sa.  sd^ä,  *Af.  m.  So.  «a'  vih,  baustiere  u.  s.  w. 

5ö)  Wie  dem  Be4.  h,  so  entspricht  auch  dem  bamzeh  oft  ein 
t;-laut  oder  ein  aus  k  geschwächtes  Ä;  z.  b.  'a  (flir  'an)  und 
Sa.  * Af.  hau  (So.  dna,  Ga.  andn)  milch ;  ^  'a6iÄ:  und  v^^^  fest- 
halten, greifen;  'agar  und  G.  'lifL^t  (A.  fc^^«)  beim-,  umkeren; 
'üla  und  Bil.  ^u^a,  qüelä,  A.  ^A^t*  •  boden ;  'amad  und  L^  kls 
fassen;  'ör  und  Bil.  ^äi'ü,  Cha.  De.  xüräy  Qu.  x^^^^  ^urä  kind, 
son;  *afm  und  ^JiL  G.  '^'f'ooi  (A.  fc+ooi)  befestigen,  ein- 
schliessen;  'ayi^A  und  Ty.  fh/^TL*  G^-  rli.h«  ^^^  J^\  kauen; 
h%  und  Bil.  faq,  lii  bescblafen;  da'i  und  Bil.  saq,  G.  ipf  4** 
flechten;  fira  und  Ti.  A1^*  hinausgehen;  gua  und  Bil.  Ja', 
De.  Qu.  J'a;^,  Agm.  aeka,  Cha.  «e^Ä,  ««^g^  trinken;  güäW  und  Ti. 
7*A^j6'  glatzkopf  (n*?:  J^);  gdm'a  und  ^*  weizen;  gfand' 
(*Af.  gend\  So.  gadn)  und  ^li^.  hand;^  gfiVa  neben  ginha  brüst, 
herz  =  ^'^^^  interior  et  anterior  costa,  pectus  respiciens  (vgl. 
Ü^  und  ilL,  se  inclinavit,  Aram.  jn^  sich  beugen,  bücken,  Hebr. 
pnj  bauch  der  kriechenden  tiere);  hdd'a  (aus  hadh-a  für  Aad- 
had-a)  greis,  schech  =  G.  +rtA  i  tr^ß  «>\?;  Bil.  qadad,  Sa.  Äa« 
consenuit,  «^A.Ai  senex  (zu  d  =  rt  s.  §.  7);  mdk'ali  und  Ty. 
^■•ff+A«»  ^'"A+A«'  gestell;  rui'i  und  Ga.  re'.  So.  ri*,  WA,  Sa. 
'Af.  ZöA  zige;  ne  neben  ne,  na  und  Cha.  ll  plur.  ZiA:,  De.  Qu. 
Idyäy  Bil.  Z^ä,  Agm.  lag  feuer,  Sa. 'Af.  Zä*  heiss  sein;  H'  und 
j^Vi»  alt  werden;  tai  und  Bil.  Cha.  Qu.  iah  gleichen;  tu'  kneifen, 
und  G.  fli+i  pressen;  {a'  und  A.  fli^i  G.  rn^^O'  Sa.  *Af. 
toi,  toj  schlagen;  mula,  ula  umrüren,  mischen,  und  ^^XiS  com- 
miscuit;  ya  brennen,  leuchten,  yu  Hebt,  und  Bil.  yag  leuchten; 
ya4a  unvollkommen  reduplicirt,  zunächst  aus  qa4ag[a4]  =  Bil. 
jiief,  Cha.  juf,  Qu.  Aöef,  Ga.  jid  feucht  sein,  genau  so  wie  Be4. 
Aa<2'  aus  hadh[ad]  =  Bil.  qadad,  G.  4*AA  >  ^^R  ^It,  ergraut 
sein  u.  s.  w. 


^  Das  wort  hcm  steht  warscheinlich  im  Zusammenhang  mit  Harari  hayi  = 

A.  fhj^'il'   '^^'  ^'  fflA«"!!'   «^-"^^^  ^^^7  milch;  sonach  stünde  n  in 
^on  für  l,  vgl.  oben  §.  12,  c. 
■  Vgl.  §.  39,  note  2. 
Sitsiuigtber.  d..plül..hi8t.  Ol.  CXXYm.  Bd.  7.  Abh.  3 


34  ^I*  Abhandlung:    Beinisch. 

F)  Die  lippenlaute. 

56)  Wie  fast  in  allen  kuschitischen  sprachen  so  feit  auch 
im  Becjauye  der  verschlusslaut  p  und  die  labiale  gruppe  besteht 
hier  aus  den  lauten  6,  /,  w,  m.  Die  ausspräche  des  b  ist  stets 
tönend  und  weich,  wie  unser  inlautendes  b  in  leben,  geben. 
Den  verwanten  sprachen  gegenüber  erscheint  für  Be^.  b  meistens 
der  gleiche  laut,  wie:  ba'ar  und  Bil.  Sa.  bir  aufwachen;  bdba 
und  Ga.  böba,  A.  •fl-fl^'i  armhöle;  bddo  furche,  und  Bil.  6uf, 
Sa.  bod  öffnen,  aufgraben;  bola  und  *Af.  bäl  (Cha.  war,  Qu. 
wa^ar)  spilen;  belbel  wilde  taube,  und  6a.  bululd  taube;  balöl 
und  Sa.  bolöl,  Qu.  bal,  Bil.  Cha.  bir,  A.  flAHA  >  sich  entzünden, 
brennen;  biltu  und  Ku.  börtä  hirse;  6fle,  bire  regen,  und  Ku.  bal 
giessen,  d-üla  regen;  bes  begraben,  und  Sa.  bäs  verborgen  sein, 
J>U  tectus  et  occultus  fuit,  ^U-i  refugium;  bür  und  Sa.  *Af. 
balöj  Bil.  birä,  De.  Qu.  biyä  erde;  berir  und  Bil.  barbar  aus-, 
auf  breiten;  bdye  und  Ga.  bald  blatt,  laub;  boy  und  Sa.  büöf 
Bil.  Cha.  Qu.  Agm.  bir  blut;  dgaba  und  Sa.  agdba,  Bil.  kdbgä 
büffel;  däb  und  Bil.  De.  Qu.^'öft  front,  Vorderseite;  dib  und  Sa. 
'Af.  dabby  Bil.  dibb  fallen;  ddmba  (aus  danba,  darba)  und  Sa. 
'Af.  Ga.  zdrbä,  Bil.  hdrbe  wade  und  schinbein;  c^e6  und  Bil.  De. 
Qu.  dab,  Cha.  dib  begraben;  4^mbo  und  Sa.  iäbä  brod;  jröfte 
und  Sa.  'Af.  gab,  Bil.  De.  Qu.  gib,  ^yy  Schild ;  kab  beschlafen, 
und  Bil.  kab  öffnen  die  infibulirte  Jungfrau;  kürib  und  Bar. 
kurbej  Ga.  drba  elefant;  rdba  und  Sa.  'Af.  So.  lab  männUch; 
rib  und  Sa.  'Af.  na  ab  sich  weigern,  nicht  wollen;  t^b  und  Bil. 
ta'anby  Qu.  ^äw6,  Cha.  fäb  schlagen,  u.  s.  w. 

57)  Bisweilen  entspricht  es  einem  /  in  den  übrigen  idio- 
men,  wie:  bari  haben,  besitzen  =  ^ji  auf-,  zusammenbringen; 
bir  neben  flr  =  Bil.  ßr  (Cha.  bir,  Sa.  brar,  Ti.  fl^  i  A.  H^^  i) 
fliegen;  babal  und  Sa,,  fafal,  f^dfol  flattern;  b%  und  Bil. /oj* 
IrQj  beschlafen,  G.  ^^0«  jucundatibus  irui;  iite  antliz,  und 
A.  ^^9  id.;  bas  und  Ti.  ^A'  hinüberschütten  aus  einem  ge- 
fä,ss  ins  andere;  güb,  gübbj  gibb  und  iJ^  maus;  gab  und  CaS  ftn- 
lich  sein;  gab  und  Ga.  qüfa  satt  sein;  ^^616  (aus  hebhib)  schäum, 
und  Ku.  kämfä  (aus  känfä,  kärfa),  A.  h»^^ «  schäumen,  G. 
fliC4«s  schäum  (Sa.  Äfn&ö,  himbö,  So.  hümbo  id.);  kdnSib  und 
,^ywXo>.  e^^n  käfer;  kansübe  nähnadel,  zu  üuo^i.  nähen,  gehörig; 
rib  und  »JurJ  vJi^Ü  (Sa.  *Af.  na  ab)  sich  weigern,  nicht  wollen, 


Die  B6d*iiye-Spr»che  in  Nordost-Afrika.  II.  35 

verabscheuen:  Sebib  und  ljL^  schauen;  amharöy,  amhalöy  und 
Ti.  G.  hl^C*  Bil-  Agm.  kdnfar^  Cha.  kifir  lippe;  idmha  und 
Bil.  fdn^,  ^d/*?  Q'^-  i?<£n6a  fussfläche,  -sole,  u.  s.  w. 

58)  Lautübergang  von  6  zu  m  zeigen  die  formen:  hluk 
neben  mluk^  =  ^  dattel;  niioi^  und  mimdS  grab.*  Ebenso 
steht  Be^.  h  einem  m  gegenüber  in:  banün  plural  benin  gegen- 
über Sa.  *Af.  minin  augenbraue;  bdlo  gegenüber  So.  mär  kupfer; 
bdski  fasten^  gegenüber  sJiJiJc  sich  enthalten;  basänküa  neben 
masänko,  Ti.  G.  A.  i^df^t  harfe;  bdda  gegenüber  Ga.  madi 
wange;  baSäkü,  baääuk  gar  werden,  reifen,  vgl.  ^jJo  ^X«  ma- 
turavit;  neba  heiss  sein,  gegenüber  Ti.  Ai^O '  brennen,  G. 
A9**0i  glänzen,  leuchten.  Das  wort  irbun  mais,  scheint  für 
rumün  »griechenkom«  zu  stehen.  Hieher  gehört  auch  imbira, 
mit  dem  fem.  artikel  tü-minra  die  termite,  weisse  ameise,  welches 
wort  aus  iiÜ  nboj  ameise,  entstanden  ist;  embira  steht  zunächst 
fiir  nemira,  dann  enmira,  emmira  das  infolge  von  dissimilation 
zu  embira  geworden  ist. 

59)  Auch  dem  Be(J.  /  entspricht  in  den  übrigen  idiomen 
meistens  der  gleiche  laut,  wie:  fifl  und  Sa.  jJ^  r/aA,  Ti.  ^T ' 
(lA*  sich  schneuzen;  füf  und  Sa.  'Af.  Bil.  füf  blasen;  fafar 
springen,  hüpfen,  und  Ssl.  fafal,  falfal  flattern;  fegir  (aus  gefir) 
und  jii  yi  "^ips  bedecken,  bedachen;  fakak  entjungfern,  und 
Bil.  Sa.  'Af.fak,  jxJ  ^JJ  öfinen;  ßn  und  Bil. /ün,  Ga.  fümf-a^a 
riechen;  für  und  8a,.  firi,  Ti.  G.  ^^i  blute;  fir  und  Bil.  ^r 
fliegen;  fir  und  Ga.  /tiZa  gesiebt;  för  und  Bar.  /wr  fliehen, 
Jj;  /eriA  und  Sa.  fara\  ^j.s  G.  ^|/^  >  graben;  füti  und  Sa.  'Af. 
So.  futäy  A.  ^;f'«  brühe;  4/^  und  Ti.  G.  h^h^  vorhaus;  gif 
und  G.  güfada,  Sa.  gonfö-yt  sich  anstossen,  straucheln;  Aa/ 
klagen,  singen,  und  «^^  heulen;  kalif  und  G.  ghHV*  nacken; 
ne'äf  und  Sa.  *Af.  lifi'  nagel,  kralle;  tiffö  und  Bil.  tiff,  Cha.  ii/, 
Sa.  'Af.  So.  tuf  Ga.  iw/a  spucken,  u.  s.  w. 

60)  Vil   seltener   steht   dem  Be^.  /  ein  b  in   den  übrigen 
idiomen  gegenüber,  z.  b.  döf  und  Sa.  dübö  fleischstück;  genaf 


^  Die  niination  hat  der  guttural  an  sich  gezogen;  vgl.  §.  46,  b  und  §.  46,  a; 
KU  k  und  ^  8.  §.  37,  b. 

'  In  Barka  verzeichnete  ich  nibdi  und  nimdif,  in  Suakin  mimdi;  vgl.  damit 
das  verb  bes  begraben.  Die  richtige  nominalform  wäre  daher:  nU-beS, 
dann  mi-mei  und  warscheinlich  ist  hieraus  durch  dissimilation  nimei  ent- 
standen; vgl.  bes  in  §.  66. 

3» 


36  VII.  AbhMidlang:    Beinisch. 

knien,  giinduf  und  giimba  (aus  gunba)  knie,  und  Bil.  Cha.  Qu. 
Agm.  girb,  De.  gülbey  Sa.  'Af.  gnlub,  So.  jilib,  Ga.  jilba,  A.  T*A 
fl^^i  knie;  genüf^  und  BiL  qünbä,  Qu.  humbd  nase;  ie/i  milch 
trinken,  und  Bil.  De.  Qu.  .§a6,  Cha.  saby  Agm.  i^a/,  Ty.  XQ' 
milch,  A.  nin>  G.  rnfl^'  lactare;  <e/a*  und  Bil.  etebd^  Sa.  'Af. 
hinduby  A.  M'fli'i  nabel,  u.  a. 

61)  Als  labiodentale  spirans  entspricht  im  Bec^auye  das 
f  einem  früheren  z,  s  in:  fadig  vier,  gegenüber  ds-Sa4ig  neun 

d.  i  [5]  +  4,  däSadig  aus  asa  mer  ausmachend,  und  «o^t^  =  4 
(vgl.  L.  Reinisch,  Das  zalwort  vier  und  neun  etc.  Wien  1890, 
p.  7  ff.).  In  gleicher  weise  steht  /  =  z,  »  in  Be4.  fm  =  Sa. 
sin,  Ti.  Ä^fs  G.  JtV*  geruch;  fu  =  iLi>  riechen;  /i'  bauch, 
inneres  =  *^,Lo  intestinum;  Ä/"  =  Ti.  ^ft*  &iis-,  vergiessen;  /ör, 
fafar  Ti.  rt^«  springen,  hüpfen,  fliegen;  'o/I^  flir  ^a^if  = 
Gr.  OniA '  ^^  niesen  (vgl.  Sahowörterb.  s.  v.  handifö)]  daf  das 
rauchbad  nemen  und  Bil.  dif  =  G.  ^ft  i  rauch,  ulA  «  rauchen; 
AeV/a  —  v>*7^  dumm;  külinfe  andauernder  regen,  vgl.  ,j-li^ 
continuä  pluviä  pluit  (coelum).  Ebenso  entspricht  dem  rießk, 
Ar.  iü  furzen,  eine  ältere  form  Liaj  odorem  emisit;  rehaf  (für 
haraf)  -  j^  bewachen.  Warschein Uch  gehört  auch  Be4.  biye 
Seite,  rippe,  mit  Nub.  bsri  (KD.),  fili  (FM.)  id.  zusammen,  die 
gemeinschaftlich  herstammen  aus  ^^  costa.  Einem  h  entspricht 
BecJ.  /  in  den  parallelformen  fay  und  hay  sein,  existiren ;  dann 
in:  sadtf  neben  sätha  --^  jL^  dach;  ebenso  fürt  fenik  beissen, 
auf  ^JJi^  id.,   und  fena,  Jina  lanze,  *  auf  Ty .  Tis  Vi* «  (Ti.  G. 

62)  Der  laut  w  ist  seiner  ausspräche  nach  ganz  gleich  der 
des  englischen  w,  daher  auch  häufig  folgendes,  bisweilen  auch 
vorangehendes  a  zu  d  und  «,  auch  i  zu  u  verdumpft  werden, 
wie:  wä  =  ^  iD  und;  wäraga  -=  i»^^  papier;  wäkily  doch  auch 
wdkil  =  J-^3  anwalt;  wäkte  neben  wdkte  =  vJU»^  zeit;  ti?(iZ'  = 
^3  anzünden;  um' dga  ^Ti.  Oh^^i  cercopithecus  griseo- viridis 
D.;  vmk  neben  wik  ==  lü  abtrennen;  tvun  und  te^in  gross.  Ebenso 
bisweilen  vorangehendes  a,  e  besonders  wenn  der  vocal  mit 
folgendem  w  zu  einer  silbe  zusammengezogen  wird;  z.  b.  äwweli 

^  Vgl.  c3Ui»  magno  naso  praeditiis. 

'  lieber  den  abfall  von  anlautendem  e  s.  §.  76  und  über  e  in  Ufa  s.  §.  105. 
'  Das  k  (für  Xy  »•  §•  36)  ist  noch  erhalten  in  Be<j.  kendobi  lanzenschaft  = 
ken  lanze  +  ddW  (Sa.  *Af.  So.  däi  stil,  schafl,  heft). 


Di§  BedMye-Spnche  in  Nordost-Afnfau  II.  37 

=  Jjl  erster;  i&wa  =  Ti.  0«flXs  stamm,  tribus;  jäwdb  neben 
jawdb  =  v)\>i.  antwort;  duwBr  (fUr  dewir)  =  ^\^  gesinde,  die 
weitere  familie;  gdruwa  (für  garewa)  -  Ti.  1CV*  mas,  mas- 
ctdus;  Zwtü  (aus  lehw)  =  C^  brennen  u.  s.  w.  Zwischen  zwei 
vocalen  wird  das  w  entweder  ganz  ausgestossen  (s.  §.  66j  oder 
auch  nur  ser  schwach  gehört,  daher  man  z.  b.  den  stammes- 
namen  Ha(f4n4äwa^  in  den  reisewerken  stets  Hadendoa  ge- 
schriben  findet.  SilbenschUessendes  w  geht  zu  ü  über,  wie  gaü 
plur.  gdwa  haus,  duwdn  ich  schHef,  du-ta  (für  duw-,  dew-ta) 
du  schliefst. 

63)  In  den  übrigen  sprachen  findet  sich  für  Be4.  t<?  eben- 
falls meist  der  gleiche  laut  vor,  z.  b.  wä'  und  Sa.  'Af.  wä\  Bil. 
icd',  Cha.  wag^  De.  Qu.  wäg  rufen;  wudga  und  Sa.  Bil.  wä*ägä 
cercopithecus  griseo- viridis;  ivälwäl  =^  Bil.  id.,  luft;  w?wn,  irin 
und  So.  wein  gross;  'a«r,  'aw  und  ^  honig;  am  und  Sa.  hdwä, 
ö.  #h^*/i'  dämmerung;  düley  (für  ^dwley)  und  Cha.  afJZd,  A. 
Otthfir*  Sturmwind;  duwdn  und  ^>4^  plur.  ^^  die  burma, 
wasserkrug;  duwir  und  ^\^  genossen schaft  (vgl.  §.  25);  gaü 
und  Bil.  De.  kaü  haus,  familie;  hawäd  und  Ku.  awddä  nacht; 
kawii}  und  G.  AH^T'  peitsche;  tlw  und  Bil.  faw  y,  Ti.  CELOhi 
HA «  A.  ff^U «   "13f  schreien  ^  u.  s.  w. 

64)  Häufig  entspricht  dem  w  auch  b,  wie:  würe,  üre  und 

Sa.  'Af.  bire  gestern;  'a«?,  'ai2  (Ar.  ^)  und  ®  j  ^^^/^  X^^}  Kopt. 
€&ito  honig;  dwe  und  Ku.  e6ä,  Ti.  G.  h'ttt*  I?^  stein  (s.  §.  16); 
aüle  hungersnot,  und  Ti.  G.  OflC  >  dürre,  hunger;  atvay,  awe 
und  Bil.  kab  helfen;  däwa  und  Sa.  *Af.  ddbäj  Bil.  cibd^  ßbd, 
Ti.  O'dh*  stamm,  tribus;  duw  und  Bar.  debj  Ku.  tabe  sich 
schlafen  legen;  dö^  (aus  rfati?')  und  ^^  A.  G.  rnflt '  ankleben; 
küabil  (für  kbabil)  und  G.  lAnfl'  verschleiern;  kadaw,  kaijaü 
und  kli  MH  G.  'J^rn  >  schlagen;  luw  (für  Zcäm?)  und  G.  AUfl' 
cl^  brennen;  reit',  reÄ  und  Uj  hinaufsteigen  (vgl.  rgJa  und 
^'  berg,  hügel);  rittm,  riü  geld,^  und  \Jj  usura;  yaund  (Cha. 
kawaSj  A.  \\A0   ^i^^d  G.  hflA-  flechten.     Umgekert  steht  ein 

^  Aus  had^-ind-4&wa  »stamm  der  herrenleute« ,  gegensatz  kUiiKJidwa 
»Sklaven-,  dienerstamm«  die  Tigr^.  Die  palatalisining  geht  von  4^wa 
aus,  das  zuerst  das  d  in  4nda  leute,  sich  amalgamirte,  dann  vorangehendes 
n  zu  ri  veränderte,  das  wider  seinerseits  auf  d  in  had^a  eingewirkt  hat. 

*  Zu  t  für  c,  f  vgl.  §.  20. 

'  Ueber  e  in  riba,  rium  vgl.  §.  105. 


38  ▼Q-  Abbandlong:    Beinisch. 

früheres  Be4.  b  einem  jungem  w  in  den  übrigen  idiomen  gegen- 
über in:  ben  (aus  ha-in)  =  Ku.  wä-inäy  Sa.  u?(l,  ö  jener;  keUb 
und  Bil.  gulldw  knöchel,  u.  a. 

65)  In  einigen  ftlllen  fürt  w  auf  /  zurück,  wie:  wik  und 

G.  ^^h*   ^  abtrennen;   iwa  und  c-3^  durstig,   »1!^    -•— "  U 

>^  ^A/w^A    *a6,  ei&e  sitire;  nehaw,  nehaü  und  c-aäj   schmächtig, 

mager  sein;  tawigäy  plur.  tairzj  insect,  mücke,  floh,^  und  Ga. 
dafqij  So.  frfA/J  floh;  umgekert  BecJ.  dfa  und  So.  diro  abend, 
gestern.  Ein  ic  ist  bisweilen  der  rest  eines  frühem  u-haltigen 
gutturals,  wie  in:  winhal  neben  güinhal  eile;  w-äZa,  üla  =^  Bil. 
qüeläy  qüMy  G.  tAl'»  hoden;  tt'dZife  (flir  küdlik)  =  Sa.  guärah 
und  kalah,  G.  hAfli*  i^*  schreien,  rufen;  wasam  neben  hwasam, 
hawasam  scherzen.  Lerreich  sind  die  parallelformen  metüngiili 
(Beni  Amer)  und  entiwala,  entüwala  (Halenga)  der  melreibstein. 
Hier  steht  die  letztere  form  für  methiiala,  und  metungüli  (mit 
secundärem  nasal)  für  mettigualiy  metgualiy  entstanden  aus  Ti. 
iiD^^ls  id.,   dLi«ik«  mola.     Auf  y  fürt  w  zurück  in:    ao?,  aÄ 

(Bü.  Clia.  Qu.  Sa.  'Af.  aü)  =  Ti.  G.  fc/i  >  J\  (j  "^  ^  'ay  wer? 

5^Ä=?^^    ay-  za  =  npK  wer?     Dann    in    ara^   freund,    zu  G. 

O^f  s  aequalem  esse,  gehörig;  ferner  in:  kawj  kaü  und  BiL 
käyä,  Ti.  G.  J^^V «  perlhun,  perdrix  Erkelii.  Hieher  gehört 
auch  das  nur  in  der  passiven  form  vorkommende  naü,  in  atö- 
naü  datus  fui,  das  mit  dem  Agauwort  Bil.  nag,  Cha.  nag  vor 
consonantischen    suffixen  nay  geben,  im  zusammenhange  steht 

66)  Abfall  von  w  zeigt  sich  in:  ü  neben  uoü  (artikel)  der; 
ady  a4  =  Sa.  wät,  wät  (Bar.  med)  verfluchen;  dba,  eba  ^-  So. 
webiy  wäbbi  (Cha.  wirbd,  Bil.  wärabä)  fluss;  iga  (für  wega)  hirt 
=  Sa.  waqayj  G.  ID4*f  >  o*i  bewachen  (So.  eg  wachsam  sein, 
Nub.  wegi  das  vih  hüten);  deg  (für  degw)  =  Bil.  (o^,  De.  f«j, 
aber  Agm.  sekü,  svk,  Cha.  siqaw,  G.  JC/h^'  schwer  sein;  <fc 
(für  dew,  vgl.  da/  ins  Schwitzbad  gehen,  §.  61)  =  Bil.  taü-näj 
Ti.  'fOh^^i  Schwitzbad;  hi  =  Sa.  *Af.  Aau?,  Ti.  Hfl«  G.  IDf/fli 

^  Bei  Seetzen:  tatdk  mücke.  IrrthUmlich  hält  Alrnkvist  ta  ftir  den  fem. 
artikel,  indem  er  in  seinem  Wörterbuch  b.  68  also  ansetzt:  »irSibf?]  f.: 
Seetz.  t€tuik  mücke«.  Aus  6a.  da/qi,  So.  tdkfi  floh,  ist  villeicht  zu  er- 
schliessen  ein   Zusammenhang  mit  G.  f/J^J^  l  pungere,  fodere  (/  =  «, 

vgl.  §.  61),    cf.  ^^yZJi'>  impetum  fecit,  dL«U»S  animalculi  nomen  (vgl.  So. 
cUqsi  fliege). 


Di«  Bedaaye-Spnche  in  Nordost-Afrika.  II.  39 

geben;  häS  =  G.  ^H  j  staub,  von  'tlDR  s;  hay  =  Sa.  *Af.  heyaü^ 
Gr-  ihfä^i  lebend;  re  bmnnen  =  Sa.  ratc^  raü  wasseransamm- 
lungy  tümpely  G.  Iß^^ »  irrigari,  u.  a.  Dieser  abfall  von  xc  tritt 
besonders  hänfig  ein  zwischen  zwei  vocalen;  wie:  da  neben  dwä 
=  Ti.  G.  Y\(Dt  Ty.  Yi^t  ja;  ret2  und  rkcu'^  geld  (Ar.  Uj  usura); 
ay  wessen^  aus  cav-ij  von  aw,  aü  wer;  und  so  auch:  malU,  male 
für  mallaw-ij  genetiv  von  mallö,  malö  (aus  mallaw)  zwei;  rg 
für  rävc'ij  genetiv  von  rötr,  räü  genösse,  kamerad  u.  a. 

67)  Für  m  zeigt  sich  in  den  verwanten  sprachen  meist 
der  gleiche  laut,  so:  medid  und  G.  iidT|iidT|j  'yUyc  abrasiren; 
mag  und  Ga.  mäga  schlecht  sein;  mah  und  Sa.  *Af.  mäh  morgen; 
mehas  und  Ti.  G.  o^hJh  *  ^^^  hauptmalzeit  des  tages  einnemen ; 
malh  und  Cha.  maxil,  A.  ^|/A '  mitte  i  zu  YMh  <  gehörig) ; 
melah  und  Bil.  marh,  Sa.  'Af.  marah,  Ti.  G.  iT^Crh'  ^^^^  weg 
zeigen^  füren;  mes  und  Bil.  wid,  Ti.  G.  ^hJC»  »^U  tisch; 
metünguli  und  Sa.  ma]ahdn  der  melreibstein,  iüik«  mlüe;  wwiy- 
iiia,  mdyuka  und  Ga.  mirga,  So.  midig,  'Af.  midg'i,  Sa.  mizgdy 
midgi  rechts,  rechte  (band,  seite);  der  im  und  ^J;^  herde; /am 
und  ^»Ä»  kole;  Awm  und  Ga.  zamü  gehirn;  Ihna  und  Sa.  ilmä, 
Ti.  fcA^?'  krokodil  (Nub.  elüm,  uliim  id.);  ram  und  ^j  folgen; 
iemt^  und  Bil.  iamat,  Ti.  ffim+i  schmieren;  towi  essen,  und 
Bil.  De.  Qu.  {am,  Cha.  fam,  Ti.  #q^iiDi  G.  '^fiaoi  '^^  ver- 
kosten; <im  und  Bil.  <im  y  (Sa.  *Af.  tibh  dah)  schweigen;  tdmuga 
und  G.  Op^i  links;  tamiriy  tamün  und  Sa.  tdmmän  ('Af.  <a- 
&an4y  So.  taban)  zehn,  u.  a. 

68)  Häufig  ist  m  aus  einem  6  hervorgegangen,  wie:  mag, 
Ga.  mS^  i.  e.  magna  schlecht  sein,  werden  --  Sa.  bah  stinkend 
werden,  faulen;  schlecht,  verrufen,  missachtet  sein,  und  Qu. 
bohuy  G.  fl'MI'V»»  ^U  stinken,  faulen;  mdgäa  und  Bil.  bykü-dnäy 
Qu.  beküdnä  wölke,  Ga.  boküd  regen;  mäh  und  So.  bag  er- 
schrecken, Sa.  bagdgä  schreck;  mhi,  mehi  und  Ti.  tl^h*  übrig 
bleiben;  muh  genug  sein,  und  A.  fl^i  genügen,  genug  sein, 
G-  flt^O*  zuträglich  sein;  mehdy  drei,  und  Sa.  'Af.  bahdr  acht 
d.  i.  [5  -|-]  3;  mar  und  Ga.  bira,  So.  bdrbar  seite,  neben;  mara 
und  Ga.  6aZ*  weit  sein;  wa«e  Vergangenheit,  jar,  und  Sa.  icwö, 
'Af.  biso  vergangene  zeit;  mi-mdi  grab,  von  bes  begraben  (vgl. 
§.  58,  note  2);  dmna  (für  abna)  und  Sa.  *Af.  Bil.  Cha.  Qu.  abin 


^  Langes  e  wegen  des  accentes,  s.  §.  105. 


40  '^f^^^  Abhandlung:    Beinisch. 

gast;  dmna  kindbetterin,  Wöchnerin,  und  Agm.  kaman,  aber 
Bil.  Qu.  Bar.  kaban  gebären;  hami  und  Ti.  G.  'i'fifii  Ui. 
bedecken;  hdmada  knecht,  und  G.  Oflni '  *^  "^^  dienen;  Äa- 
mag  und  So.  ubah  frucht;  hamay  und  Ti.  G.  0«flf  i  wachsen, 
gross  werden;  hümeni  und  Ga.  qdhenay  So.  haben  (Agm.  kemani) 
abend;  irwm  und  Bil.  güärab,  Cha.  girdbä,  De.  Qu.  güyebj  gueb 
(Sa.  *Af.  gflrrul,  Ga.  gandma)  der  frühe  morgen. 

69)  Sehener  erscheint  Wechsel  zwischen  m  und  /,  w;  vgl. 
z.  b.  masa  und  G.  ^XTrh'  li-^  ^^^  ^^P*  spalten,  Bil.  baSaqu  ab- 
reissen;  hamasdy  und  ^>»^  blind;  kaddm  und  Äi\JLÄ.  podex; 
mä«w  und  Bil.  De.  Qu.  wäSy  Cha.  tt'aa;,  it'd;,  Bar.  was,  Kaf.  u?äy 
hören,  w^d;  or;  (lemi  und  ,3^4.  stinken  (s.  §.  25);  ketim  und 
Sa.  kataw  ankommen;  raw,  raü  zweiter  (malö  aus  ma-laü  zwei) 
und  asa-rdma  d.  i.  [5]  +  2,  siben,  Ga.  Idma,  Sa.  Idmmä  (So. 
Zt£6a)  zwei;  sellem  und  Sa.  saraif,  Ty.  A^fl^ '  acacia  etbaica; 
Sum  und  Sa.  *Af.  zatr,  Bil.  Cha.  De.  Agm.  tuw,  Ty.  G.  tii*^* 
eintreten,  u.  a.  Abfall  von  m  zeigt  sich  in  baldnda  teer  == 
^tJU  pix  liquida. 

70)  Aus  n  ist  m  entstanden  in  der  medial-  und  passiv- 
bildung  der  vcrba  mittelst  w,  welche  wie  in  sämmtlichen  nider- 
kuschitischen  sprachen  dem  nifal  oder  sibenten  arabischen  ve^ 
baiform  entspricht;  ebenso  in:  ma  kommen,  aus  Ti.  G.  J^i 
venu  a^am  =■■  G.  4* Hl)'  f^R  klein  sein,  Cha.  eün  =  G.  +rtl«1' 
klein;  damer  sich  beschmutzen  =--  ^yiS>  sorduit;  gedäm  ^=  ^yj^ 
JjcÄ.  Wurzel;  hamisina  =  ji^  die  koloquinte;  ma^dm  matte, 
und  Ti.  ID^V  c^i  eine  matte  flechten;  suküdm  =  ^jX*->  Steuer- 
ruder; semum  ==  ^-,4^^  butter,  fett;  serdm  =  So.  saren,  Sa.  «inrö, 
Ty.  G.  f^CMf» »  Weizen.  Auch  scheint  mifa  knochen,  mit  Bil. 
näi  id.,  zusammen  zu  gehören,  vgl.  De.  Qu.  näSj  Agm.  Cha. 
fioz^  aus  ^naa:  flir  gazn  =  A.  i^ifl":  u.  Yifi^t  Ti.  G.  OKf^^ 
^^  knochen.^ 

71)  In  folge  einer  assimilation  geht  n  vor  lippenlauten 
regelmässig  in  m  über,  obwol  bisweilen  auch  in  dieser  Stellung 
das  n  verbleibt,  z.  b.  dmba  neben  dnba  stercus;  amhur  neben 
anbir  flügel;  embi\  mbi    tag,  und  neba'  heiss  sein;  ambaröy  ^ 

*  Vgl.  Nub.  nütu  (Kulf.),  niü  (KDFM.)  knochen. 

■  Ebenso  steht  im  auslaut  n  für  m  in:  dahan  =  A.  ifi^C^t  ausbeflsern 

ein  kleid,  flicken;  roiän  (auch  Sa.  rosän)  =  f^j  bui'g»  palaat;  vgl.  auch 

Schleicher,  Somalisprache  pag.  76,  §.  61  ff. 


IM«  Bcdavye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  II.  41 

Ti.  Ty.  A.  G.  hl^C*  lippc5  mbäd,  embdd  fassmatte,  und  Nub. 
nebidy  nebidj  Kopt.  n€&  j,     I  ^  ö  ^^^**?  ^''''^  J  '^^^^  ^^j 

jjj  pannns^  Stratum;  awi/e'  =  ^  nützlich  sein;  <m/M  (aus 
enfuj  efnu)  =  Cha.  afir  G.  A^^^hi  fett,  salbe;  4^mha  =  Qu. 
§dnbä,  Bil.  «dn^  fussfläche,  -sole;  dämba  (ftir  danba  und  diess 
für  darfta)  =  Sa.  'Af.  sarhAj  Ga.  zarbäj  Bil.  Äari,  Ti.  ACfl' 
wade,  schinbein;  gumba  knie,  neben  genaf  knien;  finifil  (aus 
finfiV)  =  ,JiJLi  pfefTer;  sümfa  -  Ty.  )fl4«s  gartenkresse,  u.  s.  w. 
72)  Genau  in  folge  solcher  angleichung  kann  auch  ein 
ursprüngliches  m  zu  n  tibergehen  in  der  unmittelbaren  Stellung 
vor  t-  und  A-lauten;*  z.  b.  ^ndera  (für  emdera  aus  medera)  -= 
Sa.  madir  cordia  abessinica;  hangibaldy  der  kleine  finger,  aus 
ham  (anfang,  erster)  +  gibaldy  finger  (da  man  beim  zälen  mit 
dem  kleinen  finger  beginnt,  dieser  also  der  erste  ist);  kerinte 
=  Ty.  h^^^t«  Ti.  A.  G.  h^JP^I^s  die  periodische  regenzeit; 
kuärdn-ta  sie  hat  geküsst,  gegenüber  küäram-dn  ich  habe  ge- 
küsst  u.  s.  w.  Auf  diese  weise  ist  das  semitische  präfix  ma- 
(in  folge  Verkürzung  und  dann  ausfall  des  vocals)  vor  folgenden 
t'  und  A-lauten  zu  n  übergegangen;  so:  ngerdb  und  mit  pro- 
stetischem  e  auch  engerdb  (Bern  Amer)  neben  dem  jungem 
lehnwort  mdgreb  (Bischari)  =  ,^y»-i  abend,  west;  ferner:  enkülib, 
aus  em-y  me-y  ma-kelüb  =-  Sud.-Arab.  i^^^li-i  ror  worin  der  zucker 
versendet  wird;*  dann:  enkaliw  kleine  pfanne  oder  ein  thontopf 
zum  kochen  (zu  G.  ♦AP »  +AlD  s  ^^  U*  gehörig)  flir  me-kaliw 
=  j^^IjL«  sartago;  anküdna  herr,  Gott  Sa.  *Af.  makawdn  grosser, 
häuptling,  herrscher,  G.  C^Y^tt  >  judex,  princeps,  dominator. 
Dieselbe   nominalbildung   ist  sicher  auch  vorhanden  in:   dnga^ 


^  Doch  bleibt  m  vor  Laryngaleo  meist  erhalten,  z.  b.  nCdre  n&rang,  von 
^ar  naren;  mah  morgen  werden,  ü-mha  der  morgen;  mäh  erschrecken, 
i-mha  ich  erschrak;  m^ay  and  enüiAy  drei;  emhnbrt  =  Ti.  G.  ^^flC' 
g^meinderat;  mfhir  and  emkir  ■=  J^  junges  pferd  u.  a.;  ja  es  geht  sogar 
nrsprfinglichee  n  vor  laryngalen  bisweilen  zn  m  über,  wie:  dum'ära  (ans 
dmrCära,  dungara)  =  Nah.  dungir,  dungi  (KD.),  fangir  (FM.)  gold. 

'  Bei  Seetzen  findet  sich  die  form  *onkuJt%h  znckerror«  and  emkctib  id. 
(letzteres  in  der  spräche  von  Darfor),  das  ist  aber  nicht  znckerror  d.  i. 
saccharom  officinarnm  L.,  sondern  ror  für  zncker,  wie  anch  der  honig 
in  Arabien  nnd  im  Sudan  in  rorbehXltem  versendet  wird.  Die  form 
Smladtb  bei  Seetzen  besteht  ans  o  dem  mascnl.  artikel  im  objectscasos 
+  lüadib  (ans  enkOüb,  vgl.  §.  45,  b),  aber  i  (bei  Seetzen  i)  vgl.  §.  105. 


42  Vn.  Abbandlimg:    Heinis  eh. 

pflüg  (ftir  amgaS  aus  marga§\  vgl.  Qu.  giicus,  gAz^  Bil.  guad 
pflügen,  wenn  nicht  villeicht  angai  direct  aus  Ty.  •7A^A, »  A. 
^^Jfi  pflüg,  entlehnt  ist,  bei  ausfall  von  r;  über  jr  zu  somit.  A 
s.  §.  37,  b.  Femer  gehört  villeicht  hieher:  enga  (aus  engaVj 
Bil.  engerä,  De.  Qu.  engiyä  plur.  engfö)  rücken,  flir  megar  = 
j^yo  posterior  pars;  dann:  endirho  oder  dndkiro  henne,  fiir  wi€- 
öfiVAo,  Ti.  JCClf «  Gr-  /^'Clf »  gallus,  gallina.  In  solcher  weise 
ist  wol  auch  zu  erklären  das  wort  dn^eA,  ctn^e'  gegerbte  haut 
als  kleid  verwendet,  vornemlich  aber  benützt  zum  aufbreiten 
um  darauf  bei  nacht  zu  schlafen,  Sa.  walahö  (aus  wcufaliö),  Cha. 
wa§dqy  Bil.  wäsaqä  genannt,  im  Zusammenhang  mit  G.  IDf^s 
(^^  VT)  auf-,  ausbreiten,  ^^Ih't*  tuch;  hiemach  steht  dnd ei 
für  amtjeh  aus  wia-[tf]rfcÄ,  vgl.  ^>«  J^3fQ  lagerstätte.  Ebenso 
entstanden  ist  das  wort  angarB  (auch  im  Nubischen  angari)  das 
tragbare  bettgestell,  aus  amgare  für  magar^  =  ,^^;ji-i  lectus,  \'^ 
hospitio  excepit.  Mit  der  Be^auye-objectsendung  -6  als  angarib 
ist  dieses  wort  im  ganzen  Sudan  verbreitet  und  wird  im  Sudan- 
Arabischen  w^yo\  und  v-.^^\  geschriben,  one  dass  man  natür- 
Uch  weiss,  dass  dies  ein  durch  das  Becjauye  entstelltes,  gut 
arabisches  wort  ist.  Ferner:  endaüre,  enddwire  Schönheit,  schön 
(vgl.  J\j  II  pulchrum  effecit),  mit  metathesis  auch  nawddire^  in 
welcher  Stellung  dann  ma-wddire  zu  erwarten  wäre,  aber  die 
Umstellung  ist  wol  späteren  datums,  als  die  ursprüngliche  form. 
So  findet  seine  erklärung  auch  der  ausdruck  bei  Seetzen:  tig- 
girda  tanquih  schuster.  Diese  composition  ist  zu  corrigiren  in: 
ti'gi4ä't  dnküi  »Sandalen -ankleider,  -verfertiger«  und  es  steht 
dnkui  für  amkui  =  ma-küi  von  kai  oder  küe  ankleiden;  zum 
artikel  ti-  fiir  te-  s.  §.  113.  Nach  Almkvist  bei  tanquih  Seetzen's 
an  das  verb  tukük  ausbessern,  zu  denken  ligt  kein  grund  vor. 
Auch  gehört  hieher  das  zalwort  engäl  eins  (s.  §.  149,  a).    Hin- 

Almkvist,  dem  das  wort  nur  aus  Seetzen  bekannt  ist,  gibt  hierttber  in 
seinem  Wörterbuch  p.  19  folgendes:  *enkuU]y]  m.  Seetz.  [6]nkutXb  sucker- 
ror.«  Wenn  nun  Almkvist  das  o  richtig  als  artikel  im  object  erkannt 
hat,  so  ist  es  unbegreiflich,  wie  er  dann  das  auslautende  h  als  objects- 
endung  ansehen  konnte,  da  wie  er  ja  selbst  in  §.  58  angibt,  das  object 
nur  in  der  unbestimmten  Stellung  (wenn  es  also  nicht  mit  dem  artikel 
versehen  ist)  im  accusativ  mitunter  ein  -h  als  objectszeichen  annimmt 
Sud.-Ar.  ,_  i^,\  *fc,^  erinnert  zwar  an  Ar.  d^^JüL«  cilinderförmiges  gefSiss, 
worin  die  datteln  verfrachtet  werden,  dürfte  aber  eher  mit  Ar.  ^^ylj  im 
Zusammenhang  stehen. 


Die  Bedanje-Sprache  in  Nordost-Afrilu.  ü.  4S 

sichtlich  des  präfixes  an-,  en-  aus  am-  wäre  es  zwar  ser  gut 
möglich,  dass  dasselbe  durch  einfache  Umstellung  aus  ma-  ent- 
standen wäre.  Dass  aber  vil  eher  dieses  anlautende  a,  e  erst 
später  wegen  leichterer  ausspräche  vorgesetzt  wurde,  daftir 
zeugen  folgende  parallelformen,  die  ich  in  Barka  bei  den  Beni 
Amer  aufgezeichnet  habe:  metimgüli,  mtungüli  und  §ntünffuli 
(Munzinger  hat  metongohy  wol  ftir  metQngüäle)  der  melreibstein, 
aus  welchen  formen  die  art  der  Umbildung  des  präfixes  ma-  wol 
klar  ersichtlich  ist.  Bei  den  Haien ga  lautet  dasselbe  wort  entS- 
wala  (bei  Seetzen  dntewdlla  geschriben).  Mit  rücksicht  auf  die 
Beni  Amer-form  ist  entiwala  entstanden  aus  me-j  ma-tehüala  und 
tehüal  =  tungül  aus  tegüal  (mit  secundärem  n)  das  was  Ti. 
^Ai «  cr^  V^  (Sa.  4<^hany  ' Af.  4^xhal)  malen,  ^  daher  enteküala 
=  jü^iky  Ti.  <»"»T#h1 '  Bil-  indtgan^  Sa.  m^i-lahdn  der  melreib- 
stein. Bei  Almkvist  kommt  dafür  vor  die  form  eniiwa  der 
kleine  malstein,  nach  obigem  demnach  entstanden  aus  en-tihüa,^ 
womit  zu  vergleichen  wäre  G.  no/Crh.'  id>  von  ^fhP'  (^^s 
f^thi »  J^fhA  I  =  Ti.  nt^hi ,)  malen. 

73)  Dasselbe  n  aus  ma-  scheint  aller  warscheinlichkeit  nach 
sogar  in  den  wortstamm  eingedrungen  zu  sein  in:  kansube  (bei 
Almkvist  konsube  worin  o  als  trübung  von  a  wegen  folgendem  ü 
anzusehen  sein  dürfte)  nähnadel,  zunächst  aus  kna^übe  fUr  an- 
ksübey  ma-ksübe  =  ^^jJaasuo  subula,  k^jJoL  consuit  subula.  In 
gleicher  weise  scheint  auch  konbrd  berg,  hügel,  nicht  direct  zu 
^y^y  sondern  zu  einer  form  JylacL<  magnus,  J^ä^  crassus  ut 
mons,  zu  gehören.  Das  gleiche  eindringen  desselben  m  iiv  den 
inlaut  zeigt  sich  in  kulümfe,  külinfe  (bei  Munzinger:  kelänfe) 
anhaltender  regen,  zunächst  aus  künlife  für  knulife  und  dieses 
aus  unklife,  muklife  und  mu-klise  (s.  §.61)  —  ,^x**iacvi  von  ^^-li^. 
continu^  pluvid  pluit  (coelum).  Ferner:  tunküi  bündel,  paket, 
aus  n-tukuif  stamm  teku^  welcher  per  metathesim  aus  G.  h*!*^  • 
K^iis  cuis  entstanden;  über  u  zu/  vgl.  oben  §.  45, b  und  65.  Auch 
dürfte  hieher  gehören  die  form  kunda'  der  madenhacker,  bu- 
phaga  erythrorrhynchus,  aus  knüda  für  un-kda\  mvrkda\  auf 
^  6.  tOO  3  secare,  zu  beziehen. 

^  2  für  n  ausser  in  *Af.  ^aAoZ  ist  auch  noch  vorhanden  in  A.  ^||A*'  ^^ 
O.  ^ght  I  Sa.  4^?idn  fein  gemaltes  getreide  mit  butter  geschmorrt,  als 
speise. 

'  Zu  ^  in  entiwala,  enUwa  vgl.  §.  105. 


44  yn.  Abhandlnng:    Bein i seh. 

G)  Abfall  von  consonanten. 

74)  Im  allgemeinen  ist  dieser  Vorgang  bereits  oben  an 
betreflFenden  orten  behandelt  worden.  Hier  möge  nur  noch 
aufmerksam  gemacht  werden  auf  ein  absichtliches  abwerfen 
von  gewissen  consonanten,  welche  von  den  Bedscha  irrtümlich 
flir  formbildende  demente  angesehen  werden.  Wenn  man  einen 
Bedawi  nach  irgend  einen  nennwort  fragt,  so  gibt  er  dasselbe 
stets  in  der  objectsform  an,  genau  so  wie  es  auch  die  Nubier 
machen.  Da  nun  männliche  (auf  einen  vocal  auslautende) 
nennwörter  im  object  ein  -6,  und  die  weiblichen  ein  -t  annemen, 
80  wird  nicht  selten  ein  zum  wortstamm  gehörendes  b  und  t 
als  objectszeichen  betrachtet  und  demnach  in  den  casus,  welche 
nicht  das  object  ausdrücken,  weggelassen.  Ein  solcher  Irrtum 
ist  begreiflicher  weise  doch  nur  in  lehnwörtem  möglich;  so 
z.  b.  eldb  =  Ti.  ÖV'Ü^  (^^-  alärriy  Bil.  dlmat)  heu;  allein  das 
Be^auye  betrachtet  Bla  als  nominativ  und  sieht  im  auslautenden 
b  das  objectszeichen;  über  e  in  üa  vgl.  §.  105.  Ebenso  verhält 
es  sich  mit  minda  (accus,  mendäb)  gegenüber  Ti.  G.  ^f^-fli 
tropfen;  m4rküj  miruku  (accus,  merküb  und  meruküb)  gegenüber 
Ti.  i^CYt"(i*  *— ^j^  schuh;  ebenso  in  -hö  neben  der  noch  voll- 
ständigen form  -hob,  zur  zeit,  da,  als,  gegenüber  G.  /kfl»!  /kfli 
eo  tempore,  quum.  Dagegen  scheint  aradiy  accus,  aradsb 
tamarinde,  in  dieser  objectsform  in  die  benachbarten  semitischen 
sprachen  übergegangen  zu  sein,  Sud. -Ar.  «— o?/f  ^^^  *— *iV 
Ti.  h/ifo'ii*  (auch  Nub.  aradib),  da  dieses  wort  gar  kein 
semitisches  aussehen  hat,  genau  so  wie  das  Sud. -Ar.  ,JXj»yuI 
(s.  §.  72).  Welcher  spräche  in  dillej  accus.  delUb,  Ti.  AA»4I' 
frucht  der  adansonia,  die  Originalität  zukommt,  ist  nach  der 
äusseren  form  schwer  zu  entscheiden,  warscheinlich  gehört 
aber  Be4-  dille  zu  Bil.  dirä  adansonia  und  frucht  derselben, 
wäre  demnach  chamitischen  Ursprunges.  In  derselben  weise 
hat  das  Tigr^  vom  Becjauye  auch  in  der  objectsform  das  wort 
?f  hV*!! '  ==  Bc4-  ^ikena  (accus,  äeketiäb)  trinkschale  entlehnt^  das 
widerum  dem  Ar.  ^^^iui»  entnommen  ist;  zu  k  für  ^  s.  §.  37,  b. 

75)  Der  gleiche  Vorgang  zeigt  sich  bei  weiblichen  nenn- 
wörtem,  wie:  dka  -  Ti.  Ty.  Wfll*»  Bil-  ötA<i<  frucht  der  dum- 
palme;  äküa  =  Ti.  ghlm'l*^  ^^^  büchse  mit  kautabak;  bdla 
=  Ti.  flA^^i  Bil.  balät  schamgürtel  der  mädchen;  d{fo  =  Ti. 


Die  Bedanye-Spnche  in  Nordost-Afrika.  II.  45 

^Crt*  gekochtes  getreide  (als  speise,  die  belila);  ddkya  - 
Ti.  MlV't*  Zeltstange;  kübre  =-=  vj^jis  schwefel,  -hölzchen; 
mindara  =  ij^k-Li  spigel;  mirba  Ti.  ii«>Cfl1**  Bü.  marbdt 
blutrache;  sdggi  =  Ti.  rtT,!*!  netz;  wära  =-  Bil.  M7(lrö<,  Ti. 
(D^^  I  arbeit,  u.  a.  Noch  auflEUUiger  ist  diese  erscheinung  in 
fiülen^  wo  t  zum  wortstamm  gehört,  wie:  sab  =  vjx--^  Ti.  G. 
Ain^'  samstag;  mdlka  -^  klu  feuerzange;  sdle  =  kU^  sesam- 
öl.  Dasselbe  missverständniss  obwaltet  in:  isin  fem.  gen.  das 
flosspferd  (object:  isin-t),  welches  dem  Nubischen:  essi-n-tl  id., 
wörtlich:  >wasser-von-kuh,  wasserkuh«  entlehnt  ist.  Das  wort 
ü  kuh,  rind,  fasste  das  Becjauye  als  feminine  motion  auf  und 
das  genetivische  -n  des  Nuba  wurde  mit  dem  wortstamm  ver- 
schmolzen. Das  anlautende  i  in  isin  ist  aus  e  in  folge  von 
Yocalharmonie  mit  dem  nachstehenden  i  entstanden. 

76)  Im  anlaut  fürt  der  abfall  von  a,  e  (i)y  o,  u  und  t  auf 
die  gleiche  Ursache  zurück,  indem  man  diese  laute  fUr  den 
masculinen  oder  femininen  artikel  ansah  (s.  §.  113);  vgl.  z.  b. 
biy  glid,  membrum,  pl.  biy-a  mit  dem  plur.  artikel  dbiya  körper, 
als  reflexiv:  äbiy-e  ich  selbst  u.  s.  w.  (s.  §.  176),  entstanden 
aus  O.  hQA'^  corpus,  dann:  ipse.  Femer  had  sonntag,  flir 
joL\  jwÄ.'J\  Ä^j  Uma^  ^  Ti.  fcA^ «  Sa.  i7mä,  Nub.  elüm  krokodil; 
tib*  =-  c^^  Ti.  diih'fl'  baumwolle;  tBfa^  Bil.  eteba,  Ti. 
X1"4I'  -A..  M'fli't  nabel;  blis  =  yy^^^\  teufel;  lif  =  k^\ 
tausend;  lil  =-  Ti.  2iAA'  Bil-  *^*^  freudenruf,  begrlissungs- 
gesang  der  frauen;  bä'elik  =  ^Ut  leichte  nebelwolken;  vgl. 
auch  §.  16. 

H)  Umstellung  von  consonanten. 

77)  Ausser  der  schon  oben  §.  73  berlirten  lautumstellung 
von  n  (m)  kommen  im  Becjauye  die  mannigfaltigsten  arten  hier- 
von vor,  hauptsächUch  bei  fremdwörtem  um  dieselben  den 
eigenen  sprachorganen  besser  anzupassen.  Die  häufigste  art 
von  metathesis  findet  statt: 

a)  Bei  den  Uquiden,  und  zwar  bei  Z,  wie:  dlafe  und  A. 
Gr.  h^C*   neben   hCO'  ^^'^?  korb;   ambilhöy   (aus  morbUh-öt) 

^  In  biy  steht  y  f&r  /  (s.  §.  33)  =  bal,  bd,  vor  folgendem  y  ging  dann  e 
m  t  über,  wobei  auch  der  accent  zur  färbong  des  e  zu  i  beigetragen 
hat  (s.  §.  105). 

'  Ueber  die  ULnge  von  e  s.  §.  105. 


46  Vn.  Abhuidlaiig:    BeiBiscb. 

trompete  =  G.  ^'■''flllAl**  vox;  dhaldy  und  Sa.  dilhenö  glut- 
kole;  gülhe  neben  güinhal  =  Ga.  jigiU,  So.  söhul,  Ti.  ^'^«►Al'i 
Ti.  ■1*1  hA*  Ai*^;  ^Ue;  ^aZt^  krümmen,  hantig  kromm  sein, 
und  Ti.  O^i  *  J^  ''ß?  Bi^*  '<^g<^l  krümmen,  biegen.  So.  hdngol 
der  hacken,  angar-an  gekrümmt;  hänküel  und  Ti.  ghlitPf»* 
p(oA.H  concinnus  comae;  küabil  (aus  kbabil)  und  G.  7Anfl> 
verschleiern;  kidala  neben  kdleda  =  y^Ss  becher;  läküdy  neben 
küäldy  =  Ga.  qaldy  Kaf.  j^Kö,  Bar.  kärä  stock;  lehdk  und  Ti. 
Uf^s  jXi^  gaumen;  maZA  und  Cha.  ma%ilj  A.  ^|IA*  mitte, 
zwischen  (zu  KIlA'  g^^^^i^g)?  ^^^^'  UQ<1  Bil.  (aqlaly  Ti.  m^AA' 
durchlöchern. 

b)  Bei  r ;  z.  b.  adger  neben  ajder  können,  vermögen,  dreg 
macht,  kraft  und  j  ji  potuit,  jM  potentia;  deHr  bauen  ein  haus, 
heiraten,  und  G.  ipCO'  condere,  struere;  fegir  und  yU^  "^Pl 
bedachen,  bedecken ;  gühar  stelen,  und  Ti.  ?»CA »  ö.  1* A A  * 
betrügen,  hintergehen;   güsir  und  Ji^xi)  nf5^  lüge;  haragüj  haräg 

(Nub.  orgf)  und  R  30^^  huqar,  ^OHep,  pRO  hungern; 
fciTirc  (aus  kürye)  =  Sa.  *Af.  gärayä  i.  e.  güarayä,  So.  gäräy, 
Har.  gürayd  straussvogel;  <6ri6  =  ^'  teilen.  Villeicht  gehört 
hieher  auch  hddda,  hd^a  (aus  har^a  flir  ha(}ra  und  dies  aus 
4ahra)  löwe  =  G.  T/h^ »  Hlrh^ »  mugire,  ^  daher  KaT.  däherö 
löwe,  cf.  bn^  id.,  der  brüller. 

c)  Bei  nasalen;  z.  b.  ^ncK  (aus  hendi  flir  hedin)  =  Ty. 
'J^"}»  Ti.  G.  'liX,'}»  eisen;  embaUk  (aus  bnalek)  und  Ti.  -flC 
"}|f :  Ty.  •flC'^X»  Sa.  bunnahs  amaranthus  graecizans;  'awär 
flir  maer  ---  jJJc  hole;  ömfu  (ftlr  en/tt,  e/nw)  ^  G.  ö9/i^' 
Cha.  a//r  fett,  pomade;  bean  {{\xr  bena")  =  Ti.  tlCO  *  G.  ^Cll> 
tji  »i>*  ^^^^  flirchten;  ^ancfA  und  ^>  G.  X"Al^»  Ti.  ^A/"« 
Bil.  Saküm,  ^ehüm  kinn,  hart;  iemakudni  und  meSaküdni  schlafe, 
zu  Ti.  i7»Alf|0i  G.  h^^i^H"©»  ruminare,  gehörig;  tdmuga  und 
G.  OPf^i  links. 

d)  Selten  finden  sich  nach  dem  bisherigen  materiale  Um- 
stellungen anderer  consonanten;  vgl.  z.  b.  ka4(iw  =  Ll^  »5^ 
ö.  'l^ni'  schlagen;  embd(fe  (aus  me-tbä-t,  s.  §.  22)  =  G.  «»T 
flAi*»  Schwert;  «tfö6  und  Bil.  sibd,  A.  Affl'f*'  geleiten;  nehca 
und  G.  Vjfrhs  f^  ^^i  1*6^11  sein;  mehas  und  Ti.  G.  iwAfh'  ^ 
mittagsessen  einnemen;  akir  (flir  hakir)  ==  G.  bUA'   Ti.  f|A> 

*  Vgl.  jedoch  auch  Ti.  Ty.  UfL^  «  j*Xä  mugire. 


Die  Bedaaye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  11.  47 

(Agm.  kaly  Cha.  car^  Bil.  De.  Qu.  gar.  So.  kar)  stark  sein,  ver- 
mögeiiy  können;  hakus  und  Sa.  haSükSnk  (jlah,  Bil.  heSükSük  y 
zischeln^  in  die  oren  flüstern,  verläumden;  könHh  und  ^y^Ju^ 
^^  käfer;  nedf  und  Sa.  'Af.  lifV  nagel,  kralle  (G.  V^4** 
spalten),  u.  a. 

Ueber  assimilation  von  consonanten  hat  Almkvist  in  seinem 
buche  8.  52  f.  in  erschöpfender  weise  gehandelt,  weshalb  ich  es 
unterlasse,  auf  diesen  gegenständ  abermals  einzugehen.  Ich  will 
nur  noch  bemerken,  dass  bei  den  Beni  Amer  das  n  der  nasa- 
Hrenden  präsensbildung  in  der  regel  nicht  mit  folgendem  w,  y, 
Ij  r  assimilirt  wird,  z.  b.  ahanriü  ich  will  (bei  Almkvist  aherriu)^ 
anwik  (bei  A.  dtowik)  ich  schneide,^  u.  s.  w. 

2)  Die  vocale. 

78)  Ausser  den  drei  grundvocalen  a,  i,  u  besitzt  das  Be- 
(Jauye  noch  die  zwischentöne  e,  o,  alle  flinf  sowol  lang  als  auch 
kurz  vorkommend.  Die  ausspräche  derselben  bietet  im  vergleich 
zu  der  unserer  vocale  nichts  bemerkenswertes  dar.  Bei  den 
Beni  Amer  in  Barka  werden  vor  labialen  die  vocale  i  und  u 
häufig  auch  wie  ii  vernommen,  z.  b.  jiimmo  für  und  neben 
jimmo  katze,  tü-klüb  für  und  neben  tü-klib  der  knöchel,  düb 
und  dib  fallen,  jüm^a  und  jüm'a  =    ^J»^  frei  tag,  u.  s.  w. 

79)  Daneben  sind  noch  zwei  vocallaute  vorhanden,  nemlich 
a  (bei  Munzinger  ä)  und  (;;  ersterer  wird  wie  in  den  übrigen 
kuschitischen  und  äthiopischen  sprachen  wie  e  im  französischen 
mh'e  ausgesprochen^  und  steht  etymologisch  für  ein  kurzes  a, 
wie:  mdnka  und  mdnka  -  Ti.  G.  ao'^lii  löffel,  kar/iy  und  kardy 
=  Ti.  h^Jß »  hyäne,  u.  s.  w.  Das  §  entspricht  genau  dem  schewa 
mobile  des  Semitischen.  Die  diftonge  ai,  ei,  oi,  au  welche 
Munzinger  und  Almkvist  auffüren,  existiren  eigentlich  im  Be- 
(}auye  gar  nicht,  weil  die  genannten  vocalverbindungen,  genau 
80  wie  in  den  übrigen  kuschitischen  idiomen,  ja  nicht  wie  ein 


^  Doch  bemerkt  Almkvist  1.  c.  p.  130,  note  1:  in  betreff  der  assimilirnng 
des  n  vor  to,  wie  z.  b.  in  awivik  (für  antoik  aus  wik  schneiden)  finde  ich 
besonders  notirt,  dass  der  vorangehende  vocal  einen  schwachen  nasalen 
klang  erhält. 

*  Vgl.  Konamasprache  §.  7,  Bilinsprache  §.  18,  Chamirsprache  §.  4,  Quara- 
sprache  §.  4. 


48  Vn.  Abhaadlaag:    Keinisch. 

geschlossener  laut  gesprochen  werden,  sondern  jeder  einzelne 
vocal  flir  sich  deutlich  vernommen  wird.^  Auch  ligt  diesen 
sogenannten  diftongen  aUj  ai  u.  s.  w.  tatsächlich  nur  ein  aw, 
ay  zu  gründe,  und  sie  müssen  demnach  auch  so  geschriben 
werden,  allein  es  ist  richtig,  dass  wenn  tv  und  y  im  schewa 
quiescens  stehen,  sie  dann  wie  ein  w,  i  gehört  werden,  z.  b.  gaü 
für  gaw  haus,  aber  plur.  gdwa]  bedhati,  aber  plur.  bedhdtya 
zeugniss  u.  s.  w. 

A)  Der  vocal  a. 

80)  Der  vocal  a  erscheint  als  oflFener  laut  (wie  in  unserem: 
aber,  hammer,  kalt): 

a)  Im  anlaut  wie :  abaldy  pavian,  a4if  rinde,  dmba  excre- 
mente,  dsta  silber,  u.  s.  w. 

b)  In  der  Umgebung  der  kel-  und  gaumenlaute,  wie:  'a 
milch,  'ab  zicklein,  habi  verweigern,  haddl  schwarz,  kaf  singen, 
kalif  nacken,  kan  wissen;  —  ba'dso  fuchs,  dai  flechten,  fa^id 
lachen,  bdha  antilope  saltiana,  ddha  kinnlade,  fagdr  bursche, 
lak  trinken,  tak  mann,  u.  s.  w. 

c)  Im  auslaut  in  der  nominalendung  -a  (aus  kuschitischem 
-ä  oder  aus  dem  semitischen  nomen  unitatis  entstanden),  wie: 
dgaba  (bisweilen  noch  agdba)  -—  Sa.  agdbä.  Ti.  Ty.  KlQ  i  büffel; 
ddmba  -  Sa.  *Af.  sarbäj  Ti.  Ty.  ACfl*  schinbein,  wade;  4^mba 
=  Qu.  Sanbä  fussfiäche,  -sole;  dinya  =  Uij  weit;  gdha  =  Bil. 
gübä  rhamnus  nabak;  gtrgüma  —  Bil.  gürgünuiy  Sa.  durgümd 
halsknorpel,  adamsapfel;  hida  =  Sa.  siddäy  'Af.  tiddä  gemein- 
schaft;  Idga  =  Ti.  ftpi  Sa.  'Af.  r^güd  kalb;  Uma  =  Sa.  ilmäj 
1^^*  hii^*  krokodil;  sükena  ==  Bil.  zägüdnäy  Qu.  sakänä,  Cha. 
säxänäj  Ti.  G.  Ah»?'  fussknöchel;  sdra  =  Sa.  'Af.  sdrcL,  Cha. 
serd  rücken,  u.  s.  w. 

d)  In  der  participialendung  -a  (aus  früherem  -äw,  -äü  *  her- 
vorgegangen), wie:  dkra  stark,  f^rha  freudig,  gddaba  traurig, 
hdtera  mutig,  u.  s.  w. 

e)  In  der  pluralendung  -a  (aus  ö,  ön'  entstanden),  wie: 
drgin-a  lämmer,   gdwa  häuser,   kürba  elefanten,  u.  s.  w.,   sowie 

^  Vgl.  auch  A.  W.  Schleicher,  Somalisprache  p.  68.    L.  Tntschek,  DictioiL 

of  the  Galla  lang.  p.  XXIV. 
*  Vgl.  Kafasprache  §.  35. 
'  Vgl.  L.  Keinisch,  Das  zalwort  vier  und  neun,  p.  9,  §.  6. 


Die  Bedftnye-Sprache  in  Nordost-Afrika.  11.  49 

in  der  endung  des  genetivs  der  merzal  im  Bischari  auf  -ya,  -a 
(Bil.  -a  aus  ya  =  Amh.  f -),  wie:  aya-ya  der  bände,  gawd-ya 
der  häuser,  henin-a  der  augenbrauen,  u.  s.  w. 

f)  In  verschidenen  verbalendungen,  wie:  <am-a  iss!  tam- 
driy  tdm-ta,  täm-ya  icb  ass,  du  assest,  er  ass,  u.  s.  w.  In  der 
merzal  der  oben  angeftlrten  fälle  ist  a  aus  einem  frühem  ä  her- 
vorgegangen. 

81)  In  allen  sonstigen  Stellungen  ist  das  a  weniger  oflFen 
und  neigt  mer  zur  ausspräche  von  a^  geht  sogar  häufig  auch 
zu  e  über,  z.  b.  barük,  auch  barük  und  berük  du,  karäy,  kardy 
und  kerdy  =  Ti.  1n^J& »  hyäne,  u.  s.  w.  Fällt  der  accent  auf  ein 
solches  aus  a  hervorgegangenes  e,  so  erscheint  es  häufig  als  i, 
z.  b.  dingar  und  ddngar  ebene,  fläche;  kerinte  (aus  kerdmte,  ke- 
rnte) =  G.  h^y^'h»  regenzeit;  mdnga  und  minga  =--  \^:Jjo  wüste; 
mdnka  und  mdnka,  minka  (aus  m4nka)  =  Ti.  G.  hd"}}!!  löffel; 
mirba  =  Ti.  fl^ClH"»  räche;  mirkab  =  s^^j^  schiff;  riya  =-  \ä.j 
mülstein;  terig  =  A.  CB^i^^ »  mond,  monat,  u.  s.  w. 

82)  In  unmittelbarer  Stellung  nach  lo  wird  a  zufolge  der 
ausspräche  des  w  wie  englisches  w  meist  zu  ä  verdumpft,  wie: 
wA  (seltener  wo)  und,  wäkil  der  anwalt,  wäkte  zeit,  wäV  anzünden, 
wära  arbeit  (s.  §.  62),  u.  s.  w.  Aus  demselben  gründe  wird 
auch  das  a  nach  einem  t^-haltigen  guttural  häufig  wie  ä  ge- 
sprochen, z.  b.  küäk  und  sogar  käk  neben  küak  beherbergen, 
küäly  käl  und  küal  hauen,  kuäldy,  käldy  und  küaldy  stock, 
küSrküäry  kärkär  und  kudrküar  schlänge,  küärdm^  kärdm  und 
küardm  kuss,  u.  s.  w.  Ebenso  wird  häufig  einem  tt-haltigen 
guttural  vorangehendes  a  zu  ä  verdumpft,  wie:  asägür  und 
cLSugür  sechs,  bäku  und  bäk  neben  bdkü  so,  dägua  und  ddgüa 
spion  (s.  §.  46).  Diese  verdumpfung  kann  auch  noch  stattfinden, 
wenn  zwischen  dem  a  und  dem  u-haltigen  guttural  der  nasal  n 
steht,  wie:  ängüa  und  dngüa  dumpalme,  änkua  und  dnküa 
höcker,  änküdna  und  ankudna  herr,  u.  s.  w.  Nachfolgendes  ö, 
ü  wirkt  auch  sonst  bisweilen  auf  a  verdumpfend  ein,  wie :  am- 
bärdy  neben  ambaröy  lippe,  bälöl,  bälül  und  balöl  flamme,  ma- 
sänkö  und  masdnlcö  harfe  u.  a.;  ebenso  nachfolgende  labiale, 
z.  b.  däbba  =  ili  holzrigel;  dJäme  =  G.  Ty.  A^Jt  nord;  4^mbo 
und  4^mbo  feines  brod ;  hämmdr,  hummdr  =-  Ti.  A^C '  matten- 
zelt  der  Beduinen,  u.  s.  w. 

SitzongBber.  d.  phlL-hist.  Ol.  CXXYni.  Bd.  7.  Abh.  4 


50  ^^*  Abb&ndlnng:    Beinisch. 

83)  Wie  schon  aus  §.  80  ersichtlich  wurde,  ist  a  in  vilen 
Mlen  aus  ä  verkürzt  worden.  Grammatisch  kommt  ä  nur  mer 
vor  im  nominativ  des  pluralen  artikels  ä  die,  und  des  demon- 
strativs  an  diese,  femer  in  den  persönlichen  flirwörtem  baräk 
fem.  batdk  ir,  bards  fem.  batds  sie  (plur.)  und  den  entsprechenden 
possessivsuffixen;  im  verb  in  der  zweiten  und  dritten  person 
pluralis  des  perfects  bei  den  denominativen  verben,  wie:  tdm-täna 
ir  asset,  tdm-yäna  sie  assen,  dann  in  der  negation  auf  bör ;  femer 
in  der  nominalbildung,  wie:  abdb  Verachtung,  ibdb  reise,  ^i6dÄ 
floh  u.  a.  (wovon  später  die  rede  sein  wird),  dann  nach  art  des 
Aethiopischen  und  der  Agausprachen  in  der  Stellung  vor  laryn- 
galen,  wie:  bd'no  asgeier,  fäHd  lachen,  filä'  entjungfern;  fdhme 
(Ar.  ^)  verstand,  gaddh  (Ar.  ^ji)  schüssel,  mäh  erschrecken,^ 
u.  s.  w. 

B)  Der  vocal  e. 

84)  Die  vocale  e  und  i  werden  im  Bedauye  meist  schärfer 
und  bestimmter,  als  in  den  übrigen  kuschitischen  idiomen  in 
der  ausspräche  von  einander  unterschiden.  Im  anlaut  kommt  e 
nur  prosthetisch  vor,  wie:  ergdne  (flir  ragane)  schaf,  entüngiUi 
(für  metungüli)  malstein,  u.  s.  w.  Der  quantität  nach  erweist 
sich  e  leichter  als  i,  was  man  aus  der  tatsache  ersehen  kann, 
dass  e  häufig  als  abschwächung  von  i  zu  erkennen  ist  (s.  §.  86), 
femer  daraus  dass  der  accent  auf  keinem  ä  stehen  kann,  ausser 
wenn  dasselbe  durch  position  verstärkt  ist,  sonst  muss  dafür  i 
eintreten  oder  es  geht  e  zu  i  über,  z.  b.  esinne  er  bleibt,  itni 
oder  isini  er  bUb,  ifi  er  ist,  ifi  er  war,  u.  s.  w.  (s.  §.  105). 

85)  Wo  e  im  anlaut  nicht  prosthetisch  auftritt,  ist  es  stets 
der  rest  einer  silbe  mit  abgefallenem  anlautenden  consonanten, 
wie:  edid  =  Eil.  qadad  teilen;  iga  hirt,  zu  G.  ID4*f  *  i^^  ge- 
hörig; iga  =  A.  %ppt  rauch  (das  lange  e  wegen  des  accentes, 
§.  84);  endi  =  Ti.  G.  'liÄ,'}»  eisen;  ^sse  (flir  er«e,  her$e)  ==  G. 
hC/**»  inneres,  bauch,  u.  a.,  sowie  im  pronominalpräfix  der 
dritten  person  im  verbum,  aus  früherem  ye-,  ya,  wie  e-bdden 
er  vergass,  vgl.  täm-ya  er  ass,  u.  s.  w.  Bei  dieser  gelegenheit 
möge  noch  kurz  daran  erinnert  werden,  dass  sämmtliche  cha- 
mitische  sprachen  (gleich  den  semitischen)  ursprünglich  im  an- 


^  Vgl.  auch  A.  Dillmann,  Grammatik  der  äthiopischen  spräche,  s.  71,  §.  46. 


Die  Bedaaye-Sprache  in  Nordost- Afrika.  II.  51 

kut  von  Wörtern  keinen  vocal  kennen  und  wo  solche  in  jetziger 
spräche  auftreten,  dieselben  nur  die  reste  eines  früher  conso- 
nantisch  anlautenden  sillabars  sind;  vgl.  auch  §.  8.  11.  51  ff. 

86)  Das  e  erscheint  nicht  selten  als  Schwächung  von  i, 
z.  b.  ende  neben  endi,  aber  im  object  noch  stets  endit  eisen; 
ergdne  neben  ergdnij  aber  im  object  erganib  schaf;  lue  und  lilij 
im  object  lilit  äuge;  dngüel  neben  dhgriil  oren,  aber  im  singular 
aiigüil  or;  herka  =  Üt^  teich;  debdk=,^^\  quecksilber;  der  Im 
=^  ^^  herde;  hedim  =  ^\Jä.  leibbinde;  helal  =-=  J^  haarnadel; 
h^du  =  %j^y^  ™g>  kerinte  =  Ty.  Yl^9^'b^  ^^®  periodische 
regenzeit;  lejdm  =-  ^lij  zügel;  lemun  =  ^^.^j  limonie,  u.  s.  w. 

87)  Auch  erweist  sich  e  als  schwächungsvocal  von  a  (zu- 
nächst über  «),  z.  b.  ende  neben  regelmässigem  enda  mutter; 
berük  fem.  betük  neben  barük  und  barük  fem.  batük^  batük  du; 
berüs  fem.  betüs  neben  barus,  batüs,  bariu,  batus  er,  sie;  keräy 
und  kardy  hyäne  (s.  §.  81).  Sogar  ä  kann  zu  e  werden;  z.  b.  der 
und  deir  (aus  dar  =  A.  J5^»  G-  f^di^*)  Verstössen  die  frau; 
duwir  =  jVyL.  nachbarschaft;  kaUb  =  Ti.  hA*!!*  ^^^  hA*!!* 
hofranm;  kiferi  (neben  kifiri)  =  ^iJ  beide.  Das  lange  e  fllr  e 
ist  hier  nur  durch  den  accent  bedingt  (s.  §.  105),  was  man 
deutlich  aus  ü-kferi  (für  ü-k^re)  der  beide,  ersehen  kann,  da 
langes  e  nicht  ausgestossen  werden  könnte.  Derselbe  fall  ligt 
vor  in  amir  fUr  mair  =  ^LÜ  hole. 

88)  In  der  Umgebung  von  w  wird  e  zu  u  verdumpft,  wie: 
wun  (neben  wen  und  häufiger  loin)  gross;  wu*dga  (für  voe'figa) 
cercopithecus  griseo-viridis  D.;  nuwiü  (neben  newiil)  taub,  u.  s.  w. 
Dieselbe  trübung  tritt  auch  häufig  vor  labialen  überhaupt  ein, 
z.  b.  ümero  ==  Bil.  emänä  einst,  jemals;  dübba  =  Ti.  Jtfll"» 
hügel;  duni'dra  neben  dem'dra  gold;  humdr  =  Ti.  HiV^d't* 
adansonia  digitata,  u.  s.  w. ;  auch  wird  durch  folgendes  ti  voran- 
gehendes e  zu  u  getrübt,  wie  gulul  neben  gelül  dumm;  urbün 
neben  erbün,  irbün  mais,  u.  a.  (vgl.  §.  82).  Ueber  den  einfluss 
u-haltiger  gutturale  auf  vorangehendes  e  vgl.  §.  46,  c. 

89)  Das  ^  kommt  ausserdem  dass  es  als  denung  von  e 
auftritt  (s.  §.  87  und  105),  auch  noch  vor  als  contraction  fUr 
ay;  z.  b.  Ä5n  (aus  ba-in)  jener,*  bH  (aus  ba-in-t)  jene;  he  und 
fi  neben  hay  und  fay  sein,  esse;  are  =  G.  'J^f  i  wollen;  hema 


^  Vgl.  Ka.  inä  dieser,  tcA^nä  jener,  Nub.  in  dieser,  man  (atm  mor^n)  jener. 

4» 


53  Vn.  Abhandlnog:    Beiniscli. 


) 


=  G.  -IJ&iiol-i  SJi^  zeit;  het  ==  kSU.  mauer;  Ä:^r  =  jlL  (G. 
^ItC«  Ti.  jfLCO  gnt,  schön;  wie«  =  «jJU  G.  •^JiJC«  tisch;  «g 
(aus  «ay,  «airy  =  G.  ft^*l »  vgl.  §.  30  und  69)  leber,  u.  a. 

C)  Der  vocal  f. 

90)  Das  i  wie  l  ist  vilfach  aus  einem  y  hervorgegangen,^ 
so  im  genetivischen  -%,  das  mit  A.  f-  im  zusammenhange  steht, 
femer  im  femininum  beim  verb,  z.  b.  täm-i  iss  du  (fem.),  zu- 
nächst aus  y  und  dieses  aus  t  erweicht.  So  auch  hie  und  da 
in  der  Wortbildung,  z.  b.  ihdb  (aus  y6ö6,  yibäb)  =  v-jUa  reise; 
iwa  (aus  yeiwd)  =  l3^^  durstig;  o/Z  =  Ti.  O^f  i  gesund  sein; 
ii'  und  ^1'  =  ^li)  (med.  y)  alt  werden,  u.  a.  Ueber  den  laut- 
übergang  von  a  zu  i  s.  §.  81  und  über  i  flir  e  s.  §.  84. 

91)  Grammatisch  wechselt  i  auch  mit  ü,  ö  ab,  vgl.  z.  b. 
anbür  plur.  <£n5fr  und  cinJer  fltlgel,  anül  plur.  ewfl  wunde,  banAn 
plur.  Jenin  augenbrauen,  Aum  plur.  htm  gehim,  ngül  plur.  ngil 
faden,*  rid  =  Sa.  'Af.  rüd,  A.  {«Tf  i  reis,  tirmin  =  Ti.  •f'C^?'}« 
querbalken.  Auch  erscheint  i  fUr  kurzes  u;  z.  b.  dinya  = 
U3^  weit,  Zt&an  =  ^iJ  Weihrauch,  u.  a. 

92)  Das  lange  l  steht  häufig  flir  g  aus  ay;  so  in  der  vocativ- 
endung  -I  neben  -ö  und  -ay  ol  Ebenso  im  Wortschatz,  wie:  a\d 
und  dv)i  =  Ti.  G.  Af  J&>  morgen-  oder  abendröte;  ima  und 
iifna  (aus  ayma)  =  Ti.  +M^»  Spätherbst,  winter  (November 
bis  März);  hil  =  JJL*-  Ti.  G.  'liJtA»  stärke;  Zajfi  (aus  lagJ^j 
Idgay,  lagad  zu  Ti.  G.  Vl^s  reisen,  gehörig)  weg;  meM  und 
mehdy  drei;  «icZ  süd  =  j^.JU>  adscensio,  Oberegypten  und  Nubien; 
ebensoTkurzes  i  in  dngi  =  Bil.  anqdy  mitte;  sitdn  oder  jt^dn 
=  ^jlkl^  Ti.  ii^f  I  G.  rtj!^"} «  teufel.  Dessgleichen  steht  l 
für  ä  in:  kuiküay  =--  Sa.  'Af.  AdÄö,  G.  V^^'  rabe;  &aK/und  kal{f 
==  G.  rh^9'  nacken;  mehin  =  ,^\iJi  ort,  u.  a. 


^  Vgl.  auch  A.  Dillmann,  Grammatik  der  äthiopischen  spräche,  8.  80. 
'  In  diesen  beispilen  steht  t  eigentlich  für  e  wegen  des  accentes,  s.  §.  105 
und  117,  e.     So  steht  auch  teh  (e  für  e  nach  §.  87  und  105)  =  Sa.  'Af. 

löh,  Ti.  /\^Hi  I  O.  lii/hfh  *  C^  balken,  brett.  Auch  wird  der  artikel 
ü,  ö  fem.  tu,  td  häufig  zu  e  gekürzt,  e-^oA  für  ü-  und  ö-gaA  das  haus, 
te-takdt  für  tu-  and  to-tak<U  die  frau;  s.  §.113. 


Die  BedMje-Sprmeh«  in  Nordott- Afrika.  U.  53 


D)  Der  vocaJ  o. 

93)  Kurzes  o  und  u  kommen  in  sämmtlichen  kuschitischen 
wie  äthiopischen  sprachen  nur  bei  den  u-haltigen  gutturalen 
oder  in  der  Umgebung  von  labialen  als  trübungslaute  von  a  und 
e  vor  (vgl.  §.  45  und  82).  Das  Becjauye  hat  ausserdem  noch 
die  kuschitischen  nominalendungen  auf  -ö  und  -ü  (zunächst  aus 
-aü  hervorgegangen)  fast  ausnamslos  zu  -o  und  -u  abgeschwächt^ 
wie:  ddaro  rot,  ddbalo  klein,  ümero  früher,  4ndh%ro  hun  u.  s.  w. 
Dass  hier  der  auslautende  vocal  in  der  tat  ein  kurzer  ist,  kann 
man  schon  aus  der  Stellung  des  accentes  bei  dreisilbigen  Wörtern 
ersehen. 

94)  Langes  ö  erweist  sich  ausser  im  artikel  der  objects- 
form  und  der  innerradicaligen  nominalbildung  fast  immer  als  con- 
traction  aus  at2,  aw\  wie:  ör,  Ur  aus  awr  =  Q-a.  awdlay  Ti.  t"!!^  • 
G.  4^(1^  •  y^  begraben;  bök  aus  ba[ha\uk  =  G.  n^lf"*  bock; 
dö'  (aus  davo")  =  ^^  A.  G.  nifl4"  ankleben;  döla  =  i^^>  amt, 
regierung;  hö  =  Bil.  hau,  Ti.  ^ahi  gebeil;  jöhar  =yb^  perle; 
höd  =  |>>^  teich,  see;  nöra  =  tj^  kalk,  u.  a.  Ebenso  kommt 
d  auch  als  contraction  aus  an,  al  vor;  vgl.  z.  b.  köa  hom,  zan, 
und  Sa.  gäiä  plur.  göz,  'Af.  gäysä  (aus  gansä  oder  galsä)  und  A. 
4»^JC«  id.;  kösa  messer,  und  ^^  ij>j^  J-^*  schneiden. 

E)  Der  vocal  u, 

95)  Das  ü  ist  aus  ö  gekürzt;  vgl.  z.  b.  dür  =  Ti.  H^»  Ty. 
HlD^s  besuchen;  gube  ===  Sa.  'Af.  ^^6,  v-^yw  schild;  hüs  neben 
kösa  messer;  hübi  und  hübi  herbst,  zunächst  aus  höbi  =  halbi 
vgl.  Ou^  id.;  güd  (und  verkürzt  jad,  güed)  vil,  zunächst  aus 
jjfdd,  galdy  vgl.  ji^  accumulavit;  2üZ  (aus  löly  laül)  strick,  G. 
AIDA*  Ti.  A*"As  winden,  binden,  u.  a.  Aus  ü  ist  dann  bisweilen 
u  gekürzt,  wie:  endirku,  auch  endirhe  neben  dndhiro  (aus  ma- 
dirhö)j  Ti.  JtClf »  him,  henne,  Admi^  haar  u.  a.  Die  gewön- 
lichste  kürzung  von  ü  ist  e  (oder  i,  wenn  der  accent  auf  e  zu 
stehen  kommt),  s.  §.  91;  sonst  kommt  ü  nur  noch  bei  den  u- 
haltigen  gutturallauten  (s.  §.  45)  oder  als  trübungslaut  für  e  in 
der  Umgebung  von  labialen  vor  (s.  §.  88);  über  den  denungs- 
vocal  ü  aus  u  s.  §.  96,  c. 


54  Vn.  Abhuidlniig:    ReiBiteli. 

F)  Denung  der  vocale. 

96)  Zum  schluss  der  betrachtung  über  die  vocale  möge 
noch  erwänt  werden,  dass  im  Be^anye  in  bestimmten  fiülen  der 
vocal  gedent  wird.     Dies  geschieht: 

a)  Vor  allen  an  einen  kurzen  vocal  antretenden  snffixen, 
worauf  schon  Almkvist  p.  48,  §.  24  hingewisen  hat.  Hierin 
unterscheidet  sich  das  Becjauje  von  den  übrigen  kuschitischen 
und  auch  äthiopischen  sprachen,  da  in  diesen  vor  suf&cen  in 
der  regel  der  lange  vocal  gekürzt  wird.^ 

b)  Wenn  auf  ein  kurzes  e  der  accent  zu  stehen  kommt; 
vgl.  hierüber  §.  84  und  106. 

c)  Um  ein  folgendes  teschdid  zu  ersetzen;  vgl.  z.  b.  hido 
furche,  und  G.  ^HH*  öffnen,  spalten;  6lr  =  Ti.  fl^i  fliegen; 
bisa  und  hissa  =  J^  katze;  4^m  »  p^  ausfUllen;  /<8r  und 
fafar  =  Ti.  rt2»  springen,  hüpfen;  för  =  ji  fliehen;  güh  (Bi- 
schari)  neben  guhh,  gilb  (Beni  Amer)  =  iSJi  maus ;  hüd  =-  jji 
donner;  hida  =  Sa.  siddä^  'Af.  Hddä  gesellschaft;  häk  di  =  Ti. 
Ilh»  flA»  c^  sic^  räuspern;  kaf  =  ySL  singen;  Üb  =  Ti.  G. 
fii^i  magen;  müd  =  jLi  mass,  schefiel;  r%d  (Sa.  'Af.  rüdj  A. 
<«Tf  0  =  ij  r^isj  *^^  '^  r^  gift-  Das  umgekerte  verhältniss 
findet  statt  in  Be4.  düle  gegenüber  Bil.  dirä  adansonia  digitata. 
—  Ueber  den  vocalschwund  ist  den  von  Almkvist  gemachten  aus- 
fürungen  (p.  46  ff.)  nichts  wesentUches  beizufügen. 

3)  Der  accent 

97)  Da  ich  in  diesem  abschnitt  vilfach  von  meinem  hoch- 
verdienten Vorgänger  Almkvist  abweiche,  so  muss  es  spätem 
forschem  überlassen  bleiben  zu  entscheiden,  wer  von  uns  beiden 
in  den  von  einander  divergirenden  fällen  die  richtige  beobachtung 
gemacht  hat.  Ich  anerkenne  gerne,  dass  bei  der  grossen  ge- 
wissenhaftigkeit,  mit  welcher  Almkvist  in  allen  seinen  unte^ 
suchungen  vorgegangen  ist,  derselbe  gewiss  auch  in  der  accent- 
frage  des  Be(}auye  ebenso  genau  wie  in  den  übrigen  partien 
beobachtet  haben   wird.     Dazu   kommt,   dass   Almkvist   durch 


^  Vgl.  Bilinsprache  §.  157,  Chamirsprache  §.  211,  Qaarasprache  §.  121 ;  DiU- 
mann,  äthiopische  spräche  §.  36. 


Die  BedAiiye-Sprache  in  Nordost-Afrika.  II.  &5 

mer  monate,  als  ich  durch  wochen  hindurch  mit  dem  Be(}auye 
sich  beschäftigen  konnte.  Ungeachtet  dieser  gewichtigen  tat- 
sachen  bleibt  mir,  wenn  ich  nicht  gegen  das  gefUl  der  warhaftig- 
keit  Verstössen  sollte^  nichts  übrige  als  aus  meinen  eigenen  auf- 
zeichnungen  diejenigen  resultate  zusammen  zu  stellen,  welche 
sich  eben  aus  denselben  ableiten  lassen.  Die  beiderseitige 
differenz  in  unsem  accentbezeichnungen  mag  aber  wol  villeicht 
daraus  erklärt  werden^  dass  Almkvist  seine  aufzeichnungen  bei 
den  nördlichen  Bischari  machte^  ich  aber  fast  ausschliessHch  mit 
den  südlichen  stammen  der  Halenga,  Hadendäwa  und  Beni-Amer 
arbeitete,  und  ich  habe  selbst  einige  male  beobachtet,  dass  meine 
Bischari  besonders  arabische  lehnwörter  genau  so  accentuirten, 
wie  die  Araber  und  also  darin  von  den  südlichen  stammen  ab- 
weichen, die  ganz  nach  kuschitischer  weise  betonen. 

98)  In  meinen  Schriften  finde  ich  nun  vilfach  ein  und  das- 
selbe wort  in  der  gleichen  grammatischen  Stellung  verschiden 
betont,  was  daher  kommt,  dass  die  Bedscha  gleich  den  übrigen 
kuschitischen  Völkern  im  allgemeinen  die  stimme  nur  wenig 
moduliren  und  vilmer  die  silben  eines  wertes  eine  nach  der 
andern  in  fast  gleichmässigem  tempo  hervorbringen.  Es  er- 
fordert hiernach  schon  eine  beträchtUche  auftnerksamkeit  und 
Übung,  die  eigentliche  tonsilbe  eines  wertes  herauszufinden,  be- 
sonders dann,  wenn  man  gesprochene  sätze  rasch  nachschreiben 
will,  und  nun  nicht  immer  zeit  genug  bleibt,  auf  die  accente 
jedesmal  die  gebürende  rücksicht  zu  nemen.^  Im  allgemeinen 
kann  man  nun  betreff  des  accentes  im  Be<}auye  folgende  haupt- 
regeln aufstellen: 

99)  Der  accent  steht  nur  auf  einer  der  drei  letzten  silben 
eines  wertes,  z.  b.  asül  wunde,  embaröy  lippe,  nethdi  asche, 
Safari  mist,  ia4i4  rinde,  tiffö  gespei;  amdsu  ich  hörte,  ebäden 
er  vergass,  hamiti  traurig,  hübi  regenzeit,  herbst,  küUla 
schnupfen,  kUya  sklave,  reboba  nackt;  ibdbkena  reisender,  kud- 
lani  axt,  beil,  mehdlaga  geld,  sükena  knöchel,  sürkena  erster, 
tdmuga  links,  u.  s.  w. 

^  Die  an  manchen  stellen  in  meinen  Be4Auyetezten  zu  tage  tretende  in- 
consequenz  in  der  accentsetzang  erklärt  sich  eben  auch  ans  dem  an- 
gegebenen gründe,  indem  ich  es  für  unstatthaft  erachtete,  nachträglich 
in  Europa  one  beisein  eines  eingebomen,  den  ich  hätte  zu  rate  ziehen 
können,  eigenmächtig  äuderuugen  in  meinen  aufzeichnungen  vorzunemen. 


56  VII«  Abluuidlaiig:    Beiniseh. 

100)  Der  ton  ruht  auf  derjenigen  silbe,  deren  vocal  an 
quantität  die  vocale  der  übrigen  silben  eines  Wortes  überwigt; 
also  z.  b.  abaldy  cercopithecus  griseo-viridis^  adüma  mabseit, 
ibäbkena  reisender,  u.  s.  w. 

101)  Der  vocal  einer  geschlossenen  silbe  überwigt  hin- 
sichtlich des  accentes  den  vocal  einer  offenen  silbe,  wenn  diese 
vocale  von  gleicher  quantität  sind;  z.  b.  andb  eiter,  ardr  blei, 
isin  flusspferd,  (2anan riemen,  kalifnAckeriy  fcuiin rürstock,  u. s.w. 

102)  Der  vocal  einer  doppeltgeschlossenen  silbe  überwigt 
den  einer  einfach  geschlossenen;  z.  b.  dnkar  rächen,  ddngar 
ebene,  hdmmus  kichererbsen,  hükül  beutel,  kdnkar  sessel,  k^- 
kab  holzschuh,  u.  s.  w. 

103)  Der  accent  geht  soweit  gegen  den  wortanfang  zu- 
rück, als  es  die  letzte  silbe  gestattet;  daher  kann  auf  der  dritt- 
letzten silbe  der  accent  nur  dann  zu  stehen  kommen,  wenn  der 
vocal  der  letzten  silbe  des  wertes  kurz  und  auch  nicht  durch 
Position  verstärkt  ist;  z.  b.  ababena  in  Verachtung  stehend,  in- 
dera  cordia  abessinica,  gddaba  traurig,  gdsane  zeltpflock,  hdmaia 
knecht,  küdlani  axt,  kinkeli  nacken,  metungüli  malstein,  tdn'alo 
Skorpion,  tdnkaro  spinne,  u.  s.  w.  Wie  aus  diesen  beispilen  zu 
ersehen  ist,  lauten  alle  Wörter,  welche  proparoxjtona  sind,  auf 
einen  vocal  und  zwar  auf  einen  kurzen  vocal  aus,  denn  würde 
die  letzte  silbe  auf  einen  langen  vocal  endigen,  so  könnte  der 
accent  nicht  mer  auf  der  drittletzten  silbe  stehen  (vgl.  indhiro 
hun,  endhiröyü  mein  hun,  u.  s.  w.),  ebenso  wenig,  wenn  die 
endsilbe  durch  einen  consonanten  geschlossen  wäre  (s.  §.  101). 
Daher  werden  die  eben  angeflirten  proparoxytona  in  der  objects- 
form  zu  oxytona,  als:  ababenabj  enderdbj  gadabäby  gasaniby  u.s.  w. 
Doch  behält  in  diesem  falle  die  ursprünglich  mit  dem  hauptaccent 
versehene  Stammsilbe  einen  halben  oder  nebenaccent,  daher  man 
auch  wol  schreiben  könnte:  abäbendb,  'knderdbj  u.  s.  w.  Dagegen 
accentuirt  Almkvist:  abäbenäb,  ender  ab  j  u.  s.  w.,  nach  meinen 
gehörserfarungen  feierhaft.  Femer  steht  der  accent  auf  ante- 
penultima,  wenn  auch  der  vocal  der  vorletzten  silbe  lang,  dabei 
aber  der  der  letzten  silbe  kurz  ist;  z.  b.  namhini  wo?  adüm- 
yäna  sie  redeten,  ibdbyäna  sie  reisten,  u.  s.  w. 

104)  Auf  der  vorletzten  silbe  ruht  der  accent,  wenn  der 
vocal  derselben  die  vocale  der  übrigen  silben  an  quantität  über- 
wigt, und  zwar: 


> 


Die  BedMije-Sprmche  in  Nordott-Afdka.  II.  57 

a)  entweder  durch  natur;  z.  b.  adüma  malzeit^  amdsu  ich 
hörte^  ebdden  er  vergass^  berdre  mftne,  dagina  herd,  delMa  zaun^ 
geräbi  wüstenweg,  gürddi  krummsäbel,  kansübe  nähnadel;  keräri 
Vorhang,  küUla  schnupfen,  reböba  nackt,  u.  s.  w.  Ebenso  bei 
zweisilbigen  Wörtern,  wie:  bddo  furche,  ^fna  bine,  hima  zeit, 
hübi  regenzeit,  u.  s.  w.;  ebenso:  bdbä  mein  vater,  mikä  mein 
esel  (nach  §.  103). 

b)  oder  durch  position,  wie:  endirho  (oder  indhiro)  hun, 
baldnda  teer,  kerinte  regenzeit,  lalinko  aflfe,  u.  s.  w.  Ebenso  bei 
zweisilbigen  Wörtern,  z.  b.  ^sse  bauch,  bdski  fastenzeit,  dübba 
htLgel,  derküa  Schildkröte,  fdräa  matte,  girma  köpf,  kiSya  sklave, 
u.  8.  w.,  ebenso  nach  §.  102 :  ddngar  ebene,  hükül  beutel,  kdnkar 
Sessel,  k6rkab  holzschuh,  u.  s.  w. 

105)  Auf  einem  kurzen  e  kann  der  accent  nur  dann  stehen, 
wenn  dasselbe  durch  position  verstärkt  ist,  wie:  dndhiro  hun, 
6ndi  eisen,  ^se  bauch,  kerkab  holzschuh,  u.  s.  w.;  vgl.  auch 
belled  gegenüber  jJli  Stadt,  lesso  gegenüber  liJ  wölke.  Sonst 
aber  wird  e  in  folge  des  accentes  gedent,  wie:  besä  oder  b^ssay 
bi$sa  (Ar.  J*o)  katze;  behil  (Ti.  G.  flUA  0  wort,  rede;  behir 
(Ti.  Q.  IIAC»  j^)  fluss;  akir  (Ti.  M^i  ^1)  das  jenseits; 
jemid  regenwasser  (Ar.  j^v^  nix,  glacies);  kaUb  (Ti.  hA^fl*) 
hofraum;  i-ß  ich  bin;  e/b  (Ti.  Ot.  ti9ii*)  hausfiur;  iga  hirt 
(Sa.  waqayj  G.  104*^ >  bewachen,  hüten);  iga  rauch,  aber  igd- 
f-ya  er  machte  rauch;  Üa  (Ti.  dV'Q*  s-  §•  74)  heu;  4ifa 
türe  (Ar.  XiJ^  clausit  portam);  4^küa  (Ga.  daqüB,  Qu.  daxüd) 
thon,  lem;  gidi  (Sa.  gada,  Bil.  ^oi,  Ti.  G.  IX"')  gesiebt;  Uma 
(Ti.  hfi^i  s.  §.  7G)  krokodil;  reü,  rBw  (Ar.  Ü.)  geld;  t«/a 
(Ti.  li'h'fl«  A.  }|l"(H*i  s.  a.  §.  76)  nabel,  vgl.  tü-tfa  der  nabel 
u.  8.  w.  —  oder  es  wird  in  solchem  falle  das  e  zu  i  gefärbt, 
wie:  giba  (Ti.  ^•flOl'O  finger;  Hwa  herr  (ö-gaw-i  kina  des 
hauses  herr),  aber  im  engem  anscliluss  an  das  vorangehende 
nomen:  kena,  wie:  sür-kena  erstgebomer,  SV-kena  volljärig, 
u.  a.  Dann:  kerinte  (Ti.  h^jT*!"»)  regenzeit;  kiiya  sklave, 
aber  im  objectscasus  ke§ydb,  und  kesyayu  mein  sklave;  ta- 
min  zehn,  aber  tamna,  tdmena  zehnter;  dibedi  neben  aibade 
(Ar.  ^Uj)  moschus;  derim  (f)-ö)  plur.  dirma  herde;  katvii} 
plur.  kdweda  peitsche;  Ukena  und  Sekena  (Ty.  fftlf  s)  trink- 
schale, accus.  Sekendbf  u.  s.  w.  In  selteneren  fUUen  steht  hier  a 
für  e  (8.  §.  107,  note  3). 


&8  Vn.  Abbuidlaiig:    Beiniscli. 

106)  Auf  ultima  ruht  dem  obigen  entsprechend  der  ton, 
wenn  der  vocal  der  letzten  silbe  die  vocale  der  übrigen  wort- 
Silben  überwigt,  und  zwar: 

a)  durch  seine  natur,  wie :  angari  bettgestell,  aradB  tama- 
rindenbaum,  ihi  zicklein,  gehe  klippschliefer,  laU  falke,  Safari 
mist,  la^  weg,  a'n^  schaf,  hiyö  gatte,  lalö  flaschenkürbis,  u.  s.  w. 

b)  oder  durch  position,  wie:  andh  eiter,  gadäm  wurzel, 
kalif  nacken,  kawi4  peitsche,  wälik  geschrei,  u.  s.  w.  Um  so 
mer  nattb*Uch  dann,  wenn  die  letzte  silbe  lang  und  noch  dazu 
geschlossen  ist,  z.  b.  abaldy  cercopithecus  gr.-v.  D.,  adangalAy 
eidechse,  ambilhöy  trompete,  asul  wunde,  banün  augenbraue, 
hawad  nacht,  küeUl  armband,  rugüdS  totenopfer,  ifo^f^  rinde, 
u.  s.  w.;  ebenso:  bäbük  dein  vater,  mSkük  dein  esel  (nach  §.  101). 

107)  Lehnwörter  von  der  form  ,3*»,  welche  im  vulgär- 
arabischen one  nunation  gesprochen  werden,  müssen  im  Be- 
4auye  der  ausspräche  wegen,  da  kein  wort  auf  einen  doppel- 
consonanten  auslauten  kann,  zwischen  die  beiden  endconsonanten 
einen  vocal  einschieben,  welcher  dann  nach  §.  101  den  accent 
bekommt;  z.  b.  derd'^  ==  gjjj  samen;  hagdl  =  JAS  Ti.  fl^^A' 
maxdtier;  hdhdr  auch  hehir  (§.  105)  =  jäao  fluss;  nehdl  =  Jiu 
palme,  *  u.  s.  w.  Wo  in  dieser  zweiten  silbe  kurzes  e  zu  er- 
warten wäre,  steht  nach  §.  105  wegen  des  accentes  langes  l 
oder  auch  i,  wie:  diri^  ^  tj^  ^^-  ^*  Ä'Cd«  panzer;  $ehir  = 
^iw  Zauber;^  aair  =  J^  nachmittag;  hikir  =  «^  Jungfrau; 
ftjir  =  fßi  der  morgen;  harih  =  Ti.  rhC'fls  ^j^  was8e^ 
schlauch;  küfil  =  jls'  schloss,  rigel;  %id%g  =  ^Xo  warheit, 
u.  s.  w.  Zum  vocal  u  in  dehür,  duhur  =  j^  mittag,  evnhür 
neben  mehir^  emhir  =  j^  junges  pferd,  s.  §.  45,  a.  Tritt  an 
diese  formen  die  pluralendung  -a  an,  so  &llt  jener  eingeschobene 
vocal  der  letzten  silbe  meist  aus  und  der  accent  rückt  nun  da 
das  wort  auf  einen  kurzen  vocal  auslautet,  gegen  den  anfang 
des  Wortes  zurück,  z.  b.  bagdl  (J-iS)  plur.  bdgla  maxdtier;  bahdr 
und  bahir  plur.  bähraj   bdhara   das   meer;   nehdl  i^Jaai)   plor. 


^  Seltener  auch  dira,  wegen  i  nach  abfall  des  hamzeh  s.  §.  105. 

*  lieber  das  a  in  der  zweiten  silbe  vgl.  §.  80,  b. 

'  In  Barka  erscheint  hierfür  bisweilen  ein   a,  wie:  dermb  =  v_^t>  pfad, 

weg;  engeraby  ans  <^..>Jl«  abend  (s.  §.  72);  embertu  nnd  emberis  der  uscber- 

bäum,  u.  a. 


Die  Bedavye-Spnche  in  Nordort-Afrika.  11.  69 

nahla,   ndhala  palme;^    deräb  (^J^>)  plur.  ddrba^   dArba  weg» 
derim  plur.  dirma  herde ;  harih  plur.  härba  wasserschlauch^  u.  s.  w. 

108)  Ein  langer  vocal  überwigt  einen  kurzen,  wenn  auch 
durch  Position  verstärkten,  z.  b.  entdr  (nicht  ^ntär  nach  A.) 
teller,  irbün  mais,  Seltüt  fetzen,  lumpen,  tirmdn  querbalken, 
minidr  säge,  aber  plur.  minäär  nach  §.  102;  ebenso:  anb^ 
(nicht  dnbur  nach  A.)  flügel,  aber  plur.  dnber. 

109)  Diese  hier  aufgefUrten  regeln  bezüglich  des  accentes 
gelten  Air  aUe  redeteUe,  nomina  wie  verba  u.  s.  w.,  und  es 
bleibt  der  accent  auf  der  ursprünglichen  tonsilbe  bei  der  flexion 
so  lange  stehen,  als  es  die  oben  entwickelten  gesetze  gestatten. 
So  bildet  z.  b.  amdn  (verkürzt  aus  ^^^Ul  oder  vielmer  aus  o^l) 
glaube,  ein  denom.  verb  aman  (nicht  Aman,  A.),  imp.  dmana!  weil 
alle  drei  vocale  der  quantität  nach  gleich  sind  und  die  letzte 
silbe  eine  offene  ist  (§.  103);  perf.  aman-dn  (§.  106,  b)  ich  glaubte, 
arndn-ia  (§.  104,  b)  du  glaubtest,  amdn-ya  er  glaubte,  würamanAy 
(§.  106,  b)  der  gläubige. 


Formenlere. 

L  Pms  nomeiL 

1)  Das  geschlecht 

110)  Das  Be4}auje  unterscheidet  am  nenn  wort  ein  mann- 
Hches  und  ein  weibliches  gei$chlecht,  wenn  auch  (tLXjümaf  in 
einem  einzigen  bisher  bekannten  falle:  iakrdi  fraa,  gegenUtjer 
iak  mann)  änsserlich  in  der  form  des  nomens  selbst  das  ge- 
schlecht  dorcb  kein  speeielles  merkmal  gekennzeichnet  ist.  Die 
unterscheidang  der  beiden  geseblecfater  ist  anprfinglicb  gewiiM 
vom  sexus  ausgegangen:  da  aber  im  Be^aajre  «'wie  in  den  ge- 
sammten  chamidäcb-semitiscben  spntclteu)  kein  türmen  generis 
neotrins  ist,  sondem  alle  sabstantiva  entweder  mascoUoi  oder 
feminini  generis  sind,  so  drOekt  im  gegenwärtigen  stadiitm  der 


60  Vn.  Abhandlang:    BeinitciL 

spräche  das  masculinnm  neben  dem  sexus  auch  grosse,  ansehen 
und  energie,  das  femininam  aber  zumeist  kleinheit,  schwäche 
und  Passivität  aus.  So  ist  z.  b.  Sa^  die  kuh,  masculini  generis, 
weil  sie  bekanntlich  in  diesen  ländern  die  hauptstütze  des  ge- 
sammten  hauswesens  ist,  dagegen  Sa'  das  fleisch,  ein  femininam, 
da  es  gegenüber  ia'  der  kuh,  von  minderem  belange  ist.  Er 
kannt  wird  das  geschlecht  der  nenn  Wörter  1)  durch  den  vor- 
gesetzten bestimmten  artikel,  2)  durch  die  geschlechtlich  unter- 
schidenen  casussuffixe,  und  3)  durch  die  form  des  prädicates.  Das 
natürliche  geschlecht  wird  ausserdem  namentlich  bei  gattungs- 
namen  von  tieren  nicht  selten  durch  den  beisatz  rdba  männUch, 
und  küa  weiblich,  näher  bestimmt;  z.  b.  kärkAr  rdba  eine  männ- 
liche Schlange,  kärkdr  küa  eine  weibliche  schlänge. 

2)  Der  artikel. 

111)  Da  dieser  redeteil  eine  so  hervorragende  rolle  am 
nennwort  spilt,  so  lasse  ich  die  formen  desselben  zunächst  hier 
folgen.  Das  Be(}auye  besitzt  nur  einen  bestimmten,  aber  keinen 
unbestimmten  artikel,  statt  dessen  (wie  im  vulgären  arabisch 
das  *>^^)  bisweilen  die  zalbezeichnung  für  eins,  efigdl  gebraucht 
wird;  z.  b.  dne  mek  rehdn  oder  dne  efigdl  mek  rehdn  ich  sah 
einen  esel. 

112)  Die  formen  des  bestimmten,  seinem  nomen  stets  prä- 
figirten  artikels  sind  folgende: 


Singular 

plural 

masc.                fem. 

masc.                     fem. 

nominat. 

um,  ü  der,      tu  die 

yä,    ä                  ta         die 

object 

wöj   ö  den,      tö  die 

ye  [yi],  g  [i]       te  [te]  die 

Vor  vocalen  und  laryngalen  werden  die  volleren  formen 
um,  wo,  yä,  yS,  vor  consonanten  die  kürzeren  ü,  ö,  ä,  e  gebraucht, 
z.  b.  wü-^dh  das  zicklein,  wu-'ör  der  knabe,  wü-hdbbas  der  ring, 
plur.  yä'dba  die  zicklein,  u.  s.  w.,  dagegen:  ü-idk  der  mann, 
ö-mik  den  esel,  ä-mdk  die  esel,  accus.  S-mdk,  u.  s.  w. 

113)  Die  angegebenen  formen  des  artikels  findet  man  im 
gebrauch,  wenn  jemand  in  getragener  rede  spricht  und  jedes 
wort  klar  und  deutlich  hervorheben  will.  In  lässiger  rede  und 
gewönUchen  erzälungen  kommen   aber  verkürzte  artikelformen 


^ 


Die  Bedftaye^pncbe  in  Nordost- Aftika.  II.  61 

zum  Vorschein,  die  wir  hier  kurz  verzeichnen  wollen.  Zunächst 
kann  man,  worauf  schon  Almkvist  (1.  c.  p.  64,  §.  55)  aufmerksam 
gemacht  hat,  zu  unzäligen  malen  beobachten,  dass  das  Be^auye 
auch  schon  recht  häufig  im  nominativ  die  objectsformen  des 
artikels  anwendet,  also  toöy  ö  fem.  töy  plur.  ya,  S  fem.  U  für  tcü, 
üy  u.  8.  w.;  z.  b.  ivö-hdd'a  (flir  um-hdcTa)  iya  der  schSch  ist  ge- 
kommen, ö-bagdl  (ftlr  ü-bagdl)  anibu  das  maultier  gehört  mir. 
yS-'dr  (ftlr  yö-'dr)  ddbyän  die  knaben  liefen.  S-bdgala  (flir  ä-bd- 
gala)  aniba  die  maultiere  sind  mein,  tö-dingar  (flir  tü-dingar) 
wuntu  die  ebene  ist  gross,  te-'är  (flir  tä-^ar)  daürita  die  mädchen 
sind  schön.  Eine  weitere  abschwächung  besteht  darin,  dass 
die  langen  vocale  des  artikels  gekürzt  werden,  also  wo,  o  fem. 
to  plur.  ye,  e  (auch  yf,  i)  fem.  te  (auch  ti)  flir  m?ö,  ö  fem.  tö 
u.  s.  w.  Der  letzte  schritt  der  abschwächung,  der  in  der  Um- 
gangssprache vollzogen  ist,  besteht  darin,  dass  der  vocal  o  zu  e 
gekürzt  wird,  so  dass  man  hiernach  für  die  gewönliche  con- 
versationssprache  nur  folgende  zwei  artikelformen  verwendet, 
nemlich  für  nominativ  und  accusativ  sing.  u.  plur.  e  fem.  te]  z.  b. 
e-dirßn  watdni  der  Schafbock  blockt,  plur.  e-dirfina  wawin 
te-dirfin  waütini   das    schaf   blockt,  ,,      te-dirfina  wawin 

u.  s.  w. 

Dieses  te  wird  vor  vocalen  und  laryngalen  meist  sogar 
zu  t  verkürzt,  wie :  t-dba  der  fluss,  t-ibra  die  nadel,  t-ambilhöy 
die  trompete,  i^ümma  das  volk,  t-hdmo  das  haar,  t-hdngane  die 
ameise,  t-hdwa  die  girbe,  der  schlauch,  u.  s.  w. 

Anmerkung.  Almkvist  (1.  c.  p.  64,  §.  54)  bemerkt  aus- 
drücklich, dass  der  bestimmte  artikel  den  wortaccent  erhalte. 
Diese  regel  wird  für  die  spräche  der  Bischari  und  Ababde  ire 
richtigkeit  haben,  aber  bei  den  südlichen  stammen  kann  ich 
aus  meiner  erfarung  nur  constatiren,  dass  der  artikel,  welcher 
mit  dem  nennwort  häufig  zu  einem  lautkörper  zusammenwächst, 
bloss  dann  den  accent  erhält,  wenn  er  an  quantität  das  über- 
gewicht über  den  vocal  des  nennwortes  besitzt,  z.  b.  ü-mik  der 
esel,  aber  d-mäk  die  esel  (vgl.  §.  101  und  108).  Doch  bemerkte 
ich  bei  den  südUchen  stammen,  dass  auch  in  diesem  angegebenen 
falle  der  ton  gewönlich  auf  das  nennwort  gelegt  wird,  also  ü-tdk 
der  mann,  ä-mdk  die  eseln,  u.  s.  w.  In  getragener  rede  werden 
aber  beide  teile  gleichmässig  betont,  z.  b.  ü-tdk  der  mann,  w6r*db 
das  Zicklein,  u.  s.  w. 


62 


VII.  Abhandlnng:    Be misch. 


3)  Die  zal. 

114)  Das  Be^auye  unterscheidet  gleich  allen  kuschitischen 
sprachen  einen  Singular  und  einen  plural.  Der  letztere  wird 
stets  aus  dem  singularstamm  gebildet  und  ist  entweder  ein 
äusserer;  wie  mehin  plur.  mehin-a  ort,  oder  ein  innerer,  wie:  mek 
plur.  mak  esel  u.  s.  w. 

115)  Der  äussere  plural  wird  bei  den  meisten  consonantisch 
auslautenden  nennwörtern  gebildet  durch  anfügung  der  plural- 
endung  -a^  an  den  singularstamm;  z.  b. 


a4if  plur. 

d4ef-a  rinde 

hawü 

plur. 

hdül-a  jar 

addl      ^ 

ddal-a  schildgriff 

kuHn 

n 

küSn-a  rürstock 

a(}in      jj 

atjtin-a  teig 

kawi^ 

n 

kdwe4r-a  peitsche 

isin        „ 

isin-a  flusspferd 

lül 

n 

lul-a  faden 

bür        „ 

bür-a  land 

lölÜ 

n 

löU-a  katze 

bit         , 

bit-a  geier 

läm 

n 

läm-a  malzeit 

ddgel     „ 

ddgl-a  mastbaum 

lüm 

7) 

lümra  anu8 

ddngar  „ 

ddngar-a  ebene 

mld 

7) 

mid-a  penis 

derab     „ 

ddrb-a  weg* 

müd 

7) 

mud-a  mass 

derim    „ 

dirm-a  herde* 

m^hil 

f) 

m§hel-a  arzenei 

gadoh    ^ 

gddh-a  Schüssel' 

m^k 

n 

mök-a  hals 

guUh    „ 

gülh-a  antil.  agazen  ' 

ragdd 

n 

rdgad-a  fiiBS 

galdm    ^ 

gdlam-a  griffel 

ää' 

n 

Sä'-a  kuK 

harib     „ 

hdrb-a  schlauch* 

Sera" 

7) 

Hr'-a  segel 

haris     „ 

haris-a  nashom 

terig 

7) 

tirg-a  monat* 

116)  Die  auf  den  halbvocal  w  und  y  auslautenden  nenn- 
wörter  bilden  ebenfalls  häufig  den  plural  in  der  angegebenen 
weise,  z.  b. 

ardw  (ardü)  plur.  draw-a  freund 

buw  (bü)  „    ftiluva  Sperber 

gaw  (gaü)         „    gdw-a  haus 

kaw  (kaü)        jj    fc<£t^aperlhun 

maldw  (maldü)  „   mdlaw-a  Sixt       suli  „    ^Zy-ahaarschopf/ 

Anmerkung  1.  Von  dieser  angegebenen  pluralbildung 
machen  arabische  lehnwörter,   welche   ein  nomen  unitatis  auf 


embaröyjflnr.embaröy-a  lippe 
hdlbati     „     halbdty-a  schlauch 
küdlani     „    kualdny-a  axt 
lümi  „     lümy-a  finger 

siXi  « 


^  Vgl.  ttber  dieses  suffix  §.  80,  e. 

•  Vgl.  §.  107.        »  Vgl.  §.  107,  pg.  69,  note  1. 

*  Im  schwa  qniescens  lauten  w  und  y  wie  u  und  t;  vgl. 


§.79. 


Die  Bedaaye-Spnche  in  Nordost-Afrika,  ü. 


63 


5-,  vulgär- Arab.  -a  bilden,  eine  scheinbare  ausname;  z.  b.  tüba 
ein  Ziegelstein  =  Ar.  ij^  plnr.  ttih  Ziegelsteine  =  collect,  v-j^t 
u.  s.  w.,  daher  gehört  diese  formation  nicht  in  die  Be^auye-, 
sondern  in  die  arabische  grammatik;  vgl.  hierüber  auch  Almkvist 
1.  c.  pg.  63,  §.  53. 

Anmerkung  2.  Für  das  wort  tdk  mann,  wird  im  plural 
enda  männer  (Ty.  li'JJfi  leute,  stamm,  tribus)  und  für  tdkdt 
frau,  die  form  ma;  frauen,  gebraucht. 

117)  Die  innere  pluralbildung  (pluralis  fractus),  ebenfalls 
nur  bei  consonantisch  und  halbvocalisch  auslautenden  nenn- 
wörtem  vorkommend,  besteht  in  der  Verkürzung  des  letzten 
stamm vocals,  und  zwar  wird  verkürzt: 

a)  ä  zu  a,  auch  a;  z.  b. 


(ib<My  plur.  cAal&y  pavian 


iham 

angAS 

deräf 

derig 

derar 

finjAn 

guidm 

guntdr 

kam 


n 


n 


ihdm  panter 
dngaä  pflüg 
derdf  girafe 
derdg  ufer 
derdr  abendessen 
finjan  kafetasse^ 
guläm  schnurbart 
güntar  centner  ^ 
kam  kamel 


kär 

libdn 

middn 

minSdr 

ne  af 

ne'Al 

näy 

roSän 

rät 

tat 


plur.  kar  hügel 
„      libdn  Weihrauch 
„      middn  wage 
„      minSar  säge^ 
„      ne'df  kralle 
nedl  bett 


„  nay  zige 

„  roSdn  bürg 

„  raty  rat  blatt 

„  tat,  tat  laus. 

Wie  aus  den  angefUrten  beispilen  zu  ersehen  ist,  steht 
im  plural  das  a  in  der  Umgebung  von  gutturalen  und  laryngalen, 
a  (gebrochenes  a)  aber  bei  den  übrigen  consonanten;  vgl.  auch 
§.  80,b  und  §.81;  zum  accent  s.  §.  99  ff. 

b)  B  wird  gekürzt  zu  a;  z.  b. 

emheris  plur.  emberds  uscherstrauch  *     mek  plur.  mak  esel 
küelil         „      kueldl  armband  m^     „      mos  tisch' 

gif  „      gaf  ufer  Sey       „      Say  nashom. 

c)  i  wird  gekürzt  zu  i  auch  e;  z.  b. 

ebrik     plur.  ebriky  dbrik  kafetöpfchen 
angüil      „      dngüil,  dngüel  und  dngüela  or. 


^  Zum  acceat  s.  §.  102  und  108. 
*  auch  mita  nach  §.  115. 


*  auch  emberdHk. 


64 


VII.  Abhandlung:    Reinisch. 


d)  ö  wird  verkürzt  zu  a,  a;  z.  b. 


> 


bök 


plur. 


n 


ar,    ar  son 
bak  bock 


e)  ü  wird  verkürzt   zu   e, 
und  107)  auch  i;  z.  b. 

anbür  plur.  dnber,  dnbir  flügel 


dö/     plur.     da/^  fleischstück 
möÄ        „        mdk-a  hals.* 

beziehungsweise   (nach  §.  105 
^ndö/  plur.  </inde/  knie 


asil        „ 

asÜ  wunde 

genuf 

„      genif  nase 

ba'elük  „ 

bd'lek  wölke 

genün 

^      genin  kinnlade 

banün     ^ 

banin  augenbraue 

hallüf 

„      hdllef  eher 

ferük      „ 

ferikjfirik  grabung 

hayük 

„      hayuk  stem^ 

fetur       „ 

fitir  frühstück» 

äeltüt 

„      Hltet  fetzen 

gaddüm  „ 

gdddum  beil* 

tarbuS 

„      tdrbeS  tarbusch. 

118)  Bei  sämmtlichen  auf  einen  vocal  auslautenden  nenn- 
wörtem  lautet  der  plural  gleich  dem  singular,  in  welchem  falle 
dann  der  numerus  nur  aus  der  sonstigen  satzconstruction  (dem 
vorgesetzten  artikel,  der  form  des  prädicats  u.  dgl.)  ersichtlich 
wird;  z.  b.  dba  plur.  dba  fluss;  behdre  plur.  behdre  homrabe; 
demo  plur.  dimo  rinde  u.  s.  w. 

119)  Von  der  pluralbildung  nach  art  der  übrigen  kuschi- 
tischen  sprachen  mittelst  reduplication  sind  im  Be^uye  bis  jetzt 
nur  folgende  fkUe  bekannt^  nemlich:  di  plur.  dddi\  dade*  klein, 
dis  plur.  dddis  klein,  und  wun^  win  plur.  wdwun^  wdwin  gross, 
femer  tägü  neben  tagüg  zwanzig.  Eine  merkwürdige  intensiv- 
form finde  ich  in  meinen  texten  vom  numerale  ngdl  eins,  nemlich 
ngaldl-ay  (63,  13)  ganz  allein,  einzig;  vom  suffix  -ay  (Ti.  -äy, 
G.  -dwi)  wird  später  die  rede  sein.  Eine  solche  intensivform 
im  pluralen  sinne  ligt  vor  im  satze:  hinin  kassdn  sanaaaniha 
(44,  15)  wir  alle  sind  brüder  {san  plur.  sdna)]  vgl.  Kafasprache 
pg.  45,  §.  36. 

4)  Die  feile. 

120)  Das  Be^auye  unterscheidet:  subject  (nominativ),  object 
(dativ  oder  accusativ)  und  den  casus  der  abhängigkeit  (genetiv 


^  aach  ddfa,        '  auch  möka;  s.  §.  115. 

•  firik,  fitir  für  ferik,  fetir  in  folge  von  vocalharmonie. 

^  gdddum  für  gdddem,  s.  §.  88;   zam  accent  von  gaddüm  s.  §.  108  und  sa 

gdddum  8.  §  102. 
^  hayi^k  für  hdyekü,  s.  §.  46,  a;  wäre  hier  kein  u-haltiger  guttural  vorhanden, 

80  müfiste  der  plural  hayik  lauten. 


Hip  Pcdinye-Pprache  in  Nordost-AfHIc».  II.  65 

oder  ablativ).  Der  vocativ  stimmt  formell  mit  dem  nominativ 
liberein  und  wird  nur  bisweilen  durch  eine  nachgesetzte  inter- 
jectionspartikel  besonders  hervorgehoben. 

A)  Der  nominativ. 

121)  Das  subject  entbert  eines  bestimmten  Casuszeichens; 
erkannt  wird  dasselbe  teils  durch  seine  Stellung  im  satze,  worin 
es  meist  den  ersten  platz  einnimmt^  teils  durch  die  vorgesetzte 
artikelform;  z.  b.  kardy  'ör  ihe  (7,  1)  eine  hyäne  packte  einen 
knaben.^  m^k  wä  Idga  hlddb  esnin  en,  ü-mik  uwinj  ü-ldga  uwin 
(19,  1  ff.)  ein  esel  und  ein  kalb  lebten  beisammen^  erzält  man; 
der  esel  wurde  gross,  auch  das  kalb  wurde  gross.  Wü-anküdna 
tö-dinya  akligya  (41,  25)  der  herr  hat  die  weit  erschaffen.  Amar- 
*är  enjör  esywinna-heb  (33,  7)  die  Beni-Amer  erzogen  mich  zu 
einem  edelmann. 

B)  Der  objectscasus. 

122)  Dieser  casus  wird  äusserlich  entweder  durch  ein 
specielles  objectssu£&x  oder  wo  in  bestimmten  fkllen  dasselbe 
nicht  gesetzt  wird,  durch  die  syntaktische  Stellung  oder  auch 
durch  den  objectscasus  des  dem  nennworte  vorangestellten  ar- 
tikels  erkenntlich  gemacht.  Hier  treten  nun  folgende  specielle 
unterschide  zu  tage,  und  zwar: 

a)  Bei  männlichen  nennwörtern,  welche  consonantisch 
auslauten  und  keinen  artikel  vor  sich  haben,  erscheint  kein 
äusseres  objectszeichen  und  es  wird  das  object  nur  aus  der 
bedeutung  des  verbums  oder  syntaktisch  durch  seine  Stellung 
(meist  nach  dem  subject  vor  dem  verbum)  ermittelt;  z.  b.  kardy 
'ör  iM  (7,  1)  eine  hyäne  packte  einen  knaben.  dne  tagug  riydl 
hitök  (8,  20)  ich  will  dir  zwanzig  taler  geben,  ardü  harwd-t 
mSa  (11,  2)  suche  einen  geftlrten  und  komm!  hatdy  ibirin 
(55,  12)  sie  hatten  ein  pferd.  duwdn  tetib  (58,  12)  sie  füllte  ein 
gef^s  an. 

b)  Bei  männlichen  nennwörtern,  welche  vocalisch  oder 
consonantisch  auslauten  und  den  artikel  vor  sich  haben,  er- 
scheint ebenfalls  kein  äusseres  objectszeichen,  weil  das  object 
bereits  durch  die  entsprechende  form  des  artikels  gekennzeichnet 


^  Die  beigeechlossene  ziffer  bezieht  sich  aaf  seite  and  zeile  der  Be^anyetexte. 

SHsungsbw.  d.  phiL-hist.  a.  CXXVUL  Bd.  7.  Abli.  5 


66  Vn.  Ablumdlang:    Beinisch. 

ist;  3.  b.  ö-nibis  dehdy  efriknit  ebisna  (7,  5)  sie  gruben  flir  in 
das  grab  auf  und  begruben  in.  ö-rha  rewyanik  hVya  (44,  1)  als 
er  den  berg  erstigen  hatte,  ruhte  er  sich  aus.  i-fena  hädirya 
(60,  8)  er  eröfinete  den  krieg,  wd-ör  duwistay  (50,  3)  hast  du 
den  knaben  eingeschläfert?  i-i^a  gidyan  (64,  8)  sie  warfen  die 
rinder  über  bord.  i-mana  tämya  (24,  9)  er  frass  die  eingeweide. 
Ebenso  bleibt  das  object  one  casuszeichen  wenn  ein  adjectiv 
vorangeht,  wie:  dne  güda  hdrro  ddlib  ich  kaufte  vil  kom.  Geht 
ein  genitiv  dem  object  voran,  so  kann  das  objectszeichen  ebenfalls 
wegbleiben  oder  auch  gesetzt  werden;  z.  b.  Sedy  dda^  inda  fta 
han  rehendy  (5,  16)  wir  sehen  rinderhörner  und  männemadeln. 

c)  Männliche  auf  einen  vocal  auslautende  nenn  Wörter, 
welche  one  artikel  stehen,  nemen  das  objectssuffix  -b  an,  vor 
welchem  der  vorangehende  vocal  gedent  wird  (s.  §.  92,  a) ;  z.  b. 
rewd-b  r4wyäna  (6, 7)  sie  bestigen  einen  berg.  hä-b  giidn  iß  (38, 30) 
ich  trinke  hier,  arö-b  yxdm  (64,  28)  er  bestig  ein  schiff,  hatäy 
änküand-b  edir  (60,  12)  er  tötete  einen  reiter.  hanin  harrö-b  nidlib 
neni  Bna  (39,  27)  wir  kamen  um  körn  zu  kaufen,  bxi-b  ih^it 
hay  gigyän  (59,  3)  sie  namen  mel  und  zogen  fort,  tak  endd-b 
endlrsk  harämibu  (43,  28)  wenn  jemand  leute  tötet,  ist  er  ein 
Verbrecher,  sed-b  emmirkab  Mndbe  (64,  4)  das  schiff  nam  rinder 
an  bord.  Folgt  einem  solchen  vocahsch  auslautenden  Substantiv 
ein  adjectiv,  so  nemen  beide  das  objectszeichen  an;  z.  b.  awi^ 
dabald-b  ikta'  (5,  6)  er  zerschlug  einen  kleinen  stein. 

Anmerkung.  Ich  finde  in  meinen  aufzeichnungen  bei- 
spile  verzeichnet,  in  welchen  auch  bei  vocahsch  auslautenden 
nenn  Wörtern,  wenn  sie  one  artikel  stehen,  das  objectszeichen 
nicht  gesetzt  erscheint;  z.  b.  mista  ebirima  (7,  9)  sie  breiteten 
matten  auf.  sitra  yiheru  akö  yakyanik  i^ani  sitrd-b  rehesatök€ 
teni  (15,  7)  als  er  sich  erhob  um  ein  versteck  zu  suchen,  sagte 
sie:  ich  will  dir  ein  versteck  zeigen,  ani  kilöyanyidhäy  hdrro 
ddlib  (41,  12)  um  grütze  zu  machen  kaufte  ich  getreide.  Ander- 
seits kommen  beispile  vor,  in  denen  auch  im  falle  von  §.  122,  b 
das  objectszeichen  gesetzt  erscheint,  wie:  ö-bii-b  e-yamib  eßfna 
(59,,  12)  sie  schütteten  das  mel  ins  wasser.  ö-4efd'b  tSngil  (15, 12) 
sie  öflftiete  die  türe. 

d)  Die  weiblichen  auf  einen  vocal  oder  consonanten  aus- 
lautenden nennwörter,  wenn  sie  one  artikel  stehen,  zeigen  im 
object  ein  -*,  vor  welchem  ein  unmittelbar  vorangehender  vocal 


Die  Bedaaye-Sprftche  in  Nordost-Afirik».  II.  67 

gedent  wird;  z.  b.  dne  ää-t  tamanyBk  (45, 18)  wenn  ich  fleisch  esse. 
kidma-t  dbare  Bilälib  (42, 19)  ich  habe  dienst  bei  Bilal.  hani-t  dni 
(19,  15)  ich  erhebe  ein  geschrei.  dne  re-t  aferik  ich  grub  einen 
bronnen.  dirbati-t  kayma^-heb  (58,  5)  bring  mir  butter!  ün  ü-tdk 
hamö-t  ki'bare  dieser  mann  hat  kein  haar,  'öt  (flir  'ör-t)  ibire 
(57,  6)  er  hatte  eine  tochter.  Folgt  einem  solchen  nennwort  ein 
adjectiv,  so  nimmt  auch  dieses  das  feminine  objectssuffix  -t  an; 
z.  b.  had'a-t  wU  (für  w^r-t)  wWyäna  (56,  18)  sie  riefen  eine  andere 
alte  frau.  fena-t  daüri-t  eküdyt  Bya  (26,  30)  er  nam  eine  schöne 
lanze  und  kam. 

e)  Hat  das  weibliche  object  den  bestimmten  artikel  vor 
sich,  so  feit  in  der  regel  das  objectszeichen  am  nennwort; 
z.  b.  dne  tö-'ör  afild'  ich  deflorirte  das  mädchen.  wü-änküdna 
tä^inya  akligya  (41,  25)  Gott  hat  die  weit  erschaffen,  tö-fna 
ihdyt  edir  (22,  2)  er  nam  die  lanze  und  tötete  in.  ti-hamo  kd- 
baberisna  (6,  5)  wir  lassen  die  haare  nicht  fliegen.  tBn  tB-ma 
kärin-hösna  (37,  8)  ich  liebe  diese  frauen  nicht,  te-'ar  bali-t 
erhdn-höb  küäramdn-hösna  (37,  20)  als  ich  jene  mädchen  sah, 
begrüsste  ich  sie. 

Anmerkung.  Bisweilen  findet  man  das  objectszeichen 
auch  in  dieser  beschribenen  Stellung;  z.  b.  ani  iö-öt  (flir  "ör-t) 
be-t  akanhin-hös  (37,  13)  ich  liebe  jenes  mädchen.  tö-büt  (flir 
bür-()  niU  (59,  2)  wir  verlassen  das  land.  t-hawä-t  (flir  tö-hatod-t) 
tetib  (21,  15)  sie  flillte  den  schlauch  an. 

f)  Geht  ein  adjectiv  dem  femininen  nennwort  voran,  so 
erhält  nur  dieses  das  objectssuffix  -f;  z.  b.  barük  td'a  daüri-t  'ör 
bithiwete,  tegite  daüri-t  'ör  kd-hj-hök  (51,  13)  wenn  du  mir  jetzt 
ein  schönes  mädchen  nicht  gibst,  so  gebe  ich  dir  dann  auch 
keines.  Das  gleiche  gilt  auch  wenn  ein  relativ  dem  object  bei- 
gegeben ist;  z.  b.  SiUrndn  tenlwe-t  tö-6r  ibiye  erhisa-he  (51,  16) 
zeig  mir  das  mädchen,  das  du  dem  Soliman  gibst! 

123)  Die  männlichen  wie  weibUchen  eigennamen  folgen 
ganz  den  eben  entwickelten  regeln.  Eine  ausname  bilden  nur 
die  vocaUsch  auslautenden  weiblichen  eigennamen,  die  im  objects- 
casus  statt  des  zu  erwartenden  -t  gleich  den  mäniüichen  nenn- 
wörtem  ein  -b  annemen,  wie:  Madinä-b,  Hallmd-b  dkhan  ich 
liebte  Madina,  Halima,  u.  s.  w. 

124)  Der   dativ  unterscheidet  sich  formell  in  nichts  von 

der  in   §.  122   und   123   beschribenen  bildung   des  accusativs, 

6» 


68  Vn.  Abhandlnzif :    Beiniscb. 

seine  syntaktische  Stellung  ist  in  der  regel  vor  dem  accnsativ, 
folgt  aber  bisweilen  diesem  auch  nach,  so  dass  nur  aus  dem 
allgemeinen  sinn  des  satzes  beide  casus  unterschiden  werden 
können;^  z.  b.  Madlnd-b  istöb  ö-riü  kassöh  (61,  2)  er  brachte 
der  Madina  alle  habe  zu.  (jldwä-b  ökhar  harrö-b  er  stal  einem 
dorf  getreide.  dne  Abrähim  mahalagd-b  ahdy  (49,  27)  ich  gab 
dem  Ibrahim  geld.  ö-tdk  mehalagd-b  ihi  (55,  8)  er  gab  dem 
manne  geld.  barük  yB-adim  ummä-t  wet  (fUr  wSr-t)  sötanyäc 
andir-hök  (43,  23)  wenn  du  die  geschichte  andern  leuten  erzälst, 
so  erschlage  ich  dich. 

Anmerkung.  Der  dativ  auf  -tda  bei  Almkvist  p.  73,  §.  81 
beruht  auf  einem  missverständniss  und  wir  kommen  auf  diese 
frage  bei  besprechung  der  postposition  dähd  zurück;  s.  unten 
§.  135,  c. 

C)  Der  genetiv. 

125)  Der  genetiv  wird  gebildet,  indem  an  das  seinem 
nomen  regens  vorangehende  nomen  rectum,  wenn  dasselbe  ein 
masculinum  ist,  das  genetivsuffix  -y  (nach  consonanten  -f),  wenn 
es  aber  ein  femininum  ist,  -ti  angefligt  wird.  Lautet  das  nomen 
rectum  auf  einen  vocal  aus,  so  wird  derselbe  vor  dem  an- 
tretenden Suffix  gedent;  z.  b. 

a)  bei  einem  mascuUnen  nomen  rectum:  'aSd-y  dar  ischa- 
zeit,  spätabend,  Allä-y  kam  ein  gotteskamel  (insekt  die  gottes- 
anbeterin),  mingd-y  hdda  ein  wüstenlöwe,  had'd-y  'ör  eines  schech's 
son,  lalünkö-y  girma  köpf  eines  pavian,  'Ör-i  *ör  sones  son,  enkel, 
Aardm-f'ör  hurenson,  end-i'ör  (zusammengezogen  enjör)  menschen- 
son,  kind  aus  gutem  hause,,  gdw-i  kina  besitzer  eines  hauses, 
hatdy-i  kina  besitzer  eines  pferdes,  rrdk-i  niwa  schwänz  eines 
esels,  u.  s.  w. 

b)  bei  einem  femininen  nomen  rectum,  wie:  ahd-ti  derdg 
ufer  eines  flusses,  anö-t  'är  son  eines  schafes,  ein  lamm^  lili-ti  ^ör 
(auch  lili't  *ör)  pupille  eines  auges,  augenstem,  mcLsdnkö-ti  biya 
saite  einer  harfe,  ne-t  hää  feuerstaub,  asche,  'öti  (flir  'ör-ti) 
hdmo  haare  eines  mädchens,  aü-ti  yam  honigwasser,  nay-t  'dde 
haut  einer  zige,  malö-ti  yaf  schneide  einer  axt,  u.  s.  w. 


^  Genau  so  wie  im  Nuba,  vgl.  meine  Nabasprache  I,  27,  §.  116  ff. 


Die  B^dftuye-Spnclie  in  Nordost-Afrika,  ü.  69 

126)  Ist  das  nomen  rectum  mit  dem  artikel  versehen,  so 
steht  derselbe  im  objeetscasus;  z.  b.  ö-gdw-i  kina  herr  des  hauses, 
ö-mingd-y  hd4a  löwe  der  wüste,  ö-maldl-i  mSk  esel  der  steppe, 
waldesel,  tö-masdnkö-ti  biya  eine  saite  der  harfe,  tö-'öti  (fUr  'ör- 
H)  ^6r  son  der  tochter,  u.  s.  w. 

127)  Auch  das  nomen  regens  kann  mit  dem  artikel  ver- 
sehen werden,  welcher  dann  natürlich  im  casus  des  nomen  regens 
steht;  z.  b.  wö-hatdy-i  wü-anküdna  der  eigentümer  des  pferdes, 
ö^her-i  wü'hissa  der  meeressand,  ö-GdS-i  wü-hdrro  das  getreide 
vom  Gasch,  lalünkö-y  wü-hdge  adaröbu  der  hintere  vom  pavian 
ist  rot.  Ahdalld-y  wö-dy-i  ü-mirwad  Mya  wo  ist  denn  das  arm- 
band  Abdalla's?  barüs  wö-'dd-i  ö-girma  ki-kta  er  hat  die  klitoris 
(vulvae  Caput)  nicht  ausgeschnitten,  end'  sn  ä-girma  hamö-t  ki- 
barün  diese  männer  sind  kalköpfig  (wörtlich:  die  köpfe  dieser 
leute  haben  kein  haar),  tak  ikhan  sultdn-i  tö''6rt  (57,  9)  ein 
mann  liebte  die  königstochter.  bdbyö  m^äwa-y  tü-bwr  baldmta 
(58,  14)  die  erde  meines  Vaterlandes  (des  Stammes  meines  vaters) 
ist  verdorrt,  bdbyö  encfäwd-y  tü-bür  bdlama  Usni-hib  (58,  20)  die 
erde  meines  Vaterlandes  erwies  sich  mir  als  verdorrt,  baruk 
ö-badd-y  tö-kldy  tedir  du  hast  die  fledermaus  (den  vogel  der 
nacht)  getötet. 

128)  Diese  grammatisch  eigentlich  richtige  construction 
erscheint  aber  im  Sprachgebrauch  in  den  meisten  fkllen  stark 
verkürzt,  da  der  geist  der  spräche  das  bestreben  zeigt,  das 
abhängige  wort  mit  dem  nomen  regens  zu  einem  einheitlichen 
ausdruck  zusammenzufassen.  Dieses  bestreben  äussert  sich  darin, 
dass  beim  nomen  regens,  wenn  dasselbe  ein  masculinum  ist,  der 
artikel  ganz  abgeworfen,  bei  einem  femininen  nomen  aber  der- 
selbe zu  t  verkürzt  (vgl.  §.  113)  und  dieses  mit  dem  nomen 
rectum  zu  ^inem  lautkörper  zusammengezogen  wird;  in  folge 
dieses  engen  anschlusses  wird  (vgl.  §.  96,  a)  das  genetivische  -i 
zu  -I  gedent;  z.  b.  ö-sandük-i  bäb  die  türe  der  truhe,  ö-mba4-i 
gaü  die  Säbelscheide,  ö-mid-i  girma  glans  penis,  u.  s.  w.  —  wo- 
ay4't  sdra  (fiir  wö-dy-i  tü-sdrd)  »der  rücken  der  band«  der  hand- 
rist,  ö-badd-y-t  kläy  (für  ö-badd-y  tü-kldy)  »der  nachtvogel«,  die 
fledermaus,  ö-maläl-i-t  kaü  (für  ö-maldl-i  tü-kaü)  »das  hun  der 
wüste«  das  perlhun,  auch:  ö-maläl-i-t  endirho  (fiir  ö-m^ldl-i  tu- 
endirho)  id.,  ö-m^k-i-t  hart  (für  ö-mik-i  tü-han)  das  eselsgeschrei, 
wö-^ad-i-t  ambaröya   (fUr  wö-'dd-i  tä-ambaröya)    »die  lippen  der 


70  '^^'  Abhandlimg:    Seinisch. 

vnlva«  die  Schamlippen^  ö-sultän-i-t  'ör  (flir  ö-sultan-i  tö-^ör)  die 
königstochter,  tö'"öt4't  hamös  hadaläiu  (38,  7  für  tö-^ir-ti  tü-ha- 
mos)  das  haar  des  mädehens  ist  schwarz,  tö-öt-i-t  'ör  (flir  tö-*6r- 
ti  tü-'ör)  die  tochter  der  tochter,  enkelin,  u.  s.  w. 

129)  Diese  Verschmelzung  des  nomen  regens  mit  dem 
rectum  geht  dann  häufig  so  weit,  dass  der  artikel  des  nomen 
regens  dem  ganzen  compositum  vorgesetzt  wird,  wenn  auch 
das  nomen  rectum  entgegengesetzten  grammatischen  geschlechtes 
ist;  z.  b.  tengitmita  (flir  wö-eng-i  tü-mita)  »der  knochen  des 
rückens«  das  rückgrat;  te'inaldl-endirho  (flir  ö-malal-i  tü-en- 
dirho)  »das  hun  der  wüste«  das  perlhun;  tyamUhatäy  (flir  e- 
ydma-y  tü-hatay)  »das  pferdchen  der  gewässer«  der  fi-osch; 
t-hüminde  (flir  wö-httm-i  tü-inde  »die  mutter  des  gehimes«  -= 
^^\  ^\)  der  Scheitel,  u.  s.  w. 

130)  Das  letzte  entwickelungsstadium  dieser  Verkürzung 
besteht  darin,  dass  auch  das  genetivische  -y,  -t  zwischen  dem 
nomen  rectum  und  regens  abgeworfen  und  beide  nomina  zu 
einem  wortkörper  zusammengezogen  werden ;  z.  b.  Amar'dr  (flir 
Amdr4  yä-dr  »die  söne  Amars«)  die  Beni-Amer;  Ha4'in4äwa 
(für  wö'had'-y  B-ndd-y  ü-^äwa  »der  volksstamm  der  abkömmlinge 
des  schßch«)  der  stamm  der  Hadend&wa;^  KU4n4&wa  (flir  kisyd-y 
^-ndd-y  ü-^äwa  »stamm  der  leute,  abkömnJinge  der  sklaven«) 
die .  Untertanen,  die  Tigr^;  addrha  (flir  wö-ddar-i  um-ha  »das 
getränke  von  honig«)  hydromel,  honigwein;  md§ha  (für  ö-wdi-t 
wü'ha  »das  getränke  der  Säuerung«)  das  hier,  die  merisa;  amha- 
könSi  (flir  wö-dmba-y  könH)  der  mistkäfer;  indeb  (flir  tö-in-ti  deb) 
»der  sonnenfall«  Sonnenuntergang,  west;  Seiga  (flir  B-Sedy-  wü- 
igd)  der  rinderhirt;  Made  (für  i^a'-y  'ade  »haut  einer  kuh«) 
kuhhaut;  kdnddbi  (kend-y  ddbe)  lanzenstil;  hangibala  (flir  wo- 
hdm-i  tü-gibala  »der  finger  des  anfangs«  womit  man  beim  zälen 
beginnt)  der  kleine  finger,  u.  s.  w. 

131)  Ist  das  nomen  rectum  ein  plurale,  so  wird  an  die 
pluralendung  das  genetivische  -y,  nach  femininen  -ti  angesetzt; 
ein  diesem  suffix  vorangehender  vocal  wird  (nach  §.  96,  a)  ge- 
dent,  auch  wird  ein  dem  -y  unmittelbar  vorangehendes  a  oder 


^  Vgl.  §.  62    und    über    den    Ursprung    der    Hadend&wa    s.  texte    p.  11) 
kapitel  6. 


) 


Die  B^dftuye-Sprftche  in  Nordost-AfritaL  n.  71 

e  mit  dem  -y  häufig  zu  S  zusammengezogen ;  z.  b.  Sed-y  hiss' 
amdsu  ifi  (5,  14)  ich  höre  rinderstimmen  {ßd"  plur.  ia'a  rind); 
ebenso:  ien-y  dda  (5,  16)  hörner  von  rindern;  kürbd-y  dd'a 
»hömer  (zÄne)  von  elefanten«  (kurib  plur.  JfewrJa);  €-dambi  bitik 
(68,  11)  »Zwischenraum  der  schenke!«  zwischen  den  schenkein 
(dämba  plur.  dämba,  §.  118);  e  BedäUyi-t  bür  das  land  der 
Bedscha  (ü-Be^düye  der  Bedscha,  plur.  ä-Beidüye  die  Bedscha, 
§.  118);  ye-ayi't  sdra  die  handriste  (fUr  ayd-y  tä-sdra,  sing,  wo- 
ayi't  sdra;  ay  band);  t-eyd-t  'dde  zigenhäute,  u.  s.  w. 

Anmerkung  1.  Almkvist  gibt  in  seinem  werke  (p.  68, 
§.69)  als  genetivsuffixe  an:  sing. -i,  fem. -fi,  plur. -a,  fem.-ta. 
Nach  den  von  mir  gesammelten  beispilen  lautet  aber  das  gene- 
tivsuffix  im  plural  ganz  gleich  dem  im  singular  (s.  oben  §.  131), 
doch  ist  nach  den  von  Almkvist  angeft\rten  beispilen  an  der 
richtigkeit  seiner  aussage  nicht  zu  zweifeln,  um  so  weniger, 
weil  auch  in  den  Agausprachen  für  den  plural  ebenfalls  -ä  als 
genetivsufßx  erscheint.^  Es  bleibt  also  nur  die  eine  möglichkeit 
übrig,  diese  divergenz  zwischen  meinen  und  Almkvist' s  beispilen 
zu  erklären,  nemlich  die,  anzunemen,  dass  in  diesem  punkte  eben 
eine  verschidenheit  besteht  zwischen  den  nördlichen  stammen 
der  Bischari  und  den  südlichen  der  Halenga,  Hadendawa  und 
der  Beni-Amer. 

Anmerkung.  2.  Dass  das  genetivsufßx  -^i,  nur  nach  fe- 
mininen nennwörtem  vorkommend,  in  t  +  i  zu  zerlegen  und 
letzteres  mit  -y  (nach  consonanten  -f),  dem  genetivzeichen  der 
masculina,  identisch  ist,  kann  wol  keinem  zweifei  unterhgen; 
mit  diesem  -y  vgl.  das  genetivsufßx  -I  im  Bilin,  Chamir,*  Saho 
und  'Afar  =  A.  f -,  G.  ff-.  Almkvist  gibt  (p.  70,  §.  72)  an,  dass 
die  auf  einen  vocal  auslautenden  nennwörter  im  Bischari  vor 
der  pluralendung  -a  ein  eufonisches  y  einschieben;  z.  b.  ay  band, 
plur.  dy-a  bände,  genet.  plur.  ayd-ya.  Nach  obigem  ist  demnach 
dieses  y  kein  eufonisches,  sondern  ein  wurzelhaftes  und  es  stimmt 
sonach  das  genetivsufßx  -ya  vollständig  mit  dem  amharischen  f - 
überein. 


^  Vgl.  Bilinsprache  §.  153,  Chamirsprache  §.  208,  anmerküng. 

*  In  der  Chamirgrammatik  habe  ich  dieses  saffix  nicht  aafg^fUrt,  aber  ich 

fand   dasselbe  nachträglich  in  den  texten,  vgl.  Chamirsprache  II,  9,  43; 

12,  1.  26;  13,  44. 


72  "^^  Abhuidlimg:    Beiniseli. 

D)  Der  ablativ. 

132)  Dieser  casus  existirt  eigentlich  im  Becjauye  gar  nicht, 
weü  derselbe  formeU,  daher  auch  begrifflich  mit  dem  genetiv 
durchaus  zusammenfällt.  Nachdem  aber  Almkvist  (1.  c.  p.  71, 
§.  75  ff.)  dem  ablativ  ein  besonderes  kapitel  gewidmet  hat,  so 
will  auch  ich  meinerseits  alle  jene  fälle,  welche  nach  unsem 
grammatischen  Vorstellungen  in  den  ablativ  gehören,  der  bessern 
übersieht  wegen  hier  speciell  zusammentragen.  Das  Be^uye 
drückt  mittelst  -y  nicht  nur  die  abhängigkeit  eines  nomens  von 
einem  andern  (genetiv)  aus,  sondern  auch  die  richtung  von  einem 
objecte  her  oder  nach  einem  gegenständ  hin,  das  verweilen  an 
einem  orte,  ferner  die  Ursache,  das  mittel  wodurch  etwas  be- 
werkstelUgt  wird  u.  s.  w.,  alle  diese  beziehungen,  welche  in 
andern  sprachen  durch  den  ablativ,  instrumentalis,  locativ  u.  dgl. 
ausgedrückt  werden,  bezeichnet  das  Be^auye  ganz  so  wie  den 
genetiv  mittelst  des  Suffixes  -y;  z.  b. 

a)  Die  richtung  von  einem  gegenstände  her;  wie:  aü 
Mogälö-y  iya  (39,  6)  wer  ist  aus  Mogolo  gekommen?  dne  ö-gaw-i 
yCani  (45,  7)  ich  komme  vom  hause.  ö-GaS-i  ydkya  (55,  1)  er 
brach  auf  vom  Gaschfluss.  Makkd-y  yäkyän  (55, 12)  sie  brachen 
auf  von  Makka.  Soädn-i  yakydyt  Massiv  ihe  {bly  3)  er  brach 
auf  vom  Sudan  und  ging  nach  Kairo,  nä-mhln-i  Btaf  (36,23) 
woher  kommst  du?  dne  ö-Sök-i  yidn  ich  komme  von  Suakin. 
ö'ddgel'i  agidha  ich  stig  vom  mastbaum  herab,  ay  (flir  dw-i) 
temdswa?  von  wem  hast  du  es  gehört?  tdk-i  meswdb  koke  ich 
hörte  es  von  niemand. 

b)  Die  richtung  nach  einem  object  hin,  wie:  dne  Amidd-y 
dba-he  ich  bin  auf  dem  wege  nach  Amideb.  Mekallö-y  niba- 
niydd  wir  werden  nach  Mukullu  gehen,  nd-mhln-i  atfarf  (14,  30) 
wohin  soll  ich  fliehen?  In  der  regel  aber  wird  in  diesen  fällen  der 
objectscasus  gebraucht,  wie:  Kassald-b  nach  ELassala,  Jiddi-b  nach 
Dschedda,  ö-süg  dbe  ich  ging  auf  den  markt  u.  s.  w. 

c)  Das  verweilen  wo;  z.  b.  dne  ö-mangd-y  abdy-ho  hd^^äb 
erhdn  (46,  34)  als  ich  in  der  wüste  wanderte,  sah  ich  einen 
löwen.  hö-y  esd'  (5,  5)  daselbst  blib  er.  loö  "arö-y  'örüh  ife  (64, 
29)  auf  dem  schiffe  befand  sich  sein  son.  Mekallö-y  nife  wir 
waren  in  Mukullu.    nd-mhln-i  talägdmani  (15,  26)  wo  soll  ich 


Die  BedAvye-Sprftche  In  Nordost- Afrika,  n.  73 

mich  verstecken?    in-t&n-i  oder  in-tö-y  (72, 16)  hier  an  diesem 
ort.    b9n  tin-i  oder  bSn-tö-y  (ib.)  dort. 

d)  Die  Ursache,  das  mittel  u.  s.  w.,  z.  b.  Abddlla  Bildl-i  iya 
Abdallah  starb  durch  Bilal.  Bildl-i  eddr  er  wurde  von  Bilal  ge- 
tötet, dne  Abdalld-y  atöta'  ich  wurde  von  Abdallah  geschlagen. 
wü-hd(jla  ö-yö-y  dihya  der  löwe  fiel  durch  den  stier,  rasds-i  iya 
(60, 13)  er  starb  durch  eine  kugel.  ö-  Firis  edir  ö-mha4'i  (56,  5) 
er  tötete  den  Perser  mit  dem  Schwerte. 

e)  Die  Zeitangabe,  wie:  icödsir-i  Bya  (14,22)  er  kam  am 
nachmittag,  wö-dsir-i  wdkt-i  maa  (14,  15)  komm'  zur  zeit  des 
nachmittags!  ö-ngreb4  wdkt-i  maa  komm'  zur  zeit  des  abends! 
to-fdtjliga  titd-y  (69,  14)  in  der  vierten  nacht. 

f)  Die  vergleichung,  wie:  bariik  hansir-i  nigiswa  du  bist 
schmutzig  wie  ein  schwein.  bariik  Bildl4  akrdbua  du  bist  ebenso 
stark  wie  Bilal.  d-yam  (und  ä-ydma)  mös-i-ba  dieses  wasser  ist 
brackig  (ist  von  salz,  wie  salz),  barüs  meslim-i  ddybu  er  ist  edel 
wie  ein  muslim. 

133)  In  folge  dieser  so  verschidenartigen  gebrauchs weise 
von  -y,  bei  welcher  die  genaue  bedeutung  dieser  partikel  durch 
den  allgemeinen  sinn  des  satzes,  durch  das  verbum  u.  dgl.  oft 
nur  unvollständig  zum  ausdruck  gelangen  kann,  hat  der  sprach- 
geist  nach  mittein  gesucht,  die  jedesmalige  bedeutung  von  -y 
genauer  zu  präcisiren  und  hat  diesen  zweck  vollständig  erreicht 
durch  postpositionen,  welche  wir  demnach  an  diesem  orte  be- 
sprechen wollen.  Wir  müssen  im  Becjauye  zwei  arten  von  post- 
positionen unterscheiden,  nemlich  eigentliche  d.  i.  postpositionen 
welche  nur  als  solche  im  gebrauche  vorkommen  und  dann  aus 
nennwörtem  abgeleitete.  Beide  arten  von  postpositionen  ver- 
halten sich  zu  irem  nomen  gerade  so  wie  oben  beim  genetiv 
das  nomen  rectum  zum  regens,  regiren  also  wie  die  arabischen 
Präpositionen  den  genetiv.  Da  nun  im  Be(Jauye  wie  in  den 
übrigen  kuschitischen  sprachen  noch  tatsächhch  die  meisten 
postpositionen  als  wirkUche  nomina  im  gebrauche  stehen,  so 
darf  hieraus  wol  ein  schluss  auf  einen  ursprünghchen  nomi- 
nalen character  auch  der  eigentlichen  postpositionen  gezogen 
werden. 

134)  Zu  den  eigentlichen  postpositionen  gehören  nach- 
folgende: 


74  Vn.  AbhAndlnng:    Beinisch. 

a)  Die  postposition  -ä,  durchaus  identisch  mit  Ti.  G.  fl- 
o  -a  der  semitischen  sprachen ;  z.  b.  kidmdt  dbare  Bilälri-b  ^  ich 
habe  dienst  bei  Bilal  f42,  19).  lehayt  %d  wun  musllm-i-i-u^ 
morgen  ist  ein  grosses  fest  bei  den  muslim  (oder  ein  grosses 
fest  der  muslim).  So  erklären  sich  auch  Verbindungen,  welche 
man  als  genetive  betrachten  könnte,  wie:  ü-gaü  wü-Hammed-i-h 
wünu  das  haus,  das  bei  Mohammed  ist,  ist  gross,  —  woftür  auch 
gesagt  wird :  Hdmmed-i  ü-gaü  wünu  Mohammed's  haus  ist  gross. 
wü'örus  te4agl'ti-b^  iya  sein  son  starb  auf  dem  wege.  ferhä-H-b 
tiya  (43,  5)  sie  starb  vor,  aus  freude.  tü-yin,  tü-terlgy  yä-hayük 
tö'birB-ti'b  hirBren  die  sonne,  der  mond  und  die  steme  wandeln 
am  himmel.  dne  mehdyt  yinä-ti-b  tamdb  kake  (42,  27)  ich  habe 
seit,  in  drei  tagen  nichts  gegessen.  Mesuwi'  jaslrä-ti-b  tifi  (42,  26) 
Massaua  ligt  auf  einer  insel.  ani  Hartum-i-b^  Sodän-ib  e8ti\  '6rü 
wü-ani  ö-Sök-i-b  efe  (36,  30)  ich  wone  zu  Chartum  im  Sudan  und 
mein  son  befindet  sich  in  Suakin.  ö-Sök-i-b  dnde  (36,  28)  ich  gehe 
nach  Suakin.  Abdalla-y  ö-gaw-t-b  dnde  ich  gehe  nach,  zum  hause 
Abdallah's.  e-biyön  S-yam-B-b^  wi/Y/"  (59,  10)  wir  schütten  unser 
mel  ins  wasser.  e-yam-B-b  ddbya  (42,  29)  er  fiel  ins  wasser.  ay  tirga 
yi'hamHk-B-b  tesni  (42,  28)  flinf  mo|iate  blib  sie  am  leben. 

b)  Die  postposition  -<,  -d,  gleichlautend  mit  Sa.-*Af.  -f,  -d 
Bil.  'd,  Cha.  't,  -dj  De.  Qu.  -z,  Ku.  -to,  -te,  A.  »f--  bei,  an,  in, 
nach  u.  s.  w.;  z.  h.  Ö-bSlled  ön-ndy-ka  ü-beledün  hanyis  wö-^ldA-d 
denn  als  jene  Stadt  ist  unsere  Stadt  vomemer  in  bezug  auf  fest- 
feier.  tö-'öti-t  ham-ös,  hadaldtu  wö-hawäd-i-d  (38,  7)  des  mädchens 
ir  haar  ist  schwarz  nach  art  der  (wie  die)  nacht,  dne  Biläi-i-t 
akrdbu  ich  bin  stark  nach  art,  wie  Bilal.  tö-takdt  darü-t^  Aöy,  bit- 
fariyikj  tak  ün  ßdikti-t  wet  bä-id'ir  (7,  19)  nach  der  entlassung 
der  frau,  wenn  sie  nicht  gebärt,  soll  dieser  mann  nach  der  Scheidung 
eine  andere  heiraten!  yam  giCati-t  en4ön  niba  (40,  7)  nach  dem 
trinken  von  wasser  gehen  wir  heim,  bismilldhi  diti-t  en^ön  niba 
wir  sagen:  in  Gottes  namen!  und  gehen  heim  (nach  dem  bis- 
millahi- sagen  gehen  wir  heim),  ani  B-d'dyB  eshalii-t  yTani-höka 
(20,  25)  nach  dem  schärfen  meiner  hömer  komme  ich  zu  dir. 

^  lieber  i  statt  t  s.  §.  96,  a.         >  lieber  -m  s.  §.  139. 

'  Für  td-lagitib,  s.  §.  113;  da  das  wort   lagi  gener.  femin.  ist,    so  steht  das 

Suffix  -tiy  s.  §.  125. 
*  Aus  yamoA-h  zusammengezogen. 
^  dur-ti  die  Scheidung,  dartit  für  dar-ti-i-t;  vgl.  a.  Almkriat  l.  c  p.  247,  d. 


\ 


Die  Bedaiiye-Sprsche  in  Nordost- Afrilc».  n.  75 

tä-fna  tdki  ay-i-t  tifi  die  lanze  befand  sich  in  des  mannes  hand. 
keddddebin-di  säkna  (Münz.  p.  353)  wir  gingen  in  der  finsterniss 
fert.  Dieselbe  postposition  ist  auch  vorhanden  in :  lehdyt  morgen 
=  leha-y-tj  und  in  hiikayt  zwischen,  hitka  mitte. 

Anmerkung.  Dieselbe  postposition  kann  auch  einem 
verb  im  bestimmten  tempus  nachgesetzt  werden  und  es  wird 
auch  hier  in  der  regel  zwischen  dem  verb  und  der  postposition 
die  genetivpartikel  -y  eingeschoben;  z.  b.  Soddni  yakyä-y-t^ 
Massiv  ßbe  (57,  4)  er  brach  vom  Sudan  auf  und  ging  nach 
Kairo  (wörtlich:  nach  dem  von  er-brach-auf  ging  er),  hl-mäa 
ten-i't  Aöy  tihdy  (16,  15)  gib  her!  sagte  sie  und  nam  (das  geld) 
von  im  (wörtlich:  bei  dem:  gib  her!  sie-sagte  nam  sie),  ragadök 
ö^dr  kifd't  hiyeba  (20,  5)  schneide  das  eine  bein  von  dir  ab 
und  gib  es  mir!  ani  äeegab  akd-y-t  dirman  (44,  2)  ich  wurde 
ein  hirt  und  weidete  vih  (wörtlich:  nach  dem  von  ich  wurde 
ein  hirt,  da  weidete  ich). 

c)  Die  postposition  -8  (gleich  mit  dem  genetivsuffix  im 
Bil.  -«,  De.  Qu.  -z,  -zi,  G.  ff-)  &^^y  von,  mit;  z.  b.  bdbyö  6- 
gaw4-8  dirbatit  hdyma-hib  (58,  5)  bring  mir  butter  aus  meines 
Vaters  haus!  Hdrmned-i  wö-ay-i-s  iya  er  starb  von  der  hand 
Mohammed's.  abiyi-s  (flir  dbiya-i-s)  hardm-i  ibe  (9,  14)  er  ging 
von  sich  (flir  seine  person)  auf  slinde  aus.  bäbyök  en4äwd-y-8 
bdya  ziehe  aus  deinem  vaterlande  aus!  vgl.  a.  28,  8;  29,  12; 
34,  16;  35,1.  11;  48,20;  56,2. 

d)  Die  postposition  -ka  von,  aus  (Sa.  'Af.  -Aö,  -ftn.  So.  fta-, 
Ku.  'kin,  Bar.  -gfe,  Kaf.  -je,  A.  h-)  wird  im  Be(Jauye  fast  nur 
mer  in  der  comparation  gebraucht;  z.  b.  ö-tak-i-ka  tü-takdt  hanyis 
vom  manne  aus  ist  die  frau  schöner  -  die  frau  ist  schöner  als 
der  mann,  tö-dinyä-ti-ka  xcü-akir  hanyis  das  jenseits  ist  schöner 
als  die  weit;  vgl.  auch  §.  143.  Ausserdem  finde  ich  diese  post- 
position noch  im  gebrauch  bei  Zeitangaben  von,  her,  seit; 
z.  b.  'öfü  ay-t  ylnä-ti-ka  lehdtu  meine  tochter  ist  seit  fiinf  tagen 
krank.  'Ali  had'dbufa4ig  haüU-ka^  Ah  ist  schech  seit  vier  jaren. 


^  yökya  er  brach  auf;  zu  yakyi-y  s.  §.  96,  a.  Zu  diesem  -4  vgl.  a.  Alinkvist 
p.  247.  Genau  so  wie  hier  das  Be^jauye  so  construirt  auch  das  Nuba; 
vgl.  ay  nOgn-do  irj€n  ikdri  als  ich  fortging  (wOrtlich:  bei  dem  ich  zog 
fort)  war  ich  reich,  u.  s.  w.,  s.  Nubasprache  I,  146,  §.  438. 

*  hoQl  plnr.  haCda,  davon  ha{da-i-ka  =  haOlika.  Almkvist  p.  273  s.  v.  -ka 
seit,  hat  die  interessante  form  ha/QiUM/i-ka,  Da  nun  -i  für  ursprüngliches 


76  Vn.  Abhandlang:    Beiniseh. 

e)  Die  postposition  -na  mit,  in  gesellschaft  (Ga.  -n,  Kaf. 
-nay  Kiu  -nö,  A.  -^t  G.  -J^i  -^05  ^-  ^-  Bammed-i-na  haydt  ich 
will  mit  Mohammed  gehen,  dro  wir-na  ibdbya  er  reiste  ab  auf 
(mit)  einem  andern  schiffe. 

f)  Die  postposition  -ne  seit,  von  (fraglich  ob  ans  na-f); 
ich  besitze  davon  nur  folgende  Verbindungen  in  Zeitangaben: 
dfa-ni  seit  gestern,  haldn-ne  von  jetzt  an,  lehdyt-U  (flir  lehdyir 
ne)  von  morgen  an;  vgl.  auch  bei  Hunzinger:  ero-ne  seit  gestern. 

135)  Ausser  diesen  einfachen,  eigentlichen  postpositionen 
ist  ganz  so  wie  im  Kubischen  eine  reihe  von  aus  nennwörtem 
abgeleiteter  postpositionen  im  gebrauche,  wovon  die  am  häufigsten 
vorkommenden  folgende  sind: 

a)  gab  meist  verkürzt  geb  und  nur  gsb  wenn  der  accent 
darauf  zu  stehen  kommt  (s.  §.  105)  eigentlich:  seite,^  daher: 
an,  bei,  mit  (in  gesellschaft\  von  (seitens);  z.  b.  Hdmmed-i 
geb  riü  sfi  bei  Mohammed  gibt  es  geld  (M.  hat  geld).  Abdalli-y 
geb  bVya  er  schlief  bei,  mit  Abdallah,  wü-hdda  ö-yö-y  geb  emödär 
der  löwe  wurde  vom  stier  getötet,  wü-harib  an-i  geb  yihäküdr 
der  wasserschlauch  wurde  von  mir  zugebunden. 

Als  eigentliches  nennwort  kann  es  auch  mit  dem  gene- 
tivischen -y  versehen  werden;  z.  b.  wü-hdrro  Bildl-l  gib-i  etögü- 
har  die  durra  ist  von  Bilal  gestolen  worden,  a-y  gib-i  ti-ia 
k'hök  von  wem  (von  wessen  seite  her)  kam  dir  das  fleisch  zu? 
Hdmmed-i  gib-i  it-eb  von  Mohammed  kam  es  mir  zu.  ün  harib 
Abdalld-y  gib-i  etdb  dieser  wasserschlauch  ist  von  Abdallah 
angefüllt  worden. 

Anmerkung.  Als  nennwort  kann  daher  auch  geb  mit 
den  pronominalsuffixen   versehen  werden;   z.  b.  geb-ö   mit  mir, 


ya  steht  (s.  §.  131  anmerkuDg  2),  und  nicht  anzonemen  ist,  dass  diesem 
ya  pleonastisch  nochmals  ein  t  vor  der  postposition  folgen  soll,  so  kann 
e  in  ye  nur  erklärt  werden,  wenn  man  statt  ya  die  ausspräche  ye  annimmt, 
wo  dann  e  vor  -ka  (nach  §.  96,  a)  gedent  worden  ist. 
^  Bil.  De.  Qu.  gahi,  Cha.  gehd,  ghä,  guä  (G.  70')  <^^^)  neben,  bei,  an,  mit, 
8.  Bilinsprache  §.  165,  Chamirsprache  §.  250,  Qnarasprache  §.  150.  Mit 
Cha.  ^ä  föllt  zusammen  A.  ^i  vgl.  ^/H  I  beim  köpf,  Y\J!^%  i  bei  der 
band,  und  Ti.  7*i  meist  ^  i  z.  b.  ^f  i  iß*i{f^l  J^A^flf  >  ^^  mir  sind 
kinder,  ich  habe  kinder.  Im  G.  steht  dem  7*  i  zunächst  gegenüber  ^(1 1 
latus ;  juxta,  prope,  a  latere,  und  ser  warscheinlich  ist  damit  im  znsammen- 
hang  die  präposition  ^  f)  >  j^^^  apud,  Ty.  tlH"  ^^-  (^STI-  Bilinwörterb. 
s.  V.  kab). 


Di«  B«daii7e^pneh6  in  Nordoet-Afrik».  IL  77 

gdhök  mit  dir,  gd)'ö8  (geb-öh)  mit  im,  ir,  geb-ön  mit  uns,  geb- 
ökna  mit  ench,  geb-ösna  (geb-öhna)  mit  inen. 

b)  hida^  gemeinschaft,  gesellschaft,  mit,  onacmn,  auch 
mit  folgendem  genetivzeichen  hidd-y  in  gesellschaft,  zusammen 
mit;  z.  b.  barüs  Abdalld-y  hida  (hldäy)  ö-Sökib  ibdbya  er  reiste 
gemeinschaftlich  mit  Abdallah  nach  Suakin.  hanin  wö-hdd'a  Hdm- 
mad-i  hida  Ämidib  Bna  wir  kamen  mit  dem  schieb  Mohammed 
nach  Amideb.  ani  adarhäb  gudn  Hdmmad-i  ö-san-i  hldäy  ich 
trank  honigwein  mit  Mohammeds  bruder.  baruk  ö-blis-i  hldäy 
temörama  tihaya  du  bist  mit  dem  teufel  verbündet. 

fe)  d^hdy  dha  eigentlich  nähe,  als  postposition  nach,  zu, 
hin,  bei;*  z.  b.  tö-tdkat-i  d^hd  iya  (68,  10)  er  kam  zum  weibe. 
te-märe  wö-'dw-i  dähd  eßf  (67,  4)  er  schüttete  die  suppe  auf 
einem  stein  aus.  te-dife  wö-hdS-i  d6hd  efif  (67,  9)  er  schüttete 
die  belila  auf  den  sand  aus.  te-lagi  Hdrty,m-i  ö-Sök-i  dehd  gu- 
mdddu  (36,  33)  der  weg  von  Chartum  nach  Suakin  ist  lang. 
In  den  meisten  fkllen  erscheint  dehd  mit  der  genetivpartikel 
als  d^hd-y,  dhäy  »in  der  nähe«;  z.  b.  t-ende-ti  dhdy  iya  (58,  7) 
er  kam  zur  mutter.  ö-bäbd-y  dehdy  iya  (62,  11)  er  kam  zum 
vater.  Da  in  diesem  falle  dehd-y  nicht  mer  als  blosse  postposi- 
tion, als  Suffix,  sondern  als  eigentliches  nennwort  geflilt  wird, 
so  wird  in  der  regel  das  genetivische  -i  des  vorangehenden 
nennwortes  nicht  mer  betont;  z.  b.  tü-bdyho  wö'hd^4-^  dehdy 
sota  (20,  27)  der  schakal  berichtete  es  an  den  löwen  (erzälte 
es  dem  löwen).  tü-bdyho  ö-yö-y  dehdy  ka  (20,  18)  der  schakal 
kam  zum  stier,  e-gulüla  ye-adim-i  dhäy^  ö-mik-i  tö-m/uk-i  dhdy 
bä'fdHda,  tim  (jliya  (44,  7)  zu  den  reden  der  dummen  und  zu 
esebfurz  lache  nicht,  sondern  schweige!  * 

Anmerkung.  Als  nennwort  wird  dehd  auch  mit  pro- 
nominalsuffixen  verbunden,  als:  deh-ö,  -öky  -ös  u.  s.  w.  zu  mir, 
dir,  im,  u.  s.  w. 


^  Sa.  Mdä,  'Af.  tiddä  gemeinschaft;  s.  §.  96  c. 

*  Cha.  -tik  und  -cik  nahe  bei,  an,  bei,  mit,  yi-Uk  (cik)  Uteru  er.  trat  zu 
mir;  s.  Chamirsprache  §.  248.  Ebenso  Bar.  -dik,  -digi  id.,  vgl.  G.  m^  ' 
oder  f^  I  praepos.  proxime,  secus,  juxta. 

'  Ans  dieser  Verbindung  von  deha,  dha  mit  vorangehendem  t  ist  der  so- 
genannte dativ  bei  Almkvist  auf  -ida  entstanden;  s.  oben  §.  124,  anin. 
Alrnkvist  hat  diese  tatsache  selbst  schon  erkannt;  s.  L  c  p.  121,  §.  163. 


78  TU.  Abhudlnng:    Keinisoh. 

d)  däb  die  Vorderseite,  gesichtsseite,  daher:  vor,  ante, 
meist  in  der  genetivform  däbd-y  und  bei  Zeitangaben  gebraucht;^ 
z.  b.  engäl  hdül-i  däbdy  vor  einem  jare.  engät  sa^ä-ti  däbdy 
vor  einer  stunde,  esimhäy-t  ylnd-ti  däbdy  vor  acht  tagen. 

e)  süT  Vorrang,*  als  postposition  fast  nur  mit  folgendem 
genetivischen  -y,  -i,  also:  sür-i  vor,  voran  (örtlich);  z.  b.  nigg- 
niggo  wö-härräw-i  suri  esd'  yidyim  (25,  15)  vor  dem  kom  sass 
eine  eidechse.  Hdmmed  ö-gaw-i  süri  esti  Mohammed  sitzt  vor 
dem  hause.  e-Sa-dy  süri  hirera  marschire  vor  den  rindern! 
barus  en4äwd-y  süri  hirBrya  er  marschirte  dem  beere  voran. 

f )  har'  und  ar  hinterteil,  rückseite,  ^  als  postposition  regel- 
mässig hdr-ij  dr-i  hinter,  nach;*  z.  b.  Hdmmed  ö-gauhi  Jidri 
Bfe  Mohammed  befindet  sich  hinter  dem  hause,  asä-gul-t  ytndt 
hart  ö-Sök  ena  nach  sechs  tagen  kamen  wir  nach  Suakin.  barüi 
e-sad-y  hdri  hirBrya  er  marschirte  hinter  den  rindern. 

Als  nenn  wort  nimmt  es  auch  pronominalsuffixe  an,  als: 
hdr'-öy  'öky  -ö8  u.  s.  w.  hinter  mir,  dir,  im. 

g)  dräwa  nähe,  seite,*  aräwd-y  an  der  seite,  neben,  das 
was  gab'^  z.  b.  barüs  Hdmmed-i  aräwdy  esd'  er  sass  neben 
Mohammed.  Hdmmed-i  ü-gaü  Abdalld-y  ö-gaw-i  aräwdy  ife 
Mohammed's  haus  befindet  sich  neben  dem  Abdallah's. 

h)  enki,  inki,  inki  und  Al,  bei  A.  4nkiy  inkij  bei  BLr.  emki^ 
bei  Sa.  inke,  bei  See.  inkihy  bei  W.  c^  geschriben  und  khi 
up,  transscribirt, ^  auf,  über,  oberhalb,  oben;  z.  b.  barüs ö-ndl-i 
aräwd-y  esd\  ö-n'dl-i  inki  sa^db  kike  (42,  16)  er  sass  neben,  nicht 


*  Bil.  De.  Qu.  jäb  Vorderseite,  gesiebt,  jäbi-l  vor,  bevor;  s.  Büinsprache 
§.  165,  Qnaraspracbe  §.  152. 

'  9Gr-kena  der  erstgebome,  älteste  son  der  nacb  dem  vater  das  familien- 
baupt  ist.  Es  ist  dieses  «ür  =  ijyia  plor.  ^yZa  gradus  dignitatiii,  bono- 
ris,  si^i^  *jy^  ^  ^^  gebürt  der  Vorrang  vor  dir.  In  Ga.  d^ra  vor, 
voraus;  früber,  eber,  ini  d6ra  der  erste,  stebt  d  für  8  wie  oben  §.  7.  In 
So.  hör,  höre  vor,  voraus,  ist  s  zu  h  übergegangen  und  dieses  dann  zu./ 
in  *Af.  fdwir  an  der  spitze  steben,  zuerst  sein,  den  Vorrang  einnemen, 
ffyrö  (für  fdtcirö)  anfang,  Vorrang,  fdyr6  bMä  der  erste,  erstgebome  son. 
Postpositional :  lahd  »cmdt  fäyrö-l  tä-la-ke  4na  icb  war  bier  vor  sechs  jaren. 

*  Lautlicb  stünde  am  nächsten  K'vt  ^y^  warscheinlicb  ist  aber  ?tar'  eher 
auf  VTR  ^;^\  zu  bezieben. 

*  8a.  *Af.  irö  rückseite,  irö-l  hinter. 

^  Herkunft  dunkel,  cf.  SoS  propinquitas. 

*  Herkunft  dunkel. 


Die  B«dMi7»-Spracbe  in  Nordost- Afrik».  IL  79 

auf  dem  bette.    ü-bcCno  ö-gaw-i  'nki  esti  (42,  18)  der  geier  sitzt 
auf  dem  hauBe. 

i)  wuha  tiefe,  niderung,  vmha-y  in  der  tiefe,  daher  unter, 
unterhalb,  unten;^  z.  b.  hanin  wö-hind-i  umhay  nestV  (42,  13) 
wir  sitzen  unter  dem  bäum,  ü-yds  ö-ndl-i  umhäy  bxine  (42,  15) 
der  hund  ligt  unter  dem  bett. 

Anmerkung.  Als  nennwort  nimmt  es  auch  pronominal- 
suffixe  an,  wie:  wuh-ö,  -ök,  -ö8  (öh)  u.  s.  w.  unter  mir,  dir,  im. 

k)  betiky  hitik^  Zwischenraum,  daher  zwischen,  mitten; 
z.  b.  barus  ^Omdr  wä  Hdmmad-i  bitik  bxine  er  ligt  zwischen 
Omar  und  Mohammed,  e-dambi  (für  dambd-y)  betik  kümya  (G8,  11) 
er  drang  ein  zwischen  die  beine.  Es  kommt  in  dieser  Ver- 
bindung auch  mit  dem  artikel  versehen  vor,  wie:  malö  erbd-y 
e-bitik^  abdt^  tifi  (42,  6)  zwischen  den  zwei  bergen  befindet  sich 
ein  äuss. 

Anmerkung.  Als  nomen  nimmt  es  auch  pronominalsuffixe 
an;  z.  b.  e-bitk-ek  wä  e-bitk-en  Hba  Bfi,  abdt^  Ufi  (42,  4)  zwischen 
euch  und  uns  ligt  ein  berg  und  ein  fluss. 

1)  kdlawa  inneres,  bauch,  kalawd-y^  innerhalb,  in;  z.  b.  ö- 
gaw'i  kalawdy  innerhalb  des  hauses.  ö-kilmö-y  kalawdy  inner- 
halb des  dorfes.  ü-gawüs  ö-belled-i  kalawdy  ifi  sein  haus  ligt 
im  innem  der  Stadt.  ökaUb-i  kalawd-y  egid  (56,  3)  er  warf  in 
hinein  in  den  hofraum. 

m)  ft^  bauch,  inneres,  fi-i  und  fi-i-b  im  bauche,  inner- 
halb, in;  z.  b.  niehäy  baiin  ö-sandük-i  fiib  ndyyän  (15,  32)  jene 
drei  übernachteten  in  der  truhe. 


^  Bei  A.  toäki,  uhi,  yvih,  bei  Kr.  uhi,  bei  See.  wuhih  unter,  vgl.  Sa.  *Af.  hähä 
tiefe,  nidemng. 

•  Das  nomen  ist  eigentlich  hi^Uky  wegen  des  accentes  hetik  (s.  §.  105  und 
106,  b)  und  in  folge  ron  vocalharmonie  dann  fntik-,  von  hetik,  Bil.  hatak^ 
'^^'  ti'tXi  >  ^-  fl'l^h  >  d^^  auseinander  schneiden. 

•  Für  ö-bUOc,  8.  §.  113. 

^  Grammatisch  wäre  nur  &ba  zu  erwarten,  da  bei  unbestimmter  Stellung 
nur  im  objectscasus  bei  masculinen  -b,  bei  femininen  -t  erscheint.  Da 
aber  wenigstens  takAt  frau,  gegenüber  tak  mann,  auch  im  nominativ  das 
genuszeichen  zeigt,  so  ist  die  form  abdt  wol  nicht  ganz  unmöglich. 

^  Bil.  kluwi  xiüAjüuwäy  (^Vi.jüuwd  kreis,  umfang,  jäutoi-z  im  kreise,  innerhalb. 

•  Aus  yr,  fäy*  und  dieses  =  gjü>  intestinum;  s.  §.  61. 


80  Vn.  Abhandlnog:  Reiniseh.   Die  Bedaaje-Spnch«  in  Noxdoii-Afrik».  II. 

n)  gilla  Ursache,  gelld-y  wegen; ^  z.  b.  barüs  (hriuy-i  geUAy 
Bya  er  kam  wegen  des  geldes.  batus  wö-^ör-%  te-lhani-ti  gelliy 
ita  sie  kam  aus  anlass  der  krankheit  des  knaben.  tö-^öti  gelUy 
ärfdgara  ti-fna  hadiryän  wegen  des  mädchens  Hessen  sich  die 
Jünglinge  in  den  streit  ein. 

o)  anüy  nun  (wol  ftir  anün),  bei  A.  dnu,  nüny  nu^  one, 
ausser;  z.  b.  endd-y  nun  iya  ki-hay  one  gefolge  ist  niemand 
gekommen,  barus  rew-i  nun  iya  er  kam  one  geld.  dirbadt  anü 
Sümya  (58,  17)  er  trat  ein  one  butter. 

p)  bdka,  bakä-y  ausser;*  z.  b.  Hdmmed-i  bakäy  iya  Ici- 
hay  ausser  Mohammed  ist  niemand  gekommen,  asimhdy  tamün 
bäka  ü'dhdy  ü-rdü  enhddna  (64,  12)  ausser  achtzig  mann  war 
die  übrige  mannschaft  umgekommen,  gäl  Sd'y  bakdy  nät  kdbari 
ausser  einer  einzigen  kuh  habe  ich  nichts  mer.  hatdy  bakdy  ün 
beled4-b  rBü  ki-hay  ausser  pferden  gibt  es  in  jener  Stadt  kein  yih. 

E)  Der  vocativ. 

136)  Wie  der  nominativ  so  steht  auch  der  vocativ  one 
casuszeichen,  jedoch  wird  diesem  in  der  regel  die  interjections- 
partikel  ay,*  auch  zusammengezogen  e  und  i nachgesetzt;  gattungs- 
namen  nemen  überdiess  genau  wie  im  Aegyptischen  den  be- 
stimmten artikel  in  der  nominativform  zu  sich;  z.  b.  Hdmmedrdy 
o  Mohammed !  um-'ör-ay  (oder  um-ör-S,  wü-^ör-l)  mdüa  komm  her 
o  knabe!  ö-yds-i  wü-öTy  tim  diya  schweig  du  hundeson!  ü-glil-l^ 
ö-glüli  *ör  (27,  5)  o  du  dummkopf,  son  eines  dummkopfesi  tü-glUUj 
tö-glülltit  'ör  (27,  8)  o  du  närrin,  tochter  einer  närrini  wü-^ör-ay, 
ö-büb  nigila-hiba  (41,  15)  bursche,  öflFne  mir  die  türe!  wiirha 
(oder  wu'hd-y)   nän   tuwariya   o  du   mensch,    was  machst  du? 


^  jl^  caasa,  ^JjSa»  «y«  propter  te,  tuft  cau8& ;  wie  im  Saho  'alg  und  *(Be 
Ursache,  tä  *ille  desswegen,  n.  s.  w.  =  dÜLß  causa. 

'  Die  ursprünglichste  form  dürfte  wol  otifin  sein;  vgl.  Sa.  *Af.  Ain  und 
hVnrim,  id. 

"  Bei  A.  hdkai  der  es  von  ^Ju  herleitet;  ich  stelle  es  mit  Sa.  fttZiba,  h^ 
höhe,  zusammen,  wovon  bMÜlca-l  über,  neben,  ausser,  das  zu  r^  gehOrt, 
lS>*  er*  desuper. 

*  Ob  eine  Umstellung  von  b?  Vgl.  aber  auch  (1  ^^<  gTV  aiy  ot  und  be- 
sonders Qu.  -aiya^  z.  b.  mamir  6iya  o  meister!  u.  s.  w.,  vgl.  Quarasprache 
§.  128. 


Yin.  Abk.:   Beer.  Handschr.  Spanieus.   Ribl.  Uebcrs.:  928  (lUdrid).  1 


VIII. 
Handschriftenschätze  Spaniens. 

Berieht  über  eine  im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
in  den  Jahren  1886 — 1888  durchgeführte  Forschungsreise. 

Von 

Dr.  Budolf  Beer, 

Anumaensis  der  k.  k.  Hofbibliothek. 


Madrid. 

238«  *BibUoteca  Nacional, 

Ebenso  wie  bei  Sammlung  der  bibliographischen  Daten 
über  den  Escorial  musste  auch  bei  dem  hier  folgenden  Abschnitt 
darauf  verzichtet  werden,  säramtliche  Publicationen  oder  Edi- 
tionen, welche  sich  nur  mit  einer  oder  einigen  wenigen  Hand- 
schriften beschäftigen,  zu  verzeichnen.  Vor  kurzer  Zeit  wurde 
der  Nationalbibliothek  die  Handschriftcnsammlung  des  Herzogs 
von  Osuna  einverleibt,  welche  im  Jahre  1886  vom  Staate  sammt 
den  grossen  Bücherschätzen  um  mehrere  Millionen  Realen  an- 
gekauft worden  war.  Diese  Privatsammlung,  welche  ihre  eigene 
Geschichte  hat,  musste  daher  unter  dieser  Kubrik  ihre  Be- 
handlung finden;  wir  unterscheiden  also:  I.  Aeltere  Fonds  und 
n.  Fonds  Osuna. 

I.  Aeltere  Fonds. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

Ein  handschriftlicher  Bericht  über  die  Biblioteca  nacional 
an  den  König  von  Spanien,  verfasst  von  Juan  de  Santander, 
findet  sich  in  der  königlichen  Bibliothek  zu  Brüssel. 

Vgl.  Bibliotheca  Hulthemiana  Tom.  VI,  p.  268,  Nr.  909. 

Biblioteca  Real  de  Madrid.  Estado  de  los  manuscritos, 
SU  procedencia  y  de  los  libros  impresos. 

Manuscript  (Vol.  LXXVU)  des  Institute  de  Jove-Llanos 
zu  Gijon,  vgl.  Somoza  de  Montsoriu,  Catalogo  p.  151. 

Behufs  Feststellung  der  aus  Toledo  nach  der  National- 
bibliothek überftihrtcn  Handschriften  wurden  verschiedene  hand- 

SitziiJig8b«r.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  8.  Abb.  1 


2  VITI.  AbbftndloDf :    Beer.  HAndtchriftentoliAtst  Sptnieas. 

schriftliche  Kataloge  angelegt,  darunter  eine  mir  vorgelegte 
Lista  de  los  Codices  de  la  Libreria  del  Cabildo  de  la  Catedral 
de  Toledo,  que  se  han  recibido  en  esta  Biblioteca  Nacional. 

Vgl.  Hartel-Loewe  p.  538.  Leider  sind  diese  Listen  un- 
genau und  entsprechen  nicht  mehr  den  thatsächlichen  Verhält- 
nissen; dies  um  so  weniger,  als  einige  Handschriften  wieder 
nach  Toledo  zurückgestellt,  andere  in  späterer  Zeit  von  Seite 
der  Nationalbibliothek  aus  Toledo  reclamirt  wurden. 

Der  handschriftliche,  für  das  Publicum  bestimmte  Katalog 
besteht  aus  drei  Bänden  in  FoUo  (nach  Ewald  p.  285  von 
Antonio  Gonzalez  1826  begonnen).  Leider  ist  derselbe  alpha- 
betisch nach  Autoren  und  Materien  angelegt,  daher  wenig 
dienUch. 

Ueber  einen  neu  angelegten  Zettelkatalog  der  Hand- 
schriften berichtet  das  Anuario  I  (1881),  p.  142  El  indice 
moderno  de  Manuscritos  comenzado  en  1874  comprende  hoy 
las  papeletas  correspondientes  ä  3500  manuscritos.  Ferner 
heisst  es  daselbst:  Existen  7000  voltimenes  de  obras  j  papeles 
varios,  catalogados  en  un  Indice  en  tres  vol&mene8  en  foUo, 
hecho  en  el  siglo  pasado.  Hay  ademäs  otro  volumen  de  Indice 
de  los  manuscritos  ärabes  y  griegos,  y  finalmente^  otros  dos 
volumenes  en  folio  tambien  donde  constan  las  genealogias  de 
una  numerosa  coleccion  de  apellidos  conservadas  en  un  mismo 
estante  y  formando  seccion  aparte. 

Endlich  wäre  hier  noch  zu  erwähnen:  Relacion  de  todo  lo 
sucedido  en  las  comunidades  de  Castilla  y  otros  Reynos  rey- 
nando  el  Emperador  Carlo  quinto. 

Cod.  Vindobon.  13529.  In  den  Tabulae  codicum  findet 
sich  (VII,  p.  229)  folgende  Bemerkung:  Haec  relatio  descripta 
est  e  codice  G.  96  saeculi  XVI  in  BibUothec«  Matritensi  publica 
asservato  et  quidem  summa  cura  et  industria,  ut  testatur  Pa- 
schaUs  de  Gayangos  nota  hispanica  ab  ipso  exarata  ,Londre8 
26.  de  Agosto  de  1851^  et  ad  calcem  adligata. 

B.  Druckwerke. 

Florbz,  Espana  sagrada  tom.  XI  (1753),  p.  48  ff.  beschreibt 
zwei  Handschriften  von  Alvars  liber  scintillarum  aus  der  ,Real 
Biblioteca^,  eine,  A.  110,  dem  11.,  die  zweite,  A.  114,  dem. 
14.  Jahrhundert   angehörig. 


Bibl.  Ueb«nieht:  2«8  (MAdrid).  3 

Tom.  XDI  (1756),  p.  330  ff.  erwähnt  und  benützt  er  bei 
ier  Ausgabe  von  Paulus  Diaconus  De  vita  et  miraculis  Patrum 
Smeritensium  eine  Handschrift  gleicher  Provenienz.  Ebenso 
liente  ihm  bei  Herausgabe  von  Sebastiani  Chronicon  Nomine 
yfonsi  tertii  recens  vulgatum  in  demselben  Bande  p.  475 ff.: 
)tro  Ms.  de  que  us6  Ambrosio  de  Morales,  pues  tiene  algunas 
x>sas  de  su  mano  en  las  margenes,  y  existe  hoj  en  la  Real 
Bibliotheca  de  Madrid  sowie  die  ebendaselbst  befindliche  Copie 
les  D.  Juan  B.  Perez. 

Tom.  XrV  (1758),  p.  117,  die  Actas  de  S.  Mancio  martyr 
besprechend,  sagt  er:  Yo  tengo  copia  de  un  MS.  Gothico,  que 
se  guarda  en  la  Real  Bibliotheca  de  Madrid,  algo  diferente  de 
[o  publicado. 

Tom.  XVI  (1762),  p.  349  wird  ein  Codex  mit  Bruch- 
stücken der  Opera  S.  Valerii  erwähnt  und  zur  Ausgabe  der 
iVerke  in  diesem  Bande  herangezogen:  En  la  Real  Bibliotheca 
ie  Madrid  hay  tambien  un  Codice  Gothico  con  la  primera  reve- 
acion  hecha  ä  Maxime  y  el  Acrostico:  pero  falta  todo  lo  demds. 

Iriarte,  Joannes.  Regiae  Bibliothecae  Matritensis  Codices 
ülraeci  mss.  Volumen  prius  (un.)  Matriti,  1769,  fol. 

Ausführliche  Beschreibung  von  125  Nummern,  die  bis 
leute  noch  nicht  überholt  ist.  Die  Vorrede  gibt  einige  Be- 
nerkungen  über  die  Genesis  des  griechischen  Fonds. 

Plüer,  Carl  Christoph.  Reise  von  Madrid  nach  dem 
Escurial,  in  Anton  Friedrich  Büsching's  Magazin  für  die  neue 
Sistorie  und  Geographie,  Theil  IV.  Hamburg  1770,  p.  389 
ichätzt  die  Bibliothek  bereits  damals  auf  60.000  Bände,  bemerkt 
edoch :  ,An  alten  Handschriften  hat  sie  keinen  Vorrath^  Sonst 
indet  sich  nur  eine  Notiz  über  die  Erwerbung  der  Bibliothek 
les  Cardinais  Aquinto. 

El  FUERO  viejo  de  Castilla,  sacado  y  comprobado  con  el 
3Jemplar  de  la  misma  obra,  que  existe  en  la  real  biblioteca  de 
)sta  Corte,  y  con  otros  mss.  Publicanlo  con  notas  historidas  y 
egales  los  doctores  D.  Ignacio  Jordan  de  Asso  y  D.  Miguel 
ie  Manuel  y  Rodriguez  del  Rio.  Madrid  1771  fol.  Cf.  Valen- 
inelli  p.  23. 

Mir  lag  nur  die  Ausgabe  von  1847  vor,  welche  p.  XLHI 

iber  das  Manuscript  de  la  Biblioteca  Real  de  una  letra  bastante 

intigua  berichtet,  das  zur  Ausgabe  verwendet  wurde. 

1* 


4  Vni.  Abbandlang:     Beer.  HandschriftensebitM  SpuiIenB. 

PoNz,  Viage  de  Espana,  Bd.  V  (1782),  p.  155—158. 

Abriss  der  Geschichte  der  Bibliothek  bis  1780,  Erwähnung 
der  Fonds  und  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  über  dieselben; 
interessant  die  Notiz:  hoy  se  estä  preparando  para  la  imprenta 
el  segundo  Tomo  de  la  Bibliotec«  Griega,  que  dexö  escrito  el 
expresado  D.  Juan  Yriarte.^  Ueber  die  Manuscripte  keine 
specielle  Bemerkung. 

RoDRiGUEz  DB  Castro,  BibHotccÄ  Espanola,  Madrid,  1786, 
Tora,  n  beschreibt  :  p.  301 :  eine  Bearbeitung  der  ,Coleccion  de 
Concilios'  und  verschiedene  Werke  des  Isidor  von  Sevilla, 
Manuscript  Burriers,  mit  Collationen  von  alten  Toledaner 
Handschriften  (vgl.  ibid.  p.  377) ;  p.  421 :  cod.  B.  31.  Beatus 
in  Apocalypsin  aus  S.  Isidro  von  Leon.  p.  456:  Mittheilungen 
aus  der  Burriel-Collection,  und  zwar  aus  seinen  unedirten 
Memorias  de  las  Santas  Justa  y  Rufina.  p.  491:  über  einen 
Codex  der  Historia  Compostelana.  p.  511:  (in  der  Burriel- 
Collection)  Copie  des  Werkes  ,Planeta'  von  Diego  de  Campos. 
p.  536flF.:  Arzobispo  Don  Rodrigo,  Hiatoria  de  Espana  (Aus- 
führliche Excerpte)  p.  539:  Historia  de  las  Nabas  de  Tolosa 
(alte  Signatur  OCHII).  p.  529  und  581:  cod.  F  46  Escritos 
del  Arzobispo  D.  Rodrigo  y  Lucas  de  Tuy.  p.  592:  cod.  C.  16, 
Juan  de  Dios,  Liber  casuum  decretalium.  p.  627:  (in  der 
Burriel-Collection)  Pseudo  Alfonso,  Libro  del  Thesoro. 

Tychsen  O.  Gerh.,  Beschreibung  der  Handschriften  von 
Homer  in  dem  Escurial  und  der  königl.  Madrider  Bibliothek; 
enthalten  in: 

Bibliothek  der  alten  Literatur  und  Kunst;  mit  unge- 
druckten Stücken  aus  der  Escurialbibliothek  und  anderen, 
herausgegeben  von  Thomas  Christoph  Tychsen,  Chr.  W.  Mitscher- 
lich  und  A.  H.  L.  Heeren.  Göttingen  1786—1794.  Stück  VI, 
Nr.  2. 

Ferreira  Gordo,  Joaquim  Josb,  Apontamentos  para  a 
Historia  Civil  e  Litteraria  de  Portugal  e  seus  Dominios,  collegidos 
dos  Manuscritos  assim  nacionaes  como  estrangeiros,  que  existem 
na  Bibliotheca  Real  de  Madrid,  na  do  Escurial,  e  nas  de  alguns 


*  Dieser  Band  ist  niemals  erschienen;   das  Manuscript  wird  jedoch  in  der 
Nationalbibliothek  aufbewahrt.  Vgl.  Qraux,  Rapport,  p.  122. 


> 


Bibl.  üebenicht:   228  (Madrid).  6 

thoreSy   e  Letrados   da  Corte   de   Madrid.     In  Memorias   de 
teratura  Portugueza  Lisboa  1792,  4^,  tom.  III,  p.  1 — 92. 

Die  fleissige,  bisher  wenig  beachtete  Schrift  berichtet  zu- 
hst  von  p.  14  ab  die  Geschichte  der  Nationalbibhothek  und 
Igt  hierauf  Notizen  über  andere  Büchersammlungen.  Den 
ipttheil  der  Arbeiten  bildet  ein  ziemlich  ausfUhrUcher  Iland- 
riftenkatalog  in  drei  Abtheilungen:  Divisaö  I:  Das  Memorias, 
3iimentos,  e  Escritos  em  Portuguez  (p.  29 — 61).  Div.  II.  Das 
morias,  Documentos,  e  Escritos  em  Castelhano  (p.  62 — 88). 
\  III.  Das  Memorias  Documentos,  e  Escritos  em  outras 
jgüss  (p.  88 — 92).  Die  Manuscripte,  durchwegs  mit  Signatur- 
;abe  verzeichnet,  entstammen  den  im  Titel  genannten  Biblio- 
ken,  vorztighch  der  Biblioteca  nacional,  aus  welcher  mehrere 
idert  angeführt  erscheinen. 

Risco,  Espana  sagrada,  tom.  XXXVIII  (1793),  p.  110 
icht  vom  Liber  Chronicorum  ab  exordio  mundi  usque  Eram 
ILXX  und  bemerkt:  Este  centon  se  halla  en  el  codice  Com- 
tense,  que  ahora  existe  en  la  Real  Biblioteca  de  Madrid, 
quo  da  noticia  Perez  Bayer  en  sus  notas  al  tomo  II  de  la 
»lioteca  Vetus  p.  14.^ 

(Kaufhold,  Anton),  Spanien,  wie  es  gegenwärtig  ist.  Gotha 
17,  Th.  n,  S.  165—167. 

Allgemeiner  Bericht  eines  Reisenden  über  die  Bibliothek, 
le  Rücksichtnahme  auf  Handschriften. 

Fischer,  Christian  August,  Reise  von  Amsterdam  über 
drid  und  Cadix  nach  Genua  etc.  Berlin  1799.  8**. 

Enthält  nach  Haenel  auf  p.  225 flF.  Notizen  über  die  National- 
liothek;  war  mir  nicht  zugänglich. 

La  Serna  Sant ander,  Carolus.  Praefatio  histörico-critica 
veram  et  genuinam  coUectionem  veterum  canonum  ecclesiae 
panae  1800.  8^  (Wieder  abgedruckt  bei  Migne,  Cursus  Patro- 
ae,  Ser.  latinae  tom.  LXXXIV,  col.  849  ff.). 

Behandelt  p.  5  Quinque  (codices  canonum)  in  bibliotheca 
ia  Matritensi,  diese  gehören  jedoch  dem  Escorial  und  wurden 


Bezüglich  der  Ausnutzung  der  Noten  Bayers  zu  Nie.  Antonios  Biblio- 
theca Hispana  sowie  der  Berichte  dieses  selbst  über  die  verwertheten 
Handschriften  gilt  auch  für  die  Nationalbibliothek  (damals  B.  real)  das 
bereitB  iu  der  Kubrik  Escorial  Bemerkte. 


6  VIII.  Abbandlang:    Beer.  Hftndschriftenschitse  SpaaieiiB. 

nur  für  gewisse  Zeit  nach  Madrid  gebracht.  Dann  heisst  es: 
aiterum  codiceni;  ecclesiae  Palentinae  a  sapientissimo  rege 
Alphonso  dono  datum,  Burriel  noster  primns  indicavit,  effecitque, 
ut  in  laudatam  bibliothecam  regiam^  ubi  nunc  extat^  transferretor. 
p.  6  und  20  über  ein  anderes  Exemplar  gleichen  Inhalts^  nach 
dem  früheren  Besitzer  codex  Loayso-Carvajaleus  genannt. 

Fischer  Christ.  Aug.,  Gemälde  von  Madrid.  Berlin  1802. 

P.  186 — 190  einige  allgemeine  Bemerkungen  ohne  be- 
sonderes Interesse. 

GiL  Polo,  Gaspar,  La  Diana  enamorada,  cinco  libros,  qne 
prosiguen  los  siete  de  Jorge  de  Montemayor,  Nueva  impresion 
con  notas  al  canto  de  Turia.  Madrid  1802.  8^ 

Diese  Ausgabe,  in  welcher  nach  Hänel  multi  Bibliothecae 
Regiae  Codices  commemorantur,  flihrt  nur  p.  502  eine  Tabla 
de  las  familias  y  Unages  als  copia  M.  S.  de  la  Real  Biblioteca 
an.  Die  übrigen  mit  B.  M.  signirten  Handschriften,  auf  welche 
der  Herausgeber  Francisco  Gerda  y  Rico  sich  beruft,  stammen 
aus  der  Bibliothek  des  Gregorio  Mayans,  vgl.  p.  289. 

Labordb,  Alexandre  de,  Itin^raire  descriptif  de  l'I^pi^e, 
Paris  1809.   Tom.  IH,  p.  115f.   Kurze  geschichtliche  Notiz. 

Bailly,  J.  Louis  Amand,  Notices  historiqaes  sur  les  bibUo- 
thfeques  anciennes  et  modernes,  suivies  d'un  tableau  comparatif 
des  produits  de  la  presse  de  1812  d  1825.  Paris,  Roussellon  1827. 

Kennt  nur  arabische  Handschriften  der  Nationalbibliothek; 
zur  Charakterisirung  der  Mittheilungen  Bailly's  vgl.  den  Artikel 
Escorial. 

Haenel,  Catalogi  col.  965 — 974.  Zur  Zeit,  da  Hänel  die 
Nationalbibliothek  besuchte  (1828),  waren  die  Bibliothekare  eben 
mit  Neuaiilage  eines  Katalogs  beschäftigt,  den  er  nicht  einsehen 
konnte.  Er  verzeichnet  aber  nahe  an  500  Handschriften  mit 
Signaturangabe,  gibt  also  zu  den  bestehenden  Katalogen  ein 
wünschenswerthes  Supplement. 

ToRRBS  Amat,  Felix,  Memorias  para  ayudur  &  formar  un 
deccionario  critico  de  los  escritores  Catalanes.  Barcelona  1836. 

Unter  den  zahlreichen  Handschriften  der  Nationalbibliothek, 
deren  Torres  Amat  bei  seinen  Quellenangaben  gedenkt,  seien 
hervorgehoben:  p.  186:  cod.  G  160  Ilustraciones  ä  los  condados 
de  Rosellon,  Cerdana  y  Conflent.  p.  621:  cod.  G  215  Fr.  Juan 


Bibl  üeb«nicht:   228  (Madrid).  7 

?6i6f  Antiguedades  del  monastcrio  de  Pöblet  y  extractos  de 
'arias  crönicas  de  los  reyes  de  Castilla.  p.  688  ein  ausführliches 
rerzeichniss  der  Handschriften,  welche  über  Catalonien  handeln. 
K  706:  cod.  X  145  Llibre  del  gentil  i  dels  tres  subis  mit  der 
ichlussnote:  Este  libro  mandö  trasladar  Alfonso  Ferandez  de 
Terrera  ä  Andres  Ferandez  ä  28  de  junio  afio  de  MCCCCVI 
e  acabö  en  ei  dicho  dia  6  aiio  en  la  carcel. 

E^KUST,  Hbinrich  Friedrich,  Reise  nach  Frankreich  und 
Spanien  in  den  Jahren  1839  bis  1841  aus  seinen  Briefen.  Ver- 
iffentlicht  von  ö.  H.  Pertz  im  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
lentsche  Geschichtskunde,  Bd.  VIII,  p.  102 — 252.  Handschriften- 
rerzeichnisse  ibid.  p.  786 — 822. 

Die  Nationalbibliothek  wird  auf  p.  152—154,  173—179, 
.89f.  behandelt,  die  Handschriftenverzeichnisse  sind  p.  768 — 
JOS  veröffentUcht.  Die  an  letzter  Stelle  gegebenen  Listen  sind 
besonders  sorgfältig,  stets  mit  Signaturangabe  versehen  und 
laher  eine  weitere  Ergänzung  der  bereits  genannten  Kataloge. 

Vogel,  Litteratur  etc.  p.  479.  Kurze  bibliographische 
Notizen,  die  über  Hänel  nicht  hinausgehen. 

Navarrete,  Martin  Fernandez  de,  Discurso  leido  ä  la 
^cademia  de  la  historia,  en  Junta  de  24  de  noviembre  de  1837. 
Kiadrid  1838. 

Der  mir  nicht  zugängliche  Vortrag  verbreitet  sich  auch 
iber  die  Nationalbibliothek. 

Gachard,  Luis  Prosper,  Rapport  sur  ses  recherches  en 
Espagne.  Compte  rendu  des  s^nces  de  la  Commission  Royale 
i'Histoire,  BruxeUes,  Vol.  IX  (1845),  p.  241—299. 

Vorzüglich  über  Manuscripte  der  Nationalbibliothek, 
pvelche  spanische  Geschichte  betreflfen  (mit  vielen  Auszügen). 
Zum  Theil  überholt  durch  das  weiter  unten  zu  nennende  grosse 
Werk. 

Castbllanos  de  Losada,  Basilio  Sebastian,  Apuntes  para 
an  cat^ogo  de  los  objetos  que  comprende  la  coleccion  del  Museo 
3e  Antigüedades  de  la  Biblioteca  nacional  de  Madrid,  con  ex- 
ßlosion  de  los  numismäticos:  acompanado  de  una  ligera  resena 
iel  Museo  de  medallas  y  de  los  demas  departamentos  de  la 
misma  biblioteca.    Madrid  1847. 

Das  Werkchen  enthält  in  seinem  zweiten  Theile  mehrere 
den  Bücherbeständen   gewidmete  Abschnitte   p.  161 — 176  (Be- 


8  VIII.  Abhandlung:    Beer.  Uandachriftenscli&tse  Spaniens. 

Schreibung  der  Bibliothek  nach  den  Sälen);  p.  177 — 191  (Ge- 
schichte); p.  189  (über  die  Indices  Bayerns);  p.  192—212  (Ver- 
zeichniss  der  Bibliothekare). 

RozriiRB,  EuoÄNB  DE,  Formules  wisigothiques  inödites,  pu- 
blikes d'apr^s  un  manuscrit  de  la  Biblioth^ue  de  Madrid. 
Paris  1854. 

Die  section  premi&re  bietet  eine  Notice  historique  sur  la 
bibUothfeque  de  Madrid,  in  dieser  auch  Daten  über  die  wich- 
tigsten Handschriften  und  die  in  der  Bibliothek  ausgeführten 
grösseren  Arbeiten.  Die  Section  deuxiime  enthält  die  description 
du  manuscrit  F  58  de  la  bibliothfeque  de  Madrid  (p.  XVII— 
XXV),  p.  1—32  den  Text. 

Heine,  Gtotthold,  Bibliotheca  anecdotorum  seu  veterum 
monumentorum  ecclesiasticorum  collectio  novissima.  Ex  codici- 
bus  bibliothecarum  Hispanicarum.  Pars  I  (un.):  Monumenta 
regni  Gothorum  et  Arabum  in  Hispaniis.  Praefatus  est  J.  E. 
Volbeding.  Lipsiae  1848.  8^. 

Enthält  p.  123  ff.  ,Bulgarani  epistolae'  herausgegeben  unter 
Benützung  von  cod.  Dd.  104. 

Ford,  Richard,  A  handbook  for  travellers  in  Spain.  Third 
edition  London  1855. 

Part  II,  p.  721  gibt  kurze  Notizen  über  Geschichte  und 
Bestände. 

MüNOz,  Diccionario  etc.,  erwähnt  häufig  Manuscripte  der  Na- 
tionalbibliothek, Städte-  und  Klostergeschichten  etc.,  meist  sehr 
jungen  Datums,  daher  auf  eine  Specificirung  verzichtet  wurde. 

Edwards,  Edward,  Memoirs  of  libraries.  London-Leipzig 
1859.  H,  p.  549. 

Notiz  nach  Ford. 

Egurbn  erwähnt  p.  L  eine  Bibel  s.  X  (wahrscheinlich  der 
Toletanus)  und  beschreibt  von  p.  18  ab  zweiundzwanzig  Bibeln 
der  NationalbibUothek,  leider  durchwegs  ohne  Signaturangabe. 
Die  Beschreibung  des  Beatuscodex  aus  Leon  p.  50,  die  des 
ciSdice  canönico  p.  77. 

Valentinblli  p.  20 — 26. 

Abriss  der  Geschichte  der  Nationalbibliothek  und  sorg- 
same bibliographische  Zusammenstellungen;  leider  sind  die 
Handschriften,  von  denen  nur  ganz  wenige  Erwähnung  finden, 


Bibl.  Uebersiüht:    228  (Maarid).  9 

nicht  nach  Gebühr  berllcksichtigt.  Die  Notizen  über  den  Status 
der  BibUothek  sind  nach  dem  Anuario  zu  berichtigen. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critie^  de  la  litoratura  Espa- 
Dola,  7  Vol.  Madrid  1861—1865. 

Amador  hat  wie  die  Handschriften  des  Escorial  so  auch 
in  gleicher  Weise  die  der  Nationalbibliothek  zum  Gegenstand 
eingehenden  Studiums  gemacht  (vgl.  tom.  IV,  p.  60).  Seine 
mitunter  sehr  ausführiichen  Beschreibungen  können  hier  nur 
auszugsweise  mitgetheilt  werden. 

Tom.  n,  p.  157  Eingehende  Besprechung  des  Chronikencodex 
F  134. 

p.  161.  cod.  G  113.  Historia  antigua  de  Avila.  Acab6se  descrivir 
en  la  dicha  ciudad  de  Avila  .  .  .  auo  de  mill  y  seiscientos 
anos,  para  mi,  Luis  Pacheco,  regidor  de  la  ciudad  de  Avila. 

Tom.  in,  p.  49.  cod.  F  133.  Cr6nica  de  once  Reyes.  Cf.  p.  95 
und  398. 

p.  285.  cod.  F  152  saec.  XII  enthält:  1.  Epistola  Turpini  archi- 
episcopi  ad  Leoprandium.  2.  Historia  famosissimi  Karoli 
Magni.  3.  Gesta  Alexandri  magni.  4.  Relatio  cuiusdam  de 
Indiae  regione  et  de  bragmanis  eorumque  conversatione. 
5.  Historia  Apollonii  Tyrii.  6.  Epistola  presbiteri  Johannis 
ad  romanum  Imperatorem.  7.  Vita  Amici  et  Amelii.  8.  Gesta 
Salvatoris.  9.  Visio.  10.  Altera  visio.  11.  De  Infantia  Sal- 
vatoris.  12.  De  purgatorio  Sancti  Patricii.  13.  Vita  Bea- 
torum  Barlaam  et  Josaphat.  14.  Passio  beati  Amasii.  15.  Hi- 
storia Sanctorum  septem  dormientium.  16.  Gesta  et  passio 
Beati  Mathiae  apostoli.  17.  Gesta  francorum  et  aliorum 
jerosolimitanorum.  18.  Tratado  incompleto  de  plantas,  pie- 
dras  preciosas,  avcs  etc.  (de  Letesma?).  Cf.  p.  289,  291, 
296,  297,  301,  581  (Auszüge).^ 

p.  347.  cod.  F  68.  Cr6nica  de  Fernan  Gonzalez  con  un  prölogo 
de  Luis  Tribaldos  de  Toledo. 

p.  392.  cod.  Gg  101.  Poema  de  Jusuf  (am  Schluss  des  Bandes 
ein  Facsimile). 

p.  406.  cod.  D  56.  Anales  de  los  Reyes  Godos  de  Asturias, 
Leon  etc.  —  Fuero  de  Sobrarve. 


^  Offenbar    dieselbe   Handschrift    beschreiben    Ewald  p.  303    und    Hartel- 
Loewe  p.  400 — 404,  jedoch  unter  der  Signatur  Ee  103. 


10  Vm.  Abbuidlang:    Beer.  Hftndeebrifkeiisoliitxe  Spuüent. 

Tom.  m,  p.  422  sq.  codd.  F  36  und  F  133.  Arzobispo  Don  Ro- 

drigo,  Historia  Gothica.  Cf.  p.  428  sqq.  Tom.  IV,  p.  26. 
p.  437.  codd.  Bb  52  und  Cc.  88.  Libro  de  los  doce  Sabios. 
p.  472.  cod.  M  110.   Libro   de  ,Hortulus^  y   varias  poesias  ele- 

giacas. 
p.  502.  cod.  Dd  94.   Copie  des  Toletanus  der  Cäntigas  de  D. 

Alonso  el  Sabio. 
p.  518.  cod.   L  85.    Alfonso  el  Sabio,    Libro  del  Tesoro.    Am 

Ende:  Fecho  fuö  este  libro  en  el  anno  de  la  nuestra  salud 

MCCLXXn. 
p.  545.  cod.  Bb  59.  Libro  del  Bonium. 
p.  552.  cod.  S  34.  Libro  de  la  caza  de  Don  Juan,  hijo  del  in- 

fante  Don  Manuel.  Cf.  p.  553,  563. 
p.  568.  cod.  F  81.  Crönica  Abreviada  del  Infante  Don  l^Ianuel. 

Cf.  p.  582  und  tom.  IV,  p.  291. 
p.  569.  cod.  F  1.   Grande  y  general  Estoria  de  D.   Alfonso  el 

Sabio.  Cf.  p.  595. 
p.  588.  cod.  F  133.  Poema  del  mio  Cid. 
p.  631.  cod.  L  3.  Rabbi  Jehuda  Mosca-ha-Qaton,  Lapidario. 
p.  633 sq.   cod.  L  97;  L.  184;  T.  273;  K.  196.  Alfonso  el  Sabio, 

Obras  Astronömicas. 
p.  637.  cod.  L  3.  Alfonso  el  Sabio,  Libro  de  la  Ochava  Sphera 

et  de  sus  XLVIII  figuras.  Vgl.  oben  und  p.  649. 
p.  647.  cod.   L  9,  7.   Alfonso  el  Sabio,   Libro   de  Cänones  de 

Albateni;  aus  dem  Besitz  des  Lucas  Cort^s. 
p.  648.  cod.  Bb  119.  Astronomischer  Tractat,  verfasst  im  Auf- 
trage Alphons  X. 
Tom.  rV,  p.  7.  cod.  L  132.  Libro  de  los  Fechos  et  los  Castigos 

de  los  Philosophos.  —  Libro  de  los  cien  Capitulos. 
p.  10.  cod.  P  23.  Don  Sancho  IV.  Libro  de  los  Castigos. 
p.  17.  cod.  L  127.   Libro  del  Tesoro,   1065  (?)  Alfons  VI.  ge- 

widmet, 
p.  18.  cod.  F  108.  Diego  de  Valera,  Doctrinal  de  Principes. 
p.  24.  cod.  J  1.  Grand  conquista  de  Ultramar  ,magnifico  Ms . . .  en 

foL,  vitela  de  360  fojas  .  .  .  y  preparado  todo  61  para  ser 

enriquecido    con  esmeradas  miniaturas,   sagun  muestran  Ias> 

priraeras  fojas,    en  que   se  halla  representado  el  ,cerco   d^ 

Belinas^  y  el  ,80Corro  de  Jerusalem^ 
p.  31.  codd.  L  131  und  T  8.  Sancho  IV,  Lucidario. 


1 


Bibl.  Ueb«niebt:    SS8  (Madrid).  11 

Tom.  IV,  p.  35.  codd.  P  23  und  S  23.  Sancho  IV,  Libro  de  los 
Castigos.  Auszüge  p.  570  flf.  Ueber  die  letztere  Handschrift 
berichtet  Amador  p.  40  ,e8crito  en  papel  ä  una  columna,  y 
enriquecido  de  vinetas  iluminadas,  donde  si  el  disefio  no 
es  correcto,  existe  siempre  el  inter^s  de  los  trajes  que  son 
los  usados  al  escribirse  el  cödice.  En  la  segunda  foja  se  halla 
representado  Don  Sancho,  sentado  en  el  trono  en  ademan 
de  aleccionar  ä  su  hijo  que  aparece  arrodillado  ante  ^I.  Sobre 
la  vineta  se  lee  esta  equivocada  inscripcion:  Initio  et  sa- 
piencie  timor  Domini. 

p.  53.  cod.  X  137.  Libro  de  los  cien  capitulos. 

p.  87.  cod.  Bb  133.  Alfonso  de  Valladolid,  Libro  de  las  Tres 
Gracias. 

p.  91.  cod.  Bb  82.  Pedro  Gomez  Barroso  Libro  de  los  Con- 
seios  et  Conseieiros;  ausserdem:  Consejos  y  documentos 
de  Rabbi  don  Sem-Tob  und  ,Consolacion  de  Espana^,  diiUogo 
escrito  a  principios  del  siglo  XV. 

p.  127.  cod.  P  13.  Ramon  Muntaner,  Sermö  ö  presichan9a,  ge- 
richtet an  Jaime  11  de  Aragon.  MS  magnifico  y  coetaneo. 
Am  Schluss  die  Note:  Iste  liber  fuit  scriptus  et  splicitus 
die  Veneris  qui  fuit  tercio  Kalendas  septembris ,  anno  do- 
mini millesimo  CCC®  quadragesimo  secundo. 

p.  134.  cod.  G  160.  Bernard  Desclot,  Crönicas  ö  Conquestes. 

p.  149.  cod.  F  99.  Historia  de  don  Servando  (eine  Copie  Pel- 
licer's). 

p.  206  ff.  cod.  S  34.  Don  Juan  Manuel,  Obras.  Vgl.  auch  p.  224, 
235,  247,  258,  435,  513. 

p.  292.  cod.  F  60.  Cronica  complida  (fälschlich  Don  Manuel 
zugeschrieben). 

p.  304.  Juan  Manuel,   Libro  de  los  Exemplos   (cod.  s.  XV.  4®). 

p.  331.  cod  Bb  134.  Jacobe  de  Benavente,  Vergel  de  la  Con- 
solacion. 

p.  362.  codd.  D  53;  D.  144;  D.  521;  K.  49;  V.  39.  Libro  del 
Becerro  (in  der  Art  eines  statistisch-genealogischen  Hand- 
buches) im  Auftrage  Alfons  XI.  verfasst. 

p.  368.  cod.  F  31.  Libro  de  las  tres  Crönicas;  Chronica  de  D. 
Alfonso  XI. 

f.  387.  codd.  F  32  und  F  186.  Crönica  general.  Vgl.  p.  390  f. 
und  p.  402. 


12  VIII.  Abhandlani;:    Beer.  Handschriftenscliitze  Spaniens. 

Tom.  IV,  p.  438.  ood.  F  68.    Gonzalo  de  Arredondo,  Chronica. 

p.  596.  codd.  M  100  und  S  34.  Juan  Manuel,  Conde  Lucanor. 
Cf.  p.  60. 

Tom.  V,  p.  76.  cod.  Aa  103.  Libro  de  Lanzarote  (II.  u.  III.  Theil). 

p.  151.  codd.  L  149;  L  176;  L  197.  Pedro  Lopez  de  Ayala, 
Libro  de  la  Cetreria. 

p.  226.  cod.  Bb  136.  Pedro  Gomez  de  Albornoz,  Libro  de  la 
Justicia  y  de  la  Vida  espiritual. 

p.  234.  codd.  A  103.  Pedro  de  Luna,  De  horis  canonicis  di- 
cendis.  C  73  desselben  Constitutiones  Archiepiscopi  Tarra- 
conensis. 

p.  254.  cod.  F  113.  Garcla  de  Eugui,  Crönicas. 

p.  364.  cod.  F  89.  Coronica  del  Rey  Don  Rodrigo. 

p.  274.  cod.  J  70.  ,Libro  Ultramarino^  saec.  XV. 

p.  334.  codd.  G  151  und  M.  — Y  4«(?).  Pablo  de  Santo  Maria, 
Edades  trovadas. 

p.  338.  cod.  L  119.  Cirurgia  rimada  del  Maestre  Diego  de 
Cobos. 

Tom.  VI,  p.  21.  cod.  Bb  30.  Valerio  Maximo,  catalanische 
Uebersetzung. 

p.  30.  codd.  M  16  und  M  17.  Vergils  Aeneis,  übersetzt  von 
Enrique  de  Aragon. 

p.  35.  codd.  M  56;  Q  224;  T  130;  T  269.  ,Omero  romanzado'. 
Auszüge,  übersetzt  von  Juan  de  Mena.  Cf.  p.  51. 

p.  41.  codd.  Bb  97  und  P  36.  Petrarca,  De  vita  solitaria,  über- 
setzt unter  dem  Titel:  Flores  6  sentencias  de  la  Vida  de 
Poledumbrc.  cod.  Ff  153.  Desselben  Invectivae  contra  me- 
dicum  quendam  unter  dem  Titel  Reprehensiones  i  denue- 
stos  contra  un  m^dico  rudo  i  pariere,  cod.  X  190.  Desselben 
Epistola  X*  variarum  (Letra  de  Reales  costumbres).  cod. 
S.  295.  Desselben  De  remediis  utriusque  Fortunae  (Reme- 
dios  de  pröspera  6  adversa  fortuna).  cod.  Dd  149.  Boccaccio, 
Genealogia  de  los  dieses,  cod.  Ff  124.  Desselben  De  Claris 
mulieribus  (Tratado  de  mujeres  ilustrcs). 

p.  62.  codd.  Y  215  und  M  28.  ^  Cancioneros  de  Ixar  y  de 
Estuüiga.  Cf.  p.  426  und  533;  tom.  VH,  p.  460,  466. 


*  Dio  Si^atnr  ist  an  don  citirton  Stellen  schwankend  ang«g«ben  (M.  275 
und  M.  48). 


^ 


Bibl.  Üebenicht:   22S  (Madrid).  13 

'om.  VI,  p.  252.   cod.  Y  115.    Doctrinal  de   Caballeros;    codd. 

T  129  und  T  157   Auszüge  aus  demselben,  p.  258.  cod.  F 

101.  Enrique  de  Villena,  Obras. 
.  286.  cod.  S  10.  Don  Enrique  de  Aragon,  Tractado  de  casso 

et  fortuna;  desselben  Tratado  del  dorinir  et  dospertar  et  del 

sonar;  desselben  Elspecies  de  adivinan^as. 
.  303.    cod.  P  156.   Feman   Perez    de   Guzraan,    Floresta   de 

Philösophos. 
».  309.  codd.  Bb  8  und  X  214.  Juan  el  Viejö  Declaracion  del 

Salmo  LXXVII. 
I.  312.  cod.  Bb  94.  Corona  de  monjes  (Aureola  6  Corona  Mo- 

nachorum). 
I.  320.   cod.  Bb  70.   Maestre   Pedro  Martin ,    Sermones  en   ro- 

mance  (unter  dem  Titel:  el  Condc). 
►.  326.  cod.  Bb  96.  Ensenamentos  de  Corayon  geschrieben  von 

Pedro  AI.  (Alvarez  oder  Alfonso?) 
►.331.    cod.   H  49.    Alonso   de   Cartagena,    Proposicion    sobre 

Portugal,    codd.  Bb  64;  Cc   119;    E   169;   M    100;   X  250. 

Oracion  sobre  la  preferencia  de  Inglaterra. 
>.  343.   cod.  Q  224.    Rodriguez   del  Padron,   Sieryo  Libre   de 

Amor. 
>.  533.  cod.  Dd  61.  Copie  eines  Cancionero  gencral  der  Biblio- 

teca  Colombina  in  Sevilla. 
?om.  VU,  p.  27.   cod.   ü  190.    Ciirlos   de   Aragon,    Epistola  ä 

todos  los  valientes  letrados  de  Espana.  Fernando  de  Bolea, 

cartas. 
>.  31.  codd.  T  115  und  G  139.  Corönica  de  los  reyes  de  Na- 

varra  por  el  principe  D.  Carlos  de  Viana. 
>.  41.  cod.  G  151.  Pere  Tomich,  Suma  de  la  Corönica  de  Ara- 
gon  y   principado   de   Cataluna   traducida   del   lemosin   por 

Juan  Pedro  Pellicer  saec.  XVII. 
K  65.  cod.  Q  36.    1.  Leonardo  de  Arezzo,  Caballeria,  traducida 

por  Pero  de  la  Panda.    2.  Angel  de  Milan,  Las  quatro  vir- 

tudes  6  doctrinas   que  compuso   Söncca.    3.  Desselben  Con- 

dicion  de  la  Nobleza,   beide   übersetzt   vom  Prinzen  Viana. 
►.  83.  cod.  P  61.  Don  Pedro  el  Condcstable,  Obras.  ,Ffou  aca,- 

bad   lo  present   libre  ä   X  de   may   any   1468    de  ma   den 

Cristofol  Bosch  librater.  Deo  gracias.^ 
►.  236.  cod.  Cc  77.  UztaiToz,  Biblioteca  Aragonesa. 


14  Vni.  Abhandlang:    Beer.  HandscbrifteDsehitse  Spaniens. 

Tom.  VII,  p.  298  f.  cod.  F  108.  Diego  de  Valera,  Obras.  1.  Trac- 
tado,  llamado  Defensa  de  Virtuosas  mujeres.  2.  Tractado, 
Ilamado  Espejo  de  Verdadera  nobleza.  3.  Ceremonial  de 
Prineipes.  4.  Tractado  de  las  armas.  5.  Exortacion  de  la 
paz  (cf.  p.  365).  6.  Tractado  de  las  epistolas  (cf.  p.  409). 

p.  320.  cod.  G  157.  Gonzalo  Garcia  de  Santa  Maria,  Presion  de 
Carlos,  principe  de  Viana,  omision  i  guerra  de  los  catalanes. 
cod.  Dd  184  dasselbe  Werk,  lateinisch. 

p.  327.  cod.  F  96.  Andreas  Bernaldez,  Crönica  de  los  Heyes 
Catölicos. 

p.  365.  cod.  S  219.  Pensamientos  variables  (nicht  authentischer 
Titel  eines  anonymen,  an  Isabella  die  Katholische  gerich- 
teten Tractats,  cf.  p.  578). 

BoRAo,  p.  70f. :  historischer  Rückblick.  Die  Zahl  der  Hand- 
schriften wird  auf  8000  angegeben. 

Maassen,  Friedrich,  Bibliotheca,  latina  iuris  canonici  manu- 
scripta  a.  a.  O.  p.  163f.  behandelt  die  codd.  Ee  106;  P  21; 
Q  14  nach  Hänel,  Gonzalez  und  Knust. 

Gallardo,  BARTOLOirä  Jose,  Ensayo  de  una  bibUoteca  espa- 
Sola  de  libros  raros  y  curiosos  . . .  auraentados  por  Manuel  Remon 
Zarco  del  VaUe  y  J.  SaAcho  Rayon.  Madrid  1863—1889.  4  Vol. 

Vol.  II  enthält  mit  separater  Paginirung  (p.  1 — 179)  einen 
Indice   de   manuscritos   de    la   Biblioteca  Nacional,    einen   von 
Gallardo  gefertigten  Auszug   aus   dem   oben   erwähnten   hand- 
schriftlichen Kataloge.     Das  Urtheil  Ewald's,   der   diese  Liste 
dürftig  und  nur   die  Geschichte  Spaniens  betreflFend  nennt,  ist 
dahin   zu  modificiren,    dass  sämmtliche   spanische  Manuscripte 
der  Bibliothek  in  etwa  8000  Artikeln,  also  auch  UebersetzungeiL 
classischer  Autoren  (Aristoteles,  Cicero,  Seneca  etc.)  und  dei 
Kirchenväter  (Augustinus,  Gregorius  etc.)  angeführt  erscheinen, 
daher    die   Zusammenstellung    auch    flLr  Geschichte   der  classi- 
sehen  Philologie,  des  Humanismus  etc.  von  Wichtigkeit  ist.   Dii 
durchwegs   beigefligte   Signaturangabe   erhöht   den  Werth    des 
Verzeichnisses. 

Ahador  de  los  Rios,  La  pintura  en  pergamino,  en  Espana-:^ 
hasta    fines    del    siglo  XIII.   Museo    Espanol    de   Antiguedad< 
tom.  III  (1874),  p.  1 — 41.  Vgl.  oben  den  Artikel  EscoriaL  üebe: 
eine  Bibel  der  Nationalbibliothek  p.  13. 


BibL  UtWniobt :  tS8  (Madrid).  16 

QüTiERRBz  DB  La  Veqa,  Bibliotcca  Venatoria  tom.  I  (1871) 
landelt  unter  den  Nammem  5,  6,  36,  37,  38,  41,  44,  51,  68, 
61,  66,  68,  72,  77,  80,  83,  89,  90,  93—96  und  100—102 
idschrifUiche  Tractate  aus  dem  Gebiete  der  Jagdschriftstellerei, 
che  der  Nationalbibliothek  angehören;  fast  ausschliesslich 
geren  Datums. 

Gachard,  Louis  Prosper,  Les  biblioth^ques  de  Madrid  et 
TEscurial.  Notices  et  extraits  des  manuscrits  qui  concement 
LStoire  de  Belgique.  Bruxelles  1875.  49, 

Ueber  die  Nationalbibliothek  p.  XXXIIIf.  (wo  von  30.000 
Tages  ou  documents  manuscrits  gesprochen  wird)  und  p.  1 
424;  hier  sehr  genaue  Beschreibung  von  155  Handschriften, 
in  das  oben  bezeichnete  Gebiet  fallen,  mit  zahlreichen  Aus- 
^n  und  Documentencopien.  An  diese  schliessen  sich  noch 
425 — 538  Apendices. 

RuELLE,  Charles  Emile,  Rapports  sur  une  mission  littöraire 
philologique  en  Espagne,  Archives  des  missions  scientifiques 
'.  in,  tom.  2,  p.  502  und  563 — 579  über  verschiedene  grie- 
sche  Handschriften  der  Nationalbibliothek.  P.  504  glossarium 
leco-latinum  saec.  XV. 

(Breton  y  Orozco,  CAndido)  Breve  noticia  de  la  Biblioteca 
cional.  Madrid,  Anbau  &  compania  1876. 

Lag   mir   nicht   vor.     Contienc   curiosisimos  datos  acerca 

SU  fundacion,  sus  directores,   sus  acrecentamientos,  su  te- 

o  bibliogräfico,  sus  tipogrdficas  preciosidades  .  .  .  sus  manu- 

itos   y   sus   Codices.     Revista   de   Archivos   tom.  VI  (1876), 

20f.  Vgl.  ibid.  VH,  p.  99,  not. 

Graüx,  Rapport,  p.  122—124. 

Ueberblick  über  die  Fonds  griechischer  Handschriften  und 
rze  Beschreibung  einiger  der  wichtigsten. 

RuELLE,  Charles  Eiole,  Deux  textes  grecs  anonymes, 
icernant  le  canon  musical  heptacorde,  puis  octacorde,  publiös 
ifrhs  le  ms.  N.  72  de  la  Biblioteca  Nacional  de  Madrid  im 
muaire  de  V  Association  pour  V  encouragement  des  ätudes 
)cqne8  en  France.  XP  Annöe  (1877),  p.  147 — 169.  Voran 
it  eine  Notiz: 

Graux,  Charles,  Sur  le  manuscrit  N.  72  et  sur  C.  Lascaris 
ter  Heranziehung  weiterer  griechischer  Handschriften  der 
.tionalbibliothek. 


lo  YIII.  Abhandlung:    Beer.  Handücbriftenseh&tze  Spaniens. 

MilA  y  Fontanals,  M(anubl),  Notes  sur  trois  manascrits. 
Revue  des  Langues  Roraanes  tom.  X  (1876). 

An  zweiter  Stelle  (p.  225)  wird  Un  roman  catalan  b.  XV 
(212  Blätter  flülend)  und  an  dritter  Stelle  Une  traduccion  de 
la  Discipline  clöricale  perg.  s.  XIV,  beide  der  Nationalbibliothek 
angehörig,  beschrieben.    Signaturangabe  fehlt. 

Revista  de  Archivos  VII  (1877),  p.  55. 

Kurze  Notiz  über  einen  kostbaren  Codex  der  National- 
bibliothek, welcher  im  Boletin  de  la  Sociedad  Geogräfica  de 
Madrid  publicirt  werden  soll.  En  ^ste  cödice,  que  perteneciö 
al  Marques  de  Santillana,  se  refiere  el  viaje  de  exploracion  que 
en  1350  hizo  un  fraile  franciscano  d  la  tierras  africanas. 

Paz  y  Melia,  Antonio,  ün  cödice  notable  de  la  Biblioteca 
Nacional.  Revista  de  Archivos  VII  (1877),  p.  124—128;  141—144. 

Behandelt  eine  Handschrift  mit  einer  alten  üebersetzung  der 
Disciplina  clericalis  des  Pedro  Alfonso.    Analyse  und  Auszüge. 

Graux,  Charles,  Eloge  du  duc  Aratios  et  du  Gouverneur 
St^phanos,  publiö  pour  la  premifere  fois  d'aprfes  le  ms.  de  la 
Biblioteca  Nacional  de  Madrid.  Paris  1877.  Vgl.  Boletin  de  la 
Real  Academia  de  la  Historia,  tom.  I,  p.  300. 

Revista  de  Archivos,  tom.  VIII,  p.  150f. 

Zusammenstellung  verschiedener  Handschriften  der  Na- 
tionalbibliothek, welche  der  Buchbinder  Miguel  Ginesta  restaurirt 
und  eingebunden  hatte. 

FiERviLLE,  Renseignements,  a.  a.  0.,  p.  103  flf.  erwähnt  nebst 
einer  Dissertation  über  eine  Quintilianstelle  (VHI  3,  22)  s.  XVII 
noch  1.  Ovide  XV  s.  parch.  cotö  M.  23  Est.  Res.  19.  2.  Virgile 
XV*  sifecle  parch.  M.  30  Est.  Res.  47.  3.  Piaute,  parch.  s.  XV. 
Q.  38,  Est.  Res.  20.  4.  Roman  de  la  Rose  s.  XV.  Die  Tole- 
daner  Signatur:  Cajon  104,  22,  Zolada.  5.  Plinius  secundus, 
Historia  naturalis  s.  XIV.  Toled.  Sign.  C  47,  14.  6.  Livre 
d'heures  de  Charles  Quint.  4^  7.  Livre  d'heures  de  Jeanne 
la  Folie.  ,C'est  un  vrai  bijou;  les  miniatures  sont  d^licieuses  et 
d'une  iinesse  microscopique^  8.  Livre  d'heures  de  Charles  VHI, 
roi  de  France,  ,vraiment  royaP. 

Francisque  Michel,  Rapport,  a.  a.  O.,  tom.  VI,  p.  179  fif. 
bespricht  eine  Handschrift  s.  XV  Pedro  Alfonso,  la  Clergia  de 
discipline  e  las  Moralitatz  de  philosophia,   T.  283    (die   bereits 


Bibl.  Ueb«rticht:   S88  (3ladrid).  17 

von  Paz  y  Melia  beschriebene  Hs.),  ferner  das  Gebetbuch 
Carl  Vni.  (vgl.  oben)  und  mehrere  jüngere  Handschriften. 

Graux,  Charles,  Essai  sur  les  origines  du  fonds  grec  de 
TEscurial,  Paris  1880. 

Gelegentliche  Bemerkungen  über  die  Handschriften  der 
Nationalbibliothek.  So  p.  44  über:  V.  169.  p.  50:  O.  43,  44  und 
48,  vgl.  p.  179  f.  p.  83:  Q.  18.  p.  138:  Dd.  27.  p.  165:  K.  100. 
p.  333:  V.  169  (Auszüge),  p.  431:  O.  75.  p.  60—79  Acquisition 
der  Bibliothek  des  Cardinais  von  Burgos  ftlr  die  National- 
bibliothek. 

Ewald  p.  284 — 321.  Beschreibung  zahlreicher  Hand- 
schriften, welche  bereits  entsprechende  Würdigung  gefunden  hat. 

Robert,  Ulisse,  Etat  des  catalogues  des  manuscrits  des 
Biblioth^ues  d'Espagne  et  de  Portugal.  Cabinet  historique 
XXVI,  p.  294—299. 

P.  297.  f.  Madrid. 

Carini,  Gli  Archivi  etc.  I.  p.  127  flF. 

Den  ersten  Theil  des  Berichtes  bildet  ein  historischer 
Bückblick  p.  127 — 130;  hierauf  folgt  Zusammenstellung  und 
Beschreibung  der  einzelnen  Abtheilungen  der  Bibliothek  und 
Verzeichniss  der  werthvollsten  Handschriften.  Dieses  scheint 
nicht  auf  Autopsie  gegrtlndet  zu  sein;  Signaturangabe  fehlt 
durchwegs. 

Akuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  etc.  Madrid 
I  (1881),  p.  135—151;  H  (1882),  p.  91—101. 

Bietet  nur  Weniges,  was  sich  auf  Handschriftenbeschreibung 
bezieht.    Im  ersten  Aufsatz  sind  p.  150  einige  CimeUen  notirt. 

FrrA  Y  CoLOMÄ,  Fidel  veröflfentlicht  im  Boletin  de  la  Real 
Academia  de  la  Historia  tom.  V  (1884),  p.  308  flF.  VI  (1885), 
p.  60  flF.,  p.  379—409  und  418—429.  VH  (1885),  p.  54—144 
Biografias  und  Poesias  von  Gil  de  Zamora  aus  cod.  I  217  sammt 
genauer  Beschreibung. 

Hartel-Loewe  p.  261 — 462  und  538 — 542. 

Das  bezüglich  der  Beschreibung  der  Escorialenses  Gesagte 
gilt  auch  von  diesem  Katalog;  er  ist  der  gründlichste  und  ftlr 
einen  Theil  der  Manuscripte  auch  erschöpfendste,  den  wir  bis 
jetzt  besitzen. 

Miller,  Emmanuel,  Biblioth&que  Royale  (sie)  de  Madrid, 
Catalogue     des    manuscrits    grecs    (Supplement    au    Catalogue 

Sitonngsbcr.  d.  phil.-hwt.  Cl.  CXXVllI.  Bd.  8.  Abh.  2 


18  'nn.  AbhuidloDgi    Beer.  HandschriftenscUktse  Spuüent. 

d'Iriarte).  Notices  et  extraites  des  mannscrits  de  la  Bibliotheque 
nationale  et  autres  bibliothfeques.  Paris^  tom.  XXXI,  deuxi^me 
partie,  p.  1 — 117.  Beschreibt  die  Nummern  N  126  —  N  141  und 
Ol  —  O  103.  Eine  Ergänzung  zu  Iriarte  und  ein  Gegenstück 
zu  desselben  Verfassers  Katalog  der  Escurialenses. 

Rada  t  Dslgado,  JuaN;  Bibliografia  numismätica  Espanola, 
Madrid  1886.  4^. 

Diese  Bibliographie  benützt  zahlreiche  Handschriften  der 
Nationalbibliothek,  welche  auch  für  antike  Münzkunde  inter 
essante  Daten  bieten;  der  grössere  Theil  der  Ausbeute  entfällt 
auf  die  mittelalterliche,  vgl.  p.  45  Ordenamiento  des  Jahres  1388 
aus  der  Handschrift  Dd  123,  p.  46  Pregones  s.  XV,  Dd  124; 
femer  vgl.  p.  59,  p.  76,  121  u.  ö. 

RiANO,  Juan  F.  Critical  and  Biographical  notes  on  early 
spanish  music.  London  1887. 

Beschreibung  folgender  Handschriften:  C.  145  Missae 
Manuale  p.  49 f.;  C.  82  Canon  de  edificanda  ecclesia  p.  58;* 
C.  132  Liber  cantus  Chori  ibid.;*  C.  153  Liber  cantus  Chori 
p.  59;*  C.  63  Caerimoniale  Romanum  ibid.;*  C.  145  Missae 
Manuale  p.  65;  C.  131  Ordinarium  Precum  Ecclesiae  Cathedralis 
Toletanae  p.  66;  52,  6  Missale  p.  68;  52,  16 — 22  Missale  in 
sieben  Bänden*  p.  69;  Reservado  B.  31.  De  Äpocalipsi  Johannis 
p.  108. 

Arzb,  Diego  de,  De  las  librerias,  de  su  antiguedad  y 
provecho,  de  su  sitio  etc.  Biblioteca  Nacional  Ms.  Bb.  —  22 
(Madrid  1888.  8«). 

Blosser  Abdruck  der  Handschrift  ohne  Commentar. 

Miller,  Emmanuel,  Le  mont  Athos,  Vatop^di,  TUe  de 
Thasos.  Avec  une  note  sur  la  vie  et  les  travaux  de  M.  Emm. 
Miller   par   le  marquis  de  Queux  de  Saint-Hilaire.    Paris  1889. 

In  der  biographischen  Skizze  (von  p.  L  ab)  sehr  inter- 
essante, zum  Theil  Miller's  Correspondenz  entnommene  Daten 
über  die  Arbeiten  dieses  Gelehrten  in  der  Nationalbibliothek  zu 
Madrid  und  die  Geschichte  derselben  während  der  Revolution. 

Priscilliani  quae  supersunt  .  .  .  edidit  Georgius  Schepss. 
Vindobonae  1889.  (Corpus  Script,  eccl.  lat.  Vol.  18.) 


*  Aus  Philipp  V.  Privatbibliothek. 

'  Aus  dem  Besitze  des  Cnrdinals  Cisneros. 


> 


Bibl.  Uebenloht:   SS8  (Xadrid).  19 

Praefatio  p.  XXXIII  handelt  über  den  Toletanus  2,  1. 

Martinez  Anibarro  y  Rives,  Intento  de  un  diccionario  .  .  . 
de  Burgos  etc.  p.  99  über  cod.  H,  49,  enthaltend  Cartagenas 
Allegationes;  p.  246,  cod.  G  6  Crönica  del  Rey  D.  Juan  II. 
1420—1434;  p.  446  codd.  T.  183,  210  Francisco  de  Salinas 
De  Musica;  p.  485,  codd.  G  151 ,  Ee  154,  Pablo  de  Santa 
Maria,  Edades  Trovadas  (nebst  anderen  Handschriften  desselben 
Autors,  zum  Theil  nach  Amador). 

Leouina,  Enrique  de,  La  Exposiciön  Hist6rico-Europea.  VI. 
La  Biblioteca  Nacional.  Impresos  en  vitela.  Incunables.  Ejem- 
plares  unicos.  Encuadernaciones  notables.  Libros  raros.  Autö- 
grafos.  Codices.  —  La  Epoca.  Madrid,  28  de  Noviembre  de  1892.* 

Verzeichnet  folgende  in  der  Columbus -Ausstellung  1892 
exponirte  Codices  der  Nationalbibliothek: 

Libro  de  Agricultura,  saec.  XV.  in.  Mit  arabischen  Ziffern. 

Petrus  Comestor,  Historia  Scolastica,  saec.  XV.  Mit  ganz- 
seitigen Miniaturen. 

Aethicus,  Descriptio  terrae,  saec.  XV.  Mit  Miniaturen, 
besonders  Kriegsmaschinen  darstellend  (Ballista  fulminalis). 

Antonius  de  Nebrija,  Gramätica,  s.  XV.  Mit  dem  Porträt 
des  Autors. 

Enrique  de  Aragon,  Tratado  de  Astrologia  (1428)  (vgl. 
den  Artikel  Madrid,  Biblioteca  part.  de  D.  Enrique  de  Aragon). 

Juan  Manuel,  Obras,  s.  XIV.  ,Codice  de  gran  valor,  por- 
que  habiendo  dejado  el  Infante  todos  sus  libros  al  convento  de 
Penafiel,  donde  se  perdieron,  solo  se  conserva  esta  copia^ 

Petrarca,  Sonetti,  Canzoni  e  Triumfi,  s.  XV. . .  Mit  herr- 
lichen Miniaturen. 

Petrarca,  Triumfi,  s.  XVI.  Ebenfalls  mit  prächtigen,  hier 
in  verkleinertem  Massstabe  ausgeführten  Miniaturen  ausgestattet. 

Fernando  de  Bolea,  Cartas  (1480).  Mit  dem  Bildnisse  des 
Prinzen  Viana. 

Ferran  Nunez,  Poema  y  declaracion  del  verdadero  nombre 
del  Amor,  intitulado  Tractado  de  Amicicia,  saec.  XV. 


^  Ich  verd&nke  die  Mittheilung  dieses  interessanten  Aufsatzes  der  Güte 
Sr.  Excelleuz  des  spanischen  Botschafters  am  Wiener  Hofe  D.  Rafael 
Merry  del  Val. 

2* 


20  VIII.  Abhandlanf :     Beer.   Huidscbriftenichttze  Spuiieni. 

Poema  de  los  Reyes  Magos,  saec.  XIU.  —  Poesias  del 
Arcipreste  de  Hita^  saec.  XIV.  —  Poema  de  Alexandre, 
saec.  Xin.  Es  sind  die  bekannten  Cimelien. 

Le  Roman  de  la  Rose  s.  XIV.  Mit  Miniaturen  und  Initialen. 

Conde  de  Tendilla,  Correspondencia  sobre  cl  Gobicrno  de 
las  Alpujarras. 

Livius,  Decades,  übersetzt  vom  Grafen  von  Benavente 
(1439).  Mit  Aquarellen. 

Ferndn  Lopez,  La  cronica  portuguesa'  de  D.  Juan  I. 
Pergamentcodex  saec.  XV,  mit  Miniaturen  äusserst  reich  aus- 
gestattet. 

El  Fuero  de  Zamora  (1208). 

Juan  Fernandez  Herdia,  Cronica  de  Espana  (1385).  Mit 
dem  Bildnisse  des  Autors  und  vielen  Initialen. 

Seguro  ^  &  favor  de  D.  Alvaro  de  Luna  (1441).  Mit 
Wappenbildem. 

Alfonso  el  Sabio,  Las  Partidas.  Prachtexemplar  aus  dem 
Besitze  der  Reyes  Catölicos. 

Cronica  troyana,  saec.  XV.  Aus  dem  Besitze  des  Marques 
de  Santillana. 

Alonso  de  Cartagena,  Genealogias  de  los  Reyes  de  Espana. 
saec.  XV. 

Las  grandes  crönicas  6  crönicas  de  Saint-Denis.  Mit  dem 
Bildniss  Carl  VU. 

Documentos  sobre  la  primacia  de  la  Iglesia  Toledana 
(1253). 

Biblia  ,de  Avila'  saec.  XHI — XFV.  Mit  interessanten 
Miniaturen  älteren  Stils. 

Gregorii  Moralia,  übersetzt  von  Pero  Lopez  de  Ayala. 
Mit  dem  Bildnisse  des  Uebersetzers. 

,Misal  rico  de  Cisneros^,  7  Bände  (1503—1518).  ,Trabajo 
que  honra  ä  los  miniaturistas  espanoles  que  lo  ornamentaron^ 

Ausserdem  noch  einige  anderweitig  bekannte  Cimelien. — 
Einen  ähnlichen,  jedoch  kürzeren  Bericht  über  die  von  der 
Nationalbibliothek  ausgestellten  Handschriften  lieferte: 

(FiTA  Y  CoLOME,  Fidel)  Bosqucjo  de  la  Exposiciön  Hi- 
störico-Europea,  Madrid  1892,  p.  77  fr. 


Geloitbrief. 


Bibl.  üebersicbt:  228  (Madrid).  21 

C.  Schriftproben. 

Amador  DB  LOS  Rios,   Historia   critica  bietet   in   den   bei- 
geschlossenen Tafeln  Proben  aus  folgenden  Handschriften  (leider 
durchwegs  ohne  Signaturangabe). 
Tom.  n.     Alvari  Liber  Scintillarum  cod.  A  110. 
Tom.  rV.     Conquista   de    Ultramar,   cod.    I    1.      Libro   de   los 
castigos  del  Key  D.  Sancho.   cod.  P  23  (S  23  [?J).      Libro 
Lucidario  del  Key   D.  Sancho.   L  131    (T  8  [?]).      Cod.   de 
los  obras  de  D.  Juan  Manuel  (S  34).  Libro  de  los  Exenplos 
(vgl.  p.  304  dieses  Bandes). 
Tom.  V.     Libro  de  Cetreria  (cf.  p.  151).    Tratado  de  la  Vida 
Espiritual  cod.   Bb    136.     Cronica    del   Rey    Don   Rodrigo 
cod.  F  89. 
Tom.  VI.     Omero  Roman9ado  por  Juan   de  Mena   (vgl.  p.  35 
d.  B.).  Obras  de  D.  Enrique  de  Villena  cod.  F  101.     Cancio- 
nero    de  Estuniga  (p.  62)  Cancionero  de  Izar   (p.  62).    ,De 
amor  y  de  remor'  (Q.  224?).  ^Especies  de  ordenanzas^  (ad- 
ivinancas?  cf.  p.  286,  cod.  S  10). 
Tom.  Vn.     Vida  de  Cristo  de  Fray  Inigo  Lopez   de  Mendoza 
cf.  p.  240.  —  Libro  de  los  pensamentos. 
RosuLL  Y  ToRREz,  IsiDORO ,   El  Triuufo  dc  Maximiliano  I. 
Libro  de  miniaturas  en  vitela  que  se  conserva  en  la  Biblioteca 
Nacional.      Museo   Espanol   de  antigiiedades ,   Madrid,   tom.   I 
(1871),  p.  409—416. 

Ueber  den  Prachtcodex  des  ,Triumphs',  das  Supplement 
zu  der  bekannten  in  der  Wiener  k.  k.  Hofbibliothek  befind- 
lichen Bilderhandschrift.     Mit  zwei  colorirten  Tafeln. 

EscuDERO  DB  LA  pENA,  JosE  Maria,  Eucuademaciones  de 
la  edad  media  y  modema,  Museo  Espanol  tom.  VII  (1876), 
p.  483—492. 

Bespricht  unter  Anderem  den  Einband  der  Siete  Partidas 
von  Alfonso  el  Sabio,  ferner  ein  Devocionario,  beide  in  der 
Nationalbibliothek.    Von  letzterer  Handschrift  ein  Facsimile. 

Graux,  Charijbs,  Sur  le  manuscrit  N.  72  et  sur  C.  Las- 
caris  (vgl.  oben)  gibt  zu  p.  150  ein  Facsimile  einer  ganzen 
Seite  des  von  Lascaris  geschriebenen  Codex. 

MuNOz  Y  RrvERO,  Paleografia  Visigoda.  M^todo  teörico- 
präctico  para  aprender  a  leer   los    Codices  y  documentos  Espa- 


22  VIII.  Abbftndlang :    Beer.  HuidsobrifteDsoh&tse  Sp«iieni. 

noles  de  los  siglos  V  al  Xu.  Madrid  1881.  Läm.  VI.  Morales 
de  San  Gregorio  945.  Ldm.  VIII.  Biblia  Mozärabe^  que  per- 
teneciö  al  Cabildo  de  Toledo  y  hoy  se  conserva  en  la  Biblioteca 
Nacional  s.  X.  Läm.  IX.  Schlussworte  ans  derselben  Hand- 
schrift. Ldm.  XII.  Commentarios  de  Beato  sobre  el  Apocalipsis, 
tiempo  de  Fernando  I.  y  Dona  Sancha.  Läm.  XTTT.  Fuero 
Jnzgo,  procedente  de  Leon,  1058. 

Ewald  et  Lobwe,  Exempla  scripturae  Visicoticae.  Heidel- 
bergae  1883  fol. 

Handschriften  der  Nationalbibliothek:  Tab.  IX  Biblia, 
Toletanus  2.  1.  Tab.  X,  XI,  XII  S.  Isidori  Etymol.,  Tolet.  15.  8. 
Tab.  XVn  Forum  iudicum,  Tolet.  43.  5.  Tab.  XVIH  Heterii 
et  Beati  ad  Elipandum  epistula,  Tolet.  14.  24.  Tab.  XIX 
S.  Joannis  Chrysostomi  de  reparatione  lapsi,  Tolet  10.  25. 
Tab.  XX  S.  Isidori  sententiae,  Tolet.  15.  12.  Tab.  XXVH 
Breviarium  Goticum,  Tolet.  35.  1.  Tab.  XXVUI  CoUectio  Ca- 
nonura  Hispana,  P.  21.  Tab.  XXX  Breviarium  Goticum,  Tolet. 
35.  2.  Tab.  XXXI  Collectionis  canonum  Hispanae  versio  arabica. 
Gg.  132.  Tab.  XXXIII  Albari  Kber  scintillarum,  A.  115.  Tab. 
XXXVni  Burchardi  Wormat.  decreta,  R.  216.  (Cödice  de 
Cardona.) 

Tailhan,  Jules,  Chronique  rimöe  des  demiers  rois  de 
Tol^de  et  de  la  conqu^te  de  TEspagne  par  les  Arabes  Paris 
1885  fol.  gibt  zum  Schlüsse  Proben  (zwei  Seiten)  aus  der  ELand- 
Schrift  4,  7  (vgl.  Hartel-Loewe,  p.  460). 

RiANO  (vgl.  oben)  gibt  Proben  aus  folgenden  Handschriften: 
C.  35,  1  Muzarabic  Breviary  p.  25;  Reservado  6*  2  Liber  Evan- 
geliorum  p.  31;  44,  G.  s.  Breviary  p.  32;  35,  2  Gothic  Breviary 
p.  36;  14,  1  St.  Augustin  Commentaries  on  the  first  fifty  Psalms 
p.  36 f.;  31,  28  Greek  Breviary  p.  41;  Reservado  B.  31  De 
Apocalipsi  Johannis  (Musikinstrumente)  p.  108. 

Graux-Martin,  Fac-similös  de  manuscrits  grecs  en  Espagne 
etc.  Paris  1891. 

Nr.  5  und  6.  cod.  N  71.  Glossae  in  Diadem.  Nr.  7  und  8. 
cod.  N  16.  Codex  rescriptus,  Commentar  zu  Job  und  Theophanes 
Cerameus.  Nr.  10 — 14.  cod.  1,  12  (Tolet.).  Evangelia.  Nr.  15 
und  16.  cod.  O  78.  Stück  des  Neuen  Testamentes.  Nr.  21 — 23. 
cod.  O  74.  S*  Nil.  Nr.  55  und  56.  cod.  N  55.  Plutarchus.  Nr.  57. 
cod.  N  101.  Choricius,  Apologia  mimorum. 


I 


Bibl.  üeberaicht:   S28  (Madrid).  23 

II.  Fonds  08una. 

A.  Druckwerke. 

Clemencin  Dieoo,  Elogio  de  la  Reina  Isabel  a.  a.  O.  p.  444 
berichtet  von  einer  Handschrift  en  la  biblioteca  del  Duque  de 
Osnna^  enthaltend  Tercero  tratado  del  libro  de  las  mujeres  de 
Fr.  Francisco  Jimenez.  Es  en  fol.  vit.  escrito  i  dos  columnas, 
con  las  rabricas  i  iniciales  de  los  libros  encamados.  Die  sub- 
scriptio  lautet:  Finito  libro  etc.  Anno  domini  millessimo  qua- 
dringentessimo  septuagessimo  tercio  mense  aprili  incoante.  — 
Scripsit  scribat  et  semper  cum  Domino  vivat.  Andreas  Mudarra 
vocatur,  qui  a  Domino  benedicatur.  Scripsi  autem  hunc  librum 
ex  praecepto  reverendi  prioris  nostri  fratris  Joannis  de  Guada- 
luppe,  prioris  Sancte  Marie  de  Guadaluppe.  Ibid.  p.  457  über 
eine  Vegetiusübersetzung  von  Alonso  S.  Cristöbal  s.  XV,  gleich- 
falls aus  dieser  Bibliothek. 

Gachard,  Louis  Prosper,  Rapport  sur  ses  recherches  en 
Espagne.  Corapte  rendu  de  s^ances  de  la  Commission  Royale 
d'histoire  tom.  IX  (1845),  p.  312f. 

Kurze  Notizen  über  die  herzogliche  Bibliothek,  deren 
Bibliothekar  damals  Miguel  Salvä  war.  Als  das  wichtigste 
Manuscript  erschien  Gachard  ein  Band  mit  der  Correspondenz 
Ferdinand  I.  und  Phihpp  11. 

BmijöoRAFO,  El  espanol  y  estrangero  (11.  Serie  des  Boletin 
bibliogrdfico)  I  (1857)  Suplemento  p.  40  enthält  interessante 
Notizen  über  Geschichte  und  Verwaltung  der  Bibliothek,  ins- 
besondere über  die  Manuscripte :  se  encuentran  magnificos  cödices 
en  vitela,  que  pertenecieron  al  c^lebre  D.  Inigo  Lopez  de  Men- 
doza,  Marques  de  Santillana,  obras  de  historia,  de  genealogia, 
de  antigüedades,  etc.,  algunas  de  ellas  in^ditas,  noviliarios  y 
otra  multitud  de  papeles  sümamente  curiosos,  y  mas  de  mil 
comedias  antiguas  manuscritas,  entre  ellas  algunas  que  apenas 
son  conocidas,  y  otras  muchas  originales  y  autögrafas  de  Lope 
de  Vega,  Calderon,^   Mira  de  Mescua,  Tirso  de  Molina,  Rojas, 


^  Vgl.  Morel -Fatio,  Alfred,  El  Magico  prodigioso,  comedla  famosa  de 
D.  Pedro  Calderon  de  la  Barca,  publice  d'apr^s  le  manuscrit  original  de 
la  bibliotli^que  du  duc  d'Osuna,  avec  denx  fac-simile,  une  introdiiction  etc. 
Heilbronn  1877. 


24  Tni.  Abbandlnng:     Beer.  Handscbrifteoscbitze  Spuiienf. 

etc.,  con  la  particularidad,  de  que  algunas  de  estas  ültimas 
van  aeompauadas  de  la  censura  de  la  pieza  y  correspondiente 
Heencia  del  ordinario  para  su  representacion,  j  aun  ä  veces 
con  designacion  de  los  autores  que  debieron  ejecutarlas  por 
primera  vez. 

Eguren  beschreibt  p.  37 — 43  vier  Bibeln  der  Sammlung, 
unter  Mittheilung  von  Auszügen. 

Valentinelli  p.  52  f.  erwähnt  einige  der  wichtigsten  Hand- 
schriften. 

Ahador  de  los  Rios,  Historia  critica   etc.  (vgl.  oben)  be- 
schreibt: 

Tom.  III,  p.  333.  Poemo  de  Alexandre,  cod.  en  4®  prolongado 
8.  Xni— XIV,  vitcla  153  fojas. 

p.  587.  Cancion  elegiaca  in  einer  Handschrift  aus  der  ursprüng- 
lichen Bibliothek  des  Marques  de  Santillana. 

Tom.  IV,  p.  303.  cod.  H.  M.  8  Armenio  de  Bologna,  Istoria 
Fiorita,  Codex  gleicher  Provenienz.  (Vgl.  tom.  VI,  p.  40.) 

p.  345.  Guido  de  Colonna,  Historia  Troiana  gallegische  Ueber- 
setzung,  Codex  gleicher  Provenienz  mit  der  Schlussnote: 
Este  liuro  mandou  faser  6  muyto  alto  et  muy  noble  et 
eixelente  rey  don  Alfonso,  fillo  do  muy  noble  rey  don  Fer- 
rando  et  de  la  reyna  dona  Costanca.  Et  fue  dado  descrebir 
et  destoriar  enno  tenpo  que  6  muy  noble  rey  don  Pedro 
rreynou  .  .  .  Feyto  o  liuro  et  acabado  6  postrero  dia  de 
dezenbro,  era  de  Mill  et  CCCLXXXVIH.  Nicolas  Goncales, 
escriuano  des  seus  liuros,  escribeu  per  seu  mandado. 

p.  349.  Dasselbe  Werk  ,en  romance  catalan'  cod.  HI,  lit,  M, 
Nr.  2;  cod.  H,  M  23  dasselbe  ca,stilianisch;  cod.  II,  M  25 
dasselbe  in  anderer  castilianischer  Uebersetzung.  Sämmtlich 
aus  der  Bibliothek  Santillanas. 

Tom.  V,  p.  112.  cod.  V,  N  29  Libro  de  la  Consolacion  de 
Boecio  romano,  castilianisch;  gleicher  Provenienz;  cod.  II, 
N  4  und  5  Livius,  Decades  I.  H.  FV.,  castilianisch. 

p.  170.  Roman  de  la  Rose  (sammt  Fortsetzungen). 

p.  242.  Ferrandez  de  Heredia,  Grant  Chronica  de  Espana. 

p.  248.  cod.  I,  M  5  Desselben    Crönica   de  los  Conquistadores. 

Tom.  VI,  p.  21.  Lucan,  spanisch. 

p.  38.  cod.  VI,  5  Salluöt,  spanisch. 


Bibl.  üebersicht:  228  (Madrid).  25 

Tom.  VI,  p.  39.  cod.  V,  N  18  und  II,  M  7  Orosius,   spanisch. 

p.  40.  cod.  in,  N  16  Epistole  di  Seneca  de  Ricardo  Petre, 
citadino  de  Firenza;  V,  N  50  Declamatione  di  Quintiliano, 
tradocte  d  peticione  di  Messere  Nunio  Gusmano,  Spagnuolo. 

p.  42.  cod.  in,  N  17  Petrarca,  De  Viris  illustribus,  italienisch; 
ni,  N  14  Boccaccio  Genealogia  de  los  dioses;  III,  N  15 
desselben  Ninfal  d'Admeto;  III,  N  16  desselben  Libro  de 
montes,  rios  et  selvas. 

p.  300.  Pero  Diaz  de  Toledo,  Diälogo  e  Razonamiento. 

Tom.  VIT,  p.  316.  Alonso  de  Ävila,  Compendio  Universal  de 
las  ystorias  romanas.  Suma  de  las  crönicas  de  Espana. 

BoRAo  resnmirt  p.  80:  muchos  manuscritos  interesantes 
para  la  literatura  y  la  Historia  de  Espana. 

GuTiBRRBz  DE  LA  Vega  ,  Bibliotcca  Venatoria  behandelt 
Bd.  I  und  II  unter  den  Nummern  14,  219,  220,  221  Hand- 
schriften der  ,Cetreria^  aus  diesem  Fonds. 

RuELLE,  Charles  Emile,  Rappors  sur  une  mission  ....  en 
Espagne.  Archives  des  missions  scientifiques  III.  sörie,  tom.  II, 
p.  503  berichtet  über  Extraits  musicaux  d'un  ouvrage  ^crit  en 
latin  k  la  fin  du  XIV®  sifecle  par  le  professeur  Pierre  Paul 
Vergerio  de  Justinopolis  ou  Capo  d'Istria,  en  Illyrie,  et  intitul^: 
De  ingenuis  moribus  et  liberalibus  studiis  adolescentiae.  p.  505 
über  den  Julius  Caesar  s.  XII — XIII  mit  der  Titelclausel  Julius 
Constantinus  emendavit  nach  der  Ueberschrift  eines  jeden  Buches. 
Ausführlicheres  über  die  beiden  letztgenannten  Handschriften 
ibid.  p.  279  flF.  Der  Vergeriuscodex  enthält  auch  Cicero  De 
senectute,  Laelius  und  Paradoxa. 

FiERvn.LE,  Rapport  a.  a.  O.  p.  87  erwähnt  eine  Handschrift 
(vgl.  oben)  s.  XV  (1456)  Incominciano  le  declamationi  di  Quin- 
tiliano Calagoritano  tradote  di  latino  in  vulgare  fiorentino  a 
petitione  di  messere  Nugnio  Gusmano  Spanuolo. 

Graüx,  Rapport  p.  126  verzeichnet  ein  griechisches  Manu- 
script,  ohne  Angabe  des  Inhalts.^ 

RocAMORA  Jose  MarIa,  Catälogo  abreviado  de  los  manu- 
scritos de  la  biblioteca  del  Excmo  Senor  Duque  de  Osuna  & 
Infantado,  Madrid  1882. 


^  Dieser  findet  sich  bei  Rocaiuora  p.  135  unter  Nr.  1422. 


26  yJII.  Abhandlung:    Beer.  Hftndscbriftenscliitxe  Spaniens. , 

Hauptwerk  ftlr  die  Sammlung.  Von  den  1422  aufgeführten 
Nummern  sind  jedoch  nur  1 — 212  und  1396 — 1422  eigentliche 
Codices;  213 — 1395  sind  Comedias,  Autos,  Loas,  Entremeses, 
Mojiangas^  Bailes  j  Fines  de  fiesta  manuscritos.  Nr.  1396  ff.  sind 
Codices  ärabes,  hebreos  y  griegos,  segAn  los  describiö  D.  Miguel 
Casiri  el  ano  de  1766. 

Reicht  trotz  aller  Mängel  in  den  Details  vollkommen  aus, 
um  über  den  Bestand  zu  informiren,  und  bleibt  fUr  die  übrigen 
noch  nicht  aufgenommenen  Privatsammlungen  ein  nachahmens- 
werthes  Exempel.  Vgl.  Le  Cabinet  historique  1883,  p.  179 — 182. 

Carini  hat  diese  Bibliothek  besonders  ausführlich  behandelt. 
Parte  I,  p.  227 — 230  wird  die  Geschichte  derselben  skizzirt, 
p.  230 — 263  eine  stattliche  Reihe  der  wichtigeren  Handschriften 
eingehend  beschrieben.  Leider  stimmen  die  Nummern  Carini's 
nicht  mit  denen  Rocamora's,  was  um  so  bedauerUcher  ist,  als 
die  Angaben  des  Ersteren  ein  nothwendiges  Supplement  des 
Catälogo  abreviado  bilden. 

BoLETiN  de  la  Real  Academia  de  la  Historia  X  (1887), 
p.  6  bringt  Genaueres  über  den  Cod.  118  (Rocamora)  Fuent 
Sauco  De  verbo  contra  Judaeos  (geschrieben  1453  und  1458). 

B.  Schriftproben. 

Akador,  Historia  critica  etc.  bietet  als  Proben  aus  den 
Handschriften : 

Tom.  in.  Poema  de  Alexandre  (vgl.  p.  333  dieses  Bandes). 
Tom.  IV.  Cronica  Troyana  en   gallego   (vgl.  p.  345   desselben 
Bandes). 
Cronica  Troyana  en  castellano  (vgl.  p.  349). 

TuBiNO,  Francisco  Maria,  El  cödice  de  la  Biblioteca  del 
Excino  Sr.  Duque  de  Osuna,  con  la  version  galäica  del  romance 
de  Troie,  escrito  por  Benito  de  Santa  Mora.  Museo  f^panol 
de  Antigüedades  tom.  VIH  (1877),  p.  33—64.  Mit  einer  Tafel 

Die  Katalogverhältnisse  liegen  bei  der  Nationalbibliothek 
zu  Madrid  ähnHch  wie  bei  dem  Escorial.  Während  wir  über 
die  griechischen  Bestände  beider  Sammlungen  ziemlich  aus- 
reichend informirt  sind,  fehlt  es  trotz  mannigfacher  Vorarbeiten 
an  einem  übersichtHchen  Index  der  Handschriften,  welche  Werke 
der  lateinischen  und  modernen  Sprachen  enthalten.  Wollte  man 


Bibl.  üebenlcbt:  »9  (ICadrid).  27 

sich  der  Mühe  unterziehen,  die  von  Ferreira  Gordo,  Haenel, 
Knust,  Gachard,  Eguren,  Amador,  Gallardo,  Ewald,  Loewe- 
Hartel  und  Riano  pubUcirten  Listen  und  Daten  zu  sammehi 
und  zu  sichten  —  und  zwar  nach  der  laufenden  Signatur,  nicht 
nach  den  Autoren  —  so  erhielten  wir  einen  Katalog  von  rund 
zehntausend  Handschriften,  der  für  sämmtliche  Fächer  philolo- 
gischer und  historischer  Forschung  überaus  reiche  Quellen  von 
jetzt  kaum  abzusehender  Bedeutung  böte.  Diese  Zusammen- 
stellung würde  auch  den  Anstoss  geben,  die  Fonds  gerade  der 
älteren  Handschriften  endgiltig  festzustellen.  Wir  haben  bereits 
oben  (sub  I.  A)  bemerkt,  dass  in  dem  Bestände  der  so  sehr 
werthvollen  Handschriften  aus  Toledo  während  der  letzten 
Decennien  eine  Fluctuation  platzgriff,  Handschriften  zu-  und 
wieder  weggeführt  wurden,  so  dass  eine  Fixirung  dessen,  was 
eigentUch  der  Nationalbibliothek  als  bleibendes  Gut  angehört, 
unmöglich  wird  (vgl.  auch  BPLH  I,  p.  540  und  642). 

Da  die  Aufnahme  der  speciell  für  das  Corpus  scriptorum 
ecclesiasticorum  werthvollen  Handschriften  bereits  durch  Loewe 
erfolgt  war,  so  beschränkte  sich  meine  Thätigkeit  auf  die  Be- 
schaffung geringer  Nachträge  (vgl.  BPLH  I,  p.  454 f.,  538  ff.) 
und  die  Collationirung  einiger  wichtigen  Texte.    Diese  sind: 

1.  Aus  cod.  Tolet.  10,  25.    Rufinus,  hist.  tom.  XXI,  col.  391 — 

405  und  541—568  Migne. 
1.  Aus  cod.  Tolet.  2,  1.     Canones  Priscilliani  für  die  Ausgabe 

von  Schepss. 

329.  *Biblioteca  de  la  Real  Academia  de  la  Historia, 

Die  nachfolgende  Zusammenstellung  kann  noch  weniger 
den  Anspruch  machen,  die  sämmthchen  oder  auch  nur  wichtigsten 
über  die  Handschriften  der  Akademiebibliothek  erschienenen 
Publicationen  zu  registriren,  als  die  oben  über  die  National- 
bibliothek gelieferten  Daten.  Eine  derartige  Sammlung,  zweifel- 
los von  grossem  Nutzen,  bildete  allein  ein  selbständiges  Werk. 
Bezüglich  der  immer  häufiger  werdenden  Schenkungen  und 
sonstigen  Acquisitionen  sei  auf  die  Memorias  der  Akademie, 
auf  ValentineUi's  sorgfältigen  Bericht,  sowie  für  die  drei  folgenden 
Decennien  auf  das  Memorial  histörico  espanol  und  das  Boletin 
de  la  Real  Academia  de  la  Historia  verwiesen.  Aus  diesen 
beiden    Annalen    wurden    nur  jene    Notizen    ausgehoben,    die 


28  Yin.  Abhandlung:    Beer.  Handscbriftenscli&txe  Spaniens. 

KAtaloge  oder  eingehendere  Handschriftenbeschreibungen  bieten, 
die  Documentos  inöditos  para  la  historia  de  Espana,  welche 
fast  ausschUesslich  jüngere  Bestände  der  Akademiebibliothek 
zur  Veröffentlichung  bringen,  gar  nicht  berücksichtigt. 

A.  Druckwerke. 

Laborde,  Alexandre  de,  Itin^raire  descriptif  de  TE^pagne. 
Paris  1809,  tome  III,  p.  115  hebt  nur  die  Documentensammlung, 
als  damals  bereits  la  plus  importante  et  la  plus  pr^iense  hervor. 

Haenel  (Catalogi  col.  964  f.)  scheint  die  Bibliothek  nicht 
besucht  zu  haben  und  beruft  sich  auf  Laborde. 

Gachard,  Louis  Prosper,  Rapport  sur  ses  recherches  en 
Espagne.  Compte  rendu  de  s&inces  de  la  Commission  Royale 
d'Histoire  BruxeUes  IX  (1845),  p.  300—312. 

Geschichtlicher  Rückblick  und  ziemlich  ausgedehnte  Ex- 
cerpte  aus  einigen  die  niederländische  Geschichte  betreffenden 
Documenten. 

NoTiciA  de  los  Codices  pertenecientes  ä  los  monasterios  de 
San  Millan  de  la  Cogolla  y  San  Pedro  de  Cardena  remitidos  a 
la  Real  Academia  de  la  Historia  por  la  Direccion  general  de 
fincas  del  Estado.  Memorial  histörico  espanol.  Madrid  1851, 
tom.  n,  p.  IX — XIX. 

Zwei  kurzgefasste  Listen,  die  eine  65,  die  andere  12 
Nummern  enthaltend. 

Eguren  beschreibt  p.  8  — 16  zwei  Bibeln  (mit  reichen 
Auszügen);  p.  48 f.  vier  Psalter;  p.  49  fünf  Codices  escrituarios; 
ibid.  Beatus  in  Apocalypsin;  p.  54  Missale;  p.  56 f.  acht  Codices 
litiirgicos;  p.  57  f.  drei  Devocionarios;  p.  7 7  f.  zwölf  cödices 
canönicos;  p.  82  Gregorii  Moralia  s.  XV  aus  San  Millan  de 
Cogolla  in  2  Bänden  fol.  San  Crisöstomo  s.  X,  Homilias  de  San 
Gregorio  sobre  Ecequiel  s.  IX,  Origines  de  San  Isidoro  s.  X, 
varios  dialogos  de  San  Gregorio,  traducidos  en  castellano,  ä  cuyo 
tratado,  tambien  en  castellano,  van  unidos  unos  sermones  de 
S.  Agustin,  la  historia  de  la  traslacion  del  cuerpo  de  S.  Millan, 
y  la  De  la  traslacion  del  de  Sant  Felices,  s.  XIV;  cödice  anti- 
quisimo  con  los  tratados  de  reprimenda  avaritia,  de  perfecta 
concordia,  y  de  abstinentia  occultanda;  p.  99  f.  verschiedene 
Tumbos:  von  Sobrado,  Santiago,  Pöblet,  San  Vitoriaho,  Cela- 
nova,  Sahagun    (Tumbo  chico  und  grande). 


> 


Bibl.  Uab^rsicht:  229  (Madrid).  29 

Valbntinelli  gibt  p.  30 — 36  einen  Abriss  der  Geschichte 
der  Bibliothek  und  einen  sorgsamen  Nachweis  der  zahbeichen 
dieser  einverleibten  Privatsammlungcn,  auf  welchen  hier  ver- 
wiesen sei.  Ebenso  dankenswerth  ist  die  Liste  der  Publicationen 
der  Akademie^  welche  sich  zum  grossen  Theil  auf  die  ihr  ge- 
hörigen Handschriften  stützen.  Von  der  Rcproducirung  dieses 
Verzeichnisses  musste,  wie  oben  bemerkt,  Umgang  genommen 
werden. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  etc.  beschreibt: 
Tom  II,  p.  66  die  Beatushandschrift  aus  S.  MiUan  de  la  Cogulla 
de  letra  del  siglo  XI,  y  enriquecido  de  miniaturas  e  iniciales 
de   colores:    fu^    escrito   ,tempore   Benedicti    Abbatis   Villi 
Sancti  Emiliani,   per  Albinum  monachum  eiusdem,   in  Aera 
MCCXVF  (1178). 
p.  104.  cod.  Aemilianensis  von  Alvar's  Liber  Scintillarum. 
p.  174  f.    über  den  Cidcodex.     Er  enthält  1.  Historia  a  B.  Isi- 
doro  Juniore  Hispalensi  edita.    2.  Prologus  Isidori  ex  libris 
cronicis  breviter  adnotatis.     3.  Historiae  Galliae  quac  .  .  .  a 
domino  Juliane,  Toletanae  sedis  episcopo,  edita  est.   4.  Gesta 
Roderici    Campidocti.      Eine    Abschrift    dieser    Handschrift 
s.  XV   wird  gleichfalls  in  dieser  BibHothek  Est.  3,   gr.  4'^ 
G  1  aufbewahrt, 
p.  339.  Versus  ad  pueros  (a.  1082)   edirt   aus  der  Handschrift 

Nr.  44  von  San  Millan. 
p.  350.  Himnario  de  Santa  Clara  de  Allariz.     Proben  aus  den 

geretteten  Fragmenten  (vgl.  den  Artikel  Allariz). 
p.  534.  cod.  Salazar  M  142.  Adagios  vulgares. 
Tom.  HI,  p.  242  Fragment  des  Gedichtes  Disputacion  cntre  el 
Cuerpo   y   el   Alma.     Aus   der  BibUothek   von   Monserrate 
(Madrid). 
p.  262.   cod.   Est.  4,   Gr.  1*,   H  18.     Berceo,  Vida   de   Santo 

Domingo.   Pergament  und  Papier  s.  XIV.  Monserrate. 
p.  413.  cod.  E  99.  Lucas  Tudensis,  Corönica,  castilianisch  (aus 

dem  Kloster  Santa  Maria  de  las  Cuevas  zu  Sevilla). 
p.  427.  cod.  Salazar  M  33.    Alte  Abschrift  des  Toledaner  Ori- 
ginals der  Chronica  de  los  Reys  de  Espanna  del  Arzobispo 
Don  Rodrigo. 
p.  563.  cod.  E  37,  gr.  5,  E  Nr.  138  Opusculum  Ildefonsi  Regis 
dei  gratia  Romanorum  ac  Castellae  de  iis,  quae  sunt  neces- 


30  Vm.  Abhandlonf :    Beer.  HandsohriflenscUtxe  Spaniens. 

saria  ad  stabilimentnm  castri  tempore  obsidionis.  Fälschlich 
Alfons  dem  Weisen  zugeschrieben. 

Tom.  m,  p.  648.  cod.  E  26,  gr.  7%  D  181.  Astronomischer 
Tractat,  verfasst  im  Auftrage  Alfons  des  Weisen.  Copie 
(saec.  XVI)  des  Codex  der  Nationalbibliothek  Bb  119. 

Tom.  IV,  p.  134.  cod.  Salazar  G  32  Bemard  Desclot,  Crönicas 
6  Conquestes. 

p.  339.  cod.  D  75  Juan  Garcia,  copilacion  sobre  el  libro  de 
regimine  Principum.  saec.  XV.  Ms.  regalado  a  don  Inigo 
Lopez  de  Mendoza,  quinto  duque  del  Infantado. 

p.  596.  cod.  Est.  27,  gr.  3,  E  78.  Juan  Manuel,  El  Conde 
Lucanor.  Cf.  p.  598  ss. 

Tom.  V,  p.  151.  Lopez  de  Ayala,  libro  de  la  cetreria. 

Tom.  VI,  p.  314.  Codex  aus  S.  Millan  de  la  Cogulla,  welcher 
enthält:  1.  Los  Dialogos  de  San  Gregorio  traducidos  por 
fray  Gonzalo  de  Ocana.  2.  Los  Sermones  de  San  Augustin, 
transferidos  al  romance.  3.  La  Istoria  de  San  Millan.  4.  La 
Istoria  de  la  translacion  del  cuerpo  de  San  Felices. 

p.  401.  Fernando  de  Valencia,  cartas. 

p.  534.  cod.  Est.  25,  gr.  6,  C  114.  Cancionero  de  Juan  Alvarez 
Gato.    Ueber  denselben  vgl.  tom.  VII,  p.  124. 

Tom.  VII,   p.  327.  Andreas  Bernaldez,   Crönica  de  los   Reyes 

Catölicos. 
p.  382  f.    cod.   Salazar  L    75.    Historia  del  cavallero  Marsindo 

saec.  XVIinit. 

BoRAo  gibt  p.  79  die  Zahl  der  zu  seiner  Zeit  in  der 
AkademiebibUothek  befindlichen  Codices  auf  1500  an. 

GuTiERREz  DB  LA  Vega,  BibHotcca  Venatoria,  Madrid  1871, 
tom.  I  registrirt  unter  den  Nummern  4,  67  und  98  Handschriften 
der  Akademie,  welche  das  Jagdwesen  betreffen. 

Gachard,  Louis  Prosper,  Les  bibliothfeques  de  Madrid  et 
de  TEscurial.  Notices  et  extraits  des  manuscrits  qui  concement 
rhistoire  de  Belgique.  Bruxelles  1875.  4®. 

P.  XXXrV  der  Einleitung  nennt  Gachard  dieselbe  Zahl 
von  Handschriften  wie  Borao  und  gibt  einen  ausfllhrlichen  Be- 
richt über  den  Fonds  Salazar  und  seine  Gründer.  P.  541 — 556 
wird  eine  detaillirte  Beschreibung  von  14  Handschriften  dieser 
Sammlung  mitgetheilt. 


) 


Bibl.  ücbeniobt:  SM  (Madrid).  31 

Indige  de  los  manoscritoS;  que  poseyö  la  biblioteca  de 
San  Isidro  y  fiieron  trasladados  d  la  de  las  Cortes.  Revista  de 
Archivos  VI  (1876),  p.  14—16  (Nr.  1—41);  p.  29—32  (Nr.  42 
—93);  p.  69—72  (Nr.  94—167);  p.  111—112  (Nr.  168—196); 
p.  199—200  (Nr.  197—222);  p.  214—216  (Nr.  223—268); 
p.  230—232  (Nr.  269—370);  p.  245—248  (Nr.  371—439); 
p.  262—264  (Nr.  440—561);  p.  278—280  (Nr.  562—638); 
p.  294—296  (Nr.  639—698);  p.  310—311  (Nr.  699—1313).  Die 
übrigen  Nummern  bis  2213  sind  Druckwerke. 

Sehr  dankenswerther  und  ziemlich  ausführlicher  Katalog. 
Die  Handschriften  befinden  sich  jetzt  in  der  Real  Academia 
de  la  Historia. 

Graüx,  Rapport  nennt  p.  113  acht  griechische  Hand- 
schriften und  specificirt  sie  p.  124  (deux  rouleaux,  plus  six 
Codices). 

Amador  de  los  Rios,  La  pintura  en  pergamino^  en  Espana^ 
hasta  fines  del  siglo  XIU^  Museo  Espanol  de  Antiguedades 
tom.  m  (1874)  p.  1 — 41,  behandelt  p.  11  das  Missale  aus  S.  Millan 
de  Cogolla,  welches  er  der  ersten  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  (!) 
zuweist,  p.  13  den  Beatuscodex,  p.  16  ein  Lectionarium  s.  XII. 

Ewald  gibt  p.  330  ff.  zunächst  Beschreibungen  von  Hand- 
schriften aus  den  Fonds  Cogolla,  Cardena  und  Isidro,  hierauf 
die  Geschichte  des  berühmten  Rangeriuscodex,  endlich  (p.  338  ff.) 
eine  ausftlhrliche  Mittheilung  ,Vario8  bibliograficos'  betitelt, 
speciell  über  einen  Sammelband,  mit  Est.  27,  gr.  4»  E.  N.  122 
signirt,  der  ftlr  Geschichte  des  literarischen  Lebens  in  Spanien 
während  der  letzten  Jahrhunderte  von  unschätzbarem  Werth 
ist  und  mit  drei  weiteren  Bänden  (Palomar's  Paläographie) 
durch  eine  Fülle  von  Katalogen  und  Facsimiles  von  theilweise 
verlorenen  Handschriften  eine  Urkundenquelle  ersten  Ranges 
bietet.  Diese  näher  einzusehen,  mangelte  mir  leider  die  Zeit; 
fiir  einen  weiteren  Ausbau  unserer  Kenntnisse  über  spanisches 
Handschriftenwesen  wird  sie  jedoch  in  erster  Linie  Gegenstand 
eingehenden  Studiums  bilden  müssen. 

Das  BoLETiN  de  la  Real  Academia  de  la  Historia  bringt 
alljährlich  in  einer  eigenen  Abtheilung  Nachricht  über  die 
Acquisitionen  der  Bibliothek.  Von  wichtigeren  Artikeln  heben 
wir  hervor:  Tom.  H,  p.  14  über  einen  der  Akademie  ge- 
schenkten Codex  ,Santa  Inös'  (lyrisches  Drama  en  verso  pro- 


32  VIII.  Abhandlung:    Beer.  HondscbrifteoschAtze  Spftoieni. 

vencal)  s.  XIU;  Tom.  V  (1884),  p.  134  ff.  aus  Cod.  A  189, 
Est.  23,  gr.  7%  fol.  99—136  GU  de  Zamora;  Tom.  Vni  (1886), 
p.  499  Ankauf  von  un  cödice  en  vitela  con  miniaturas,  de 
fines  del  siglo  XV,  cn  quo  se  contienen  constituciones  de  la 
Hermandad  de  la  Caridad  y  Misericordia  de  Sevilla.  Vgl. 
noch  ibid.  III  353 — 360  (Fita,  über  einen  Becerro  götico  und 
galicano). 

Carini  I,  p.  101 — 105.  Geschichte  und  PubHcationen  der 
Akademie;  p.  105 ff.  Bibliothek,  Bestände,  Handschriften;  p.  113 
bis  121  Acten  und  Documente,  vorzüglich  mit  Rücksicht  auf 
italienische  Geschichte  ausgewählt. 

Rada  y  Dblqado,  Juan  de  Dios  de  la,  Bibliografia  nu- 
mismätica  espanola.  Madrid  1886. 

Handschriften  der  Akademiebibliothek  benützt  p.  139, 
140,  142,  173  u.  ö. 

Hartel-Lobwe,  p.  482 — 523:  Handschriften  des  Fonds 
San  Millan  de  Cogolla;  p.  523 — 525:  San  Pedro  de  Cardeüa. 
Diese  Beschreibungen  bilden  die  Perle  der  ganzen  Arbeit. 

RiANO,  Critical  and  bibliographical  not^s  on  early  spanish 
music.  London  1887. 

Beschrieben  sind:  cod.  F  228,  De  reprimenda  avaritia;  De 
perfecta  concordia;  de  abstinentia  occultanda  p.  26;  F  219, 
Choir  book  p.  34. 

B.  Schriftproben. 

Amador,  Historia  critica  etc.  veröffentlicht  folgende  Proben: 

Tom.  n.  Versus  ad  pueros  aus  cod.  Aemilianensis  Nr.  44,  a.  1082 
Gesta  Roderici  Compidocti  (cf.  p.  174  desselben  Bandes). 

Tom.  in.  Disputacion  del  alma  y  cuerpo  (cf.  p.  242  d.  B.)  Vida 
de  Sto  Domingo,  cod.  IV,  1.  H  18. 

Tom.  Vn.  Alvarez  Gato  (Cancionero,  cod.  C  114,  vgl.  tom.  VI, 
p.  534  und  VH,  124)  ,Vida  de  Talavera'. 

Razonamientos.  Historia  del  Caballero  Marsindo  (cod.  Sa- 
lazar  L.  75). 

GoDOY  AlcAntara,  Josä,  Iconografia  de  la  Cruz  y  del 
Crucifijo  en  Espaiia,  Museo  Espanol  de  Antiguedades  tom.  HI 
(1874),  p.  65ff.  bietet  das  Facsimile  einer  Seite  aus  dem  alten 
Missale  de  Cogulla.     Beschreibung  desselben  p.  70  ff. 


BibL  Uebwiicbt:  »9  (M»drid).  33 

MuKOz  Y  RiYERO,  Paleografia  Visigoda,  Madrid  1881,  gibt 
Lam.  X  mehrere  Proben  aus  dem  ,cödice  biblilico  s.  X'  der 
Real  Academia  de  la  ECstoria. 

Ewald  et  Lobwe,  Exempla  scripturae  Visigoticae  Tab.  XXI, 
Cassiani  collationes,  F  188;  Tab.  XXII,  Isidori  Etymologiae, 
F  194;  Tab.  XXIV,  Glossae  latinae,  F  212;  Tab.  XXV,  Biblia, 
F  186;  Tab.  XXXV,  Liber  comitis,  F  192;  Tab.  XXXVI,  S.  Aide- 
foDsi  vita,  F211. 

Tailhan,  J(ulb8),  Chronique  rim^e  des  demiers  rois  de 
Tolfede  et  de  la  conquÄte  de  TEspagne  par  les  Arabes,  edit^e 
et  annoteÄ,  Paris  1885  fol. 

Enthält  die  vollständige  Reproduction  der  ,Epitoma  Impe- 
ratorum*  ans  der  ehemals  Zaragozaner,  jetzt  in  der  Akademie- 
bibliothek aufbewahrten  Handschrift  (vortreffliche  Lichtdrucke 
von  Dujardin).    Beschreibung  der  Handschrift  ibid.  p.  XVU. 

RiANO  (vgl.  oben)  bietet  folgende  Facsimilia:  p.  25  Muz- 
arabic  Breviary,  F  190;  p.  30  Muzarabic  manual,  F  224;  p.  39  f. 
Roman  Missal,  F  185. 

Referent  hat  die  Bibliothek  besucht,  in  derselben  keine 
eigentlichen  Arbeiten  ausgeführt,  da  die  für  das  Corpus  noth- 
wendigen  Handschriftenbeschreibungen  bereits  von  Loewe  er- 
ledigt worden  waren;  auch  wurden.zu  der  behufs  Untersuchung 
und  Vergleichung  einiger  Handschriften  in  Aussicht  genommenen 
Zeit,  im  Frühjahre  1888,  gerade  umfassende  Installationen  und 
Reparaturen  in  der  Bibliothek  vorgenommen,  welche  die  Be- 
lästigung der  vielbeschäftigten  Bibliotheksbeamten  von  meiner 
Seite  als  unzeitgemäss  erscheinen  liessen.  Die  Bibliothek  wurde 
dem  Cuerpo  de  bibliotecas  p&blicas  eingereiht,  in  gewissem  Sinne 
verstaatlicht. 

Aus  den  früher  erwähnten  Daten  über  die  Varios  biblio- 
gräficos  erhellt,  dass  mit  Exploitirung  der  Fonds  CoguUa,  Car- 
dena  und  Isidro  das  in  der  Akademiebibliothek  aufgespeicherte 
Material  durchaus  nicht  erschöpft  sei.  Eine  überwältigende 
Masse  von  Manuscripten  und  Sammlungen  verschiedener  Ge- 
lehrter des  vorigen  und  dieses  Jahrhunderts  erschliesst  die 
Kenntniss  einer  ganzen  Reihe  älterer  BibUotheken  und  gibt 
reiche  Auszüge  aus  Tausenden  heute  zum  Theile  verlorenen 
Handschriften  und  Urkunden.   Die  bedeutendsten  dieser  Fonds, 

Sitanngsber.  d.  pbil.-hist.  Ol.  CXXYIII.  Bd.  8.  Abb.  8 


34  VIII.  Abhandlong:    Beer.  IlMidschriftonscbitze  Spaniens. 

zumeist   mit   den  Namen    der  Sammler  oder  Eigenthtimer  be- 
zeichnet^ sind  folgende:^ 

1.  Luis  de  Salazar  y  Castro.  2.  Antonio  Mateos  Murillo. 
3.  Luis  Josi  Velazquez,  marqu^s  de  Valdeflores.  4.  Gaspar 
Melchior  de  Jovellanos.*  5.  Joaquin  de  Traggia.  6.  Manuel 
Abella.  7.  Manuel  Abad  y  la  Sierra.  8.  Francisco  Martinez 
Marina.  9.  Juan  Sobreira.  10.  Josä  Vargas  Ponce.  11.  Jaime 
Villanueva.  12.  Coleccion  de  escrituras  y  privilegios  de  las 
iglesias  de  Espaua^  auch  unter  dem  Namen  ^Gayoso^  bekannt. 
13.  Vicente  Salvd. 

230.  Biblioteca  de  la  Real  Academia  Espafiola, 

Valbntinelli  p.  38 :  alcuni  codici  manoscritti,  che  servirono 
per  le  pubblicazioni  dell' Academia,  ed  i  lavori  degli  Accademici; 
p.  118  heisst  es  von  dem  Fuero  juzgo  von  Murcia:  conservasi 
ora  con  altri  simili  di  altre  biblioteche,  fra'  libri  dell'  Academia 
Reale  spagnuola. 

331.  Biblioteca  de  la  Academia  Matritense  de  Jv/nspru- 
dencia  y  Legislacion. 

Indice  de  las  obras  existentes  en  la  biblioteca  de  la  Aca- 
demia Matritense  de  Jurisprudencia  y  Legislacion.  Madrid  1850. 8^. 

In  der  eigentlichen  Liste  sind  Handschriften  nicht  ver- 
zeichnet, doch  heisst  es  in  den  Adventencias:  Ademds  de  la 
coleccion  de  libros  i  impresos  que  posee  la  Biblioteca  de  la 
Academia,  contribuyen  tambien  ä  enriquecerla  considerable 
ndmero  de  memorias  manuscritas,  redactadas  sobre  temas  de 
derecho. 

ToRRBS  Campos,  Mandbl,  Catdlogo  sistemätico  de  las  obras 
existentes  en  la  Biblioteca  de  la  Academia  de  Jurisprudencia. 

War  mir  nicht  zugänglich.  Vgl.  Revista  VI  (1876),  p.  393. 

232.  *  Biblioteca  del  Nomciado  de  la  ühiversidad  Central, 

Die  Universität,  welche  an  Stelle  der  alten  Complutensis 
in  Madrid  1836  errichtet  wurde,  ist  auch  Erbin  der  berühmten 


^  Yerzeichniss  bei  Valentinelli ,  Carini  und  auch  in  der  Coleccion  de 
Fueros  j  Cartaspneblas.  Madrid  1852.  p.  Yll,  welch  letztere  uns  als 
Grundlage  diente. 

•  Bei  ValentinelU  irrig  Torellanos. 


I 


Bibl.  Uebenicht:   SSO— 238  (Madrid).  35 

Bibliothek  von  AlcaU.^  Ueber  die  frühere  Geschichte  dieser 
Sammlung  ist  unter  dem  Artikel  Alcaiä  nachzusehen.  Eine 
Reihe  neuerer  Forscher  haben  über  den  heutigen  Bestand  zu- 
verlässige Kunde  gegeben. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

Ueber  eine  Ergänzung  zum  gedruckten  Eiitalog  Villa- 
AmiPs  berichtet  das  Anuario  I,  p.  169:  Posteriormente  se  ha 
hecho  otro  Catälogo  referente  ä  papeles  del  tiempo  de  Cisneros, 
cuyo  original  se  halla  en  el  Ministerio  de  Fomento  por  haberse 
acordado  su  impresion  por  cuenta  del  Estado;  d  pesar  de  todo; 
atin  restan  bastantes  manuscritos  para  completar   este   trabajo. 

B.  Druckwerke. 

Heine  (Serap.  VIH  [1847],  p.  104)  fand  bei  seinem  Auf- 
enthalt in  Madrid  1841  ,nur  die  Handschriften  erst  ausgepackt 
und  in  einem  Zimmer  der  Madrider  Universitätsbibliothek  auf- 
gestellt^  Er  erwähnt  die  Cisnerosbriefe  und  notirt  kurz  weitere 
21  Handschriften. 

Knust^  Archiv  VHI,  p.  808 — 809.  Liste  einiger  Manu- 
scripte. 

EoüREN  beschreibt  p.  16 — 18  zehn  Bibeln  und  p.  79  den 
cödice  conciliar  aus  dieser  Sammlung. 

Amador  DB  LOS  Rios,  HistoHa  critica  etc.,  tom.  HI,  p.  629 
über  die  Handschrift  der  Tablas  Alfonsinas  .  .  .  ,magnifico  Ms. 
formado  sin  duda  durante  el  reinado  del  mismo  don  Alfonso 
con  admirable  lujo  y  pulcritud'.  Tom.  V,  p.  334  über  einen 
Codex  der  Edades  Trovadas  de  Pablo  de  Santa  Maria,  von 
dem  auf  der  Schrifttafel  einige  Proben  gegeben  werden. 

Valentinblli,  p.  45  zählt  ,quasi  quatro  cento  codici'. 

BoRAO  gibt  p.  71  f.  einige  statistische  Notizen  und  bespricht 
einige  Cimelien.  Das  weitläufig  beschriebene  grueso  y  lujoso 
Volumen  ist  offenbar  identisch  mit  den  sogenannten  Tablas  del 
Rey  Don  Alfonso  (Nr.  156  bei  Villa- Amil). 

In  der  Revista  de  la  Universidad  de  Madrid  tom.  V  (1875), 
Nr.  6  findet  sich  der  Katalog   eines  Theiles  der  Handschriften 


^  Die  Bibliothek  wurde  erst  1841  nach  Madrid  überführt;  vgl.  Anuario  I, 
p.  167. 

3» 


36  Vni.  AbbandloBg:    Beer.  HuidsebriilensoUtse  Spanien«. 

der  Universität.     Die  Arbeit  Villa-Amil's  bedeutet   eine   neue 
Inangriffnahme  dieser  Aufgabe. 

Graux^  Rapport  p.  125  berichtet  über  neun  griechische 
Handschriften. 

La  Füentb,  Vicbntb  de  la,  Cubiertas  de  plata  de  las  obras 
originales  de  Santo  Tomas  de  Villanueva.  Museo  Espanol  de 
Antiguedades  IV  (1875),  159—166. 

Zunächst  einige  Bemerkungen  über  die  Schicksale  der 
Bibliothek,  ihre  Cimelien,  darunter  die  Einbanddecken  der  Werke 
Villanueya's  aus  Silber.  Die  Abbildung  ist  nach  einem  1845 
genommenen  Facsimile  angefertigt.  Die  Platten  selbst  wurden 
mit  anderen  Kostbarkeiten  am  26.  August  1856  entwendet  und 
nicht  wieder  zu  Stande  gebracht. 

Villa- Amil  t  Castro,  Josä,  Catälogo  de  los  manuscritos 
existentes  en  la  Biblioteca  del  Noviciado  de  la  Universidad 
Central.  Parte  I  (un.)  Codices.  Madrid  1878. 

Der  Katalog  beschreibt  160  Codices,  die  sich  folgender 
massen  vertheilen:  A  1 — 21  Hebreos;^  B  22 — 30  Griegos; 
C  31—147  Latinos,  und  zwar:  31—79  Teologia;  80—101  De- 
recho;  102 — 115  Ciencias  filosöficas,  morales  y  politicas;  116 
bis  125  Ciencias  fisicas,  m^dicas  y  matemäticas ;  126 — 133 
Linguistica,  poesia  y  epistolarios;  134—147  Historia  y  biografias; 
D  I  148—160  Castellanos. 

Der  Katalog,  welcher  sich  über  so  verschiedenartige 
Fächer  ausbreitet,  ist  mit  anerkennenswerther  Sorgfalt  verfasst, 
überhaupt  eine  der  besten  spanischen  Arbeiten  auf  diesem 
Gebiete.  Leider  steht  die  Publication  des  zweiten  Theiles, 
welcher  die  übrigen  Manuscripte  der  Sammlung  behandeln  soll, 
noch  aus.  Ein  summarisches  Verzeichniss  (p.  DI  f.)  führt  fol- 
gende noch  zu  bearbeitende  Fonds  an: 

Sesenta  y  ocho  voldmenes  de  obras  teolögicas  juridicas  y 
filosöficas,  escritas  en  latin  en  los  siglos  XVI,  XVII  y  XVHI; 
en  49  y  encuademados  en  pergamino. 

Cuatro  id.  id.  en  fölio,  encuademados  en  pasta. 

Treinta  y  siete  de  obras,  en  castellano,  de  asuntos  muy 
diverses,  y  en  general  interesantes,  de  los  tres  Ultimos  siglos; 
en  fölio  y  4®,  con  diferentes  encuademaciones. 


*  Zur  Heraasgabe  der  Polyglotte  benützt 


I 


BibL  Ueberaicht:   282  (Madrid).  37 

Un  Volumen  de  Sermones^  escritos  en  latin,  de  Sto  Tomas 
de  Villanueva;  que  se  han  tenido  como  autögrafos  suyos:  acerca 
de  lo  cnal  debe  verse  la  monografia  sobre  las  ricas  tapas^  que 
äntes  cubrian  este  Ms.,  publicada  por  el  senor  D.  Vicente  de 
la  Fuente   en   el  Museo  Espanol   de  Antignedades  (vgl.  oben). 

Otro  de  cartas  firmadas  por  el  cardenal  Cisn^ros  (publi- 
cadas  d  costa  del  Estado  por  los  Sres  D.  Pascual  Gayangos  y 
D.  Vicente  de  la  Fuente). 

Otro  de  cartas  de  los  secretarios  del  mismo  Cardenal 
(publicados  como  los  anteriores). 

Otro  de   cartas   dirigidas   al  proprio  Cardenal. 

Un  legajo  de  otras  cartas  companeras  de  ^stas^  com- 
prensivo  de  137. 

Tres  tomos  con  papeles  referentes  a  la  conquista  de  Orän, 
&  la  conversion  de  los  moriscos  y  al  alistamento  de  1502. 

Uno  con  el  original  de  la  obra  biogräfica  de  Cisn^ros, 
Archetypo  de  virtudes,  por  Quintanilla. 

Otro  con  el  de  la  que,  sobre  el  propio  asunto,  escribiö 
Alvar  Gomez. 

Diez  y  ocho  con  papeles  referentes  d  la  genealogia,  historia 
y  beatificacion  de  Cisneros. 

Treinta  y  seis  con  documentos,  de  todas  äpocas,  de  los 
colegios  de  AlcaU. 

Ochenta  y  un  tomos  de  varios,  en  que  alteman  con  los 
MSS.  impresos  de  no  escasa  importancia. 

Unos  treinta  gruesos  legajos  en  los  que  se  contienen  papeles 
de  gran  inter^s  histörico. 

Also  ergibt  sich  mit  den  von  Villa -Amil  tom.  I  ver- 
zeichneten Nummern  ein  Gesammtbestand  von  444  Hand- 
schriften (Bänden). 

Zangemeistbr,  Otto,  Zur  Weltchronik  des  sogenannten 
Severus  Sulpicius,  Rhein.  Museum  XXXTTT  (1878)  p.  322  ff. 
berichtet  eingehend  über  den  Chroniken  -  Codex  E.  26.  N.  75 
nach  Mittheilungen  des  Professor  Dr.  Otto  Waltz.  Vgl.  Ewald 
p.  327. 

Ewald  verzeichnet  (p.  321 — 329)  eine  Reihe  von  Hand- 
schriften. 


38  Yin.  Abhandlung :     Beer.  Handschrifteosch&txe  Spaniens. 

Anüakio  del  cuerpo  facultativo  I  (1881),  p.  163  ff.  ver- 
lässliche Mittheilungen  über  Geschichte  und  Bestände  der  Biblio- 
thek  und  p.  170  eine  Aufzählung  der  werth vollsten  Handschriften. 

Loewb-Hartel,  p.  536   über   einen  jüngeren   Fulgentius- 

codex. 

C.  Schriftproben. 

Amador's  Facsimile  vgl.  oben. 

Villa- Amil  y  Castro,  Area  de  Noe,  Huminacion  del  Cödice 
de  la  Biblioteca  del  Noviciado  que  contiene  el  Breviarium 
hystorie  catholice  del  Arzobispo  Don  Rodrigo  Jimenez  de  Rada. 
Museo  Espanol  de  Antiguedades  tom.  IX,  p.  687. 

In  der  Einleitung  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Ge- 
schichte der  Handschriften,  welche  sich  theilweise  mit  der  Vor- 
rede zum  Kataloge  decken.  Hierauf  Besprechung  des  Manu- 
scriptes.  Dem  mir  vorliegenden  Exemplar  des  Museo  fehlt 
leider  die  Tafel  zu  dieser  Abhandlung. 

Der  Katalog  Villa-Amil's,  dessen  Werth  bereits  von  ver- 
schiedenen Seiten  (Ewald  p.  321,  Hartel-Loewe  p.  536)  ge-^ 
würdigt  wurde,  überhob  mich  einer  nochmaligen  Aufnahme 
aller  Handschriften,  zumal  verschiedene  Stichproben  ergaben, 
dass  die  Notizen  desselben  für  die  Zwecke  des  Corpus  aus- 
reichen, und  dass  die  nicht  in  den  (allein  gedruckten)  ersten 
Theil  des  Kataloges  aufgenommenen  Manuscripte  ausser  den 
Bereich  unserer  Untersuchung  fallen.  Ich  beschränkte  mich 
daher  auf  eine  im  Auftrage  der  Akademie  erfolgte  CoUation 
verschiedener  Stellen  der  Canones  PrisciUians  aus  dem  cod.  32 
(vgl.  p.  XXXVI  f.  der  Schepss'schen  Ausgabe). 

233.  Ärchivo  hiat&rico  Nacional, 

Eine  Schöpfung  aus  moderner  Zeit  und  dazu  bestimmt, 
zunächst  die  Documente  und  Acten  der  aufgehobenen  Klöster 
aufzunehmen,  vereinigt  das  Archiv  auch  verschiedene  Hand- 
schriftenfonds, insbesondere  eine  reiche  Zahl  von  Tumbos,  welche 
auch  das  hier  behandelte  Gebiet  berühren. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

Inventario  de  los  Codices  procedentes  de  la  Catedral  de 
ÄvUa.  Vgl.  Ewald  p.  350. 


Bibl.  Uebersicht:  288  (Madrid).  39 

B.  Druckwerke. 

Hauptquelle  flir  Daten  über  diese  Sammlung  ist  die: 

Rbvista  de  Archivos.  Tgm.  I  (1871),  p.  12—15  und  28—29. 

Auszüge  aus  einem  Codex:  Fundacion  6  inventarios  del 
monasterio  San  Miguel  de  los  Reyes. 

Ibid.  p.  39  Bericht  über  Einverleibung  von  92  Hand- 
schriften der  Kathedrale  zu  Avila:  adomados  la  mayor  parte 
con  profusion  de  orlas,  vinetas  y  letras  capitales  iluminadas,  6 
importantisimas,  no  solo  bajo  el  punto  de  vista  literario,  sino 
tambien  para  el  estudio  de  las  artes,  indumentaria,  mobiliario, 
usos  y  costumbres  de  la  Edad  Media.  Figuran  entre  ellos 
muchos  tratados  de  derecho  civil  y  canönico,  ofreciendo  especia- 
lisimo  interes  una  version  castellana  del  Cödigo  de  Justiniano^ 
hecha  en  el  siglo  XHI,  y  no  pocas  otras  obras  curiosas  i  in- 
^ditas  de  diferentes  materias. 

Ibid.  p.  49  werden  Capitalbuchstaben  eines  Infortiatuscodex 
s.  XIV — XV  aus  Avila  reproducirt  und  eine  interessante  Ver- 
pfändungsnotiz  dieses  Codex  mitgetheilt. 

Ibid.  H,  p.  145—151;  161—166  J(o8Ä)  M(aria)  E(scuderos) 
de  la  P(ena)  über  El  Archive  de  UcWs,  welches  aus  der  Casa 
conventual  de  la  Orden  de  Santiago,  einem  ,z weiten  Escorial', 
nach  dem  Archivo  Histörico  überführt  wurde;  der  Autor  resumirt 
p.  165,  die  Bereicherung  des  Archivo  Histörico  Nacional  durch 
den  Fonds  Ucl&  besprechend :  se  ha  enriquecido  de  esta  manera 
con  31  Codices  griegos  en  papel,  .  .  .  y  que  por  su  mayor  parte 
llevan  nota  de  haber  sido  donados  ä  la  Casa  de  Ucläs  por  el 
arzobispo  de  Valencia,  D.  Martin  de  Ayala.  A  estos  hay  que 
anadir  otros  23  Codices  latinos,  escritos  casi  todos  en  pergamino 
ö  vitela  y  en  letra  de  los  siglos  XIII  al  XVI;  y  por  ultimo, 
una  coleccion  de  22  tomos  de  opiisculos  y  papeles  varios  sobre 
diversas  materias,  y  que  datan  de  las  XVII  y  XVIH  centurias. 

Ibid.  IV,  p.  3f.  Mittheilungen  über  einen  Codex  vdrios 
aus  Avila,  femer  ein  umfangreicher  Abdruck  (p.  7 — 10;  21 — 25; 
38—41;  54—56;  67—69;  83—86;  99—101;  114—117;  132— 
134)  des  interessanten  Verzeichnisses:  Libros  del  estudio  del 
Excmo  senor  duque  de  Calabria  aus  dem  Re vista  I,  12  be- 
schriebenen Codex.  795  Nummern,  vom  Herzog  dem  Kloster 
San  Miguel  de  los  Heyes  geschenkt,  von  denen  ein  Theil  in 


40  Ym.  Abh&ndliing:    Beer.  Handscbriftenscliitxe  Spukiens. 

die  Universitätsbibliothek  Valencia  kam.  Diesen  sind  im  Ver- 
zeichniss  Sternchen  beigedruckt. 

Villa  Amil  t  Castro  ^  Los  Codices  de  las  Iglesias  de 
Galicia  en  la  Edad  Media,  Madrid,  1874  benutzt  (vgl.  p.  9ff.,  73 ff.) 
folgende  Tumbos  des  Archivs:  von  dem  Monasterio  de  Meyra; 
Osera  (zwei  Exemplare);  Santa  Maria  de  Sobrado;  San  Salvador 
de  Celano va;  San  Salvador  de  Villanueva  de  Lorenzana;  San 
Martin  de  Jubia;  Mondonedo;  Lugo. 

Indicb  de  los  documentos  del  Monasterio  de  Sahagan  de 
la  Orden  de  San  Benito  y  Glosario  y  Diccionario  Öeogräfico 
de  voces  sacadas  de  los  mismos.  Publicados  por  el  Archivo 
Histörico  Nacional.  Madrid  1874.  4®. 

Verzeichnet  auf  p.  680ff.,  Nr.  2525  Libro  beeerro  de  Saha- 
gun  titulado  Liber  testamentorum  Sancti  Facundi  aus  dem  Jahre 
1110  (vgl.  Schriftproben),  Nr.  2526  Beeerro  11  del  monasterio  de 
Sahagun  s.  XIV,  Nr.  2527  Protocolo  de  las  escrituras  (um  1500), 
Nr.  2528  Registro  de  las  escrituras  s.  XVI,  Nr.  2529  Indice  de 
escrituras  s.  XVI,  Nr.  2530  Libro  de  los  Becerros  s.  XVI, 
Nr.  2531  Indice  de  los  documentos  por  örden  de  cajones  y 
legajos  .  .  .  sowie  noch  zwei  jüngere  Indices. 

Graux,  Rapport  p.  125  f.  über  29  griechische  Handschriften 
des  Archivs  aus  dem  Fonds  UcWs. 

Graux,  Essai  p.  277  und  290  über  den  Fonds  Ayala  (Uclds). 

Ewald  p.  350 — 358  beschreibt  zuerst  sechs  Handschriften 
aus  Ävila  und  gibt  dann  Mittheilungen  über  den  Fonds  Sahagun. 

Anuario  del  Cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I,  Madrid 
1881,  gibt  p.  27—30  officielle  Daten  über  Gründung  des  Ar- 
chivs und  die  einverleibten  Handschriften-  und  Documenten- 
sammlungen  aus  zahlreichen  Eiöstern.  Tom.  H,  p.  21 — 23  miacht 
Mittheilung  über  den  Fortschritt  der  Arbeiten  im  Archive;  ein 
darauf  folgender  Ap^ndice:  Codices  y  manuscritos  zählt  (p.  23 
— 33)  eine  Reihe  von  Handschriften  auf;  die  Liste  ist  nicht  voll- 
ständig (die  Codd.  aus  Avila  z.  B.  fehlen),  aber  dankenswerth,  da 
sämmtliche  Tumbos  (nach  den  Namen  der  Klöster  oder  Städte, 
denen  sie  gehörten,  alphabetisch  geordnet)  aufgeführt  erscheinen. 

Carini  p.  99  f.  Errichtung  und  Bestände  des  Archivs; 
Scritture  per  Sicilia. 

Loswe-ELlrtel  p.  525 — 533  Genaue  Beschreibung  der  ein- 
schlägigen Handschriften  aus  Avila  (meist  s.  XIV  und  XV). 


Bibl.  üebenicht :   28S— 235  (Madrid).  41 

C.  Schriftproben. 

Einige  Proben  in  der  Revista  tom.  I,  p.  49  (vgl.  oben). 

MuNOz  Y  RivERO,  Paleografla  visigoda^  Madrid  1881.  Läm. 
XrV.  Becerro  götieo  de  Sahagun  escrito  1110,  fol.  122. 

Die  durch  Loewe  erfolgte  Erledigang  der  flir  das  Corpus 
in  Frage  kommenden  Arbeiten  überhob  mich  weiterer  Nach- 
forschungen in  dem  Archiv. 

234.  Museo  arqueolögico  nacianal, 

Ueber  die  ELandschriften  des  Museums,  welche  leider  in 
den  ofBciellen  Berichten  des  Anuario  keine  Berücksichtigung 
fanden,  besitzen  wir  nur  die  Mittheilungen  von 

Ewald  p.  353  f.  über  die  Bibel  aus  Huesca  und 
Lobwb-Hartel  p.  534 — 536,  wo  drei  Handschriften  (dar- 
unter die  Bibel)  beschrieben  werden.^ 

335.  Bihlioteca  de  loa  estudioa  Reales  de  San  Isidro 
(Facultad  de  filosofia  y  letras). 

Die  Bibliothek  ist  heute  fast  aller,  zum  Mindesten  der 
wichtigsten  Manuscripte,  die  sie  einst  geborgen,  beraubt.  Die 
Handschriftensammlung  hat  verschiedene  Auftheilung  erfahren; 
das  wissenschaftliche  Institut  selbst,  als  eines  der  ältesten  der 
Hauptstadt,  hat  seine  eigene  Geschichte;  diese  Umstände  recht- 
fertigen es,  wenn  wir  die  Bibliothek  in  einem  selbstständigen 
Artikel  behandeln. 

(Kaufhold,  Anton)  Spanien,  wie  es  gegenwärtig  ist.  Gotha 
1797,  Th.  n,  p.  165—167. 

Kurze  historische  Notiz  und  Beschreibung  der  inneren 
Einrichtungen. 

Haenel,  Catalogi  col.  975  theilt  eine  Reihe  von  Hand- 
8chrift;en  aus  dieser  Sammlung  in  gewohnter  knapper  Be- 
schreibung mit. 

VOGBL,  p.  479. 

B^NUST  erwähnt  die  Bibliothek  kurz  p.  189. 

^  (Fita  y  Ck)loin^,  Fidel),  Bosquejo  de  la  Elxposiciön  Histörico-Europea, 
Madrid  1892,  p.  57  verzeichnet  unter  den  vom  Museum  ausgestellten 
Objecten  ausser  der  Bibel  noch  ein  Misal  manuscrito  que  pertenecis  al 
Monasterio  del  Paular  und  Comentarios  de  la  Sagrada  Escritura,  con 
interesantes  miniaturas,  s.  XIY. 


42  VIII.  Abhandlnog:    Beer.   Handschriftensch&txe  Spaniens. 

Valbntinelli,  p.  43  ff.  gibt  Aufschlüsse  über  die  wechsel- 
voUen  Schicksale  der  Bibliothek.  Seine  Angaben  über  die 
Manoscripte  stützen  sich  auf  Haenel. 

BoRAo  liefert  p.  71  gleich  Valentinelli  einen  geschichtlichen 
Rückblick  und  sagt  mit  Bezug  auf  die  Handschriften:  Tiene 
algunos  manuscritoS;  y  la  copia  de  uno  de  ellos  ha  servido  para 
que  se  publicase  en  nuestros  dias,  por  primera  vez,  la  novela 
de  Cervantes,  que  lleva  por  titulo  La  Tia  fingida.  lieber  Be- 
reicherung der  Bibliothek  del  Noviciado  durch  Werke  aus  San 
Isidro  ibid.  p.  72. 

QuAux,  Rapport,  erwähnt  die  Bibliothek  nur  in  seiner 
Liste  p.  113. 

Indicb  de  los  manuscritos  que  poseyö  la  biblioteca  de  San 
Isidro  y  fueron  trasladados  ä  la  de  las  Cörtes.^  Revista  de 
Archivos  VI  (1876),  p.  Uff.  Vgl.  den  Artikel  über  die  BibUo- 
thek  der  Real  Academia  de  la  Historia,  in  welcher  sich  dieser 
Theil  der  Bibliothek  San  Isidro  jetzt  befindet. 

Anüario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I,  p.  152 
bis  163  bietet  eine  auf  Grund  officieller  Quellen  ausgearbeitete 
Darstellung  der  Geschichte  der  Bibliothek,  die  beste,  die  wir 
über  diese  Sammlung  bis  jetzt  besitzen.  Rücksichtlich  der 
heute  in  derselben  noch  vorhandenen  Manuscripte  wird  bemerkt: 
esta  seccion  Consta  de  muy  pocos  articulos,  y  de  ellos  existen 
los  que  aparecen  en  44  papeletas,  de  antiguo  redactadas,  que 
se  conservan  cuidadosamente. 

236.  Biblioteca   de  Medicina   de   la  üniveraidad  Central. 

Valentinelli,  p.  46:  Pochi  sono  i  codici  manoscritti  e  di 
nessun  interesse;  i  piü  estimati  furono  trasferiti  ä  S.  Lorenzo 
dell'  Escuriale. 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I,  p.  170 
bis  178.  Ausführliche  Darstellung  der  Geschichte  der  Bibliothek 
und  gegen  Ende  die  Bemerkung:  El  Indice  de  Manuscritos  esti 
redactado  en  la  misma  forma  (wie  die  Druckwerke).  Hay  de 
esta  clase  1311  foUetos,  que  forman  una  bella  coleccion  de 
memorias   leidas  en  las  Academias  semanales  que  celebraba  el 


^  Diese  Massregel  hatte  im  Jahre  1834  statt;  vgl.  Anuario  I,  p.  168. 


Bibl.  Uebersicht :   836— S40  (Madrid).  43 

Colegio  de  San  Carlos;  otras  remitidas  por  profesores  de  fuera 
de  Madrid.  En  ambas  colecciones  hay  autögrafos  de  hombres 
eminentes. 

237.  Bihliotecas  del  Mvseo  de  Ciendas  Naturales  y  del 
Jardin  Botdnico. 

Valentiniilli,  p.  47  führt  als  Theil  22  des  Kataloges  auf: 
Chirografia  (codici  manoscritti  di  storia  naturale). 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  los  Archiveros  I,  182  ff. 
gibt  eine  Geschichte  der  Bibliotheken  und  erwähnt  auch  die 
Handschriften  (ausschliesslich  in  das  Fach  einschlagend). 

238.  Biblioteca  de  la  Escuela  superior  de  Diplomdtica, 

MiJNOz  Y  RivERO,  Josä,  Paleografia  Visigoda,  Madrid; 
1881  berichtet  p.  118  nur  kurz  über  einen  in  dieser  Anstalt 
aufbewahrten  cödice  escrito  en  los  anos  968 — 970  que  contiene 
comentarios  sobre  el  Apocalipsis  und  gibt  auf  Läm.  VH  ein 
Facsimile. 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I  (1881), 
p.  20  erwähnt  ganz  allgemein  die  BibUothek;  die  sonstigen 
Quellen  (vgl.  Reglamento  de  la  escuela  superior  de  diplomdtica 
.  .  .  precedida  de  una  introduccion  histörica,  Madrid  1865  und 
Anuario  H,  p.  15)  geben  keinen  Aufschluss  über  die  in  der 
Bibliothek  aufbewahrten  Handschriften. 

239.  Biblioteca  del  Depösito  direccion  de  Hidrografia. 

Vajlbntinblli,  p.  49  spricht  von  600  preziosi  manoscritti 
e  8000  volumi  di  opere  o  stampa  che  si  riferiscono  alla  navi- 
gazione  e  alla  marina. 

BoRAo,  p.  79  berichtet  in  demselben  Sinne. 

240.  f  Biblioteca  de  las  Cörtes, 

Bezüglich  dieser  BibUothek  gilt  Aehnliches  wie  das  bei  dem 
Artikel  San  Isidro  eingangs  Bemerkte.  Die  BibUothek  besteht 
überhaupt  nicht  mehr  selbstständig;  desto  grösseres  Interesse 
besitzen  die  Berichte  aus  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts. 

Knust,  Archiv  YIH,  p.  189:  lieber  Gallardo's  Thätigkeit 
in  der  BibUothek,  welche  ,aus  den  aufgehobenen  Klöstern  ent- 
standen ist  und  auch  mehrere  Manuscripte  besitzt  (namentlich 
aus  S.  Isidoro  und  Monserrate  hieselbst)^ 


44  VIU.  Abbandlang:    Beer.   HandscbriftenBob&tM  Spaniens. 

GacharD;  Louis  Frospbr,  Rapport  sor  ses  recherches  en 
Espagne.  Compte  rendu  des  söances  de  la  Commission  Rojale 
d'EGstoire  IX  (1845),  p.  312:  La  bibliothfeque  des  cortfes  a  ^t^, 
il  7  a  quelques  ann^es  divis^e  entre  le  congr^  des  d^put^ 
et  le  sönat;  les  livres  et  les  manuscrits  qui  en  faisaient  partie, 
n'ont  pas  ^t^  class^s  depuis  lors  et  ils  se  trouvent  relöguös  dans 
des  locaux  oü  ils  sont  peu  abordables.  J'ai  fait  de  vaines  r^ 
marches  pour  pouvoir  les  visiter. 

BoRAo  p.  79  gibt  eine  kurze  Geschichte  der  Bibliothek 
und  berichtet  dann  wie  Gachard  über  die  Vertheilung  der 
Sammlung  auf  die  Senats-  und  Congressbibliothek. 

241.  Biblioteca  del  Senado. 

Reolamento  y  catälogos  por  örden  alfabötico  y  de  materias 
de  la  biblioteca  del  Senado.  Madrid  1851. 

Gibt  in  der  Einleitung  einige  geschichtliche  Daten;  im 
eigentUchen  Katalog  nur  Druckwerke. 

Valbntinblli  p.  41f.:  alcuni  preziosi  documenti,  parte  dei 
quaU  furono  in  seguito  dati  all  Academia  Reale  della  Storia. 
Von  BoRAo  p.  79  wird  die  BibUothek  nur  genannt. 

GrauX;  Rapport  p.  113,  in  der  Liste. 
Vgl.  den  Artikel  Biblioteca  de  las  Cörtes. 

242*  Biblioteca  del  Congreso. 

Valentinelli  p.  42:  Biblioteca  riunita  da'documenti  d'ogni 
genere,  da  Ubri  di  antichi  conventi,  dalla  hbreria  che  giä  apar- 
teneva  all'  Infante  D.  Carlos,  da  una  parte  di  quella  di  S.  Isidro. 

Im  Uebrigen  vergleiche  den  Artikel  Biblioteca  de  las  Cörtes. 

243*  Biblioteca  del  Convento  de  los  Esculapios, 

Carini,  Gli  Archivi  etc.  I,  p.  226  f.  berichtet  über  diese  in 
der  Calle  del  Meson  de  Paredes  gelegene  Sammlung;  posiede 
un  bei  codice  cartaceo  de'  Sermoni  di  S.  Giovanni  da  Capistrano, 
in  latino,  mancante  del  principio  e  che  finisce  cosi:  Expliciunt 
Sermones  devotissimi  et  reUgiosissimi  patris  Johannis  de  Capi- 
strano Ordinis  sancti  francisci  Ab  eodem  predicati  nee  non  di- 
vulgati  et  a  sanctissimo  in  christo  patre  domino  Nicholao  papa 
(V)  permissi  ad  seminandum  et  predicandum  etc.  Scripti  et  finiti. 
Colonie  anno  MAA  oretis  pro  scriptore  et  orat  pro  vobis.  Quos 


\ 


Bibl.  ü«b«raiobt:  241— S4A  (lUdrid).  45 

quidem  sermones  fecit  scribi  honorabilis  et  discretus  vir  Johannes 
Roitkurhen  scriptor  theolomi  ahne  Civitatis  coloniensis.  Oretis 
pro  eo  cordiahter  etc.  —  Notai  altresi  una  Somma  contra  i  Gen- 
tih  di  S.  TommasO;  preziosisimo  codice  membranaceO;  de'prin- 
cipi  del  secolo  XIV;  che  finisce :  ExpUcit  quartus  Über  et  etiam 
totaUs  summa  vel  tractatns  de  fide  catholica  contra  gentiles  a 
fratre  thoma  de  aquino  editus. 

Ausserdem  noch  einige  Gesandtschaftsberichte  des  18.  Jahr- 
hunderts. 

244«  f  Biblioteca  del  Monasterio  de  San  Martin. 

Florbz,  Espana  Sagrada  HI  (1748),  p.  275  und  281  er- 
wähnt aus  diesem  Kloster  ein  libro  manuscrito  mit  dem  Officium 
Hispanae  Ecclesiae  Romae;  ferner  Esp.  Sagr.  X  (1753)  p.  92 ff. 
die  Copie  einer  Cordubenser  Handschrift  mit  den  HomiUen  des 
Beatus  Smaragdus  und  zwei  Blättern  Fulgentiustext  (vgl.  den 
Artikel  Cördoba  Kathedralbibliothek). 

RoDRiouEz  DE  Castro,  Bibliotcca  Espanola,  Madrid  1781 
bis  1786,  2  vol.  fol.,  tom.  I,  p.  260f.  über  eine  Handschrift  aus 
derselben  Sammlung  Florez  de  derecho,  copiladas  por  el  maestro 
Jacobo  de  las  Leyes.    Inhaltsübersicht  und  Auszüge. 

Hasnsl  col.  964  nennt  nur  die  Zahl  der  impressa  (1 1.000  vol.). 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  de  la  literatura  espa- 
nola  IV,  60  über  einen  codex  mit  der  Vida  de  Sanct  Ddefonso, 
der  sich  in  San  Martin  befand,  über  die  Bemühungen  zur  Auf- 
findung des  Originals  und  die  endlich  zustande  gebrachte  directe 
Copie. 

Ewald,  Reise  p.  311  verzeichnet  als  Bestandtheil  der  Hand- 
schrift der  Nationalbibliothek  Q  10:  Annales  Compostellani  aus 
einer  in  diesem  Kloster  befindUchen  Copie. 

Die  Handschriften  kamen  wie  die  der  andern  (aufgelösten) 
Convente  der  Provinz  Madrid  in  die  Nationalbibliothek.  Vgl. 
Amador  a.  a.  O. 

346«  f  Archivo  de  la  Igleaia  de  S.  Isidro  y  Santa  Maria 
de  la  Cabeza, 

RoDRiGüEz  DE  Castro,  BibHotcca  Espanola  tom.  H,  p.  730f. 
beschreibt  ausftlhrUch  ein  Manuscript:  Vida  de  San  Isidro  La- 
brador, geschrieben  vom  Diaconus  Johannes  (1232— 1275),  welches 


46  Vni.  Abhandlung:    Beer.  Handscbriftensch&tse  Spaniens. 

in  der  Kirche  gleich  einer  Reliquie  aufbewahrt  wurde;  offenbar 
identisch  mit  der  unten  (Bibl.  Nr.  249)  beschriebenen  Legenda. 

346.  t  Bibliotecu  del  Convento  de  los  Carmelitas  Descalzos. 

Merino,  Andres ,  Escuela  paleogräfica  etc.  Madrid  1780 
bietet  Lam.  24  sieben  Proben  ,De  libros  manuscritos  de  la 
Biblioth.  de  Carmelitas  descalzos  de  Madrid^  Die  drei  ersten 
nicht  datirten  gehören  dem  14.  Jahrhundert  an  und  sind  nach 
der  Erläuterung  p.  253 ff.  Bibeln  entnommen;  Nr.  4  gleichfalls 
undatirt  (saec.  XIV)  einer  Summa  Raimunds.  Nr.  5  bietet  die 
Probe  aus  einer  Handschrift:  Constituciones  de  los  Cartujos, 
escritas  en  Cataluna  el  ano  1368.  Nr,  6  Martirologio  de  Adon, 
mit  der  reproducirten  Subscriptio  Iste  liber  fuit  scriptus  in 
monasterio  populeti^  anno  a  nativitate  domini  M^CCCC**  et  fuit 
perfectus  anno  eodem  etc.  Nr.  7  Constitutiones  de  Cartujos, 
in  Catalonien  geschrieben,  a.  1348.  Derselben  Bibliothek  ge- 
hörte einer  anderen  Handschrift  an:  Exposicion  moral  de  toda 
la  escritura,  geschrieben  in  Avignon  1342  (vgl.  p.  260),  von 
der  eine  Probe  auf  Lam.  25,  Nr.  1  gegeben  ist. 

247.  f  Biblioteca  del  Colegio  de  las  Escuelas  Pias  de 
Lavapies, 

Merino  a.  a.  O.  Lam.  25,  Nr.  4  veröffentlicht  einige  Zeilen 
aus  einer  Handschrift  dieser  Bibliothek,  einem  Ritual,  geschrieben 
zwischen  1360  und  1390,  wie  Merino  annimmt.  Cf.  ibid.  p.  262. 

348.  t  Biblioteca  de  los  P.  P.  Dominicos  de  Santo  Tomas, 

Merino  a.  a.  O.  p.  262 f.  berichtet  von  zwei  Handschriftien 
dieser  Sammlung:  1.  Version  latina  de  la  Politica  de  Aristoteles 
saec.  XrV  med.  2.  Parte  de  la  Biblia,  desde  el  Profeta  Isaias 
hasta  los  Ultimos  capitulos  del  Apocalipsis.  Le  faltan  algunas 
iniciales  iluminadas.  Esta  escrito  en  letra  gothica  .  .  .  pertenece 
ä  los  fines  del  siglo  X  6  ä  los  principios  del  XI. 

349.  Archivo  parroquial  de  S,  Andres, 

A.  Handschriftliche  Verzeichnisse. 

Drei  autös  de  visita  (21  Junio  1504,  7  Mayo  1516,  25  No- 
viembre  1566)  enthalten  Inventare  ,de  todos  los  bienes  que  tenia 

*  Pöblet 


\ 


48  Vm.  Abhandliing:    Beer.  Huidsoliriftensch&tse  Spaniens. 

Eingehende  Besprechung  der  Bibel  unter  Rücksichtnahme 
der  verschiedenen  für  die  Schicksale  der  Handschrift  inter- 
essanten Vermerke  in  derselben.  Notizen  über  die  Q^schichte 
der  altspanischen  Bibelübersetzungen. 

Egüren  p.  26—35  bespricht  die  Bibel  und  gibt  aus  ihr 
reichliche  Auszüge. 

Valbntinblli  p.  19  erwähnt  nur  ViUanueva. 

Graux  p.  113  in  der  Liste. 

Auf  huldvollst  erlassene  allerhöchste  Empfehlung  Ihrer 
Majestät  der  Königin- Regentin  Dona  Maria  Christina  war  es 
mir  vergönnt,  die  Schätze  des  Palais  Alba,  welche  heute  noch 
ein  Museum  ersten  Ranges  vorstellen,  eingehend  zu  besichtigen 
und  zu  Studiren.  Darunter  auch  die  Bibliothek,  die  allerdings 
durch  den  von  ViUanueva  erwähnten  Brand  sehr  gelitten  hat 
Von  eigentlichen  Handschriften  haben  nur  drei,  darunter  die 
werthvoUe  Bibel  gerettet  werden  können.  Ueberaus  reich  ist  aber 
das  Archiv,  an  dessen  Ordnung  und  Katalogisirung  D.  Antonio 
Paz  y  Melia,  Vorstand  der  Handschriftendepartements  der  Na- 
tionalbibliothek, und  Palastbibliothekar  D.  Manuel  Remon  Zarco 
del  Valle  arbeiten. 

252.  fBiblioteca  particular  de  D,  Josi  Amador  de  los  Bios. 

Ahador  de  los  Rios,  Josife,  Historia  critica  de  la  Uteratura 
Espanola,  tom.  VI,  p.  33,  Not.  1  bespricht  die  Compendien  der 
mäximas  de  escritores  cristianos,  darunter  das  De  las  quatro 
virtudes,  de  que  poseemos  un  excelente  MS.,  el  cual  escribiö 
san  Martin  Bracarense  con  titulo  Formulae  vitae  humanae. 
Ibid.  tom.  Vn,  p.  180  einen  codex  Preparaciones  para  bien 
vivir  6  santamente  morir  8^,  papel  y  perg.,  s.  XVfin.,  gleich- 
falls im  Besitze  des  Autors. 

253.  Biblioteca  particular  de  D,  Josi  de  Äyala. 

Vgl.  den  Artikel  B.  p.  del  Brno  Sr.  D.  Enrique  de  Leguina. 

254.  *  Biblioteca  particular  de  D.  Francesco  Asenjo 
Barbieri. 

Der  treffliche  Gelehrte  gestattete  mir  auf  Empfehlung  des 
Archivars  von  Barcelona  D.  Manuel  Bofarull  y  Sartorio  in 
liebenswürdigster    Weise    Einsicht    in    seine    Privatsammlnng, 


\ 


Bibl.  Uebersicbt:   252—257  (Madrid).  49 

speciell  seine  Codices.  Dieselben^  vier  an  der  Zahl,  sind  jedoch 
mittlerweile  bereits  bekannt  gemacht  worden  durch 

RiANO;  Juan  F.,  Critical  and  Biographical  notes  on  early 
spanish  mosic,  London  1887,  p.  50  (Cantus  chori  s.  XIII); 
p.  59  (Cantoral  monästico  s.  XTV  und  Cantoral  s.  XIV) ;  p.  64 
(Missale  mixtum  secundum  ordinem  Cartusiensem  s.  XV). 

Der  Vollständigkeit  wegen  sei  noch  ein  Aufsatz  Barbieri's 
in  der  Revista  de  Archivos  VII  (1877),  p.  34—38  erwähnt. 

255«  Biblioteca  particular  de  D,  Antonio  Benavides, 

Vaubntinelli,  p.  54  erwähnt  die  Bibliothek  als  reich  an 
historischen  Werken;  von  Borao  p.  80  wird  sie  nur  genannt; 
eine  ganz  bestimmte,  die  Handschriften  derselben  betreffende 
Notiz  ist  mir  leider  verloren  gegangen. 

256.  f  Biblioteca  particular  de  D,  Gerardo  Jo84  de 
Betencov/rt, 

FERREmA  GoRDo,  JoAQuiM  JosÄ,  Apontamcutos  para  a 
Historia  Civil  e  Litteraria  de  Portugal  e  seus  Dominios,  coUe- 
gidos  dos  Manuscritos  assim  nacionaes  como  estrangeiros,  que 
existem  na  Bibliotheca  Real  de  Madrid,  na  do  Escurial,  e  nas 
de  alguns  Senhores,  e  Letrados  da  Corte  de  Madrid,  Memorias 
de  Litteratura  portugueza  tom.  DI  (1792),  p.  33  erwähnt  eine 
junge  Handschrift  dieser  Sammlung:  Antonio  Pinto  Pereira, 
Historia  da  India  und  bemerkt  im  Allgemeinen  vom  Besitzer 
que  al^m  deste  tem  outros  manuscritos,  alguns  dos  quaes  sao 
preciosos  pela  sua  raridade. 

267,  Biblioteca  particular  de  D.  Brieva  y  Salvatierra. 

Graux,  Rapport  p.  126  macht  Mittheilungen  über  sieben 
griechische  von  Sr.  Brieva  angekaufte  Handschriften  s.  XVH 
bis  XVm.  Er  nennt  (1)  Xenophons  Cyrupaedie,  (2,  3)  une 
autre  copie  (en  deux  tomes)  du  commentaire  de  S.  Jean  Chryso- 
stome  sur  saint  Paul,  et  (4)  un  curieux  volume  de  m^langes  (H^- 
rodien,  Histoires;  conmientaire  sur  la  grammaire  de  Theodore 
de  Gaza,  par  G^rasime  de  Byzance  etc.)  feirher  (5 — 7)  traduction 
en  grec  moderne,  remplissant  trois  volumes,  de  TArgönis,  de 
John  Barclay. 

Sifcsiuigsber.  d.  pbil.-hist.  Ol.  CXXYni.  Bd.  8.  Abb.  4 


50  Vm.  Abbandlanf :    Beor.  Handschriftensohitse  Spaniens. 

258*  Biblioteca  particular  de  la  duquesa  de  Campo  Alange, 

Amador  DB  LOS  Rios^  Historfa  critica  etc.  tom.  V,  p.  116 
und  130  über  eine  Handschrift  dieser  Privatsammlung^  ent- 
haltend Pero  Lopez  de  Ayala,  Rimado  del  Palacio.  Vgl.  ibid. 
p.  151. 

Graüx,  Rapport  p.  113  verzeichnet  blos  die  Bibliothek 
ohne  nähere  Angabe. 

259.  *  Biblioteca  particular  del  Exiho  Sr.  D.  Antonio 
Cdnovas  del  Castillo, 

Der  berühmte  Staatsmann  und  Geschichtsforscher^  ge- 
währte mir  wiederholt  Zutritt  in  seine  Bibliothek  und  die 
ErlaubnisS;  deren  Schätze  in  Augenschein  zu  nehmen.  Die 
werthvollste  hat  bereits  eine  Beschreibung  im  Boletin  de  la 
Real  Academia  de  la  Historia  IX  (1886),  p.  443  gefunden. 

Eine  andere  kostbare  Handschrift,  ein  Devocionario,  wurde 
Cänovas  von  Danvila  y  CoUado  1888  zum  Geschenk  gemacht 

260«  Biblioteca  particular  de  Carderera, 

Eguren,  p.  60  f.  beschreibt  ziemlich  ausführlich  ein  Devo- 
cionario dieser  Sanmilung,  spanisches  Erzeugniss  des  16.  Jahr- 
hunderts. 

261.  -f  Biblioteca  particular  del  Marques  del  Carpio, 

RoDRiouEz  DE  Castro,  Biblioteca  Espanola  tom.  U,  p.  492 
berichtet  (nach  Nicolaus  Antonios  Vorgang)  über  eine  Hand- 
schrift, enthaltend  eine  Historia  de  la  Iglesia  de  Iria  (mit  der 
bekannten  Historia  Compostelana  nicht  zu  verwechseln)  aus 
dieser  Bibliothek.  Sie  war  in  dem  Handschriftenverzeichmss 
derselben,  das  Antonio  zur  VerfUgung  stand,  irrig  als  ^Chronica 
de  Espana  por  el  Arzobispo  D.  Gil  Ameiriz*  bezeichnet.  Am 
Rande  fand  sich  die  Note:  ,Estä  en  Salamanca  en  el  Colegio 
de  San  Salvador.  Estan  al  fin  las  guerras  de  D.  Fr.  Berenguel. 
Es  del  Archive  de  la  Iglesia  de  San-jago*. 

262.  t  Biblioteca  particular  de  D.  Juan  Lucas  CortA. 

Antonio,  Nicolaus,  Bibliotheca  vetus  bespricht  H,  p.  83 
ein  handschriftliches  Exemplar  des  Libro  de  los  Canones  de 


^  Bis  vor  kurzem  Ministerpräsident. 


s 


Bibl.  Uebenicbt:  2ft8-~S68  (Madrid).  51 

Albateni^  que  mandö  escrivir  el  muy  noble  Rey  D.  Alonso  (es 
ist  AlphoDS  X.)  aus  der  Bibliothek  des  J.  L.  Cort^s.^ 

Risco,  Espana  sagrada  tom.  XXX  (1770),  p.  311f.  be- 
spricht eine  sehr  alte,  vielleicht  noch  dem  7.  Jahrhundert  an- 
gehörende Handschrift  in  westgothischer  Schrift  aus  Cortes' 
Bibliothek  mit  den  Acta  S.  Braulioni  episcopo  adiudicata  de 
Martyribus  Cesaraugustanis.  Die  acta  selbst  werden  ibid. 
p.  305—311  abgedruckt. 

Amabor  de  los  Bios,  Historia  critica  de  la  literatura  espanola 
tom.  m,  p.  647  constatirt^  dass  sich  die  von  Nicolaus  Antonio 
erwähnte  Handschrift  gegenwärtig  in  der  Madrider  National- 
bibliothek befinde,  und  theilt  das  Incipit  mit. 

BoLBTiN  bibliogräfico  Ser.  HI,  tom.  4  (1863),  p.  202  über 
eine  Handschrift  der  Cäntigas  de  Don  Alonso  el  Sabio  aus 
dieser  Bibliothek. 

Mabtinez  Anibarro  y  Biyes,  Intento  de  un  diccionario  de 
.  .  .  Burgos  p.  102 f.  (nach  Nie.  Antonio)  über  eine  Handschrift^ 
die  ehemals  dieser  Bibliothek  angehörte  und  Cartagena's  Defen- 
sorium  unitatis  Christianae  enthielt. 

263.  Biblioteca  particular  de  D,  Joaquin  Gomez  de  la 
Cortinay  Marques  de  Morante. 

Cataloous  librorum  doctoris  D.  Joachimi  Gomez  de  la 
Cortina,  Marchionis  de  Morante,  qui  in  aedibus  suis  exstant. 
Matriti  1854 — 1859,  6  voll,  und  Supplementum. 

Dem  mir  vorliegenden  Exemplar*  fehlt  leider  der  vierte 
Band.  Handschriften  werden  in  den  eigentlichen  Verzeichnissen 
nicht  angeführt;  wichtig  sind  die  einzelnen  Bänden  beigegebenen 
Biographien,  so  Bd.  2  Justo  Lipsio;  Bd.  3  Manuel  Marti,  Dean 
de  Alicante;  Bd.  5  Francisco  Sanchez  de  las  Brozas  (zahlreiche 
Gedichte  zum  ersten  Male  veröflFentlicht) ;  Angelo  Policiano; 
Bd.  6  Marco  Gerönimo  Vida. 

Valbntinblli  p.  54 f.  geht  auf  die  Handschriften  nicht  ein. 


^  Vgl.  Bibl.  Hispana  nova  I,  p.  721,  wo  über  diesen  Staatsmann  und 
Bibliophilen  des  18.  Jahrhunderts  gehandelt  wird ;  auch  sonst  werden 
Handschriften  dieser  Sammlung  von  Antonio  benützt  und  nach  ihm  von 
Anderen  (vgl.  Rodriguez  de  Castro,  Bibl.  Esp.  n,  p.  523)  erwähnt. 

•  Mit  der  Widmung:  AI  Sefior  D°  Fernando  Wolf,  Bibliotecario  de  la 
Imperial  de  Viena,  en  testimonio  de  respeto,  j  de  la  mas  distinguida 
consideracion.  £1  auctor. 

4» 


52  Vin.  Abhandlaog:    Beer.  Handscbriftenscbiiie  Spaniens. 

BoRAo  p.  80  berichtet  ausfiihrlich  über  den  an  erster  Stelle 
genannten  Katalog  und  fährt  dann  fort:  Aunque  no  muy  notable 
en  manuscritos  esta  selecta  libreria,  contiene;  entre  otras  coriosi- 
dadeS;  una  hermosa  Biblia  del  siglo  XII;  en  8^  aboltado;  la 
Crönica  de  Aragon  por  Marfilo  (la  mäs  antigua  del  reino  segun 
Zurita);  un  Devocionario  del  siglo  XIV  con  capitales  ilaminadas 
y  miniatnras  y  el  Gesta  nobilis  viri  Simonis  Comitis  de  Monte- 
forti,  descripta  per  fray  Petrum  Monachom  valliam  Semay^ 
cisterciensis  ordinis,  impresa  en  el  tomo  XIX  de  la  coleccion 
de  historiadores  de  Francia,  pero  no  con  las  variantes  del  cödice, 
ni  con  la  carta  6  salvo-conducto  de  Simon  de  Montfort^  en  favor 
de  las  iglesias  y  conventos  fundados  por  S.  Domingo  de  Gnzmann. 

Die  Sammlung  wurde  nach  Ableben  des  Besitzers  in  Paris 
versteigert. 

364.  t  Biblioteca  particular  del  Sr.  Crespo. 

Revista  de  Archivos  V  (1875),  p.  91  und  107  werden 
folgende  Manuscripte  des  verstorbenen  Besitzers  dieser  Bibliothek 
zum  Verkauf  angeboten:  (1)  Manuscrito  del  siglo  XVI,  que 
contiene  curiosas  noticias  para  los  navegantes,  y  algunos  datos 
histöricos,  con  tablas  y  dibujos.  Consta  de  56  hojas  en  fölio, 
entre  las  cuales  hay  diez  donde  se  hallan  las  tablas  y  dibujos 
indicados.  Ferner:  (2)  Parum*  missale,  in  quo  continentur 
varia  officia  missarum.  Ms.  en  vitela  4^,  Consta  de  54  fojas,  en 
dos  columnas,  con  iniciales  y  capitales  de  adomO;  y  la  encuader- 
nacion  de  ante  blanco  sobre  tela. 

265.  Biblioteca  particular  del  Marques  de  Santa  Cruz. 

Ferbeira  Gordo,  JoAQum  Josä;  Apontamentos  para  a 
EQstoria  Civil  e  Literaria  de  Portugal  etc.  Memorias  de  Litte- 
ratura  Portugueza  Lisboa,  tom.  in  (1792),  p.  77  führt  vier 
Handschriften  dieser  Bibliothek  an.  Es  sind  Rela9oe8,  See- 
schlachten und  die  Marine  unter  Philipp  11.  betreffend. 

266.  *Biblioteca  particular  de  D.  Manuel  Danvila  y  Collado. 

Der  gelehrte  Historiker  zeigte  mir  drei  seiner  Privat- 
sammlung angehörige  Handschriften  historisch -juridischen  In- 
halts s.  XIV— XV. 


*  Piere  aux  Vaux-de  Cerney,  Recueil  des  bist,  de  France  YTY,  p.  YX 

•  Soll  wohl  heissen  ,parvum*. 


^ 


Bibl.  Uebenicht:   Sei— »70  (Kadrid).  53 

267.  f  Biblioteca  particular  del  Dtique  de  Frias. 

Amador  de  los  RioS;  Historia  criticA;  tom.  VI,  p.  267  über 
eine  Handschrift  aus  dieser  Sammlung,  welche  enthält:  Augu- 
stinus, De  Vita  Christiana,  castilianisch;  Valera,  Tractat  De 
Providencia.  Elnrique  de  Villena,  Obras.  Saec.  XV. 

GuTEBRREz  DE  LA  Vega  ,  Josö,  Bibliotcca  Venatoria  I, 
p.  CLXXrV  erwähnt  eine  Handschrift  derselben  Bibliothek: 
PunonrostrO;  Conde  de,  Discurso  del  Falcon,  das  später  in  die 
Nationalbibliothek  überging  (Handschriftenverzeichniss  Nr.  86). 

868.  t  Biblioteca  particular  de  D.  Bartolomi  Jo84  Gal- 
lardo. 

AicADOR  DB  LOS  RioB,  HistoHa  critica  etc.,  toin.  VI,  p.  62 
beschreibt  einen  Cancionero  dieser  Bibliothek  (damals  bereits 
im  Besitze  des  Generals  Eduardo  Fernandez  San  Roman)  cödice 
quo  Consta  de  474  föls.,  fuö  escrito  en  varios  periodos  del  siglo  XV 
.  .  .  La  major  parte  de  las  obras  que  encierra  son  de  los  poetas 
del  reinado  de  don  Juan  H.  Cf.  ibid.  p.  533  und  Martinez  Ani- 
barro  y  Rives,  Intento  etc.  p.  346. 

869.  f  Biblioteca  particular  del  Rev,  P.  D.  Enrique  Florez 
de  Setien  y  Huidobro, 

Sainz  DE  Baranda,  Pedro,  Espana  Sagrada,  tom.  XLVH 
(1850),  p.  XVI  berichtet  über  die  Schicksale  von  Florez'  Bi- 
bliothek, welche  nach  den  eigenen  Angaben  des  bertlhmten 
Gelehrten  werthvolle  Originalhandschriften  und  noch  werth- 
Yollere  Abschriften  in  sich  schloss.  Sie  wurde  1808  beim  Ein- 
dringen der  Franzosen  in  Madrid  arg  gefährdet,  in  den  Convent 
San  Felipe  übertragen  und  hat  jedenfalls  viel  eingebüsst.  Der 
Rest  kam  in  die  Bibliothek  der  Academia  de  la  Historia,  vgl. 
Martinez  Anibarro  y  Rives,  Intento  etc.,  p.  209  f. 

870.  Bihlioteca  particular  del  Exiho  Sr.  D,  Pascual 
Gayangos  y  Arce, 

Egcben  liefert  p.  43  f.  eine  ausfiihrliche  Beschreibung  eines 
Salterio  und  p.  Ö8  eine  Notiz  über  einen  Cödice  de  la.  Vida  y 
Regia  de  San  Benito  aus  dieser  Sammlung. 

Valbntinelli  citirt  die  Bibliothek  blos  p.  54  als  aprezzabile 
di  lingue  Orientale  e  storiche. 


54  VIU.  AbhMidlniig:    Beer.  HaDdschriftenBcli&tse  Spaniens. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  de  la  literatura 
espanola,  tom.  HI  (1863);  p.  211  über  eine  Handschrift  des 
Poema  del  Cid,  die  später  in  den  Besitz  des  D.  Pedro  Jos6 
Pidal  aberging. 

Knust,  Hermann,  Mittheilungen  aus  dem  Escorial.  BibUo- 
thek  des  Ütterarischen  Vereines  zu  Stuttgart,  Bd.  141  (1879), 
p.  533  f.  über  eine  Papierhandschrift  s.  XV  mit  dem  hbro  de 
los  buenos  Proverbios;  p.  547  Bocados  de  oro  s.  XV;  eine  an- 
dere Handschrift  desselben  Werkes  wollte  Gayangos  aus  der 
Bibliothek  Gallardo  erstehen. 

Indice  de  los  documentos  del  Monasterio  de  Sahagun. 
Madrid  1874.  4». 

P.  582  über  einen  Bezerro  aus  Sahagun  in  Gayangos' 
Besitze. 

GuTiBRREz  DE  LA  Veoa,  Josä,  Bibliotcca  Venatoria  I  (1877), 
beschreibt  p.  CXXH — CXXV:  Alfonso  XI  Libro  de  la  Mon- 
teria  Ms.  del  siglo  XVHI  (Cödice  Llaguno  y  Gerda)  aus  derselben 
Bibliothek  (vgl.  im  Handschriftenverzeichniss  Nr.  24). 

Ewald  ,  p.  354  S.  über  eine  Coronica  de  Espana  s.  XIV 
und  die  Fuero  y  Privilegios  de  Sahagun  s.  XIH — ^XIV. 

Der  Name  des  ausgezeichneten  Forschers  bleibt  mit  der 
Geschichte  spanischer  Handschriftenkunde  in  den  letzten  De- 
cennien  aufs  Innigste  verknüpft.  Gayangos  als  Sammler  von 
Manuscripten,  als  Ordner  einer  grossen  Zahl  von  Bibliotheken, 
als  Herausgeber  einer  langen  Reihe  sprachlich  und  historisch 
wichtiger  Werke,  endHch  als  Förderer  fast  eines  jeden  Üntei^ 
nehmens,  das  sich  auf  dem  bezeichneten  Gebiete  bewegt,  bildete 
allein  schon  den  Vorwurf  fllr  eine  interessante  Monographie. 
Bekannt  ist  die  in  den  drei  mächtigen  Bänden:  Catalogue  of 
the  manuscripts  in  the  Spanish  language  in  the  British  Museum, 
London  1875  ff.  niedergelegte  Gelehrsamkeit.  Desto  sehmerz- 
hcher  war  es  mir,  diesen  Nestor  spanischer  Geschichtsforschung 
ebensowenig  wie  seine  Sammlung  kennen  zu  lernen,  da  sich 
Gayangos  1886 — 1888  in  London  aufhielt.  Nach  mündUcher  In- 
formation zählt  seine  HandschriftenbibUothek  circa  500  Bände. 

371.  t  Biblioteca  particular  de  D,  Ricardo  Heredia. 

Morel-Fatio,  Alfred,  Rapport  sur  une  Mission  philologique 
k  Valence,  Biblioth^que  de  T^cole  de  Chartes,  tom.  XLV  (1884), 


\ 


Bibl.  Uebenicbt:  S71— S78  (Madrid).  55 

p.  619  berichtet,  dass  dieser  Amatear  die  berdlimte  äammlang 
Salva  (ob  wohl  vollständig?)  augekauft.  Im  Uebrigen  vergleiche 
den  Artikel  Valencia,  Biblioteca  particular  de  D.  Vicente  y 
Pedro  Salva.  ^ 

373.  *f  Biblioteca  particular  de  D.  Vicente  de  La  FtLerUe. 

Der  bekannte  Historiker  besass  ,  in  seiner  reichhaltigen 
Büchersammlung  zwei  Handschriften  theologisch-scholastischen 
Inhalts,  in  welche  er  mir  1888  in  liebenswürdigster  Weise  Ein- 
bhck  gestattete.  Laftiente  ist  im  Frühjahr  1890  plötzlich  ver- 
storben, und  ich  bin  leider  ausser  Stande,  über  das  Schicksal 
seiner  Bibliothek  Bestimmtes  anzugeben. 

873.  Biblioteca  particular  del  Iliho  Sr.  D,  Enrique  de 
Leguina. 

GuTiERREz  DE  LA  Vboa,  Libro  de  la  monteria  del  Rey 
Alfonso  XI  (Biblioteca  venatoria  Vol.  I),  p.  CXLV  berichtet  über 
eine  Hs.  Libro  de  Caza  de  Halconeria  Ms.  del  siglo  XIV.  Estä 
en  lemosin.  Iniciales  de  adomo  en  colores.  Escrito  ä  dos 
columnas.  Folio.  15  hojas.  Las  hojas  8,  9,  10  y  11  en  verso. 
Empieza  ,Dancus  rey  estava  en  son  palau^  Este  Ms.  lo  posee 
el  Ilnio  Sr.  D.  Enrique  de  Leguina.  Ferner  werden  folgende 
Handschrift;en  Leguina's  a.  a.  O.  genannt:  p.  CXLVIH.  (Nr.  15) 
Lecciones  teöricas  sobre  el  m^todo  de  ensenar  ä  los  Perros  de 
caza.  (Nr.  16)  Instrucciones  para  la  caza;  p.  CLH  Avil^,  Angel 
de,  Recuerdos  de  caza.  Vol.  H,  p.  LXFV  Guzman  el  bueno, 
Arte  de  cazar. 

Webth,  Hermann,  Altfranzösische  Jagdlehrbücher  nebst 
Handschriftenbibhographie  der  abendländischen  Jagdlitteratur 
überhaupt,  Halle  a.  S.,  1889  bemerkt  p.  4,  das  an  erster  Stelle 
genannte  Manuscript  befinde  sich  jetzt  im  Besitze  von  D.  Josä 
de  Ayala  in  Madrid. 


^  Erst  nachträglich  geht  mir  der  prächtig  ausgestattete  Katalog  zu:  Cata- 
log^e  de  la  hibliothöque  de  M.  Ricardo  Heredia,  Comte  de  Benahayis. 
Paris  1891.  Yente  du  22  au  30  Mai  1891.  Man  darf  die  Worte  der  von 
Zarco  del  Valle  und  Menendez  Pelayo  verfassten  Einleitung  unter- 
schreiben: un  sentiment  de  profonde  tristesse  en  songeant  q*une  sem- 
blable  collection  va  affronter  les  hasards  de  la  yente  dans  un  pays 
^tranger,  et  se  disperser  pour  jamais,  en  ue  nous  laissant  que  V  amertume 
du  regret. 


56  VIII.  Abhandlang:    Beer.  Handscbriftenscb&tM  Spuiieiis. 

374«  t  Biblioteca  particular  del  Sr.  Oarcia  Loaysa. 

Florez  erwähnt  in  der  Espana  sagrada  wiederholt  diese 
Privatbibliothek, ^  ohne  jedoch  durchwegs  beizof^en,  ob  die 
citirten  Werke  Handschriften  seien.  Ein  cödice  götico  mit 
Pauli  Diaconi  Vita  PP.  Emeritensium  aus  dieser  Sammlung 
wird  besprochen  Espana  sagrada  XIII,  p.  331. 

Ueber  den  codex  gothicus  pervetustus  a  suo  quondam 
possessore  Garsia  Loajsa  Loayso-Carvajaleus  nominatus  handelt 
La  Sema  Santander,  Praefatio  historico-critica  in  veram  et 
genuinam  coUectionem  veterum  canonum  ecclesiae  Hispanae 
Bruxellae  p.  20  f.  und  gibt  zum  Schluss  Tab.  V  ein  Facsimile. 

275*  Biblioteca  particular  del  Duque  de  Medinaceli, 

A.  Druckwerke. 

PoNZ,  Viage,  tom.  V  (1782),  p.  300  kurze  Bemerkung  über 
die  bereits  damals  dem  Publicum  geöffnete  Privatsammlung. 

Egurbn  beschreibt  p.  48  zwei  Psalterien  dieser  Bibliothek 
(s-  XII  und  s.  Xin),  p.  60  ein  Devocionario  s.  XV. 

Valentinelu,  p.  53:  alcuni  codici  manoscritti. 

BoRAo,  p.  81  gibt,  wie  Valentinelli,  die  Gesammtzahl  der 
Bücher  auf  15.000  an. 

Paoj^s  Am^deb  spricht  in  seiner  ausführlichen  Kritik  von 
Masse  Torrents,  Manuscritos  catalanes  de  la  biblioteca  de  S.  M., 
Revue  critique  1888,  II,  p.  377 — 379:  über  le  ms.  des  CBuvres 
d'  Auzias  March,  qui  provient  de  la  bibUoth^ue  de  MedinaceU. 

B.  Schriftprobjen. 

Amador  de  los  Rtos,  Historia  critica  etc.,  tom.  VT  bietet 
auf  der  beigegebenen  Tafel  Proben  aus  dem  Codex  des  Auzias 
March.  Vgl.  ibid.  p.  526. 

276.  Archivo  de  los  Duques  de  Medinasidonia, 

Fernandez  de  Navarrete,  Martin,  Disertacion  histörica 
sobre  la  parte  que  tuvieron  los  Espanoles  en  las  guerras  de 
Ultramar  6  de  las  Cruzadas  in  Memorias  de  la  Real  Academia 


^  Ueber  Pierre  Pantin,  den  Bibliothekar  Loaysa's,  vgl.  Omont,  Henri, 
Catalogue  des  Manuscrits  grecs  de  la  Biblioth^ue  Royale  de  BmxelleA, 
Gand  1885,  p.  6. 


> 


Bibl.  üeb«nicbt:  »74—979  (Madrid).  57 

de  la  Historia,  tom.  V,  App.  p.  199  benutzt  ein  handschriftliches 
Werk  dieses  Archivs  ^Cartas  de  los  Rejres  1607'  und  gibt  ver- 
schiedene Auszüge. 

877.  Biblioteca  particular  del  Sr.  Mesonero-Romanos. 

Valbntinblli,  p.  54  sagt  von  der  Bibliothek:  eletta  di 
libri  a  stampa  e  a  penna,  relativi  alla  storia,  descrizione  e 
amministrazione  di  Madrid,  che  formano  la  piü  completa  Bi- 
bliotheca  Matritensis  conosciuta. 

278.  f  Biblioteca  particular  de  D.  Jose  Ignazio  Miro. 

Catalooue  de  la  Bibliothfeque  espagnole  de  D.  JosÄ  Miro, 
Paris,  Bachelin-Deflorenne,  1878.  8®. 

Dieser  Katalog  enthält  erlesenste  Raritäten,  aber  nur 
Druckwerke.  Ob  jedoch  die  Sammlung  Miro's  wirklich  nur 
solche  enthielt,  ist  mehr  als  zweifelhaft,  und  ich  bringe  seinen 
Namen  mit  einer  anderen  von  denselben  Auctionatoren  und  zu 
nämlicher  Zeit  versteigerten  Collection  sehr  werthvoller  Hand- 
schriften in  Zusammenhang.  Vgl.  Revista  de  Archivos  VIII 
(1878),  p.  184  und  212  flF. 

279.  Biblioteca  particular  de  D.  Pedro  Nufiez  de  Chizman^ 
Marques  de  Montealegre  y  Conde  de  Villaumbrosa. 

MusEO  6  biblioteca  selecta  de  el  Excmo  senor  Don  Pedro 
Nunez  de  Guzman,  marques  de  Montealegre,  Madrid,  1677  fol. 

Lag  mir  nicht  vor.  Vgl.  Graux,  Rapport  p.  130  not. 

Florez,  Espana  Sagrada,  tom.  XX  (1765)  spricht  von 
einer  Handschrift  der  Historia  Compostelana  ,que  hoy  con  otra 
gran  cantidad  de  Mss.  se  halla  en  Madrid',  und  zwar  in  der 
bezeichneten  Bibliothek.  Vgl.  auch  Ferreira  Gordo  in  seinen 
Apontamentos,  Memorias  de  la  Litteratura  Portugueza  HI,  p.  71 
und  87. 

RoDRiouBz  DB  Castro,  Bibliotcca  Espanola  erwähnt  nach 
Pellicer's  und  Nicolaus  Antonio's  Vorgang  tom.  H,  p.  484  und 
725  zwei  Handschriften:  Cronica  del  Obispo  Don  Pedro  (mit 
Auszügen),  femer  Castigos  6  documentos  que  di6  el  Rej  Don 
Sancho  el  Bravo  d  su  hijo  el  Rey  D.  Fernando  IV  ,Exemplar 
MS.  en  folio,  con  caracteres  muy  antiguos^  Die  p.  491  erwähnte 
Handschrift  derselben  Bibliothek  mit  der  Historia  Compostelana 
,copia  del  Ms.    que  tenia  el  Brno  S.  D.  Diego  de  Covarrubias, 


58  Vin.  Abhuidliing;    Beer.  Handscbriftextfeb&tie  Spaniens. 

Obispo  de  Segovia,  el  cual  estaba  asimismo  copiado  del  que 
existia  en  el  Archivo  de  la  Sta  Iglesia  de  Toledo'  ist  offenbar 
identisch  mit  der  von  Florez  genannten. 

MuNOz  Y  RoMSRO^  ToMAs,  Diccionario  p.  38  citirt  aus  dem 
^Catälogo  de  la  biblioteca  del  eonde  de  Montealegre'  ein  Manu- 
script;  Antiguedades  de  Antequera^  escritas  en  latin  hicia  el 
ano  1586. 

MARTiNEz  Anibarro  t  Rives^  Intento  de  un  diccionario  .  .  . 
de  Burgos  Madrid  1889,  p.  27  citirt  nach  Sandoval's  Vorgang 
ein  Manuscript  derselben  Bibliothek:  Monachi  Silensis  Chronicon. 

280.  Biblioteca  particular  del  Conde  de  Olivarez  duque 
de  San  Lucar  (Huescar),  llamada  libreria  Olivarienae. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

Ein  handschriftlicher  Katalog  existirt  in  der  Palastbiblio- 
tbek  zu  Madrid  unter  dem  Titel:  Bibliotheca  selecta  del  conde 
duque  de  San  Lucar,  gran  chanciller,  de  materias  hebreas, 
griegaS;  aräbigas,  castellanas,  francesas,  tudescas,  italianas,  lemo- 
sinas,  portuguesas  etc.  und  trägt  vorne  noch  die  Bemerkung: 
Esta  copia  estä  fiel  j  puntualmente  sacada  del  original  que  se 
conserba  en  la  biblioteca  del  Exmo  Sr.  Duque  de  Huescar. 
Also  ein  Duplicat  des  Originals,  welches  heute  vielleicht  in 
Sevilla  liegt.    Vgl.  unten. 

Den  Katalog  benützte  Munoz  in  seinem  Diccionario  und 
Graux  in  seinem  Rapport  p.  130,  besonders  im  Essai  p.  337  ff., 
wo  auch  Auszüge  aus  demselben. 

B.  Druckwerke. 

Auf  einer  gegenwärtig  im  Besitz  des  Herzogs  von  Albs 
(vgl.  diesen  Artikel)  befindlichen  Bibel  liest  man  den  Schenkunga- 
vermerk, que  en  18  de  Enero  del  ano  de  1624  el  Hustrisimo 
obispo  D.  Andres  Pacheco,  entonces  Inquisidor  JenerÜ,  recogi6 
0  quitö  esta  Biblia;  i  se  la  di6  al  Conde  Duque  de  Olivares 
D.  Gaspar  de  Guzm^n,  para  que  la  pudiese  ienir,  le^,  pose&r 
i  guardar  en  su  Libreria,  en  atenciön  &  los  favores  i  gracias, 
que  S.  E.  y  su  Padre  el  Conde  de  Olivarez,  siendo  embajador 
en  Roma  habian  hecho  al  Santo  Oficio:  i  en  consideraciön 
ademÄs,  a  haber   pertenecido   dicha  Biblia  &  uno   de   los  de  la 


Bibl.  üeb«raicht:   280  (Mftdrid).  59 

casa  de  Gozmän,  que  fuä  el  qae  la  mand6  trasladar;  i  pag6  por 
ella  excesivos  gastos  etc. 

Vgl.  Noticia  de  BibHa  .  .  .  del  Duque  de  Alba,  Madrid 
1847,  p.  2  f. 

Der  Escorialcodex  L.  I.  15  enthält  f.  25'  flF.  ein  ,Glo8- 
sarimn  latinum  ex  Codice  vetustissimo  literis  Langobardicis 
(sen  ut  Yocant  Gothicis)  scripto  ante  annos  sexcentos.  Ex  Biblio- 
theca  S^^  Joannis  de  la  Pena  in  Regno  Aragoniae  qoi  iam  in 
Biblioteca  Comitis  de  Olivares  asservatur^ 

Vgl  Hartel-Loewe  BPLH,  p.  187. 

Ramirbz  del  Prado,  LAüRBNTiuSy  in  der  Ausgabe:  Jnliani 
Petri  archipresbyteri  S.  Justae  chronicon  cum  eiusdem  adver- 
sariis  et  de  eremiteriis  hispanis  brevis  descriptio  atque  ab  eodem 
variorum  carminum  collectio  ex  bibliotheca  Olivarensi,  Lutetiae 
Parisiorum  1628.  49  sagt  p.  2  f.  seiner  excellentissimo  Domino 
Don  Gaspari  de  Guzman  Comiti  de  Olivares,  duci  de  Sanlucar 
gewidmeten  Vorrede:  E  magna  illa  manuscriptorum  Hbrorum 
Bibliotheca,  quam  summa  cura  et  non  sine  ingenti  sumptu  com- 
parasti,  non  in  ornatum  nee  in  spectaculum,  sed  in  doctrinam 
et  publicam  utilitatem  iam  in  lucem  prodit  Julianus  Petri  etc. 
Bezüglich  der  Quellen  heisst  es  p.  4  opus  .  .  .  a  Domino  An- 
tonio Augustino  pretio  habitum,  cui  exscriptum  exemplar  misit 
Abbas  Abis,  ex  ipsius  Juliani  autographo,  quod  ea  tempestate 
Ticini  asservabatur.  Weitere  Nachweise  oder  Notizen  über  die 
Bibliothek  fehlen. 

Aus  einem  Briefe  des  Andres  Uztarroz  an  Thomas  Tamajo 
de  Vargas,  Zaragoza  14.  März  1639.  .  .  .  Dixome  nuestro  amigo 
Don  Francisco  Ximenes  de  Urrea  que  V.  M.  havia  cuidado  de 
la  libreria  Olivariense,  y  assi  he  querido  escribir  estas  lineas  .  .  . 
El  conde  duque,  quando  vino  con  S.  Magestad,  el  ano  1626, 
deseoso  de  enriquecer  su  biblioteca  manuscrita,  desfrutö  algunos 
deste  reyno;  j  las  que  mas  Ustima  j  dolor  nos  causa,  es  la 
libreria  del  secretario  Gerönimo  Qurita  .  .  .  Creiö  Gerönimo 
Qörita  que  sus  trabajos  estarian  seguros  .  .  .  y  dexölos  como 
en  depösito  en  el  convento  de  la  Cartuxa  de  Aula-Dei.  Desto 
kigar  los  sacö  el  conde  duque  .  .  . 

Biblioteca  Nacional,  cod.  V  169,  fol.  170,  veröflFentlicht 
von  Graux,  Essai  p.  333  A.  1. 


60  Vm.  Abhandlung t    Beer.  Handsebriftenschitse  Spaniens. 

Antonio,  NicolauS;  Biblioth.  vet.  I,  p.  88  erwähnt  einen 
codex  des  Martial  aus  dieser  Bibliothek. 

Clsmencin,  DieoO;  Elogio  de  la  Reina  Dona  Isabel ,  Me- 
morias  de  la  Real  Aeademia  de  la  Historia,  tom.  VU,  p.  452 
erwähnt  eine  £[andschrift :  Crönica  del  Rey  Fernando  L 

Graüx,  Rapport  p.  130  gibt  wichtige  historische  Details 
über  die  Sammlung,  von  der  1648  ein  Theil  nach  Sevilla  kam. 

Graux,  Essai  p.  331 — 351  die  bis  heute  vollständigste  und 
gelungenste  Darstellung  der  Geschichte  der  Bibliothek. 

Martinez  Anibarro  t  Rives,  Intento  de  un  diccionario . . . 
de  Burgos  etc.  p.  199  über  eine  Handschrift:  Gundisalvi  k  Fino- 
josa  Burgensis  Episcopi  Chronica  perg.;  ferner  p.  249,  Crönica 
de  D.  Älvaro  de  Luna,  beide  gleicher  Provenienz. 

281.  Biblioteca  particular  del  Marques  de  Pidal 

A.  Druckwerke. 

EouRRN,  p.  59 — 60  beschreibt  ausführlich  ein  Devocionario 
dieser  Bibliothek  s.  XV,  das  besonders  schöne  Miniaturen  ans 
der  besten  Zeit  flämischer  Malkunst  aufweist. 

Martinez  Anibarro  y  Rives,  Intento  de  un  diccionario  de 
...  Burgos  etc.  p.  53  beschreibt  eine  Handschrift:  Poema  del 
Cid,  Ms.  de  Cardena,  propriedad  del  Sr.  Pidal :  un  vol.  en  4^ 
en  pergamino  s.  XIV.     Die  Subscriptio  lautet 

Quien  escribiö  este  Ubro  del  Dios  paraiso :  amen. 
Per  Abbat  le  escribiö  en  el  mes  de  majo 
En  era  de  mill  e  CG  .  .  .  XLV  anos.  , 

B.  Schriftproben. 

Akador  de  los  Rios,  Histöria  ciitica,  gibt  auf  der  Bd.  IQ 
beigeschlossenen  (zweiten)  Tafel  eine  Probe  aus  dem  Cidcodex. 

282*  Biblioteca  particular  del  Conde  de  PufionroHrOu 

Amador  de  los  RioS;  Histöria  critica,  tom.  HI,  p.  636^  das 
Werk  des  Infanten  Don  Fadrique :  Engannos  y  Assayamientos 
de  las  mugieres  besprechend  bemerkt:  El  änico  Ms.,  qae  existe 
de  este  precioso  monumento  literariO;  es  propriedad  del  Excmo. 
Sr.    conde   de   Punonrostro.     Consta   de   ciento   sesenta  y   tres 


Bibl.  üebenioht :  SSI— S85  (ÜAdrid).  6 1 

fojas  en  4^;  y  con  el  titulo  de  Conde  Lucanor  encierra :  V. 
Este  celebrado  libro  (del  1^  al  fol.  62^);  2»  el  de  los  Assaya- 
mientos  et  Engannos  (del  62^  al  79^);  3^  una  explicacion  del 
Padre  Nuestro  y  el  Testamente  de  Alfonso  de  Cuenca,  fisico 
del  rey  (del  f61.  63  al  68)  4^  nna  epistola  de  San  Bernardo  & 
Ramon  de  San  Ambrosio  (fol.  69  al  85);  y  5®,  finalmente  un 
tratado  de  moral;  de  religion  y  de  eiencias,  compuesto  de  di&- 
logos  entre  an  maestro  y  discipulo  y  compartido  en  ochenta  y 
caatro  capitolos,  que  oeupan  el  resto  del  cödice;  en  setenta  y 
siete  fojas.  La  letra  de  todo  el  Ms.  es  del  siglo  XV.  Vgl. 
auch  Bd.  FV,  p.  31  und  besonders  p.  597. 

888.  Biblioteca  particular  de  D.  Mamiel  Rico  y  Sinobas. 

Ueber  die  Privatsammlung  dieses  Gelehrten,  Professors 
der  Madrider  Universität,  berichtet 

Rada  t  Deloado  Juan  db  Dios  db  la,  BibUografia  numis- 
mätica  espanola,  Madrid  1886,  4^,  p.  XII  und  verzeichnet  aus 
derselben  verschiedene  numismatische  ELandschriften :  p.  56, 
p.  79  (Ambrosio  de  Morales,  Averiguaciön  del  verdadero  mara- 
vedi  antiguo  de  Castilla),  p.  92,  p.  141  und  p.  163. 

284.  Biblioteca  particular  del  Marques  de  San  Roman. 

RiANO,  Critical  and  Bibliographical  notes  on  early  spanish 
music  London  1887,  p.  135  bespricht  ein  Manuscript  dieser 
Sammlung,  fol.  707  p.,  enthaltend:  Felipe  Fernandez  Vallejo, 
Canonicus  der  Kathedrale  von  Toledo,  Memorias  y  disertaciones 
que  podran  servir  al  que  escriba  la  historia  de  la  Iglesia  de 
Toledo  desde  el  ano  1085  en  que  la  conquistö  el  Rey  Don 
Alonso  VI  de  Castilla.  1785.  Vgl.  den  Artikel  Toledo,  Biblioteca 
del  Cabildo  de  la  Catedral  A. 

386.  f  Biblioteca  particular  del  Excrho  Sr,  D,  Pedro  Caro 
y  Su/reda,  Marques  de  la  Romana, 

MuNoz,  Diccionario  p.  130  erwähnt  eine  Handschrift: 
jDescripcion  histörica  de  los  Alcdzares  de  Grenada  por  N.  Sa- 
ravia'  aus  dieser  Sammlung. 

Catalogo  de  la  Biblioteca  del  Excmo  Sr.  D.  Pedro  Caro 
y  Sureda,  Marques  de  la  Romana,  Capitan  Qeneral  del  £jer- 
cito  y  General   en  jefe,   que  fue,   de  las  tropas  Espanolas  en 


62  Vm.  Abhandlung:    Beer.  Handschriflenscbitie  Spaniens. 

Dinamarca   el   ano   de    1807 ,    trasladada  &  esta   corte    desde 
Palma  de  Mallorca.i  Madrid  1865,  4\ 

Beschreibt  auf  p.  188 — 194  gegen  vierhundert  Hand- 
schriften in  wunderlicher  Aufeinanderfolge  (Libros  en  12®  y  8®; 
en  4®;  en  folio,  innerhalb  dieser  Abtheilungen  analphabetische 
Einreihung);  die  einzelnen  Nummern  sind  von  ungleichem 
Werth,  neben  einer  gramdtica  griega  erscheint  ein  Libro  en 
latin  de  historia  natural,  femer  Salustii  Catilina,  Jugurtha 
s.  XrV — XV  S.  Cypriani  opera  s.  XIV;  Roderici  Toletani  Hist. 
Hispana  et  Romanor.  (Ms.  antiquisimo !)  D.  Isidori  Cronica, 
Dracontii  Opera  poetica  cum  divi  Eugenii  Tolet.  PraeauÜB 
supplemento  et  Azagrae  schoUs  originaUbus  atque  aliis  opusculis. 

286»  Biblioteca  particular  del  Sr,  de  Sola. 

EouREN,  p.  61  f.  beschreibt  ein  Devocionario  mit  vielen 
Miniaturen  und  besonders  interessanter  heraldischer  Omamen- 
tirung,  einstens  Besitz  Kaiser  Karl  V. 

287.  Biblioteca  particular  del  Sr,  Marques  de  Salamanca, 

BoRAo  berichtet  p.  81 :  guarda  en  sus  lujosas  estantes  pre- 
ciosidades  literarias  y  tipogräficas  de  gran  märito,  y  mis  de  200 
tomos  de  manuscritos  que,  con  todos  los  impresos  de  biblioteca 
del   duque  de  Hijar   comprö   hace   dos  anos  &  sus  herederos. 

288.  Biblioteca  particular  del  Dr,  Ramon  Sanchez  Merino. 

Egursn  beschreibt  p.  35  f.  ausführlich  zwei  durch  Sanchez 
erworbene  Bibeln,  beide  vitela  8^  s.  XIV. 

289.  Biblioteca  particular  del  Sr.  D.  Juan  Trö. 

EouREN  beschreibt  p.  26  eine  Bibel  s.  XIV  dieser  Samm- 
lung; p.  L  bemerkt  er,  von  ejemplos  de  la  escritura  del  siglo  X 
sprechend:  es  entre  ellos  dignos  de  mencion  un  fragmento  de 
un  hermoso  cödico  biblico  escrito  en  föUo,  a  tres  columnas. 
Posiele  el  Sr.  D.  Juan  Trö,  quien  le  pudo  salvar  con  dificul- 
tad,  cuando  hace  pocos  anos  destruyö  un  tirador  de  oro  el 
hello  libro  de  que  hacia  parte. 

^  Die  Bibliothek  befand  sich  ursprünglich  in  Valencia;  Tgl.  VillanueTa, 
Viage,  tom.  XIX,  p.  2,  wo  von  den  Handschriften  des  Klosters  La  Morta 
(s.  d.)  berichtet  wird,  que  una  buena  porcion  de  ellos  paran  hoy  dia  en 
la  biblioteca  del  Marques  de  la  Romana  en  Valencia,  reputada  por  una 
de  las  majores  de  la  nacion. 


BibL  üolwnieh«:  tM— MO  (Ibdrid).  63 

390.  f  Biblioteca  particular  de  D,  Enrique  de  Aragon 
Igo  Marques  de  Villena). 

Ueber  die  merkwürdige  Bibliothek  dieses  adeligen  Ver- 
ters  alter  spanischer  Dichtkunst,  aber  auch  einer  phantasti- 
en  Weltanschauung  (f  1434)  besitzen  wir  ein  beinahe  gleich- 
kiges  Zeugniss  bei 

GoMEz  DE  Cibda-Real,  Centou  epistolario  epist.  66:  No  le 
tö  ä  D.  Henrique  de  Villena  su  saber  para  no  morirse,  ni 
ipoco  le  bastö  ser  tio  del  Rey,  para  no  ser  llamado  por 
santador  .  .  .  Dos  carretas  son  cargadas  de  los  libros 
e  dexö  que  al  Rey  le  han  traido.  E  porque  diz  que 
.  magicos  e  de  artes  no  cumplideras  de  leer,  el  Rey 
ndö  que  &  la  posada  de  Fr.  Lope  de  Barrientos  fuessen 
'ados.  E  Fr.  Lope,  que  mas  se  cura  de  andar  del  principe 
)  de  ser  revisor  de  nigromancias  fizo  quemar  mas  de  cien 
•08:  que  no  los  viö  el  mas  que  le  Rey  de  Marruecos  .  .  . 
)  Bon  muchos  los  que  en  este  tiempo  se  fan  dotos;  faciendo 
»tros  insipientes  e  magos;  e  peor  es,  que  se  fazan  beatos 
[endo  ä  otros  nigromantes.  Tan  solo  este  denuesto'  no  habia 
itado  del  hado  este  bueno  e  magnifico  senor.  Muchos  otros 
t)8  de  valia  quedaron  d  Fr.  Lope,  que  no  seran  quemados, 
tomados  etc. 

Auf  diesen  Vorgang  bezieht  sich  wohl  auch  eine  Stelle 
Juan  de  Mena  Cant.  127  f.,^  während  Gomez'  Bericht  selbst 
schiedene  Commentare  erfahren  hat;  vgl.  Nicolaus  Antonio, 
»liotheca  Hispana  vetus  II,  p.  220  flF.  Pellicer  y  Saforcada,  Juan- 
tonio  Ensayo  de  una  bibliotheca  de  traductores  Espanoles, 
drid  1778,  II,  p.  58 — 76  (bes.  p.  66).  —  Clemencin,  Diego, 
gio  de  la  Reina  Catölica  Dona  Isabel,  Memorias  de  la  Real 
idemia  de  la  Historia  VI,  p.  466  nennt  bei  Anführung  des 
ktado  de  Adivinanza  6  sus  esp^cies  Lope  Barrientos  als 
-fasser  eines  solchen  und  glaubt,  Lope  habe  aus  den  band- 


Porque  Castilla  perdio  tal  tesoro 

No  conocido  delante  la  gente 

Perdio  los  tus  libros  sin  ser  conocidos; 

T  como  en  exequias  te  fueron  ja  luego 

Unos  metidos  al  avido  fnego 

Y  otros  sin  orden  no  bien  repartidos. 


64  Yin.  Abbandlang:    Beer.  HandscbriftenscbfttM  Spaniens. 

schrifklichen  Quellen  Villena's  geschöpft.  Bezüglich  des  Autos 
meint  er:  La  quema  fue  en  el  monasterio  de  Santo  Domingo  el 
real  de  Madrid  j  dieen  que  de  ella  pes6  despues  al  Rei  D.  Juan. 

—  Vgl.  auch  Torres-Amat,  Memorias  p.  669  f.  —  Amador  de 
los  Rios,  EListoria  critica,  tom.  VI,  p.  254  flF.  Ibid.  256,  Anm.  2 
Näheres  über  die  Zusammensetzung  der  Bibliothek  Enriques. 

—  Wenig  bietet  der  umständliche  Aufsatz  von  Th.  de  Puy- 
maigre  Don  Enrique  de  Villena  et  sa  bibUothfeque  Revue  des 
Questions  Historiques,  6"*®ann^e,  tome  11"**,  Paris  1872,  p.  526— 
534,  da  hier  blos  versucht  wird,  die  Unechtheit  von  Gomez' 
Bericht  zu  erweisen,  ohne  dass  ein  positives  Resultat  geboten 
wäre.  Ganz  auf  Seite  unserer  Ueberlieferung  steht  Edmund 
Derer,  Heinrich  von  Villena,  ein  spanischer  Dichter  und  Zau- 
berer, Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  Bd.  77 
und  separat  Braunschweig  1887,  p.  135.  Ebenfalls  referirend 
V.  M.  Otto  Denk,  Einführung  in  die  Geschichte  der  altcata- 
lanischen  Litteratur,  München  1893,  p.  245.  Nach  EJnrique  de 
Leguina,  La  Exposicion  Histörica-Europea  VI.  La  Biblioteca 
Nacional  in  dem  Tagesjoumal  La  Epoca  vom  28.  November 
1892  zeigt  das  in  der  Madrider  Columbusausstellung  exponirte 
Manuscript  Tratado  de  Astrologia  de  D.  Enrique  de  Aragon 
(1428),  auf  den  Einbanddecken  Spuren  von  Feuer  und  Wasser. 
,Comprueba,'  sagt  er,  ,1a  famosa  quema  de  Lope  de  Barrientos, 
pues,  sin  duda,  este  ejemplar  fuö  sacado  de  la  hoguera^ 

291.  Biblioteca  particular  del  marques  de  Villena. 

FERREmo  GoRDO,  Apoutameutos  para  a  Historia  Civil  e 
Litteraria  de  Portugal  etc.  in  den  Memorias  de  Litteratura 
Portugueza,  tom.  III  (1792),  p.  46  berichtet  von  einer  Hand- 
schrift D.  Joao  Ribeiro  Gaio,  Bispo  de  Malaca,  RelafSo  de 
Luchen,  escrita  a  El  Rei  und  bemerkt:  Existe  na  Livraria  de 
Marquez  de  Vilhena,  Estribeiro  M6r  de  S.  Magestade  Catholica. 

—  Unzweifelhaft  ist  diese  Bibliothek,  über  deren  Besitzer  mir 
nichts  Näheres  bekannt  wurde,  nicht  identisch  mit  der  vorher- 
gehenden. 

292.  *  Biblioteca  particular  del  Eocmo  Sr,  Cande  de  Va- 
lencia de  Don  Juan, 

Die  reichhaltige  Sammlung  des  gelehrten  Directors  der 
Armeria   Real    zeichnet   sich   durch    eine    erlesene    Zahl   von 


Bibl.  üttberaicht:  291—295  (Madrid).  65 

Docnmenten  9  insbesondere  durch  mehrere  Fascikel  mit  ver- 
schiedenen,  die  Geschichte  der  spanischen  Habsburger  be- 
treffenden Acten  aus ;  sie  sind  hochinteressant  und  zum  grossen 
Theil  unedirty  darunter  eigenhändige  Briefe  des  Infanten 
D.  Carlos. 

898.  Biblioteca  particular  de  D,  Fernando  Jose  de  Velasco, 

FüERO,  EIl,  viejo  de  Castilla,  sacado  y  comprobado  con  el 
ejemplar  de  la  misma  obra,  que  existe  en  la  Real  Biblioteca 
de  esta  Corte,  y  con  otros  Mss.  Publicanlo  con  notas  histöricas 
y  legales  D.  Ignacio  Jordan  de  Asso  y  del  Rio  y  D.  Miguel 
de  Manuel  y  Rodriguez,  Madrid  1847. 

Ein  bei  der  Ausgabe  benutztes  Manuscript  stammt  aus 
dieser  Bibliothek,  vgl.  p.  VII,  Anm.  1 :  El  extracto  de  este  Ms. 
adoma  la  copiosa  y  exquisita  -libreria  del  Senor  D.  Fernando 
JosÄ  de  Velasco,  que  ha  ido  formando  ....  Confesamos  agre- 
decidos  que  le  debemos  el  favor  de  habemos  franqueados  una 
copia  exacta  del  cap.  6  de  esta  obra,  la  cual  sabemos  que  con 
otros  muchos  MSS.  muy  apreciables  y  curiosos  vendiö  original 
el  Librero  de  Madrid  Francisco  Lopez  al  ^Conde  de  la  Ericeyra 
de  Portugal  en  el  ano  1737  por  el  precio  de  200  doblones. 

294.  Biblioteca  particular  del  Sr.  D.  Domingo  Vila. 

RoTONDO,  Antonio,  Historia  descriptiva  ...  del  Escorial, 
Madrid  1863,  fol.,  p.  269  f.  bemerkt,  von  dem  codex  aureus  des 
Escorials  sprechend,  Folgendes:  Nuestro  respetable  6  ilustrado 
amigo  el  Sr.  D.  Domingo  Vila  posee  en  su  biblioteca  un  cödice 
catalän,  cuyas  letras  capitulares  estdn  confeccionadas  del  mismo 
modo  que  las  del  libro  aureo  del  Escorial.  Sus  hojas  son  de 
suave  y  delicado  pergamino. 

295.  t  Biblioteca  particular  de  D.  Jaime  Villanueva. 

Die  Geschichte  und  endgiltige  Beschreibung  der  hand- 
schriftlichen Sammlungen  dieses  Gelehrten,  neben  Florez  viel- 
leicht der  gelehrtesten  Theologen,  den  Spanien  besessen,  er- 
fordert eine  specielle  Studie.  Nur  ein  Theil  seiner  Papiere 
kam  in  die  Akademie  der  Geschichte  nach  Madrid;  andere 
gewiss  sehr  kostbare  Stücke  wurden  zerstreut,  ohne  dass  wir 
mit  unseren  jetzigen  Mitteln  im  Stande  wären,  ihren  Aufenthalt 

SitzimgBber.  d.  phiL-hist.  C\,  CXTVm.  Bd.  8.  Abh.  5 


66  VIII.  Abhandlung:    Beer.  Handschrifleniehlta«  Spanieni. 

festzustellen.^  Wiederholt  gibt  er  Proben  aas  den  Manuscripten 
seiner  Privatbibliothek,  z.  B.  tom.  IV  des  Viage  literario  p.  272ff. 
Petri  Ransani,  panormitani  theologi,  ordinis  praedicatomm ,  ac 
dein  episcopi  Lucerini,  opuscula  duo  de  vita  et  gestis  S.  Vin- 
centii  Ferrerii  Conf.,  nunc  primum  in  lucem  edita  ex  cod.  ms. 
init  saec.  XVI,  quem  penes  nos  habemus.  Vgl.  auch  den  Ar- 
tikel La  Murta. 

Mahon  (Menoroa). 

296*  Biblioteca  del  Ayuntamiento, 

ViLLANUBVA  (Viage,  tom.  XXI,  p.  4)  sah  daselbst  ein  libro 
Colorado  (Uibre  vermell),  enthaltend  la  legislacion  que  estableciö 
el  Rey  Don  Jaime  11  en  1301. 

M&Iaga. 

• 

397.  Biblioteca  Epiacopal. 

Haenel  catalogi  col.  1006:  Codd.  mss.  nulli,  eine  unrich- 
tige Angabe. 

Heins  (Serapeum  Jahrg.  VII  [1846]  p.  204)  sah  daselbst 
einige  Handschriften,  jedoch  nur  einen  membranaceus,  ein 
Missale  s.  XIV. 

MüNOz,  Diccionario  p.  18  f.  s.  v.  Antequera  citirt  aus 
dieser  Bibliothek  ein  Manuscript:  Descripcion  de  la  fundacion 
y  antiguedad  ...  de  Antequera  von  Francisco  de  Cabrera. 

Valentinelli  p.  114  f.  nach  Heine. 

BoRAo  p.  81  gibt  kurze  historische  Daten,  keine  Notizen 
über  Handschriften.  Nach  ihm  ist  die  bischöfliche  Bibliothek 
die  einzige  öffentliche  Malagas. 

Manresa. 

298.  Iglesia  del  Hospital  de  Santa  Lucia, 

ViLLANUBVA,  Viagc,  tom.  Vn,  p.  190  ff.  beschreibt  eingehend 
ein  librito  en  16^  con  cubiertas  de  plata,  adomadas  de  primorosa 
filigrana,  welches  für  das  Original  der  Egercicios  des  Ignaz 
von  Loyola  angesehen  wurde.  Es  ist  aber  ein  Gebetbuch,  auf 
feinstem  Pergament  mit  vorzüglichen  Miniaturen,   geschrieben 

^  Vgl.  Knust  Reise,  Archiv  f.  ä.  d.  G.  Vni,  120  u.  ö. 


Bibl.  ütbtnieht:  S96--aO0  (Xadrid— Mediu  d«l  Gampo).  67 

vom  Canönigo  de  Lieja^  llamado  Roberto  Chesnau  für  D.  Gaspar 
Espinola  1Ö83.  Incipit  und  Expl.  a.  a.  O. 

2Ä9.  Archivo  del  convento  de  los  PP,  Carmelitas, 

ViLLANUBVA,  Viage,  tom.  VII,  p.  186  flF.  beschreibt  und  ex- 
cerpirt  einen  Codex  dieses  Archivs  (caj.  4)  s.  XIV,  enthaUend 
miracnla  B.  Mariae  virginis  geschrieben  in  urbe  Valentina  anno 
ab  incamatione  Domini  MCCCXXVII  in  mense  Aprilis  qui  fuit 
inchoatus  in  mense  Martii. 

300.  Sacristia  de  la  Iglesia  de  Santa  Maria, 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  VII,  p.  174  und  182  berichtet 
von  einem  cödice  de  los  evangelios,  Textus  argenti  genannt, 
der  noch  zu  seiner  Zeit  um  Weihnachten  benützt  wurde.  Aus 
den  in  diesen  Codex  von  zeitgenössischer  Hand  eingetra- 
genen Urkundentexten  theilt  Villanueva  die  Introductio  vitae 
canonicae  S.  Augustini  in  ecclesia  Manresensi,  anno  MXCVIII 
mit  (vgl.  a.  a.  O.  p.  272  ff.).  Der  Codex  war  also  spätestens  s.  XI. 

Matallana. 

801.  Biblioteca  del  Monasterio  de  la  Orden  de  Cister, 

MoRALEs,  Viage,  p.  195:  No  tienen  mas  libros  antiguos  de 
un  Breviario  grande,  y  con  grandes  iluminaciones ,  mas  deli- 
cadas  y  de  buen  dibujo,  que  parece  se  podrian  hacer  en  tiempo 
del  Rey  D.  Fernando  el  Emplazado,  para  quien  se  hizo,  segun 
los  Monges  afirman:  ya  yo  di  relacion  en  particular  de  este 
libro  y  se  hizo  alguna  diligencia  sobre  äl. 

Medina  del  Pumar. 

302.  Biblioteca  del  Monasterio  de  los  Cartuchos, 

lieber  einen  Bezerro  dieser  Bibliothek  berichtet  Morbl- 
Fatio,  Catalogue  etc.,  bei  der  Beschreibung  von  Paris.  Fonds 
Esp.  Nr.  57. 

Medina  del  Campe. 

303.  f  Biblioteca  del  Colegio  de  Jesuitas. 

Indice  de  los  libros  y  manuscritos  que  se   hallaron  en  la 

Biblioteca  de  los  Jesuitas  de  Medina  del  Campo.  Handschriften 

5* 


68  Vni.  AbbandlQDg:    Be«r.  HandscbrifkensehAtze  Spsai«». 

aus  San  Isidro  (Nr.  476,  477,  478  und  479)  jetzt  in  der  Real 
Aeademia  de  la  Historia  zu  Madrid.  Vgl.  Revista  de  ArchiTOs  VI 
(1876),  p.  263. 

La  Mejorada. 

804.  Biblioteca  del  Monasterio  de  San  Gerönimo, 

MoRALBS,  Viage,  p.  198:  Tienen  algunos  libros  de  mano: 
(1)  Santo  ndefonso  de  Virginitate  Beatae  Mariae.  Saneti  Isidori 
Sinonima:  en  un  volumen.  (2)  Etymologiae  Divi  Isidori:  letra 
y  pergamino  como  de  doscientos  anos  al  parecer.  (3)  Un  Vir- 
gilo  escrito  de  mano  de  Antonio  de  Lebrija,  como  al  cabo  se 
dice.  (4)  Augustinus  de  civitate  Dei,  pergamino  y  letra  harto 
antigua.  (6)  S.  Isidoro  sobre  el  Pentateuco  y  sobre  otros  Libros 
Sacros.  (6)  Liber  eiusdem  DiflFerentiarum  ad  Regem  Sisebutum. 
(7)  Valerie  Maxime  trasladado  en  romance  por  el  Cardinal  de 
Santa  Sabina,  y  hijo  del  Infante  D.  Pedro  de  Arago,  de  mano, 
en  papel. 

San  Miguel  de  los  Beyes. 

305.    t  Biblioteca  del  Monasterio  del  drden  de  San  Gerönimo. 

Nur  ein  Theil  der  Handschriften,  welche  Don  Fernando 
de  Aragon,  Duque  de  Calabria,  1550  dem  Kloster  schenkte,  ist 
heute  noch  in  der  Universitätsbibliothek  Valencia  aufbewahrt 
Die  Klostersammlung,  speciell  ihr  früherer  Bestand,  hat  eine 
eigene  Geschichte  und  muss  hier  gesondert  behandelt  werden. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

1.  Libros  del  estudio  del  Exmo  senor  duque  de  Calabria. 
(1550).  795  Nummern  mit  der  Schlussbemerkung :  Todos  estos 
libros  que  aqui  estan,  y  otros  muchos  que  se  hallan  en  el  mo- 
nasterio y  no  en  el  ynventario  y  fueron  de  su  Excelencia,  se 
cree  que  vinieron  al  monasterio  y  creo  yo  para  mi  que  solos 
los  libros  del  estudio  de  su  Excelencia  segnn  hallä  dello  yndicio 
serian  mill  voluminös  o  cuerpos  de  libros  entre  grandes  y  pe- 
quenos  y  pequenitos  etc.  Aus  dem  heute  im  Archive  histörico 
nacional  zu  Madrid  aufbewahrten  Originalcodex:  Fundacion  i 
inventarios  de  San  Miguel  de  los  Reyes  veröflFentlicht  in  der 
Revista  de  Archivos  IV  (1874),  p.  7—10;  21—25;  38—41; 
54—56;  67—69;  83—86;  98—101;  114—117;  132—135. 

2.  Cf.  unten  die  Mittheilung  von  Andres. 


Bibl.  Uebtnieht:  904—805  (Medina  del  Campo  — San  Mignel  d«  los  Beyes).  69 

B.  Druckwerke. 

PoNz,  Viage,  tom.  IV,  carta  IX,  p.  241 — 2ö0  ausführliche 
Beschreibung  des  Boosters,  Erörterung  der  Beziehungen  des 
Herzogs  zu  demselben  und  p.  250  die  Notiz :  ,Se  conservan  en 
la  Libreria  porcion  de  Übros  que  fueron  de  dicho  Senor^ 

ViLLANusYA,  der  die  Sammlung  noch  in  San  Miguel  sah, 
charakterisirt  sie,  Viage,  tom.  II,  p.  125  ff.  richtig :  La  mayor  parte 
de  ellos  son  de  humanidades,  escritos  en  Italia  en  los  siglos 
XrV  y  XV  con  mucha  prolixidad  en  finisimas  vitelas,  ador- 
nadas  de  buenas  miniaturas.  Verzeichnet  werden  ein  Martiro- 
logio  escrito  en  el  ano  1254;  Romance  de  la  Rose;  Carta  de 
adventu  Messiae  s.  XTV — XV  (cf.  Ap.  Nr.  XI;  carta  que  escri- 
biö  rabi  Izach  d  rabi  Samuel,  cuya  Version  lemosina  existe  en 
San  Miguel  de  los  Reyes,  en  un  MS  del  siglo  XIV);  Guillermo 
de  Peralta,  De  eruditione  principum  s.  XVI;  Expositio  ordinum 
missae. 

Andres,  Joannes,  Anecdota  graeca,  Napoli  1816,  p.  VII: 
Pretiosorum  librorum  suppellectilem  secum  in  Hispaniam  detulit 
Ferdinandus  Friderici  filius,  Calabriae  Dux,  cuius  magnam 
partem  adhuc  in  monasterio  Valentino  S.  Hieronymi,  quod 
S.  Michaelis  nomine  nuncupatur,  asservari  manifesto  testatur 
manuscriptus  index  illius  bibliothecae  quem  ad  me  olim  inde 
missum  penes  me  retineo. 

Torres-Amat,  Memorias  etc.,  p.  238  erwähnt  bei  Be- 
sprechung der  Dante-Uebersetzung  Febrer's  (vgl.  den  Artikel  Es- 
corial)  ein  ,preciosisimo  ejemplar  de  este  raro  Ms.  con  muchi- 
simos  dibujos  y  figuras  alusivas  d  la  materia  de  que  se  trata' 
aus  dieser  Bibliothek. 

Haenel,  Catalogi  col.  999  berichtet  bereits  von  dem  Ent- 
schluss  der  Regierung,  die  Bibliothek  von  S.  Miguel  nach  Va- 
lencia zu  transportiren,  und  verzeichnet  211  Handschriften. 

Vogel,  p.  482  nach  Haenel. 

Vajlentinelli,  p.  128. 

Repulles,  Manuel,  Catälogo  de  los  cödices  procedentes 
del  monasterio  de  San  Miguel  de  los  Reyes.  Revista  de  Ar- 
chivos  V  (1875),  p.  9—15;  p.  52— 55;  p.  68— 72;  p.  87— 91; 
p.  103—105. 


70  YTll.  Abhandlang:     Beer.  Handsehriftenach&tse  Sp«iiiMia. 

Morbl-Fatio,  Alfred,  Rapport  sur  une  mission  philologique 
k  Valence,  Bibliothfeque  de  T^cole  de  chartes,  tom.  XLV  (1884), 
p.  618  über  die  Bibliothek;  dazu  noch  die  Note:  Le  marquis 
de  Cruilles  dans  sa  Guia  urbana  de  Valencia,  Valence  1876, 
tom.  I,  p.  285  parle  d'une  description  des  mss.  de  S.  Miguel 
par  Zacar^s  (Recuerdos  de  Valencia)  que  je  ne  connais  pas. 
Mir  war  weder  das  eine  noch  das  andere  der  genannten  Werke 
zugänglich. 

Die  übrigen  Daten  über  die  Sammlung  sind  unter  der 
Rubrik  Valencia,  Biblioteca  de  la  Universidad,  vereinigt. 

Mondonedo. 

306.  Biblioteca  de  la  Catedral. 

In  einem  Auto  capitular  vom  16.  August  1506  heisst  es, 
dass  ausgezahlt  werden  diez  mil  maravedis  al  librero  que  hizo 
los  libros  und  weitere  diez  mil  ,para  comprar  las  cosas  nece- 
sarias  para  un  psalterio  que  hace  Bastida  para  la  dicha  iglesia^ 
Dieser  Bastida  escriptor  de  libros  erbietet  sich  acht  Tage 
später  ,que  enmendard  cualquier  falta  que  esta  fecha  en  los 
libros  divinal  y  cantoral  ...  los  cuales  libros  yzo  £n9iso, 
escriptor  de  libros^ 

Villa- Amil,  Los  Codices  p.  26. 

Mobales,  welcher  nicht  selbst  in  Mondonedo  war,  be- 
richtet auf  Grund  einer  vom  Bischof  Lujan  eingesendeten  In- 
formation ganz  allgemein  (Viage,  p.  II 5) :  Libros  tienen  hartos 
de  mano,  mas  ninguno  notable,  si  no  es  el  Libro  ScintiUaram 
Alvari  Cordubensis.  Doch  hat  sich  das  ihm  eingesendete  Ver- 
zeichniss  in  einer  Copie  erhalten.  Vgl  weiter  unten. 

Florez,  Espana  Sagrada,  tom.  XVIII  (1764),  p.  273  über 
eine  Handschrift,  die  Historia  de  la  Santa  Iglesia  j  sus  prelados, 
verfasst  vom  Bischof  Manuel  Navarrete  auf  Grund  der  in  Mon- 
donedo vorhandenen  Archivalien  (reconociö  los  monumentos  de 
ambos  Archivos),  welche  zu  Florez'  Zeit  noch  in  der  Bibliothek 
aufbewahrt  wurde.  Vgl.  auch  Villa-Amil,  Los  Codices  a.  u.  a.  0. 

Villa- Amil  y  Castro,  Los  Codices  theilt  p.  27flF.  ans  dem 
Manuscript  der  Nationalbibliothek  V,  197,  fol.  323  ff.  folgenden 
Bericht  der  Licentiaten    Molina   (aus   Malaga)   und  Maldonado 


\ 


INM.  ütbuticlii:  806  (San  Mig;Qel  de  los  Bayes— MoDdoil«do).  71 

vom  Jahre  1Ö12  mit:   Vuscamos   todos  los  libros   de  la  dicba 
iglesia  de  MondonedO;  que  estaban  en  casa  .  .  .  y  fallamos : 

1.  Una  exposicion  del  psalterio  entera,  que  no  se  hallö  en 
ella  el  nombre  del  autor  ni  concorda  con  ningona  de  las  que 
aeä  tenemos  impresas,  y  el  prölogo  no  se  pudo  bien  leer  y 
comienza  el  libro:  Iste  Über  apud  hebreos  propter  diversas 
causas  tribus  modis  intitulatur,  y  fenece:  Omnes  psalini  centum 
qoinquaginta  numerantur  ^  in  quo  numero  concordia  duorum» 
testamentorum  significatur;  quindenarius  enim  numerus  decies 
duetus  suum  numerum  redit.  Quindenarius  vero  eonficitur  ex 
Septem  et  oeto,  sed  septenarius  in  quindenario  vetus  testa- 
mentum  significat  propter  sabatum,  quae  est  dies  septima.  Oeto- 
narius  vero  de  eodem  quindenario  novum  testamentum  designat, 
propter  domini  resurrectionem  octava  die  faetam  Ebdomade. 
Y  d  lo  que  parece  es  antiguo  Cathölico :  tiene  adjunta  tambien 
una  gloas  sobre  los  cdnticos^  que  se  cantan  por  la  semana  con 
el  psalterio. 

2.  Otro  libro  de  mano,  que  se  intitula  Liber  scinthilarum, 
por  ochenta  capitulos,  el  primero  de  Charitate  y  el  postrero  de 
lectionibus:  no  tiene  nombre  de  autor ;  mas  pensamos  que  es 
de  Beda.^ 

3.  Algunas  partes  de  la  Biblia,  que  se  conoce  ser  la  glosa 
ordinaria  con  la  interlineal  antigua. 

4.  Una  glosa  sobre  los  cänticos  de  Fray  Egidio  de  Roma, 
y  con  6\  juntamente  una  glosa  literal  sobre  Job,  sin  nombre 
de  autor.  Comienza  el  prölogo:  Sicut  autem  in  rebus  que 
natoraliter  generantur.  Y  el  libro:  Omnia  sicut  dictum  est  in- 
tencio  huius  libri,  y  acaba:  reposita  est  spes  mea  in  sinu  meo. 

Creemos  que  es  la  glosa  de  Santo  Tomas,  y  si  lo  es,  anda 
impreso. 

5.  Item,  otro  libro  que  parece  una  breve  exposicion  de 
la  sagrada  escritura,  sin  nombre  de  autor:  comienza  el  prölogo: 
Venite  ascendamus  ad  montem  Domini  et  ad  domum  dei  Jacob, 
et  docebit  nos  vias  suas;  y  sobre  estas  mismas  palabras  comienza 
el  libro:  Magnus  ille  Pauli  Discipulus  Apostolorum  contempora- 
nens  divinorumque  concius  (sie)  arcanorum  Dionisius  Areo- 
pagita,  y  acaba :  Et  accedit  quod  scriptum  est  Cantorum  3^  (sie) 


^  Alyar,  nach  Morales  (s.  oben). 


72  YIII.  Abhandlung:    Beer.  Handschriftenschitie  Spaniens. 

ascendit  sicut  virgula  fami  ex  aromatibus  mirre  et  turis  et 
universi  pulveris  pigmentarii.  Pensamos  ser  de  Pedro  Aureolo, 
que  le  intitulo  Biblia  Aurea;  creemos  que  anda  impreso,  si  es  ^1. 

6.  Item,  otro  libro  de  sermones,  que  empieza:  El  primer 
sermon  de  adventu  Domini  sicut  adventus  graciae  divine  non 
semper  est  ad  eosdem  ita  nee  efectus  idem.  Y  el  postrero 
sermon:  Est  in  dedicatione  ecclesiae;  comienza:  Sic  est  locus 
fratres  charissimi  ubi  modo  convenistis,  y  acaba:  Unde  Apo- 
stolus  servate  unitatem  spiritus  in  vinculo  pacis. 

Hay  otro  librillo  en  este  voldmen  que  contiene  muchas 
distincciones  que  parecen  de  la  sagrada  escriptura,  ni  tiene 
titulo  ni  autor;  comienza:  Respectus  Dei  in  sacra  scriptura  tribus 
modis  accipi  solet,  y  acaba:  Ideo  et  ipse  est  figura  fidei  et  nos 
filii  eins  in  fide. 

7.  Item  una  Coronica,  que  comienza:  Ego  frater  Martinus 
Domni  Pape  penitentiarius  et  capellanus  ex  diversis  cronicis  ac 
gestis  sumorum  Pontificum  et  Imperatorum  etc. 

Guillermus  de  Podio  libellus  disputationis  contra  incrudeli- 
tatem  aeditus  Judeorum. 

Y  en  el  mismo  volümen  estä  otro  tratado  sobre  el  psalterio; 
cuyo  titulo  es:  Incipit  prologus  super  tractatu  explanacionum 
psalterii  contra  Judeos  edito  disputando,  in  quo  declarantur 
articuli  et  probantur  quos  credendos  fides  tradit  Catholica  et 
tenendos.  Comienza  el  primer  psalmo:  Ecce  ergo  Judei  in 
capite  huius  libri.  Acaba  en  este  verso:  Exaltaciones  dei  in 
guture  eorum  et  prosequuntur  officium  predicandi  et  laudes;  y 
falta  lo  demas,  y  no  tiene  nombre  de  autor. 

Y  estä  tambien  en  este  volumen  una  glosa  super  Cantica 
canticorum.  Comienza  el  prölogo:  Cum  non  nullos  mores 
Judeorum  in  libro  quem  hebrei  sirasirin  vocant  Y  el  primer 
capitulo  comienza :  Dicat  ergo  Salomon  in  suo  cantico  etc.  Fäl- 
tale el  fin  y  no  tiene  nombre  de  autor. 

8.  Otro  libro  de  sermones  dei  tiempo,  sin  nombre  de  autor, 
que  comienza  el  prölogo :  Philosophia  est  divinarum  humanarum- 
que  rerum  speculatio.  Parece  ser  de  algun  fraire  de  San  Fran- 
cisco. Comienza  el  primer  sermon:  Visitavo  vos,  y  el  postrero; 
Homines  peribunt,  tu  autem  permanebis  etc. 

Los  demas  son  de  gramätica  y  otros  estän  impresos. 


BibL  üeb«nicht:  307—310  (Mondofiedo— MoDsemte).  73 

Vgl.  noch  ibid.  p.  75  f.  über  die  Tumbos  von  Mondonedo 
(weit  zurückreichende  historische  Daten  und  Ewald  p.  312). 

Der  gegenwärtige  Bischof  von  Mondonedo  hatte  die  Güte, 
anlässlich  seiner  Durchreise  durch  Leon  mir  persönlich  die 
Mittheilung  zu  machen,  dass  auch  heute  noch  einige  liturgisch- 
historische Handschriften  in  der  Bibliothek  der  Kathedrale  auf- 
bewahrt werden. 

307.  fBiblioteca  particular  del  Licenciado  Gonzalo  de 
Molina. 

Zum  Schluss  der  von  uns  oben  mitgetheilten  Relation  an 
Ambrosio  de  Morales  (v.  J.  1572)  heisst  es:  Y  yo  el  dicho 
licenciado  Molina  tengo  entre  mis  libros  (1)  una  glosa  sobre  el 
Job,  sin  titulo  de  autor,  y  otra  sobre  el  G^nesi,  que  tampoco 
tiene  nombre  de  autor,  y  son  de  mano  antigua,  d  lo  que  parecen; 
y  tengo  (2)  otro  libro  de  mano,  que  se  intitula  Liber  distinc- 
tionum,  sin  nombre  de  autor,  y  trata  todo  ^1  del  frasis  de  la 
Escriptura  Sagrada:  ^ste  creo  que  no  estd  impreso  y  que  es 
cathölico. 

Villa  Amil,  Los  Codices,  p.  31  f.    Vgl.  Ewald,  p.  312. 

Monforte  de  Lemus. 
808.  fBiblioteca  del  Colegio  de  la  Compaflia  de  Jesus. 

La  GIndara,  Felipe  de,  Armas  i  triunfos,  hechos  heroicos 
de  los  hijos  de  Galicia,  Madrid  1662,  p.  669  f.  (der  Ausgabe  in  4®) 
berichtet,  dass  in  diesem  Convent  ein  Manuscript  mui  antiguo 
sich  befand,  das  früher  Eigenthum  des  Erzbischofs  von  Sevilla 
Rodrigo  de  Castro  war,  enthaltend  diverses  autores  (i  es  co- 
mento  de  los  que  escribieron  los  Perlados  Obispos). 

Vgl.  auch  Villa-Amil,  Los  Codices,  p.  25. 

Monsanto. 
S09.  Biblioteca  del  Monasterio. 

Florez,  Espana  sagrada,  tom.  V  (1750),  p.  438  f.  bespricht 
eine  Handschrift  dieser  Sammlung,  Isidorus,  De  viris  illustribus. 

Monserrate. 
310.  Biblioteca  del  Real  Monasterio  de  Santa  Maria. 

Serra  y  Postius,  Pedro,  Epitome  historico  del  portentoso 
santuario  y  Beal  monasterio  de  nuestra  Senora  de  Montserrate, 


74  VI  IT.  Abhandlung:    Beer.  Handschriftenaoliitee  Spaniens. 

Barcelona  1747,  citirt  in  dem  Indice  der  benützten  Bkind- 
schriften  zwei  Manuscripte  der  Bibliothek,  nämlich  Francisco 
de  Ortega,  Historia  del  Santuario  de  Montserrate  nnd  Fr.  Lesmes 
Raventos,  Historia  de  nuestra  Senora  de  Montserrate. 

ViLLANUEVA,  der  die  Bibliothek  kurze  Zeit  vor  dem  Brande 
(1811)  in  Augenschein  nahm,  beschreibt  Viage,  tom.  VII, 
p.  145ff.  folgende  Handschriften  derselben:  (1)  Un  misal  propio 
de  la  iglesia  de  Tortosa  Ms.  en  el  siglo  XHI.  (2)  Libre  de 
les  nativitats  compilat  de  la  medulla  dels  actors  de  la  veridat 
per  maus  de  Bertomeu  Tresbens,  al  ßey  en  Pere  Darago  Terg. 
Astrologischen  Inhalts  s.  XHI  ex.  (3)  Tratado  llamado  Invin- 
cionario,  dirigido  al  muy  reverendo  6  magnifico  Senor  D.  Alfonso 
Carillo,  arzobispo  de  Toledo,  primado  de  las  Espanas,  por  un 
SU  devoto  siervo  Alfonso  de  Toledo,  bachiller  en  decretos,  ve- 
zino  de  la  cibdat  de  Cuenca,  patria  de  dicho  Senor.  E  el  tra- 
tado es  asi  llamado,  conviene  a  saber,  Invincionario,  porque  en 
^1  se  fallaran  los  primeros  inventores  de  las  cosas,  asi  tempo- 
rales como  espirituales.  Villanueva  bemerkt:  El  cödice  Uega 
hasta  el  ultimo  capitulo  que  es  del  Maestro  de  las  sentencias, 
pero  no  estä  completo. 

(4)  Pedro  Juan  Nunez:  varios  fragmentos  de  exposiciones 
de  Ciceron.  (5)  Derselbe  Versiones  al  lemosin  de  algunas  cartas 
(de  Ciceron)  hechas  en  Barcelona  aiio  1585. 

(6)  Fr.  Antonio  Alfaig,  Libro  llamado  Camino  de  per- 
feccion,  s.  XVI. 

(7)  Fr.  Bemardo  de  Hontiveros,  traduccion  del  libro  ami- 
citia  de  Ciceron.  (8)  Pedro  Gonzalez  de  Mendoza,  obispo  de 
Salamanca,  Historia  del  concilio  de  Trento  en  su  tercera  con- 
vocacion  por  el  Papa  Pio  IV.  Copirt  vom  Licentiaten  Diego 
de  Colmenares.  (9)  Missal  dels  hermitans  de  Muntserrat  (um 
1408).     Mit  einer  Probe:  Prosa  de  defunctis. 

ToRRES  Amat,  Memorias  etc.,  p.  206:  En  la  biblioteca  de 
Monserrate  existian  antes  del  incendio  los  dos  vol&menes  si- 
guientes:  P  Incipit  Über  qui  vocatur  janua  artis  magistri  Ray- 
mundi  Lulii  editus  a  domino  Petro  Degui  villae  Montis  albi 
presbitero.  2^  Incipit  opus  .  .  .  videlicet  metaphisicam,  phisicam 
logicam  et  .  .  .  distinctionem ,  editum  per  magistrum  Petrum 
Degui  presbiterum  et  cathalanum  villae  Montis  albi  sequentem 
veritatem  artis  magistri  Raymundi  Lulii  1489. 


Bibl.  üebenicht:  SU  (Mons«rr»to).  75 

Haenxl,  der  bereits  nach  der  Katastrophe  Catalonien  be- 
reiste, berichtet  Catalogi,  col.  1006  von  einem  Sallustii  exemplar 
Tetustum,  litteris  uncialibus  in  membranis  exaratam,  das  sich  im 
Kloster  befunden  habe.  Woher  er  diese  Nachricht  geschöpft, 
ist  mir  unbekannt. 

CoRMiKAs,  Suplemento  a  las  memorias  (de)  Torres  Amat, 
p.  324  über  einen  cödice  curioso  para  los  peregrinos,  que  querian 
cantar  ...  de  cänticos  honestos,  siendo  unos  latinos  y  otros 
lemosinos  (es  ist  Nr.  9  bei  Villanueva). 

Valentinelli,  p.  161  f.  nach  Villanueva,  nur  ist  die  Notiz 
tlber  die  Handschrift  des  Sallust  aus  anderer  Quelle  —  wohl 
aus  Haenel  heriibergenommen. 

Von  den  ehemaligen  Hand  Schriftenschätzen  des  Klosters 
—  man  spricht  von  500  Bänden  —  ist  nach  dem  Brande  im 
Jahre  1811  so  gut  wie  nichts  übrig  geblieben.  Eine  einzige 
Handschrift  von  Monserrate  befindet  sich  heute  im  Archive  de 
la  Corona  de  Aragon  zu  Barcelona;  eine  zweite  wurde,  wie 
mir  der  Bischof  von  Barcelona  Se.  Em.  D.  Jaime  Catalä  mit- 
theilte, um  hohen  Preis  von  einem  Privaten  zurückgekauft  und 
dem  modernen  Bibliotheksbestand  des  Klosters  einverleibt. 
Ueber  das  Kloster  in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  handelt  das 
mir  nicht  vorUegende  Werk 

CoRNisT  Y  MAs,  Cayetano^.  Trcs  dias  en  Monserrat  Guia 
histörico-descriptiva  de  todo  cuanto  contiene  y  encierra  esta 
montana.  Barcelona  1863,  507  pag.,  con  un  piano  topogräfico. 
Vgl.  Boletin  de  la  Real  Academia  de  la  Historia  VI  (1885), 
p.  362. 

811.  f  Archivo  del  Real  Monasterio  de  Santa  Maria. 

Villanueva,  Viage,  tom.  VH,  p.  151  berichtet  ganz  all- 
gemein über  einen  codice  que  contiene  varios  tratados  curiosos 
8.  XrV  und  nennt  p.  154  algunos  martirologios,  entre  ellos  uno 
RipoUense  del  siglo  XI,  donde  lo  mas  importante  es  el  necro- 
logio.  Interessant  sind  die  capitulos  de  concordia  que  hizo  este 
monasterio  con  el  impresor  Juan  Luxaver  ä  7  de  Enero  de  1499, 
obligandose  61  ä  imprimir  varios  breviarios  y  rituales  y  otros 
Ubros  eclesidsticos,  como  efectivamente  se  imprimieron. 


76  VIII.  Abhandlnog :    Beer.  Handschriftenschfctse  Spaniens. 

31ä.  f  Biblioteca  del  Monaaterio  de  Santa  Cecilia. 

ViLLANUBVA,  Viagc,  tom.  Vn,  p.  162  erwähnt  ein  necrologio 
mantLscrito  en  el  siglo  XIV  propio  de  aquella  casa.  Eis  befand 
sich  zu  Villanueva's  Zeit  im  Kloster  Santa  Maria  und  dürfte 
gleichfalls  verbrannt  sein. 

Montealegre. 

818.  Biblioteca  del  Monasterio   de  los  Padres  Cartuchos. 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  XIX,  p.  6:  En  la  bibUoteca  com- 
mun,  que*estä  en  la  celda  prioral  segun  costumbre,  hay  una 
Biblia  ms.  s.  XIII  en  vitela. 

Valbsntinblli,  p.  161,  ohne  Quellenangabe,  aber  zweifellos 
nach  Villanueva. 

Montearagon. 

314,  fÄrchivo  del  Mormsterio  de  los  PP,  Augtistinos. 

CoLECcioN  de  fueros  y  Cartas-Pueblas  de  Espana.  Catälogo 
Madrid  1852,  p.  151  berichtet  von  einem  ,inventario  incompleto 
de  los  papeles  del  Monasterio  de  Montearagon'  (wahrscheinlich 
das  ,Lumen  domus,  ö  indice  de  documentos',  welches  auch  Canal, 
Espana  sagrada,  tom.  XL  VI  (1836),  p.  V  der  Vorrede  erwähnt); 
in  diesem  finden  sich  auch  Auszüge  aus  Handschriften.  Das 
Kloster,  welches  im  13.  Jahrhundert  in  voller  Blüthe  stand, 
existirt  heute  nicht  mehr.  Vgl.  auch  die  Notizen  über  ehemalige 
Handschriften  dieses  Archivs  bei  Ewald  p.  249  und  280,  sowie 
Hartel-Loewe  p.  139. 

Montes. 

816.  f  Biblioteca  del  Monasterio  de  San  Pedro. 

In  der  Schenkungsurkunde,  ausgestellt  von  König  Or- 
dono  n.  und  seiner  Gemahlin  Elvira  UUI  Kai.  Mai  sub  Era 
DCCCCXXXVI  (898),  heisst  es :  .  .  conferimus  :  libros  Eccle- 
siasticos:  (1)  psalterium  (2)  comicum  (3)  Antiphonarium  (4)  ma- 
nualium  (5)  orationum  (6)  passionum  (7)  sermonum  (8)  hordinum 
(9)  precum  et  (10)  orarum. 

Sandoval,  Fundaciones,  Abth.  S.  Pedro  de  Montes  f.  21', 
Eguren  p.  LXXXVIH  (mit  falscher  Datirung),  Tailhan  p.  3 14  f. 


S 


Bibl.  Ueb«rrioht:   SIS— 315  (MooMmte  — MontM).  77 

Aus  dem  Testament  des  Gennadius  Era  953  (915).^  In 
thesauro    denique    memoratae     Ecciesiae     saneti    Petri    offero 

(11)  Evangeliarium  . .  libros  EccIesiasticoS;  id  est  (12)  Psalterium 
(13)  Comiemn  (14)  Antiphonarium  (16)  manuale  (16)  orationom 

(17)  ordinam  (18)  passionum  (19)  et  horarum. 

Ein  bisher  noch  nicht  berücksichtigter  Passus  der  Schen- 
kung.  Sandoval  a.  a.  O.,  fol.  2V  sq. 

In  Gemeinschaft  mit  Santjago  von  Penalba  und  San  Andres 
(im  Vierzo)  erhält  das  Kloster  von  Seite  des  Bischofs  Gennadius: 
libros  tam  divinos,  id  est  (1)  bibliothecam  totam  (2)  Moralia 
Job  (3)  Pentateuchum  cum  historia  Ruth  Über  unus  sive  etiam 
et  specialiter  doctorum  id  est  (4)  vitas  patrum,  (6)  item  Mo- 
ralium,  (6)  Ezechielum^  (7)  item  Ezechielum*  (8)  Prosperum, 
(9)  genera  officiorum  (10)  etymologiarum  (11)  catha  Juanis  (sic)^ 

(12)  libros  Trinitatis  (13)  liber  Apringi  (14)  epistolae  Hieronymi. 
Item   (15)  etymologiarum   (16)  glossematum   (17)  liber  Comitis 

(18)  liber  regularum  (19)  virorum  illustrium. 

Sandoval,  a.  a.  O.  Morales,  Viage,  p.  173.  Eguren  p.  XLV. 
Taliban  p.  315  mit  instructiven  Erläuterungen,  insbesondere 
tlber  die  Bestimmung  des  gemeinsamen  Bücherbesitzes  der  drei 
genannten  Klöster. 

Morales,  Viage,  p.  173  ff.  sah  noch  von  den  durch  Gen- 
nadius legirten  Büchern:  Ethimologias  de  S.  Isidoro  sin  prin- 
cipio,  ni  fin,  maltratado.  Vitae  Patrum,  deshojado :  tienen  las 
vidas  de  S.  Paulino,  Santo  Augustin,  S.  Gerönimo,  y  pocas 
mas  :  fue  gran  volumen.  Un  pedazo  de  los  Morales  de  S.  Gre- 
gorio.     Beati  Basilii  institutio  monachorum,  pequeno.* 

Ausserdem  fand  noch  Morales  ,dos  o  tres  Ubros  pequeüos 
. .  del  Coro  de  letra  Gothica,  que  se  puede  pensar  los  dejö  tambien 
el  Santo  porque  los  nombra  en  su  Testamente  .  .  .^  Femer 
,Concilios  antiquisimos,  tienen  el  quarto  Bracarense,   y  todo  lo 


^  Morales  nennt  905  nach  Chr.,  dies  wäre  Era  943;  nach  Florez  Citat 
(Espafia  sagrada,  tom.  XVI,  p.  141  f.)  era  957  (919). 

'  Tailhan  a.  a.  O.  liest  Evangelium;  das  ist  aber  weg^n  des  vorangehen- 
den specialiter  doctorum  nicht  möglich. 

'  Tailhan  a.  a.  O.  richtig:  des  commentaires  sur  Tl^vang^le  de  saint  Jean. 

*  Hiezn  die  Bemerkung  des  Herausgebers  (Florez):  Todos  faltan:  pero 
hay  la  Historia  de  Eusebio  Cesariense,  no  expresada  aqui. 


78  Yin.  Abhftndlang:    Beer.  HaDdsohrifkeiuoliAIxe  Spaniens. 

baeno  que  en  el  de  Carrion  j  los  otros  se  halla.     Mas  estö  el 
libro  sin  principio,  ni  fin'  u.  s.  w. 

Florbz,  Espana  sagrada,  tom.  XVI  (1762),  p.  135  ff.  über 
die  Restauration  der  Kirche  San  Pedro  durch  Gennadius ,  über 
des  Bischofs  Biichersammlung  und  seine  verschiedenen  Legate 
(XIV,  133  bei  Tailhan  p.  315  A.  Druckfehler). 

Eguren  p.  68  über  den  Conciliencodex:  ,de  los  informes 
y  averiguaciones  que  hemos  adquirido  ....  resulta  que  este 
antiguo  libro  ha  pasado  ä  manos  de  un  particular  en  el  pre- 
sente  siglo*. 

Monte- Saoro. 

316*  -fBiblioteca  del  Monasterio  de  San  Sebastian, 

Schenkung  des  Erzbischofs  Sisnandus  Era  952  (914 
p.  Chr.):  Escritura,  en  que  se  muestr$i  como  el  Ar9obispo  Sis- 
nando  edificö  el  Monasterio  de  San  Sebastian  en  el  monte  Ili- 
cino  ....  Ego  Sisnandus  .  .  .  conferimus  libros  (1)  unum  ordi- 
narium  (2)  et  unum  sacerdotalem  et  (3)  unum  geronticum 
(4)  tertium  cum  officio  passionis  et  Missae  ipsius  martyris. 

Femer :  Escritura  en  que  el  obispo  de  Iria  Sisnando  (des- 
pues  que  ha  edificado  al  Monasterio  de  San  Sebastian)  le  en- 
riquecio  con  diferentes  dones;  darunter  libros  ordinum  sacer- 
dotalium,  Primo  Jeroncion  I.  tertium  cum  suo  officio  idem 
Martiris  Sancti  Sebastiani  Passio  et  Missa  —  diese  Angabe 
scheint  aber  nur  eine  zusammenfassende  und,  wie  man  sieht, 
auch  corrumpirte  Wiederaufnahme  der  Stelle  aus  dem  vorigen 
Document. 

Yepes,  Coronica  general  de  la  örden  de  San  Benito, 
tom.  IV,  Escritura  XIII  und  XJV.  Villa-Amil  y  Castro,  Los 
Codices,  p.  8  f.,  welcher  noch  folgende  interessante  Notiz,  leider 
ohne  Quellenangabe,  beifügt :  Als  Sisnandus  I.  dem  NantemiruB 
Qutus  und  dem  Presbyter  Leodulfus  die  Errichtung  des  Klo- 
sters anvertraute,  ofrecio  äste  (Leodulfus),  en  914,  psalterium 
orationum,  passionum,  commicum  et  manualium,  libros  que  es 
de  presumir  hubiese  escrito  el  mismo  Leodulfo;  darauf  beziehen 
sich  die  Worte  des  Schenkungsactes :  quod  ibidem  propriis 
manibus,  auxiliante  Domino,  laboravi  vel  ganavi  seu  quod  ex 
populo  ibidem  obtulerunt. 


BiU.  üebcnicht:  816— SSO  (Montes— Masoodo).  79 

MonBon. 

817.  Archivo  de  la  Villa. 

CoLECciON  de  Fueros  y  Carta  -  Pueblas  de  Espana^  Catd- 
logo  1852,  p.  152  über  einen  libro  Uamado  Lucero  dieser  Stadt, 
ein  Cartular.  Einige  Auszüge  aus  demselben  befinden  sich  hand- 
schriftlich in  der  Akademie  der  Geschichte  zu  Madrid. 

Moy&. 

318.  fBiblioteca  de  la  Iglesia  de  Santa  Maria. 

In  den  Acta  dedicationis  ecclesiae  S.  Mariae  de  Moyd 
anno  DCCCCXXXIX  heisst  es:  Et  ego  Sanciolus  dono  ibidem 
ad  diem  dedicationis  (1)  missalem  I,  (2)  lectionarium  I,  (3)  anti- 
fonarium  I,  (4)  actus  apostolorum  I,  (5)  quadragenario  I. 

Nach  einer  im  Arciprestazgo  der  Stadt  Moyä  aufbewahrten 
Copie  veröffentlicht  von  Villanueva,  Viage,  tom.  VI,  ap.  XIV 
(p.  272).  Vgl.  auch  ibid.  p.  133.  Ueber  die  Handschriften  des 
Priors  von  Moyd,  Abad  y  Lasiera,  vgl.  unter  Anderen  Ewald 
p.  341  und  342.  Ibid.  p.  347  wird  eine  Handschrift  des  Esco- 
riab  (2.  J.  8)  analysirt^  die  unter  anderem  enthält:  Indice  de 
lo  que  contiene  un  cödigo  antiguo  de  letra  götica  escrito  en 
vitela;  y  se  halla  entre  los  manuscritos  del  Prior  *de  Meyä 
(recte  Moyd).  Es  ist  eine  Liste  von  47  Schriftstücken.  Vgl. 
übrigens  auch  den  Artikel  Alaon. 

819.  Archivo  de  la  villa. 

In  einem  handschriftUchen  Verzeichniss  dieses  Archivs 
findet  sich  der  Passus:  Dos  libros,  escritos  en  pergamino,  de 
las  leyes  del  fuero  de  Moya,  uno  en  latin  y  otro  en  romance. 

Original  des  Verzeichnisses  im  Bd.  XXIX  der  Coleccion 
de  Abella,  der  Real  Academia  de  la  Historia  zu  Madrid.  Vgl. 
Coleccion  de  Fueros  y  cartas-pueblas  de  Espana.  Catälogo, 
Madrid  1852,  p.  154. 

Mozonoio. 

830.  f  Biblioteca  del  Monasterio  de  Santa  Maria. 

In  einem  Tauschacte  aus  dem  Jahre  925  nennt  man 
unter  den  Juwelen  und  Kostbarkeiten  dieses  Klosters  ,libros 
nimis  abudanter^. 


80    Vni.  Ahh. :  Beer.  Handtchr.  Spaniens.  Bibl.  üebera. :  8S1— 384  (KosoAdo—lffnreift). 

Nach  dem  Tumbo  des  Klosters  von  Sobrado  (jetzt  im 
Archivo  Histörico  Nacional  zu  Madrid)  mitgetheilt  von  Egu- 
ren  p.  LVII  und  Villa-Amil,  Los  Codices,  p.  9  f. 

Munebrega. 

821.  Biblioteca  de  la  Iglesia. 

La  Fubntb,  Vicente  de,  Espana  sagrada,  tom.  L  (1866), 
beschreibt  p.  84  f.  ausführlich  zwei  Breviarien  dieser  Kirche, 
eines  derselben  s.  XIV  in. 

Muroia. 

322.  Biblioteca  publica  Episcopal, 

La  Borde,  Voyage,  tom.  11,  p.  188. 

Haenel,  Catalog.  col.  1006:  Codd.  chartacei  30,  qui  histo- 
riam  et  iura  civitatis  Murgensis  exponunt. 
Vogel,  p.  480. 
Valbntinelli,  p.  118,  nach  Haenel. 

338.  Biblioteca  del  Palacio  Episcopal, 

Diese  Sammlung  wird  von  den  spanischen  Forschem  von 
der  BibUoteca  publica  getrennt;  Haenel  berichtet,  dass  der 
,Celebratus  Fori  Judicum  codex  nunc  asservatur  Matriti  inter 
libros  Academiae  Regalis  Hispanicae'  und  verweist  auf  das 
von  der  Akademie  herausgegebene  Fuero  Juzgo  Matriti  fol. 
Prologe  p.  IV  u.  VI.  Nach  ihm  notirt  die  Bibliothek  Valbn- 
tinelli p.  118.     Den  jüngsten  Bericht  liefert  das 

Anuario  del  cuerpo  facultativo,  das  I,  p.  334  neben  einem 
seltenen  Wiegendruck  einen  prächtig  ausgeflihrten  Bibelcodex 
beschreibt. 

324,  Biblioteca  provincial  (6  del  Instituto). 

BoRAo,  p.  81  kurze  geschichtliche  Daten  ohne  Erw&hnung 
von  Handschriften. 

Anuario  del  Cuerpo  facultativo  I,  p.  445  (Tabelle)  ver- 
zeichnet 49  Handschriften. 


n.  k\lh.:  N51deke.   Die  ron  Gaidi  bennsgegebene  iTriBche  dtronik.  1 


IX. 


Die  von  Guidi  herausgegebene  syrische  Chronik. 

Uebersetzt  und  commentiert 

von 

Prof.  Dr.  Th.  Nöldeke, 

oorretp.  Mitglied«  der  kus.  Akademie  der  WiBsenschaften. 


Vorwort. 

In  den  Schriften  des  Stockholmer  Orientalistencongresses 
(1889)  hat  Guidi  eine  kleine  syrische  Chronik  herausgegeben.^ 
Er  hat  sie  einer  Handschrift  des  Museo  Borgiano  di  Propaganda 
Fide  entnommen^  deren  Hauptinhalt  eine  Sammlung  nestoria- 
nischer  Canones  bildet.  Es  ist  eine  von  dem  auch  sonst  um 
die  Wissenschaft  verdienten  Chorepiscopus  David,  späterem 
Erzbischof  von  Damascus,  besorgte  Abschrift  eines  alten  nesto- 
rianischen  Codex  in  Mosul.^  Die  Chronik  verdient  es,  weiter 
bekannt  zu  werden,  und  da  Guidi  durch  andere  Arbeiten  völlig 
in  Anspruch  genommen  ist,  habe  ich  mich  daran  gemacht,  sie 
zu  übersetzen  und  zu  erläutern.  Das  lag  grade  mir  nahe,  da 
das  syrische  Büchlein  manche  Bestätigung,  Ergänzung  und 
Berichtigung  zu  den  Nachrichten  über  die  letzte  Periode  des 
Säsänidenreiches  giebt,  die  sich  im  Text  und  Commentar  meiner 
Tabari-Uebersetzung^  finden.  NattirUch  habe  ich  aber  auch  die 
Stücke  unserer  Chronik  mit  den  nöthigen  Erklärungen  versehen, 
die  nicht  die  persische  Geschichte  betreffen. 

Dass  die  Schrift  nestorianisch  ist,  bedarf  keines  besondem 
Beweises.     Aber  die  Frage   ist,   wie  weit  sie   einheitUchen  Ur- 

'  Un  nuovo  testo  siriaco  sulla  storia  degli  altimi  Sassanidi.  Separatabdmck 

Leyden  1891  (Brill). 
*  8.  Oaidi  in  ZDMG.  43,  389. 
'  Geschichte   der  Perser  und  Araber   zur  Zeit   der  Sasaniden.    Aus   der 

arab.  Chronik  des  Tabari  .  .  .  Leyden  1879. 
Sitznngsber.  d.  pbil.-hist.  Cl.  CXXVIII.  Bd.  9.  Abb.  1 


2  IX.  Ablundlung:    Nftldek«. 

Sprung  hat.  Sie  fllhrt  die  Weltgeschichte^  von  Hormizd  IV. 
oder  viehnehr  von  dessen  Sturz  (590),  in  freilich  nicht  sehr 
gleichmässiger  Weise  und  mit  Einfügung  mancher  kirchenge- 
schichtUcher  Nachrichten,  bis  zum  Zusammenbruch  des  Reichs. 
Von  da  an  tritt  die  Profangeschichte  fast  ganz  zurück.  Die 
Zeitfolge  wird  in  den  letzten  Abschnitten  viel  weniger  beachtet, 
ja  das  Ganze  ist  da*  mehr  ein  Gemenge  verschiedenartiger 
Notizen.  Grade  im  Anfang  der  Schrift  erhalten  wir  aber  so 
viel  gutes  Detail,  dass  wir  sicher  sein  können,  diese  Berichte 
seien  nicht  durch  mehrere  Generationen  hindurch  mündlich  über- 
Uefert,  sondern,  wenn  auch  nicht  gleichzeitig,  doch  nicht  lange 
nachher,  geraume  Zeit  vor  dem  Abschluss  des  Buches  nieder- 
geschrieben worden.  FreiUch  werden  manche  wichtige  Ereig- 
nisse dürftig,  ungenau  oder  auch  gar  nicht  behandelt,  aber  das 
sind  solche,  die  fem  im  Westen  oder  doch  in  solchen  Kreisen 
gespielt  haben,  aus  denen  die  Nestorianer  überhaupt  keine 
sichere  Kunde  erhielten. 

Der  letzte  Verfasser  hat  also  wohl  Aufzeichnungen  benutzt, 
welche  bis  zu  der  genannten  Zeit  gingen.  Vielleicht  bildeten 
diese  den  Schluss  eines  grösseren  historischen  Werkes;  so  würde 
sich  der  etwas  abrupte  Anfang  erklären.  Gewiss  enthielt  auch 
diese  ältere  Schrift  schon  einiges,  das  sich  auf  die  Kirche  bezog; 
ob  aber  alles  derartige  in  den  betreffenden  Theilen  des  jetzigen 
Buches  aus  ihr  genommen  ist,  steht  dahin.  Zu  beachten  ist, 
dass  sich  viele  kirchengeschichtUche  Nachrichten  hier  und  auch 
noch  in  den  späteren  Theilen  auf  Nisibia.  und  dessen  Gebiet 
beziehen.  Vielleicht  hat  der  Compilator  diese  aus  einer  be- 
sonderen Quelle  bezogen.  Von  den  Ereignissen,  die  nach  den 
ersten  Eroberungen  der  Araber  fallen,  schweigt  er  aber  fast 
ganz;  so  sagt  er  kein  Wort  von  den  Bürgerkriegen,  die  er 
doch  vielleicht  noch  selbst  erlebt  hat. 

Die  Zeit  dieses  letzten  Verfassers  bestimmt  sich  nach 
folgenden  Erwägungen.  Im  Buch  wird  nicht  bloss  der  Tod 
des  Heraklios  (641)  und  der  des  Patriarchen  M4remmeh  (646/7), 
sondern   auch  die  Eroberung  von  Afrika  (etwa  670)*  erwähnt. 

^  Eigentlich  sollte  man  weltliche  oder  Profan- Geschichte  sagen,  denn 
der  Ausdruck  steht  im  Gegensatz  zur  Kirch  engeschichte  und  beseichnet 
nicht  etwa  die  Universalgeschichte. 

'  S.  unten  8.  46. 


Di«  Ton  Onidi  1ier»ii8ge(e1>«ne  vjrlsobe  Chronik.  3 

Besonders  ist  aber  von  Wichtigkeit,  dass  es*  heisst,  Con- 
stantinopel  hätten  die  Araber  noch  nicht  genommen.  Da 
Eleinasien  keine  arabische  Provinz  war,  so  kam  den  Christen  der 
Gedanke  gewiss  nicht  so  leicht,  dass  jene  sich  Constantinopels 
bemächtigen  könnten ;  er  drängte  sich  ihnen  aber  auf,  als  wirklich 
Versuche  dazu  gemacht  wurden.  Diese  fielen  bekanntUch  un- 
glücklich aus,  aber  nun  konnte  man  doch  leicht  meinen,  das 
sei  nur  ein  Aufschub.  Nachdem  jedoch  längere  Zeit  vergangen 
war,  ohne  dass  neue  Angriffe  gegen  die  Kaiserstadt  erfolgten, 
musste  diese  Meinung  zurücktreten.  Das  ,noch  nicht'  weist 
also  auf  eine  Zeit  hin  bald  nach  den  Kämpfen  bei  Constantinopel 
unter  Mu'4wija.  Zwar  stehn  die  Jahre  dieses  Ringens  nicht 
ganz  fest,*  aber  sie  fallen  sicher  gegen  oder  um  670.  Diese 
Worte  werden  also  etwa  in  den  Jahren  670 — 680  geschrieben 
sein.  Mit  ihnen  hört  die  eigentUche  Erzählung  auf.  Daran 
reiht  sich  aber  eng  noch  ein  Abschnitt  über  die  Araber  oder 
vielmehr  ihr  Land.  Man  sieht  deutlich,  dass  die  Welteroberer 
damals  noch  ein  neues  Volk  waren ;  das  passt  ganz  zu  der  eben 
gegebenen  Zeitbestimmung.  Dieser  Abschnitt  bildet  nun  un- 
zweifelhaft den  wirkUchen  Schluss  des  Buches.  Ueberhaupt 
sehe  ich  keinen  genügenden  Anlass,  zu  bezweifeln,  dass  wir 
dieses  im  WesentUchen  so  haben,  wie  es  aus  der  Hand  des 
letzten  Verfassers  hervorgegangen  ist.  Aus  der  Ueber-  und 
Unterschrift  darf  man  nicht  etwa  schliessen,  dass  es  ein  Bruch- 
stück oder  ein  Auszug  sei.  Da  steht  ja  nicht  ,au8  dem  Buche 
über  Kirchen-  oder  Weltgeschichte';  die  Worte  bedeuten  nur, 
wir  hätten  hier  allerlei  aus  dem,  was  geschehen  sei.  Möglich 
ist  freilich,  dass  der  Compilator  auch  frühere  Zeiten  behandelt 
hat;  dann  besässen  wir  nur  den  Schluss  seines  Werkes. 

Wegen  der  hervorragenden  Stelle,  welche  Nisibis  in  der 
Chronik  einnimmt,  meint  Guidi,  dieselbe  sei  in  dessen  Nähe, 
in  einem  der  Klöster  des  IzalÄ-Gebirges,  geschrieben.  Ich  kann 
das  aber  nur  für  eine  ihrer  Quellen  wahrscheinUch  finden.  Das 
Hauptinteresse  nehmen  im  ganzen  Buche  die  Länder  am  untern 
Tigris  mit  Einschluss  von  Susiana  in  Anspruch.  Der,  welcher 
über  die  Geschicke  des  Perserreiches  berichtet,  kennt  recht  gut, 


*  8.  unten  S.  46. 

*  S.  meine  Ziuammenstellang  ZDMO.  29,  88;  Aog.  Müller,  Islam  1,  361. 


4  IX.  Abhandlang:    Nöldeke. 

was  dort;  namentlich  was  in  der  Hauptstadt  geschehen  ist  und 
was  sich  da  leicht  erkunden  Hess.  Und  auch  der  letzte  Ver- 
fasser weiss  dort  Bescheid.  Gegen  Nisibis  spricht  auch  wohl, 
dass  das  Buch  nichts  von  dem  letzten  König  Hormizd  (V.)  sagt, 
der  sich  in  der  Gegend  jener  Stadt  längere  Zeit  gehalten  hat, 
von  Griechen,  Armeniern  und  auch  dem  Nestorianer  E^lias  von 
Nisibis  erwähnt  wird,  aber  den  Persem  und  Arabern,  deren 
Nachrichten  auf  die  Hauptstadt  Ktesiphon  zurUckgehn,  gleich- 
falls unbekannt  ist.^ 

Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  sowohl  die  wichtigste 
Quellenschrift  wie  die  ganze  Compilation  im  *Iräq  oder  etwa  in 
Chüzistän  verfasst  ist;  gewiss  sind  beide  klösterUchen  Ursprungs, 
aber  ob  sie  in  einem  und  demselben  Erlöster  geschrieben  sind, 
wird  sich  schwerlich  ermitteln  lassen. 

Der  Verfasser  der  Hauptquelle  verdient  alle  Anerkennung; 
die  Nachrichten  über  die  Ereignisse  in  Nisibis  und  seiner  Um- 
gegend sind  gleichfalls  werthvoll.  Aber  auch  der  letzte  Ver- 
fasser, ein  in  seiner  Weise  ziemlich  gelehrter  Mann,  hat  sich 
nicht  nur  durch  die  Aufnahme  der  altem  Berichte,  sondern 
auch  durch  das  von  ihm  selbst  Gegebene  verdient  gemacht. 
Ueberhaupt  sind  wir  diesen  Ostsyrern  fiir  mancherlei  Belehrung, 
namentUch  über  die  Geschichte  und  die  Zustände  des  persischen 
Reichs  sehr  zu  Dank  verpflichtet. 

Für  meinen  Commentar  waren  mir  die  kurzen  Anmer- 
kungen Guidi's  zu  seiner  Ausgabe  von  grossem  Nutzen.  Femer 
habe  ich  starken  Gebrauch  von  seinem  Artikel  in  der  ZDMG. 
43,  388  ff.  gemacht.  Viel  Hülfe  gewährten  mir  natürlich  Hoff- 
mann's  ,Persische  Märtyrer'.*  Dazu  hat  mich  Hofiinann  auch 
bei  dieser  Arbeit  wieder  durch  schriftliche  Mittheilungen  sehr 
unterstützt.  Ich  verdanke  ihm  einige  glänzende  Textverbesse- 
rungen. Ueber  den  Sinn  einiger  schwierigen  Stellen  haben  wir 
beide  in  längerer  Correspondenz  verhandelt. 

Die  Transscription  der  orientalischen  Namen  ist  vielleicht 
nicht  in  jedem  kleinen  Zuge  consequent  durchgeftLhrt  Biblische 
und  römisch-griechische  Namen  habe  ich  in  der  uns  gewohnten 
Form  gelassen. 


^  8.  meine  Tabaii-Uebersetzung  398. 

*  Auszüge  aus  syr.  Acten  persischer  Märtyrer.  Leipzig  1880. 


Die  Ton  Gaidi  herausgegebene  syriselie  Chronik. 


Einiges  ans  der  Ekklesiastike,  d.  h.  Kirchen gesehlchte, 
nnd  ans  der  Eosmostike,  d.  h.  Weltgeschichte,  rom 
Tode  des  Hormlzd,  Sohnes  des  Chosran,  bis  znm  Ende 

des  persischen  Reichs.^ 

Hormizd  regierte  12  Jahre.  Er  legte  seinen  Grossen  und 
dem  ganzen  Volk*  ein  schweres  Joch  auf.  Da  empörte  sich 
gegen  ihn  einer  von  seinen  HeerfUhrern,  der  von  ihm  an  die 
Grenze  der  Türken  gesandt  worden  war;  der  hiess  Warahrän 
aus  Rai.'  Er  sammelte  viele  Truppen  und  machte  sich  zum 
Kampf  mit  dem  König  fertig.  Als  aber  die  Grossen  in  der 
Residenz;^  die  gleichfalls  den  Hormizd  hassten,  von  Warahrän's 
Empörung  hörten,  verschwuren  sie  sich,  stiessen*^  jenen  vom 
Thron,  blendeten  ihn  und  setzten  seinen  Sohn  Chosrau  an  seiner 
Statt  ein.  Beim  Empfang  der  Nachricht  darüber  ergrimmte  aber 
Warahrän  gar  sehr,  nicht  weil  er  den  Hormizd  geliebt  hätte, 
sondern  weil  er  nicht  die  Sache  ausgeflihrt  hatte.*  Er  machte 
also  seine  Truppen  fertig  und  rüstete  sich  zum  Krieg  mit 
Chosrau,  brach  auf  und  kam  über  ihn.  Da  Chosrau  sah,  dass 
Warahrän's  Macht  stärker  sei  als  seine,  floh  er  vor  ihm,  schlug 


^  ,VermnthUch  ward  dieser  Titel  ron  dem  alten  Compilator  hinzugefügt, 
der  das  8tttck  in  das  Sjnodikon  einsetzte*  (Guidi).  Der  Titel  ist  nicht 
genau,  da  die  Geschichte  weiter  geht  als  bis  zum  Untergang  des  S&s&- 
nidenreiches.  Auch  ist  er  inconcinn,  da  dem  fnen  qlhtuliM  das  dqo9- 
mosUki  gegenübersteht.  Koa^AOOtixii  nach  Art  von  2xxX9)9(i)a9Ttxi^  ist  schön 
gebildet  1 

'  Ich  mdchte  7,  6  *€mimd  für  'dlmd  lesen.  —  Ueber  Hormizd  s.  meine 
Tabart-Uebersetzung  B.  264  ff. 

'  Durch  de  Boor's  Ausgabe  wissen  wir,  dass  auch  Theophylakt,  wie  die 
morgenländischen  Quellen,  den  Bahrftm  Ö6bin  aus  Rai  kommen  lässt 
(aic^  Tij(  *PaC«xi]VT)(  8,  17,  6;  genauer  wäre  'PoCuopr^c  vom  Gentilicium 
Bdgik,  RdsAkJ,  Rai  (Rhagae)  war  ein  oder  der  Hauptsitz  seines  Ge- 
schlechts, der  Mihrftn,  s.  Tabari-Uebersetzung  139;  auch  der  Mihrftn 
PSr&nguinasp  war  aus  Rai,  Hoffmann,  Märtyrer  78. 

^  ,Pforte  des  KönigthumsS  Dass  damit  nicht  der  Hof,  sondern  die  ganze 
Stadt  gemeint  ist,  zeigt  besonders  die  Stelle  unten  S.  9,  wo  einer  durch 
die  ,Pforte'  zur  Schau  umher  geführt  wird. 

»  Wohl  QiO-»9|  zu  lesen  (7,  11). 

*  Der  Bericht  giebt  in  aller  Kürze  genau  die  Stellung  der  Drei  an;  vgl. 
Tabari-Uebersetzung  273. 


6  IX.  Abhandlung:    Nftldeke. 

eilig  den  südlichen  (?)^  Weg  ein,  d.  h.  er  ging  über  P6r6z- 
äabür,  *Anät,  Hit  und  Kirkesion  und  nahm  seine  Zuflucht  zum 
römischen  Kaiser  Maurikios.^  Weil  nun  seine  Reise  eine  Flucht 
war,  so  unterliess  es  der  Katholikos  M4r^  ISojabh,  mit  ihm  fort- 
zugehn.  Maurikios  tadelte  seinerseits  den  Chosrau  sehr,  dass 
8  er  nicht  vom  Patriarchen  seines  Reiches  begleitet  sei,  zumal 
M4r  idö'jabh  aus  Arzon^  ein  weiser  xmd  tüchtiger  Mann  war. 
So  ward  der  KathoUkos  dem  Chosrau  sehr  verhasst,  weil  er 
nicht  mit  ihm  gegangen  war,  und  ferner  weil  er,  nachdem  er 
gehört  hatte,  dass  ihm  Maurikios  Truppen  gegeben  habe  und 
er  ausgezogen  sei,    um   wieder  zu   kommen,   ihm   nicht  zum 


1  I^^aIIOa^  ,8üdlich*  kann  kanm  richtig  sein,  denn  die  Riebtang  des 
Weges  ist  im  Ganzen  nordwestlich,  und  eine  Linie,  die  etwa  im  Anfang 
noch  mehr  nach  Norden  ginge,  kommt  nicht  wohl  in  Frage.  Der  Gegen- 
satz des  Weges  am  Tigris  her  zu  dem  von  Chosrau  eingeschlagenen 
wäre  durch  ,nördlich'  und  ,8Üdlich*  sehr  schlecht  ausgedrückt  Hoffmann 
denkt  daran,  R*^ViiZ  hedeute  hier  ,den  Weg  üher  TaimA*,  einen 
unhedeutenden  Ort  nahe  hei  PSrdziftbür,  allerdings  zwiachen  dieser 
Stadt  und  der  Residenz  M&^6ze  (s.  Hoffmann,  Märtyrer  89.  90);  man 
hätte  dann  Taimän&itd  zu  sprechen.  Aber  abgesehen  davon,  dass  dieser 
Ausdruck  ziemlich  ungeschickt  gewählt  wäre,  da  jeder  nicht  ganz  orts- 
kundige Leser  ihn  als  «südlich*  (taimndUdJ  verstehn  musste,  so  hätte  er 
doch  nur  die  allererste  Strecke,  einen  besonderen  Weg  nach  der  grossen 
Stadt  Pdröz'äbür,  bezeichnen  können,  während  der  Zusammenhang  dahin 
geht,  dass  damit  der  ganze  Weg  ins  römische  Reich  gemeint  ist.  —  Die 
Stelle  Hoffmann  n.  7Ö4  bringt  uns  nicht  weiter,  denn  nach  einer  von 
Budge  und  Bezold  auf  meine  Bitte  gütigst  vorgenommenen  Untersuchung 
ist  die  Lücke  in  der  Handschrift  grösser  als  für  ein  Wort  und  ist  der 
letzte  Buchstabe  kein  Alaf  gewesen,  sonst  aber  durchaus  nichts  mehr 
zu  erkennen.  —  Die  Städte  Pdrozsäbür  =  Anbär  (s.  Hoffmann  a.  a.  0.) 
u.  8.  w.  liegen  am  Euphrat  und  werden  alle  oft  erwähnt;  Kirkesion  lag 
schon  auf  römischem  Gebiet. 

'  Die  an  sich  auffallenden  Formen  fn^^Q^  und  ^^-09^  für  Maup(xio<  und 
'Bpixkiioi  kommen  mehr  vor;  da  sie  mit  ^aXU^q^o,  va^^^iAToi  wechseln,  so 
hat  man  Mautiqi,  Heraqli  zu  sprechen. 

'  Mdr  ,mein  Herr*  wird  den  Namen  heiliger  und  sehr  ehrwürdiger  Männer 
vorgesetzt. 

^  S.  über  ihn  Barh.  bist.  eccl.  2,  103  ff.;  Assem.  8,  1,  108 ff.  Er  war  bei 
Hormizd  beliebt  gewesen  eh.  108* .  Diesen  Tadel  hat  der  Kaiser  schwer- 
lich ausgesprochen.  In  der  Angabe  spiegelt  sich  die,  allerdings  nicht 
unbegründete,  Ansicht  der  Nestorianer  von  der  hohen  Würde  ihres  Ober- 
hauptes, des  Katholikos  oder  Patriarchen.  —  Anon  lag  im  südlichen 
Theile  des  römischen  Armeniens. 


Die  TOD  Ooidi  hAnxiBgegebene  lyriscbe  Chronik.  7 

Empfang  entgegengezogen  war.  Aber  das  hatte  er  ver- 
mieden^  weil  er  Airchtete,  Chosrau  möge  in  seiner  Bosheit  die 
Ekirche  vernichten  nnd  eine  Verfolgung  wider  die  Christen  er- 
regen.^ Maurikios  gab  dem  Chosrau  viele  Truppen,  und  sie 
brachen  nach  dem  Osten  auf.  Als  Warahrlüi  das  hörte,  ver- 
lie»  er  M4b6z«»  mit  seinen  Truppen  und  floh  nach  ÄdhorbÄigän.« 
Chosrau  rückte  ihm  mit  den  persischen  und  römischen  Truppen 
entgegen,  die  Römer  erlangten  den  Sieg,  und  Warahr^n's  Heer 
ward  geschlagen.  Darauf  kehrte  Chosrau  mit  grosser  Freude 
heim.  Wie  man  nämlich  sagt,  war  dem  Chosrau,  da  er  eben  den 
Zaum  seines  Pferdes  in  der  Hand  hatte,  um  in  den  Kampf  zu 
gehn,  die  Gestalt  eines  alten  Mannes  erschienen;  als  er  nach 
seiner  Rtlckkunft  aus  dem  Kriege  davon  seiner  Frau  birin^  er- 
zählte, sagte  sie  ihm:  ,das  ist  Sabhiidö',  Bischof  von  Laäum.'^ 
£r  nahm  sich's  zu  Herzen,  schwieg  aber.^ 


*  Diese  unklare  Motivierung  macht  den  Eindruck,  das  Richtige  verhüllen 
zu  sollen.  Der  Katholikos  fürchtete  wohl  nicht  so  sehr  für  seine  Kirche 
als  für  seine  Person,  da  er  den  nun  einmal  legitimen  König,  so  weit  es 
an  ihm  lag,  im  Stich  gelassen  hatte,  und  hielt  sich  deshalb  nach  seiner 
Kückkunft  von  ihm  zurück.     S.  unten  8.  9. 

*  MAffM,  d.  h.  ,die  8tädteS  nftmlich  die  KOnigsstädte  Seleukia,  Ktesiphon  und 
ein  paar  benachbarte  Orte.  Man  zählt  im  Ganzen  7.  Die  arabische  Ueber- 
setzung  von  MAhM  ist  al-Metädin]  doch  bezeichnet  man  damit  meist 
nur  Ktesiphon,  die  schon  zur  S&sänidenzeit  bei  weitem  wichtigste  dieser 
StXdte. 

'  Hierdurch  wird  Hoffmann^s  Ansicht  (Märtyrer  248),  dass  das  Schlachtfeld 
in  Atropatene  unweit  des  Urmiasees  gelegen  habe,  gesichert  und  meine 
frühere  Meinung  (Tab.-Uebers.  285),  der  Kampfplatz  sei  in  Assyrien  ge- 
wesen, entscheidend  widerlegt.  Allerdings  gibt  unser  Chronist  nur  den 
Anfang  und  das  Ende  des  Krieges  an  und  übergeht  alle  dazwischen- 
liegenden Züge. 

^  Diese  seine  Lieblingsfrau  war  eine  Christinn.  Mehr  über  sie  unten.  Vgl. 
Tab.-Uebers.  283  u.  s.  w. 

'  lieber  die  Lage  von  Lft6um  (unweit  Tftüq  =  Däqüq&,  etwa  20  deutsche 
Meilen  nördlich  von  Baghd&d)  s.  Hoffmann  274. 

'  Aus  einem  späten  Nestorianer  hatte  ich  das  schon  Tab.-Uebers.  483.  Aber 
dieser  hatte  den  Aufistand  des  Bist&m  mit  dem  des  Warahr&n  verwechselt, 
nnd  so  fallen  die  Folgerungen  fort,  die  ich  aus  der  Geschichte  für  die 
Chronologie  jenes  gezogen  hatte.  —  Merkwürdig  ist,  dass  sowohl  die 
persischen  Christen  wie  die  Zoroastrier  dem  sehr  unheiligen  König  durch 
eine  himmlische  Erscheinung  Trost  oder  Hülfe  bringen  lassen. 


8  IX.  Abhandlong:    N61deke. 

Zu  jener  Zeit  entkamen  die  Gebrüder  Bindöi  und  Bistäm^ 
aus  dem  Gefkngniss,  die  Hormizd  gefangen  gesetzt  hatte, ^  und 
halfen  dem  Chosrau  gar  sehr,  da  sie  vom  Geschlecht  seiner 
Mutter  waren.'  Darauf  sandte  er  den  Bistäm  mit  einem  grossen 
Heere  an  die  Grenze  der  Türken,  Bindöi  aber  behielt  er  in  der 
Residenz.  Weil  nun  Bindöi  dem  Chosrau  wegen  alleriei  Reichs- 
angelegenheiten wiederholt  Vorwürfe  machte ,  gedachte  dieser 
ihn  zu  tödten;  da  entfloh  er,  um  sich  zu  seinem  Bruder  Bist&m 
9  zu  begeben.  Als  er  jedoch  durch  das  Land  Adhorbäigän  kam, 
hörte  der  dortige  MarzabÄn  davon,  richtete  ihm  ein  Mahl  an, 
fing  ihn  so  und  schickte  ihn  zu  Chosrau.^  Auf  die  Kunde 
davon  sammelte  aber  sein  Bruder  türkische  und  dölonüsche 
Truppen^  und  kam  bis  nach  MÄ^özö.*  Allein  ein  Türke  über- 
Ustete  und  tödtete  ihn  und  sandte  seinen  Kopf  an  Chosrau.^ 
Dem  Bindöi  wurden  auf  Befehl  des  Königs  alle  Glieder  der 
rechten  Seite  abgehackt;  dann  Uess  er  ihn  nach  Bi  Läpät^  schaffen 


^  Bei  Warahrdn  hat  der  Chronist  eine  alte  Namensform  fest^halten  (statt 

des  modernen  Bc^rdm),  bei  diesen  beiden  gibt  er  die  jnngen  Formen; 

die  alten  sind   Wtnd&i  nnd  Wiatahm. 
'  Auch  nach  Theophylakt  4,  3,  5  hatte  Hormizd  den  Bindöi  eingekerkert 

(aber  nicht  seinen  Bruder).  Beim  AuÜBtand  befreit,  wurde  er  von  Bahiim 

mit  seinem  Bruder  wieder  eingesperrt. 
'  Sonst   werden   sie   gradezu   als  Brüder  seiner  Mutter  beseichnet;   ver- 

muthlich  ist  das  aber  nicht  genau. 

*  Ich  möchte  diese  Angabe  der  des  historischen  Romans  (Tab.-Uebers.  479) 
vorziehen.  Natürlich  hat  sich  der  Statthalter  (Marzabftn)  des  Bindöi  treu- 
brüchig und  mit  Verletzung  des  Qastrechts  bemächtigt;  yielleicht  aller- 
dings 3Cp^c  lLpi\xoL  x(9V]x{Ca>v. 

*  Nach  Dölom  (Gilftn)  flüchtet  sich  Bist&m  zuerst  (Tab.-Uebers.  480),  und 
Leute  aus  diesem  Lande  bildeten  einen  Theil  seiner  Truppen  (eb.  481). 
Bahrftm  Ööbtn  hatte  Türken  in  seinem  Heere  (eb.  275  Anm.),  dessen 
Reste  sich  dem  Bistftm  anschlössen.  Dazu  kamen  noch  andere  nordische 
Barbaren,  die  als  ,Türken*  bezeichnet  werden  konnten.  So  die  Könige 
Sog  und  Pariök  (eb.  483). 

*  Das  ist  gewiss  übertrieben. 

*  Also  stimmt  unser  Erzähler,  wie  schon  Guidi  bemerkt,  mit  dem  Armenier 
Sebdos  überein,  der  hier  den  eben  erwähnten  Pariök  nennt  Das  hat 
natürlich  mehr  Gewicht  als  die  Erzählung  des  Romans  (eb.  488). 

*  So  hier  wie  auch  sonst  gelegentlich  (z.  B.  Hoffmann  n.  S61,  MAri  83,  wo 
noch  die  jüngste  Form  Bi  Ldbddh  daneben),  nach  der  Amsprache,  für 
Bilh  Läpd(,  wie  er  sonst  schreibt.  Dieser  Ort,  persisch  WendUdhür  oder 
Ound^iaMkrf  war  eine  der  bedeutendsten  Städte  Snsiana*s  und  zeitweise 


Die  TOD  Onidi  henasgegebene  syrische  Chronik.  9 

Dd  da  kreuzigen.^  Den  Kopf  Bistam^s  hängten  sie  dem  Sapür^ 
em  Sohne  Warahrän's,  der  sich  wider  ihn  empört  hatte,  an 
en  Hals,  setzten  ihn  auf  ein  Kameel  und  führten  ihn  in  der 
[anptstadt  umher.^ 

Da  aber  Ido'jabh,  das  Oberhaupt  der  Christen,  dem  Chosrau 
3hr  verhasst  geworden,  weil  er  nicht  mit  ihm  nach  dem  Römer- 
inde  gegangen  war,  und  femer  wegen  der  Verleumdungen  des 
jrchiaters  Timotheos  von  Nisibis,  so  nahm  er  sich  vor  dem 
Könige  sehr  in  Acht.  Während  er  nun  bald  darauf  nach  dem 
rabischen  I^ira  reiste,  um  den  Araberkönig  Nu'män,  der  sich 
fttte  taufen  lassen  und  Christ  geworden  war,  zu  besuchen,  er- 
rankte er,  eben  in  die  Nähe  von  tJira  gekommen,  und  starb 
i  einem  Dorfe  Namens  Beth  QuSi  (?).  *  Als  das  Hind,  Nu'man's 
chwester,  hörte,  zog  sie  mit  den  Priestern  und  Gläubigen  von 
llra  aus;  sie  brachten  den  Leichnam  des  Heiligen  mit  grosser 
'eierlichkeit  herein,  und  Hind  setzte  ihn  in  dem  von  ihr  er- 
auten    neuen  Kloster   bei.^     Nachdem   die   Kirche    eine   Zeit  10 


Residenz  der  KOnige ;  s.  Tab.-Uebeni.  41 ;  Hoffmann  a.  a.  O.  Vermuthlich 
war  diese  Stadt  der  eigentliche  Sitz  Bistftm^s  gewesen. 

^  Die  Art  der  Tödtung  stimmt  mehr  zum  Roman  als  zu  Theophylakt  5,  15, 
der  ihn  in  den  Tigris  werfen  ISsst.  Unser  Autor  ist  hier  gewiss  am 
besten  berichtet. 

'  Also  schon  ganz  das  Verfahren,  das  unter  den  *Abbftsiden  bei  grossen 
Staatsverräthem  öfter  vorkam  (vgl.  z.  B.  meine  ,Oriental.  Skizzen*  S.  214). 
Dieser  S&bür  hatte  sich  vielleicht  mit  den  Resten  von  seines  Vaters 
Heer  dem  Bistftm  angeschlossen.  Die  Namen  Sftbür  und  Bahrftm 
finden  wir  in  dieser  Zeit  in  der  Familie  Mihrftn  auch  sonst;  s.  Tab.- 
Uebers.  139.  Ein  anderer  Sohn  des  EmpOrers  spielt  wieder  eine  Rolle 
im  Kampfe  mit  den  Muslimen  Tab.  1 ,  2062,  10,  und  so  auch  dessen  Sohn, 
Sijftwachtt  ,KOnig  von  Rai*  Ihn  Athir  8,  18.  Ebenso  haben  im  Jahre  634 
wieder  zwei  Sohne  Bistftm*s,  Bind6i  und  Tirdi,  ein  Commando  Tab.  1, 
2169.  Also  galt  noch  bei  den  SftsAniden  wenigstens  theil weise,  was 
Herodot  3,  15  von  den  Achämeniden  erzählt.  Das  erkUirt  sich  bei  ihnen 
aber  wohl  hauptsächlich  aus  der  Macht  der  grossen  Adelshäuser. 

*  Bei  Barh.  bist.  eccl.  2,  106  geht  tsdjabh  dahin,  um  den  Nu'm&n  vom 
Monophjsitismus  zum  Nestorianismus  zu  bekehren,  aber  das  gelingt  ihm 
nicht.  Dies  ist  eine  tendenzi()8e  Erfindung,  wie  ich  schon  Tab.-Uebers. 
847  vermuthete.  Die  Ehre,  welche  Hind  der  Leiche  erweist,  zeigt,  dass 
das  Königshaus  sich  mit  ihm  im  Qlauben  eins  fühlte. 

^  Dies  Kloster  war  noch  lange  nachher  berühmt  Es  ist,  wie  Guidi  be- 
merkt, ,das  Kloster  der  jüngeren  Hind^  ^•ä^\  %jJJ^  jj>,  s.  J&qüt  s.  v. 
Die  arabischen  Nachrichten  (Ibn  al-Kalbi)  und  Barh.  1.  c.  nennen  diese 


10  IX.  Abhandlnng:    NÖldeke. 

lang  ohne  Leiter  geblieben  war^  yersammelte  sich  auf  Befehl 
des  Königs  die  Synode,  um  sich  ein  Oberhaupt  zu  wählen.  Der 
König  liess  ihnen  sagen:  ^holt  den  Sabhiifio'  von  Lädum  und 
setzt  euch  den^  zum  Haupt  ein/  So  holten  sie  ihn  rasch  und 
machten  ihn  zu  ihrem  Haupt.^  Und  er  ward  sein  Leben  lang 
vom  König  und  seinen  beiden  christlichen  Weibern,  der  Ara- 
mäerinn  Sirin  und  der  Römerinn  Maria,'  hoch  geehrt. 

In  Nisibis  war  aber  der  Metropolit  Gregor  von  Ka&kar.^ 
Den  vielen  Zank  und  Streit,  den  der  Satan  zwischen  diesen 
beiden  seligen  Männern  (Gregor  und  SabhriSö')  erregte,   kann 


Hind  Numän's  Tochter;    mit  unserer  Schrift  stimmt  der  späte  Nesto- 
rianer  'Amr  überein  (Ass.  3,  1,  109).    Wir  dürfen  ihnen  wohl  mehr  Ge- 
wicht beimessen. 
^  Lies  ^atoiCLtJO, 

*  SabhriSd  war  ihm  ja  erschienen  (oben  8.  7).  Wir  sehen  ans  dieser  nnd 
anderen  Erzfthlnng«n,  wie  abhängig  die  Kirche  vom  KOnig,  aber  auch 
welch  wichtiger  Factor  sie  für  den  persischen  Staat  war.  —  Nach  Elias 
Ton  Nisibis  (respective  dessen  Quelle;  s.  die  Anm.  zu  Barh.  1.  c.)  starb 
bdjabh  594/5  und  ward  sein  Nachfolger  eingesetzt  den  19.  April  596, 
dazu  stimmt  genau  die  Angabe  Donnerstag  vor  Ostern  (im  6.  Jahre  des 
Chosrau)  Ass.  3,  1,  446,  während  der  Bericht  eb.  444  den  Ostertag  selbst 
(22.  April)  nennt.  Unmittelbar  darauf  (im  Mai)  ward  eine  Synode  ab- 
gehalten ZDMG  43,  390.  —  Die  Sedisvacanz  mag  also  ein  Jahr  gewährt 
haben.  Der  Eifer  Chosrau's  für  die  Wahl  Sabhr£§6*s  war  somit  doch 
nicht  allzu  heiss.  —  Der  Mann,  den  man  schon  so  früh  in  einer  wunder- 
baren Erscheinung  auftreten  liess,  ward  später  zum  grossen  Wunder- 
thäter;  s.  Ass.  3,  1,  443  ff.  und  die  Mittheilung  Guidi's  ZDMG.  40,  559  f. 

'  ,Hier  sind  die  beiden  christlichen  Frauen  Sirin  und  Maria  deutlich  unter- 
schieden und  benannt*  (Guidi).  Insofern  war  also  Gutschmid's  Bedenken 
gerechtfertigt,  dass  Maria  nicht,  wie  die  Araber  angeben,  eine  Tochter 
des  Kaisers  war  (ZDMG.  34,  283),  denn  das  hätte  dieser  alte  Bericht 
gewiss  nicht  verschwiegen.  Sirin*s  Nationalität  als  einer  ,Aramäerinn' 
wird  unten  noch  genauer  bestimmt:  ein  Mann  ans  Poräth  (in  der  Gegend 
des  späteren  Ba^ra)  galt  als  ihr  besonderer  Landsmann.  Merkwürdig 
immerhin,  da  das  Land  Bith  Arämäß,  dessen  Gentilicium  wir  hier 
haben,  sonst  nicht  einmal  das  Land  Kaikar  mit  umfasst,  das  weiter 
nördlich  liegt  (M&ri  78.  80),  sondern  der  Provinz  Küfa,  der  nördlichen 
Hälfte  des  'Ir&q,  entspricht.  Nach  dem  Armenier  Sebdos  war  öirin  ans 
dem  benachbarten  Chüzist&n  (Susiana),  s.  Tab.-Uebers.  283;  unsere  Schrift 
weiss  hierüber  gewiss  genauer  Bescheid. 

*  Kaikar  ist  das  Gebiet  der  späteren  Stadt  Wäsif  iwiachen  Baghdäd  und 
Bayra. 


Die  TOD  Gnidi  tenmjgef  ben>  tymeke  Chronik.  1 1 

die  Zunge  nicht  erzählen.  Gregorys  Vorgänger^  in  Nisibis  war 
aber  kurze  Zeit  Qabriel,  Sohn  Rofin's  gewesen.'  Da  sich  dieser 
stark  mit  dem  Lauf  der  Gestirne  und  der  Zodiacalzeichen  ab- 
gab;'  hatte  man  ihn  verjagt  und  den  Gregor,  Bischof  von  Eafikar, 
mit  Gewalt  hergeholt.  In  Nisibis  aber,  d.  i.  Antiochia  Myg- 
doniae,^  das  wegen  der  Gärten  und  Parks  darin  so  zubenannt 
wird,^  sammelten  sich,  weil  es  an  der  persisch-römischen  Grenze 
lag,  thörichte,  unruhige  und  streitsüchtige  Menschen  von  überall 
her,  besonders  wegen  der  dortigen  berühmten  Schule.  Schrift- 
ausleger war  aber  tJnUn^  von  Qdhaijabh.  ^  Als  derselbe  in  seinen 
Lehrvorträgen  allerlei  gegen  den  ökumenischen  Schriftausleger^ 
einwandte,  ertrug  das  dieser  Eiferer  Gregor  nicht.  Auch  wollte 
er  die  Cleriker,  deren  Wandel  verderbt  war  wie  auch  der  der  ii 
andern  Gläubigen,  bessern;  sie  fügten  sich  ihm  jedoch  nicht. 
Und  einen  Diakon  mit  dem  Beinamen  ,Fuchssohn^  fand  man 
gar,  wie  er  im  Walde  ausserhalb  der  Stadt  einen  weissen  Hahn 
opferte;  diesen  rief  er  zu  sich  und  .  .  .®  Auch  überführte  er 
einige  Mönche,  die  mit  Werken  .  .  .^  und  rings  um  das  ^igkr- 
Gebirge  ^^  wohnten  und  Messallianer  ^^  waren,  und  vertrieb  sie 

*  Nach  ^^  (10,  10)  ergänze  ^0|-o  oder  ?  ^oioSd^ä.  Der  vorhergehende 
8ats  ist  ein  Anakoluth. 

'  Alflo  nicht  A^ftdhabhüh,  wie  Hoffmann  n.  1048  vermathet 
'  D.  h.  nach  heidnischer  Weise  Astrologie  trieb. 

*  Polyb.  6,  61;  Strabo  747;  Steph.  Byz.  s.  v.  'AvTit^xe»«. 

*  Die  Erkllning  geht  auf  Mygdania,  das  zu  )r^  ,Fruchf  (PI.  )r^. 
und  P^y^,  wie  P^^^  n.  a.  m.)  gesteUt  wird.  8.  BB  s.  t.  r^l  (Daval^s 
Ausgabe'  1S8). 

*  Vgl.  Aber  diesen  Mann,  seine  Ketzereien  and  die  Streitigkeiten  mit  ihm  Ass. 
3,  1,  81  ff.;  Hoffmann  102.  104.  110  f.  Die  Aussprache  Hnina  (arab.  UUa.) 

scheint  mir  ziemlich  sicher.  »*^^|**  =  Ädiabene  wird  von  BB  aus- 
drficklich  vorgeschrieben.  Es  ist  bekanntlich  eine  Landschaft  Assyriens, 
zwischen  den  beiden  Zftb. 

*  Den  fOr  die  Nestorianer  kanonischen  Theodoros  von  Mopsuhestia. 

*  Offene  Lücke  von  zwei  oder  drei  Worten.  Dass  wir  so  nicht  direct  er- 
&hren,  wie  Gregor  den  Sünder  unschädlich  gemacht  hat,  ist  kein  grosser 
Verlust;  gern  wüssten  wir  aber  mehr  über  den  heidnischen  Glauben  und 
Brauch,  der  hier  noch  so  spftt  in  einer  altchristlichen  Gegend  auftritt 

*  Wieder  eine  solche  Lücke. 

'*  Die  Berge  von  Singäry  das  Jeztden-Gebirge,  nahe  bei  Nisibis. 

"  «Beter*.  Eine  oft  genannte  Secte.  In  jener  Zeit  und  Gegend  hat  sie  auch 
Ass.  3,  1,  91'  Mitte;  Hoffmann  104.  Die  oben  env&hnte  Synode  vom 
Jahre  596  fasste  scharfe  Beschlüsse  gegen  sie  (ZDMG.  43,  390  ff.). 


12  IX.  ▲bbandlnng:    Nöldeke. 

nach  allen  Richtungen.  Von  da  an  führten  die  Nisibener  und 
die  Umwohner  über  ihn  starke  Klage.  Der  König  liess  ihn 
deshalb  holen  und  befahl  ihm,  sich  im  Kloster  des  Sähdöst  ^ 
niederzulassen.  pDa  sprach  er  gegen  die  Bewohner  einen  Fluch 
aus,]*  indem  er  sich  an  den  Thoren  Zoba's'  den  Staub  von 
den  Füssen  schüttelte;*  dann  ging  er  fort.  Mär  Sabhri&o* 
wollte  den  Gregor  absetzen,  doch  gingen  die  Bischöfe  nicht 
darauf  ein.  Da  befahl  ihm  der  König,  in  seine  Heimat  zu 
gehn.^  £r  that  das  und  errichtete  sich  ein  Kloster  im  Lande 
KaSkar  an  einer  Stelle,  die  Bazza  dnahräwäthi^  heisst,  und 
führte  Viele  zur  Gottesfurcht.  Man  sagt  aber,''  dass  dem  Mir 
Sabhriäo'  nach  der  Abdankung  Gregorys  die  ihm  vorher  ver- 
liehene Kraft,  Wunder  zu  thun,  nicht  mehr  gebUeben  sei.® 

Darauf  empörte  sich  Nisibis  wider  Chosrau.  Als  der 
König  das  hörte,  schickte  er  Nachwei^Än,^  einen  Grosswürden- 
träger des  Reichs,  mit  grossem  Heere  und  Elephanten  ^^  und  auch 
den  Mär  Sabhriäd'  mit  ihm.  Die  Bewohner  der  Stadt  schlössen 
vor  ihm  die  Thore,  doch  auf  die  Zureden  des  Katholikos  und 
12  weil  Nachwergän  schwur,  ihnen  nichts  böses  zur  Vergeltung 
zuzufügen,  öfiheten  sie  sie  ihm;  aber  als  er  eingezogen  war, 
brach  er  seine  Verheissung,  ergriff  die  Angesehensten  von 
ihnen,  folterte  sie,  plünderte  ihre  Häuser,  vernichtete  all  ihre 
Habe   und   brachte   sie    zuletzt   auf  alle   mögUche   Weise   um. 


^  Lage  nnbekannt.. Wahrscheinlich  nach  dem  342  hingerichteten  Mlrtjrer, 
Bischof  von  Seleukia  und  Ktesiphon,  benannt. 

*  Etwas  derartiges  muss  hier  gestanden  haben;  s.  unten  8.  13. 

'  Die  Syrer  identificieren  gemeinlich  Nisibis  mit  dem  Zoba  des  A.  T.; 
freilich  ganz  verkehrt. 

*  Lnc.  9,  6  (Marc.  6,  11). 

'  Der  Patriarch  macht  seinen  Einfluss  auf  den  Herrscher  in  wenig  er- 
freulicher Weise  geltend. 

'  Baxssd  (hexzaf)  ist  wahrscheinlich  eine  richtige  Dialektform  für  6ei'4; 
s.  BB  377;  talm.  Kra.    Also  ,Spalte  der  Flüsse*. 

*  Gdr  steht  hier  und  an  anderen  Stellen  dieser  Schrift  als  blosse  Uebe^ 
gangspartikel,  schon  ganz  wie  bei  weit  späteren  Nestorianem. 

^  Dieser  Bericht  und  die  bei  Ass.  3,  1,  441;  Hoffmann  115  ergänzen  und 

erläutern  einander. 
'  Ueber  diesen  Namen  s.   Tab.-Uebers.  152;   Hoffmann   in  Qardagh  (ed. 

Feige)  S.  10.     Vielleicht  ist  hier,  Tab.-Uebers.  353  Anm.  2,  eb.  347  und 

482  immer  derselbe  Mann  gemeint. 

"  Doch  wohl  |lÄ»o  fOr  "«9  »u  lesen  (II,  3  v.  u.). 


•yzisck«  CkroBik.  13 

So  erfüllte  sich  an  Omen  Gregor's  Fhich,  und  auch  llÄr  Sabhriöo' 
sah  das  ein.^ 

In  jener  Zeit  lebte  der  Drostbadh  Gkibriel  aas  Sigär,'  der 
Archiater,  der  beim  König  deshalb  beliebt  war,  weil  Mrin, 
nachdem  er  sie  am  Arm  znr  Ader  gelassen,  einen  Sohn  bekommen 
hatte  y  den  sie  Merdin^th  nannte ,  während  sie  früher  keine 
Söhne  geboren  hatte.'  Obgleich  Gkibriel  früher  ein  Häretiker 
gewesen  war,  wollte  er  sich  doch  znr  Partei  der  Rechtgläubigen 
zählen  hissen.^  Allein  weil  er  seine  rechtmässige  Frao,  die  eine 
Bekennerinn^  ans  hohem  Geschlecht  war,  fortgeschickt  and  zwei 
heidnische  Weiber  genommen  hatte,  mit  denen  er  in  heidnischer 
Weise  Terkehrte,^  nnd  dann  den  Zureden  des  Katholikos,  die 
Heidinnen  fortzuschicken  und  eine  rechtmässige  Frau  zu  nehmen, 
nicht  folgte,  so  trat  er  wieder  auf  die  Seite  der  Häretiker  und 
fügte  unsrer  Partei  viel  böses  zu. 

Wie  man  erzählt,  war  der  Araberkönig  Nu*män  von 
Chosrau,  als  er  vor  Warahrän  nach  dem  Lande  der  Römer 
floh,  aufgefordert  worden,  ihn  zu  begleiten,  war  aber  nicht 
darauf  eingegangen.    Auch  hatte  er  des  Königs  Bitte,  ihm  ein 

*  Von  dieser  EmpOning  der  Nuibener  scheint  keine  andere  Qnelle  zu 
sprechen.  Zu  beachten  ist,  dass  der  Katholikos  nachher  bei  den  Nisi- 
benem  in  g^tem  Angedenken  stand,  s.  nnten  S.  18. 

'  ,Gesnndherr'  (vgL  holländ.  geneeaheer  ,Ant*);  s.  Hoffmann  n.  971. 
Der  Titel  wird  ^hJtrfi  geschrieben  in  der  Vita  des  Mirathft  (cod.  Brit. 
Mos.  Add.  14645,  fol.  198  ff.),  die  ich  früher  einmal  in  der  Abschrift  von 
Professor  Slleyii  habe  benutzen  können.  Eigentlich  ist  dieser  Titel  wohl 
eine  Ueberaetzong  von  olp^^torpo^  das  hier  als  den  Syrern  bekannter  Aus- 
druck noch  daneben  steht  —  Ueber  diesen  Gabriel,  den  Patron  der 
Monophjsiten,  s.  Tab.-Uebers.  358,  Hoffmann  116  ff.  Die  Vita  des  M&- 
rüth&  gibt  noch  einiges  weitere  über  ihn. 

'  Nach  der  Urkunde  Theophylakt  5, 14  =  Euagrios  6,  21,  7  ff.  schrieb  Chosrau 
die  Empfilngniss  des  ersten  Sohnes  der  Sirin  den  Segnungen  des  heil. 
Sergios  zu.  Vielleicht  lassen  sich  beide  Auffassungen  yereinigen.  Natürlich 
hat  aber  das  Schreiben  des  Königs  ■  höhere  Autorit&t,  als  was  man  sich 
im  Volke  über  diese  Dinge  erzählte,  die  hinter  den  unzugänglichen  Pforten 
der  KOnigsschlOsser  geschahen. 

^  Häretiker  sind  hier  die  Monophjsiten,  Rechtgläubige  die  Nestorianer. 

*  D.  h.,  wie  Hoffmann  erkannt  hat  (n.  882.  897),  eine  Convertitinn.  Ver- 
muthlich  wurden  die  Neubekehrten  als  ,Confe86oren*  bezeichnet^  weil  sie 
wegen  des  Uebertrittes  immer  viel  zu  leiden  hatten,  namentlich  wenn 
sie  aus  vornehmer  Familie  waren. 

'  Das  kann  wahr  sein,  braucht  es  aber  nicht 


14  IX.  AbhuidltAf :    NAldeko. 

seh)-  werthvolles  Ross  zu  schenken^  abgeschlagen.  Femer  hatte 
er  dem  Chosran  seine  sehr  schöne  Tochter,  die  er  von  ihm 
verlangte,  verweigert,  ihm  vielmehr  sagen  lassen,  einem  Manne, 
der  sich  in  viehischer  Weise  vermähle,  gebe  er  seine  Tochter 
nicht.  Das  alles  nahm  Chosran  zusammen  und  bewahrte  es  in 
13  seinem  Sinne.  Als  er  aber  von  den  Kriegen^  etwas  Ruhe 
hatte,  wollte  er  sich  wie  an  seinen  anderen  Feinden,  so  auch 
an  Nu'mÄn  rächen.  Er  lud  diesen  also  eines  Tages  zum  Mahle 
ein,  setzte  ihm  aber  statt  des  Brotes  Bissen  aus  Gras^  vor. 
Hierüber  ward  Nu*mÄn  sehr  ärgerlich  und  schickte  zu  seinen 
Stammesgenossen,  den  Ma'additen;'  darauf  durchzogen  diese 
dem  Chosrau  viele  Länder,  Menschen  raubend  und  verwüstend, 
und  kamen  bis  nach  *Arabh.^  Als  Chosrau  das  hörte,  wurde 
er  aufgeregt  und  suchte  auf  verschiedene  Weise  den  Nu*mÄn 
zu  sich  zu  locken,  aber  er  ging  nicht  darauf  ein.  Jedoch 
einer  von  Nu*m&n*s  Dolmetschern  Namens  Ma'ne  von  der 
Insel  DSrin  ^  verabredete  mit  Chosrau  heimlich  einen  Anschlag. 
Er  sprach  zu  Nu'män,  der  König  liebe  ihn  sehr,  und  schwur 
ihm  auf  das  Evangelium,  dieser  werde  ihm  kein  Leid  anthun. 
Auch  redete   ihm  seine  Frau  Mäwijah^  also  zu:   ,es  ziemt  dir 


^  Gegen  Bahr&m  und  But&m. 

*  Eine  glänzende  Verbeaserung  Ton  Hoffmann:  K^  ^^  (13,  4).     Weil  er 

dem  König  viehisches  Wesen  vorgeworfen,  bekommt  er  selbst  Viehfutter. 

'  Hier  =  Beduinen.  Die  Banü.  Saibftn,  die  an  dieser  Stelle  in  Betracht 
kommen,  sind  allerdings  Ma'additen  im  eigentlichen  Sinne,  aber  Nn'm&n 
selbst  gehört,  wenigstens  nach  der  üblichen  Ansicht,  nicht  zu  den  Kindern 
Ma'add's. 

^  Das  von  Arabern  bewohnte  mesopotamische  Wüstengebiet,  namentlich  so 
weit  es  zum  römischen  Reich  gehört.  So  schon  in  dem  sehr  alten  Dialog 
de  fato;  s.  Careton*s  Spicil.  syr.  19,  6,  wo  die  Eroberungen  des  Septimim 
Severus  im  Jahre  196  gemeint  sind.  Ueber  das  Land  *<r),-\  könnte  ich 
noch  allerlei  geben.  Der  persische  Theil  des  mesopotamischen  Araber- 
landes heisst  meistens  Bith  'Aräbhdji, 

*  Arabisch  D&rtn,  eine  der  Bahrain-Inseln,  wahrscheinlich,  wie  schon  Jiqftt 
2,  537  annimmt,  die  grösste  derselben,  'Ow&l.  Im  6.  und  7.  Jahrhundert 
öfter  als  Aufenthalt  von  Christen  und  als  Bischofsitz  genannt  Ass.  8, 1, 
136.  161*;  ZDMG.  43,  406  f.  (409 f.). 

*  Ich  erinnere  mich  nicht,  unter  den  Frauen  Ku*m&n*s  eine  Miwfjah  ge- 
funden zu  haben.  Der  Name  ist  übrigens  nicht  selten.  Beachte,  daas 
der  Syrer  das  auslautende  <  (!)  als  wirklichen  Hauch  hOrte,  denn  sonst 
hätte  er  nicht  0*  geschrieben;  von  einer  blossen  Transscription  der  ara- 


Di«  TOB  Ovidi  k«n«ig«f«^*>M  tTriMk«  Chronik.  16 

mehr,  mit  dem  Königsnamen  zn  sterben,  als  vertrieben  nnd 
des  Königsnamens  entblösst  zu  sein/  Als  er  nun  in  die  Residenz 
kam,  tödtete  ihn  der  König  zwar  nicht,  sondern  gebot  ihm 
nur,  dort  zu  bleiben;  allein,  wie  man  sagt,  brachte  er  später 
diesen  trefflichen  Bekenner^  durch  Gift  um.^ 

Darauf  empörte  sich  gegen  den  römischen  Kaiser  Mau- 
rikios  ein  Mann  Namens  Phokas  und  tödtete  ihn,  seine  Söhne 
und  seine  Frau;  nur  einer  von  seinen  Söhnen  Namens  Theodosios 


bischen  Schreibung  wie  bei  Späteren  kann  hier  nicht  die  Rede  sein. 
Ebenso  im  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  oi-I^^lo?  =  jj^'  Quidi,  La  lettera 
di  Simeone  .  .  .  di  B^th-Ar§&m  (R.  Acad.  dei  Lincei  anno  278,  Roma 
1881,  8.  2  des  Textes).    In  älterer  Zeit  erscheint  n  6  für  2. 

^  SS  CouTertiten;  s.  oben  b.  18,  Anm.  Ö. 

'  So  sehr  dieser  Bericht  im  Einzelnen  von  dem  arabischen  (Tab.-Uebers. 
311  ff.)  abweicht,  so  haben  sie  doch  wichtige  Züge  gemein.  So,  dass 
Nu*m&n  sich  weigert,  einen  weiblichen  Angehörigen  für  das  königliche 
Serail  herzugeben.  Femer,  dass  *er  durch  die  List  eines  Beamten  ara- 
bischer Herkunft,  der  den  Verkehr  zwischen  dem  Hof  und  dem  Araber- 
fürsten zu  vermitteln  hat,  ins  Unglück  geräth.  Die  arabische  Darstellung 
ist  poetisch  abgerundeter,  indem  sie  Nu'm&n  durch  den  Sohn  des  'Adi 
mit  List  ins  Unglück  stürzen  lässt,  der  durch  seine  Schuld  umgebracht 
worden  war.  Unser  Syrer  ist  hier  aber  gewiss  zuverlässiger,  auch  darin, 
dass  er  nach  ihm  erst  zuletzt  durch  jenen  Mann  in  die  Gefangenschaft 
gelockt  wird.  Dass  Nu'm&n  sich  freiwillig  stellt,  haben  beide  Erzälilungen, 
und  wie  man  das  im  Volk  auffasste,  zeigt  die  Aehnlichkeit  der  Worte, 
die  hier  seiner  Frau,  mit  denen,  welche  dort  dem  H&ni*  b.  Qabt^a  in 
den  Mund  gelegt  werden:  ,alle8  kann  der  Mann  mit  Anstand  ertragen, 
nur  nicht,  nachdem  er  König  gewesen,  Unterthan  zu  werden.  Der  Tod 
trifft  doch  jedermann;  in  Ehren  zu  sterben  ist  dir  besser,  als  Demüthigung 
herunterzuschlucken  oder  Unterthan  zu  sein,  nachdem  du  König  ge- 
wesen bist  u.  s.  w.*  (Agh.  2,  31).  Ob  Chosrau  von  Nu*män  wirklich  ver- 
langt hat,  ihn  auf  der  Flucht  zu  den  Römern  zu  begleiten,  ist  zweifel- 
haft; er  war  damals  wohl  nicht  in  seiner  Nähe.  Die  Verwüstungen  durch 
die  Beduinen  können  kaum  stattgefunden  haben,  bevor  er  sein  König- 
tfaum  aufgegeben  hatte.  Dass  er  länger  gefangen  gehalten  und  nicht 
hingerichtet  ist,  wie  die  natürliche  Auffassung  der  Worte  des  zeitge- 
nössischen Dichters  A'&&  (Tab.-Uebers.  331)  ergabt,  bestätigt  unser  Bericht 
Nach  dem  Vers  Si^ft^  s.  v.  ^>^;  Ihn  Qotaiba,  Ma'&rif  319  (wo  er, 
gewiss  mit  Unrecht,  dem  A'iä  zugeschrieben  wird),  ward  er  allerdings 
von  Elephanten  zerstampft  —  Nach  der  Anordnung  der  Chronik  darf 
man  wohl  annehmen,  dass  der  Sturz  Nu*mftns  zwischen  die  Bezwingung 
Bistäm's  und  den  Beginn  des  ROmerkriegs  fällt;  das  stimmt  zu  Elias 
von  Nisibis,  der  das  Ereigniss  auf  601  ansetzt  (Tab.-Uebers.  847). 


16  IX.  Abhandlang:  Nöldeke. 

entfloh  und  kam  zn  Chosran.^  Der  König  nahm  ihn  mit  grossen 
Ehren  anf  und  gebot  dem  Katholikos^  dass  er  ihn  in  die  Kirche 
führe,  und  dass  nach  römischer  Sitte  die  Kaiserkrone  auf  den 
Altar  gelegt  und  ihm  sodann  aufs  Haupt  gesetzt  werde. 
Chosrau  gab  ihm  darauf  ein  Heer,  und  er  zog  gegen  die 
Römer.  Phokas  schickte  ebenfalls  viele  Truppen,  und  sie 
14  lagerten  sich  vor  B6th  Wadi^  jenseits  der  Stadt  Dftdl,^  kämpften 
mit  Theodosios  und  schlugen  seine  Truppen.  Als  dieser  daher 
dem  Chosrau  meldete,  er  könne  den  Römern  nicht  wider- 
stehn,  brach  der  König  selbst  im  Winter  von  MäbözS  mit 
vielen  Truppen  auf  und  überzog  das  römische  Gebiet;  der 
Katholikos  war  bei  ihm.  Die  Truppen  des  Phokas  zogen 
ihnen  entgegen,  und  die  Heerschaaren  wurden  handgemein. 
Zahlreiche  Leute  fielen  auf  beiden  Seiten.  Dem  Chosrau  selbst 
warf  man  einen  Strick  über,  aber  einer  seiner  Helden*  Namens 
Müäkän  schnitt  diesen  durch.  Am  folgenden  Tage  war  eine 
förmliche  Schlacht,  in  der  die  Römer  von  den  Persem  ge- 
schlagen wurden.  Der  König  griff  darauf  Därä  an  und  erbaute 
BelagerungswäUe.  Man  führte  Minengänge  unter  die  Mauer, 
steckte  Feuer  an  und  verursachte  durch  verschiedene  Mittel 
Risse  in  ihr.  (Durch  diese  drang  man  ein.)  Dann  vei^oss 
man  dort  Blut  wie  Wasser.    Aber  der  Bischof  von  Där&  öffnete 


^  Da88  der  Prinz  echt  war,  steht  trotz  der  yerschiedenen,  namentlich  orien- 
taliBchen,  Zeugnisse  (Tab.-Uebers.  290)  dorchaos  nicht  fest  gegenüber 
der  bestimmten  Aussage  des  sachkundigen  Theophylakt  8,  13,  4 — 6. 

*  Die  Vermuthung  Guidi^s,  dass  BiCthJ  WaH  =:  Bebaee  Ammian  18,  7,  9. 
18,  10,  1  sei,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Nach  den  Angaben  Ammian*s  hat 
man  Bebase  etwas  westlich  von  D&r&  zu  suchen,  und  da  liegt,  worauf 
mich  Hoffmann  hinweist,  noch  jetzt  Td  Bei,  ungefähr  40  Eülometer  von 
Dftrft,  gegen  30  Kilometer  südlich  von  Mardin;  s.  Kiepert*«  Karte  des 
westlichen  T6r  zu  Sachau*s  Abhandlung  ,Ueber  die  Lage  von  Tigrano- 
kerta'  (Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  8.  No- 
vember 1880)  und  die  zu  Sachau's  Reise;  vgL  eb.  9-  ^27.  —  Nach- 
träglich erinnert  mich  Hoffmann  noch  daran,  dass  der  Ort,  genau  wie 
hier  geschrieben,  bei  Joh.  Eph.  404  ult  und  als  x6  B(ßcic  Theophylakt 
1,  16,  15  vorkommt.  —  Wie  die  Kämpfe  hier  ganz  an  der  Ostgrense 
mit  der  EmpOrung  des  Narses  in  Edessa  in  Einklang  zu  bringen  sind, 
ist  mir  unklar.     Vielleicht  liegen  sie  doch  hinter  dieser. 

'  ,Jenseits^  vom  Standpunct  im  Innern  des  persischen  Reiches. 

^  Jedenfalls  Bezeichnung  einer  Gardeabtheilung;  s.  unten  S.  32.  Die  Aus- 
sprache Muikdn  ist  nicht  sicher. 


Die  TOD  Gnidi  herftTisgeffeb«ne  tyriMb«  Cbronik.  17 

sich  mit  einem  eisernen  Werkzeug  die  Ader^  so  ;die  allgemeine^  ^ 
des  Körpers  heLsst^  warf  sich  auf  sein  Lager  und  starb  durch 
den  Blutverlust;  denn  er  fürchtete  sich  vor  dem  Könige  der 
geschworen  hatte,  er  wolle  ihn  auf  vierzig  Arten  umbringen. 
Von  der  Zeit  an  hatte  Chosrau  die  Oberhand  im  römischen 
Gtebiet.  Därä  ward  aber  im  14.  Jahr  Chosrau's  eingenommen.^ 
Während  nun  der  König  Därä  belagerte ,  begab  sich  ein 
Radh^  zu  den  Kirchen  von  Siärzür^  und  riss  sie  nieder.  Als 
die  Gläubigen  mit  ihrem  Bischof  Nathanael  das  sahen,  ertrugen 
sie  es  nicht,  sondern  erhoben  sich  gegen  den  Radh  und  trieben  16 
ihn  fort.  Er  kam  darauf  nach  Nisibis  zu  Chosrau  und  regte 
ihn  mit  den  Worten  auf:  ,du  kämpfst  fiir  die  Christen^,  und 
ich  bin  von  den  Christen  vertrieben!*  Da  Uess  der  König 
den  Nathanael,  Bischof  von  SiÄrzür,  ohne  weitere  Untersuchung 


*  KaOoXtx:^.  Weder  habe  ich  noch  mein  College,  der  Anatom  Schwalbe, 
sonst  irgendwo  diese  Bezeichnung  für  eine  Ader  finden  können.  Gemeint 
ist  aber  wohl  die  Pulsader. 

*  Nach  Land,  Anecd.  syr.  1,  15,  war  die  Einnahme  von  Därft  915  Sei.  Ind. 
Vn  =  608/4.  Das  14.  Jahr  Chosrau's  läuft  vom  24.  Juni  608  bis 
22.  Juni  604.  Da  er  nach  unserm  Syrer  im  Winter  angebrochen  ist, 
so  hat  man  die  Einnahme  der  Stadt  in  den  Frühling  604  zu  setzen. 
Thomas  von  Marg&  (Ass.  8,  1,  441)  und  Salomon  von  Ba^ra  (Liber  Apis 
189),  die  dies  Ereigniss  in  das  15.  Jahr  Chosrau^s  verlegen  (s.  S.  18  Anm.  1), 
können  gegenüber  diesen  alten  Zeugen  nicht  in  Betracht  kommen.  In 
der  Quelle  des  Theophanes  war  das  Jahr  6098  =  606/6  gewiss  eigentlich 
nur  für  den  Abschluss  der  Eroberung  Mesopotamiens  gemeint,  die  mit 
der  Einnahme  D&rft*s  begann. 

'  Der  Radh  steht  an  der  Spitze  eines  Bezirks;  s.  Tab.-Uebers.  447  f.  Ich 
könnte  jetzt,  namentlich  aus  dem  2.  Bande  von  Bedjan*s  Märtyreracten, 
noch  viele  Belege  geben.  An  der  Stelle  Moesinger  2,  68,  16  hat  die 
Handschrift,  wie  ich  von  Guidi  erfahre,  wirklich  radh;  so  auch  die  ent- 
sprechende Stelle  bei  Bedjan  2,  519,  10. 

*  So  schreiben  alle  alten  syrischen  Texte,  s.  ZDMG.  48,  408  ff;  Hoffmann  43; 
Ass.  8,  1,  143.  457  (Thomas  von  Margft  in  einer  Vita  des  7.  Jahrhunderts). 
Entsprechend  ib  Ziapaoupcov  Chron.  Pasch.  (Bonn)  730.  782;  rbv  Zut^oupov 
Theophanes  (Bonn)  499  (de  Boor  325);  in  den  Quellen  stand  sicher  an 
beiden  Stellen  to  Siapl^oupcov.  Die  Araber  aber  schreiben  j^xJ^^  und 
so  die  späteren  Syrer  9ol9ou4»  oder  '^©I^oua»  (jenes  schon  bei  Thomas 
von  Margft  Ass.  3, 1,477  a;  dieses  öfter  bei  Barh.).  Die  sachliche  Identität 
steht  fest,  aber  lautlich  kann  ndr  (oder  narf)  nicht  =  iahr  sein.  Wahrschein- 
lich ist  ^ahrvdr  eigentlich  Name  des  Bezirks,  Sidmür  des  Ortes;  die  Be- 
deutung von  8idr  ist  mir  aber  unbekannt. 

*  Gemeint  ist  Prinz  Theodosios. 

SitiongBber.  d.  phU.-hist.  Cl.  CXXYin.  Bd.  9.  Abh.  2 


18  IX.  Abhandlong:    Nftld«ke. 

holen  y  hielt  ihn  sechs  Jahre  eingesperrt  und  kreuzigte  ihn 
darauf.^  Denn  wenn  Chosran  gleich  um  des  Maurikios  willen 
znm  Schein  Liebe  zu  den  Christen  zeigte  ^  so  war  er  doch  in 
Wirklichkeit  ein  Feind  unsres  Volks. 

M&r  Sabhridö*  aber  war  in  Nisibis  von  einer  schweren 
Krankheit  befallen.  Da  liess  der  König  an  ihn  die  Forderung 
stellen  y  er  solle  den  Gabriel  vom  Banne  lösen,  den  er  ausge- 
sprochen hatte;  aber  er  ging  nicht  darauf  ein.  Dann  machte 
der  Katholikos  sein  Testament  und  versiegelte  es;  darin  be- 
stimmte er,  ihn'  nach  seinem  Kloster  zu  bringen.  Die  Nisi- 
bener  wünschten  zwar^  dass  man  die  Leiche  des  Heiligen  in 
ihrer  Kirche  beisetze  ^  aber  der  König  gewährte  das  nicht,  da 
er  die  Bestimmung  des  Katholikos  erfahren  hatte.  So  setzten 
seine  Schiller  seinen  Leichnam  auf  ein  Kameel'  und  brachten 
ihn  in  sein  Kloster. 

Darauf  ward  durch  den  Einfluss  der  Silin  ihr  Lands- 
mann Gregor  von  Por&th^  als  Katholikos  eingesetzt ,   obgleich 


^  Dieser  Bischof  Nathanael  von  Siftrzür  eiBcheint  als  Mitglied  der  Sjnode 
Tom  Jahre  588  (ZDMG.  48,  405,  1)  und  noch  der,  die  sich  im  »Ntsftn 
des  Jahres  15  unsere  Herrn  Chosran,  Königs  der  Könige*  d.  i.  April  605 
gleich  nach  Ernennung  des  neuen  Patriarchen  Gregor  versammelte.  Dies 
Datum  steht,  wie  mir  Guidi  schreibt,  so  in  der  Handschrift  (vgl.  ZDMO. 
43,  406).  Er  muss  also  erat  etwas  später  gefangen  gesetst  sein,  ala  man 
nach  unserm  Text  annehmen  würde.  Die  Zeitbestimmung  ganz  so  bei 
Elias  von  Damascus  (Ass.  3,  1,  452^).  Mit  Recht  setzt  demnach  Thomas 
von  Marg&  (Ass.  3,  1,  441)  die  Wahl  Gregorys  ins  15.  Jahr  des  Königs, 
unrichtig  Elias  von  Nisibis  (Anm.  zu  Barh.  h.  eccl.  2,  108)  ins  Jahr  16. 
Wahrecheinlich  hat  Thomas  das  Jahr  der  Einnahme  von  Dftrft  falsch 
nach  der  Wahl  Gregorys  bestimmt,  Elias  von  Nisibis  oder  seine  Quelle  wie- 
der die  ungefähr  ein  Jahr  nach  der  Einnahme  geschehne  Wahl  nach 
der  ^unrichtigen  Ansetzung  dieser  ein  Jahr  zu  spät  gelegt. 

*  D.  h.  seine  Leiche.  Es  fehlt  die  ausdrückliche  Angabe,  dass  er  darauf 
gestorben  sei. 

»  Vgl.  Ass.  3,  1,  447*. 

*  S.  oben  S.  10,  Anm.  3  ForeU  Plin.  6,  145;  ^((paOa  Steph.  Byz.  (Arrian); 
^6poAoM  Waddington,  Inschr.  2589;  Enting,  Epigraph.  Mittheilungen  2,  108, 
wo  auch  palmyrenisch  irc:  {V^on  irc  Talm.  bab.  Joma  10";  oft  bei  den 
Syrern   mit  oder  ohne  Hinzufügung  des  Landesnamens  Maiiän  wie  bei 

den  Arabern  0\Jü\  oder  ^U««^  OUa*  Eis  lag  in  der  Nähe  des 
späteren  Ba^ra,  wenn  nicht  gradezu  an  einer  nachher  in  diese  Gross- 
stadt einbezogenen  Stelle.    Daher  identificieren  die  Sjrer  beide  Orte  oder 


Di«  TOB  Ooldi  bgrmaafefeW—  sjrise^  Ckronik.  19 

alle  Söhne  der  Kirche  mit  dem  König  selbst  den  Gregor  von 
Kafikar  haben  wollten,  der  ans  Nisibis  vertrieben  worden  war.^ 
Jener  zeigte  ab  Oberhanpt  kein  schönes  Benehmen.  Er  lebte 
aber  nnr  noch  wenige  Jahre  nnd  starb  dann.'  Wegen  der 
Ränke  Ghibriels  nnd  seines  Hasses  gegen  die  Kirche'  blieb 
diese  eine  Zeit  lang  ohne  Leiter ,  und  in  Folge  der  Anklagen 
gegen  Gregor  wurde  ihr  auch  das  Wort  abgeschnitten.^  Man 
setzte  nun  in  der  Kirche  als  (stellvertretenden)  Leiter  Mär 
AbhA  ein,  den  Archidiaconus^  aus  Ktesiphon,  einen  sittsamen  16 
und  weisen  Mann.  So  blieb  die  Kirche  lange  ohne  Oberhaupt. 
Unterdessen  bedrohte  Gabriel  aus  Sigär  die  Rechtgläubigen 
sehr  und  vertrieb  die  Unsem  aus  dem  Kloster  des  Mär  Pethi6n,^ 
dem  der  gtrin«  und  noch  andern  und  setzte  darin  Anhänger 
der  häretischen  Partei  ein. 


wenigstens  die  danach  benannten  DiOcesen,  s.  Elias  von  Nisibis  in  der 
Chronographie  (cod.  Rieh  7197  fol.  16*)  und  im  Wörterbuch  (Novaria  302 
=  Lagarde,  Praetermissa  53,  6)  und  vergleiche  Mai,  Nova  Coli.  10,  318 
mit  Ass.  3,  1,  79*. 

^  Also  ganz  übereinstimmend  mit  den  spätem  Angaben  bei  Ass.  3,  1,  441^. 
460.  Barh.  h.  eccl.  2,  107  identificiert  die  beiden  Gregore;  dadurch 
musste  sich  Hoffmann  119  f.  irre  führen  lassen. 

*  Dass  er  geldgierig  war,  sagt  *Amr  bei  Ass.  3,  1,  450^,  wie  Barh.  h.  eccl. 
2,  109.  Elr  führte  das  Amt  nach  Elias  von  Nisibis  (s.  die  Anm.  zu  Barh. 
h.  eccL)  ungefähr  drei,  nach  'Amr  1.  c.  vier  Jahre. 

'  Der  Gregensatz  verschärfte  sich  noch,  als  das  monophysitische  Kirchen- 
haupt, der  Eiferer  M&rüthä,  nach  der  Hauptstadt  kam  und  den  schreck- 
lichen Ifissbrauch  abschaffte,  dass  die  nestorianischen  Laien  mit  ,den 
Rechtgläubigen'  zugleich  das  Sacrament  nahmen  (Vita  des  MärCith&). 
Gabriel  seheint  anfangs  auf  eine  Einigung  der  beiden  Parteien  bedacht 
gewesen  zu  sein  (dahin  zielen  auch  wohl  die  Worte  oben  8.  13  Z.  8). 

^  Wohl:  weil  der  angesehenste  Mann  der  Kirche,  Gregor  von  Ka&kar,  beim 
KOnig  verklagt  worden  war  nnd  das  Wort  nicht  erheben  durfte. 

*  So  *Amr  Ass.  3,  1,  93*.  450*.  Die  nördlichen  Gegenden  überwachte 
B&bhai  eb.  91*.  93*.  450*.  472  f. 

*  Von  den  verschiedenen  Kl  Ostern,  die  nach  dem  heil.  Pethi6n  benannt 
sind  (s.  J&qüt  2,  683.  693  [702,  2];  Ass.  3,  2,  678;  Ass.  3,  1,  512^  u.  s.  w.), 
kann  hier  wohl  nur  das  an  der  letztgenannten  Stelle  erwähnte  in  einem 
der  Nebenorte  von  Ktesiphon  (JuLwXa3\  dLojc«J\)  oder  aber  das  an  der 
Stätte  seines  Martyriums  (bei  Holwftn)  in  Frage  kommen. 

*  Bei  Holw&n  Ass.  3,  1,  471.     Auch  in  der  Vita  des  Märüthft  erwähnt 

2» 


20  IX.  Abhudlnng:    Nöldeke. 

In  jener  Zeit  ragte  in  der  Kirche  hervor^  Jonadab  von 
^dllaijabh9'  der  wegen  seines  vertrauten  Umgangs  mit  Gk)tt 
und  seiner  Beliebtheit  beim  König  von  diesem  einen  Brief 
erhielt,  dass  er  tlber  das  ganze  Gebirge ,  darin  die  von  St 
MatthaeoB,  die  Irrlehrer  von  Mosul,^  wohnen,  Gewalt  haben 
solle.  Als  ihm  jedoch  der  König  sein  Begehren  erfüllt  hatte, 
dass  er  sie  vertreiben  nnd  in  alle  Winde  verjagen  dürfe,  liess 
die  Verschlagenheit  öabrieFs  das  nicht  zu.*  Als  Schriftsteller 
war  Bar^adhbSabbd,  von  5olwÄn  *  berühmt.  Durch  vorzüglichen 
Lebenswandel  zeichneten  sich  aus  bubhhälmiran  von  Karchi 
dbhSth  Slöch,«  Afrah&t  (?)  von  den  ZÄbh'  und  Gabriel  von 
Nhar  Göl,®  ein  grosser  und  wunderthätiger  Mann. 

Darauf  veranlasste^  Gabriel  den  König  (zu  dem  Befehl), 
dass  wir  (Nestorianer)  zu  einer  Disputation  mit  seinen  Partei- 


*  Der  Plural  oom  ^^^  kommt  wahrscheinlich  daher,  daas  dem  Verfasser 
schon  die  andern  Namen  (äubh^ftlm&ran  u.  s.  w.)  im  Sinne  lagen. 

'  Seine  Unterschrift  bei  der  Synode  von  606  ZDMG.  43,  406.  Vgl.  Ass. 
3,  1,  90*.  472*. 

^  Schade,  dass  man  nicht  weiss,  ob  der  Name  Maufü  schon  in  der  ältesten 
Quelle  stand  oder  ob  ihn  erst  der  wenigstens  zwei  Generationen  später 
schreibende  Redactor  eingesetzt  hat  Auf  alle  Fälle  ist  es  eine  der 
ältesten  Erwähnungen  dieser  Stadt.  —  Das  Matthaeuskloster  war  yon 
Alters  her  bis  in  die  neuere  Zeit  die  feste  Burg  der  Monophysiten  inner- 
halb eines  überwiegend  andersgläubigen  Landes. 

^  Christliche  Bruderliebe! 

*  Auf  jener  Synode  ZDMG.  48,  406. 

^  Der  Ort  wird  viel  erwähnt;  manchmal  bloss  Karehd  oder  ,Karcli&  in 
Garamaea*.  Heute  Kerkük,  ziemlich  genau  nördlich  von  Baghdäd,  etwas 
nördlich  von  T&üq  (s.  oben  S.  7,  Anm.  5).  —  Der  Mann  Aas.  3,  1,  189; 
Hoffmann  107  f.  116.  121. 

'  Ich  glaube,  man  darf  ^c*^)  für  QJoif^)  herstellen.  Der  Name  findet 
sich  ausser  bei  dem  bekannten  Schriftsteller  noch  bei  anderen  Bischöfen 
ZDMG.  43,  396,  15.  398,  14  •=  401,  6.  Gemeint  sind  die  südlichen 
Zäbhflüsse  oder  Canäle  im  untern  Babylonien.  Oft  als  DiOcese  genannt 
(s.  z.  B.  ZDMG.  43,  410).  Die  Araber  sprechen  nur  von  zwei  Z&b,  aber 
die  Plural  form  ^\ai)\  weist  auf  mehr,  und  bei  M&rl  69,  2  wird  ,der 
mittlere  Zäbhä'  erwähnt,  also  gab  es  wohl  drei. 

*  Die  Formen  Nhar  CHir  und  Nhar  €HU  wechseln  wie  in  unserer  Chronik 
so  in  den  Unterschriften  der  Synoden  ZDMG.  43,  412.  Jäqüt  meint, 
j^^.  y^  liege  zwischen  Mais&n  und  Ahwftz,  also  im  Gebiete  des  untersten 
Tigris.  ~  Der  Mann  auf  der  genannten  Synode  ZDMG.  43,  406. 

'  Ich  übersetze  nach  Hoffmann^s  Verbesserung  V*])  (16,  14).  Das  ?  vor 
y^  (1.  15)  ist  wohl  zu  tilgen. 


Die  TOD  Gaidi  heraas|re|pebene  syrische  Chronik.  21 

genossen  konunen  sollten.  Da  nun  kein  Katholikos  in  der 
Barche  vorhanden  war,^  so  kamen  freiwillig  znr  Disputation 
Jonadaby  Metropolit  von  ^dhaijabhy  Subhh4lm4ran  von  Karchä 
dhbSth  Slöchy  Georgios  vom  Berg  Izalä,'  sowie  der  Bischof 
von  Nhar  Gül  und  Sergios  aus  KaSkar  von  Tel  Pal?tÄr^,'  und 
disputierten  am  Hofe  des  Königs.  Gabriel  und  seine  Partei- 
genossen wurden  tiberwunden,  und  unsre  Rechtgläubigen  17 
siegten.*  Der  König  machte  deshalb  dem  Gabriel  Vorwürfe 
und  hiess  ihn  diese  Belästigung  aufgeben,  aber  er  folgte  nicht 
und  stiess  bittre  Schmähungen  gegen  die  Rechtgläubigen  aus. 
Auch  klagte  er  den  Georgios  von  Izala  beim  König  an,  dass 
er  das  Den*  des  Magierthums  verlassen  habe,  ein  Christ  ge- 
worden sei  und  Hormizd  und  Kewän*  schmähe.  Da  liess  der 
König  diesen  fiir  ein  Jahr'  einsperren,  und  dann  kreuzigte 
er    ihn    in    BehardaSir    mitten    auf   dem    Häckselmarkt.^     Die 


^  Der  hätte  befehlen  können,  wer  erscheinen  solle. 

'  lieber  ihn  gleich  mehr,  lieber  das  tzalft-Gebirge  im  östlichen  Mesopo- 
tamien 8.  besonders  Hoffmann  167  ff. 

'  Der  Ort  liegt  nahe  beim  späteren  W&sit;  arabisch  Td  Faehehdr  J&q.  1,  604. 
2,  456,  8.  S.  de  Goeje  ZDMG.  30,  3. 

^  Gabriel  mag  wirklich  in  so  fem  eine  Niederlage  erlitten  haben,  als  es  ihm 
nicht  gelang,  die  Wahl  eines  zur  Vermittlung  geeigneten  Mannes  zum 
Katholikos  zu  veranlassen.  Denn  er  hatte  vom  KOnig  Vollmacht  ,sich 
eine  ihm  bequeme  Person  auszusuchen  und  zum  Katholikos  zu  machen* 
(Hoffmann  104  unten;  so  ist  da  zu  übersetzen). 

'  Persisch,  =  Religion,  Glaube.  So  nicht  ganz  selten  in  den  Märtyrer- 
acten,  bald  ^?,  bald  ^)?  geschrieben.  Letztere  Schreibweise  fUhrt 
darauf,  dass  damals  noch  din  gesprochen  ward,  während  schon  das  älteste 
Neupersisch  cRn  hat. 

*  Hormizd,  der  höchste  persische  Gott,  wird  hier,  gewiss  nicht  im  Sinne 
der  wirklichen  Ankläger,  in  seiner  Bedeutung  als  Herr  des  Planeten 
Jupiter  genommen  und  so  mit  Kdw&n  d.  i.  Saturn  verbunden. 

^  Also  ist  bei  Hoffmann  n.  999  für  das  von  modemer  Hand  gesetzte  ^Äl^ 
,Jahre*  zu  lesen  rr^^r^  ,Monate*,  worauf  auch  das  männliche  t^^V)^ 
hinweist.  Für  das  eine  Jahr  hat  die  Biographie  demnach  genauer  15 
(7  +  18)  Monate. 

•  BehardaÜr  ist  Seleukia  (Tab.-Uebers.  16  und  sonst).  —  Für  V^-^?  ^o-^ 

steht  Hoffmann  n.  1000  V^OC'^?   X^o^.     Hoffmann  spricht  jetzt  X^^^L 

und  jenes   f^^,  also  ,Häckselverkäufer'.  Vielleicht  ist  so  ^^^Ls^\  ^ 

Agh&ni  12,  176,  8  v.  u.  zu  verstehn  ,unter  den  Häcksel  Verkäufern*  d.  h. 
^uf  dem  Markt  der  Häckselverkäufer*  (natürlich  stände  in  Prosa  der 
plur.  sanus  ^^^Cjc3\). 


22  IX.  AbhaQdlang:    Nöldeke. 

Gläubigen  raubten  aber  seine  Leiche  und  setzten  sie  in  der 
Kirche  des  heil.  Sergios  in  Mabhrachthä  bei.^ 

Damals  war  Jezdin  von  Karchä  in  Garamaea'  in  der 
Residenz  angesehn.  Dieser  war  ein  Fürsprecher  der  Barche 
wie  Constantin  und  Theodosios  und  erbaute  in  der  ganzen  Welt 
Kirchen  und  Klöster  als  Abbild  des  himmlischen  Jerusalem's. 
Und  wie  Joseph  in  Pharao's  Augen,  ja  noch  mehr,  so  war  er 
bei  Chosrau  beliebt.  Deshalb  war  er  in  beiden  Reichen,  dem 
persischen  und  dem  römischen,  berühmt.  Man  sagt  aber,  dass 
Jezdin  dem  König  jeden  Morgen  1000  Goldstücke  gesandt  habe.' 

In  jener  Zeit  ragte  durch  tugendhaften  Lebenswandel 
Mär  B4bhai  von  Izala*  hervor,  der  als  Nachfolger  des  Rab- 
bani Mär  Abraham  von  Kaäkar^  jenes  Kloster^  in  guten 
Stand  setzte.  Viele  arbeitsame  Brüder  sind  aus  jenem  Kloster 
hervorgegangen;  ich  meine  Mär  Jakob,  der  das  Kloster 
18  Bßth  'Äbhe,®  Mär  Elias,  der  ein  Kloster  am  Tigris  bei 
^esnä  'Ebhräjä  erbaut  hat,*  und  Mär  Bäbhai,  den  Sohn  der  Nisi- 


^  Das  hier  Gegebne  stimmt  durchweg  mit  der  genauen  Lebensbeschreibang 
Georges  von  seinem  Schreiber  Bäbhai  (Hoffmann  91  ff.)  überein.  Die 
Hinrichtung  fand  statt  am  14.  Januar  615.  —  Mabhrachth&y  wo  er  be- 
graben ist,  lag  dicht  bei  M&^6zd,  s.  Neubauer,  Geogr.  des  Talm.  857  f. 
(Erubhin  47  ^  61»»). 
'  D.  i.  das  oben  S.  20  besprochene  Karchd  dbhith  Sloeh, 
'  S.  was  ich  Tab.-Uebers.  383  f.  über  den  Generalpächter  Jezdin  und  seine 
Familie  gesagt  habe.  Das  Geld,  welches  er  dem  König  abliefert,  sind 
eben  die  Steuereinnahmen. 

*  ,Unser  Meister*,  ein  namentlich  Aebten  g^egebener  Titel. 

^  Der  schon  oben  S.  19,  Anm.  5  und  als  Biograph  Georg's  Anm.  1  Genannte. 
S.  über  ihn  Ass.  3,  1,  88  ff.;  Hoffmann  173. 

*  Ueber  ihn  s.  Ass.  3,  1,  93  f.;  Hoffmann  101.  172.  Beachte,  dajBs  er  auch 
hier  als  Mann  aus  Kaäkar  bezeichnet  wird.  Vgl.  noch  Wright,  Catal.  187*. 

^  Ueber  das  von  diesem  Abraham  gegründete  Kloster  auf  dem  izalft  s.  be- 
sonders Hoffmann  167  ff.  und  vgl.  Socin's  Karte  ZDMG.  35,  237  (etwas 
ONO  von  Nisibis). 

"  Ueber  diesen  Jakob  und  das  berühmte  Kloster  Beth  A*bhd  s.  Ass.  3,  1,  90. 
458  etc.  Die  Lage  (im  eigentlichen  Assyrien,  nicht  weit  vom  grossen 
Z&b)  bestimmt  von  Hoffmann  226.     Vgl.  auch  Wright,  Catal.  187^. 

9  So  V*f^^  (18,  1)  nach  Ass.  3,  1,  207  >>  (Thomas  von  Margft)  zu  lesen, 
auf  welche  Stelle  Guidi  hinweist.  Er  g^ebt  auch  die  Lage  des  noch 
heute  Mdr  Elija  genannten  Klosters  unmittelbar  bei  Mosul  an.    Für  das 

,hebräische  Schloss'    erinnert  Hoffmann  an   >y.^0^\  JÜLS^    innerhalb  der 
Stelle  der  späteren  Grossstadt  Mosul  BeUdhori  332. 


Die  TOD  Oaidi  herausgegebene  syrische  Chronik.  23 

bener.^  Dieser  Selige*  also  verliess  alles,  was  er  besass,  und  be- 
gab sich  hinauf,  um  im  Kloster  des  Mdr  Abraham  als  Einsiedler 
zu  leben.  Zuletzt  ging  er  von  da  fort  und  erbaute  gleichfalls  ein 
Erlöster,  und  zwar  in  der  Nachbarschaft  eben  jenes  Klosters;  da 
begab  sich  die  Mehrzahl  der  Brüder  zu  ihm.  Und  obschon  er  zu 
den  Angesehnen  der  Welt  gehörte,  so  zog  er  es  doch  vor,  die 
harten  Werke  der  Askese  zu  üben.  Sein  Wandel  aber  geht 
über  alle  Worte.  Als  Jezdin  von  ihm  hörte,  kam  er,  ihn  zu 
sehn.  Nachdem  er  ihn  nun  in  all  seiner  Entsagung  und  bei 
todtem  Leibe  erblickt  hatte,  indem  er  aufrecht  stehn  blieb, 
entliess  ihn  der  Heilige.'  Nach  einiger  Zeit  brachte  ihm 
Jezdin  dann  ein  goldnes  Kreuz,  worein  viele  Rubinen  und 
Smaragden  von  hohem  Werth  eingelassen  waren  und  in  dessen 
Mitte  sich  ein  Stück  vom  Holz  des  Kreuzes  unsers  Herrn, 
des  Erlösers,  befand,*  sowie  noch  andre  Sachen  zur  Aus- 
schmückung seines  E^osters.  Aber  der  Zank  liebende  Satan 
erregte  viel  Zwist  und  grossen  Streit  zwischen  diesen  beiden 
festen  Thürmen  der  Gottesfurcht^  und  ruhte  und  rastete  nicht 
bis  zur  Vollendung  ihres  Lebenskampfes.  Die  Anhänger  des 
grossen  Mär  Bäbhai  liessen  keinen  in  ihr  Kloster  ein,  bevor 
er  den  trefflichen  Mär  Bäbhai  von  Nisibis  verdammte,  indem 
sie  ihn  ,den  kleinen'  Mär  Bäbhai  nannten.  Dies  berühren  wir  19 
nur  kurz,   weil  (sonst)  ihr  Wandel  heller  und  strahlender  als 


>  Ein  B&bhai  ,Sohii  der  Nisibener'  (d.  h.  dessen  Eltern  ans  Nisibis  waren), 
blühte  im  Anfang  des  8.  Jahrhunderts  (Abs.  3,  1,  177  ff.) •  Wäre  er  ge- 
meint, so  müsste  die  Stelle  ein  späteres  Einschiebsel  sein.  Gewiss  haben 
aber  Qoidi  und  Hoffmann  Recht,  wenn  sie  ihn  fUr  einen  Andern  halten. 
Hoffmann  erkennt  in  ihm  den  gleich  unten  erwähnten  «kleinen  BftbhaiS 
der  ja  da  zweimal  1**^^^  ,der  Nisibener*  heisst  Ob  nun  hier  einem 
Abschreiber  statt  des  einfachen  ,der  Nisibener*  durch  falsche  Beminiscenz 
an  den  Andern,  der  den  Spätem  besser  bekannt  war,  ,Sohn  der  Nisi- 
bener*  ins  Rohr  gekommen  ist  oder  ob  der  Andre  sich  nach  dem 
Ersteren  benannt  hat,  steht  dahin. 

*  B&bhai  von  tzalft. 

*  Fttr  das  zweite  ?  ^«n  (1.  9)  machte  ich  einfach  (t^)^,  für  das  dritte  (1.  11) 
(9fibö)   ^f^o%  lesen. 

*  Wie  Guidi  (S.  20)  bemerkt,  von  dem  Kreuz,  das  die  Perser  in  Jerusalem 
erbeutet  hatten,  s.  unten  S.  24  f. 

^  Den  beiden  B&bhai. 


24  IX.  Abhandlang:    Nöldeke. 

die  Sonne  ist  und  viele  Schriften  von  ihnen  bezeugen,  dass  sie 
den  rechten,  reinen  Glauben  hatten.  Der  grosse  Mar  B4bhai 
hat  viele  Schriften,  Disputationen  und  Auslegungen  verfasst,  und 
auch  der  heilige  Mär  B&bhai  von  Nisibis  hat  mehrere  Bücher 
über  das  Leben  der  Einsiedler  geschrieben,  die  beim  Hörer 
grosse  Bewunderung  erwecken,  nebst  metrischen  Reden  über  die 
Busse.* 

Darauf*  zog  Chosrau  Truppen  zusammen  und  drang  ins 
römische  Gebiet  ein.  Er  stellte  zwei  Feldherm  an  und  sandte 
sie  nach  dem  Westen.  Sie  nahmen  Mardö,  Amid,  MaifarqSt 
und  Edessa,  schlugen  Brücken  über  den  Euphrat  und  passierten 
ihn  gegenüber  Mabbog.^  Aber  einer  von  diesen  Feldherm  mit 
Namen  Sahrbaräz^  rückte  rasch  gegen  Jerusalem.  Als  sie 
seiner  dringenden  Aufforderung,  ihm  die  Thore  zu  öffnen,  nicht 
nachkamen,  griff  er  die  Stadt  an,  baute  Belagerungswälle  gegen 
sie,  legte  Breschen  in  die  Mauer  und  drang  ein.  Den  Bischof^ 
und  die  Häupter  der  Stadt  nahm  er  fest  und  folterte  sie  wegen 
des  Kreuzholzes  und  der  Geräthe  im  Schatzhause.  Und  da 
20  die  göttUche  Kraft  die  Römer  vor  den  Persem  niederwarf,  weil 
sie  das  unschuldige  Blut  des  Kaisers  Maurikios  und  seiner 
Kinder  vergossen  hatten,  so  Uess  Gott  keine  verborgene  Stelle 
übrig,  die  man  ihnen  nicht  gezeigt  hätte.  So  wies  man  ihm 
auch  das  Kreuzholz,  das  in  einem  Krautgarten  verbeißen  lag.^ 
Sie  machten  nun  viele  Kisten  und  sandten  es  nebst  zahlreichen 


^  Vom  grossen  Mftr  Bftbhai  werden  im  Gottesdienst  einige  Hymnen  ge- 
braucht; ebenso  von  ,Mftr  Bftbhai  dem  Sohn  der  Nisibener*;  das  ist  aber 
wohl  der  jüngere;  s.  die  Cataloge  von  Rosen-Forshall  14;  Wright  131. 
136;  Zotenberg  9. 

2  Mit  diesem  Worte  knüpft  die  Erzählung  wieder  an  das  oben  S.  17  Ge- 
sagte an. 

'  Die  hier  genannten  Städte  sind  allgemein  bekannt.  Ma^farqH,  arab. 
MaijäfäHqvn  =  MartyropoUs;  Mabbog,  arab.  Manbiff  =  ffierapolis. 

*  Eine  von  Guidi  hierzu  angeführte  Stelle  aus  dem  Urtext  des  Michael 
Syrus  stellt  fest,  dass  Sahrharäz  ein  Ehrenname  des  früher  Romisdn  (oder 
ähnlich)  genannten  Feldherm  ist  (s.  Tab.-Uebers  290,  Anm.  3).  Dam 
die  Sache  grade  so  zugegangen,  wie  sie  Michael  erzählt,  braucht  man 
natürlich  noch  nicht  zu  glauben. 

^  D.  i.  den  Patriarchen  Zacharias. 

«  Ganz  wie  Tab.-Uebers.  291. 


Die  Ton  Guidi  herausgeg;ebene  syrische  Chronik.  2Ö 

Geräthen  und  kostbaren  Sachen  an  Chosran.  Als  sie  so  zu 
Jezdin  kamen,  veranstaltete  er  ein  grosses  Fest,  nahrnj  sich  mit 
Erlaubniss  des  Königs  einen  Theil  von  dem  Elreuz  und  sandte 
es  dann  an  den  König.  Dieser  legte  es  in  Ehren  mit  den 
heiligen  Geräthen  in  das  neue  Schatzhaus,  das  er  in  Ktesiphon 
erbaut  hatte.  ^ 

Darauf  griffen  die  persischen  Truppen  das  von  Mauern 
umragte,  vom  Wasser  des  Nils  umgebene  und  mit  starken 
Thoren  versehne  Alexandria  an,  das  Alexander  nach  den  Rath- 
schlägen  seines  Lehrers  Aristoteles  erbaut  hatte.  Nachdem  sie 
es  schon  einige  Zeit  belagert  hatten,  ohne  es  einnehmen  zu 
können,  kam  ein  Mann  Namens  Petrus  zu  ihnen,  der  in  seiner 
Jugend  aus  dem  Lande  Qafar^  nach  Alexandria  gekommen 
war,  um  Philosophie  zu  studieren,  und  sagte  dem  persischen 
Feldherm,  er  wolle  ihm  die  Stadt  tiberliefern.  Dieser  Petrus 
hatte  nämlich  eines  Tages  im  Archiv  der  Stadt  am  Schluss 
eines  Buches  folgendes  gefunden:  ,wenn  sich  tiber  Alexandria 
vom  Westthor  her,  das  nach  der  See  zu  Uegt,  Drangsal  erhebt, 
wird  die  Stadt  eingenommen.'  Die  Perser  machten  sich  also  fertig, 
nahmen  kleine  Fischerboote,  stiegen  hinein,  mischten  sich  in 
aller  Frühe,  während  es  noch  finster  war,  mit  Fischerhtiten' 
angethan,  imter  die  Fischer,  drangen  so  in  die  Stadt,  tödteten  21 
die  Thorwächter,  öffiieten  ihren  Genossen  die  Thore  und  riefen 
auf  der  Mauer  Chosrau's  Sieg  aus.  Alle  Leute  ergriff  da 
Furcht.  Dazu  fasste  der  Wind  viele  Schiffe,  in  die  man  die 
Schätze   der  Barche   imd  der  Grossen   geborgen  hatte,   um  sie 


*  ,Damit  scheint  gemeint  zu  sein  der  olxoc  tou  ox($tou(  Sv  ocM^  c5x^pü>a6v  ix 
vlou  xi{aa5  ilq  cotdÖEaiv  xpr^[iJtxtt}^  Theophanes  271  D*  (Guidi)  =  602  Bonn, 
und,  fttge  ich  hinzu,  rb  viov  xaotiXXtov  xh  XTia6^  nap*  aOtou  hd  napoOvjx^ 
TbW  lutp*  aOtou  ouvo^BivTcov  )(^pY)(jLiTb>v  Chron.  Pasch.  728. 

'  Die  Halbinsel  Baf^'ain.  Qatar  umfasst  aber  bei  diesen  Syrern  alle  Länder 
des  nordöstlichen  Arabiens,  wo  damals  viele  nestorianische  Christen 
wohnten.    S.  unten  S.  47  Anm.  2. 

'  Nor  sehr  zweifelnd  übersetze  ich  so,  indem  ich  ]1^^  dem  talmudischen 
113*^*  luara  gleichstelle  (das  übrigens  wohl  kaum  mit  Sigm.  Fraenkel  in 
Knhn*s  Literaturblatt  1,  416  aus  pers.  ^LoLa)  zu  erklären  ist).  Be- 
denklich ist  mir  dabei  die  Präp.  /O^.  Aber  der  dreimalige  Gebrauch 
dieses  WOrtchens  in  dem  kurzen  Satz  erregt  überhaupt  Verdacht  gegen 
die  Unversehrtheit  des  Textes. 


26  IX.  Abhandlung:    Nöldeke. 

zur  See  zu  flüchten,  und  trieb  sie  ans  persische  Lager.  ^  Diese 
Schätze  sandte  man  mit  den  Schlüsseln  der  Stadt  an  Chosrau 
ab.  Als  aber  der  Bote  mit  den  Schlüsseln  zu  Jezdin  kam, 
machte  er  noch  in  derselben  Nacht  goldene  Schlüssel  statt  ihrer 
und  schickte  diese  dem  König,  um  sich  bei  ihm  noch  beliebter 
zu  machen.  Nachdem  nun  Jerusalem  eingenommen  war,  legten 
unsre  Feinde,  die  Juden,  an  alle  dortigen  Kirchen  Feuer.  Bei 
dieser  Feuersbrunst  ging  auch  die  Auferstehungskirche*  zu 
Grunde,  die  von  Constantin  und  Helena  erbaut  und  mit  un- 
schätzbarem Marmor-  und  Mosaikwerk*  geziert  worden  war.* 
Die  Söhne  der  Kreuziger  begaben  sich  auch  zum  persischen 
Feldherrn  und  sprachen:  ,alles,  was  Jerusalem  an  Gold,  Silber 
und  sonstigen  Schätzen  enthält,  liegt  unter  dem  Grabe  Jesu.' 
Das  thaten  sie  arglistig,  um  die  Stelle  des  Grabes  zu  verderben. 
Als  er  ihnen  dann  Erlaubniss  gegeben  und  sie  ungefähr  drei 
Ellen  tief  rings  herum  gegraben  hatten,  fanden  sie  einen  Sarko- 
phag mit  der  Aufschrift:  ,dies  ist  der  Sarkophag  des  Baths- 
herrn  Joseph,  der  dem  Leichnam  Jesu  ein  Grab  gegeben  hat.' 
Da  der  Feldherr  aber  die  arglistige  Absicht  der  Juden  erfiihr, 
jagte  er  sie  schmählich  fort.  Und  als  Jezdin  die  Sache  ver- 
nahm, und  sie  dem  König  anzeigte,  befahl  dieser,  die  Habe  der 
Juden  einzuziehn  und  sie  zu  kreuzigen.  Joseph  hatte  vor 
seinem  Tode  bestimmt,  dass  seine  Leiche  neben  dem  Grabe  des 


'  Da  haben  wir  endlich  die  wahre  Erklärung  des  ,vom  Wind  herbei  ge- 
führten Schatzes*  in  den  arabisch-persischen  Quellen  Tab.-Uebers.  378. 
Mit  Recht  nennt  also  Ihn  Qotaiba  hier  Alexandria. 

*  Hoffmann's  Verbesserung  JIäaoi  für  pQ^oi  ist  evident 

*  Ob  ich  ]m3Lo  ,Würfel*  hier  richtig  als  »Mosaik*  gefasst  habe,  ist  mir  nicht 
ganz  sicher. 

*  Dass  die  palästinischen  Juden  die  Gelegenheit  der  persischen  Eroberung 
benutzt  haben  werden  Jahrhundertlange  Misshandlung  empfindlich  zu  rächeiif 
ist  recht  wahrscheinlich.  Heraklios  vergalt  ihnen  das  nachher  siebenfach. 
Wie  weit  aber  das  Einzelne  hier  und  bei  Eutych.  2,  213.  221  f.;  Theophanes 
251 C  richtig  ist,  können  wir  nicht  beurtheilen.  Orientalische  Bhvählungen, 
bei  denen  der  Religionshass  mitspricht,  müssen  wir  noch  viel  vorsichtiger 
aufnehmen,  als  es  bei  solchen  occidentalischen  nöthig  ist.  Entych.  2,  218 
schreibt  die  Zerstörung  der  Constantinischen  und  anderer  Kirchen  schlecht- 
hin dem  persischen  Feldherrn  zu.  Vielleicht  haben  auch  hier  Feuert* 
brünste,  die  ohne  bestimmten  Plan  entstanden  sind,  das  Meiste  gethan. 
Vgl.  Chrou.  Pasch.  704. 


Die  Ton  Oaidi  herausgegebene  syrische  Chronik.  27 

Herrn  beigesetzt  werde.    Alsdann  verlangte  Jezdin  vom  Könige  22 
Erlanbniss,   die  Eorehen  in  Jerusalem  wieder  aufzubauen.     Da 
schickte  er  viel  Geld  und  erneuerte  sie  in  allem  Glanz.    Auch 
erbaute  er  aller  Orten  Kirchen  und  Klöster.^ 

Der  persische  Feldherr  hörte  aber  auch^  dass  die  Kirche 
des  heil.  Georg  in  Lydda*  viele  Reichthümer  enthalte;  daher 
schickte  er  eine  Menge  seiner  Soldaten  hin,  allein  sie  ver- 
mochten nicht  einzudringen,  da  sie  von  einer  göttUchen  Kraft 
zurückgehalten  wurden.  Zuletzt  ging  er  selbst  in  grossem 
Zorne  hin.  An  die  Pforte  der  Kirche  gelangt,  spornte  er  sein 
Ross  an,  um  frevelhafterweise  einzutreten,  aber  da  klebten  des 
Rosses  Ftisse  am  Boden  fest,  so  dass  es  weder  vor-  noch  rück- 
wärts gehn  konnte.'  So  zeigte  ihm  Gott,  dass,  wenn  er  ihn 
auch  in  Jerusalem  hatte  eindringen  lassen,  seine  Kraft  doch 
nicht  schwach  geworden  sei,  sondern  dass  er  nur  die  Römer 
hatte  züchtigen  wollen,  die  da  behaupteten,  Chosrau  könne  sich 
Jerusalem's  nicht  bemächtigen.  Da  gelobte  er,  wenn  er  frei 
werde,  ein  silbernes  Geräth  in  Gestalt  der  Kirche  des  heil. 
Georg's  zu  machen,  und  das  ftlhrte  er  auch  aus.  Das  wunder- 
volle Geräth  hängt  noch  jetzt  in  jener  Kirche.* 


1 


Weil  Jezdib  hier  genannt  ist,  darf  man  wohl  annehmen,  dass  an  der 
Sache  etwas  ist.  Der  KOnig  mag  auf  Jezdin's  Zureden  wirklich  einige 
Jaden,  welche  christliche  Heilig^hümer  verletzt  hatten,  hahen  hinrichten 
lassen  und  wird  ihm  erlaubt  haben,  einige  Kirchen  wiederherzustellen. 

Ueber  den  Cultus  des  heil.  Georg  in  Lydda  (Diospolis)  vgl.  unter  anderem 
Gutschmid,  Kleine  Schriften  3,  184.  Mit  der  Legende  des  Heiligen  hängt 
wohl  irgend  der  Glaube  zusammen,  dass  Jesus  an  der  Pforte  der  grossen 
Kirche  dort  (eben  der  Georgskirche)  den  Antichrist  tödten  werde  Maq- 
disi  176  etc.  Das  Fest  St.  Georg's  in  Lydda  erwähnt  ein  Dichter  aus 
der  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  Ibn  Chord.  (de  Goeje)  79,  6;  Agh.  6,  46  ult; 
Jaq.  4,  354  (der  Dichter  hat  ohne  Zweifel  .-^«^  .«^  i5%^  g^s^^  Ab^f 
vielleicht  hat  schon  der  Verfasser  der  Agh&ni  ^^«^  .  y«  gelesen).  —  Vgl. 
noch  Ibn  Faqth  117;  Socin-Baedeker,  Palästina  und  Syrien',  16. 

Ein  ganz  ähnliches  Wunder  begab  sich  etwa  sieben  Jahre  später  mit 
dem  Verfolger  Muhammed's  Suräqa  Ibn  HiSäm  331  f.  und  Buchärt  (die 
Stelle  Krehl  3,  39  im  Cap.  Mandqib  al-anfdr,  mir  von  Goldziher  nach- 
gewiesen). Ibn  Hagar,  I^ftba  2,  135  hat  gar  zwei  Verse,  worin  Surftqa 
dies  Wunder  selbst  bezeug^! 

Der  persische  Feldherr  mag  wirklich  der  Georgskirche  eine  Dedicatiou 
gemacht  haben,  vielleicht  um  den  Zorn  des  mächtigen  Heiligen  Über 


28  IX.  Abhandlung:    NAldeke. 

Später  sammelte  aber  Kaiser  Heraklios  viele  Truppen  und 
zog  wider  Chosrau  hinab,  als  er  in  Königs-Dasqarta^  sass;  da 
gerieth  dieser  vor  ihm  in  Angst  und  empfand  grosse  Furcht 
Heraklios  war  in  die  Nordländer  gezogen  und  hatte  da  überall 
grosse  Verwüstung  und  Menschenraub  verbreitet.  Als  er  Das- 
qartä  nahe  kam,  floh  Chosrau  vor  ihm  und  ging  nach  MabdzS. 
Wie  man  erzählt,  hörte  er,  als  er  aus  Dasqartä  entfliehn  wollte, 
23  den  Schall  einer  Kirchenklapper;*  da  gerieth  er  in  Angst,  schlug 
sich  auf  den  Rücken  und  bekam  Durchfall.^  Auf  Sirin's 
Worte:  ,ftlrchte  dich  nicht,  o  Gott'*  erwiderte  er:  ,wie  bin 
ich  wohl  ein  Gott,  da  ich  ja  von  einem  einzigen  Priester  ver- 
folgt werde?'  Das  sagte  er  aber,  weil  er  gehört  hatte,  dass 
Heraklios  die  Priesterweihe  erlangt  habe,  während  er  ge- 
schworen hatte,  wenn  er  siege,  in  seinem  ganzen  Gebiete  keine 
Kirche  und  keine  Kirchenklapper  zu  lassen.*  Furcht  und 
Schrecken  erfasste  ihn  aber  deshalb  über  den  Schall  der 
Klapper,  weil  er  meinte,  die  Römer  seien's,  die  eine  Ellapper  mit 
sich  führten  und  schon  Dasqartä  erreicht  hätten.^  Da  nahm  Hera- 
klios den  ganzen  Schatz  des  Reichs,  durchzog  mit  Menschen- 
raub und  Plünderung  viele  Länder  und  kehrte  darauf  zurück. 


irgend  eine  Unbill  zu  besänftigen.  Hatte  doch  auch  sein  KOnig  einst 
den  heil.  Sergios  reich  beschenkt.  So  consequent  waren  die  Leute  nicht 
in  ihrer  Religion,  um  nicht  auch  christlichem  Volksglauben  zugänglich 
zu  sein. 

Lieblingsaufenthalt  dieses  Königs,  heutzutage  Eski-Baghd&d  ,Alt-Baghd&d'; 
8.  Tab.-Uebers.  296  f. 

Das  Geräth,  welches  die  Christen  im  Orient  zur  Kirche  ruft,  wie  bei 
uns  die  Glocke. 

Die  Su(EvTep{a  ebenso  bei  Theophanes  (Bonn)  499  aus  dem  Bericht  des 
Heraklios.  —  Auch  hier  wird  die  Schmach  der  feigen  Flucht  betont 
lieber  die  Bezeichnung  des  S&s&nidenkönigs  als  ,Gotf  s.  Tab.-Uebers.  45S, 
Anm.  4;  vgl.  noch  Aphraates  339.  Dass  grade  der  Sirln  dieser  heid- 
nische Ausdruck  in  den  Mund  gelegt  wird,  geschieht  wohl  mit  Rücksicht 
darauf,  dass  sie  ihre  Hand  von  den  Nestorianem  abgezogen  hatte. 
Dieser  Schwur  ist  natürlich  eben  so  wenig  historisch  wie  das  Priesterthum 
des  Kaisers.  Hätte  Chosrau  das  Christenthum  systematisch  unterdrücken 
wollen,  so  hätte  er  ja  Gelegenheit  genug  gehabt,  Kirchen  zu  zerstören. 
Hier  sind  wohl  zwei  verschiedene  Motive  vermengt.  Der  Ton  der 
Klapper  erschreckt  ihn  als  christliches  Zeichen,  als  Hinweis  auf  den 
Sieg  des  Priesterkaisers.  Dass  er  flieht,  weil  er  die  ROmer  in  unmittel- 
barer Nähe  wähnt,  bt  ein  anderer  Zug. 


Di«  Ton  Ooidi  heniMgefebeiM  ■jrUche  Chronik.  29 

Alsdann  empörten  sich  die  meisten  Trappen  wider  Chosrau, 
und  Samt&,'  Sohn  Jezdin's,  und  Nehonnizd>  erhoben  sich, 
machten  Chosraa's  Sohn  Seroi  zum  König  und  sammelten  bei 
ihm  viele  Trappen.  Als  Chosraa  das  hörte ,  erfassten  ihn 
Krämpfe  and  kamen  Todeswehen  über  ihn^  er  gab  bei  Nacht 
sein  Königthom  aaf  and  floh  mit  zwei  kleinen  Knaben  von 
seinem  Gesinde,  die  sich  za  ihm  hielten.  Sie  flohen  and  ver- 
bargen sich  in  dem  königlichen  Garten.  Da  er  nan  aber  sah, 
dass  die  Trappen  ihn  eingeholt  hatten,  weinten  er  and  die 
Knaben  einander  ins  Gesicht.  Er  legte  die  Hand  aaf  einen 
Zaon,  am  aaf  die  andere  Seite  za  gelangen  and  za  entfliehen, 
aber  aas  Farcht  vermochte  er  nicht  dariiberzasetzen.  Man  er- 
griff ihn  also  and  brachte  ihn  gefangen  ins  Haas  eines  Mannes 
Namens  Mihraspend.'  Man  gab  ihm  nar  so  viel  Brot,  am  eben 
sein  Leben  za  fristen.^  Daraaf  forderten  Samt4  and  NShormizd 
vom  König  Seroi,  dem  Sohne  Chosraa's,  die  Erlaabniss,  diesen 
za  tödten,  and  nachdem  er  eingewilligt  hatte,  traten  sie  za  ihm  24 
an  den  Ort  ein,  wo  er  gefangen  sass.  Samtä  hob  das  Schwert 
aaf,  ihn  damit  za  treffen;  da  ihm  jedoch  Chosraa  entgegen 
weinte  and  sprach:  ,was  habe  ich  an  dir  gesündigt,  dass  da 
mich  tödten  willst?'  schlag  er  nicht  za.  Aber  Nßhormizd  gab 
ihm  mit  dem  Beil  einen  Schlag  aaf  die  eine  and  dann  aaf  die 
andre  Schalter.*    Sein  Sohn  Seroi  trag  Leid  am  ihn,  and  man 


*  Ueber  diesen  Mann  und  die  Stellang'  der  Christen  oder  Tielmehr  der 
Nestorianer  tu  diesen  Ereignissen  s.  Tab.-Uebers.  368,  wo  ich  aber 
leider  die  Stelle  des  Elias  von  Nisibis  (zu  Barh.  h.  eccl.  2,  121)  nicht  be- 
rficksichtigt  hatte.  Ueber  diese  ganzen  Ereignisse  eb.  356  ff  Merk- 
würdig, wie  gleichmissig  die  von  einander  ganz  nnabh&ngigen  Erz&hlnngen 
gewisse  Einzelheiten  haben;  so  den  Garten,  wo  der  KOnig  gefangen 
wird,  nnd  den  Namen  Mftraspend.  Unser  Bericht  g^ebt  aber  noch  neues 
Detail. 

*  Ans  Nhchormigd]  s.  Hoffmann  n.  530.  Dass  Ntidpdr  wirklich  ans  Nhjo 
Sahpnhr  entstanden  ist  (Tab.-Uebers.  59,  Anm.  3),  kann  ich  jetzt  aus 
der  Schreibung  «mxwi'J  in  dem  Pehlewl-Tractat  über  die  Städtegründungen 
beweisen,  von  \  dem  mir  West  gütigst  eine  Abschrift  und  Transscription 
geschenkt  hat. 

'  Die  Araber  und  Armenier,  gewiss  richtiger,  Märtupend  (Tab.-Uebers.  362). 
Der  Name  kommt  auch  unter  den  Mandäem  vor  vu^odikd  Qolasta  50,  20. 

*  So  Theoph.  502:  apxov  3ccvt)^p^  toOtco  StSovxfc  xal  GScop  iXifiay^tfvouv. 

*  Zu  ergänzen:  ,und  tOdtete  ihn  so*.  —  Dieser  Ndhormizd  ist  derselbe,  der 
in  der  persisch-arabischen  Ueberlieferung  Mihrhormizd  heisst     Die  Ge- 


30  IX-  Abhandlung:    Nöldeke. 

begrub  ihn  in  der  Grabstätte  der  Könige.^  Samtä  handelte  so, 
weil  Chosrau  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Jezdin  dessen  Haus 
ausgeraubt,  Jezdin's  Frau  aber  arg  gefoltert  hatte,*  und 
Nßhormizd,  weil  Chosrau  seinen  Vater  getödtet  hatte.  Chosrau, 
Sohn  des  Hormizd,  hatte  38  Jahre  regiert. 

In  den  Tagen  seines  Sohnes  Sßröi  war  Friede  und  Ruhe 
für  alle  Christen.  Die  Grossen  des  Königs  machten  aber  mit 
§amt4  einen  Anschlag  und  tödteten  alle  andern  Söhne  Chosrau's; 
darunter  auch  Merdanääh,  den  Sohn  der  Slrtn.'  Danach 
ward  Samtd,  beim  König  angeklagt,  dass  er  nach  der  Königs- 
würde trachte.  Er  liess  ihn  deshalb  holen  und  gefangen  setzen, 
und  da  er  entfloh ,  ging  man  ihm  nach  und  fand  ihn  im 
arabischen  l^ira.  Da  liess  ihm  der  König  die  rechte  Hand 
abhauen^  und  warf  ihn  ins  Gefängniss. 

In  der  Kirche  aber  wurde  Idd'jabh  von  Gdhälä  iJs  Haupt 
eingesetzt,^   der,   obgleich   er  in   seiner  Jugend   ein  Weib  ge- 


schichte  ist  da  romantisch  ausgeschmückt  and  poetisch  abg^mndet,  aber 
anter  anderem  stimmt  zu  unsrem  Syrer,  dass  er  den  Tod  seines  Vaten 
rächt  und  der  Sohn  eines  sehr  yomehmen  Mannes  ist;  hier  steht  er  ja 
mit  an  der  Spitze  der  Empörer.  Auch  der  kleine  Umstand,  dass  der  Tod 
durch  das  Beil  erfolgt,  findet  sich  an  beiden  Stellen.  Wenn  bei  Thomas 
von  Marg&  (Ass.  3,  1,  91^)  Sam^  selbst  den  König  tödtet,  so  ist  das  eine 
Abkürzung  der  Erzählung. 
Vgl.  Tab.-Uebers.  382. 

Damit  sie  die  verborgenen  Schätze  anzeige.  Ganz  entsprechend  der  Hab- 
gier dieses  Königs,  aber  auch  schon  ganz  die  Praxis  der  'Abb&siden! 
Dass  diese  Frau  §amt&^s  rechte  Mutter  war,  ist  kaum  anzunehmen,  denn 
das  wäre  wohl  gradezu  gesagt  Aber  durch  diese  Angabe  wird  sein  Auf- 
treten allerdings  besser  begrflndet  als  durch  das,  was  Thomas  angiebt 
Bei  Thomas  tödtet  Samt&  mit  seinen  Leuten  die  Brüder  Sör6rs  schon 
vorher.  —  Dass  der  Sturz  des  eben  noch  hoch  mächtigen  Königs  weit 
und  breit  tiefen  Eindruck  gemacht  hat,  sehen  wir  auch  aus  mehreren 
arabischen  Versen  z.  B.  ,als  den  Kisr&  seine  Söhne  (sie)  mit  Schwertern 
zertheilten  wie  man  Fleisch  zertheilt'  (Si)^&b  s.  v.  ^Jaof*).  Vgl.  Agh.  4, 
176,  4  V.  u.  188,  23;  Tab.  3,  907,  4  (und  öfter  citiert);  Agh.  3,  29,  7 
(Muzhir  1,  278  ist  eine  Fälschung). 

Die  er  gegen  seinen  König  erhoben  hatte.  Der,  welcher  diesen  getödtet 
hatte,  wird  wirklich  hingerichtet  worden  sein,  vrie  die  persisch-arabische 
Ueberlieferung  angiebt. 

Frühling  oder  Sommer  628.  Vgl.  Elias  Nis.  (zu  Barh.  h.  eocl.  2,  118). 
Unrichtig  hat  Barh.  1.  c.  seine  Einsetzung  626/6.  Ueber  diesen  Katholikos 
s.  Ass.  3,  1,  105  ff.  Gdhftl&  lag  nicht  sehr  weit  von  Mosol. 


Die  Ton  Onidi  kennsgegebMie  syrische  Chronik.  31 

nommen  hatte ,  durch  sie  sich  nicht  hatte  abhalten  lassen^  ^ 
sondern  als  Bischof  der  Stadt  Balad'  eingesetzt  worden  war; 
znletzt  ward  er  also  zum  Amt  des  Katholikos  erhöht.  Er  war 
mit  allen  Vorzügen  geschmückt. 

Als  Sdr6i  aber  beim  Eintritt  des  Sommers  nach  Sitte  der 
Könige  gen  Medien  aufbrach  ^^  überkam  ihn  Leibweh,  und  er 
starb  unterwegs  nach  einer  Kegierung  von  acht  Monaten. 

Darauf  machte  man  an  seiner  Statt  den  ArdaSir  zum 
König,  den  Sohn  Seröi's  und  der  Römerinn  Anzoi  (?),  obgleich  25 
er  noch  ein  kleiner  Knabe  war.  Doch  als  einer  von  den 
persischen  Feldherm,  der  sich  dem  Caesar  HerakUos  ange- 
schlossen hatte,  mit  Namen  Feruhän^,  hörte,  dass  der  Knabe 
Ardadir  König  geworden  sei,  setzte  er  römische  und  persische 
Truppen  in  Bereitschaft,  kam  nach  Mähoze,  besiegte  das 
persische  Heer,  drang  ein  und  tödtete  den  Ardaäir.  Den  Samtä 
aber,  Jezdin's  Sohn,  holte  er  aus  dem  Gefkngniss  und  kreuzigte 
ihn  an  der  Pforte  der  Kirche  von  B6th  Narqos,^  weil  er  eines 
Tages  die  Tochter  dieses  Feldherrn  geschmäht  hatte.  ^  Dann 
entUess  er  die  Römer,  die  mit  ihm  gekommen  waren,  und  sie 
gingen   zu  Heraklios.^     Mit   ihnen   sandte  er  diesem  das  Holz 

*  Zu  gewissen  Zeiten  waren  mehrere  nestorianische  Bischöfe  verheirathet. 

*  Bekannter  Ort  am  Tigpris  einige  Meilen  oberhalb  Mosul,  jetzt  Eski  Mau^il 
(yAlt  Mosal*).  —  Nach  'Amr  war  er  dort  zwei  Jahre  lang  Bischof  (Ass.  2, 416). 

'  Ueber  diese  Sitte  s.  Tab.-Uebers.  353,  Anm.  1  (Abu  Dnlaf  sagt:  ^ch  bin 
ein  Mann,  der  es  wie  die  Chosroen  macht;  den  Sommer  bringe  ich  in 
Öib&l  [Medien],  den  Winter  in  *Ir&q  zu'  Ihn  Roste  154).  —  Serde  starb 
in  Dastagerd,  eben  auf  der  grossen  Strasse  nach  Medien.  Von  seiner 
Krankheit  sprechen  auch  die  arabischen  Berichte. 

*  BUn  anderer  Name  des  Sahrbar&z  =  Femchdn  {h  and  ck  wechseln  im 
Persischen  stark  in  der  Nähe  eines  u).  S.  Tab.-Uebers.  292,  Anm.  2. 
Vermuthlich  ist  v'^r^  ^^r  v^lf^  ^^^  lesen. 

*  So  heisst  ein  Ort  in  Marg&  (Ass.  3,  2,  178^,  10  v.  u.),  einer  nestorianischen 
Diöcese  nördlich  vom  obem  Z&b.  In  derselben  DiOcese  liegt  ein  Ort 
Jezdin&b&dh  (Ass,  3,  1,  601*);  die  Familie  Jezdin's  war  wohl  in  der 
Gegend  begütert 

^  Nahe  liegt  allerdings  der  Qedanke,  Sahrbar&z  habe  den  Rächer  Chosran's 
gpespielt  Tab.-Uebers.  387,  Anm.  1.  Dagegen  würde  aber  sprechen,  dass 
seine  beiden  Söhne  mit  an  der  Spitze  der  Empörung  gegen  diesen  standen 
Theophanes  501. 

'  Wenn  er  wirklich  römische  Truppen  bei  sich  gehabt  hat,  so  waren  sie 
gewiss  wenig  zahlreich.  Aber  sicher  ist,  dass  HerakUos  seine  Rebellion 
begünstigt  hat. 


32  IX.  Abbandlnng:    Nöldeke. 

des  Kreuzes  Christi;  das  sie  von  Jerusalem  gebracht  hatten  und 
das  im  persischen  Schatzhause  niedergelegt  war;  dazu  viele 
Geschenke  ohne  Zahl.^  ArdaSir  hatte  aber  ein  Jahr  und  sechs 
Monate  regiert.*  Dieser  Feldherr  Feruhän,  der  den  ArdaSir  getödtet 
hatte ;  regierte  40  Tage.  Als  er  eines  Tages  M4hözS  verliess, 
stiess  ihn  einer  seiner  Helden^  von  hinten  mit  einer  Lanze 
todt,  und  er  wurde  von  allem  Volk  zertreten. 

Die  Perser  machten  darauf  Borän,*  das  Weib  Ößroi's* 
zum  König.  Als  diese  zur  Herrschaft  gelangt  war,  schickte  sie 
weislich  zu  Heraklios  den  Katholikos  Mar  Idojabh^  um  ftLr  sie 
mit  ihm  Frieden  zu  schliessen;  ihn  begleiteten  Kyriakos  von 
NisibiSy  Gabriel  von  Karchä  in  Garamaea^  und  Märüthä  von 
26  Gusträ.^    Der  Kaiser  Heraklios  empfing  sie  mit  grosser  Freude 


'  Also  wie  Seb^os  und  NicephoroB  Cstpl.  115  weist  auch  diese  alte  Quelle 
die  Rückgabe  des  Kreuzes  erst  dem  Sahrbarftz  zu.  ArdaSir  lieferte  es  ans 
nach  'Amr,  der  gewiss  auch  auf  eine  alte  Quelle  zurückgeht  (Ass.  3,  1,  96). 
Und  ich  glaube,  man  muss  daran  festhalten,  dass  dies  schon  629  geschali; 
s.  Tab.-Uebers.  392.  Die  Yerschiedenen  Unterhandlungen  und  Oeeandt- 
schaften  der  rasch  wechselnden  Fürsten  konnten  schon  von  den  Zeit- 
genossen leicht  verwechselt  werden. 

*  Da  sein  Todestag  der  27.  April  630  (Tab.-Uebers.  388),  Chosrau^s  der 
29.  Februar  628  ist  (eb.  382),  so  füllen  die  von  Tabart  und  unsenn 
Syrer  gegebenen  Zahlen  die  Zwischenzeit  g^nau  aus:  acht  Monate  für 
Sdroi,  ein  Jahr  sechs  Monate  für  Ardaätr  =  zwei  Jahren  zwei  Monaten. 
Diese  Zahlen  sind  also  zuverlässig. 

'  Dies  alles  stimmt  gut  zu  Tab.-Uebers.  389  f.,  wo  auch  dieselbe  Daner 
der  Regierung:  40  Tage.  Zu  beachten,  dass  sämmtliche  Angaben  über 
die  Regierungszeiten  in  unsrer  Chronik  richtig  sind.  —  Die  Nemesis 
hat  sich  an  allen  grossen  Frevlem  der  letzten  Periode  des  Sftsftniden- 
reiches  furchtbar  gezeigt:  Chosrau  selbst  (der  am  Tode  seines  Vaters 
mitschuldig  war),  Bahr&m,  Bind6i,  Bist&m,  Sdrdi,  Samt&,  Nehormizd, 
Sahrbar&z.     Aber  wie  viele  Unschuldige  sind  da  mitgefallen! 

*  Für  ^Joyö  lies  ^l'aö. 

^  Dass  sie  Sdröi's  Schwester  war,  steht  fest  Aber  vielleicht  war  sie  zu- 
gleich seine  Frau  gewesen.  Doch  lieg^  die  Annahme  näher,  dass  ein 
Abschreiber  einmal  aus  Versehen  0i^>^)  für  otL^  ,seine  Schwester*  ge- 
setzt habe  und  danach  auch  die  andere  Stelle  corrigiert  sei. 

*  S.  oben  S.  16,  Anm.  4. 

'  Der  Ort  muss  im  nordwestlichen  Mesopotamien  gelegen  haben.  Mai,  Nova 
Coli.  10,  199  wird  der  Bischof  von  Gus^rft  nach  denen  von  Nisibis  und 
Maiferqdt  und  vor  denen  von  Amid  und  Aghel  genannt  (als  Theilnehmer 
am  Concil  von  Nicaea). 


Die  TOD  Ouidi  hennsgegebene  sTiiBche  Chronik.  33 

und  that  ihnen  alles ,  was  sie  wünschten.^  Börän,  die  Frau 
Sßroi's,  die  Königinn  der  Perser  geworden  war,  kam  zuletzt 
durch  Erdrosselung  um.* 

Da  machte  man  in  der  Stadt  Istachr'  den  Jezdegerd 
aus  königUchem  Samen  zum  König,  mit  dem  das  Perserreich 
aufgehört  bat.  Der  brach  auf  und  kam  nach  Mäl^6z6  und 
ernannte  sich  einen  HeerfUhrer  Namens  Rustam.^  Darauf 
führte  Gott  gegen  sie  die  Kinder  IsmaePs  berauf,  zahlreich 
wie  der  Sand  am  Meeresstrande,  deren  Führer  Muhammed 
war,  vor  denen  nicht  Mauer  noch  Thor  bestehn  blieben,  nicht 
WaflFen  noch  Schilde,  und  sie  wurden  Herren  des  ganzen 
Landes  der  Perser.  Jezdegerd  schickte  ihnen  zwar  zahllose 
Truppen  entgegen,  allein  die  Araber  vernichteten  alle  und 
tödteten  auch  den  Rustam.  Da  schloss  sich  Jezdegerd  in  die 
Mauer  von  Mi^^zS  ein,  flücbtete  sich^  aber  zuletzt  und  begab 
sich  in  die  Länder  der  Hüzier  und  der  Merwer;  dort  endete 
er  sein  Leben.*  Und  die  Araber  wurden  Herren  von  Mäl^ozS 
und  allen  Ländern.  Aber  sie  zogen  auch  ins  römische  Gebiet 
und    plünderten    und    verwüsteten    alle   Theile    Syriens.     Der 


^  Die  beiden  Ersten  werden  anch  Ass.  3,  1,  91*.  472^  zusammen  genannt 
Für  diese  Mission  hat  Thomas  von  Marg&  (Ass.  3,  1,  106*)  neben  dem 
Katholikos,  Kyriakos  und  Gabriel  noch  den  Paulus  von  Hdhaijabh.  Er 
lasst  die  Gesandtschaft  aber  fälschlich  schon  unter  der6i  abg^ehn.  Vgl. 
Tab.-Uebers.  391  f.;  Ass.  8,  1,  105. 

*  Das  habe  ich  sonst  nirgends  g^efunden.  —  Leider  flbergeht  der  Syrer 
verschiedene  kUrze  und  partielle  Regierungen,  die  auf  die  Bdr&n*s  folgten. 

*  So  auch  Tab.-Uebers.  397. 

*  Auch  hier  schon  wird  also  nicht  etwa  Ruatahm  oder  Botaatahm  ge- 
schrieben (s.  ZDMQ.  46,  141).  Auch  ein  Mönch  in  der  Mitte  des  7.  Jahr- 
hunderts heisst  >0k^o9  Ass.  3,  1,  454. 

»  Lies  ^-^^^^^  (26,  12). 

*  Nach  den  arabischen  Nachrichten  floh  er  nicht  ins  Land  der  Hüzier 
(Chüzistftn,  Susiana),  sondern  zunächst  nach  Holw&n  und  dann  nach 
Medien,  s.  Bel&dhori  315;  Tab.  1,  2439.  —  Das  traurige  Leben  des 
Königs,  das  endlich  bei  Merw  endete,  wird  hier  ganz  kurz  zusammen- 
gezogen. —  Für  V«Jo^  (1.  13)  ist  vieUeicht  W^r^  Ojsr«)  "^  ^®^" 
bessern,  das  gebräuchliche  Gentilicium  von  Merw.  Allerdings  könnte 
ZDMG.  43,  407,  2  jene  Form  zur  Noth  ,die  aus  Merw*  bedeuten,  aber 

wahrscheinlich  ist  da,  wie  Hoffmann  meint,  V^o^  zu  lesen;  sicher  so 
Ass.  3,  1,  127^  129».  135%  wie  ZDMG.  43,  402,  1.  404,  10  nach  396,  16 
^o}lo  fUr  xO^  (über  Maxün  s.  unten  S.  47  Anm.  4). 
Sitsnngsber.  d.  phiL-hist.  d.  CXXYin.  Bd.  9.  Abb.  3 


34  nC.  Abhandlung:    Nöldeke. 

römische  Kaiser  Heraklios  sandte  Truppen  gegen  sie,  doch 
die  Araber  tödteten  von  ihnen  mehr  als  100,000  Mann.*  Als 
aber  der  Katholikos  Ig6'jabh  sah,  dass  Mäböz6  von  den  Arabern 
verwüstet  und  seine  Thore  nach  'Aqöli*  gebracht  worden  waren, 
indessen  die,  so  dort  blieben,  vor  Hunger  dahinschwanden, 
liess  er  sich  in  Garamaea  im  Orte  KarchU  nieder. 

Nachdem  Kyriakos  von  Nisibis  entschlafen  war,  verklagten 
die  Nisibener  aus  Hass  gegen  ihn  seine  Schüler  beim  Emir' 
27  der  Stadt.  Dieser  liess  sie  einsperren,  und  man  plünderte 
auch  die  Celle  ^  des  Kyriakos  und  zugleich  den  Schatz  im 
Metropolitangebäude  von  Nisibis.  Da  fand  man  in  seiner  Celle 
viele  Kleider*  und  Leibröcke,  seidene  Vorhänge  und  goldene 
Lämpchen,^  Sachen,  welche  Christi  Schülern  nicht  anstehn.'' 
Darauf  Uess  der  Katholikos  M4r  läo'jabh  den  Schriftausleger 
von  l^ira  Bar^aumä  kommen  und  machte  ihn  zum  Metropoliten 
im  Kloster  des  heil.  Sergios  ausserhalb  der  Stadt  (Nisibis); 
auf  dass  sie  sich  mit  ihm  verständigten  und  ihn  aufnähmen, 
aber  sie  gingen  nicht  darauf  ein. 

Mär  fäö'jabh  führte  aber  das  Patriarchat  18  Jahr  lang.* 
Seine  Leiche  ward  im  Martyrium  der  Kirche  von  ELarchä  in 
Garamaea   begraben.     Zum    Patriarchen   in   der   Kirche   ward 


^  S.  unten  S.  45. 

«  =  Küfa,  8.  unten  S.  43. 

'  Wohl  die  älteste  Stelle,  wo  uns  das  arabische  j^\  im  Syrischen  begegnet 

*  So  wird  in  den  morgenländischen  Kirchen  das  Wohnhaus  der  hohen 
Geistlichen  genannt. 

»  Oder  jGeräthe*. 

*  Nach  Hoffmann's  Vorschlag  lese  ich  (27,  3)  "-^?  pöb.  Für  ^r»  ,8ättelS 
das  nicht  wohl  zulässig  ist,  setze  ich  ^r^>  ohne  meiner  Sache  recht 
sicher  zu  sein.  Bedenklich  ist  das  Masc.  )V^h^,  da  ^1^^^n  doch  wohl, 
wie  sein  Sing.,  fem.  sein  wird;  man  könnte  das  männliche  Attribut  aller- 
dings durch  die  Beziehung  auf  W^  erklären.  Für  das  folgende  ^?  ^^ 
wäre  wohl  ^^^oi  die  nächstliegende  Verbesserung.  Jedenfalls  kommen 
hier  mehrere  Entstellungen  zusammen. 

'  Ueber  diesen  Kyriakos  s.  ausser  den  S.  33,  Anm.  1  genannten  Stellen 
noch  Ass.  3,  1,  91».  141V  142».  2lö. 

*  Nach  Elias  von  Nisibis  (Baethgen  19)  starb  er  23.  d.  H.  (beginnt  19.  Nov. 
643),  nach  *Amr  (Ass.  3/  1,  108^)  958  Sei.  =r  646/7.  Letztere  Angabe 
stimmt  zu  unserer  Chronik.  Mftri  (*Amr)  g^ebt  ihm  19  Begierungsjahre 
(Ass.  2,  416). 


M&r  Emmäi  eingesetzt.  Dieser  wmr  ans  dem  Gebiet  tod 
Arzon  aus  dem  Dorfe  Qozimar  i?)^  und  wmr  zum  Metropoliten 
von  B^  LipAt  eingesetzt.  Er  hatte  die  Mönehstrmcfat  im 
Kloster  des  lIAr  AlMiiliam  Tom  Izali  angel^  nnd  wnrde  als 
Mönch  wie  als  Metropolit  sehr  gepriesen.  Seit  er  nnn  anf 
den  Lenchter  des  Katlndikosamts  gesetzt  worden  war,  ehrten 
ihn  aDe  ismaelitisehen  Machthaber. 

Man  erafthh  folgendes:  zwischen  Mahöze  nnd  Qira  li^ 
ein  von  Unter  Jnden  bewohntes  Dorf  Namens  Mäthi  Mhasji.* 
Als  nnn  eines  Tages  ein  Stndent  da  durchkam ,  packte  ihn 
einer  von  den  Söhnen  der  Krenzigery  nahm  ihn  in  sein  Haas 
nnd  hieb  ihn  eine  ziemliche  Tjöx  gefangen ,  indem  er  ihn  die 
Mühle  drehen  Hess.  Da  ward  nnn  auf  Befehl  des  Königs  ein  ss 
Christ  in  irgend  einer  Angelegenheit  in  das  Dorf  geschickt 
nnd  kehrte  durch  Gottes  Veranstaknng  grade  in  jenem  Hanse 
ein.  Als  der  Stndent  ihn  erblickte,  jammerte  er  (nnd  erzählte 
ihm  die  Sache).  Da  packte  der  Christ  den  Hausherrn ,  und 
dieser  bekannte  ihm  die  ganze  Wahrheit  mit  den  Worten: 
yWenn  du  mir  diese  Missethat  vergibst ,  weise  ich  dir  einen 
herrlichen  Schatz  nach^  Und  er  zeigte  ihm  eine  SteUe  in 
seinem  Hause,  wo  die  Leichname  Hananja's  und  seiner  jugend- 
lichen Genossen  lagen.'  Gott  hatte  die  Sache  mit  dem  Studenten 
veranlasst,  damit  der  Schatz  der  Leichname  der  Seligen  auf- 
gefunden werde.  Wie  man  erzählt,  musste  Mar  Eknm^h,  als 
er  einst  von  Ma^öz^  nach  Qira  ging,   grade  in  jenem  Dorfe 


1  Hoffinann  denkt  jm  f^o^ac  oder  dgL  =  iV>*Sn  Job.  Eph.  415  ib  XX(k>- 
|Aip«dir  Menjuider  Prot  fra^:m.  57;  lo  XXopipuv  TheophjL  2,  7  und  8  (im 
Gebiet  Ton  Arxon).  8.  Gelxer*«  Georg.  Cjpr.  S.  167  f.  Diese  Identification 
bl^bt  natürlich  nnncher. 

*  Für  diesen  im  babjL  Talmud  Öfter  erwähnten  Ort  verweist  Gnidi  anf 
Neabaner,  G^ogr.  da  Talm.  S44;  Berliner,  Beitrage  aar  Geogr.  Babjl.  45; 
de  Goeje  ZDMG.  39,  12.  Ob  Ma^MJä  oder  M^agjä  an  sprechen  sei,  lisst 
sich  nicht  bestimmen.  Der  Ausfall  des  ff,  im  syrischen  Text  kann  anf 
einem  Versehen  bemhen,  kann  aber  anch  eine  locale  Aussprache  wieder- 
geben. 

*  Daas  diese  Gebeine  in  dortiger  Gegend  gefunden  wurden,  ist  gans  be- 
greiflich. Babel  war  in  der  Kihe  und  ebenso  die  Gegend,  wo  die  Legende 
Ton  Nimrod  spielt,  dessen  Feuer  dem  Abraham  eben  so  wenig  hatte  anthun 
können  wie  das  Nebucadnezar^s  den  GefiUirten  DaniePs  (Dan.  3). 

3» 


36  n^>  Abhandlnng:    Nöldeke. 

tibernachten.  Aus  Furcht  vor  ihm  nahmen  sie  ihn  mit  grossen 
Ehren  auf.* 

M4r  EmmSh  baute  die  abgebrannte  Kirche  des  Ellosters 
des  heil.  Sergius  von  Mabhrachthä'  wieder  auf  und  schmtickte 
sie  mit  aller  Herrlichkeit.  Denn  dieser  Regent  war  in  seiner 
erhabnen  Herrlichkeit  sehr  ausgezeichnet.  Zum  Hirten  von 
BSth  Läpät  salbte  er  aber  den  Sergios^  Bischof  von  Nhar 
G&r,  einen  tugendhaften  und  gerechten  Mann,  und  sandte  ihn 
dahin.  Auch  begab  sich  Mär  Emm^h  hinauf  nach  Nisibis,  um 
die  Bewohner  zur  Verständigung  mit  ihrem  Metropoliten  zu  be- 
wegen, aber  sie  unterwarfen  sich  nicht.  Da  Uess  er  den  Isaac, 
Bischof  von  Arzon,  kommen  und  machte  ihn  zu  ihrem  Oberhaupt; 
das  war  ein  sittsamer  und  tugendhafter  Mann.  So  lange  er  lebte, 
ass  er  kein  Brot  von  der  Kirche  von  Nisibis  und  machte  sich 
nichts  mit  deren  Besitzungen  zu  schaffen,  sondern  liess  das  fUr 
ihn  und  seine  Schüler  Nothwendige  aus  seinem  Lande  kommen.' 

In  eben  der  Zeit  trat  ein  Jude  aus  BSth  AramÄjS  auf, 
29  aus  einem  Dorfe  Namens  Pallüghtä,  wo  sich  das  Wasser  des 
Euphrat  zur  Bewässerung  der  Ländereien  zertheilt,*  und  sprach, 
der  Messias  sei  gekonmien.  Er  sammelte  Weber,  Teppich- 
wirker^ und  Wäscher  um  sich,  etwa  400  Mann;  die  verbrannten 
drei  Kirchen  und  brachten  den  Oberbeamten  des  Landes  um. 
Da  rückte  aber  ein  Heer  von  'Aqölä  gegen  sie  aus,  tödtete 
sie  nebst  ihren  Weibern  und  Kindern  und  kreuzigte  ihr  Ober 
haupt  in  seinem  Dorfe. 

Femer  wurden  im  Lande  Behkawädh^  in  einem  Dorfe 
Namens  Satrü  (?)  einige  Manichäer  gefangen  genommen.    Wie 


^  Die  Auffindung  der  Gebeine  selbst  ist,  wie  die  Erwähnung  des  (persischen) 
Königs  zeigt,  früher  geschehen.  Die  Geschichte  wird  nur  erzählt,  weil 
der  Patriarch  einmal  an  dieser  Stelle  übernachtet  hat. 

*  8.  oben  S.  22  Anm.  1. 

^  Er  erkannte  also  seine  eigne  Metropolitenstellung  nicht  als  legitim  an. 
Er  wird  erwähnt  Ass.  2,  420. 

*  Qc^al  Feüüge  am  Euphrat,  ungefähr  in  gleicher  Breite  mit  Baghdid, 
liegt  allerdings  ziemlich  am  Anfang  des  Canalsystems.  Der  RelatiTsats 
(mit  methpalgm)  giebt  die  Etymologie  des  Namens. 

*  Hoffmann  verbessert  t^r^  in  V^?r^  (29,  2).  ,Barbiere*  konnte  es  unter 
einer  jüdischen  Bevölkerung  nicht  in  grösseren  Mengen  g^ben. 

*  Ein  in  drei  Abtheilungen  zerfallender  Bezirk  am  Euphrat,  wozu  Babel« 
Küfa  und  Hira  gehörten. 


I 


Die  TOD  Guidi  hezmosgegebeoe  syrische  Chronik.  37 

man  nämlich  sagt^  sperrten  diese  einen  Mann  zu  Anfang  des 
Jahres  in  einem  Hause  unter  der  Erde  ein^  gaben  ihm  das 
ganze  Jahr  hindurch  alles  zu  essen  ^  wonach  seine  Seele  ver- 
langte,  tödteten  ihn  dann  als  Opfer  für  die  Dämonen  und 
trieben  das  ganze  Jahr  mit  seinem  Kopf  Zauber  und  Wahr- 
sagerei. So  schlachteten  sie  alljährlich  einen.^  Ferner  brachten 
sie  eine  Jungfrau^  die  noch  kein  Mann  erkannt  hatte,  und 
schliefen  alle  bei  ihr;  das  von  ihr  gebome  Kind  kochten  sie 
auf  der  Stelle,  bis  sein  Fleisch  und  seine  Knochen  wie  Oel 
waren,  zerstiessen  es  dann  in  einem  Mörser,  bereiteten  es  mit 
Weizenmehl  zu,  machten  kleine  Kuchen^  daraus  und  gaben 
jedem,  der  sich  ihnen  anschloss,  einen  dieser  Kuchen^  zu 
essen;  dann  verleugnete  er  Mäni  nie  wieder.*    Durch  göttliche 


1 


Von  den  Heiden  in  Harrän  berichtet  ein  Christ  (Fihrist  321),  dass  sie 
einen  Menschen  von  einer  gewissen  (,mercurialen*)  Beschaffenheit  ge- 
fangen nähmen  und  lange  in  Oel-und  Borax  setzten,  bis  seine  Glieder 
lose  würden,  so  dass  sich  der  Kopf  leicht  abziehen  lasse,  und  dass  sie 
mit  diesem  Kopf  dann  Zauberei  trieben,  da  er  nach  ihrer  Meinung  vom 
Planeten  Mercur  beseelt  werde. 


«  Lies  l-H^  (29,  17). 

'  Lies  K'r^  (29,  18). 

*■  So  erzahlt  Epiphanius,  haer.  26  (87  ^)  von  gewissen  Gnostikem,  sie  trieben 
einem  von  ihnen  geschwängerten  Weibe  den  Embryo  aus,  stiessen  ihn 
in  einem  Mörser,  mischten  die  Masse  mit  Honig,  Pfeffer  und  anderen 
Gewürzen,  um  die  Ekelhaftigkeit  zu  verdecken,  und  verzehrten  sie  dann. 
Das  nennten  sie  ,das  vollkommene  Passah*.  Femer  hat  das  mandäische 
Sidrft  Rabbft  1,  226  von  den  Christen:  ,£in  Judenkind  tödten  sie, 
nehmen  von  seinem  Blut,  backen  es  in  Brot  und  geben  es  zu  essen,  und 
Menstruation  von  einem  Hurenmädchen  mischen  sie  mit  Wein  und  geben*8 

ihnen;  im  Kelch  [!]  zu  trinken*.  Und  (S.  227)  .Sieben  Selige  (V^Q-j) 
kommen  zusammen,  schlafen  bei  einer  Frau  und  werfen  Samen  in  sie 
hinein.  Sie  empfängt  von  ihnen,  und  dann  schlagen  sie  sie  nach  sieben 
Monaten,  bringen  ihn  [den  Embryo  durch  die  Schläge]  heraus,  nehmen 
ihn  mit  einer  Nachgeburt  mit  Blut,  Excrementen  und  Menstruation  und 
bereiten  aus  seinem  Mark  SegensOl.  Dies  Mysterium  kochen  sie  in 
Wasser.  Und  von  seinen  Knochen  bereiten  sie  heilige  ....  (?).  Das 
braten  sie  in  feinem  Weizenmehl  und  reinem  Honig  (?)  und  werfen 
Zauberei  und  Wollust  hinein.  Das  wird  das  Heilig^hum  der  ,Kohle*  ge- 
nannt, das  in  den  Herzen  und  Sinnen  brennt*  (,Kohle*  nennen  die  Syrer 
das  Brot  der  Eucharistie!).  —  Aehnliches  S.  228  von  den  Manichäem. 
Und  so  erzählt  ein  Christ  von  den  Harr&nischen  Heiden  (Fihrist  323), 
dass  sie  einen  neugebornen  Knaben  dem  Götzen  schlachteten,  ihn  kochten, 


38  IX.  Abhandlung:    Nöldeke. 

Einwirkung  wurden  aber  alle  gefasst;  nämlich  da  sie  einen 
Studenten^  ergreifen  wollten,  dieser  ihnen  jedoch  entkam.  Sie 
wurden  nebst  den  Huren,  die  sie  gefangen  hielten  und  mit 
denen  sie  Unfug  trieben,  gekreuzigt.*  Es  waren  unge&hr 
70  Leute. 
30  Als  Mär  Emm^h  das   höchste  Amt  SVj  Jahre  lang  ver- 

sehen hatte, ^  starb  er,   und  seine  Leiche  ward  im  Kloster  des 
h.  Sergios  von  Mabhrachthä  beigesetzt. 

In  jener  Zeit  ragten  aber  als  Metropoliten  und  Bischöfe 
hervor  Mär  Sabhiiäö'  von  Karchä,*  der  sein  ganzes  Leben 
nur  Kräuter  ass,  Isaac  von  Nisibis,*  Sabhriäo'  von  IJtra,  Jazd- 
panäh  von  Kaäkar,^  Aristos  von  Nhar  Gül,  Moses  von  Ninive,' 
Johannes  von  den  Z4b,  Sabhrifio'  von  TrihÄn®  und  Sergios 
von  B^th  Läpät.» 


bis  er  ganz  weich  wurde,  dann  mit  feinem  Weisenmebl,  Safran,  Narde,  Ge- 
würznelken and  Oel  kneteten,  kleine,  feigengrosse  Kuchen  daraus  backten 
und  das  als  Opferspeise  verzehrten.  —  Ueberall  derselbe  grause  Unsinn, 
dieselbe  Roheit  der  Gesinnung,  die  dem  Andersgläubigen  jede  Scheus- 
lichkeit  zutraut.  Dass  g^ade  M&nfs  Lehre  dem  Genuss  lebender  Wesen 
widerstrebte,  kam  natürlich  so  wenig  in  Betracht  wie  trotz  des  Abscheiu 
der  Juden  vor  dem  Blutgenoss  das  schändliche  Märchen  vom  jüdischen 
Blutritus  zum  Schweigen  kommen  kann,  das  in  dasselbe  Capitel  gehört 
wie  jene  Dinge. 

^  Juden  (s.  oben  S.  86)  und  Manichäer  sollen  also  den  jungen  christlichen 
Theologen  besonders  nachgestellt  haben! 

'  Diese  Kreuzigung  ist  leider  gewiss  so  historisch  wie  das  Abschlachten 
und  Verbrennen  zahlreicher  Juden  wegen  des  ihnen  ang^edichteten  Blnt- 
gebrauches. 

'  Barh.  bist.  eccl.  2,  127  giebt  ihm  drei  Jahre.  So  M&ri  (Ass.  2,  420), 
nach  dem  er  958  =  646/7  während  'Othm&n*s  Regierung  starb. 

^  S.  Ass.  8,  1,  124^  unten.  Dies  und  fast  alle  Citate  in  den  nächstfolgenden 
Anmerkungen  schon  bei  Guidi. 

^  Ass.  2,  420. 

'  Eb.  und  8,  1,  188.    Er  war  nach  *AbhdiSd'  ans  Qatar. 

'  Ass.  2,  420.  Der  verschollne  Name  Ninive  ward  zur  Bezeichnung  der 
DiOcese  beibehalten. 

'  lieber  die  Landschaft,  respective  die  DiOcese  Tirh&n  oder  Trih&n  (die 
Gegend  von  S&marrft  und  Tagrit  an  der  Ostseite  des  mittleren  Tigris) 
s.  Hoffmann  188  ff. 

'  Ass.  2,  420.  Die  hier  genannten  Bischöfe  von  Karch&,  Nisibis,  KaSkar, 
Ninive,  Trihan  und  Beth  L&p&t  überlebten  nach  dieser  Stelle  noch  den 
Katholikos,  der  um  660  gestorben  ist. 


Die  TOD  Oaidi  henuisgegebcne  sjrische  Chronik.  39 

Aber  Elias ^  Metropolit  von  Merw,^  bekehrte  viel  Volks 
von  den  Türken  und  anderen  Nationen.  Merw  ist  nämlich 
ein  Flnss;  nach  ihm  ist  die  Stadt  und  das  Land  benannt. 
Man  sagt,  dass  deren  Innres  12  Parasangen  gross  ist  und 
dass  innerhalb  der  äussern  Mauer  viele  Städte  und  Burgen, 
auch  Weizen-  und  Gerstenfelder,  Gärten  und  Parks  liegen.* 
Es  ist  aber  von  Alexander,  Philipp's  Sohn,  erbaut  und  von  ihm 
Alexandria  genannt  worden.  Nachdem  er  viele  Völker  im 
Osten  besiegt  und  unterworfen  hatte,  brach  er  auf,  um  nach 
seiner  Heimath  zu  ziehn,  wurde  aber  von  seinen  Knechten 
am  Euphratstrom  an  einem  Orte  im  Lande  Babel,  der  B6 
Niqj4  (?)  heisst,  durch  Gift  umgebracht.  Er  hatte  12  Jahr 
und  6  Monate  regiert.^  —  Von  diesem  Elias,  MetropoUten  von 
Merw,  erzählt  man  folgendes:  während  er  einst  in  den  Gegenden  31 
an  den  äussern  Gränzen   umherging,  begegnete  ihm  innerhalb 


^  Asa.  2,  420  und  3,  1,  148.  An  der  letzteren  Stelle  werden  seine  Werke 
aufgezählt 

'  Der  Fluss  bedingt  allerdings  die  Fruchtbarkeit  und  Bewohnbarkeit  der 
Merw-Oase,  aber  den  Namen  (Marghu)  hat  doch  wohl  nicht  zunächst 
der  Fluss  getragen.  Die  nach  dem  Wortlaut  nahe  liegende  Annahme, 
hier  sei  das  südliche  ^Fluss-Merw*  (Marvsi  rddh  arab.  Marw  arrüdhj  ge- 
meint, ist  nicht  haltbar;  alles  folgende  weist  auf  das  bei  weitem  be- 
rühmtere und  grössere  ,künigliche  Merw*  (Marwi  idhagdn;  arab.  Marw 
aUdhagdn).  —  Vielleicht  ist  übrigens  diese  Beschreibung  im  Wesentlichen 
richtig.  Die  ganze  Oase  war  wohl  mit  einem  Befestigung^wall  gegen 
die  räuberischen  Wüstenbewohner  umgeben.  Die  12  Parasangen  (un- 
gefähr 9  d.  Meilen)  konnte  man  als  Längenausdehnung  rechnen,  so  dass 
die  ganze  Fläche  bis  zum  Quadrat  davon  eingenommen  hätte ;  doch  ge- 
nügt es  wohl,  sie  als  Umfang  zu  nehmen.  Natürlich  haben  wir  hier  nur 
eine  ungefähre  Schätzung. 

'  Merw  wird  in  den  griechischen  Texten  des  Alexanderromans  nicht  unter 
den  Gründungen  des  Königs  genannt,  wohl  aber  im  syrischen  und  in 
andern  orientalischen  (s.  meine  Abhandlung  ,Beiträge  zur  Geschichte 
des  Alexanderromans'  24  u.  s.  w.).  Auch  die  hier  gegebene  Zahl  12  Jahr 
6  Monate  stimmt  nicht  zu  den  griechischen  Texten,  wohl  aber  ziemlich 
zum  syrischen,  der  12  Jahr  7  Monate  nennt.  Ich  möchte  also  doch  an- 
nehmen, dass  der  Chronist  den  syrischen  Text  gekannt  hat.  Die  besondere 
Bestimmung  des  Todesorts,  für  den  alle  Andern  schlechthin  Babylon 
nennen,  beruht  vielleicht  auf  einer  Localüberlieferung.  Ich  halte  fUr 
wahrscheinlich,  dass  )^n*l^.r)  ein  Fehler  für  IaOaJ  Lj^  oder  l*n>1in  = 

Loüb  (.SchaafhausenO  ist;  das  ist  ein  Ort  nahe  bei  Hira,  also  auf  dem 
Gebiet  von  Babel  (s.  u.  a.  Jaq.  s.  v.). 


40  H*  Abhandlung:    Nöldeke. 

dieser  (Gegenden)^  ein  Fürst,  der  mit  einem  andern  König 
Krieg  führen  ging.  Als  Elias  ihn  nun  mit  vielen  Worten  bat, 
vom  Blriege  abzustehn,  erwiderte  er  ihm:  ,wenn  du  mir  ein 
Zeichen  zu  sehen  giebst,  wie  es  die  Priester  meiner  Götter 
machen,  so  glaube  ich  an  deinen  Gott/  Da  riefen  auf  Befehl 
des  Fürsten  die  ihn  begleitenden  Dämonenpriester  die  Dämonen, 
denen  sie  dienten,  an:  sofort  trübte  sich  die  Luft  durch  Gewölk 
und  Sturm,  und  Donner  und  BUtz  folgten  sich  unaufhörUch.' 
Allein  da  ward  EUas  von  göttUcher  Elraft  bewegt;  er  machte 
das  Zeichen  des  himmlischen  Kreuzes,  verscheuchte  dadurch 
die  von  den  abtrünnigen  Dämonen  bereitete  Erscheinung,  und 
sie  verschwand  plötzUch  ganz  und  gar.  Da  so  der  Fürst  sah, 
was  der  seHge  Elias  gethan  hatte,  fiel  er  in  Verehrung  vor 
ihm  nieder  und  nahm  mit  seinem  ganzen  Lager  den  Glauben 
an.  Der  MetropoUt  ftlhrte  sie  zu  einem  Fluss  hinab,  taufte 
alle,  stellte  Priester  und  Diakonen  flir  sie  an  und  kehrte  heim.' 
Seleukos  hat  aber  32  Jahre  regiert*  und  Antiochia,  Lao- 
dikea,   Seleukia,  Apamea,  Edessa  d.  i.  Orhäi  und  Beroea  d.  i. 


^  In  der  Uebersetzung  nehme  ich  daa  ?  vor  n^^N^  (31,  i)  als  Wiederholung 
des  von  fA?  (30  ult).  Aber  ich  bin  meiner  Sache  nicht  sicher.  Vielleicht 
sind  eini^  Worte  ausgrefallen,  etwa  0^9  )^X»^  \ol^^  (^oouUo  gl^9) 
«innerhalb  derer  die  Stadt  Merw  liegt*.  Dass  der  Barbarenfürst  mit  einem 
Heere  innerhalb  der  Umwallung  des  Stadtgebietes  gegen  seinen  Feind 
ziehen  durfte,  konnte  sich  doch  selbst  ein  syrischer  Mönch  kaum  einbilden. 
Sonst  liegt  allerdings  die  Uebersetzung  am  nächsten:  ,in  den  Gegenden 
an  den  äussern  Gränzen,  aber  innerhalb  dieser  (Gränzen  d.  h.  des 
äussern  Walles)*. 

'  Dass  die  Zauberer  der  Türken  Unwetter  (auch  Schneegestöber)  machen, 
kommt  auch  in  der  persischen  Ueberlieferung  vor. 

'  Wir  dürfen  nicht  bezweifeln,  dass  Merw,  der  bedeutendste  Ort  Chorfis&ns, 
der  Ausgang^punct  für  die  Bekehrung  vieler  Hochasiaten  geworden  ist. 
Grade  der  Zusammenbruch  des  SAs&nidenreichs  mag  zu  neuen  Be- 
rührungen wilder  Stämme  mit  den  Nestorianem  geführt  haben.  Das 
Christenthum,  das  noch  im  13.  Jahrhundert  in  gewissen  Gegenden  Hoch- 
asiens geblüht  hat,  scheint  da  im  Lauf  des  14.  Jahrhunderts  unter- 
gegangen zu  sein.  Man  hätte  gern  Näheres  über  den  ,Exegeten  der 
Türken*,  der  einen  ,hortus  deliciarum*  geschrieben  hat  und  dessen  Name 
Abhd£§6*  schon  nicht  mehr  wusste,  da  er  ihn  sonst  genannt  hätte  (Ass.  3, 
1,  188;  Assemani  identificiert  ihn  falsch  mit  dem  vor  ihm  Genannten). 

^  Die  Zahl  ist  richtig,  von  seiner  Kückkehr  nach  Babylon  312  bis  zu 
seinem  Tode  280  gerechnet. 


Die  TOD  Quidi  heraasgegebene  syrische  Chronik.  41 

Qaleb  erbaut.^  Babel^  das  jetzt  so  heisst^  hat  äemiramis  er- 
baut, aber  das  alte  Babel  ist  da,  wo  der  Thurm  gebaut  worden 
ist.^  NinoSy  Sohn  des  Belos,  hat  Erech  d.  i.  Edessa,  Acad  d.  i. 
NisibiS;  Chalne  d.  i.  Ktesiphon,  Calah  d.  i.  Hatr^  Sanatrüg's 
erbaut;'  ebenfalls  ist  er  der  Erbauer  von  Ninive  und  Re- 
hoboth. 

In    dieser   Zeit,    von    der   wir    oben    gesprochen   haben,*  82 
drangen   die   Araber,   indem   sie   alle  Länder   der  Perser   und 
Römer  ^  unterwarfen,  auch  ins  Land  der  Hüzier  ein  und  Über- 
schwemmten es.^     Sie  nahmen  alle  festen  Städte,  nämUch  Beth 


^  Aas  irgend  einem  Chronographen.  S.  Syncell  274  A  (Bonn  520) ;  Dionys 
Telm.  (Tullberg)  61.  Dieselbe  Nachricht  hat  J&qüt  ans  einem  christ- 
lichen Schriftsteller,  s.  1,  171.  323.  2,  876.  Eine  ähnliche  Angabe  über 
fünf  von  Seleukos  erbaute  Städte  (Antiochia,  Seleokia  in  Syrien,  Selenkia 
in  Pisidien,  Seleokia  am  Tigris  und  Karchä  dbhSth  Sloch)  im  ausführ- 
lichen Text  der  Märtyrer  Yon  Karch&  bei  Be^an,  Martyr.  2,  510.  In 
den  ersten  Partien  dieses  Martyriums  ist  überhaupt  allerlei,  was  auf 
griechische  Quellen  zurückgeht,  in  wirrer  Verbindung  mit  biblischer  und 
einheimischer  Ueberlieferung.  Edessa  ist  auch  nach  Malalas  2,  142  (Ox.) 
von  Seleukos  erbaut  worden. 

'  Wahrscheinlich  dachte  der  Verfasser  bei  der  ersten  Angabe  an  das  Oert- 
chen,  das  den  Namen  B6hil  immer  behalten  hat,  der  andere  an  Boraippa 
(arab.  Bursy  heutzutage  B%r8  NimrüdJ, 

'  Diese,  durchweg  falschen,  Identificationen  der  Gen.  10,  10  f.  genannten 
Städte  sind  bei  den  Syrern  fast  kanonisch  geworden;  s.  Efr.  1,  58  B  u.  a.  m. 
Sie  rühren  vielleicht  noch  aus  der  parthischen  Zeit  her,  sind  jeden- 
falls viel  älter  als  die  Angabe,  dass  Merw  von  Alexander  gegründet  sei. 
Werthvoll  ist,  worauf  Guidi  hinweist,  die  Hinzufügung  von  ^Oj  1^  1  Tff 
zu  der  Stadt  Hatr6  (^^Arpat  in  der  mesopotamischen  Wüste);  hier  haben 
wir  den  parthischen  Namen  SancUrdk  noch  vollständig,  und  Tuch's  und 
Hoffmann^s  Annahme,  dass  ^aJ»Ua),  den  die  Araber  als  König  von 
Ha^S  nennen,  =  o^^^Aso  des  BB  sei,  wird  so  gesichert  (s.  Hoffmann  185; 
Tab.-Uebers.  500).  Auch  die  falschen  Formen  yfi)  für  f«),  V^^  für  P^^ 
sind  bei  den  Syrern  von  jeher  recipiert. 

*  S.  83  f. 

»  Lies  Uioo<ji5  für  \»^^\  (32,  2). 

«  Trotz  Efr.  2,  108  B  ^o<n^9>Ä  tiMjo  und  Joh.  Eph.  402,  14  V^^^ö  clilXO 
,sie  (die  Babylonier,  resp.  Avaren)  überschwemmten  das  (ihr)  Land*  bin 
ich  unsicher,  ob  ^^«^  hier  richtig  ist,  denn  eben  ein  Wort  wie  )^^V^ 
fehlt  hier.    Ich  habe  an  ^^^  gedacht. 


42  IX.  Abhandlung:    Nöldeke. 

Läpä(;  Karchä  dLedhan^  und  die  Burg  Südan^^  ein;  und  bloss 
die  sehr  festen  Städte  SüS  und  SoStr^*  blieben  übrig,  während 
von  allen  Persem  keiner  mehr  den  Arabern  Widerstand  leistete 
als  König  Jezdegerd  selbst  und  einer  von  seinen  Heerflihrem 
Namens  Hormizdän,  ein  Meder,*  der  Truppen  zusammenzog 
und  Süä  und  Soätre  besetzte.  Diese  Stadt  SoStrfi  nimmt  einen 
sehr  grossen  Raum  ein  und  ist  durch  mächtige  Flüsse  und 
Wasseradern,  die  sie  von  allen  Seiten  wie  Stadtgräben  um- 
ringen, sehr  fest.  Einer  von  diesen  Gräben  heisst  ArdachSirag&n 
nach  Ardachäir,  der  ihn  angelegt  hat,  ein  andrer,  der  durch 
die  Stadt  hindurchgeht,  Samiräm  nach  einer  Königinn  (die  so 
hiess);  ein  andrer  Däräjagan  nach  Darius.  Der  grösste  von 
allen  ist  ein  mächtiger  Giessbach,  der  von  den  nördlichen  Bergen 
herkommt.^    Wider  den  Meder  Hormizd4n  zog  da  ein  arabischer 


*  Der  Ort  Karchä  dlAdhän  (\r^,  \?P,  vr*^)»  oft  i^  syriachen,  besonders 
nestorianischen  Schriften  genannt,  hiess  nach  den  Acten  des  Mftri  83 
ursprünglich  Karchä  dRidJidn.  Bei  den  Moslimen  Karchä,  das  Maq- 
disi  408  als  eine  kleine  blühende  Stadt  nennt.  Die  Rainen  etwas  eber- 
halb derer  von  Susa  am  Flusse  Kerchä,  der,  wie  de  Gk>eje  zu  der  Stelle 
Maqdisfs  bemerkt,  eben  von  der  Stadt  den  Namen  hat.  Vgl.  Tab.-Uebers.  58. 

'  ,Die  Burg  Susan*  ist  der  biblische  Name  von  Susa  (Neh.  1,  1;  oft  in 
Esther;  Dan.  8,  2).  Dies  ist  aber  auch  die  Stadt  DanieVs,  die  gleich 
darauf  richtig  mit  dem  spätem  SiÜ  {Süa  der  Araber)  gleichgesetst,  hier 
aber  doch  von  jener  Burg  Sudan  unterschieden  wird.  Ob  die  VerwirruDg 
vom  Verfasser  oder  einem  Abschreiber  herrührt,  mag  ich  nicht  entscheiden. 

»  Sostra  PUn.  12,  §  78.  Bei  den  Syrern  I^Z^oa.,  ^ht^^^  (ZDMG.  43,  393), 
9^^aA>,  auch  ^|2>-iAA,  (Martin,  L'Hexam^ron  de  Jacque  d'^desse  98,  8); 
Talm.  nnvnv  (Neubauer  382),  arab.  TWtor,  heutzutage  SüHer.  Gewiss 
liegt  auch  dem  SonraU  Plin.  6,  §  136  ein  ZQZTPATE  d.  i.  Zcodtpi  ts 
zu  Grunde. 

^  Der  bekannte  Mann,  den  die  Araber  alHormuxän  nennen.  Er  war  ans 
Mihrgftnkadhak  im  südwestlichen  Medien  (Bel&dhori  380). 

^  Aus  dem  reichen  Material  und  der  Darlegung,  die  ich  beide  von  Hoff- 
mann erhalten  habe,  konnte  ich  hier  eine  kleine  Abhandlung  über  die 
Topographie  von  SüSter  geben.  Ich  will  aber  nur  bemerken,  dass  der 
Ddräjagdn  als  Darigan  noch  bei  neueren  Reisenden  vorkommt,  wie  denn 
diese  Schilderung  im  Wesentlichen  noch  jetzt  zutrifft.  ArdaeküragAn 
geht  auf  ArdachMrf  eine  etwas  ältere  Form  von  Ardai^  zurück.  Bei 
diesem  denkt  man  allerding^s  zuerst  an  den  Gründer  des  SAs&nidenreichs; 
doch  kann  es  auch  ein  anderer  Gross-  oder  KleinkOnig  gewesen  sein, 
wie  der  Ddräjagdn  (wohl  aus  Ddrajdwakdn)  nicht  nothwendig  nach  einem 
der  Achaemeniden  dieses  Namens  genannt  zu  sein  braucht  Samirdm  ist 
natürlich  Semiraniis.     Der  Hauptfluss  ist  der  IhtgeUl,  heutzutage  Qdr^n, 


Die  Ton  Oaidi  herausgegebene  syrische  Chronik.  43 

Feldherr  mit  dem  Beinamen  Abu  Müsä,  der  dort,  wo  der  Tigris 
ins  grosse  Meer  fliesst^  Ba§ra  als  Ansiedlang  der  Araber  er- 
baut hatte, ^  eine  Stadt  zwischen  dem  Culturlande  und  der 
Wüste,  so  wie  Sa*d  Sohn  des  [Abu]  Waqqä§  eine  andre  An-  33 
siedlang  fiir  die  Araber  angelegt  hatte,  nämlich  die  Stadt  'Aqöla, 
die  wegen  der  Krümmung  (kfifüthä)  des  Euphrats  Küfa 
genannt  wurde.*  Als  nun  aber  Abu  Müsa  gegen  Hormizdän 
heraufzog,  stellte  dieser  eine  List  an,  um  die  Araber  so  lange 
vom  Kampf  gegen  ihn  abzuhalten,  bis  er  ein  Heer  zusammen- 
gebracht hätte.  Er  Uess  dem  Abu  Müsä  also  sagen,  er  möge 
mit  Menschenraub  und  Mord  aufhören,  er  wolle  ihm  so  viel 
Tribut  senden,  wie  sie  ihm  auflegten.  So  bheben  sie  zwei 
Jahre  lang.  Dann  brach  aber  Hormizdin  im  Vertrauen  auf 
die  Mauern  den  Friedensvertrag,  tödtete  die  Männer,  welche 
die  Gesandtschaften  zwischen  ihnen  besorgt  hatten,'  von  denen 
einer  Georg,  Bischof  von  Ulai,*  war,  und  sperrte  den  Abraham, 
Bischof  von  Poräth,  ein.  Er  schickte  viele  Truppen  gegen  die 
Araber,  aber  diese  vernichteten  sie  alle,  eilten  herbei,  belagerten 
Süd,  nahmen  es  in  wenig  Tagen  ein  und  tödteten  sämmtUche  ange- 
sehenen Leute  darin.  Sie  besetzten  das  Haus  dort,  so  das  des 
heil.  DaniePs  hiess,  bemächtigten  sich  des  da  eingeschlossnen 


^  Abu  MÜ8&  alAS'aii  hat  zwar  nicht  die  Anlage  Ba^ra  begonnen,  aber  die 
erste  Moschee  aus  Ziegeln  und  das  Haus  des  Statthalters  erbaut  Belft- 
dhort  347. 

*  Da  das  STrische  AqSld  wirklich  ,die  krumme*  (st  abs.  f.  oder  st.  emph. 
m.?)  heisst,  so  ist  sehr  wohl  mOglich,  dass  Ki\fa  wirklich  zu  l3^  in 
der  Bedeutung  gerundet,  gekrümmt*  gehört  (vgl.  <^Ji5üUo\  n.  a.  m.); 
dazu  stimmt  die  bessere  Etymologie  der  Araber  (Ihn  Faqüi  162  u.  a. 
!j\jJl«A>^\  rj^y^Wi  J^q.  4,  322).  Der  Name  muss  dann  aber  bei  den 
Arabern  schon  älter  gewesen  sein  als  die  Gründung  der  grossen  Stadt, 
denn  damals  war  das  Wort  gewiss  schon  nicht  mehr  allgemein  verständ- 
lich, und  hätte  man  die  Stelle  ganz  neu  benannt,  so  hätte  man  ihr  einen 
deutlichen  Namen  gegeben.     Ganz  so  ist  es  mit  Ba^ra. 

'  Ich  lese  <^*NV>V>9.  —  Wir  müssten  das  Einzelne  besser  kennen,  um  zu 
beurtheilen,  ob  dies  Verfahren  gegen  die  Leute,  die  er  früher  zu  den 
Arabern  gesandt  hatte,  wirklich  so  abscheulich  ist,  wie  es  beim  ersten 
Anblick  zu  sein  scheint.  Dem  Manne,  der  nachher  den  Arabern  gute 
Rathschläge  zur  Eroberung  seines  Vaterlandes  gab,  ist  allerdings  manches 
zuzutrauen. 

*  Ich  fasse  dies  mit  Guidi  als  den  biblischen  Namen  des  Flusses  von  Susa, 
also  ihn  als  Bischof  dieser  Stadt. 


44  IX.  Abhandlung:     Nöldeke. 

Schatzes ;  der  auf  Befehl  der  Könige  seit  der  Zeit  des  Darios 
und  Cyrus  bewahrt  worden,  und  den  silbernen  Sarkophag,  worin 
die  einbalsamierte  Leiche  lag,  die  von  vielen  fiir  die  Daniel's, 
von  andern  für  die  des  Darius  erklärt  wurde,  zerbrachen  und 
nahmen  sie.  Dann  belagerten  sie  Södtre  und  mühten  sich  zwei 
Jahr  lang  ab,  es  einzunehmen.^  Da  verabredete  sich  ein  dort 
angesiedelter  Mann  aus  Qatar^  mit  einem,  dessen  Haus  auf  der 
34  Mauer  stand,  und  sie  machten  einen  geheimen  Anschlag,  gingen 
zu  den  Arabern  hinaus  und  sagten  ihnen:  ,wenn  ihr  uns  ein 
Drittel  der  Beute  aus  der  Stadt  gebt,  so  bringen  wir  euch  hinein.' 
So  schlössen  sie  einen  Vertrag,  führten  dann  Minengänge  unter 
der  Mauer  durch  und  brachten  die  Araber  hinein.  Diese 
nahmen  also  ^dtrS,  vergossen  da  Blut  wie  Wasser  und  tödteten 
den  Schriftausleger  der  Stadt  und  den  Bischof  von  Hormizdar- 
daäir^  nebst  den  Studenten,  Priestern  und  Diakonen;  ihr  Blut 
vergossen  sie  im  HeiUgthum  selbst.  Den  Hormizdän  nahmen 
sie  lebend  gefangen. 


^  Darauf,  dass  die  Eroberung  Chüzüiftn^s,  die  durch  die  Besetzung  düSter's 
ziemlich  abg^chlossen  wurde,  geraume  Zeit  in  Anspruch  genommen  hat, 
deutet' wohl  auch  die  Verschiedenheit  der  Angaben  über  den  Kampf  um 
diese  Stadt,  s.  Ihn  Athir  2,  421,  wo  die  Jahre  17,  19,  20  d.  H.  genannt 
werden.  Die  Belagerung  selbst  hat  allerdings  schwerlich  zwei  Jahre 
gedauert;  Ihn  Athir  3,  427  hat  dafür  einige  Monate.  Bel&dhori  erzählt 
gleichfalls,  dass  erst  Süd  und  danach  SüSter  genommen  sei ;  so  eine  Nach- 
richt bei  Ihn  Athir  2,  431,  während  der  Hauptbericht  bei  ihm  das  Um- 
gekehrte hat. 

*  Auch  nach  Bel&dhorl  380;  Ibn  Athir  2,  427  f.  fiel  dü&ter  durch  einen 
Yerräther,  der  den  Belagerern  zeigte,  dass  sie  sich  an  der  Stelle,  wo 
der  Fluss  in  die  Stadt  tritt,  einschleichen  könnten.  Das  ist  wahrschein- 
licher, als  was  der  Syrer  erzählt  —  Dass  SüSter  sich  erst  friedlich  unter- 
worfen habe  (=  dem  ersten  Vertrage  Homiizd&n*s)  und  dann  abgefallen 
sei,  auch  BeUtdhorl  381  ult.  —  Wunderlich,  dass  sowohl  der  Verr&ther 
Alexandria's  (oben  S.  25)  wie  der  düsteres  aus  Qa|ar  gewesen  sein  soll! 
Hat  am  Ende  bloss  die  auch  hier  gebrauchte  Redensart  q(ar  rdzi  ,ge- 
heime  Anschläge  machen*  dazu  geführt? 

'  Die  unterhalb  Südter  am  Q&rün  liegende  Stadt,  die  später  meist  nach 
dem  Namen  der  Provinz  Ahwäz  hiess  und  unter  dieser  Benennung  noch 
auf  den  Karten  zu  finden  ist.  Vgl.  Tab.-Uebers.  19.  Sie  kommt  noch 
manchmal  in  syrischen  Werken  vor.  Die  Ebene  von  Chüzistftn  war  da- 
mals zum  grossen  Theil  christlich. 


Die  TOD  Gaidi  henuBgegebeoa  sTiische  Chronik.  45 

Darauf  ging  von  den  Arabern  ein  Mann  Namens  Chälid 
aosy  zog  nach  dem  Westen  nnd  eroberte  Länder  und  Städte  bis 
nach  'Arab.^  Als  der  römische  Eitiser  Heraklios  das  hörte^ 
sandte  er  ein  grosses  Heer  gegen  sie,  dessen  Führer  Sakellarios 
hiess,  aber  die  Araber  schlagen  sie,  vernichteten  mehr  als 
100,000  Römer  und  tödteten  ihre  Führer.*  Auch  den  Bischof  von 
öira  iSo'dädh,  der  dort  bei  *Abd  Ma§th  war  und  die  Gesandt-  35 
schafken  zwischen  Arabern  und  Römern  besorgte,  tödteten  sie.' 
So  wurden  die  Araber  Herren  aller  Länder  von  Syrien  und 
Palästina.  Sie  wollten  auch  nach  Aegypten  eindringen,  konüten 
es  jedoch  (zuerst  noch)  nicht,  da  die  Grenze  durch  den  Patriarchen 
von  Alexandria  mit  einem  Heer  und  grosser  Macht  behütet 
wurde,  er  die  Ein-  und  Ausgänge  des  Landes  verschlossen  uAd 
überall  am  Rand  des  Nils  Mauern*  erbaut  hatte.  Wegen  deren 
Höhe  vermochten  die  Araber  nur  mit  Mühe  einzudringen  und 
Aegypten,  die  Thebais  und  Africa^  einzunehmen.  Von  Kummer 
über    die    Niederlage    der    Römer     überwältigt,    ging   Kaiser 


>  S.  oben  S.  14,  Anm.  4. 

*  Dasselbe,  was  oben  8.  34  steht,  nur  ein  bischen  ^nauer.  Gemeint  ist 
natürlich  die  Entscheidungsschlacht  am  Jarmük.  Als  das  römische  Heer 
heranrückte,  mussten  die  Araber  fast  ganz  Syrien  räumen.  —  Vgl.  u.  a. 
ZDMG.  29,  79. 

'  Ch&lid  hatte  mit  den  Leuten  von  Hira  und  besonders  mit  'Abdalmasit> 
b.  *Amr,  den  Guidi  mit  Kecht  in  diesem  *Abd  Mafit^  wiederfindet,  unter- 
handelt, ehe  er  noch  seinen  berühmten  Zug  durch  die  Wüste  (,nach  dem 
Westen*)  antrat,  um  in  Syrien  das  Commando  zu  übernehmen.  —  *Abd 
Maäi]^  war  aus  dem  hochangesehnen  Geschlecht  Buqaila;  seine  hervor- 
ragende Stellung  bestätigt  auch  unsre  Erzählung.  Die  arabische  Ueber- 
lieferung  macht  einen  Witzbold  aus  ihm,  indem  sie  ihm  Antworten  in 
den  Mund  legt,  die  sich  zum  Theil  in  der  Vita  Aesopi  c.  4,  S.  16  (Wester- 
mann) wiederfinden,  s.  Belftdhori  243;  Tab.  1,  2019.  2043;  Agh.  16,  llf. 
Auch  noch  andere  Fabeleien  hat  man  ihm  angehängt,  s.  Tab.-Uebers.  254; 
Mas'üdi  1,  217  ff. 

*•  Indem  Hoffmann  I'a^  (35,  6)  mit  den  Pluralpuncten  versieht,  die  auch 
durch  das  ,an  allen  Orten*  erfordert  werden,  bringt  er  die  richtige  Be- 
zeichnung des  Suffixes  in  ^ooi/ nSn^n  zu  Weg^.  Die  Praepositiou  ^^ 
ist  da  allerdingfs  auffallend. 

'  Wir  brauchen  hierbei  wohl  nur  an  die  Einrichtung  der  östlichen  Provinz 
(Grtlndung  von  Qaimw&n  670),  nicht  an  die  Unterwerfung  des  ganzen 
Küstenlandes  (Gründung  von  Tanger  707/8)  zu  denken. 


46  IX.  Abhandlang:    Nöldeke. 

Heraklios  nach  seiner  Hauptstadt,  ward  krank  nnd  starb.     Er 
hat  zusammen  mit  seinem  Sohne  28  Jahre  regiert.^ 

Der  Sieg  der  Kinder  Ismaers,  welche  diese  beiden  mächtigen 
Reiche  tiberwunden  und  unterworfen  haben ,  ist  von  Gott  ge- 
kommen. Aber  tiber  Constantinopel  hat  ihnen  Gott  noch  keine 
Gewalt  gegeben.*    Also  ist  sein  der  Siegl 

Darüber,  was  die  Kuppel  Abraham's'  eigentlich  sei,  haben 
wir  nur  folgendes  gefunden:  weil  der  selige  Abraham  reich  an 
Vieh  war  und  sich  auch  von  dem  Neide  der  Kanaaniter  fem 
halten  wollte,  beschloss  er,  sich  in  entlegenen  und  ausgedehnten 
Wtistengegenden  aufzuhalten,  und  da  er  in  Zelten  wohnte,  so 
erbaute  er  sich  zur  Verehrung  Gottes  und  zur  Darbringung  der 
Opfer  jenen  Ort,  und  von  diesem  früheren  Bau  hat  auch  der 
heutige  seine  Benennung  empfangen,  da  die  Erinnerung  an  die 
Stelle  durch  Ueberlieferung  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  be- 
36  wahrt  worden  ist.  Und  fUr  die  Araber  ist  es  nichts  neues, 
dort  anzubeten,  sondern  diese  Sitte  herrscht  schon  längst  seit 
alten  Tagen,  indem  sie  dem  Stammvater  ihres  Volks  die  ge- 
bührende Ehre  darbringen.*  Auch  Hazor,  das  die  Schrift  die 
Hauptstadt  der  Reiche  nennt,^  gehört  den  Arabern,®  und  Medina 
ist  so  nach  Midian  dem  vierten  Sohn  der  Ketura,^  geheissen; 
es  wird  auch  Jathrib  genannt.  (Zu  Arabien  gehören  ferner)^ 
Dömat  gandaP  und  das  Land  der  Hagaräer,  reich  an  Wasser, 


^  Richtig.  Heraklios,  der  am  7.  Oct.  610  den  Thron  bestiegen  hatte,  er- 
hob am  22.  Jan.  613  seinen  Sohn  Heraklios  (Neos  Konstantinos)  zam 
Mitregenten,  und  das  blieb  er  bis  zu  des  Vaters  Tode,  am  11.  März  641. 

'  S.  die  Einleitung  oben  S.  3. 

»  Die  Ka'ba. 

*  Der  Verfasser  nimmt  die  muslimische  Legende  ohne  Bedenken  an.  Darin 
hat  er  allerdings  Recht,  dass  die  Ka'ba  nicht  etwa  erst  durch  Muhammed 
zum  Heiligthum  geworden  ist. 

»  Jos.  11,  10. 

^  Worauf  sich  diese  Behauptung  gründet,  ist  mir  völlig  räthselhaft    An 

eine  Verwechslung  von  '®^  mit  ^Qi09^  Gen.  10,  26  oder  an   J^\, 

)f-^  (s.  oben  S.  41)  ist  nicht  wohl  zu  denken. 
»  Gen.  26,  1  f. 

*  Etwas  derartiges  ist  zu  ergänzen. 

'  Die  bekannte  Oase  Dümat  algandal  im  nördlichen  Arabien,  heute  a^ 
ädf  genannt.  Zu  Muhammed's  Zeit  war  der  dortige  Fürst  ein  Christ 
(Ihn  HiS&m  903,  3). 


Dia  Ton  Goidi  bcnnsgcfebeiie  tyrbcb«  Ckronik.  47 

Dattelpalmen  nnd  festen  Gebänden.^  In  dieser  Weise  ist  aach 
das  Land  Qatts^  gut  ausgestattet,  das  am  Meer  in  der  Nachbar- 
schaft der  Qatar-Inseln  liegt;  es  ist  ebenfalls  mit  mannigfachem 
Pflanzenwnchs  reich  versehen.*  Ihm  gleicht  das  Land  Mazün, 
anch  am  Meere  liegend ,  das  mehr  als  100  Parasangen  Raum 
einnimmt,^  und  das  Land  Jamama,  mitten  in  der  Wüste,*  und 
das  Land  Taif  ^  und  die  Stadt  Qira,  von  dem  König  Mundhir 
erbaut,  so  ,der  Held'  geheissen  ward  und  der  sechste  in  der 
Reihe  der  ismaelitischen  Könige  war.* 


^  He^ar  im  Innern  von  Bahrain.  Es  kommt  im  6.  und  7.  Jahrhundert 
öfter  als  Wohnsitz  nestorianischer  Christen  und  als  DiOcese  vor  ZDMQ. 
43,  404.  407;  Ass.  3,  1,  136.  Der  Dattelreichthum  dieser  Oase  ist  bei  den 
Arabern  hochberühmt,  vgl.  z.  B.  K&mil  202.  441.  Ueber  die  persischen 
Schlosser  dort  s.  Tab.-Uebers.  260.  —  Vgl.  Wüstenfeld,  Bahrein  und  Jem&ma 
(Abb.  der  k.  Oes.  d.  Wiss.  zu  GOtüngen  Bd.  19)  S.  6  ff.  (178  ff.);  Sprenger, 
Das  alte  Arabien  §  169. 

'  AlChaU,  die  Küste  des  jetzt  LaJ}*d  genannten  Landes,  seit  Polybius  oft 
genannt,  s.  Sprenger,  Das  alte  Arabien  §  170;  Wüstenfeld  a.  a.  O.  9  (181). 
Im  7.  Jahrhundert  nestorianische  DiOcese  Ass.  3,  1,  136.  143^  ZDMQ. 
43,  407.  —  Ueber  Qatar  s.  oben  S.  25,  Anm.  2.  Mit  dem  Ausdruck  Qtifrdje 
werden  die  Leute  aus  allen  diesen  Gegenden  zusammengefasst  (s.  B.  Ass. 
3, 1,  183%  11 ;  die  BriefUberschrift  Ass.  3, 1, 134^).  Beachte,  dass  im  Catalog 
des  Abhdi&6*  mehrere  Schriftsteller  aus  Qatar  vorkommen.  —  Der  officielle 
Name  von  Chatt  H^?^)  '•^^■^^  ZDMG.  43,  407  ist  gewiss  identisch  mit 
dem  Tab.  1,  820  in  verschiedenen  Entstellungen  erscheinenden,  aber 
Form  und  Bedeutung  vermag  ich  wenigstens  doch  nicht  festzustellen.  — 

Hinter  V^?  (1.  9)  verbessert  Hoffmann  ?  ^^  wie  1.  12  und  13. 

•  =  'Oman,  s.  Jaq.  4,  521  f.  Als  Diöcese  ZDMG.  34,  396  und  öfter  (vgl.  oben 
S.  33,  Anm.  7).  Die  Christen  von  'Oman  gingen  schon  früh  zum  Islam  über, 
s.  die  dort  citierten  Stellen  aus  Ass.  3,  1.  —  Der  Verfasser  hätte  hier  u.  a. 
noch  die  zwischen  Bahrain  und  'Om&n  gelegene  Insel  Mdhndhig  nennen 
können,  die  gleichfalls  als  Diöcese  vorkommt  ZDMG.  43,  395.  404;  Ass. 
3,  1,  136*;  (^oulQ-AlO;  talm.  rrertD  Rosch  hasch.  23*;  arabisch  ^U-^ 
Jaq.  3,  132).  ^" 

*  Ein  oft  genanntes  grosses  Gebiet  im  Innern  Arabiens.  Auch  da  gab  es 
Christen;  Haudha,  der  dort  wohnende  hochangesehne  Häuptling  der 
Banü  Hanifa,  feierte  Ostern;  vgl.  Tab.-Uebers.  258  mit  263.  —  S.  noch 
Wüstenfeld's,  eben  genannte  Abhandlung  Bahrein  und  Jemftma. 

'^  Ich  halte  wenigstens  Guidi*8  Vermuthung,  dass  ^^Q-j  diesen  nach  Mekka 
und  Medina  wichtigsten  Ort  des  Hig&z  (im  weiteren  Sinne)  bezeichnen 
soll,  für  sehr  wahrscheinlich. 

^  ,Damit  scheint  Mundhir  I,  der  sechste  la^mitische  Fürst  (nach  den  beiden 
*Amr,  beiden  Imrulqais  und  N<i*m&n),  gemeint;    ich  weiss  nicht,  ob  der 


48  IX.  Abh.:    Nöldelce.    Die  Ton  Onidi  heraasgegeb^ie  syriacbe  Chronik. 

Zu  Ende    sind    die    wenigen    Notizen    aus    der    Kirchen- 
geschichte. 


\r^^  [,Held']  dem  Mehm  [,GrÖ8sten<]  NMdeke,  Gesch.  87  entspricht' 
(Quidi).  Wichtig  ist  auf  alle  Fälle,  dass,  wie  wir  hier  sehen,  schon  die 
Syrer  die  Keihe  der  Fürsten  von  Hira  festzustellen  suchten.  Die  Kelbfs 
fanden  also  auf  diesem  Gebiet  schon  einigermaassen  festen  Boden. 


) 


X.  Abbjuidliing :    Ziogerle.   Der  HiUrios-Codez  von  Lyon. 


X. 


Der  Hilarius-Codex  von  Lyon. 


Von 


Prof.  Dr.  Anton  Zingerle» 

correep.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften. 


JNur  in  ein  paar  der  zahlreichen  nnd  meine  Bemühnngen 
freundlich  anerkennenden  Besprechungen  der  Ausgabe  des 
hilarianischen  Psalmencommentars  wurde  auf  einen  erst  in 
den  letzten  Jahren  bekannt  gewordenen  Lyoner  Hilarius-Codex,^ 
und  zwar  von  competentcr  Seite  mit  der  Bemerkung  aufmerksam 
gemacht,  dass  nach  Benutzung  so  vieler  alter  Handschriften, 
worunter  zwei  aus  derselben  Zeit,  dieser  Codex  wohl  nicht 
viele  wesentliche  Aenderungen  veranlasst  haben  würde.*  Dennoch 
war  ich,  als  ich  schon  vorher,  eben  nach  Abschluss  der  Aus- 
gabe, von  dieser  Handschrift  als  hilarianischer  Kenntniss  erhalten 
hatte,  in  einer  gewissen  Aufregung;  denn  wenn  auch  die  Nicht- 
benutzung derselben  durch  die  angedeuteten  zeitUchen,  sowie 
durch  die  Verhältnisse  unserer  Bibliothek,  die  von  den  fran- 
zösischen Katalogwerken  damals  noch  nichts  besass  und  auf 
diesem  Gebiete  mich  nur  auf  Excerpte  von  freundlichen  Ge- 
lehrten anwies,  gewiss  entschuldigt  gewesen  wäre,  so  würde 
mir  doch  eine  dadurch  veranlasste  wesentliche  Schädigung  der 

»  Vgl.  Delißle»  Notices  et  Extraits  XXIX,  2,  p.  364  und  Album  pal^o- 
graphique  pl.  V.  Er  ist  allerdings  identisch  mit  Nr.  381  bei  Deladine, 
Bibl.  de  Lyon,  dort  war  er  aber  noch  nicht  mit  Hilarios,  sondern  blos 
allgemein  als  Commentarius  in  psalmos,  wie  mehrere  andere,  bezeichnet 
und  dem  8.  Jahrhundert  zugewiesen.  Mit  derselben  unbestimmten  Be- 
zeichnung hatte  ich  ihn  auch  bei  Haenel  S.  194  gefunden  und  darum 
von  der  Bitte  um  Zusendung  abgesehen,  zumal  da  ich  mit  ähnlichen 
Handschriften  nutzlose  Versuche  gemacht  hatte.  VgL  Studien  S.  942 
und  Ausgabe  p.  878.  —  Ich  citire  im  Folgenden  nach  meiner  Ausg. 

•  VgL  z.  B.  Archiv  für  lat.  Lexikogr.  VH  (1892),  a  616. 
SitzuDgsber.  d.  phil.-bist.  Ol.  CXXVm.  Bd.  10.  Abb.  1 


2  X.  Abbjuidlang:    Zingerle. 

Ausgabe,  flir  welche  so  viele  Mühe  verwendet  und  die  Ueber- 
lieferungsgeschichte  sonst  so  vollständig  verfolgt  war,  natürlich 
sehr  zu  Herzen  gegangen  sein.  Selbstverständlich  daher,  dass 
ich  mir  möglichst  bald  durch  Proben  aus  verschiedenen  und 
zugleich  besonders  bezeichnenden  Partien,  die  sich  aus  den 
nach  Paris  gekommenen  Quaternionen,^  aus  dem  Haupttheile 
in  Lyon  und  aus  dem  Facsimile  im  Album  pal^ographique 
zunächst  erreichen  Hessen,  über  die  Stellung  und  den  Werth 
dieses  Codex  ein  Bild  zu  verschaiflFen  suchte.  Ich  halte  es  für 
nützlich,  dasselbe  in  den  Hauptumrissen  mit  hoffentlich  bereits 
ziemlich  überzeugenden  und  tröstlichen  Beispielen  schon  vor- 
läufig vorzuführen,  indem  ich  mir  übrigens  für  die  praefatio 
des  zweiten  Bandes  Mittheilung  etwaiger  flir  Einzelstellen 
irgendwie  beachtenswerther  Ergebnisse  der  vollständigen  Col- 
lation  vorbehalte.  Den  Herren  Professoren  Hofrath  v.  Hartel, 
Traube,  Vrba,  Wölfflin  muss  ich  flir  die  gütige  Unter- 
stützung meiner  Bestrebungen  zur  Erreichung  dieses  Bildes 
den  herzlichsten  Dank  aussprechen.  Ich  bezeichne  im  Fol- 
genden den  Lyoner  Codex  mit  dem  Buchstaben  L. 


In  Bezug  auf  Buchstabenverhältnisse  und  Orthographisches 
zeigt  L  dieselben  Erscheinungen,  die  wir  mehr  oder  weniger 
in  allen  älteren  Codices  sichtUch  aus  dem  Archetypus  erhalten 
trafen;*  in  der  fast  regelmässigen  Wiederkehr  mancher  der- 
selben berührt  er  sich  besonders  mit  V  und  G;  so  schreibt  er 
mit  VG  adqußy  eclesia,  eseias,  profeta^  adpraehendo^  optineo 
u.  dgl.,  mit  G  die  Abkürzung  fi,  flir  noster  und  seine  Casus 
(z.  B.  p.  367,  8  flir  nostrum),  mit  V  gerne  aliutj  istutj  illut, 
paruoliy  p.  486,  21  mit  demselben  et  uellit  st.  ut  uelit,^  p.  366, 7 
mit  V*RC  repperiatur.  Viele  der  Textverderbnisse,  in  denen 
er  sich  ebenfalls  mit  V  am  häufigsten  und  oft  sehr  auffallend 
verwandt  zeigt,  erklären  sich  im  Grunde  auch  durch  derartige 

^  Ueber  dieselben,  die  dort  unter  Nouv.  acq.  lat  1593  (=  Fonds  Libri  3) 
stehen,  und  über  die  Art,  wie  sie  nach  Paris  gekommen,  vgl.  Delisle, 
Les  manascr.  des  fonds  Libri  et  Barrois  (1888),  p.  13,  Nr.  XII. 

'  Vgl.  meine  Studien  zu  Hilarius,  Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie  in 
Wien  CVIII  (1884),  S.  878  ff. 

'  ut  statt  ei  steht  in  VL  p.  486,  20;  et  statt  ex  in  YL  p.  359,  3  u.  dgl. 


Der  Hilarius-Codez  too  Lyon.  3 

uns  bekannte  Verhältnisse,  p.  355;  8  z.  B.^  wo  V  statt  esset 
edenda  (RCp)  den  Fehler  esset  tenenda  bot,  wird  derselbe 
durch  das  esset  eneda  des  L  weiter  dahin  beleuchtet,  dass 
auch  hier  die  in  unserer  Ueberlieferung  oft  begegnende  Ver- 
wechslung der  Buchstaben  d  und  n^  zum  Verderbnisse  mit- 
wirkte. Hat  da  aber  L  die  zweite  Weiterbildung  des  Ver- 
sehens* vermieden,  so  ist  er  umgekehrt  p.  370,  18  bei  auch 
wieder  enger  Verwandtschaft  mit  V  seinerseits  weiter  gegangen : 
honuniy  inquit,  est  wieder  richtig  RCp,  bonum  quid  est  V, 
bonum  quidem  est  L;  die  Corruptel,  entstanden  aus  der  ge- 
läufigen Schreibweise  inquid  und  dem  leichten  Ausfalle  des 
in  nach  der  vorangehenden  Schlusssilbe,  ^  bheb  in  V  naiv  stehen, 
in  L  wurde  sie  scheinbar  durch  das  quidem  verbessert;  ähnlich 
p.  359,  20  se  eS  ingressos  existimant  R,  sese  ingressos  existimant 
VGp,  se  ingressos  existimant  L;  363,  14  sciret  se  nisi  sub  teste 
peccare  RCp,  sciret  se  nsim  sub  testem  peccare  V,  sciret  sese 
sub  teste  peccare  L.  Gerade  auch  in  der  Auslassung  oder  Zu- 
gabe einzelner  Buchstaben,  Silben  oder  kurzer,  respective  abge- 
ktlrzter  Wörter  tritt  die  Uebereinstimmung  zwischen  L  und  V  oft 
recht  stark  hervor  oder  hat  L  aujQTallende,  selbst  von  V  vermiedene 
Fehler,  z.  B.  p.  355,  10  in  singulis  RCp,  singulis  VL;  356,  14 
lex  enim  domini  (düi)  inmaculata  RCp,  lex  enim  inmaculata 
VL;  359,  18  non  in  uia  fortuita  et  in  incerta  et  in  erratica 
RCp,  non  in  uia  fortuita  et  incerta  et  in  erratica  VL;  360, 
21  flf.,  wo  die  ganz  concinne  Aufzählung  in  primo  uersu  est: 
qui  ainbulant  in  lege  domini  ^  in  secundo . . .  in  quarto ...  in 
quinto  u.  s.  w.  entschieden  auch  an  der  zweiten  Stelle  das  von 
Cp  tiberlieferte  und  von  R, durch  blossen  Ausfall  des  in  (%) 
nach  düi  nur  leichter  verderbte  in  secundo  verlangt,  haben  V  L 
secundum  oiflFenbar  mit  gleichzeitiger,  in  unserer  Ueberlieferung 
so  häufiger  Verwechslung  von  o  und  u  und  dann  fehlerhafter 
Zugabe  des  M-Striches;*    361,  15  propriam   in  se  habet   legis 


^  Vgl.  meine  Ausgabe  praef.  p.  XVn  und  Stadien  S.  8S8. 

'  Eine  Spar  der  letzteren,  der  Dittographie,  respective  Einschiebang  des  t 

zeigt  aber  p  durch  die  Rasur  seiner  richtig  hergestellten  Lesart:    esset 

g  edenda. 
■  Vgl.  Stadien  8.  882. 
*  Diese  fehlerhafte  Zugabe  oder  Weglassung  (vgl.  Stadien  S.  906)  macht 

sich    gerade    auch    im    Consens  VL  öfter    bemerklich;    z.  B.  p.  360,  3 

1» 


^  X.  Abhandlung:    Zingerle. 

nuncupationem  RCp,  propriam  in  habet    legis   nuncupatianem 

VL'    371,  7    lasciuos   adulescentiae   coetus   derelinquens   RCp, 

lasaus  adulescentiae  coetus  derelinqtiens  V,  lassus  adulescentiae 

coetus  relinquens  L;  369,  14  derelinquat  RC,  relinquat  VLp; 

371,  21   ex  perfecta   caelestis   doctrinae   ratione  RCp,  ex  per- 

fectae  caelestis  doctrinae  ratione  VL;  372,  3  sed  absolutio  dif- 

ficultatum  in  his  ipsis  requirenda  est,  e  quibus  uidetur  existere 

RCp,   sed  absolutiu^   difßcultatum   in   his  ipsis    requirendum 

est^   cet,   VL;   372,  13   quia  RCp,   qui   VL;   372,  20   repeüü 

RCp,  pellit  VL;  374,  12  a  iuuentute  mandat-a  dei  custodiuntur 

RCp,  a  iuxientute  mandata  dei  custodiunt  VL;   363,  4  curato 

etiam   leproso  RCp,   cur   etiam  leproso  VL;   363,  11   qv4U  $i 

quis  scrutari . . .  uellet^  in  beatitudine  permaneret  {permanerä 

RCp,  permanet  VL);   365,  7    in   qua   quisque  RCp,  in^qw 

quiq.   VL;    486,  19    sed    incipiendi   a  nobis    origo    est   RCp, 

sed  (set  V)  incipienda  nobis  origo  e«*  VL;  487,  6  certtu  scüicä 

eafidei  meritis  reseraari  RCp,  certus  scilicet  se  a  fidei  meritii 

reseruari  L,  certus  scilicet  se  ad  fidei  meritum  reseraari  V.  — 

354,  25  sanctus  apostolus  Paulus  VCp,   sandus  Paulus  apo- 

stolu^  R,  sanctus  apostolus  L;  der  hier  in  L  allein  sich  findende 

Ausfall  des  Wortes  Paulus  ist   in  Verbindung   mit  apostokt 

und   dessen  bekannter   Abkürzung   leicht  erklärlich;^  für  die 

Entscheidung  der  zweifelhaften  Wortstellung  bietet  er  freilkk 

keinen   Anhaltspunkt;    ich   bin   aus   den   in   den   Studien  ist 

gelegten  Gründen  auch  in  solchen  Dingen  möglichst  conseqneot 

der  durch  GR,  G  oder  R  vertretenen   Gruppe  gefolgt,  gebe 

aber  Petschenig  Recht,    dass   hier   wohl    die    erstere  Stelluif 

vorzuziehen  war,   da  sie  sonst  die  gewöhnlichere  ist  und  R  dt 

isolirt    steht.     360,  4   in  futurorum    spem    extenditv/r  VRCp, 


cum  ohUuionem;  366,  20  cum  retterentiam;  370,  6  quia  aera  Ued 

utilU  8Ü  offliuumem  uüiorum;  875,  23  machte  V*  tuper  gratiam  anf 

ffratiaj  L  stimmt  mit  V  überein;  684,  17  amoenUatem  statt  amoemtäeU 

^  Zunächst  war  bei  der  häufigen  Verwechslung  von  o  und  ti  (ygl  Stndifli 

S.  890)  cLbsoluHu  entstanden  und  daraus  weiter  ab9oluUuß  (Stadien  8.^ 

Aehnliches  auch  bei  Livius  Öfter,  vgl.  meine  Beiträge  cur  4.  Decade&t); 

requirendu  entwickelte  sich  durch  die  ebenso  häufige  Yerwechsliing  f«>' 

sehen  a  und  u  (vgl.  Studien  S.  880) ;  L  hat  z.  B.  auch  fOr  sich  «^ 

thümlich  p.  696,  16  caeUMü  sUU  cadestia^  697,  6  cum  itatt 

^  Vgl.  z.  B.  die  adn.  crit.  zu  p.  203,  19  meiner  Ausgabe. 


Der  Uilarins-Codez  ron  Lyon.  O 

futv/rorum  spem  extenditur  L;  487,  13  ut  inimicos  diligamus 
VRCp,  ut  in  inimicos  diligamus.  L;  364,  10  quos  et  nobiscum 
manere  {martere  VRCp,  mane  L) . . .  acimvs]  372,  21  hanc 
enim  propheta  (profeta  V)  praetulit  causam  VRCp,  hanc  enim 
protulit  causam  L;  373,  20  primu8  uersus  de  custodiendis  ah 
adulescente  mandatis  dei  constitit  RCp,  V  hat  an  letzter  Stelle 
constituity  L  Hess  das  Wort  bezeichnend  weg;  368,  15  cum  in 
omnia  dei  mandata  respiceret  (respiceret  VRC*p,  respiret  C^, 
resipisceret  L) ;  225,  21  cauendum  autem  est,  ne  , . , ,  detrahatur 
{detrahatur  RPT,  in  der  gekürzten  Ueberarbeitnng  V  fehlt 
diese  Stelle,  detrahebatur  L);  596,  24  quod  esse  homo  intelle- 
getur  {intellegetur  R,  intelligitur  P,  in  G  sind  die  betreffenden 
Silben  dieser  und  der  folgenden  Stelle  nicht  mehr  leserlich,  in 
der  Kürzung  V  ist  dieses  ganze  erste  Capitel  weggelassen, 
T  fehlt  hier,  intellegeretur  L);  597,  22  exddium  antea  ita 
nuntiante:  terra  uestra  cet  RP,  exddium  ante  adnuntiante: 
terra  uestra  cet.  L;^  684,  10  in  eo  enim,  quod  ita  coepit 
propheta:  ecce  cet,  docemv/r,  quid  bonum  atqae  iucundum  sit 
(in  eo  enim,  quod  ita  coepit  propheta  PT,  G  beginnt  erst  mit 
pit  profeta,  V  hat  in  seiner  Kürzung  wieder  dieses  ganze 
Capitel  unterdrückt,  in  R  fehlt  dieser  Psalm  vollständig,  in  eo 
enim  quod  ita  est  coepit  profeta  L).  Einigermassen  beachtens- 
werth  könnte  von  Derartigem  aus  den  bisherigen  Proben  viel- 
leicht p.  362,  19  erscheinen,  wo  L  allein  sicut  et  cetera  bietet 
gegenüber  sicut  cetera  VRCp,  wo  aber  in  V  diese  Worte  mit 
mehreren  anderen  erst  von  zweiter  Hand  am  unteren  Rande 
nachgetragen  sind.*  Bisweilen  hat  L  sichtlich  nicht  nur  kleinere, 
sondern  auch  auffallendere  Auslassungen,  von  denen  trotz  dieses 
häufigen  und  in  mancherlei  Gruppirungen  auftretenden  Fehlers 
unserer  Ueberlieferung  (vgl.  Studien  S.  898  ff.)  die  anderen 
Handschriften  insgesammt  sich  frei  hielten.  Z.  B.  p.  487,  3  sed 


^  Aehnlich  362,  13  L  in  Uebereinstimmung  mit  V  idcirco  adiectum  est: 
prtieceptum  cet.  für  idcirco  ita  dictum  est :  prcieceptum  RCp. 

'  p.  363,  15  entdeckte  ich  durch  L  noch  einen  trotz  alles  Fleisses  über- 
sehenen, aber  wohl  zu  entschuldigenden  Druckfehler  meiner  Ausgabe. 
Es  muss  heissen  et  omne  hoc,  uacuum  quod  putettur,  repletum  est  angelis 
dei  nihilque  est,  quod  cet. ;  est  nach  repletum  steht  nicht  nur  in  L,  sondern 
auch  in  YKCp  und  in  meinem  Manuscripte,  es  fiel  nur  durch  Versehen 
des  Setzers  am  Schlüsse  der  Zeile  aus. 


4:  X.  Abhandlung:    Zingerle. 

nuncv/pationem  RCp,  propriam  in  habet  legis  nuncupationem 
VL;  37 1,  7  lasciuos  adulescentiae  coetus  derelinquens  RCp^ 
lasaus  adulescentiae  coetus  derelinquens  Y,  lassus  adulescentiae 
coetvs  relinquens  L;  369,  14  derelinquat  RC,  relinquat  VLp; 
371,  21  ex  perfecta  caelestis  doctrinae  ratione  RCp,  ex  per- 
fectae  caelestis  doctrinae  ratione  VL;  372,  3  sed  absolutio  dif- 
ficultatum  in  his  ipsis  requirenda  esty  e  quibus  uidettir  existere 
RCp,  sed  absolutius  difficultatum  in  his  ipsis  requirendum 
est^  cet  VL;  372,  13  quia  RCp,  qui  VL;  372,  20  repellit 
RCp,  pellit  VL;  374,  12  a  iuuentute  mandata  dei  custodiuntur 
RCp,  a  iuuentute  mandata  dei  custodiunt  VL;  363,  4  curaJto 
etiam  leproso  RCp,  cur  etiam  leproso  VL;  363,  11  qxuu  si 
quis  scrutari . . .  uellet^  in  beatitudine  permaneret  (permaneret 
RCp,  permanet  VL);  365,  7  in  qua  quisque  RCp,  in^qua 
quiq.  VL;  486,  19  sed  incipiendi  a  nobis  origo  est  RCp, 
sed  (set  V)  incipienda  nobis  origo  estWL'j  487,  6  certus  scilicet 
eafidei  meritis  reseruari  RCp,  certus  scilicet  se  a  fidei  rneritis 
reseruari  L,  certus  scilicet  se  ad  fidei  meritum  reseruari  V.  — 
354,  25  sanctus  apostolus  Paulus  VCp,  sanctv^  Paulus  apo- 
stolus  R,  sanctus  apostolus  L;  der  hier  in  L  allein  sich  findende 
Ausfall  des  Wortes  Paulus  ist  in  Verbindung  mit  apostolus 
und  dessen  bekannter  Abkürzung  leicht  erklärlich;^  für  die 
Entscheidung  der  zweifelhaften  Wortstellung  bietet  er  freilich 
keinen  Anhaltspunkt;  ich  bin  aus  den  in  den  Studien  dar- 
gelegten Gründen  auch  in  solchen  Dingen  möglichst  consequent 
der  durch  GR,  G  oder  R  vertretenen  Gruppe  gefolgt,  gebe 
aber  Petschenig  Recht,  dass  hier  wohl  die  erstere  Stellung 
vorzuziehen  war,  da  sie  sonst  die  gewöhnlichere  ist  und  R  da 
isoUrt    steht.     360,  4   in  futurorum   spem    extenditwr   VRCp, 


cum  oUiuionem;  366,  20  cum  reuerentiam;  370,  6  quia  sera  licet  emendatio 
utüis  sit  oUiuionem  uUiorum;  875,  23  machte  V*  niper  grcUiam  aus  mper 
grcUia^  L  stimmt  mit  V  überein;  684,  17  amoenitatem  statt  amoenitaU  L. 

^  Zunächst  war  bei  der  häufigen  Verwechslung  von  o  und  u  (vgl.  Stadien 
S.  890)  ahacluHu  entstanden  und  daraus  weiter  abaclutiu*  (Studien  S.  898, 
Aehnliches  auch  bei  Livius  Öfter,  vgl.  meine  Beiträge  sur  4.  Decade  S.  2); 
requirendu  entwickelte  sich  durch  die  ebenso  häufige  Verwechslung  zwi- 
schen a  und  u  (vgl.  Studien  S.  880) ;  L  hat  z.  B.  auch  für  sich  eigen- 
thümlich  p.  596,  16  caeUaUu  statt  caelettia,  597,  6  eum  statt  eam. 

'  Vgl.  z.  B.  die  adn.  crit.  zu  p.  203,  19  meiner  Ausgabe. 


Der  Uilarias-Codex  ron  Lyon.  D 

futiirorum  spem  extenditur  L;  487,  15  ut  inimicos  diligamus 
VRCp,  ut  in  inimicos  diligamus.  L;  364,  10  quos  et  nobiscum 
manere  (nianere  VRCp,  mane  L) . . .  scimus*  372,  21  hanc 
enim  propheta  (jprofeta  V)  praetulit  causam  VRCp,  hanc  enim, 
protulit  causam  L;  373,  20  primus  uersus  de  custodiendis  ab 
adulescente  mandatis  dei  constitit  RCp,  V  hat  an  letzter  Stelle 
constituity  L  liess  das  Wort  bezeichnend  weg;  368,  15  cum  in 
omnia  dei  mandata  respiceret  (respiceret  VRC*p,  respiret  C^, 
resipisceret  L);  225,  21  cauendum  autem  est^  ne  . , . ,  detrahatur 
{detrahatwr  RPT,  in  der  gekürzten  Ueberarbeitung  V  fehlt 
diese  Stelle,  detrahebatur  L);  596,  24  quod  esse  homo  intelle- 
getur  (intellegetur  R,  intelligitur  P,  in  G  sind  die  betreffenden 
Silben  dieser  und  der  folgenden  Stelle  nicht  mehr  leserlich,  in 
der  Kürzung  V  ist  dieses  ganze  erste  Capitel  weggelassen, 
T  fehlt  hier,  intellegeretur  L);  597,  22  excidium  antea  ita 
nuntiante:  terra  uestra  cet  RP,  excidium  ante  adnuntiante: 
terra  uestra  cet,  L;^  684,  10  in  eo  enim,  quod  ita  coepit 
propheta:  ecce  cet,  docemur,  quid  bonum  atque  iucundum  sit 
{in  eo  enimy  quod  ita  coepit  propheta  PT,  G  beginnt  erst  mit 
pit  profeta,  V  hat  in  seiner  Kürzung  wieder  dieses  ganze 
Capitel  unterdrückt,  in  R  fehlt  dieser  Psalm  vollständig,  in  eo 
enim  quod  ita  est  coepit  profeta  L).  Einigermassen  beachtens- 
werth  könnte  von  Derartigem  aus  den  bisherigen  Proben  viel- 
leicht p.  362,  19  erscheinen,  wo  L  allein  sicut  et  cetera  bietet 
gegenüber  sicut  cetera  VRCp,  wo  aber  in  V  diese  Worte  mit 
mehreren  anderen  erst  von  zweiter  Hand  am  unteren  Rande 
nachgetragen  sind.*  Bisweilen  hat  L  sichtlich  nicht  nur  kleinere, 
sondern  auch  auffallendere  Auslassungen,  von  denen  trotz  dieses 
häufigen  und  in  mancherlei  Gruppirungen  auftretenden  Fehlers 
unserer  Ueberlieferung  (vgl.  Studien  S.  898  ff.)  die  anderen 
Handschriften  insgesammt  sich  frei  hielten.  Z.  B.  p.  487,  3  sed 


^  Aehnlich  362,  13  L  in  Ueberelnstimmung  mit  V  iddrco  adiectum  est: 
praeceptum  cet.  für  idcirco  ita  dictum  est :  praeceptum  RCp. 

'  p.  363,  15  entdeckte  ich  durch  L  noch  einen  trotz  alles  Fleisses  über- 
sehenen, aber  wohl  zu  entschuldigenden  Druckfehler  meiner  Ausgabe. 
Es  muss  heissen  et  omne  hoc,  uacuum  quod  puteitur,  repletum  est  angeHs 
dei  nihilque  est,  quod  cet, ;  est  nach  repletum  steht  nicht  nur  in  L,  sondern 
auch  in  VKCp  und  in  meinem  Manuscripte,  es  fiel  nur  durch  Versehen 
des  Setzers  am  Schlüsse  der  Zeile  aus. 


6  X.  Abhandlung:     Zingerle. 

lioluntas  et  religio  cor  eins  ex  eo,  in  quo  manehaty  originis 
uitio  ad  itLstificationum  opera  declinat.  et  declinat  in  omni 
uitae  8uae  tempore  (opera  declinat  et  declinat  VRCp,  opera 
declinat  L);  371,  8  adulescentiae  coetus  derelinquens  et  ab  ipso 
senum  nuper  credentium  consessu  remotus  (senum  VRCp, 
om,  L). 

Sonst  aber  bricht  auch  in  Anderem,  wie  im  Bisherigen 
so  oft,  die  Verwandtschaft  mit  V  immer  stark  genug  durch. 
Zum  Beweise  noch  einige  Beispiele  verschiedener  Art.  p.  355, 
26  namque  qui  simpliciter  ea,  quae  inter  manus  sihi  inciderint^ 
legunt  (indderint  RCp,  inciderunt  VL);  368,  25  faueat  RCp, 
foueat  VL;  370,  18  iuueni  uiro  RCp,  iuueni  uero  VL;  370, 
24  prouectioris  aetatis  RCp,  profectioris  aetatis  VL;  371,  2, 
wo  ich  istud  crudi  nach  cod.  r  herstellte  (vgl.  Studien  S.  925), 
hat  V  istute  rudi,  L  istut  erudi  (R  istud  rudiy  CpA  istud 
mdes)]  373,  4  meminimus  et  Paulum  ad  Corinthios  adhuc  in 
fide  paruulos  quaedam  dei  eloquia  occultasse  {quaedam  dei 
eloquia  [aeloquia  R]  occultasse  [occuluisse  Cp]  RCp,  quendam 
dei  eloquio  occuluisse  VL);^  373,  11  dare  RCp,  donari  VL; 
376,  11  periculosa  est  humanarum  mentium  et  molesta  desidia 
(mentium  RCp,  gentiü  VL);  375,  9  conscientia  (constientia  E) 
spectantium  RCp,  constantia  spectantium  VL;  375,  14  deUc- 
tatur  enim  sicut  in  diuitiis  omnibus;  non  tantum  in  diuitiiSf 
sed  in  diuitiis  omnibus.  sunt  opes  in  auro,  sunt  in  argento  cet, 
RCp,  delectatur  enim  sicut  opes  in  auro  sunt  in  argento  cet, 
V^,  delectatur  enim  sicut  in  omnibus  diuitiis;  non  tantum  in 
diuitiis^  sed  in  diuitiis  omnibus,  sicut  opes  in  aurOy  sunt  in 
argento  cet,  V*  L.*  Die  Entwicklung  des  Versehens  Hegt  so 
klar  zu  Tage,  interessant  aber  ist  dabei  die  schon  früher  ge- 
legentlich bemerkte  Uebereinstimmung  von  L  mit  V*;  371,  10 
silebit  etiam  congruam  fidei  et  iuuentuti  existimans  tacitumi- 
tatem  (etiam  congruam  fidei  R,  etiam  cdgruam  igtitur  fide  V  *, 
etiam  congruam  igitur  fidei  V^LCp).  Die  Einfdgung  des  igitur 
wurde  hier  wohl  durch  die  nachgewiesene  öftere  Verwechslung 

^  Petschenig  wünscht  occuluisse  im  Texte  gehalten;  es  ist  dies  aUerdings 
ein  ähnlicher  Fall  wie  der  ohen  berührte  364,  25,  und  ich  bin  da  in 
der  Consequenz  gegenüber  R  wohl  zu  streng  gewesen. 

'  Von  y  sind  die  Worte  in  omnibtu  diuitiis  bis  in  diuUiis  omnibus  sicut 
am  unteren  Rande  nachgetragen. 


\ 


Ifc  'E.Jhnio-'' -ttüBi  vtA  LvML. 


der  Wörtclieii  tttisä^  *rr^j.  tiiavL.  i^itmr  •  vgL  praef.  meiner  Aus- 
gabe p.  XVI»  in  der  Weise  Tenmlaisst«  dass  frühe  bei  einem 
Zweifel  iyitur  zu  ttiam  als  Variante  an  den  Rand  geschrieben 
und  dann  fiÜschEch  anch  noch  an  jene  Stelle  des  Tesrtes  ge- 
setzt wurde. 

p.  363,  22  scheint  ein  eigenartiges,  in  mehrfacher  Be- 
ziehung mittheilenswerthes  Beispiel  quu  ad  tcelus  nisi  secreimm 
elegitt  (eleyit  LR,  eli^  VC,  tli^  p)  quis  €ui  aduU^rimm  Hon 
aut  9olitudinem  auf  noct^m  {^noctem  VRCp,  noci^  L")  opt4Mnitf 
(optauit  RC,  opt/ibit  VLp  et  si  quando  incatesc^ntibus  (in- 
calescentibus  VLR,  incaUtcentihu*  ttitiU  Cp)  iam  ad  crimen 
animis  promptum  est  (animis  promptnm  est  VR,  animus 
pramptus  est  LCp),  tarnen  furor  ifisanientis  uoluptatis  occursu 
testis  coercetur  (coercetur  V*,  cohercetur  RCp,  coerceretur  \\ 
coercet  is  L).  Man  ersieht  hieraus  nicht  nur  wieder  das  in 
den  Studien  geschilderte  mehrfache  Ineinandergreifen  kleinerer 
Buchstabenverwechslungen,  wobei  der  G  nächst  verwandte  R 
öfter  im  Richtigen  consequenter  ist  als  andere,  sondern  wir 
haben  da  auch  einen  Fall,  wo  L  in  einer  etwas  bedeutenderen 
Variante,  die  dann  in  Cp  und  in  allen  früheren  Ausgaben  eine 
sichtliche  Interpolation  veranlasste,  von  V  abweicht.  Ich  ver- 
hehle nun  nicht,  dass  die  von  der  eigentlichen  Interpolation 
noch  freie  Lesart  L  bei  persönlicher  und  substantivirter  Auf- 
fassung des  incalescentibus  noch  haltbar  wäre,  glaube  aber 
kaum,  dass  gegenüber  dem  auch  hier  theilweise  sonst  recht 
fehlerhaften  L  (vgl.  am  Schlüsse  auch  das  coercet  isl)  der  in 
Ermanglung  des  G  meist  so  erprobte  Consens  VR  zu  opfern 
ist,  da  er  sich  im  engen  Anschlüsse  an  das  Vorhergehende 
leicht  erklärt  (et  si  quando  [adulterium]  incalescentibtts  iam 
ad  crimen  animis  promptum  est),^  Vielleicht  fühlte  dies  auch 
der  zweite  Corrector  des  cod.  V,  der  sonst  bei  Einzolvor- 
besserangen,  respective  Ergänzungen  der  nicht  eigentlich  über- 


^  Die  enge  Beziehung  dieses  Satzes  auf  das  vorher  erwähnte  aduUerium 
wird  auch  durch  das  von  allen  Handschriften  überlieferte  uolupt<Ui» 
(nicht  tioluntatis)  im  Folgenden  bestätigt.  Da  nun  aber  der  animus  doch 
gewiss  schon  bei  der  Wahl  des  geheimen  Ortes  pramptua  war,  erwartet 
man  hier  wohl  auch  eher  die  hervorhebende  Steigerung,  dass  selbst, 
wenn  das  aduUerium  pnynvptum  est,  die  wilde  Leidenschaft  (vgl.  furor 
insanieiUis  uduptatisj  durch  Störung  der  Einsamkeit  gehemmt  wird. 


8  X.  AbhAndlaDg:    Zingerle. 

arbeiteten  Partien  nach  manchen  Anzeichen  einen  ähnlichen 
Codex  wie  L  vor  Augen  hatte,  hier  aber  an  V  ^  nichts  änderte, 
p.  596,  21  bestätigt  L  meine  leichte  Herstellung  TnonHramv^ 
(monatrantes  G,  monstremxis  RP).  p.  225,  1  jedoch,  wo  V  wieder 
in  Folge  der  starken  Kürzung  fehlt  und  auch  G  nicht  zu  Ge- 
bote steht,  wird  nun  L,  die  verderbten  Spuren  der  sonst  oft 
verdächtigen  Genossen  PT  aufhellend  und  gegenüber  R  die 
Gruppe  LPT  in  gewisser  Weise  herstellend,^  die  Einschiebung 
des  8e  nach  gutem  Sprachgebrauche  veranlassen:  res  non  sui 
86  temporis  (misetemporis  L,  sui  ^  /eras.  s7  et  temparis  P  ^,  sui 
sed  temporis  T,  sui  temporis  R),  quo  scriptum  est,  continere 
testatur.  Sonst  könnte  unter  den  bisherigen  Proben  auch  noch 
p.  357,  4  Nachdenken  erregen,  wo  L  innocentiae  secundum 
iudicium  saeculi  Studium  bietet  (gegenüber  innocentia  secundum 
iudicium  saeculi)^  dabei  wenigstens  im  innocentiae  auch  mit 
V  tibereinstimmt  und  an  Verbindungen  erinnert  wie  359,  3; 
370,  5.  In  der  Fassung  der  Bibelcitate  weicht  L  von  V,  dem 
gerade  auf  diesem  Gebiete  wichtigen  Zeugen,^  manchmal  etwas 
auffallender  ab,  als  man  dies  nach  der  im  eigentlichen  Hilarius- 
texte  meist  so  stark  hervortretenden  Verwandtschaft  erwarten 
könnte.  Z.  B.  p.  224,  17  dum  depraecor  ad  te  V,  cum  precor 
ad  te  L,  cum  deprecor  R  (==  Vulg.);  355,  4  sciens  a  quibus 
didiceris  V,  sciens  a  quibus  didicisti  LRC,  sciens  a  quo  didi- 
cisti  p;  6  in  salutem  VRCp,  ad  salutem  L;  359,  7  serite  in 
iustitiam  VRC  (oxefpaxs  £t^  $ixa(0(7uyr^v  LXX),  serite  in  iustitia 
Lp  (doch  im  Folgenden  hat  auch  L  mit  VRC  in  fructum)] 
361,  23  bouis  triturantis  VRCp,  boui  trituranti  L;  362,  I 
unum  ex  libera  VRCp,  unum  de  libera  L;  364,  18  nescis 
quid  Sit  V,  nescis  quid  (quia  C)  est  LRCp;  369,  2  non 
derelinqvAis  {non  derelinquas  VRCp,  ne  derelinquas  L)  nos  in 
temptationey  quam  sufferre  (sufferre  V,  ferre  LRCp)  ntm  pos- 
sumus  {possumus  VR,  possimus  LCp);  370,  3  in  quo  corrigit 
{corrigit  VL^p,  corriget  RL^C)  adulescens  {adulescens  VRCp, 


^  Im  118.  Paalm  finden  sich  auch  vereinzelte  Berührungen  mit  der  Gruppe 
Cp;  z.  B.  p.  368,  3  ud  neglegerUiae  VR,  euU  negUgentiiie  LCp;  p.  357,  16 
in  U9U  Vp,  in  luu  R,  in  unu  LC. 

'  Vgl.  meine  diesbezügliche  Untersuchung  in  den  Pbilolog.  Abhandlungen 
IV,  76flf. 


Der  HiUrins-Codex  von  Lyon.  9 

iunior  L)^  uiam  suam]  487,  23  et  matrem  suam  V,  et  matrem 
LCp,  om,  R;  596,  10  qui  habitat  in  Hierusalem  VR,  qui 
habitat  Hiervsalem  L;  597,  25  et  desolata  et  subuersa  GRP 
(V  ist  hier  gekürzt),  et  desolata  subuersa  L;  224,  18  ervs  V, 
eripe  LR  (vgl.  die  Addenda  meiner  Ausgabe  p.  XXI). 

Im  Uebrigen  offenbarte  sich  ein  bemerkenswertherer  Unter- 
schied hauptsächlich  nur  darin,  dass  in  L  die  in  V  und  r  hie  und 
da  gekürzten  oder  überarbeiteten  Partien  unverkürzt  und  voll- 
ständig, wie  in  den  übrigen  Handschriften,  geboten  sind.  Im 
Ganzen  aber  kann  Derartiges  fllr  den  Kenner  an  den  sonst 
80  bestimmt  hervortretenden  Verwandtschaftsverhältnissen  wenig 
ändern,  da  einzelne  Bibelcitate  in  allen  Codices,  auch  in  den 
verwandtesten,  aus  anderswo  dargelegten  Gründen  schwanken* 
und  jene  theilweisen  Kürzungen,  respective  Ueberarbeitungen  in 
V,  sowie  im  jüngeren  r,  welchen  letzteren  ich  nun  nach  allen 
Erfahrungen  nur  mehr  ftir  eine  aus  V  geflossene  Abschrift 
ersten  oder  zweiten  Grades  halten  kann,^  lediglich  auf  Ent- 
stehung in  einem  zum  praktischen  Gebrauche  in  der  Veroneser 
Kirche  angelegten  Exemplare  hindeuten.*  Der  Grundstock 
dieses  ,Handexemplares'  der  italienischen  Gemeinde,  um  den 
Ausdruck  zu  gebrauchen,  war  aber,  wie  die  obigen  Beispiele 
intacter  Partien  aus  verschiedenen  Gruppen  des  Werkes  gewiss 
schon  auffallend  genug  gezeigt  haben,  aus  einer  ganz  ähnlichen 
Vorlage  geflossen  wie  der  im  Heimatlande  des  heil.  Hilarius 
wieder  entdeckte  Lyon  er  Codex.  Einen  Gedanken,  der  sich 
mir  unter  solchen  Verhältnissen  fast  aufdrängt,   kann  ich  hier 


*  VR  haben  iunior  nur  in  der  Ueberschrift  p.  369,  16;  die  Vulg.  bietet 
ddolescentior. 

*  Vgl.  Philolog.  Abhandl.  IV,  82  ff.  Frühe  Correcturen  mit  Benützung  von 
Varianten  lassen  sich  da  in  unserer  Ueberlieferung  mehrfach  nachweisen; 
manche  Spuren,  namentlich  im  alten  G,  weisen  auch  darauf,  dass  ein- 
zelne Bibelverse  am  Anfange  der  Tractate  nicht  immer  sofort  zugleich 
mit  dem  hilarianischen  Texte  vollständig  abgeschrieben,  sondern  nach- 
träglicher Ergänzung  überlassen  wurden.    Vgl.  Studien  S.  878. 

*  Dies  nun  zur  näheren  Formulirung  des  in  den  Studien  S.  960  An- 
gedeuteten. 

*  Vgl.  Studien  S.  917,  wo  auch  darauf  hingewiesen  ist,  wie  dieses  hila- 
rianische  Werk  gerade  in  der  Veroneser  Kirche  frt&e  populär  wurde  und 
auf  ähnlich  gekürzte  Arbeiten  Zeno's  einwirkte. 


10  X>  AbhftndluDg:    Zingerie. 

nicht  unterdrücken.  Beachten  wir,  wie  Correcturen  und  Er- 
gänzungen, welche  die  zweite  Hand  im  erhaltenen  ,Hand- 
exemplare  der  Veroneser  Kirche'  sicher  nach  einer  anderen, 
aber  verwandten  Vorlage  vornahm,  schon  in  den  bisherigen 
Beispielen  mehrfach  mit  L  sich  deckten,  so  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  der  Corrector  (V*)  zur  Verbesserung  der  blos  aus 
Nachlässigkeit  entsprungenen  Fehler  und  zufälligen  Auslassungen 
in  sonst  nicht  überarbeiteten  Partien  des  Handexemplares  einen 
damals  noch  in  Verona  befindlichen  vollständigen  Codex,  der 
mit  L  aufs  Engste  verwandt  war,  benutzt  habe.  Dass  er 
dabei  nicht  auch  die  stark  gekürzten  und  eigentlich  über- 
arbeiteten Theile  des  Handexemplares  darnach  verbesserte  oder 
ergänzte,  könnte  nicht  gegen  diese  Ansicht  geltend  gemacht 
werden;  hätte  er  in  diesem  Falle  ja  die  betreffenden  Partien 
ganz  umschreiben  müssen,  wie  es  bei  unseren  Collationen  auch 
geschehen  musste,  und  den  Charakter  imd  Zweck  des  von 
ihm  corrigirten  Exemplares  verändert,  was  offenbar  nicht  in 
seiner  Absicht  liegen  konnte.^ 

Die  Sache  ist,  hoffe  ich,  nun  schon  ziemlich  klar  ge- 
worden. Wesentlich  Neues  von  Bedeutung  werden  wir  wirklich 
auch  von  einer  vollständigen  Vergleichung  des  L  kaum  mehr 
zu  erwarten  haben.  Der  Gewinn  dürfte  sich  etwa  auf  Auf- 
hellung mancher  Punkte  in  den  Verhältnissen  V^  und  V*  be- 


^  Einigermassen  überrascht  war  ich,  in  einer  sonst  auch  sehr  dankens- 
werthen  Recension  die  Ausstellung  zu  lesen,  dass  ich  bei  den  verkürzten 
Partien  im  kritischen  Apparate  nur  stellenweise  angegeben  habe,  was  in 
y  fehle,  nachdem  ich  darüber  mich  doch  praef.  p.  XV  deutlich  ge&ussert 
hatte.  Wo  eben  nicht  mehr  nur  einzelne  Sätze  ausgelassen  waren, 
sondern  die  Verkürzung  zu  einer  eigentlichen  Ueberarbeitung  geworden 
war  und  nur  mehr  hie  und  da  eine  hilarianische  Phrase  enthielt,  konnte 
ich  die  einzelnen  Ausfiille  und  Aenderungen  unmöglich  mehr  notiren, 
ebensowenig  wie  der  Corrector  des  cod.  V,  sondern  musste  mich  für 
meinen  Zweck  mit  der  gewissenhaften  Angabe  der  noch  aus  Hilarius 
erhaltenen  und  für  die  Textgeschichte  bei  Vergleichung  mit  den  Va- 
rianten der  übrigen  Handschriften  noch  irgendwie  verwendbaren  Worte 
begnügen.  Zur  vollständigen  Klärung  wurden  zudem  Proben  solcher 
Ueberarbeitungen  auch  aus  Y  im  Anhang  vollständig  abgedruckt,  und 
wer  dieselben  näher  eingesehen,  wird  die  Nothwendigkeit  des  befolgten 
Planes  mehr  und  mehr  würdigen.  Es  handelte  sich  da  ja  um  eine 
kritische  Ausgabe  des  echten  Hilarius;  ein  Corpus  der  Pseudohilariana 
musste  einen  Band  für  sich  bilden. 


\ 


Der  UiUrins-CoUex  von  Lyou.  11 

asiehen,  hie  und  da,  namentlich  wo  V  überarbeitet  ist,  auch 
zur  noch  besseren  Beleuchtung  der  Entwicklungsgeschichte  einer 
Fehlerreihe  beitragen,  wie  wir  ein  solches  Beispiel  auch  schon 
gelegentlich  getroffen,  und  ein  paar  andere  hier  schUessUch 
noch  anfügen  wollen,  p.  225,  13,  wo  G  und  V  uns  fehlen, 
bieten  RPT  unigeniti  dei  filiiy  in  L  ist  dei  (dt)  durch  leichtes 
Versehen,  wie  auch  sonst  öfter  in  ähnhchen  Handschriften,^ 
ausgefallen;  dieses  Versehen  erklärt  nun  aber,  wie  alte  Aus- 
gaben bei  nachträglicher  Einschiebung  zur  Wortstellung  unigeniti 
filii  dei  gelangen  konnten.  226,  2  hat  R,  der,  wie  nachgewiesen, 
verhältnissmässig  am  nächsten  an  G  heranreicht  und  deshalb 
da,  wo  GV  im  Stiche  lassen,  in  erster  Linie  auch  mit  kleinen 
Eigenthümlichkeiten  zu  notiren  war,  quid  %  de  diuinitatis  suae 
natiuitate;  der  richtig  gelöschte  Buchstabe  zeigte  ein  früheres, 
leicht  erklärUches  Versehen  an.  L  mit  seinem  quidediuinitatis 
cet,  hellt  dasselbe  als  ein  altes  vollständig  auf;  der  Schreiber 
des  cod.  R  hatte  zuerst  sichtlich  auch  nach  einer  Vorlage  guide 
geschrieben,  war  dann  aber  bald  auf  das  richtige  quid  de  auf- 
merksam geworden  und  tilgte  jenes  zu  früh  gesetzte  e.  596,  16, 
wo  V  gekürzt  ist,  lesen  wir  in  G  relinquent,  richtig  schon 
wegen  des  folgenden  durch  GRP*  und  nun  auch  L  bestätigten 
constituent;  relinquunt  LP*,  relinqunt  R,  vgl.  über  Verwechs- 
lungen von  e  und  u  in  unserer  Ueberlieferung  Studien  S.  891. 
596,  27  intellegimus  G,  intellegamua  L  mit  RP;  da  nun  in 
dieser  kleinen,  ebenso  leicht  erklärlichen  Variante  (vgl.  über 
a  und  i  praefatio  m.  Ausg.  p.  XVII)  L  zu  RP  tritt,  dieselbe 
auch  in  den  Zusammenhang  gut  passen  würde,  kann  Zweifel 
entstehen.  597,  17  sacrilega  caedes  prophetarum  richtig  P,  wie 
schon  die  Sache  selbst  und  die  folgenden  Verbindungen  zeigen; 
sacrilegia  caedes  profetarum  GLR  und  selbst  der  gekürzte  V 
im  hier  beibehaltenen  Wortlaute;  L  bestätigt  also  da  nur  den 
leichten  Zusatzfehler  der  übrigen  ältesten  Handschriften,  während 
er  umgekehrt  226,  22  allein  durch  Auslassung  ein  inprohahili 
statt  inprohabilia  verschuldet  hat.  684,  14,  wo  V  überarbeitet 
ist  und  R  den  ganzen  Psalm  ausliess,  treffen  wir  folgende  Reihe: 
ea  ratio  profetae  est  G,  ea  ratio  a  propheta  est  PT,  a  profeta 
ea  ratio  est  L  —  dieselbe  ist  in  ihrer  Entstehung  gewiss  auch 


^  Vg;!.  auch  oben  S.  3  die  Auslassung  von  dhi  in  VL. 


12  X.  Abhandlang:   Zingerle.    Der  HilariuR-Codex  yon  Ljon. 

durchsichtig  genug.  ^  Wer  endlich  zugleich  die  auch  in  L  oft  her- 
vortretenden starken  Nachlässigkeiten  beachtet^  die  also  der 
Gruppe  VL  in  allen  Phasen  bedeutend  anhafteten,  wird  um 
so  mehr  die  hervorgehobene  verhältnissmässige  Sauberkeit  des 
fast  gleich  alten  G  und  namentlich  auch  die  Bedeutung  des 
Consenses  GR  anerkennen  müssen. 


*  Die  Stelle  697,  20  (urha  eadem  ßinditus  dinUa  estj,  wo  G*  dentla  aus 
enäa  corrigirte,  L  nun  denUa  bietet,  kOnnte  den  Gedanken  wecken,  dnas 
eruta  statt  dirtUa  zu  schreiben  sei,  da  ja  seit  Vergil  in  der  Dichtung 
und  dann  in  der  späteren  Prosa  eruo  in  solcher  Bedeutung  sich  findet; 
da  aber  der  Hilarian.  Gebrauch  sonst  nicht  dafür  spricht,  femer  ausser 
RP  auch  y  hier,  trotz  der  Ueberarbeitung,  wenigstens  daa  Wort  dirula 
schützt,  ist  die  Sache  sichtlich  nur  auf  die  so  häufige  Verwechslung  von 
t  und  e  zurückzufahren  (vgl.  Studien  S.  883).  Daas  übrigens  ein  so 
leichter  Einzelfall  etwa  nicht  gegen  die  sonst  so  schlagend  hervortretende 
nähere  Verwandtschaft  des  L  mit  V  geltend  gemacht  werden  kann,  liegt 
auf  der  Hand. 


XI.  Abb.:  Bftdinfer.  Mittheilnnffen  ans  spanischer  Geschichte  des  16.  und  17.  Jahrh.      1 


XI. 

Mittheilimgen  aus  spanischer  Geschichte  des 

16.  und  17.  Jahrhunderts 


Ton 


Max  Büdinger, 

wirkl.  Mitf  liede  der  kais.  Akademie. 
(Mit  einer  Tafel.) 


I. 

Schlossbauten  in  Madrid. 

Die  älteste  mir  bekannte  Abbildung  des  Schlosses  von 
Madrid  findet  sich  in  dem  Foliobande,^  welcher  in  dem  Directions- 
locale  der  Wiener  Hofbibliothek  aufbewahrt  wird  und  auf  dem 
neuen  Einbände  den  Titel  führt:  ,Wingarde,  villes  d'Espagne 
1563  —  1570/  Es  ist  eine  Sammlung  anschaulich  gezeichneter 
und  einigermassen  colorierter  Ansichten  spanischer  Städte,  wohl 
der  sämmtlichen  nach  Ansicht  PhiUpp's  II.  flir  solchen  Zweck 
geeigneten.  Wiederholt,  z.  B.  auf  Blatt  3  (Barcelona),  Blatt  4 
(Molvedro  =  Murviedro)  liest  man  unten  den  Namen  des 
Ktlnstlers:  ,Ant[oni]o  van  den  Wyngaerde*,  auf  diesen  beiden 
Blättern  auch  die  Zahl  1563.  Auf  anderen  Blättern  soll  sich,' 
was  mir  entgangen  wäre,  der  Name  Georgius  Hoefhagel  mit 
den  Jahreszahlen  1564  bis  1567  finden;  das  wäre  dann  die 
Zeit  von  dessen  Mitarbeit  in  Spanien.  Nach  dem  Bilde  eines 
englischen  Palastes  in  ,Urbium  praecipuarum  mundi  theatrum 
autore  Georgio  Braunio  Agrippinate',  im  fUnften  Theile  dieses 
Werkes  auf  Blatt  1  mit  der  Unterschrift:  ,effigiavit  Georgius  Huf- 
naglius  anno  1582^,  war  dieser  flir  Palastabbildungen  sehr  genau.' 


1  Mit  Sig.  Min.  41  bezeichnet 

*  Das   betreffende  Bach  befindet  sich  seit  dem  Sonuner  1892  als  entlehnt 

auf  der  Colambusausstellung  in  Madrid. 
»  Nagler,  Künstlerlexikon  VI  (1888),  214,  bringt  in  den  Nachrichten  über 

Hufnagel  nichts  unsere  Untersuchung  Berührendes. 
Sitsungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CXXYm.  Bd.  11.  Abh.  1 


2  XI.  AbhuidlvDg:    Bfldinger. 

Aber  andere  Blätter  jener  spanischen  Städteansichten 
haben  weder  Künstlernamen  noch  Jahreszahl,  und  zu  diesen 
gehört  leider  auch  Blatt  73  ,Palacia  (sie!)  reail  de  Madrid'. 
Es  ist  eine  flüchtige  und  doch  trotz  ihrer  Ungenauigkeit  bei 
dem  Mangel  sonstiger  Nachrichten  überaus  erwünschte  farbige 
Skizze  der  Schlossfront  von  Süden,  also  von  der  Stadtseite. 
Im  Folgenden  benenne  ich  sie  doch  kurz  nach  Wyngaerde. 

Vergleicht  man  diese  Abbildung  mit  der  ebenfalls  von 
der  Stadtseite  sich  darstellenden  auf  dem  später  zu  besprechenden 
Plane  Peter  Texeira's  aus  der  Mitte  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts, so  kommt  man  zu  einem  den  bisherigen  Annahmen 
keineswegs  entsprechenden  Ergebnisse. 

Wyngaerde  ist  im  Dienste  des  Königs  Philipp  im  Jahre 
1561  aus  Belgien  nach  Spanien  übergesiedelt/  wo  er  früher 
nicht  gewesen  zu  sein  scheint.  Wenn  das  Bild  des  Palastes 
von  ihm  gemalt  ist,  so  dürfte  er,  wie  sich  zeigen  wird, 
(s.  u.  Seite  4),  bald  nach  seiner  Ankunft  und  gleich  nach 
der  vorläufigen  Vollendung,  genauer:  der  Unterbrechung,  des 
Schlossbaues  das  Bild  angefertigt  haben,  also  ehe  der  Palast 
von  dem  königlichen  Hofe  bezogen  wurde.  Denn  es  ist  schon 
von  Carl  Justi*  bemerkt  worden,  dass  die  Thürsturzinschriften 
des  sechzehnten  Jahrhunderts  nur  die  Namen  KarFs  V.  und 
Philipp's  II.  mit  den  Jahreszahlen  1539  und  1561  trugen.' 
Auch  hebt  Justi  hervor,  dass  die  südliche  Fa9ade  erst  später 
vollendet  wurde:  ,Diese  moderne  Front  war  aus  weissen 
Hausteinen  aufgeführt  und  von  zwei  mächtigen,  viereckigen 
und  vierstöckigen  Pavillons  aus  Ziegelsteinen  flankirt,  deren 
westlicher  von  dem  genannten  König  (Philipp  dem  Zweiten), 
der  östliche  (la  torre  de  la  Reina)  erst  zur  Zeit  der  Minder- 
jährigkeit Karl  n.  aufgeführt  wurde',  also  zwischen  Herbst 
1665  und  1677. 


^  .  .  .  en  Bel^sch  kunstenaar  in  dienst  van  kOning  Philips,  vertrok  in  1561 
mit  sjn  gezin  naar  8panje.  Van  d.  Aa,  Biographisch  Woordenboek  der 
Nederlauden  XX  (Harlem  1877),  480. 

'  Diego  Velasquez  und  sein  Jahrhundert  (Bonn  1888)  I.  180 — 186. 

*  Oil  Oon<^lez  Davila  su  (Philipp's  IV.)  coronista,  teatro  de  las  grandesas 
de  Madrid  (1623)  bringt  S.  312  die  beiden  Inschriften.  Der  Wortlaut 
der  zweiten  ist  des  Datums  wegen  wichtig  für  uns:  PhilippuB  II.  Hi- 
ppaniarum  rex  A.  MDLXI. 


ViübMlrafni  mn  vfaiackw  0«8okiobt«  dn  1«.  mnd  17.  J»krlimnd«rta.  3 

Es  fragt  sich  nnn,  wie  weit  diese  ^vornehme,  ganz 
regelmässige  Fa9ade  eines  Cinquecento -Palastes'  überhaupt 
von  Philipp  IL  aufgeführt  wurde.  Hierüber  äussert  sich  schon 
Justi  zweifelnd:  ^Ueber  dem  Erdgeschoss  mit  kahlen  Mauern 
und  stark  vergitterten  Fenstern  erhoben  sich  zwei  Stockwerke, 
das  obere  das  höhere ,  beide  reich  geschmückt  mit  Pilastern, 
Fensterverkleidungen  und  Verdachungen  von  weissem  Marmor 
mit  vergoldeten  Balcons,  das  Werk  Philipp's  III.  V  Dass 
aber  wirklich  der  dritte,  nicht  der  zweite  Philipp  die  Ver- 
schönerung der  Südfa9ade  zu  Ende  ftihrte,  dürfte  auch  im 
Jahre  1738  durch  Tradition  oder  Urkunde  noch  bekannt 
gewesen  sein,  da  man  damak  (Justi  I,  181)  auf  den  Grund- 
stein des  heutigen  Palastes  die  Inschrift  setzte:  ,aedes  Mau- 
rorum,  quas  Henricus  IV.  composuit,  Carolus  V.  amplificavit, 
PhiUppus  m.  omavit,  ignis  consumpsit'  etc. 

Nun  liegt  ein.  Schreiben  Philipp's  II.  vom  7.  Mai  1561 
vor,^  welches  an  den  damaligen  leitenden  Architekten  des 
Palastbaues,  Ludwig  de  la  Vega,  gerichtet  und  fUr  die  Bau- 
geschichte des  merkwürdigen  Schlosses  erheblich  ist.  Der 
König  lässt  hier  eröffnen,  dass  er  beschlossen  habe,  mit  seinem 
Hause  und  Hofe  nach  Madrid  zu  gehen,  welche  Stadt  damals 
wegen  der  Gesundheit  und  Ergiebigkeit  ihres  Klimas  aufgesucht 
ward;*  er  verlange,  dass  innerhalb  Monatsfrist  die  Arbeiten 
beendet  werden;*  auch  befiehlt  er,  dass  ohne  seine  ausdrückliche 
Weisung  (mandato)  Niemand  die  Palastgemächer,  irgend  einen 
Durchgang  (atajo),  eine  Werkstätte  oder  sonst  etwas  sehen 
solle.  Mit  eigener  Hand  fügte  er  hinzu:  , Ludwig  von  Vega! 
Schickt  mir  eine  andere,  vollständige*  Darstellung,  wie  Ihr 
mir  eine  gesendet  habt,  von  den  Zimmern  nach  Süden,  welches 
die   vornehmsten    Gemächer   sind,    in    welchem    Zustande    sie 

^  D.  Ramon  de  Mesonero  Romanos:  el  antiguo  Madrid,  nueva  edicion,  ISSl, 
I,  149. 

'  .  .  .  promete  a  sus  vesinos  una  salud  muy  constante.  Davila  6. 

'  .  .  .  deseaba  que  estuviesen  concluidaa  para  de  alli  k  un  mes  kann  doch 
nicht  der  richtige  Wortlaut  sein;  ich  denke,  dass  nach  conclnidas  die 
Worte  ,las  obras'  ausgefallen  sind. 

^  .  .  .  ,como  la  baja  y  alta  que  me  enviaste*.  Der  Architekt  hatte  hienach 
schon  bei  der  ersten  Sendung,  wenn  nicht  ein  anderer  technischer  Aus- 
druck vorliegt,  die  nOthigen  Messungen  von  oben  bis  unten  angestellt, 
bei  denen  aber  die  SUdfa^ade  noch  fehlte. 

1» 


4  XI.  Abhandlang;    Bfldinfor. 

sich  jetzt  befinden,  und  es  geschehe  sogleich  I^  Der  Architekt 
stellte  vor,  jdass  aus  Mangel  an  Handwerkern  nicht  Alles  mit 
solcher  Schnelligkeit  beendet  werden  könne.  Und  der  König 
befahl  dem  Corregidor  Don  Georg  von  Beteta,  er  solle  Für- 
sorge treffen,  dass  alle  Handwerker  der  Stadt,  ohne  irgend 
einer  anderen  Arbeit  obzuliegen,  hiermit  beschäftigt  werden. 
Kurz  darauf  und  schon  in  den  letzten  Monaten  desselben 
Jahres  1561  befand  sich  notorisch  (consta  que)  der  Hof  in 
Madrid  und  hatte  Philipp  seine  Absicht  verwirklicht,  ihn  dort 
ständig  zu  haltend  Es  sollte  doch  Localforschern  in  Madrid 
oder  Simancas  möglich  sein,  die  Zeit  der  bleibenden  Residenz 
des  Hofes  in  der  neuen  Hauptstadt  genauer  zu  bestimmen. 

Sieht  man  nun  die  Abbildung  in  der  Wyngaerde'schen 
Sammlung,^  so  empfUngt  man  den  dem  Willen  Philipp's  über 
die  plötzliche  Einstellung  des  Schlossbaues  entsprechenden  £lin- 
druck.  Man  hat  den  südlichen  Neubau  vor  sich,  der  in  zwei 
Abtheilungen  begonnen  ist.  Links  von  dem  Beschauer,  also 
vor  der  Südwestecke  des  Innern  Hauptbaues  ist  der  oben 
(S.  2)  erwähnte  Pavillon  oder  vierstöckige  eckige  Thurm 
gänzlich  bis  zur  Spitze  vollendet.  Er  war  nach  dem  Bilde  zu 
schHessen  mit  Verjüngung  der  Stockwerke  polychrom  gehalten, 
doch  vorwiegend  blau  gefilrbt.  In  dem  Palastgrundriss  aus 
den  letzten  Jahrzehnten  vor  dem  Brande  wird  dieser  Pavillon 
goldener  Thurm  (torre  dorada)  genannt.*  Rechts  von  dem 
Beschauer,  also  an  der  Südostecke  des  Schlosses  ist  der  zweite 
Pavillon.  Dieser  ist,  obwohl  ohne  die  Verjüngung  der  Stock- 
werke, doch  wohl  dem  andern  ähnlich  beabsichtigt,  dermalen 
aber  noch  im  Bau,  etwa  bis  zu  einer  Höhe  geführt,  welche 
das  dritte  Stockwerk  des  Südwestthurmes  erreicht.  Auf  dem- 
selben scheint  der  Krahn  erkennbar,  durch  welchen  weitere  Werk- 
stücke hinaufgefördert  werden  sollten.  Möglicher  Weise  Uegt 
aber  auch  nur  der  Umbau  eines  älteren  Befestigungsthurmes  vor. 

An  diesen  Thurmbau  schUesst  sich  nach  links  oder  Westen 
der  von  dem  Beschauer  rechte  Theil  und  der  Mittelbau  der 
neuen  Fa9ade,  und  zwar  mit  nur  ^iner  Reihe  von  zwei  grossen 


^  Die  anliegende   Federzeichnung   ist   eine   verkleinerte  Wiedergabe   der 

Originalskizze  und  soll  nur  die  wesentlichen  Z(lg^  wiedergeben. 
»  Bei  Justi  I,  184. 


S 


MittlieilDnfeD  aus  spaoUcher  üe.'tchichto  des  IC.  und  17.  Jahrhunderts.  Ö 

Fenstern  im  Mittelbau  und  sieben  in  der  Fa9ade  über  dem 
hohen  Erdgeschosse.  Der  obere,  unter  dem  Dache  gelegene 
Fa9adentheil  ist  verziert;  an  demselben  sind  neunzehn  ganz 
kleine  Fensteröfinungen  in  dem  Theile  zur  Rechten  und  neun 
in  dem  Mittelbau  erkennbar.  An  diesen  neuen  Fa9adentheil 
Btossen  jedoch  gegen  Westen,  bis  zu  dem  vollendeten  Pavillon 
von  so  eigenthümlicher  Schönheit,  vier  ganz  anders  geartete 
tektonische  Stücke. 

Drei  von  diesen  kleineren  Bauten  mögen  auf  das  vorige 
fünfzehnte  Jahrhundert,  die  Regierung  Heinrich's  IV.,  wenn 
nicht  gar  auf  die  ursprüngliche  arabische  Anlage  zurückgehen 
oder  auf  deren  Umwandlung  durch  Peter  den  Grausamen.^ 
Zweifellos  aber  zeigen  sie,  dass  die  Südfa9ade  keineswegs,  wie 
man  allgemein  angenommen  hat,^  vor  den  altern  Bau  gelegt 
worden  ist.  Die  vierte  Baulichkeit  erscheint  als  schmales, 
zweifensteriges  Haus  zwischen  zwei  schweren  alten  Befestigungs- 
stücken. Dieses  Haus  ist  in  der  Weise  der  neuen  Fayade  ge- 
halten und  lässt  neben  dem  Portale  einen  kleinen  Vorbau  mit 
mindestens  zwei  Säulen  erkennen.  Es  erscheint  fast  wie  ein 
erster  Versuch  der  neuen,  zur  Anwendung  bestimmten  Archi- 
tektur des  uns  beschäftigenden  Schlossflügels. 

Ganz  anders  ist  nun  freilich  das  Bild,  welches  der  Grund- 
riss  des  Palastes  bietet.  Dieser  stammt,  wie  schon  bemerkt, 
aus  dem  achtzehnten  Jahrhundert,  vor  dem  Brande  des  Schlosses 


*  Davila  a.  a.  O.  312  hat  freilich  eine  andere,  ganz  abweichende  Reihe 
von  KOnig^namen  für  die  Baugeschichte:  ,en  los  tiempos  muj  antiguos 
di<S  principio  a  este  palacio  el  rey  Enrique  Tl.,  augmentaronle  los  reyes 
Enrique  III  y  IV  y  el  emperador  Don  Carlos.'  Einer  arabischen  An- 
lage wird  hier  nicht  gedacht,  der  Bau  sei  von  dem  ersten  Trastamara 
begonnen  und  von  Karl  V.  fortgesetzt. 

*  ,Der  Neubau  bestand  hauptsächlich  in  der  Erweiterung  des  südlichen 
und  Eingangsflflgels  durch  einen  parallelen,  dessen  Tiefe  verdoppelnden 
Anbau.  Dies  lehrt  ein  Blick  auf  den  Grundriss.  Die  überaus  starke 
Zwischenwand,  welche  die  Folge  von  Gemächern  im  südlichen  Flügel 
trennte,  war  die  alte  Aussenmauer.  An  der  Kante  des  .  .  .  südwestlichen 
Pavillons  sieht  man  noch  den  alten  runden  Eckthurm  hervorragen,  jetzt 
zurückgeschoben  in  die  Flucht  der  Westseite.*  Justi,  Velasquez  I,  181, 
mit  Rücksicht  auf  die  Wiedergabe  der  Schlossansicht  im  Beginne  des 
Capitels  nach  den  unten  (8.  6)  zu  besprechenden  Stichen  des  siebzelinten 
Jahrhunderts. 


6  XI.  Abhandlung:    Bfldinger. 

ZU  Weihnachten  1734  nach  dem  am  1.  November  1700  erfolgten 
Tode  KarPs  II. ;  das  Appartement  von  drei  Räumen^  in  welchen 
dieser  starb,  ist  bezeichnet:  ^el  alcoba  y  dos  piezas  donde  muriö 
el  S"^  Carlos  Seg®  (undo).  Die  Bezeichnung  eines  andern  Ge- 
maches als  ;dormitorio  de  sus  Magestades'  lässt  die  Abfassung 
nach  dem  Einzüge  Philipp's  V.  und  seiner  ersten  Gemahlin  im 
Jahre  1701,  aber  sonst  nicht  näher  bestimmen;  denn  trotz  aller 
Wechsel&lle  des  Erbfolgekrieges  konnte  das  Oemach  seinen 
Namen  behalten;  nur  etwa  nach  dem  Tode  jener  ersten  Ge- 
mahlin am  14.  Februar  1714  war  die  Bezeichnung  bis  zu  der 
noch  in  demselben  Jahre  geschlossenen  zweiten  Ehe  des  bomv 
bonischen  Königs  unpassend  und  wohl  ausser  Gebrauch.  Die 
Bezeichnung  eines  Leibwachenraumes  als  ,guardia  de  corps' 
deutet  einigermassen  auf  die  eingewöhnte  bourbonische  Hen^ 
Schaft. 

Der  rechte  Fltlgel  der  Stldfa^ade  tritt  hier  in  seiner  öst- 
lichen grossem,  als  Spiegelsaal  bezeichneten  Hälfte,  wenn  auch 
nicht  erheblich,  hervor.  Im  Uebrigen  verläuft  dieser  südliche 
Flügel,  von  den  beiden  Eckthürmen  abgesehen,  sonst  in  zu- 
sammenhängend gerader  Linie.  Der  südöstliche  Theil  des 
Palastes  scheint  nach  dem  Grundrisse  als  das  einzig  genannte 
Toilettezimmer  (tocador)  der  Königin  einscUiessend  nach  diesem 
bezeichnet  werden  zu  sollen. 

In  ganz  gerader  Linie  erscheint  nun  auch  die  Südfa9ade 
in  den  vier  von  mir  eingesehenen  Abbildungen  des  siebzehnten 
Jahrhunderts. 

Als  die  mit  grösster  Sachkunde  und  Genauigkeit  ausge- 
führte ist  die  jüngste  der  Abbildungen  zu  bezeichnen.  Sie 
findet  sich  in  einem  handschriftlichen  Werke  in  GrossfoUo, 
welches  der  jetzige  Director  der  k.  k.  Wiener  Hofbibliothek, 
Herr  Hofrath  Ritter  von  Hartel,  auf  einem  Schranke  des  Hand- 
schriftensaales wieder  zu  finden  so  glückUch  und  mir  zur  Ein- 
sichtnahme vorzulegen  so  gütig  war.  Das  Werk  ist  als  yArchi- 
tekturischer  Schauplatz'  bezeichnet,  von  Wolfgang  Wilhelm 
Praemer,  Ritter  zu  San  Marco,  verfertigt  und  dem  Kaiser 
Leopold  I.  zu  seiner  Instruction  über  Architektur  mit  ausführ- 
lichen technischen  Erklärungen  gewidmet,  übrigens  nicht  paginirt. 

Ein  Blatt  ist  als  ,Frontispicium  der  königl.  Burgg  zu 
Madrid  in  Hyspanien'  bezeichnet  und  enthält  eben  die  gänzlich 


HittheilDDgen  ans  spanischer  Geschichte  des  IG.  und  17.  Jahrhanderts.  7 

beendete  Süclfa9ade  mit  dem,  genau  nach  dem  Muster  des  süd- 
westlichen,  ^goldenen',  bis  zur  Spitze  aufgeführten  siidöstUehen 
Pavillon  oder  Thurme.  Das  ist  der  Thurm  der  Königin,  der 
Erzherzogin  Anna  oder  Mariana,  welche  denselben,  wie  schon 
bemerkt,  als  Regentin  (1665  bis  1677)  vollendet  hat. 

Die  drei  anderen  Abbildungen,  sämmtlich  Stiche,  zeigen 
beide  Thürme  ohne  ersichtliche  Verjüngung  der  Stockwerke, 
wie  sie  doch  bei  Wyngaerde  am  Südwestthurme  dargestellt  ist. 
Aber  auf  allen  drei  Stichen  ist  der  südöstliche  Thurm  nur  bis 
zum  voUendeten  dritten  Stockwerke  gefUhrt,  das  Erdgeschoss 
nicht  mitgerechnet.  Dieser  Pavillon  ist  auch  nur  mit  einem 
gewöhnlichen  Uausdache  versehen.  Hieraus  ergibt  sich,  dass 
die  Königin  Anna  nichts  als  die  Erhöhung  dieses  Stockwerkes 
und  den  eigentlichen  Thurmaufsatz  hat  bauen  lassen. 

Der  älteste  dieser  drei  Stiche  scheint  jedoch  der  zu  sein, 
von  welchem  ich  ein  Exemplar  der  gütigen  Zusendung  des 
Herrn  Professor  Karl  Justi  in  Bonn  verdanke:  ,Veue  et  per- 
spective du  palais  de  Madrid,  demeure  ordinaire  des  Rois 
d'  Espagne  fait  par  AueUne  avec  privilfege  du  Roy/  Der  allein 
dargestellte  Südflügel  des  Schlosses  zeigt,  abgesehen  von  dem 
Thurmaufsatze  des  südöstUchen  Pavillons,^  die  vollendete  Fa^ade 
eines  nach  itaUenischem  Muster  gebauten  Palastes.  Das  Erd- 
geschoss ist,  auf  der  von  dem  Beschauer  rechten,  an  den  süd- 
östlichen Pavillon  stossenden  Seite  mit  wenigen,  im  Ganzen 
sechs  Fenstern  versehen,  wie  mit  vier  bei  Wyngaerde,  wo  doch 
eines  oder  zwei  durch  ein  niedriges  vorgebautes  Häuschen  ver- 
deckt sein  mögen.  Wenn  das  eine  Bauhütte  ist,  wie  es  scheint, 
so  wird  das  Bild  vermuthUch  noch  vor  Ankunft  des  Hofes,  also 
1561,  entstanden  sein  (s.  oben  S.  3).  Statt  der  Bogenfenster 
dieses  Erdgeschosses,  wie  sie  bei  Wyngaerde  gesehen  werden, 
erscheinen  jetzt,  mit  anderer  Vertheilung  in  der  Mauer  und 
neben  zwei  Thoren  statt  eines,  rechteckige  mittelgrosse  Fenster. 


^  Mesonero  Romanos,  £1  üntiguo  Madrid  (1881),  der  in  der  Abbildung  der 
Südfa^ade  zu  S.  137  einen  dem  Aveline'schen  ähnlichen,  aber  nach 
der  hohem  Fensterverkleidung  des  reclitsseitigen  Erdgeschosses  doch 
jungem  Stich  wiedergibt,  hebt  S.  158  mit  Recht  hervor,  dass  dieses 
Fa^enbild  noch  der  Zeit  Philipp's  IV.  angehören  müsse,  da  erst 
dessen  Witwe  ,Dofia  Mariana  de  Austria'  den  ,Thurm  der  Königin'  auf- 
geführt habe. 


B  XI.  Abhandlung:    Blidinger. 

Statt  des  einen  früher  (S.  4)  beschriebenen  Stockwerkes  sind 
jetzt  zwei  mit  je  zwölf  Fenstern,  die  oberen  etwas  grösser  und 
reicher  verziert  als  die  unteren;  die  früher  ebenfalls  erwähnte 
kleine  Fensterflucht  und  darüber  der  breite  Fries  anter  dem 
Dache  sind  bei  diesem  Umbau  verschwunden;  dies  Alles  wieder- 
holt sich  auf  der  linken,  an  den  goldenen  Thurm  stossenden 
Seite,  nur  dass  hier  das  Erdgeschoss  blos  ein  Thor  und  neun 
Fenster  links  von  dem  Thore  in  ununterbrochener  Folge  zeigt. 
Der  Mittelbau  ist  entsprechend  verändert.  Man  sieht  hier  je 
sechs  Säulen,  zwischen  denen  sich  je  drei  Fenster  in  beiden 
oberen  Stockwerken,  im  Erdgeschosse  zwei  auf  beiden  Seiten 
der  Doppelthür  finden.  Auf  der  Höhe  des  Mittelbaues,  das  Dach 
der  beiden  Seitentheile  überragend,  in  grossem,  mit  je  zwei 
Säulen  verziertem  Vierecke  erscheint  das  königUche  Wappen. 

Die  Bäumlichkeiten,  welche  durch  die  obere  kleine  Fenster- 
flucht der  Wyngaerde' sehen  Skizze  angedeutet  waren,  haben 
einen  eigenthümlichen  Ersatz  gefunden.  Ueber  den  Galerien 
vor  dem  Dachbeginne  beider  Seitentheile  der  Fa9ade  erscheinen 
nämlich,  auf  der  linken  Seite  vollständig,  den  Fensterreihen 
der  Stockwerke  entsprechend,  zwölf  Mansardenfenster  in  das 
Dach  gebaut  oder  in  demselben  ausgespart;  auf  der  rechten 
Seite  —  immer  vom  Beschauer  gemeint  —  sind  doch  nur  sieben 
ebensolche;  denn  der  übrige  Vorraum  des  Daches  bis  zum 
Mitteltracte  ist  durch  einen  einfachen,  keineswegs  schönen 
Aufbau  unterbrochen,  der  in  einer  Art  niedrigen  oberen,  das 
Dach  überragenden  Stockwerkes  die  fehlenden  fUnf  Fenster, 
in  dem  unteren  Stocke  eine  thürähnliche  Oeflnung  zeigt,  welche 
vielleicht  auf  eine  schmale  Dachfläche  ftlhrt,  um  höhere  Luft 
und  Aussicht  zu  geniessen. 

Aber  auch  dieser  Fa9adenbau  ist  nicht  unverändert  ge- 
blieben, und  zwar  noch  vor  dem  Bau  des  Thurmaufsatzes  auf 
dem  südöstlichen  Pavillon.  Dies  ergiebt  sich  aus  einem  der 
drei  Palastbilder,  welche  sich  von  dem  Holländer  Pieter  van 
den  Berge  und  aus  dessen  Theatrum  Hispaniae^  in  der  Wiener 


^  Die  Zahl  1700,  welche  sich  mit  einem  Fragezeichen  findet  in  ,The  fint 
proofs  of  the  anivenal  catalogne  of  books  on  art'  (London  1870,  I)  s.  v. 
Berge,  ist,  da  der  Stich  der  Südfa^de  den  Zustand  vor  1666  bis  1677 
zeigt,  als  Zeit  der  Publicatiou  des  Buches  recht  onwahrBcheinUch. 


iW^:k»tli»  4m  1«^  »4  IT.  likrti—iirti.  9  ^ 


Uofhihliodkek  ^Vaes^  Mappe  lo,  Mjulntom)  g^iiuideu  haben. 
Dieaar  Such  stelk  zwar  wie  der  ATeline'dclie  die  Slklfii^ade 
dar  —  mit  einem  durch  zahlreiche  Piachtcarossen,  Pferde  und 
Menschen  belebten  Vordergrunde  —  und  stimmt  auch  im 
Wesentlichen  mit  demselben  überein;  aber  an  dem  Mittektücke 
der  Fenster  des  rechtsseitigen  Erdgeschosses  sind  jetzt  gitter- 
artige SchntzTorrichtungen,^  femer  sind  unter  dem  mittleren 
Fenster  des  zweiten  Stockes  am  Mittelbau  steinerne  Festons 
angebracht  und  das  Fenster  selbst  verkürzt  worden. 

Von  den  beiden  anderen  Stichen  Berge*s  bietet  der  eine 
etwa  drei  Viertheile  der  Sudseite  des  Schlosses  und  die  ganze, 
freilich  klein  gehaltene  Westseite ,  welche  auch  die  Abbildung 
in  Justi's  Velasquez  ähnlich  veranschaulicht.  Der  dritte  Stich 
Berge's  schildert  den  zweiten  Hof  des  Grundrisses  oder,  wie 
die  Unterschrift  besagt:  den  ^conspectus  regiae  Madritensis  ex 
area  interior^;  diese  Erklärung  wird  auch  spanisch,  holländisch 
und  firanzösisch  übersetzt  gegeben.  Es  ist  ein  anschauliches 
Bild  des  Drängens  und  Treibens  vor  den  Localitäten  der  in 
diesem  Theile  des  Schlosses  untergebrachten  zahlreichen  Be- 
hörden und  vor  der  königlichen  Prachttreppe. 

Nun  erst  bin  ich  in  der  Lage,  über  Bedeutung  und  Werth 
des  Werkes  Peter  Texeira's  für  die  Kenntnis  des  Madrider 
Schlosses  zu  sprechen.  Den  grossen  Plan  Texeira's,  welcher 
Madrid  in  Militärperspective  und  mit  dem  Ansprüche  auf 
grösste  Genauigkeit  darstellt,  berichtet  Herr  Mesonero  Romanos 
wieder  entdeckt  zu  haben  ;^  doch  erwähnt  er  auch  ein  zweites 
Exemplar  in  dem  Madrider  Rathhause;  beide  Exemplare  seien 
von  zwanzig  Blättern  grossen  Formates.  Ein  drittes  und,  wie 
sich  sogleich  zeigen  wird,  ursprünglicheres  bewahrt  die  Wiener 
Hofbibliothek. 

Die  von  Herrn  Mesonero  Romanos  (I,  60)  wiedergegebene 
Dedication  an  König  Philipp  IV.,  die  Anzeige  des  Verfertigers 
über  seine  Leistung  und  die  Ankündigung  des  Herausgebers 
wie  der  Vervielfkltiger  stimmen  bis  auf  Einzelheiten  auf  den 
Madrider  Elxemplaren  mit  dem  Wiener.  In  einem  wesentlichen 
Punkte    differieren   sie   aber.     Das  Jahr   der   Abfassung   oder 


»  Vgl.  8.  7,  Anm.  1. 

*  .  . .  que  hemos  tenido  la  suerte  de  exhumar  del  olvido.  I,  69. 


10  X'>  Abhandlung:    Blidinger. 

mindestens  des  Stiches  ist  nicht  I6069  wie  bei  Romanos  in  der 
betreffenden  Inschrift  und  sonst  zu  lesen^  auch  nicht  1654,  wie 
von  Anderen  gemeint  wird.  Das  Wiener  Exemplar  zeigt  viel- 
mehr deutlich  auf  dem  unteren  Mittelblatte:  ^Topographia  de  la 
viUa  de  Madrid  descrita  por  Don  Pedro  Texeira  ano  (sie!)  16Ö3'. 
Die  Ziffer  3  ist  kleiner  und  mit  dem  Stichel  schwach  hinzu- 
gefügt; wie  unter  der  Loupe  zweifellos  sichtbar  wird,  um  bei 
späteren  Abdrücken  geändert  werden  zu  können. 

Auf  demselben  Blatte  steht  unten  rechts:  ^Philippe  IV. 
regi  catholico,  forti  et  pio  urbem  hanc  suam  et  in  ea  orbis  sibi 
subiecti  compendium  exhibet  MDCIiu.'  Diese  Zahlzeichen  sollen 
1653  bedeuten.  Denn  es  ist  keineswegs,  wie  Mesonero  Romanos 
berichtet,  MDCIV  geschrieben;  die  erste,  fast  wie  ein  Zeichen 
für  eins  aussehende  Ziffer  nach  MDC  ist,  trotz  Verlängerung 
unten  mit  dem  Stichel,  eben  nur  nicht  gerathen  und  soll  L  vor- 
stellen. Endlich  findet  sich  nicht  in  dem  Wiener,  man  darf 
sagen:  dem  ersten,  Abdrucke  der  an  sich  gewiss  richtige  Ur- 
sprungsort Antuerpiae  genannt,  den  Mesonero  Romanos  in  den 
Madrider  Exemplaren  las,  xmd  zwar  nach  den  Worten  (unten 
links  auf  dem  erwähnten  Blatte):  ,Salamon  Saury  fecit  cura  et 
solesitudine  (sicl)  Joannis  et  Jacobi  van  Veerle.' 

Der  Palast  ist  auf  zwei  Blättern  abgebildet:  auf  dem  einen 
rechts  oben  der  grössere  mittlere  und  südliche  Theil  mit  dem 
Manzanares  im  Westen,  auf  dem  andern  Blatte  links  unten 
der  nördliche  Theil  mit  vier  oder  fünf  Thürmen,  in  der  obem 
nordwestlichen  Ecke  auch  ein  viereckiger  Thurm  mit  Dach. 
Dieser  mag  der  auf  dem  Grundrisse  als  der  des  Hermaphroditen 
bezeichnete  Thurm,  der  Verwahrungsplatz  Franz  I.  und  der 
Haft-  wie  Sterberaum  sein,  von  welchem  in  Don  Carlos'  Ge- 
schichte so  oft  zu  reden  ist.  Man  gewinnt  aber  gerade  von 
dem  für  die  in  dessen  Leben  zu  behandelnden  Ereignisse  so 
wichtigen  nördlichen  und  westUchen  Theile  des  Palastes 
schlechterdings  keine  Vorstellung  aus  diesem  kleinen  Perspectiv- 
bilde,  eher  noch  von  der  Vertheilung  der  beiden  Haupthöfe. 
Die  flüchtige  Arbeit  erkennt  man  recht  an  der  Südfa9ade,  von 
der  unrichtig  rechts  zehn,  links  neun  Fenster  bei  beiden  Stock- 
werken zu  sehen  sind,  nur  in  der  Mitte  richtig  drei.  Weit 
besser  sind  die  Umgebungen  des  Schlosses,  namentlich  die 
Gärten  ausgeführt. 


MittheiluDgen  ans  spanischer  Geschichte  des  16.  und  17.  Jahrhunderts.  11 

Nur  die  folgende  Ergänzung  der  Stiche  ist  durch  Davila's 
(s.  o.  S.  3)  Beschreibung  des  Palastes  ermöglicht.  Auf  der 
Nordseite  waren  nach  dessen  Angaben  die  Gemächer  des  Thron- 
erben, zu  welchen  ein  Zimmer  im  Thurme  Franz  I.  oder  des 
Hermaphroditen  gehörte;  eben  dort  befand  sich  auch  der  für 
die  Cortesberathungen  bestimmte  Saal,  so  dass  in  denselben 
einzutreten  dem  Kronprinzen  in  einem  dringenden  FaUe,  wie 
Don  Carlos  einmal  einen  solchen  zu  haben  meinte,  eine  nahe- 
liegende Versuchung  war.^ 

Nur  zu  sehr  wird  man  bei  dieser  Unzulänglichkeit  der 
Information  an  Justi's  Klage  (a.  a.  O.  I,  180)  bei  dem  Ver- 
suche der  Beschreibung  des  Palastes  erinnert,  dass  ,Niemand 
von  den  Hunderten  von  Gelehrten  und  Künstlern,  die  in  ihm 
gelebt  und  verkehrt  haben,  sich  bemüssigt  gesehen  hat,  der 
Nachwelt  ein  Bild  desselben  zu  erhalten/  Unter  Philipp  IV. 
hat  mindestens  der  Südflügel  helle  Räume  und  eine  anmuthige 
Front  gehabt,  die  wohl  schon  unter  Philipp  IH.  im  Wesentlichen 
ihre  spätere  Gestalt  erhielt.  Demnach  wird  flir  dessen  Zeit 
und  vollends  für  die  seines  Vaters,  fUr  welche  wir  in  Bezug 
auf  die  Südfa9ade  auf  Wyngaerde's  Abbildung  angewiesen  sind, 
der  Vorwurf  der  vornehmen  Italiener  in  seinem  Rechte  bleiben, 
den  Justi  (I  185)  dahin  formuliert:  ,man  merkte  den  Räumen 
die  Anpassung  an  den  mittelalterlichen  Bau  und  die  spanische 
Neigung  zum  Dunkel  an.^ 

Trotz  dieser  Mängel,  vielleicht  auch  mit  Rücksicht  auf  die 
unter  Philipp  HI.  vorgenommenen  Verschönerungen  konnte  ein  viel- 
gelesener Schriftsteller  im  Jahre  1623  den  AnbUck  des  Schlosses 
von  der  West-  und  Südseite  als  entzückend  bezeichnen.  Wir 
aber  werden  eher  zwei  neueren  Gelehrten  beipflichten  müssen, 
welche  freilich  das  uns  heute  vorliegende  Material  einzusehen 
nicht  in  der  Lage  waren.  Im  Jahre  1848  erklärte  Madoz  in 
seinem  grossen  Real-Wörterbuche  den  Bau  flir  hässUch  und  ohne 
künstlerischen  Werth;  der  im  December  1885  hingeschiedene 
zuverlässige  Gachard  aber  klagte,  dass  man  keine  recht  genaue 


*  Cerca  desta  ^leria  (del  cierzo)  estA  la  sala,  donde  los  Reynos  de  Castilla 
y  Leon  se  juntan  a  conferir  en  Corte«  lo  que  conviene  k  los  Reynos. 
Mas  adelante  el  qnMito  del  principe.  Davila,  iprandezas  de  Madrid  311 
und  dasu  meine  Darstellung  in  «Don  Carlos'  Haft  und  Tod*  81  f. 


12  X^  AbhandluDg:    Blidiuger. 

Abbilduug  oder  Beschreibung  von  demselben  besitze.^  Das  gilt 
nun  freilieh  noch  viel  mehr  von  dem  Zustande  des  Schlosses 
in  dem  sechzehnten  als  im  siebzehnten  Jahrhunderte. 


n. 

Zum  Ableben  des  ESnigs  Philipp  des  Zweiten. 

Neuerlich  hat  Herr  Pfarrer  Josef  Fernandez  Montana'  ein 
ganzes  Capitel  seines  zum  Lobe  des  Königs  geschriebenen 
Buches  dem  Hinscheiden  desselben  gewidmet.  Neben  einer 
Anzahl  aus  der  umfangreichen  Literatur  über  den  Gegenstand' 
ohnehin  bekannten  Nachrichten  hat  er  hiebei  einige  neue  or- 
kundUche  Belege  gebracht.  Der  Tod  erfolgte  Sonntag  den 
13.  September  um  5  Uhr  Morgens  im  Escorial  (S.  124).  Unter 
den  eidUch  abgegebenen  Aussagen  der  ^authentischen  Bezeu- 
gung' sind  (S.  114)  mehrere,  welche  die  vollkommen  un- 
getrübte Gemüthsruhe  und  das  sichere  Vorgeftihl  des  Sterbenden 
von  dem  Eintreten  des  Todesmomentes  ausser  Zweifel  stellen. 
Minder  gut  bezeugt  sind  Ansprachen  des  Königs,  darunter  gar 
eine  (S.  HO),  wonach  er  vor  dem  Thronerben  Philipp  HL  seine 
wunde  Brust  entblösst  habe,  um  ihm  die  Vergänglichkeit  und 
Nichtigkeit  menschlicher  Grösse  einzuschärfen.  Vgl.  unten  S.  23. 

Ehe  ich  nun  meinerseits  zur  Mittheilung  und  Besprechung 
einiger  unbenutzten  Nachrichten  schreite,  mögen  Erörterungen 
gestattet  sein,  durch  welche  der  sanfte  Ausgang  dieses  Lebens 
bei  und  nach  qualvoller  Krankheit  noch  von  anderen  als  den 
bisher  betonten  Seiten  seine  ethische  Erklärung  findet. 

Ich  habe  in  meinem  Buche  über  ,Don  Carlos'  Haft  und 
Tod'  darzulegen  gehabt,  von  einer  wie  tief  begründeten  religiösen 
Ueberzeugung    einerseits    und    anhänglichen    Liebe    zu    aUen 


*  Die  Citate  in  meinem  ,Don  Carlos'  3  f. 

'  Mas  luz  sobre  Felipe  n  el  pmdente  y  so  reinado  con  docamentos  ineditos 
y  descripsiön  novisima  del  Escorial.  Madrid  1892,  p.  109 — 140. 

'  Don  Modesto  Lafuente,  Historia  general  de  Espaila  XIV  (1864),  470  bis 
480  bringt  als  besonderes  XXVI.  Capitel :  ^^ankhelt  und  Tod  Philipp*8  IX/, 
indem  er  die  erheblicben  Ergebnisse  des  bis  zum  Erscheinen  dieses 
Bandes  gedruckten,  Seite  474  verzeichneten,  und  auch  einiges  ungedruckten 
Materiales  mittheilt. 


MittheiloDgen  aas  spanischer  Geschieht«  des  16.  und  17.  Jahrhunderts.  13 

Gliedern  seiner  Familie  anderseits  dieser  König  erfllllt  war. 
Auch  das  hat  sich  zur  Evidenz  nachweisen  lassen ,  eine  wie 
schmerzliche  Verkettung  von  Umständen  ihn  nöthigte^  die  schein- 
bare Entzweiung  mit  seinem  schwachsinnigen  ältesten  Sohne  in 
das  tiefste  Geheimniss  zu  hüllen.  Das  Hinscheiden  desselben 
bietet  nun,  wie  der  Leser  sehen  wird,  manche  Vergleichungs- 
momente mit  dem  Ableben  Philipp's  11.  selbst  und  andere  mit 
den  letzten  Momenten  von  dessen  Vater  Karl  V.,  dessen  Sterben 
ja  Don  Carlos  förmlich  nachzuahmen  suchte. 

Wie  man  zur  Erkenntnis  von  des  Königs  Empfindungen 
über  Leiden,  hoffnungslose  Erkrankung  und  Tod  dieses  Sohnes 
zu  gelangen  hatte,  ist  in  der  Geschichte  von  dessen  Ende  auch 
in  Einzelheiten  auseinandergesetzt  worden.  Inzwischen  hat 
sich  noch  ein  Zeugniss  in  einem  Briefe  desselben  vom  18.  Juli 
1568/  dem  fünften  Tage  vor  Don  Carlos'  Tode,  während  dessen 
letzter  Krankheit  gefunden.  Dieser  Brief  ist  an  den  zweiten 
der  beiden  spanischen  Gesandten  in  Wien,  Ludwig  Vanegas,* 
gerichtet  und  zur  Mittheilung  an  des  König  geliebte  Schwester, 
die  Kaiserin  Maria  und  deren  Gemahl  Kaiser  Maximilian  TL. 
bestimmt.  Da  dankt  Philipp  IL  innig,  dass  das  Kaiserpaar  zwei 
Söhnen,  seinen  Neffen,  noch  bei  ihm  zu  bleiben  gestatte:  ,da 
ich  sie  so  sehr  liebe,  ist  mir  ihre  Gesellschaft  sehr  angenehm. 
Und  so  möget  Ihr  ihnen  (dem  Kaiserpaare)  sagen,  dass  ich 
hierüber  eine  ganz  besondere  Befriedigung  hege,  und  dass  ich 
ihnen  die  Hände  küsse.' 

Nach  dieses  Sohnes  Tode  hat  er  aber  ein  unvergängliches 
Zeugniss  seiner  väterlichen  Liebe  über  ihrem  gemeinsamen 
Grabe  im  E^curial  aufrichten  lassen.  In  dem  dortigen  Mau- 
soleum sieht  man  nach  PhiUpp's  11.  sorgfältig  bis  auf  die  Nische 

*  Coleccion  de  documentos  ineditos  para  la  historia  de  E^paila,  tomo  101 
(1891),  449.  Ebendaselbst  Seite  453—461  Berichte,  welche  die  Wiener 
Briefe  vom  27.  Juli  1568  im  27.  Bande,  S.  25  f.  ergänzen,  von  den  beiden 
Gesandten,  dem  gichtkranken  Chantonay  und  Vanegas.  Sie  referiren, 
wie  dem  Kaiser  des  Prinzen  Krankheit  Kummer  bereite,  er  aber  noch 
immer  Herstellung  und  Vermählung  mit  d^r  Erzherzogin  Anna  hoffe. 
Thatsächlich  war  Don  Carlos  in  der  ersten  Stunde  des  24.  Juli  gestorben. 

*  Die  Schreibart  Vanegas  (immer  in  dem  in  voriger  Anmerkung  citirten 
Bande  p.  101)  hat  sich  als  die  bessere  neben  der  von  Venegas,  deren  auch 
ich  mich  früher  bediente,  erwiesen.  In  den  «Venetianischen  Depeschen 
vom  Kaiserhofe*  Band  n  (1892)  findet  sie  sich  zweimal  schon  im  Jahre  1550. 


14  XI.  Abhandlung:    Bfldinger. 

für  seinen  Sarg  verfligten  Anordnungen  dessen  eigene  Statue 
zwar  in  vorgerückten  Jahren,  doch  in  voller  Lebenskraft  aus- 
geführt. Von  seinen  drei  hier  ebenfalls  bestatteten  Gemahlinnen 
—  die  zweite,  Maria  Tudor,  ist  in  England  beigesetzt  — 
sieht  man  die  lebenswahren  statuarischen  Abbildungen  aber 
Philipp  zugewandt  ist  das  Abbild  seiner  ersten  Gemahlin  Maria 
von  Portugal  und  zwischen  diesen  seinen  Eltern  Don  Carlo's 
Statue.  Kein  anderes  Kind  Philipp's  11.,  welches  vor  ihm 
gestorben  ist,  wurde  hier  dargestellt,  auch  nicht  die  drei  im 
Bandesalter  gestorbenen  Thronerben  Ferdinand,  Karl  Lorenz 
und  Diego,  von  denen  der  Letztere  zu  grossen  Hofiiiungen  be- 
rechtigt hatte;  aller  drei  Mutter,  die  von  ihrem  Gemahle  so 
besonders  geliebte  Königin  Anna,  ist  ohne  eines  ihrer  Kinder 
abgebildet.  Alle  Figuren  sind  ohne  Kopfbedeckung,  knieen  mit 
flachgeschlossenen  Händen  in  vollem  königlichen  Schmucke,  doch 
ohne  Kronenzier,  Don  Carlos  mit  der  Kleidung  des  feierlich 
anerkannten  Kronprinzen.  Eine  lateinische  Erklärung  bezeichnet 
ihn  ausdrücklich  als  den  Erstgeborenen.^  König  und  Kronprinz 
sind  wohl  mit  Absicht  gleich  gross  gehalten  und  goldblonden 
Haares. 


*  Die  Inschrift  besagt  zuerst,  dass  Philipp  II.  das  Grabmal  fDr  sich  er- 
richtet habe,  und  bemerkt  dann:  V(bi)  P(acifice)  quieacant  simal  Anna, 
Elisabetha  et  Maria  uxores  cum  Carole  Princ(ipe)  primogen(ito).  Ab- 
bildung' und  Inschrift  bei  D.  Valentin  Cardereras  y  Solano,  Iconogpraphia 
Espaffola.  Madrid  1855  y  1864,  t.  II,  fol.  LXXIV.  Man  hat  es  in  einem 
gewissen  literarischen  Kreise  Frankreichs  als  Kränkung  empfunden,  dass 
ich  in  meinem  Buche  über  diesen  ,Erstgeborenen*  Philipp*s  II.  gar  nicht 
der  Schrift  des  Verfassers  von  ,Raymond*  und  ,grands  seig^eurs  et  gprandes 
dames  du  temps  pass^S  des  Herrn  Charles  de  MoUy  ,Don  Carlos  et 
Philipp  II.  Nouvelle  ^ition  Paris  1864*,  doch  nach  einer  Schlussnotis 
S.  316:  ,1859—1862*  verfasst,  Erwähnung  gethan  habe.  Es  ist  freilich 
seltsamer  Weise  nach  dem  Titelblatt  ein  ,ouyrage  couronnö  par  TAca- 
d^mie  Fran^ise*,  obwohl  ohne  alle  Kunde  von  dem  umfangreichen 
deutschen  und  dem  wichtigen  englischen  Materiale  mit  einer  nur  mechani- 
schen Benutzung  der  inzwischen  gedruckten  fraiizösischen,  spanischen  und 
italienischen  Acten  und  mit  gänzlichem  Mangel  an  kritischer  Disciplin 
abgefasst  Statt  der  nichtigen  Verse  des  Fray  Luis  de  Leon  über  des 
Prinzen  Tod  hätte  Moüy  (S.  308  f.)  eine  genaue  Beschreibung  von  dem 
Grabmale  oder  doch  von  Cardereras*  Abbildungen,  auf  welche  ich  selbst 
durch  Prof.  Justins  GUte  hingewiesen  worden  bin,  für  seinen  belletristischen 
Zweck  liefern  sollen. 


mttheÜQngen  avs  spMiiacher  0«8cb{obte  des  16.  und  17.  Jahrbnndtrts.  15 

Vergessen  war  selbstverständlich,  was  dem  Vater  und  Könige 
von  Don  Carlos'  wilden  und  gefahrvollen  Absichten  und  Plänen 
AnstosB  gegeben  hatte.  Ob  er  freilich  jemals  Kunde  erhalten  hat 
von  den  abscheulichen  Aeusserungen  tödtlichen  Hasses  des 
kranken  Thronerben,  welche  nach  dessen  Tode  durch  einen  eid- 
brüchigen Edelmann  aus  Don  Carlos'  Bewachung,  vielleicht  auch 
durch  einen  Aufwärter  desselben,  zur  Kunde  eines  Correspon- 
denten  des  Herzogs  von  Alba  gelangt  sind,^  mag  zweifelhaft  sein. 

Auf  alle  Fälle  wird  der  Beichtvater,  der  Dominikaner 
Diego  von  Chaves,*  Alles  gethan  haben,  um  derartige  schmerz- 

*  Er  habe  seines  Oheims  (Johann  von  Oesterreich)  und  seiner  Tante  Jo- 
hanna Blut  trinken  und  die  Stücke  der  Leiche  seines  Vaters  verunehren 
zu  wollen  erklärt.  14.  August  1568  (buquesa  de  Berwick  y  Alba,  Do- 
camentos  escogidos  1891,  p.  410),  Brief  des  Doctor  Milio.  Ueber  die 
Stellung  des  Letzteren  bemerke  ich,  dass  bei  Diego  Josef  Domer  (pro- 
gressos  de  la  historia  en  el  reg^o  de  Aragon  y  elog^os  de  Geronimo 
Zurita,  SU  primer  coronista.  Zaragoza  1680),  p.  497  sich  ein  Brief  von 
Alba^s  Sohne  Friedrich,  dd.  Mons,  15.  December  1568,  findet,  nach  welchem 
derselbe  die  Nachricht  von  der  Ernennung  Zurita^s  zur  Geschäftsleitung 
der  Inquisition  zuerst  von  Doctor  Milio  erhalten  habe.  Auch  die  Be- 
merkung möge  hier  ihre  Stelle  finden,  dass  man  nicht  wohl  gethan  hat, 
die  in  den  Alba-Documentos  p.  414 — 421  gedruckte  Relation,  einen  ge- 
wöhnlichen Zeitungsbericht  (Don  Carios'  Haft  und  Tod,  S.  302—308) 
wegen  einer  in  der  Einleitung  jenes  Werkes  S.  XVII  bemerkten  an- 
geblichen Gleichheit  mit  Zurita*s  Handschrift  (escrita  de  mano  de  Zurita) 
solche  Tageserzählungen  diesem  Geschichtschreiber  Aragoniens  mit  seinem 
sehr  ausgeprägten,  sachlichen,  gar  nicht  subjectiven  Stile  zuzuschreiben. 
Nicht  unerwähnt  soll  bleiben,  dass  man  für  eine  angemessene  Schil- 
derung Diego  Hurtado  de  Mendoza^s,  der  auch  in  dieser  Madrider  Zeitung 
8.  418  bei  einem  kurz  vor  des  Kronprinzen  Hinscheiden  auf  dem  Corridor 
der  königlichen  Wohnung  stattgehabten  Degenkampfe  erwähnt  wird, 
noch  immer  die  längst  gedruckte,  gerühmte,  aber  nicht  in  den  Buch- 
handel gekommene  Arbeit  von  Schultheiss  entbehrt.  Zu  meiner  eigenen 
Correctur  (Don  Carlos  302)  mnss  ich  über  den  Namen  des  hochverdienten, 
als  Staatsmann  wie  als  Dichter  gefeierten  Herrn  bemerken,  dass  Hurtado 
nur  ein  zweiter  Name  ist,  welcher  auch  von  einem  Cardinal  seiner  Ver- 
wandtschaft geführt  wird;  vgl.  J.  Fesenmair,  D.  Diego  H.  de  Mendoza 
(Programme  des  Münchener  Wilhelms-Gymnasiums  I,  1882;  II,  1884)  I,  5. 

'  Vgl.  über  ihn,  wo  im  Folgenden  kein  anderer  Beleg  gegeben  wird,  die 
im  Register  zu  ,Don  Carlos^  Haft  und  Tod*  S.  311  verzeichneten  Nach- 
richten. In  welch  hohem  Ansehen  er  schon  1568  stand,  beweisen  zwei 
Briefe,  welche  am  8.  März  und  9.  Juni  der  spanische  Botschafter  in  Rom, 
Johann  von  Zufiiga,  an  ihn  richtete:  Documentos  .  .  .  p.  1.  bist,  de  Espana 
t  97  (1890),  p.  403  und  492. 


16  XI.  Ablumdlnng:    Bfidinger. 

liehe  Erinnerungen  zu  verwischen;  auch  davon  wird  in  der 
nach  Philipp's  TL.  Tode  gemäss  Testamentverftlgung  verbrannten 
Correspondenz  mit  demselben  die  Rede  gewesen  sein.  Ohnehin 
sollen  alle  Dominikaner  das  Hinscheiden  des  sonst  von  Wenigen 
beweinten  Thronerben  beklagt,  Chaves  aber  die  Ueberzengung 
ausgesprochen  haben,  Don  Carlos  sei  nur  filr  kurze  Zeit  im 
Fegefeuer;  auch  soll  er  lebhaft  die  Meinung  von  dessen  Irrsinn 
bestritten  haben;  der  Prinz  sei  vom  Barte  aufwärts  gesund, 
seine  Intention  auch  nicht  so  verdammlich  wie  seine  Worte 
gewesen.  ^ 

Solch  ein  pathologischer  und  psychologischer  Befund  des 
guten  Menschen  ist  für  unsere  Beurtheilung  freilich  gleichgiltig. 
Da  aber  der  ehrenhafte  Mönch  dieser  seiner  Anschauung  ent- 
sprechend seine  Entlassung  aus  dem  Hofdienste  erbat,  ^  so  muss 
das  auf  den  in  gänzlicher  Unzugänglichkeit  trauernden  Vater 
um  so  mehr  einen  tiefen  Eindruck  gemacht  haben,  als  er  sich 
auch  erinnern  mochte,  dass  eben  dieser  Geistliche  Mitglied  der 
discreten  Commission  war,  welche  sich  mit  einer  neuen  Prüfung 
des  ohnehin  mit  aller  Rücksichtsnahme  geführten  Processes 
gegen  den  der  Häresie  verdächtigen  Erzbischof  Carranza  von 
Toledo  zu  beschäftigen  hatte.^  Da  lehnte  König  Philipp  II.  die 
Entlassung  ab  und  bestellte  Chaves  zu  seinem  eigenen  Beicht- 
vater; Chaves  scheint  bis  zu  seinem  Tode  in  dieser  Stellung 
verblieben  zu  sein. 

Seine  Rathschläge  dürfen  aber  bei  der  oben  beschriebenen 
Anordnung  der  Figuren  in  dem  königUchen  Grabmale  des  Es- 
curial  nicht  unterschätzt  werden:  Don  Carlos'  Erscheinung  im 
Mausoleum,  obwohl  ungemein  mager,  macht  doch  ,vom  Barte 
aufwärts^  einen  durchaus  ,gesunden'  Eindruck:  er  betet,  mit 
seinen  Eltern  in  Liebe  vereint. 

Von  den  Angehörigen  seiner  Familie  befanden  sich  zu- 
verlässig nur  sein  ihn  allein  überlebender  Sohn  PhiUpp  (HI.) 
und  die  älteste,  von  der  dritten  GemahUn,  der  französischen 
Elisabeth,  geborene  Tochter  Isabella  Clara  Eugenia  an  des 
Königs  Sterbelager  und  auch  diese  anderthalb  Tage  vor  dem 
Ende.     Von  beiden  wird  noch  näher  die  Rede  sein. 

^  Bericht  des  Doctor  liilio  an  den  Herzog  von  Alba  ddo.  16.  August  1568: 

Alba,  docnmentos  escogidos  412. 
•  FernaTidez  Montan»,  M«h  hiz  427. 


Mittheilnngen  aus  spuiUober  Oescbioht«  des  16.  und  17.  Jfthrbimderta.  17 

Es  fehlte  die  Grossmutter  des  Thronerben,  der  im  October 
1580  verstorbenen  Königin  Erzherzogin  Anna  Mutter,  Philipp's 
geliebte  Schwester,^  die  Kaiserin  Maria,  welche  nach  ihres 
Q^mahles  Tode  (1576)  bis  zu  ihrem  eigenen  (1603)  meist  nicht 
fem  von  dem  königlichen  Bruder  in  Spanien  lebte,  wohin  sie 
im  Spätherbste  1582  wieder  gelangt  war.  Wie  sich  ihr  Fehlen 
bei  dem  seit  Wochen  mit  Sicherheit  vorauszusehenden  Aus* 
gange  erklärt,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  In  dem  Wiener 
k.  und  k.  geheimen  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchive  finden  sich 
aus  diesem  und  den  nächsten  Jahren  überhaupt  keine  Briefe 
der  Kaiserin  Maria.  Ein  undatiertes  Schreiben  mit  ihren 
kräftigen,  grossen  und  viel  verschlungenen  Schriftzügen,  deren 
volle  Entzifferung  ich  in  diesem  Falle  doch  Anderen  über- 
lasse,' wird  freilich  im  k.  k.  Statthaltereiarchive  zu  Inns- 
bruck aufbewahrt.  Das  Schreiben  ist  an  ihren  dort  resi- 
dierenden Sohn,  den  Titularkönig  von  Polen  und  Hochmeister 
des  deutschen  Ordens,  Maximilian  gerichtet.  Dieser  fUhrte 
damals  die  Verweserschaft  über  die  seit  des  Erzherzogs  Fer- 
dinand Tode  (1595)  streitigen  Länder  deutsch-habsburgischen 
Besitzes.  Im  Eingange  wird  ein  ,gestern^  angelangter  Brief 
desselben  vom  20.  December  des  Vorjahres  erwähnt.  Die 
vorliegende  Antwort  mit  ihrem  schön  geschnittenen  kleinen  MI 
unter  der  Kaiserkrone  in  dem  rothen,  Trauer  ausschliessenden 
Siegel  könnte  sonach  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1598 
angehören.  Besorgt,  wie  sie  um  dieses  Sohnes  Gesundheit  ist, 
über  welche  sie  am  Schlüsse  neue  Nachricht  verlangt,  erwähnt 
sie  im  Eingange,  dass  atlch  der  Botschafter  Khevenhüller  ihr 
mündlich  bestätigt  habe,  dass  Erzherzog  Maximilian  sich 
wirklich,  wie  er  schreibe,  wohl  befinde;  auch  der  Hoffnung 
auf  Erhaltung  ihres  königlichen  Bruders  scheint  sie  Ausdruck 


*  Ich  erlaube  mir,  nochmals  auf  meinen  ,Don  Carlos*  (S.  39  und  111)  über 
das  VerhältnisB  der  Geschwister  zu  einander  zu  verweisen. 

'  Die  Adresse  lautet:  A  mi  hijo  el  Archiduque  Maximiliano.  Der  Anfang: 
Ayer  recibi  vuestra  carta  de  XX  de  Diziembre  .  .  .  holgu^  mucho  de 
Ter  por  ella  y  lo  que  me  ha  dicho  el  embajador  Quebenhiler  que  estais 
bueno.  Auf  den  kranken  Philipp  II.  gehen  auf  der  zweiten  Seite  Zeile  9 
die  Worte :  que  somos  buenos  a  conservar  mi  her(ma)no,  wenn  die  Lesung 
richtig  ist.  Der  Schluss :  plazer  que  mi  podeis  hazer  decirme  como  estais 
como  ya  (?)  deseo.     Vuestra  madre  Maria. 

SitximgBb«r.  d.  phU.-hist.  Gl.  CXXYIU.  Bd.  11.  Abh.  2 


18  XI.  Ibbandlnng:    Blidinger. 

ZU  geben.  Dass  sie  selbst,  wie  sie  auch  dem  Sohne  versichert, 
sich  wohl  befand,  wird  in  einer  im  Wiener  Staatsarchive  als 
Hofcorrespondenz  aufbewahrten  Reihe  von  meist  lateinischen, 
formell  kühlen  Briefen  ihres  ältesten  Sohnes,  des  Kaisers 
Rudolf  n.  aus  den  Jahren  1598  und  1699  allem  Anscheine 
nach  vorausgesetzt;  genauere  Prüfung  dieser  Schreiben,  als 
sie  in  meinen  Zwecken  lag,  könnte  hier  noch  eine  der  Pietät 
entsprechendere  und  über  die  öesundheitsverhältnisse  der  ehr- 
würdigen Fürstin  begründetere  Mittheilung  bringen.  Immer- 
hin liegen  fUr  die  Monate  der  schwersten  Erkrankung  und  des 
Todes  des  Königs  im  Wiener  Staatsarchive  keine  Nachrichten 
vor.  In  der  Hofcorrespondenz  mit  Spanien  aus  dem  Jahre 
1598  fehlen  alle  auf  den  dortigen  Thronwechsel  bezüglichen 
Acten,  und  auch  in  den  Berichten  des  kaiserlichen  Botschafters 
an  Rudolf  IL  ist  eine  bedauerliche  Lücke  vom  30.  Juli  bis 
zum  22.  October  dieses  Jahres. 

Aber  man  dankt  doch  diesem  zuverlässigen  Gesandten 
einige  erwünschte  Nachrichten  über  unsern  Gegenstand.  Es 
ist  Johann  von  Khevenhüller,  seit  dem  Juli  1593  Graf  von 
Frankenberg,  der  im  Mai  1606  neunundsechzigjährig  in  Madrid 
starb.  ^  Die  ganz  ungewöhnlichen  hohen  Eigenschaften,  welche 
diQ  Relationen  des  langjährigen  frühem  kaiserlichen  Vertreters 
Adam  von  Dietrichstein  so  überaus  anziehend  machen,  darf  man 
in  den  Depeschen  dieses  letzten  Botschafters  der  österreichischen 
Linien  des  habsburgischen  Hauses  am  Hofe  Philipps  H.  nicht 
erwarten.  Doch  ist  es  eine  ausflihrliche  und  geschäftlich  genaue 
Berichterstattung.  Besonders  zutreflfend  wird  man  sein  Urtheil 
über  Personen  nicht  finden.  Noch  am  30.  Mai  1598,  nur  drei 
und  einen  halben  Monat  vor  Philipp's  Tode  berichtet  er  von 
dessen  Thronerben  nicht  nur,  dass  er  täglich  kräftiger  werde, 
höchst  fromm  und  seinem  Vater  durchaus  gehorsam,  sondern 
auch,  dass  er  höchst  verständig  sei.*    Der  geistesstarke  könig- 


1  Wurzbach  XI,  220. 

'  ,Der  Prinz  wird  von  Tag  zn  Tag  8t()rckher  und  ist  ein  feindtlich  godt- 
forchtdger  und  verstendiger  Herr,  der  sy  ihn  Allen  seines  Herrn  Vattem 
Willen  (gemäss)  verhalt.*  Innsbrucker  Statthaltereiarchiv,  wo  sich  auch 
die  nächsterwähnte  Depesche  vom  10.  April  1595  befindet  mit  dem  charak- 
teristischen Satze:  ,Der  Khönig  khracht  on  Unterlass  und  ist  yom  Leib 
feindtlich  abkhumen.* 


Mittheilangen  ans  spanischer  Qescbicbte  des  16.  und  17.  Jalirhanderts.  19 

liehe  Vater  gab  sich  doch  in  dieser  Beziehung  keiner  Täuschung 
hin,  sagte  gelegentlich:  ,Gott,  der  mir  so  viele  Reiche  gewährt 
hat,  weigert  mir  einen  zu  ihrer  Regierung  fähigen  Sohn'  und 
klagte  noch  wenige  Tage  vor  seinem  Ableben  dem  Markgrafen 
von  Castel  Rodrigo:  ,Ach,  Herr  Christoph!  Wie  es  mich  besorgt 
macht,  dass  sie  ihn  zum  Herrschen  haben  !'^ 

In  eben  jener  Depesche,  in  welcher  er  das  irrige  Urtheil 
über  den  künftigen  PhiUpp  IH.  abgibt,  berichtet  Khevenhüller 
doch  dem  Erzherzoge  Maximilian  in  Innsbruck  mit  denselben 
Worten,  wie  schon  im  April  1595:  ,Die  Kaiserin,  meine  aller- 
gnädigste  Herrin  (Frouv),  ist  wohl  auf/  So  gleichmässig  guter 
Gesundheit  erfreute  sich  die  greise  Fürstin.  Um  so  seltsamer 
ist,  aus  der  Nähe  des  in  so  qualvoller  Weise  hinsterbenden 
königlichen  Bruders  nichts  von  ihrer  Gegenwart  zu  erfahren. 

Noch  in  dem  erwähnten  Berichte  nach  Innsbruck  vom 
30.  Mai  1598  hatte  der  Gesandte  aus  eigener  Anschauung  ge- 
schildert,* wie  die  Kaiserin  nach  der  feierlichen,  durch  Elide 
auch  des  Thronerben  bestätigten  Abtretung  der  Niederlande 
an  die  Infantin  Isabella  eine  Vollmacht  ihres  Sohnes,  des  mit 
päpstlicher  Bewilligung  aus  dem  geistlichen  Stande  getretenen 


^  ,Dio8  qne  me  ha  concedido  tautos  estados  me  miega  nn  hijo  capaz  de 
goveruarlos !'  —  ,Ay  Don  Christoval,  que  me  temo  qne  le  han  de  go- 
vemarl*    Lafuente  XV,  271. 

'  Euer  kuu(iglicheu)  W(ürde)  solle  ich  nach  Erinderung  meine  gehör- 
samisten  ||  und  ganz  willigen  Dienst  unterthenigist  zu  erindeni  nit 
underlassen,  wasmassen  verwichner  Tagen  der  Kunig  die  Donation  i|  der 
Niderlandt  der  Infanta  seiner  Tochter  gethan.  Sölliche  habbe  Ihr 
F(ü)r(stliche)  D(urchlauc)ht  acceptierdt  unnd  der  Prinz  ihr  Prueder  und 
sy  paiderseits  mit  starkchem  Juramendt  ratificieredt  und  confirmiredt. 
Paldt  darauff  habbe  die  Kaijserin,  mein  allergenedigiste  Frouv  ainen 
Gewaldt  vom  Erzherzog  Albrechten  angehendigit,  und  nachdem  derselb 
ihn  Peysein  Ihrer  M(aye8tä)t  des  Khunigs,  des  Prinzen,  der  Infanta,  des 
Marques  de  Yelada,  des  Don  Christöval  de  Mora,  des  Don  Juan  de  Idia- 
quez  und  mein,  verlössen  worden,  hat  man  zun  Heiratscapitulationibus 
griffen.  —  —  —  Wenige  Tag  ehe  vermelte  Tractation  abg^loffen  ist 
der  Kunig  gar  (?)  übl  auss  gewest,  Jederman  pesorgt,  wurde  von  Landt 
rukchen,  aber  widerumben  pösser  worden;  gleich woU  des  Fiebers  noch 
nit  quit;  pesorgen,  sye  eticus  (=  hetico).  Wie  dem  Alem,  (wollen) 
Ihr  M(ajestä)t,  dass  alle  negotia  durch  ihr  Uendt  lauffen:  dardurch  nit 
wenig  prejudiciredt  wird.*     (Innsbrucker  Archiv). 

2* 


20  XI.  Abhftndliinf :    Bfldinger. 

Erzherzogs   Albrecht,   überreichte,    nach   deren   Verlesung  die 
Ehepacten  mit  der  Infantin  aufgesetzt  wurden. 

Es  fand  aber  schon  dieser  feierliche  Doppelaet  ^wenige 
Tage^  nach  einem  schweren,  unmittelbaren  Tod  drohenden 
Krankheitsanfalle  des  Königs  statt,  bei  welchem  die  Aerzte 
zum  ersten  Male  alle  drei  Uebel  erkannt  zu  haben  scheinen, 
deren  vereinigte  Wirkungen  ihm  Leiden  nicht  von  dem  Historiker 
zu  beschreibender  Art*  verursachen  sollten.  Schon  seit  1579 
hatte  sich  die  Gicht,  an  welcher  ja  auch  sein  kaiserlicher 
Vater  schwer  gekrankt  hatte,  bei  ihm  eingestellt;  dieses  Uebel 
hatte  ihn  im  Laufe  der  Jahre  in  zunehmendem  Masse  heim- 
gesucht und  hat  ihn  bald  mit  all  seinen  schmerzhaften  Folgen 
nicht  verlassen.  Ein  hektisches  Leiden  scheint  schon  in  seiner 
Jugend  vorhanden  gewesen  zu  sein,  da  ihm  damals  oft  jede 
stärkere  Bewegung  unmöglich  erschien'  und  die  grösste  Sorg- 
falt für  seine  Gesundheit  zur  Pflicht  gemacht  worden  war;  wie 
es  häufig  geschieht,  trat  dies  in  der  Vollkraft  des  Lebens 
zurückgetretene  oder  vernarbte  Uebel  jetzt  im  Greisenalter  bei 
dem  fast  Einundsiebzigjährigen,  schon  seit  mehr  als  Jahresfrist 
vermuthet,  unzweideutig  hervor.  Zu  diesen  beiden  Krank- 
heiten gesellte  sich  jenes  Wechselfieber,  an  welchem  auch 
Karl  V.  zuweilen  gelitten  hatte  und  dessen  dreijährige  Dauer 
fUr  Don  Carlos  so  verhängnissvoll  geworden  war. 

Noch  war  dies  Fieber  nicht  ganz  geschwimden,  als  in 
des  Königs  Gegenwart  dessen  Lieblingstochter  die  Ueber- 
tragung  der  niederländischen  Herrschaft  und  jene  von  der 
Kaiserin  vorgelegte  Vermählungserklärung  empfieng.  Zwei 
Tage  früher,  bei  der  Frohnleichnamsprocession  am  28.  Mai^ 
liess  er  sich  durch  den  Kronprinzen  vertreten,  zu  dessen 
Gunsten  man  schon  im  April  von  der  Abdankung  des  Er- 
krankten gesprochen  hatte;  doch  sah  er  der  Procession  hinter 
geschlossenem  Fenster  zu.  Kjievenhüller'  fand  ihn  an  diesem 
Tage  wie  todt  aussehend. 


^  Lafaente  XIV,  471—475,  wo  derselbe  sich  entschnldigt:  sensible  nos  es 
tener  que  trazar  este  repugnante  cuadro. 

*  ,Don  Carlos*  130. 
An  den  Kaiser  am  12.  April  1698:  ....  ,weil  aber  der  Chonig  nochmallen 
Leibs  Schwachheit  halber,  mit  der  noch  pyha£f(tet)'.    Die  Depesche  vom 
21.  Juni,    einem   Sonntag,    trägt   diese  Zahl  am  Schlüsse  und  auf  dor 


9 


]Cittbeiliing«n  au  spaniioher  0«Bchiohte  dM  16.  nnd  17.  Jahrhunderts.  31 

Uud  doch  trat  sein  Verlangen  der  Uebersiedelong  nach 
dem  Escurial  seitdem  immer  stärker  hervor,  aller  Einsprachen 
der  Aerzte  ungeachtet,  welche  den  Transport  für  gefährlich 
erklärten.  Dennoch  wurde  derselbe^  unter  heftigen  Schmerzen 
vom  30.  Juni  bis  5.  JuU,  also  in  sechs  Tagen,  derart  voll- 
zogen, dass  der  Kranke  von  Menschenhand  in  seinem  Lager 
diesen  etwa  fünfzig  Kilometer  langen  Weg  getragen  wurde. 
In  dem  Escurial  angelangt,  wohnte  König  Philipp  in  seinem 
Krankensessel  nicht  nur  der  kirchlichen  Feier  der  Ueber^ 
tragung  aus  Deutschland  gekommener  Reliquien  bei,  sondern 
besah  sich  noch  einmal  aUe  Räume  dieser  seiner  wundersamen 
Bauschöpfung,  traf  auch  einzelne  neue  Anordnungen.  Man  begann 
wieder  Hoffnung  zu  hegen;  am  13.  Juli  meldete  Khevenhüller 
dem  Ejiiser,  dass  ,des  Königs  Indisposition  sich  täglich  besseret 
Am  22.  Juli  begann  jedoch  der  Zustand  des  Kranken  hoffnungs- 
los zu  werden;  noch  vor  Ablauf  des  Monates  wurde  eine 
Operation  am  Knie  vorgenommen,^  deren  Schmerzen  der  König 
zum  Erstaunen  der  Aerzte  ruhig  ertrug.  DreiundfUnfzig  Tage 
für  die  damalige  Heilkunst  nicht  zu  lindernden,  unaufhörlichen 
Leidens  zählte  man  so  bis  zum  Tode  am  Morgen  des 
13.  September. 

Da  sind  nun  zwei  im  Innsbrucker  Archive  erhaltene  Be- 
richte aus  den  beiden  diesem  Abschlüsse  vorangehenden  Tagen 
erwünscht.    Sie  Hegen  einer  für  den  Zweck  dieser  Abhandlung 


Adresse;  doch  scheint  der  Gesandte  nach  dem  Inhalte  sich  beide  Male 
rerschrieben  zu  haben;  es  dürfte  ,12-  Juni'  gemeint  sein.  Am  Ende  des 
Berichtes  über  die  Frohnleichnamsprocession  über  den  KOnig:  ,hat  vill 
ehe  ainem  todten  COrper,  alls  ainem  lebendigen  gleich  gesehen.  Ihr 
M(igestä)t  pegem  starckch  nach  dem  Escurial,  das  aber  die  Mediei  nit 
approbiren  wOUen.  Wie  dem  Allem,  so  vermainen  sy,  ehr  werde  sj  nit 
halten  lassen,  das  nun  nit  an  Gefahr  ihrem  Vermueten  nach  steet' 
(Wiener  Staatsarchiv.) 
^  Auf  der  dritten  Seite  von  KheyenhüUer^s  Depesche  an  den  Kaiser  vom 
30.  Juli  1598  findet  sich  der  medicinische  Bericht,  beginnend:  La  salud 
del  Key,  vieUeicht  fUr  die  Geschichtschreibung  der  Medicin  von  Werth. 
(Wiener  Staatsarchiv.)  Dies  ist  vor  des  K()nig8  Ableben,  wie  oben  (S.  18) 
bemerkt,  die  letzte  Depesche  an  den  Kaiser,  welche  erhalten  ist.  Da 
aber  auch  aus  Don  Carlos'  letzter  Zeit  und  über  seine  Bestattung  die 
Dietrichstein'schen  Depeschen  fehlen,  so  darf  man  die  Hoffnung  nicht 
aufgeben,  dass  beide  Fascikel  noch  irgendwo  erhalten  sind. 


22  XI-  Abbandlnng:     Bfldinger. 

irrelevanten  Depesche  Khevenhüller's  an  den  Erzherzog  Maxi- 
milian vom  14.  September  1598  zur  Information  bei.  Wie 
sie  beide  sich  als  Abschriften  einer,  freilich  zuweilen  das  Ver- 
ständniss  durch  Abkürzungen  und  durch  eine  widersinnige 
Interpunction  erschwerenden,  Kanzleihand  darstellen,  so  haben 
sich  vielleicht  auch  anderwärts,  namentlich  in  Spanien  selbst, 
solche  Abschriften  erhalten.  Auch  ist  es  ganz  möglich,  dass 
sie  schon  einmal  in  einer  mir  unbekannt  gebliebenen  spanischen 
Monographie  gedruckt  worden  sind.  Auf  alle  Fälle  verdienen 
sie,  auch  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  werden. 

Das  erste  Schreiben  ist  ein  Billet  des  leitenden  Ministers 
und  hochgeachteten  Vertrauten  des  Königs,  der  ihn  auch  an 
erster  Stelle  mit  dem  Vollzuge  seines  Testamentes  betraute.^ 
Christoph  von  Moura,  wie  dieser  portugiesische  Edelmann 
eigentlich  hiess,  oder  Mora,  wie  ihn  die  Spanier  nannten.  Ge- 
richtet ist  der  Brief  an  Johann  von  Boija,  nach  dem  Namen 
ein  Abkömmling  jenes  gleichnamigen  zweiten  Sohnes  des 
spätem  Papstes  Alexander  VI.,  welcher  zu  dem  Herzogthume 
Gandia  und  der  Ehe  mit  einem  Sprossen  des  aragonesischen 
Königshauses  gelangte.*  Vom  11.  September  um  12  Uhr 
Nachts  ist  das  Billet  datiert,  welches  vorzeitig  das  Eintreten 
der  Todesstunde  meldet.  ,Wir  sind  zur  letzten  Stunde  gelangt, 
welche  flir  Seine  Majestät  mit  so  viel  Grund  ersehnt  worden 
ist,  damit  (der  König)  von  den  Leiden  und  Nöthen  entledigt 
werde,  in  denen  er  sich  befindet,  und  zum  Genüsse  der  Ruhe 
komme,  welche  Gott  nach  seiner  Barmherzigkeit  und  um 
dessen  willen  ihm  gewähren  wird,  womit  er  ihm  in  diesem 
Leben  gedient  hat.  Jetzt  können  wir  Eurer  Herrlichkeit  keine 
anderen  Nachrichten  senden.^  In  den  Schlussworten  scheint 
der  Fall  einer  ganz  unwahrscheinlichen  Besserung  des  Befindens 
noch  vorbehalten.* 


*  Näheres  über  ihn:  ,Don  Carlos'  Haft  und  Tod*  168  bis  174. 

'  C.  von  Höfler.  Die  Katastrophe  des  herzoglichen  Hanses  der  Boija  von 
Gandia  (Denkschriften  der  kais.  Akad.  XLI,  1892),  8.  10,  53  f. 

'  Don  Christoval  de  Mora  a  Don  Jnan  de  Boija  de  San  Lorenzo  el  Real 
4  11  de  Seti(embr)e  a  las  doze  de  la  noche  1698.  Somos  lleg^ados  k  la 
ultima  hora  tan  desseada  por  su  Mag(esta)d  con  tanta  razon,  pues  saldri 
de  las  miserias  y  trabajos  en  que  esta  y  ira  i  gozar  del  descanso  qae 
Dios  le  darA  por  su  misericordia  y  por  que  el  en  esta  vida  le  ha  seniido. 


]CilthtiliiBf«n  »u  tpMiischtr  OeMbiohte  dM  16.  und  17.  Jahrhundert«.  23 

Die  andere  Einlage  ist  als  Theil  eines  Briefes  ans  dem 
Escnrial  bezeichnet,  also  etwa  als  Zeitung  für  die  vertrautesten 
oder  vornehmsten  Kreise  Spaniens  abgefasst  und  vom  folgenden 
Tage,  12.  September  1598,  datiert.^  ,Seine  Majestät  ist  gestern 
um  2  Uhr  Nachmittags  von  einer  Ohnmacht  befallen  worden. 
Man  dachte,  sie  werde  ihn  hinraffen,  also  gab  man  ihm  die 
Kerze  in  die  Hand.*  Um  6  Uhr  Abends  kam  darauf  Herr 
Christoph  von  Mora  sehr  niedergeschlagen  zu  der  Frau  In- 
fantin und  sagte  zu  ihrer  Hoheit:  „Herrin!  Seine  Majestät 
will,  ehe  sie  stirbt.  Eurer  Hoheit  den  Segen  ertheilen."  Ihre 
Hoheit  war  gar  beunruhigt,  erschien  sehr  geröthet  und  erhob 
sich  zu  gehen.  Herr  Christoph  sagte  zu  ihr:  „Eure  Hoheit  möge 
sich  nicht  so  beeilen I  Denn  ich  gehe  zu  dem  Prinzen,  damit 
Sie  Beide  mit  einander  gehen."  Und  so  giengen  sie,  und 
Seine  Majestät  konnte  nicht  zu  ihnen  sprechen,  sondern  ihnen 
nur  seinen  Segen  ertheilen.  Und  sogleich  kehrten  sie  Beide 
in  tiefster  Rührung  zurück,  dass  es  die  Herzen  brach.^  Der 
Prinz  begab  sich  in  seine  Wohnung  und  schloss  sich  zum 
Gebete  ein,  und  die  Prinzessin  gieng  in  die  Emporkirche, 
um  dasselbe  zu  thun,  wo  wir  die  Mönche  ein-  und  ausgehen 
sahen.  Und  um  7  Uhr  Morgens  (12.  September)  hatte  seine 
Majestät  einen  weiteren  Anfall,  kam  aber  sogleich  wieder  zu 
sich.  Man  gab  ihm  einen  Trank,  und  als  diesen  der  Arzt 
Mercado   darreichte,   fragte  er  ihn,   aus  was   er  sei;   der  ant- 


Ta  no  podemos  embiar  k  V.  S.  otras  nuevas,  si  no  fueren  las  (los?)  .  .  . 
tras  (contras?    portugiesisch)    esto    se    pueden  esperar.     GroBsoctavblatt. 

^  Cap(itu)lo  de  carta  del  Escurial  &  12  de   Seti(embr)e  1598.     Folioblatt. 

'  Gleich  dieser  Anfang,  von  dem  Schreiber  unmöglich  interpungiert,  soll 
lauten :  A  su  Mag(esta)d  le  di6  ayer  k  las  dos  despues  de  medio  dia  un 
desmayo.  Pensando  que  le  llevaria,  assi  le  pusieron  la  candela  en  la 
mano. 

'  T  assi  fueron,  y  no  les  pudo  hablar  su  Mag(esta)d,  sino  hechar  les  su 
bendicion,  y  Inego  se  bolvieron  tiemissimos  entrambos,  que  quebraua  los 
coTSu^onea.  Die  auch  von  Lafuente  XIV,  478  aufgenommene  Erzäh- 
lung von  der  zärtlichen  Ansprache  des  Königs  an  seine  beiden  Kinder 
saramt  Ermahnung  zu  Frömmigkeit  und  kluger  Regierung  ist  also  grund- 
los. Was  von  der  hiemit  zusammenhängenden  Weisung  an  seinen  Beicht- 
vater zu  halten  ist,  Beiden  die  Ermahnung  vorzulesen,  welche  Ludwig 
der  Heilige  an  seinen  Thronerben  gerichtet  hatte,  erscheint  jetzt  mindestens 
zweifelhaft.  Die  Nichtigkeit  einer  andern  Nachricht  (s.  o.  S.  1 2)  ist  zweifellos. 


24    XI.  Abb.:  Btdinf  er.  Xittheilnofen  »os  tpftoiseber  Oewhiobte  dM  16.  v.  17.  Jftbrb. 

wortete  ihm:  „Aus  Hyacinthen."  Hierauf  sprach  der  König: 
„bei  einem  anderen  Tranke  wie  diesem  starb  die  Kaiserin, 
meine  Herrin,  bei  Einbruch  der  Nacht;  aber  ich  werde  in 
dieser  Nacht  nicht  sterben,"  [den  Anbruch  des  Tages  hatte  er 
also  nicht  bemerkt]  „noch  am  Morgen;  denn  ein  Mönch  hat 
mir  gesagt,  er  wisse  die  Stunde,  hatte  grosse  Wissenschaft.'' 
Und  die  ganze  Nacht  waren  die  Mönche  damit  beschäftigt, 
den  Psalter  aufzusagen  und  Gott  ftLr  die  Seele  Seiner  Majestät 
zu  bitten.' 

Schon  vorher  war  auf  seinen  Befehl  seines  kaiserlichen 
Vaters  Sarg  geöffnet  und  waren  aus  demselben  zwei  Kerzen 
und  das  Crucifix  genommen  worden,  welches  Karl  V.  bei 
seinem  Tode  in  Händen  gehabt  hatte;  man  musste  dasselbe, 
damit  er  es  stets  sehe,  an  des  Königs  Bettvorhang  befestigen; 
in  seine  Hände  sollte  dies  Kreuz  ebenfalls  beim  Sterben  gelegt 
werden.  Hatte  doch  auch  Don  Carlos,  als  ihm  die  Nähe  des 
Todes  angekündigt  wurde,  die  Umstehenden  ihn  zu  unterstützen 
gebeten,  das  von  seines  kaiserlichen  Grossvaters  Lippen  in 
der  Sterbestunde  gehörte  Gebet  zu  sprechen.  Unter  kleinen 
Zuckungen  wie  dieser  sein  ältester  Sohn  ist  auch  Philipp  II. 
verschieden. 


in.  Abb.:  Beer.  Hao<Uebr.  Spuiens.  Bibl.  Uebers.:  325—828  (Murci*— La  Mnrto). 


XII. 

Handscbriftenscbätze  Spaniens. 

Bericht  über  eine  im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
in  den  Jahren  1886 — 1888  durchgeführte  Forschungsreise. 

Von 

Dr.  Budolf  Beer, 

4nuuiuezi9is  der  k.  k.  Hofbibliotbek. 


M  u  r  o  i  a. 
325«  Biblioteca  de  San  Felipe. 

Haenel,  Cat.  col.  1006  nonnulli  libri  mss.  parvi  momenti. 
Valentinelli,  p.  118  nach  Haenel. 

326.  Archivo  de  la  ciudad. 

CoLECcioN  de  fueros  y  cartas-pueblas  de  Espana,  Madrid 
1852,  p.  156  flf.  Mittheilungen  über  einen  ,cödice  del  Fuero 
Juzgo  que  se  guarda  en  el  mismo  archivo'  mit  reichlichen 
Auszügen. 

327.  f  Biblioteca  de  los  Frailes  menores  de  San  Francisco. 

Diese  Bibliothek  erhielt  die  Privatsammlung  des  Bischofs 
Diego  de  Arze  y  Reynoso,  nach  Vogel  verzeichnet  im 

CatAlogo  general  de  la  hbreria  del  senor  D.  Diego  de 
Arze  y  Reynoso,  Obispo,  Inquisidor  general  en  todos  los  Reynos. 

Vgl.  auch  Wadding,  Scriptores  Ordinis  Minorum,  Romae 
1650,  p.  lOOf. 

Antonio,  Nicolaus,  Biblioth.  Nov.  I,  p.  268  über  Diego 
de  Arze  und  seine  Bücherschenkung. 

Vogel,  p.  479. 

Valentinelli,  p.  117  f.  nach  Vogel. 

La  Murta  (Prov.  de  Valencia). 

328.  Biblioteca  del  Monasterio  de  Nuestra  Seüora. 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  rV,  p.  83  f.,  beschreibt  (1)  ein 
Horario  ö  Devocionario,  prächtig  auf  Pergament  geschrieben, 
mit  vielen  Miniaturen,  welches  nach  einer  Note  ,di6  D.  Diego 
Vieh  entre  otras  pinturas  ä  este  convento  de  la  Murta  ä  26  de 

SitaungBber.  d.  pbil.-bist.  a.  CXXYUI.  Bd.  18.  Abb.  1 


2  XII.  Abhandlung:    Beer.  Huidschriftenschitze  Spaniens. 

Julio  de  1641^  Interessant  wird  das  Kalendar  durch  zwei 
auf  den  eigentlichen  Text  folgende  Abbildungen;  die  eine 
stellt  das  kaiserüche  Wappen  dar,  und  um  dasselbe  finden 
sich  die  Worte:  , Maximilianus  imperator  romanorum  semper 
augustus'  und  unter  denselben  wie  folgt:  HALI-MAS.  Die 
zweite  Abbildung  bietet  gleichfalls  ein  Wappen  und  darum  die 
Legende:  Franciscus  de  Taxis,  magister  postarum  serenissimi 
principis  Ka.  archiducis  Austriae/  Ad  calcem  die  Note:  Vidit 
Fr.  Joannes  Vidal  23  Maji  1585.  (2)  Lactantius,  sieben  Bücher 
der  Divinae  institutiones,  s.  XII  mit  zahlre'ichen  Varianten  von 
Belang.  Diese  Handschrift  ging  in  den  Privatbesitz  Villa- 
nueva's  über. 

Valentinelli,  p.  126  f.  nach  Villanueva. 

La  Murta  (Prov.  de  Barcelona). 

339.  Biblioteca  del  Monasterio  de  los  P.  P.  Gerdnimos. 

Villanueva,  Viage,  tom.  XIX,  p.  2  berichtet  über  die 
einst  reiche,  vom  presbitero  Jaime  Ramon  Vila  gestiftete  Hand- 
schriftensammlung  des  Klosters,^  die  theilweise  in  den  Besitz 
des  Marques  de  la  Romana  zu  Valencia  gelangte.  Villanueva 
sah  noch  an  Ort  und  Stelle:  (1)  Eine  prächtig  geschriebene 
Bibel  mit  der  Schlussnote:  Explicit  liber  Machabeorum  secundus. 
Scripsit  Nicolaus  Berti  de  Gentiluciis  de  Sancto  Geminiano, 
civis  Florentinus,  pater  Amantii  et  Francisci,  complevitque  die 
sabbati  dccima  nona  mai  MCCCLIII  u.  s.  w.  (2)  Devocionario 
en  vitela,  Ueno  de  primorosas  miniaturas.  (3)  Sermo  quem 
coram  Domino  Papa  et  Cardinalibus  Avinione  in  Capella 
Domini  Papae  explicavit  venerabiHs  F.  Bemardus  Oliverii  .  .  . 
sub  anno  Domini  MCCCXXX  quarto.  (4)  Santoral  lemosin. 
(5  —  8)  Coleccion  herdldica  in  vier  grossen  FoUobänden. 

ToRRES  Amat,  Memorias  etc.,  bespricht  p.  481:  Pertusa, 
Francisco,  Memorial  (de  la  f^  cristiana),  un  tomo  en  fol.  menor 
MS.  de  204  foleos.  Fuit  scriptus  liber  iste  in  monasterio  isto 
dicto  S.  Hieronymi  de  Bethelem,  alias  de  la  Murta  et  fuit . . . 
Die  novembris  sabato  primo  de  adventu,  anno  domini  MDV. 
Deo  gratias;  p.  632  Trias,  Juan,  Bibliotheca  seu  coUectio 
aliquarum   sententiarum  Sacrae   Scripturae,    sanctorum   Patrum 

^  lieber  diese  auch  Torres  Amat,  Memorias,  p.  614. 


^ 


fiibl.  Uebenicht :  329— SSO  (La  Murta— Nijera).  3 

et   aliorum   auctorum    etc.     Cuatro  volüinenes  en   folio.     Beide 
Werke  aus  dieser  Bibliothek. 

Valbntinblli,  p.  161  nach  Villanueva. 

N&jera. 

330.  t  Biblioteca   del  Convento  de  Santa  Maria. 

Empfangsbestätigung  König  Alphons  X.:  Sepan  quantos 
esta  carta  vieren,  como  yo  Don  Alfonso,  por  la  gracia  de  Dios 
Rey  de  Castiella  ....  otorgo  que  tengo  de  vos  el  prior  ^  con- 
vento de  Santa  Maria  de  Näjera  quince  libros  de  letura  antigua 
que  me  emprestastes,  ^  los  libros  son  aquestos.  (1)  Las  edi- 
tiones*  de  Donato.  (2)  Statio  de  Tobas.^  (3)  El  Catalogo  de 
los  Reyes  Godos.  (4)  El  libro  juzgo  de  ellos.  (5)  Boecio  de  con- 
solacion.^  (6)  Un  libro  de  justicia.  (7)  Prudencio.  (8)  Geor- 
gicas  de  Vergilio.^  (9)  Ovidio  epistolas.  (10)  La  historia  de  los 
Reyes  de  Isidro  el  menor.^  (11)  Donato  el  Barbarisio.^  (12)  Vo- 
colicas'  de  Vergilio.  (13)  Liber  illustrium  virorum.  (14)  Pre- 
ciano  maior.  (15)  Boecio  sobre  los  diez  predicamentos.  (16)  El 
comento  de  Ciceron  sobre  el  sueno  de  Scipion. 

Dada  en  Santo  Domingo  de  la  Calzada,  veinte  ^  cinco 
dias  de  Febrero,  era  de  mill  ^  trecientos  ^  ocho  anos  (25.  Fe- 
bruar 1270). 

Zuerst  veröffentlicht  von  Gaspar  Ibaiiez  de  Segovia,  Peralta 
y  Mendoza,  Marques  de  Mondejar,  Memorias  historicas  del  Rei 
Don  Alonso  el  Sabio,  Madrid,  1777  p.  452,  dann  von  Fray 
Liciano  Säez,  Demostracion  del  verdadero  valor  de  todas  las 
monedas  que  corrian  en  Castilla  durante  el  reynado  del  Sefior 
Don  Enrique  UI.  Madrid  1796,  p.  371;  am  besten  im  Memorial 
histörico  espanol.  Coleccion  de  documentos  opüsculos  y  antigue- 
dades  I,  1851,  p.  258,  Doc.  Nr.  CXVIII,  nach  der  Documente  in 
der  Coleccion  del  Conde  de  Mora,  tom.  XXIII,  O.  23.  (Jetzt  in 
der  Bibliothek  der  Akademie  der  Geschichte  zu  Madrid.)  Vgl. 


*  Der  von  IbafSez  veranstaltete  Abdruck  gibt:  Addiciones. 

*  Estacio  de  Thebas,  Abdruck  Ibaflez. 
■  Consolatione,  A.  I. 

*  Virgilio,  A.  I. 

*  Reyes,  Isidro  el  menor,  A.  I. 

*  Barbarismo  A.  I,  corrig^rt. 

^  yocolicas  —  predicamentos  weggelassen  im  A.  I. 


4  Xn.  Abhandlung:    Beer.  Huidschriftonsch&tze  Spaniens. 

ferner  Eguren  p.  LXXIX,  Tailhan  p.  309,  Amador  de  los  Rios, 
Historia  critica  de  la  Literatura  Espafiola^  tom.  IH,  p.  592,  end- 
lich Marcelino  Menendez  Pelayo,  Horacio  en  Espana,  p.  9,  Anm. 

Navaloamero. 

331«  t  Biblioteca  del  Colegio  de  Jesuitas. 

Ein  handschriftlicher  Indice  de  los  libros  del  Colegio  de 
Jesuitas  de  Navalcarnero  wird  verzeichnet  unter  Nr.  467  und 
468  der  jetzt  in  der  Real  Academia  de  la  Historia  aufbewahrten 
Codices  aus  San  Isidro  (Madrid);  er  besteht  aus  12  Heften  in 
Folio.  Vgl.  Revista  de  Archivos  VI  (1876),  p.  263.  Navalcar- 
nero ist  ein  kleines  Städtchen  zwischen  Madrid  und  Talavera 

de  la  Reina. 

Obona. 

333.  t  Biblioteca  del  Monasterio. 

Adelgastar  schenkt  Era  DCCCXVHI  (780)  diesem  Kloster 
verschiedene  Kirchengeräthe  und  Güter  et  (1)  unum  misale . . . 
et  (2)  lectionarium  et  (3)  responsorium  et  (4,  5)  duos  psalterios 
et  (6)  uno  dialogorum  et  (7)  passionarium  et  (8)  una  regula 
de  ordine  Sancti  Benedicti. 

Vgl.  Risco,  Espana  Sagrada,  tom.  XXX VH  (1789),  Ap. 
Nr.  5,  p.  308  Mitte.  Eguren  p.  LXXXVHI,  Tailhan  p.  314.  — 
Coleccion  de  fueros  y  cartas-pueblas  de  Espana  p.  163  f.  heisst 
es  mit  Bezug  auf  diese  Urkunde:  Esta  escritura  ha  sido  caH- 
ficada  por  algunos  de  apöcrifa. 

Olveyroa. 

333.  t  Iglesia  de  Santiago. 

Dona  Leonor  Gonzalez,  Gemahlin  Ruy  Soga's,  bestimmt 
in  ihrem  Testament  vom  Jahre  1334:  It.  mando  a  Santiago 
dolveyroa  CC  soldos  para  hun  salteyro. 

Aus  dem  Tumbo  von  Tojosutos  (gegenwärtig  im  Archivo 

Histörico  Nacional  zu  Madrid)  edirt  von  Villa-Amil,  Los  cödices 

p.  20. 

Oliva  (Navarra). 

334«  Archivo  del  Monasterio, 

MuNOz  Y  RoMERO,  Diccionario  p.  204  erwähnt  ein  Ms. 
Chronologia  regii  Ohvae  monasterii,  que  existia  original  en  su 
archivo;  lateinische  Annalen,   die  bis  zum  Jahre  1647  reichen. 


\ 


fiibl.  Uebenicht:   331— SS7  (Nijerm  — Ofta). 


Olxnedo. 


335«  Biblioteca  de  la  Iglesia  parroquial  del  Arcangel  San 
Miguel. 

MüNOz  Y  RoMERO;  DiccioDario  p.  204  f.  citirt  Libro  del 
novenario  sagrado  ä  la  milagrosa  imägen  de  Nuestra  Senora  de 
la  Soterrana,  patrona  de  la  villa  de  Olmedo  .  .  por  el  Licenciado 
Antonio  de  Prado  y  Sanefao.  Ms.  ,Esta  obra  se  guarda  en  la 
citada  iglesia/  Berichtet  unter  Anderem  über  die  Gründung  der 
Stadt  und  ihrer  Convente. 

Los  Olmos. 

336.  f  Archivo  del  Convento  de  los  P,  P.  Franciscanos, 

MartInez  Anibarro  y  RrvES,  Intento  de  un  diccionario 
de  .  .  .  Burgos  etc.  p.  54  berichtet  über  eine  Handschrift  ^Manual 
de  fundaciones  de  conventos^  (ohne  nähere  Beschreibung),  sowie 
Originalmanuscripte  der  Werke  von  Francisco  de  Salinas  (des 
Gründers  des  Klosters),  welche  in  diesem,  heute  zerstörten  Con- 
vente aufbewahrt  wurden. 

Ona. 

337.  t  Biblioteca  y  Archivo  del  Real  Monasterio  de  San 
Salvador, 

Der  codex  Escorialensis  R.  11.  7,  Saec.  Xu  enthält  auf 
fol.  113*^^  und   147^  folgendes  Handschriften verzeichniss:^ 

(1.2)  Dos  bibliotecas.  (3)  Vna  omelia.  (4)  decada  psal- 
morum.  (5)  Los  canones  nueuos.  (6)  Los  canones  uieios 
(7)  Moralia  Job.  *  (8)  Las  dirivationes  nueuas.  (9)  Las  ystorias. 
(10)  Liber  orationum.  (11)  Thimologia.  (12.  13)  Dos  libros  super 
Johannem.  (14)  Paulus  orosius.  (15)  Liber  omeliarum  gregorii. 
(16 — 19)  Quatuor  libros  passionarios.  (20)  Liber  augustinus  de 
civitate  dei.  (21)  Liber  augustinus  de  doctrina  christiana.  (22) 
Liber  ambrosius  de  questionibus  evangeliorum.  (23)  Liber  de- 
creta  romanorum.  (24)  Virginitas  sancte  marie.  (25)  Psalterium 
cantoris  parisiensis.  Quod  iussit  fieri  dompnus  abbas.    (26)  Vita 


*  lieber  die  Varianten  vgl.  Hartel  a.  a.  O. 

•  In  beiden  Abschriften  findet  sich  Job  zweimal,  wohl  Dittographie,  da  kaum 
anzunehmen,  dass  dem  Werk  Gregors  die  Schrift  selbst  beigegeben  war. 


ß  Xn.  Abbandlang:    Beer.   Handscbriftenscbitze  Spaniens. 

sancti  enneconis.  (27)  Quadraginta  omeliarum.*  (28)  Ezechiel.^ 
(29)  Liber  cintillarii.  (30)  Vita  sancti  Martini.  (31 — 34)  Quatuor 
libri  dialogonim.  (35)  Ystoria  ecclesiastica.  (36)  Jerenticon. 
(37)  Vita  sancti  ildefonsi.  (38.  39)  Apocalipsin.*  (40)  Institu- 
tiones  patrum.  (41)  Collationes  patrum.  (42.  43)  Prognosticon 
dos  libros.  (44.  45)  Ad  dominum  cum  tribularer.  dos  libros. 
(46)  Vita  sancti  gregorii.  (47.  48)  Vitas  patrum  dos  libros. 
(49)  Zmaragdu.  (50)  Prosper.  (51.  52.  53)  Sumum  bonum  tres 
libros.  (54)  Super  ysayam.  (55)  Quam  bonus.  (56)  Liber  duo- 
decim  prophetarum.  (57)  Flores  psalmorum.  (58)  Liber  pastoralis. 
(59)  Liber  iohannis  belet.  (60)  Liber  allegorias  de  ezechiel. 
(61.  62)  Dos  reglas.  (63.  64)  Dos  missales.  (65.  66)  Dos  domin- 
gales  .  unu  nuevu  y  otru  vieiu.  (67.  68.  69)  Dos  santorales 
nuevos  en  dos  cuerpos  .  y  unu  vieiu.  (70.  71)  Dos  collectarios 
de  coru  .  unu  nuevu  y  otru  vieiu.  (72 — 74)  Tres  officeros.  (75. 
76)  n°*  proseros.  (77 — 83)  VIT  libros  pora  dezia  missas.  (84 — 
87)  im  antiphonarios.     (88—102)  XV  psalterios. 

Estos  son  libros  de  gramatiga  (103.  104)  libros  de  decretos. 
(105)  Pricianus.  (106)  Arator.  (107)  Papia.  (108)  Sinonimus. 
(109)  Terentius.  (110)  Juvenalis.  (lll)  Virgilius.  (112)  Ovi- 
dius  maior.  (113)  Lucanus.  (114)  Salustius.  (115)  Sedulius. 
(116)  Aurea  gemma.  (117)  Duo  paria  partium.  (118)  Suma 
de  Priscian.  (119.  120)  Liber  lex  H.  (121—132)  La  biblia  glo- 
sada  in  XII  libris  divisa  singulatim  per  ordinem  per  corporum 
distinciones. 

Zuerst  vollständig  mitgetheilt  von  Hartel-Loewe  BPLH, 
Bd.  I,  p.  125 f.  Schon  frliher  hat  Perez  Bayer  in  seiner  ausführ- 
lichen Beschreibung  des  Escorialensis  (veröfFentHcht  von  Rodriguez 
de  Castro,  Biblioteca  Espanola  U,  p.  328 ff.)  auf  den  Katalog  auf- 
merksam gemacht  (vgl.  a.  a.  O.  p.  331)  und  zunächst  erwiesen, 
dass  die  Orthographie  in  den  Sentenzen  Isidors  (dem  Hauptinhalt 
des  Codex)  auf  eine  alte  heimische  Vorlage  hindeute;  aus  den 


^  Wahrscheinlich  Gregorii  Magni  Homiliae  XL  in  Evangelia  und  Homiliae 
XII  in  Ezechielem. 

*  Nach  Apocalipsin  folgt  in  heiden  Abschriften  dos  libros.  Ich  ziehe  dies 
als  Vermerk  zu  31  (vgl.  Nr.  41  ff.)  und  glaube,  dass  hier  des  Beatus 
Comnientar  zu  verstehen  sei,  jedoch  nicht  in  zwei  Bänden  —  wenigstens 
ist  mir  unter  den  zahlreichen  Cojüen  keine  zweibändige  bekannt  —  sondern 
zwei  Exemplare. 


) 


Bibl.  Uebersicht:   387  (Oüa).  7 

spanischen  Bemerkungen  des  Katalogs  (unn  nueuu,  y  otro  vieiu) 
ergebe  sich,  dass  der  codex  ,certe  ad  veteris  Castelle  Astu- 
rumve  aut  Galleciae  partes  pertinuisse/  Ausschlag  gebend  für 
die  Ortsbestimmung  scheine  aber  die  Note  (Federprobe)  am 
Schlüsse:  Clemens  Episcopus  servus  servorum  Dei  dilectis  filiis 
Abbati  et  Conventui  Oniensi  in  Ecclesia  Sancti  Salvatoris,  d.  h. 
Salvador  de  Ona.  Das  Kloster  wurde  101 1  vom  Grafen  D. 
Sancho  gegründet,  vom  König  D.  Sancho  dem  Grossen  (f  1035) 
reformiert  und  hiebei  Benedictinern,  die  er  aus  Cluny  berief, 
übergeben  (vgl.  Pascual  Madoz,  Diccionario  geografico-estadistico- 
historico,  tom.  Xu,  s.  v.). 

Aus  diesem  Umstände  erklärt  sich  vielleicht  die  Eintragung 
der  später  beigeschriebenen  vitae,  die  meist  französischen  Ur- 
sprung aufweisen.  Ueber  die  in  demselben  Codex  befindliche 
Note  des  Petrus  Femandi  de  Graiion  vgl.  den  Artikel  Cogolla, 
Anm.  Bemerkenswerth  ist,  dass  Anibarro  y  Rives,  der  von 
dem  vorliegenden  Katalog  anscheinend  keine  Kenntniss  hatte; 
auf  Grund  seiner  archivalischen  Studien  (vgl.  unten)  die  wieder- 
holte Scheidung  der  Onienser  Ritualbücher  in  antiguos  und 
nuevos  nachweist,  wie  sie  unser  Verzeichniss  deutlich  darbietet. 
Die  ausfuhrlichste  Schilderung  der  Schicksale  Ona's  gibt  Argaiz, 
Soledad  Laureada,  tom.  VI,  p.  443  ff.  (vgl.  unten). 

Dona  Sancha  Jimenez  schenkt  zu  Beginn  des  13.  Jahr- 
hunderts dieser  Kirche  Kirchengeräthe  et  (l)  un  breviario  do- 
minical  et  (2)  alio  sanctoral  (3)  et  un  evangeüsterio  et  (4)  ofi- 
ciero  et  (5)  un  psalterio. 

Aus  einer  ,carta  partida  por  A.  B.  C  der  Bibliothek  der 
Real  Academia  de  la  Historia  veröffentlicht  von  Eguren  p.  XC. 

Argaiz,  Gregorio  de,  La  Soledad  Laureada  por  S.  Benito, 
tom.  VI,  Madrid  1675,  p.  453  in  dem  Abschnitt  Exercicios  de 
letras  en  Ona,  en  tiempo  del  Abad  Don  Juan  de  Alcucero,  re- 
sumirt:  Ay  de  el  tiempo  deste  Abad  un  testimonio  de  la  vida 
de  sus  monges,  y  su  observancia  en  los  Libros  que  oy  perse- 
veran  escritos  de  mano,  al  fin  de  quinientos  y  cincuenta  y  mas 
anos  de  diferentes  assumptos,  y  todos  en  orden  k  mayor  virtud 
y  perfeccion.  Pondrfe  uno  por  exemplo  en  que  estk  la  Regia 
de  San  Agustin,  compuesta  de  diferentes  capitulos,  sacados  de 
las  obras  de  aquel  Santo  Doctor.  Luego  se  sigue  la  Regia  de 
San   Rufo    que   compuso   para   los  Canonigos   de   la  Iglesia   de 


8  Xn.  Abhandlung :    Beer.  HandseliriftenscbitM  Spaniens. 

Tolosa  de  Francia,  y  estk  con  este  titnlo:  Incipit  Liber  Ec- 
clesiastici  et  Canonici  Ordinis  in  Claustro  Sancti  Rnffi  tempore 
Liberati  Abbatis  institutus.  Contiene  358  capitxdos  sacados  de 
diferentes  Concilios  de  Pontifices,  de  Decretales  y  de  los  Sa- 
grados  Doctores  S.  Agustin,  San  Leon  Papa,  San  Qregorio,  San 
Ambrosio,  San  Isidoro,  Amalario,  Fortunato,  y  otros,  que  es 
cosa   muy   curiosa,   y  en  la   primera  hoja  tiene  estas   palabras. 

Centies  undena  ter  quina  ter  duodena  Atque  duodena  Liber 
hie  factus  fuit  Aera  (1163  =  1125  p.  Chr.).^ 

Beroanza,  Francisco  de,  Antignedades  de  Espana,  Madrid 
1719,  tom.  I,  p.  307  erwähnt  und  excerpirt  die  wiederholt  von 
verschiedenen  Autoren  benützten  Memorias  antiguas  del  Ar- 
chive de  Ona  (eine  Art  Hauschronik). 

Florez,  Espaiia  sagrada,  tom.  X  (1753),  p.  92  berichtet 
von  Sandoval,  dass  dieser  in  Oiia  ,hallö  lo  que  escribiö  (Ful- 
gencio,  obispo  de  Ecija)  sobre  el  Psalterio  con  letras  Gothicas, 
que  es  un  libro  grande,  precioso  y  raro.^ 

Am  ausführlichsten  sind  die  älteren  Nachrichten  über  die 
Bücherbestände  Onas  zusammengestellt  bei 

MartInez  Anebarro  y  Rives,  Manuel,  Intento  de  un  diccio- 
nario  biogräfico  y  bibUogräfico  de  autores  de  la  provincia  de 
Burgos.     Madrid  1889. 

p.  10  in  der  Biographie  des  Abtes  von  Ona  Juan  de  Al- 
cucero  (f  1115):  dispuso  la  apertura  de  libros  en  que  se  hicieran 
constar  los  hechos  de  sus  monjes  y  se  formasen  colecciones  eccle- 
siästicas  comprensivas  de  varias  disposiciones  de  pontifices,  cÄnones 
de  concilios,  sentencias  de  los  padres  y  doctores  de  la  Iglesia  y 
otros  asuntos  analoges.  Bezüghch  der  von  Argaiz  erwähnten 
Büchersammlung  bemerkt  Vf.:  hoy  ignoramos  el  paradero  de 
tan  valiösos  volümenes. 

p.  55  wird  der  Bestand  des  Archives  auf  Grund  der  alten 
Notizen  reconstruirt  wie  folgt: 

Gran  nümero  de  documentos  referentes  ä  donaciones, 
privilegios,  bulas,  escrituras  de  cesiön  y  compra,  y  papeles  refe- 
rentes ä  lo  espiritual  y  temporal;  lujosos  libros  de  catästro  y 
propriedad;  gran  numero  de  volümenes  de  litigiös,  ejecutorias 
y  memoriales;  libros  administratives  de  gaste  y  cosas  semejantes; 


*  Also  nicht  1163  (1115),  wie  Argaiz  irrig  berechnet. 


N 


Bibl.  Ueb«r9icbt:  SS7— 839  lOna  —  OribneU).  9 

cnademos  de  escrituras  (copias);  libros  de  gradas  de  monjes 
y  prelados,  uno  llamado  antiguo  y  otro  moderno;  libro  de 
6bitos;  libro  de  pesquisas;  la  tabla  6  memoria  de  monjes  ilustres; 
dos  becerros,  uno  en  folio  y  otro  en  8®,  llamado  el  pequeno; 
un  libro  de  Kalenda  6  Martirologio ;  nn  Menologio,  que  supongo 
seria  el  mismo  de  öbitos  nuevo;  tres  libros  de  donaciones, 
nno  llamado  el  viejo;  otro  titulado  el  Norte  de  las  escrituras; 
la  Regia  del  Abad  D.  Domingo;  el  libro  de  la  Regia  del  Archivo, 
adicionado  como  el  anterior.^ 

Ebenda  noch  über  Werke  von  Anonymi  Onieneses  1.  Me- 
morias  antiguas  de  Ona  (s.  oben).  2.  Monachi  Oniensis  car- 
mina.     3.  Libro  del  Concilio  de  Perpinan. 

p.  310  f.  Ueber  das  Fuero,  gegeben  von  Pedro  Ivdnez  de 
Calzada  (1190):  ,MS  que  se  conservaba  en  el  Monasterio  y  cuyo 
paradero  ignoramos/* 

Vgl.  noch  ibid  p.  261  und  327. 

Der  von  Ewald  p.  361  beschriebene  Toletanus  15, 10  gehörte 
nach  seiner  Angabe  eine  Zeit  lang  gleichfalls  dieser  Bibliothek. 

Orense. 

338«  Biblioteca  provincial. 

Das  Anuario  del  Cuerpo  facultativo  I,  p.  311  berichtet  von 
dieser  Sammlung:  entre  sus  cödices  tal  vez  solo  merece  citarse 
un  Pasionarium  en  pergamino,  folio,  de  mäs  de  400  pdginas  letra 
de  fines  del  siglo  XIII  6  principios  del  XIV.  Sus  manuscritos 
son  unos  14.  Die  Gesammtzahl  wird  p.  445  auf  24  angegeben.^ 

Orihuela. 

389,  Biblioteca  publica. 

Diese  Bibliothek  besitzt  nach  dem  Anuario  del  Cuerpo 
facultativo  de  Archiveros  I,  p.  445  (Tabelle)  52  Handschriften. 
Einige  werden  p.  303  specificirt,  darunter  eine  Historia  antigua, 


*  Nach  Ansicht  des  Vf,  muss  sich  ein  grosser  Theil  dieser  Archivalien  jetzt 
im  Archivo  Hist^rico  Nacional  vorfinden;  nur  Weniges  verblieb  in  Bürgos. 

'  Ueber  dieses  Fuero  auch  Argaiz,  Soledad  Laureada  VI,  p.  465  und  Asso 
del  Rio,  El  Fuero  viejo  de  Castilla,  p.  IQ. 

'  Vgl.  auch  Ewald's  Beschreibung  des  Codex  der  Madrider  Nationalbibliothek 
F.  99  (Reise,  p.  308). 


10  Xn.  AbhAndlnng:    Beer.  HuidscbrifteDsebAtze  Spuu«n8. 

letra  del  siglo  XV,  und  ein  Tratado  de  Astrologia,  letra  de  los 

sigios  xvn  y  xvm. 

340«  Biblioteca  Episcopal, 

BoPARüLL  Y  Sans,  Francisco,  Apuntes  bibliogräficos  y 
noticia  de  los  manuscritos  etc.  de  la  exposiciön  oniversal  de 
Barcelona  en  1888,  enthalten  in  Conferencias  dadas  en  el  Ateneo 
Barcelonas  relativas  ä  la  exposiciön  universal  de  Barcelona. 
Barcelona  1890.  8» 

P.  531  wird  über  ein  ausgestelltes  ,Pontifical  del  siglo  XIV' 
berichtet,  ,escrito  ä  dos  columnas,  en  pergamino,  letra  götica 
encuademado  en  terciopelo  y  con  cierras'.  Ueber  die  in  der 
Handschrift  enthaltenen  schönen  Miniaturen  a.  a.  O. 

841.  Archivo  del  Ayuntamiento. 

MüNOz  Y  RoMERo,  Diccionarfo  p.  207  nennt:  Orandezas  y 
antiguedades  de  la  ciudad  de  Orihuela  y  su  fundacion,  por  el 
Licenciado  D.  Josef  de  Alenda.  Ms.  en  fol.  de  unas  230  hojas 
en  el  archivo  del  Ayuntamiento,  segun  creemos. 

342.  t  Biblioteca  particular  de  D.  Juan  Roca  de  Togores. 

MuNOz  Y  RoMMRo,  Dicciouario  p.  207  berichtet  über  eine 
Historia  de  Orihuela,  escrita  por  Don  Jos^  Montesinos.  Ms. 
en  diez  y  ocho  tornos  en  fol.,  nach  Fuster,  Biblioteca  valenciana, 
tom.  n,  p.  465. 

Osxna. 

343.  Biblioteca  del  Cabildo  de  la  Iglesia  Catedral. 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  m,  p.  306  S.  veröflFentlicht  ein  Frag- 
mente y  adicion  ä  la  historia  de  S.  Isidoro  de  los  Reyes  Van- 
dalos,  conforme  ä  un  cödice  de  Osma,  que  copiö  el  Senor  Perez. 
Vgl.  auch  ibid.  p.  203. 

FiTA  Y  CoLOME,  FiDEL,  Bosqucjo  dc  la  Exposiciön  historico. 
Europea,  Madrid,  1892,  p.  40  erwähnt  als  aus  dieser  Bibliothek 
exponirt:  un  precioso  cödice  en  vitela  ilustrado  con  miniaturas 
con  la  exposiciön  del  Apocalipsis  de  San  Beato  y  otros  docu- 
mentos. 

Der  Codex  Escorialensis  e  FV.  13  gehörte  einst  derselben 
Kirche.     Vgl.  Hartel-Loewe  p.  47  und  Ewald  p.  247. 


Bi1>l.  Uebersicht:  340—344  (OrihueU— Oriedo).  H 


Oviedo. 

344«  *  Biblioteca  de  la  Santa  Iglesia  Catedral-  Basilica. 

Von  dem  einst  so  bedeutenden,  bis  ins  hohe  Mittelalter  zu- 
rückreichenden Schatz  westgothischer  Handschriften  der  Kirche 
von  Oviedo,  welchen  Morales  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts noch  als  grösser  schildern  konnte  denn  ,alle  andern 
Sammlungen  in  Leon,  Galicien  und  Asturias  zusammengenommen', 
ist  auch  nicht  ein  Stück  mehr  an  Ort  und  Stelle  erhalten.  Ja 
selbst  bezüglich  der  jüngeren  Bestände  musste  bereits  Risco 
(Espana  Sagrada  XXX VHI,  p.  115 f.)  klagen:  ,De  tantos  libros, 
como  han  existido  en  la  Iglesia  de  Oviedo,  no  hay  sino  solo 
uno  de  que  diö  noticia  Ambrosio  de  Morales  .  .  .  que  .  .  .  no  es 
en  realidad  sino  un  tumbo  de  testamentos  antiguos/  Es  muss 
daher  der  Versuch  gemacht  werden,  durch  genaue  Ermittelung 
der  Geschichte  der  Sammlung  den  Spuren  der  ehemaligen  Ove- 
tenses  in  den  heutigen  grösseren  Sammlungen  Spaniens  nach- 
zugehen. Ich  habe  mich  darum  im  Folgenden  mit  der  ein- 
fachen Wiedergabe  der  bezüglichen  Zeugnisse  nicht  begnügt, 
sondern  auch  nachzuweisen  getrachtet,  inwieweit  die  vor- 
handenen Kataloge,  Berichte,  Schenkungs-,  Besitzer-  und  Co- 
pistennotizen  praktisch  zu  verwerthen  seien.  So  konnten,  wenn 
auch  ein  grosser  Theil  des  ursprünglichen  Handschriftengutes 
als  unwiederbringlich  verloren  gelten  muss,  die  Filiationen  der 
Originale  erkannt  und  auf  Grund  der  urkundlichen  Angaben 
die  Reconstruction  sämmtlicher  mittelbar  oder  unmittelbar  er- 
haltenen Bibliotheksbestände  angebahnt  werden.  Wenn  es  hiebei 
gelang,  weiter  zu  gehen,  als  es  früheren  Forschern,  speciell 
Tailhan,  möglich  war,  so  wird  dies  den  von  Ewald  und  Loewe 
mitgetheilten  Provenienznotizen  aus  den  Handschriften  im  Es- 
corial  und  in  Madrid  verdankt,  die  ich  zu  diesem  Zwecke  neu 
verglichen  habe.^ 


*  Daa  von  Vigil,  Asturias  Monumental^  Tom.  I,  p.  48  erwähnte  Werk: 
Fuertes  Acevedo,  ,Bo8quejo  de  escritores  asturianos^  welches  fol.  138 — 140 
eine  ^resefia  de  los  libros  y  cödices  antiguos  que  fueron  extraidos  dal 
archivo  de  la  Santa  I^^Iesia,  en  epocas  diversas*  enthält,  scheint  nur 
handschriftlich  zu  existiren  und  war  mir  nicht  zugänglich. 


Bibl.  üebeisicht:  344  (Oviedo).  13 

pore.  (3)  Expositum  Ezecielis.  (4)  Libros  Orosii.  ^  (5)  Lib. 
psalterium.  ^  (6)  Libros  storie  ^glesiastic^.  *  (7)  Libros  beati 
Agustini  de  civitate  Dei.*  (8)  Libros  Apringi  §piscopi  et  lanilli. 
in  uno  corpore.  (9)  Lib.  omeliarum  beati  Gregorii.^  (10)  Lib. 
conlationum.  (11)  Libros  virorum  illustrium.  (12)  Lib.  progno- 
Bticon.  apud  Vigilanem  diaconum.  (13)  Lib.  cronicorum  beati 
Isidori.  (14)  Lib.  domni  Agustini  ad  Probum  (Probam?).  (15) 
Lib.  antiphonarium  maiore.  (16)  Lib.  pastoralium.  ^  (17)  Lib. 
ordinum.  (18)  Lib.  antiphonarium  ex  coditianis.  (19)  Lib. 
sanct§  §glesiastic§.  apud  An  . . .  (20)  Lib.  martirologium  Ro- 
mense.  apud  .  .  .  (21)  Lib.  cenam  nubtiarum  beati  Cipriani. 
(22)  Lib.  Elipandi.  (23)  Lib.  de  predestinatione  et  libertate 
arbitrii  domni  Iheronimi.  (24)  Lib.  glossomatum.  (25)  Lib. 
ugemetrice  artis.  (26)  Lib.  canonum.^  (27)  Lib.  nature  rerum 
qui   et   in   manus   est.**     (28)  Lib.   ex   diversis  opusculis   beati 


lensis  R.  U  18  erhalten,  vgl.  Hartel-Loewe  p.  131  u.  136.  Ebenso  berichtet 
Morales  bei  der  Beschreibung  eines  Ovetensis  (Isidor,  Sententiae,  in  der 
folgenden  Liste  Nr.  26)  von  einigen  Deckblättern  mit  Bibeltext  ,de  letra 
mayscula  muy  delicada' ;  er  nahm  von  denselben  eine  Probe  mit,  die  sich 
vielleicht  noch  unter  seinen  Papieren  findet.  Codex  Escorialensis  b  I  9, 
saec.  XV  enthält  eine  Compilation,  betitelt  ,Incipiunt  genealogiae  totius 
bibliothecae  ex  omnibus  libris  veteris  novique  testamenti  collectae' 
mit  der  Bemerkung :  Uic  Über  genealogiae  fuit  desumptus  ex  libro  vetu- 
stissimo  ecclesiae  Ovetensis  in  membranis  literis  goticis  scripto.  Vgl. 
Ewald  p.  232,  Revista  de  Archivos  II,  p.  234. 

*  Vgl.  Morales  in  der  folgenden  Liste  Nr.  6. 

'  Von  Tailhan   p.  301  mit  dem  von  Morales  beschriebenen  Psalterium  (in 

der  Liste  Nr.  17)  identificirt. 
»  Morales  Nr.  23. 

*  Eguren  berichtet  p.  82,  dass  die  in  dem  Katalog  erwähnte  Handschrift 
von  Augustinus  de  civitate  Dei  sich  heute  im  Escorial  befinde,  ohne 
(wie  gewöhnlich)  eine  Signatur  zu  nennen,  und  Tailhan  ist  ihm  in  dieser 
Mittheilung  gefolgt  Ich  kenne  .nur  eine  ältere  Handschrift  von  De 
civitate  Dei  im  Escorial,  nämlich  S.  U.  16,  welche  von  Loewe-Hartel 
8.  150  dem  11.  Jahrhundert  zugewiesen  wurde.  Vgl.  auch  Exempla 
tab.  XXXVII.  Eguren  behauptet  bestimmt:  El  car4cter  de  la  letra  corre- 
sponde  k  la  primera  mitad  dei  noveno  siglo. 

»  Vgl.  Morales  Nr.  9  und  21. 

*  Morales  Nr.  20. 

^  Der  Canonencodex    theilte  dasselbe   Schicksal   wie   die  Bibelhandschrift 

(Nr.  1).     Vgl.  Morales  1. 
^  Es  ist  die  Handschrift,  in  welcher  der  Katalog  steht.     Morales  Nr.  3. 


14  Xn.  Abhandliing:    Beer.  Handschriftenschitze  Spaniens. 

Eugenii.  apud  lohannem  assenint  haberi.  (29)  Libros  beati 
Prosperi  ad  lulianum.  fol.  95'.  Item  ex  opusculis  poetarum.  (30) 
luvenci  presbiteri  libros  TTII.  corpore  uno.  (31)  Alchimi  §pi- 
scopi  libros  VI.  corpore  uno.  (32)  Adelhelmi  ^piscopi  lib.  I.  (33) 
Sedulii  presiteri  lib.  V.  (34)  Catonis  lib.  Uli.  (35)  In  laude 
lustini  minoris  lib.  In  laude  Anastasii  lib.  (36)  Dracontii  lib.  ^ 
(37)  Vita  Vergilii,  Ovidii  Naeonis  in  libris  Eneidarum  et  qu^dam 
sententie  filosoforum.  corpore  uno.^  (38)  Virgilii  poete  libros 
XII   Enedas.    corpore   uno.     (39)   luvenalis   libros   V.   corpore 


^  Dass  der  Codex  der  Nationalbibliothek  zu  Madrid  14,  2,  welcher  ausser 
dem  Panegjricus  des  Corippus  noch  Gedichte  von  Cato,  Dracontius,  Se- 
duliuSf  Eugenius  Toletanus,  Jnvencus  und  die  carmina  ,In  laudem  Justini 
minoris,  in  laudem  Athanasii*  enthält,  einst  der  Kirche  Oviedo  gehOrt 
habe,  wird  zuerst  von  Juah  Bautista  Perez  behauptet  und  dann  von  Jos. 
Partsch,  Corippi  .  .  .  libri  qui  supersunt,  Monumenta  Germaniae,  Auetores 
antiquissimi,  Tom.  III,  2,  Berolini  1878,  p.  L,  hierauf  p.  LYII  unter  Hin- 
weis auf  die  sehr  enge  Verwandtschaft  zwischen  dem  heutigen  Matritensis 
und  dem  von  Ruiz  benützten  Fragmentum  Ovetense  (Panegyr.  III,  271  — 
407)  näher  zu  begründen  versucht  Wenn  Ewald,  Reise  p.  316,  gegen 
die  Identificirung  des  Matritensis  mit  den  in  unserem  Kataloge  ent- 
haltenen Stücken  erwogen  wissen  will,  ,da88  dort  im  Inventar  weder  die 
gleiche  Reihenfolge  des  Inhalts  beobachtet  wird,  wie  in  unserem  Codex, 
noch  auch  die  Aufzählung  auf  ein  Volumen  deutet%  so  fällt  der  Einwand 
leicht  bei  der  Annahme,  dass  die  einzelnen  Stücke  später  in  ein  Volumen, 
natürlich  ohne  Rücksicht  auf  die  im  Katalog  beobachtete  Aufzählung, 
vereinigt  wurden.  Ein  Beispiel  bietet  der  Katalog-Codex  selbst  (Esc.  R. 
II.  18),  sowie  Esc.  a.  I.  13  (,de  la  yglesia  de  Oviedo*),  in  dem  fol.  188— 
204  Theile  einer  zweiten  Handschrift  bilden.  Schwerer  wiegt  ein  anderes 
von  Ewald  nicht  erwähntes  Moment,  nämlich  das  Alter  des  Codex,  das 
er  selbst  mit  saec.  X  angibt,  während  der  Katalog  882  abgefasst  wurde; 
Hartel-Loewe  bestimmen  saec.  IX — X,  und  das  dürfte  auch,  wie  das  von 
Partsch  gegebene  Facsimile  des  Codex  der  Nationalbibliothek  zu  Madrid 
lehrt,  zutreffen.  Vielleicht  ist  aber  doch  der  jetzige  Matritensis  nur  eine 
frühe  Copie,  wenn  man  will,  eip  Florileginm  ,ex  opusculis  poetarumS 
welche  die  angeführten  Ovetenses  enthielten.  Auch  das  Fragmentam 
Ovetense.  welches  Partsch  nur  aus  den  Noten  des  Michael  Ruiz  Azagra 
kannte,  hat  sich  in  einer  —  freilich  viel  jüngeren  —  Copie  erhalten; 
über  diese  ,ex  vetustissimo  foliorum  membranaceorum  codice  literis 
gothicis  conscriptorum  qui  in  bibliotheca  ecclesiae  Ovetensis  asservatnr' 
vgl.  Ewald  p.  234,  Hartel-Loewe  p.  37  f. 

'  Vgl.  über  diese  Angabe  Th.  Gottlieb,  Handschriftliches  zu  lateinischen 
Autoren,  Wiener  Studien  XII  (1890),  p.  149  f.  Desgleichen  Egoren,  Me- 
moria, p.  89. 


\ 


Bibl.  Ueb«reicht:  344  (Oviedo).  15 

uno.^     (40)   Prudentii   libros  II.   corpore    uno.     (41)   Lib.    con- 
lationom  artis  grammatice. 

Aus  dem  Cod.  Escor.  R.  II.  18  fol.  95  und  95'  edirt  von  Mo- 
rales,  Viage  p.  94  f. ;  ausführlich  besprochen  von  Taliban  p.  300 
bis  304,  nach  revidirter  Copie  veröflfentlicht  von  Ewald  p.  278  f., 
Becker,  Catalogi  p.  59  f.,  Loewe-Hartel  p.  135  f.  Eine  facsimilirte 
Wiedergabe  bietet  Muiioz  y  Rivero,  Paleografia  Visigoda,  Madrid 
1881,  lam.  IV. 

Alfons  DI.  der  Grosse  und  seine  Gemahlin  Jimena  schenken 
die  Xni  Kalendas  februarias  discurrente  era  DCCC'X^III  (905) 
der  Kirche  Pallia  et  siriga  plurima:  Libros  etiam  divinae  paginae 
plurimos. 

Aus  dem  Libro  götico  der  Kathedrale  fol.  18'  herausgegeben 
von  Risco,  Espana  Sagrada  XXXVU  (1789),  App.  XI,  p.  330. 
Vgl.  Eguren,  p.  LXXXVIII  und  Vigil,  Asturias  monumental 
I,  p.  60  (mit  Angabe  der  weiteren  Literatur). 

Mumadonna  (Muma  Domna),  Witwe  des  Grafen  Gunde- 
maro  Pinioliz,  schenkt  15  Kalendas  Aug.  Era  1050  (1012)  der 
Kirche:  libros.  Diese  sind  in  einem  fast  gleichlautenden  In- 
strument vom  Jahre  1045  specificirt  als  Libros:  antiphonario 
P.  Salterio  P.  Ordino  uno.  Preco  uno.  Libro  iudico  P.  Regula 
I*  et  passio  sancte  marinne  virginis.     Et  hbrum  sapientiae. 

Aus  den  Originalen  des  Kathedralarchives  zum  ersten  Mal 
veröfFentUcht  von  Vigil,  Asturias  monumental  I,  p.  66  und  72. 

Testamentum*  Comitis  Froylani  Velaz  de  Cartavis  quod 
fecit  Ovetensi  ecclesiae.     Darin:  libros  Ecclesiasticos. 

Risco,  Espana  Sagrada  XXXVUI  (1 793),  App.  XXIH,  p.  327. 

Ueber  die  Bibhotheksverhältnisse  um  das  Jahr  1500  be- 
sitzen wir  nur  folgende  von  Risco  aus  den  Capitularacten  ge- 
schöpfte Notizen,  die  wir  mit  seinen  Worten  wiederholen  müssen 
(Espana  Sagrada  XXXVIU,  p.  113  f.).  En  25  de  Juho  del  ano 
de  1498  tomö  posesion  del  Obispado  de  Oviedo  Don  Juan  Daza, 
Presidente  de  la  Chancilleria  de  Granada.  Halldndose  este  Pre- 
lado  en  Sevilla  en  el  ano  de  1500  en  compania  de  los  Reyes 
CatöUcos,  escribiö  ä  su  Cabildo  en  23  de  Febrero  pidiendo  que 
le  remitiesen  algunos  Codices  antiguos,  y  en  especial  los  que 

»  Vgl.  Einleitung  p.  36  f. 

'  Ein    für  alle  Mal    sei  hier  bemerkt,    dass  Testamentnm  wiederholt  für 
Schenkungsurkunde  gebraucht  wird. 


16  xn.  Abhandlnng:    Beer.  Handsehiiftenecbitxe  Spuiiens. 

trataban  de  los  Obispados  de  Espana  j  sos  limites,  para  satis- 
facer  al  deseo  de  los  Reyes  que  querian  verlos.  El  Cabildo 
respondiö  en  24  de  Abril  del  mismo  ano  remitiendo  dos  escelentes 
Codices,  que  contenian  la  Division  de  Obispados,  los  quales  llevö 
ä  Sevilla  el  Doctor  Herrera,  Maestre  Escuela  de  Oviedo,  como 
Consta  de  los  acuerdos  capitulares  de  este  ano.  En  fines  del 
ano  1512  tom6  posesion  del  mismo  Obispado  Don  Diego  de 
Muros,  fundador  del  insigne  Colegio  mayor  de  San  Salvador  de 
Oviedo  en  la  Universidad  de  Salamanca,  al  quäl  dex6  su  libreria 
con  la  que  fueron  algunos  Codices  Göticos  de  su  Iglesia. 

Für  den  Bestand  der  Ovetenser  Bibliothek  in  der  zweiten 
Hälfte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ist  bekanntUch  unser  Kron- 
zeuge. 

MoRALES,  der  in  seiner  ,Viage'  unter  der  eigenen  Rubrik 
Libros  antiguos  de  Oviedo  p.  93  und  96  flf.  folgenden  ausfÜhrUchen 
Bericht  bringt.^ 

En  la  Libreria  de  la  Iglesia  de  Oviedo  hay  mas  libros 
Gothicos  que  en  todo  junto  lo  demas  del  Reyno  de  Leon,  GaUcia, 
y  Asturias,  y  puedolo  decir  con  la  seguridad  de  haberlo  visto 
todo,  y  todos  los  que  yo  aqui  pusiere,  son  de  letra  Gothica, 
hasta  que  al  cabo  senale  unos  pocos  que  estan  en  letra  comun. 


^  Wie  schon  früher  bemerkt  gibt  der  von  Florez  edirte  Bericht  des  Morales 
nur  von  einem  relativ  kleinen  Theil  der  Arbeiten  des  rührigen  Forschers 
Kunde.  Noch  heute  gilt  das  Urtheil  Siguen^a's  (Tercera  parte  de  la 
historia  de  la  Orden  de  San  Gerönimo  p.  771)  von  seinen  ,particulares 
memorias,  ansi  de  libros  y  tratados  que  no  se  han  impresso*.  Zu 
diesen  gehören,  von  mehreren  differirenden  Copien  der  eigentlichen  Viage 
(vgl.  den  Artikel  Escorial  A  XU.  6  und  Amador  de  los  Rios,  Historia 
critica  IV,  p.  85,  sowie  Graux,  Essai  p.  136,  not.  4  über  Esc.  &  HL  9 
Relaciones  del  viaje  etc.)  abgesehen:  Cod.  Esc.  &  U  15  mit  den  Be- 
richten des  Reisenden  über  die  Bibliotheken  zu  Biirgos  Yalenclay  Oviedo, 
Granada  (vgl.  Ewald,  p.  250  f.,  Graux,  Essai  p.  88,  131  ff.  u.  0.)  Cod.  Bibl. 
Nat.  Matritensis  F.  58,  Copie  des  Pelajo-Codex  nach  Morales  (Ewald 
p.  303).  Cod.  Bibl.  Nat.  Matritensis  Q.  317  Papeles  varios,  copia  de  un 
c6dice  del  Escorial  que  fu6  de  Ambrosio  Morales,  ähnlichen  Inhalts,  nebst 
der  Correspondenz  Philipps  U.  mit  dem  Gelehrten  u.  Ae.  m.  (Ewald 
p.  312).  Cod.  Esc.  b  I  9  mit  den  Noten  zu  den  genealogiae  aus  dem 
vetustissimus  Ovetensis  (Ewald  p.  232).  Vgl.  auch  Morales  in  der  Fort- 
setzung von  Ocampo,  Coronica  general  de  Elspana,  Libro  XIII,  cap.  XXVII 
über  die  Beatushandschrift.  Nach  ihm  Rodriguez  de  Castro,  Biblioteca 
Espafiola,  tom.  II,  p.  412. 


Bibl.  Uebereicht:  344  (Oriedo).  17 

(1)  Un  Volumen  grande  de  Concilios  antiquisimo  todo  de 
letra  Gothica  maynscula,  asi  que  es  muy  diferente  de  la  que 
comunmente  Uamamos  Gothica,  6  Mozarave.  Es  muy  cumplido 
original,  pues  tiene  las  Epistolas  del  Arzobispo  Montane. 

La  Homelia  de  S.  Leandro. 

Los  diez  j  siete  de  Toledo  bien  enteros. 

El  Emeretense  y  ei  quarto  Bracarense. 

Puedese  muy  bien  creer  que  este  libro  se  trujo  de  Toledo, 
quando  huyeron  los  Christianos  de  alli  en  la  destruicion  de  Espana, 
y  se  llevaron  k  Asturias  con  las  Reliquias  los  libros  de  las  Igle- 
sias,  como  nuestras  Chronicas  lo  refieren.* 

(2)  De  la  misma  letra  mayuscula,  y  antiguedad,  es  otro  libro 
que  tiene  al  principio  una  exposicion  sobre  los  Canticos,  y  no 
se  entiende  cuya  es,  por  no  leerse  el  Titulo  de  muy  gastado: 
parece  muy  buena.  Siguen  luego  algunas  vidas  de  Santos:  y 
tambien  tiene  lo  de  S.  Juan  Chrisostomo  de  reparatione  lapsi, 
que  es  mucho  estar  trasladado  de  tan  antiguo.  Tambien  como 
el  pasado  parece  de  los  que  se  llevaron  de  Toledo:  estä  mal- 
tratado  de  la  faumedad.' 

(3)  Tambien  se  puede  teuer  por  de  los  mismos  libros  de  To- 
ledo, por  la  semejanza  de  la  letra  y  lo  demas,  un  libro  donde 
estä  lo  de  S.  Isidoro:  De  natura  rerum  ad  Sisebutum.  Item 
hay  en  el  mismo  libro:  Breviarium  Ruffi  Festi  Victoris.  Anto- 
nini Imp.  itinerarium,  y  otras  cosillas  pocas:  y  por  que  al  prin- 
cipio  y  al  fin  le  faltan   algunas  pocas  hojas,   se  las   anadieron 

^  Die  Behauptung,  dass  die  hier  genannte  wie  die  spftter  angeführten  Uncial- 
codices,  ,de  letra  Gothica  mayusculaS  wie  Morales  sie  nennt,  aus  Toledo 
stanuneUf  scheint  richtig.  Wenigstens  ist  es  nicht  bekannt,  dass  in  Oriedo 
in  so  früher  Zeit  ein  Scriptorium  bestand.  Die  Entwicklung  desselben 
fällt  in  die  Regierungszeit  Alfons  II  el  Casto  (796 — 843),  worüber  noch 
weiter  unten.  Die  Concilienhandschrift  selbst  ging  ein  Jahrhundert  nach 
Mondes'  Besuch  verloren  (vgl.  die  Anm.  zu  Nr.  26  des  Katalogs).  Näheres 
hierüber  bei  Eg^ren  p.  67.  Abschriften  aus  diesem  Codex  glaube  ich 
in  dem  cod.  Esc.  b.  HI.  14,  saec.  XYI  zu  erkennen;  bei  den  Copien  von 
Hieronymi  opusculum  de  fide  catholica  und  Martini  Episcopi  ad  Boni- 
facium  Episcopum  de  trina  mersione  in  Baptismo  steht  n&mlich  der  Ver- 
merk :  Ex  Ecclesiae  Ovetensis  Codice  antiquissimo  litteris  Gothicis  exarato, 
qui  Decreta.  Canonum  Praesulum  Romanorum  inscribitur  de- 
sumptum.  Vgl.  Knust  p.  811,  Ewald  p.  233.  Reyista  de  Archivos  II,  p.  234  f. 

'  Zur  Schrift  de  reparatione  lapsi  cf.  Toletanus  nunc  Matritensis  5,  36. 
Hartel-Loewe  p.  263. 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Ci.  CXXYUI.  Bd.  19.  Abh.  2 


18  Xn.  A1>baDdlang:    Beer.  Handscbriftenseb&toe  Spaniens. 

de  otra  letra  Gothica,  mas  muy  diferente  de  la  mayuscula 
del  libro.* 

(4)  Esposicion  del  Apocolapsi.  Es  la  misma  qne  ya  he  sena- 
lado  en  lo  de  S.  Isidoro  de  Leon:  y  por  mny  bnena  coDJetura 
entiendo  que  la  recopilö  muy  pocos  anos  despues  de  la  destmicion 
de  Espana  un  Clerigo  bien  docto  Uamado  Beato,  qne  tambien 
escribiö  otra  obra  contra  el  Arzobispo  de  Toledo  Elipando,  en 
compania  de  Etherio  Obispo,  k  lo  que  parece,  de  Osma.  Este 
libro  estä  en  la  Iglesia  mayor  de  Toledo  de  letra  Gothica.* 

(6)  HomilisB  Origems  in  Leviticum,  Numeros  &  alios  sacros 
libros,  Ruffino  interprete. 

(6)  Paulus  Orosius. 

(7)  Un  Testamente  nuevo,  que  en  letra  y  pergamino  parece 
notablemente  mas  antiguo^  que  otros  Gothicos.  En  la  cifra 
ordinaria  al  principio  dice:  Justi  Liber.  Y  al  fin  dice:  Obiit 
Justus  Notarius  die  Xu.  Kai.  Januarij  Era  DCCCL.  Ha  mas 
de  setecientos  y  cinquenta  anos  que  se  escribiö. 

(8)  Un  libro  grande  mas  que  los  Ordinarios,  y  de  lo  muy 
antiguo.  Contiene  vidas  de  Santos  con  sus  Autores  graves.  Eis 
insigne  libro,  y  muy  de  preciar,  y  senaladamente  por  teuer  una 
grande  Obra  en  prosa  y  en  verso  del  Abad  S.  Valerio  en  tiempo 
de  los  Godos,  de  quien  se  dirä  adelante.  Asi  tiene  tambien 
algunas  otras  cosas  de  S.  Fructuoso,  y  otros  Santos.' 

(9)  Otro  Libro  tiene  al  principio  el  retrato  de  la  Cruz  de 
los  Angeles,  y  en  la  cifra  ordinaria  dice:  Adefonsi  Principis  sum. 
Contiene  exposicion  breve  de  S.  Gregorio  sobre  todo  el  Testa- 
mente Nuevo.  Es  insigne  libro  y  de  mucha  estima,  por  no 
andar  aun  impreso.^ 


^  Hier  folgt  in  dem  Bericht  der  Abdruck  des  alten  Katalogs  aus  dieser 
Handschrift,  jetzt  Esc.  R.  U.  18.  (Vgl.  oben  Nr.  27). 

'  Es  ist  thatsächlich  Beatus  Comm.  in  Apocalypsin,  von  dem  zahlreiche 
Exemplare  vorhanden.  Anffallend  ist,  dass  Morales  keinen  Bilderschmnck 
erwähnt,  dessen  sonst  die  Handschriften  nicht  entbehren. 

>  Aehnlicher  Text  bei  Tolet.  10,  26  (Hartel-Loewe  p.  265  ff.). 

*  Diese  Handschrift,  wie  auch  Nr.  23  gehörten  also  zu  der  BQchersammlnng, 
welche  Alfons  II.  El  Casto  der  Kirche  im  Jahre  812  schenkte  (vgl.  oben). 
Bibliotheca  erklärt  hier  Tailhan  p.  300  richtig  als  bibliothöque  proprement 
dite,  et  non  un  exemplaire  de  la  sainte  ^criture,  comme  le  prouvent  les 
quelques  lignes  laiss^es  en  blanc,  qui,  dans  la  copie  dont  Bisco  se  servait, 
suivent  immödiatement,  et  devaient  recevoir  les  titres  des  divers  ouvrages 


Bibl.  Uebersicht:  S44  (Oriedo).  19 

(10)  Un  Libro  que  recopilö  el  Obispo  Pelagio  de  Oviedo  en 
tiempo  del  Rey  D.  Alonso  el  Sexto,  que  ganö  k  Toledo,  k  quien 

contenus  en  cette  collection.   Wenn  aber  Taliban  fortfäbrt:  Nous  serions 
dont  r^duits  k  de   vaines   conjecture«   sar  le  nombre  et  la  valeur  des 
livres  l^u^s  k  Saiut-Sauveur  d'Oviedo  par  Alpbonse  II,  si,  en  882,  un 
des  notaires  de  cette  basiliqne  naVait  eu  Tbeureuse  pensäe  d*en  dresser 
rinventaire,  so  ist  dies  nicbt  zutreffend,  scbon  deshalb  nicht,  weil  in 
dem  Inventar,  wie  oben  bemerkt,  mehrfache  Handschriften  viel  früheren 
und    fremden   Ursprungs  erwähnt  werden;    andererseits  fehlen  in   dem 
y erzeich niss    Codices,    die   Alfons   II.    sicherlich    damals   der    Ovetenser 
Kirche  schenkte:  so  die  Escorialenses  P.  I.  7  und  Q.  II.  25,  Isidors  ,Et7- 
mologiae*  und  ,SententiaeS  mit  dem  Vermerk:  ,Del  Colegio  de  Oviedo 
de  Salamanca'  ,Del  colegio  de  san  Salvador  de  la  yglesia  de  oviedo  de 
salam«^**.   Ewald  (p.  220  Note)  erkannte  richtig  in  ihnen  Ovetenses,  ohne 
nähere  Gründe   für  die  Identificirung  anzugeben;  durch  Risco   erfahren 
wir,  dass  sie  zu  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  von  dem  Ovetenser  Bischof 
Diego  de  Muros,   dem   Gründer  des  erwähnten  CoUegs,  der  Kathedral- 
bibliothek entnommen  und  nach  Salamanca  gebracht  wurden  (vgl.  oben). 
Da  für  Salamanca  ein  altes  Scriptorium   nicht  nachweisbar  ist,  und  die 
aus  Oviedo   dahin  gebrachten   Handschriften  ausdrücklich   als  ,goticos% 
also  in  westgothischen  Charakteren  geschrieben,  charakterisirt  werden; 
da  femer  ein  Import  älterer  Manuscripte  nach  Salamanca  von  anderer 
Seite  nicht  bezeugt  ist,  so  können  wir  annehmen,   dass  bei  älteren  Sal- 
manticenes  zunächst  an  Ovetenser  Provenienz  zu  denken  ist,  so  bei  dem 
heute  im  Escorial  befindlichen  Codex  Q.  II.  24,  saec.  VUI — IX  mit  dem 
späten  Vermerk  (saec.  XVI)  ,De  la  jglesia  de  salamanca'  (Hartel-Loewe 
p.  112,  Ewald  p.  272).    Mit  dieser  Annahme  stimmt  die  übrigens  ohne 
bestimmte  Beweise  von  Eguren  p.  82  vorgetragene  Behauptung  ,Perteneci6 
k  la  Santa  iglesia  de  Oviedo*.     Das  gleiche  g^lt  von  den  ,alten  west- 
gothischen Handschriften  aus  Salamanca',  aus  denen  Escor,  b.  I.  14  zum 
Schluss  Copien  enthält  (Ewald  p.  234).     Es  sind  Isidors  Soliloquien,  der 
Dialogus  inter  rationem  et  appetitum  u.  a.  Zu  den  Ergebnissen  der  von 
Alfons  II.  angereg^n  Handschriftenfabrication  gehört  auch  Esc.  a.  I.  13, 
geschrieben  reg^ante  alfonso  principe  in  era  DCCCL,  später  der  Kirchen- 
bibliothek Oviedo  einverleibt  (vgl.  unten   unter  Nr.  14).     Für  eine  Ab- 
schrift aus  einem  Manuscript  dieser  Sammlung  halte  ich  auch  den  west- 
gothischen mit  der  crux  Ovetensis  versehenen  Escor.  P.  I.  8,  saec.  IX — X 
(Hartel-Loewe  p.  102).     lieber  die  eben  genannte  crux  vgl.  ausser  den 
von  Tailhan  p.  301  genannten  Quellen:  Chronica  monachi  Silensis  Nr.  30, 
Risco,  Espafla  Sagrada  XXXVH,  p.  117,   143  und   146,  Hübner  Inscr. 
Hisp.  Christ.  Nr.  145  noch  Morales,  Coronica  de  Espana  XIH,  36;  Ernst 
Gustav   Vog^l,  das  Kreuz  der  Engel,   ein  Kriterium  in  Spanien   [man 
kann  hinzusetzen:   im  nördlichen  Spanien]  geschriebener  Handschriften 
des  10.  und  11.  Jahrhunderts,  Serapeum  VII  [1886],  p.  94—96;  Amador 
de  los  Rios,  Monumentos  arquitectönicos,  Cdmara  Santa  de  Oviedo,  p.  24  ff. 
und  Vigil,  Asturias,  H  (LÄminas)  L4m.  A  VII,  A  VIU,  K  I,  K  IV  u.  ö. 


20  XII.  Abhandlung:    B e e r.  Handschrif tensch&tM  Bpaniens. 

el  diö  este  libro  y  en  el  hay  escritas  cosas  de  mano  del  mismo 
Obispo.  Contiene  las  Historias  mas  antignas  de  Espacia:  de 
Sebastiano  Obispo  de  Salamanca:  de  Sampiro  Obispo  de  Astorga: 
j  del  mismo  Pelagio,  j  otra.  Estan  alli  tambien  obras  que  escri- 
biö  el  Rey  Sisebuto  de  los  Godos,  y  otras  cosas  de  aquel  tiempo. 
Libro  raro.* 

(11)  Otro  Libro  que  recopilö  el  mismo  Pelagio,  y  es  Historia 
de  la.Iglesia,  y  de  la  Ciudad  de  Oviedo,  con  poner  en  el  todos 
los  Privilegios  y  Bolas  que  los  Sumos  Pontifices  otorgaron  k 
la  Iglesia  y  k  la  Ciudad.  Con  esto  es  verdaderamente  Tumbo, 
que  Tumbos  llaman  en  Asturias,  Galicia,  y  Portugal,  k  sus  Libros 
semejantes,  que  en  Castilla  Uamamos  Becerros.' 

(12.  13)  En  dos  cuerpos  muy  grandes  estan  cosas  de  Santo 
Augustin,  y  de  S.  Ambrosio,  de  las  que  andan  impresas.  Creo 
no  hay  cosa  nueva. 

(14)  Un  Libro  que  tiene  al  principio  la  Regia  de  S.  Benito, 
y  mas  adelante  algunas  cosas  de  S.  Geronimo.  AI  cabo  tiene 
un  Prologo  de  S.  Isidoro,  sobre  los  Canticos:  y  otro  del  Abad 
Valerio  sobre  los  Psalmos,  que  parece  escribii  sobre  ellos.* 


^  Abschriften  aus  diesem  Codex  sind  erhalten  im  ESscor.  b.  L  14  (Knust  p.  811, 
Ewald  p.  233  f.  und  besonders  Revista  de  Archivos  U,  p.  284  ff.).  Matrit 
bibl.  Nat  Dd.  104  (Ewald  p.  298f.),  F.  86  (Ewald  p.  307),  F.  192  (Ewald 
p.  309)  and  Q.  317  (Ewald  p.  312).  Eine  vollständige  Copie  scheint  die 
Handschrift  der  Madrider  Nationalbibliothek  F.  58  zu  bieten  (Ewald 
p.  303).  Einzelne  Stücke  im  Toletanns  27,  26  (Ewald  p.  365).  Ueber 
die  genaue,  von  Morales  angefertigte  und  von  Risco  publicirte  Beschreibung 
der  Handschrift  vgl.  weiter  unten. 

'  Unter  allen  in  diesem  Berichte  beschriebenen  Handschriften  die  einzige, 
welche  noch  in  der  Kirche  aufbewahrt  wird.  (Jetzt  allgemein  ,libro 
götico*  genannt,  vgl.  unten).  Ausser  den  zahllosen  von  Vigil,  Asturias 
Monumental  I  verzeichneten  Abschriften  erwähne  ich  noch  Elscor.  b.  I.  14 
(Ewald  p.  233),  Matrit  Bibl.  Nat.  F.  192  (Ewald  p.  309).  Eine  Copie: 
Donaciones  reales  i  la  Iglesia  de  Oviedo.  Libro  de  los  Testamentos  j 
Donaciones  reales  y  otras  etc.  bildet  Vol.  IX  der  HandschriftencoUectioD 
im  Instituto  de  Jove-Llanos  zu  Gijon.  Vgl.  Somoza  y  Montsoriu,  Cati- 
logo  p.  20. 

'  Es  ist  zweifellos  der  heutige  Escorialensis  a.  1. 13  ,de  la  yglesia  de  Oviedo*; 
vgl.  Hartel-Loewe  p.  10  ff.,  deren  Beschreibung  in  allen  wesentlichen 
Stücken  mit  der  vorliegenden  übereinstimmt.  Durch  diese  Identification 
wird  auch  die  Datirung  (des  ersten  Theiles  des  Codex)  812  (Jahr  der 
Alfonsinischen  Schenkung,  nicht  912)  gestützt. 


Bibl.  Uebeniebt:  344  (Oriedo).  21 

(15)  Un  Santoral  grande.  Codice  insigne,  y  de  mucha 
estima,  pues  se  escribiö  mas  ha  de  ochocientos  anos^  porque  en 
una  letra  grande  al  principio  de  la  vida  de  S.  AIejandro  Obispo 
y  Martir  dice:  Froylani  Principis  über.  Y  lo  mismo  dice  otras 
dos  veces  en  la  letra  grande  de  la  Vida  de  S.  Bartholomi,  y 
en  la  de  S.  Afra,  y  sus  Companeros,  y  el  Rey  D.  Fruela,  Fun- 
dador  de  la  Ciudad  de  Oviedo,  y  su  Iglesia,  comenzö  k  reynar 
ano  DCCLin.  y  reynö  once  anos,  y  para  el  primero  de  este 
nombre  se  hizo,  y  no  para  Fmela  el  Segundo,  como  se  deja  bien 
entender.     Ha  mas  de  DCCC.  anos  que  se  escribiö. 

(16)  Homelias  de  S.  Gregorio  sobre  los  Evaugelios:  y  no 
puedo  cotejar,  mas  creo  cierto  que  hay  mas  que  las  impresas^ 
b  hay  otras,  y  tienen  una  Prefacion  k  Secundino  Obispo.  AI 
cabo  dice  como  se  acabö  de  trasladar  k  los  diez  y  ocho  de  Julio 
ano  de  nuestro  Redemptor  DCCCCI. 

(17)  Un  Psalterio  falto  de  principio,  tiene  algunas  breves 
anotaciones  y  Argumentes  por  la  margen. 

(18)  En  im  Libro  pequeno  de  qüarto,  hay  Homelias,  y  por 
no  teuer  titulo  no  pude  entender  cuyas  son.  Mas  parecieronme 
muy  buenas.  Y  hay  sin  esto  otras  obras  pequenas,  como  al 
cabo  parece. 

(19)  La  Vida  de  S.  Martin  por  Sulpicio  Severe,  y  la  de 
S.  Millan  por  S.  Braulio,  y  otras  cosas  pocas  de  S.  Geronimo.  de  4. 

(20)  El  Pastoral  de  S.  Gregorio.  AI  cabo  estä  un  titulo  para 
sola  lastima:  pues  dice:  Epistola  Beati  Liciniani  de  libro  Regu- 
larum ad  Sanctum  Gregorium  Papam.  Esto  era  muy  bueno, 
y  de  Autor  Espanol,  y  nunca  impreso,  mas  no  hay  mas  de  una 
hoja:  todo  lo  demas  falta. 

(21)  Algunos  qüademos  de  Homelias  de  S.  Gregorio,  de 
letra  Gothica  muy  grande. 

(22)  Un  Libro  de  4.  tiene  algunas  Vidas  de  Santos,  y  al 
principio  confusamente  parece  haberlo  escrito,  6  poseido  Valerie, 
que  parece  el  Santo,  de  quien  atras  se  ha  dicho. 

(23)  Historia  Eclesiastica  Eusebij,  &  RufHni.  Tiene  al  prin- 
cipio la  Cruz  de  los  Angeles,  y  en  la  cifra  dice:  Adefonsi  Prin- 
cipis sum.  AUi  escribiö  uno  al  principio  que  habia  setecientos 
anos  que  se  escribiö.  Mas  no  tubo  por  donde  lo  pudiese  afirmar. 

(24)  Sermones  de  Santo  Augustin,  de  letra  grande  y  harte 
linda,  y  antigua:  no  tiene  fin. 


22  XII.  ▲1>buidlnDg:    Beer.  HandschriftenscbAtse  Spaniens. 

(25)  Un  Libro  de  muchas  Historias  juntas,  donde  estä  todo 
lo  que  en  el  otro  libro  de  Pelagio:  Codice  insigne  y  raro. 

(26)  Liber  Sententiarum  Beati  Isidori.  Tiene  por  gnardas 
k  los  cabos  algunas  hojas  de  Biblia  de  letra  mayuscala  muy  deli- 
cada.  Yo  trüge  una  hoja  por  la  estrafieza.  Puedese  tener  esta 
Biblia  por  de  los  libros  que  se  tmgeron  de  Toledo. 

(29)  Hay  otro  libro:  Sententiarum  Divi  Isidori,  de  4.  pe- 
queno,  letra  menuda,  y  muy  antigua. 

No  hay  mas  libros  de  letra  Gothica. 

(30)  Etymologias  de  Santo  Isidoro:  letra  y  pergamino  como 
de  doscientos  anos. 

(31)  Unos  Comentarios  sobre  el  Psalterio,  que  al  prineipio 
se  dice  es  tomado  de  Casiodoro,  Ambrosio,  Geronimo,  Augustino, 
y  Remigio.  Parece  de  mas  de  trescientos  anos^  y  es  buen  Co- 
dice, y  raro  por  lo  menos. 

(32)  Doctoris  fratris  Joannis  -35gidij  Zamorensis  de  Prae- 
coniis  Hispanse.  El  libro  parece  tan  antiguo  como  su  Autor, 
que  fue  Maestro  del  Rey  D.  Sancho  el  IV.* 

(32 — 35)  Hay  sin  estos  una  Biblia  grande,  y  algunas  cosas 
de  S.  Gregorio,  y  S.  Thomas,  y  quatro,  b  cinco  Tomos  de  la 
Glosa  Ordinaria. 

Albuacen  Alli,  liber  de  Judiciis  Astrorum:  impreso  antiguo, 
que  ya  no  se  halla. 

Florez,  Espaoa  Sagrada  IV  (1749),  p.  195  spricht  von  dem 
Libro  . . .  con  el  titulo  de  Itacio  escrito  en  letras  gothicas,  que 
se  llama  Ovetense  por  haverse  conservado  en  la  Santa  Iglesia 
de  Oviedo,  und  fährt  dann  fort:  yo  no  he  passado  ä  Oviedo, 
pero  tengo  la  fortuna  de  hallarme  con  un  manuscrito  de  Morales 
en  que  da  puntual  noticia  de  todo,  y  del  cotejo  que  hizo  con 
otros  tres. 

Dies  manuscrito  de  Morales  ist  identisch  mit  dem  von 
Bisco,  Espana  Sagrada  XXXVIII  (1793),  p.  111  flf.  behandelten. 
Vgl.  überdies  die  sehr  ausführliche  Beschreibung  der  Handschrift: 
Noticias  que  escribiö  Ambrosio  de  Morales  de  lo  contenido  del 
famoso  Cödice  Ovetense  de  Don  Pelago,  Obispo  de  esta  Sede, 
ibid.  p.  366  —  376.     Ueber  die  von  Morales  benutzte,  zur  Zeit 


^  Es  ist  cod.  Escor.  Q.  U.  17,   wie  Ewald  (p.  271)  und  Fidel  Fito  (Boletin 
de  la  Real  Academia  de  la  Uistoria,  V,  p.  131  ff.)  erkannten. 


Bibl.  Uebenicht:  S45  (Oviedo).  23 

Florez'  verlorene  Eulogiushandschrift  aus   Oviedo   vgl.  Espaua 
Sagrada  X  (1753),  p.  450  f. 

Ford,  A  handbook  for  travellers  in  Spain  II,  p.  638  kurze 
historische  Bemerkungen  und  Hinweis  auf  den  libro  götico. 

Valbntinelli,  p.  55  zum  grössten  Theil  nach  Morales. 

Amador  de  los  Rios,  Josfi,  Historica  critica  11,  162  über 
den  libro  götico. 

Derselbe:  Miniatura  del  Testamente  del  Rey  Casto  en  el 
libro  llamado  Götico  de  la  Catedral  de  Oviedo.  Monumentes 
Arquitectönicos  de  Espana,  Abtheilung  Oviedo,  Catedral,  Cä- 
mara  Santa. 

Derselbe:  La  pintura  en  pergamino,  en  Espana  etc.  Museo 
Espanol  de  Antiguedades  DI  (1874),  p.  15  über  die  nämliche 
Handschrift. 

Tailhan,  p.  300 — 304  treflfUche  Darstellung  der  Geschichte 
der  Bibhothek  auf  Grund  documentarischer  Daten  unter  Berück- 
sichtigung der  nachweisbar  der  Kirche  angehörigen,  jetzt  ver- 
lorenen oder  verstreuten  Handschriften. 

ViGiL,  CiRiAco  MiGüBL,  Asturias  monumental,  epigräfica  y 
diplomätica.  Datos  para  la  historia  de  la  provincia,  Tomo  I: 
Texte,  Tomo  H:  Läminas. 

p.  47  f.  gibt  Vf.  ein  Verzeichniss  der  Handschriften,  die 
ihm  als  Quellen  dienten;  dasselbe  wird  später  Berücksichtigung 
finden.  Ueber  die  Bedeutung  des  Werkes,  speciell  für  Hand- 
schriftenkunde  vgl.  die  Anzeige  in  der  Berliner  phil.  Wochen- 
schrift IX  (1889),  Nr.  25,  Sp.  781—789. 

Ueber  meine  Arbeiten  an  Ort  und  Stelle  enthält  einige 
Notizen  der  ,Carbayon^  von  Oviedo  vom  2.  December  1887.  Es 
wurden  im  Ganzen  7  Handschriften  beschrieben,  im  Allgemeinen 
von  geringer  Bedeutung;  von  der  alten  reichen  Bibliothek  ist, 
wie  eingangs  erwähnt,  auch  nicht  ein  Stück  mehr  vorhanden. 

345«  *  Biblioteca  de  la  Universidad, 

BoRAo,  p.  81  f.  Historischer  RückbUck  und  die  irrige  Notiz 
über  die  Bücherbestände:  todos  impresos. 

RoDRiQUEz  Arango,  Rcscna  historica  de  la  Biblioteca  Uni- 
versitaria de  Oviedo.  Revista  de  Archivos  VUI  (1878),  225  ff. 
in   verschiedenen    Absätzen   behandelt,     p.  242   wird   die   Zahl 


24  Xn.  Abhuidlnng:    Bear.  Haadsohrifteiwehiise  Spuiieiu. 

der  Handschriften  auf  120  angegeben^   p.  259  findet  sich  ein 
dankenswerthes  Verzeichniss  der  wichtigsten  derselben. 

Dieser  Aufsatz  erschien  zu  gleicher  Zeit  in  dem  um- 
fassenden Werke: 

DiSTRrro  Universitario  de  Oviedo.  ReseBa  histörica.  Oviedo 
1878.  4®,  p.  88 — 103,  sowie,  was  den  Katalog  der  Handschriften 
anlangt,  auch  im  Anuario  del  Cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I 
(1881),  p.  274—276. 

Die  Bibliothek  besuchte  ich  zu  Beginn  des  December  1877, 
wobei  zwei  der  wichtigsten  Handschriften  beschrieben  wurden. 
Vgl.  hierüber  eine  vorläufige  Notiz  im  ,Carbayon*  von  Oviedo 
vom  2.  December  1887. 

346.  Ärchivo  del  Äyuntamiento, 

ViGiL,  CmiACo  Miguel,  Coleccion  histörico-diplomätica  del 
Äyuntamiento  de  Oviedo.    Oviedo  1889. 

Der  Herausgeber  des  Werkes,  welches  eine  Ergänzung  zu 
den  beiden  Bänden  Asturias  monumental  bildet,  nennt  seine 
Quellen  wie  folgt:  p.  3  (1 — 5)  Cinco  tomos,  gran  foho  en  pasta 
mit  Documentensammlungen  s.  XUI — XVI;  p.  285  (6)  Libro 
titulado  ,Fueros  j  privilegios  de  la  ciudad  de  Oviedo',  ordenado 
por  el  Escribano  San  Juan  Ortiz  en  16  de  Junio  de  1536.  (7) 
Libro  en  pasta  blanca,  comprensivo  de  201  hojas,  bajo  el  Epi- 
grafe  de  ,Pragmäticas  de  D.  Fernando  y  Dona  Isabel,  D.  Felipe  I. 
y  Da.  Juana  y  del  Emperador  D.  Carlos^  Son  copias  literales 
de  fines  del  siglo  XVI,  y  comprenden  los  anos  desde  1493  hasta 
1548.  (8)  Libro  maestro  de  Pragmäticas,  Provisiones  y  Reales 
ördenes  modemas,  encuadernado  en  pergamino  y  sin  foliatura. 
In  sechs  Theilen.  (9)  Libro  maestro  de  fueros,  ordenanzas 
honores  etc. 

Aus  diesen  Quellen  werden  die  einzelnen  Sttlcke  chrono- 
logisch, entweder  vollständig  oder  im  Auszug  mitgetheilt. 

347.  Archivo  del  Convento  del  Rosario, 

MüNOz,  Diccionario,  p.  209  erwähnt  nach  einem  mir  nicht 
vorliegenden  Werke:  Gonzalez  Posadas,  Memorias  histöricas 
p.  306  einen  Becerro  dieses  Archivs,  welcher  auch  die  Noticia 
de  la  fundacion  del  convento  del  Rosario  de  la  ciudad  de  Oviedo 
von  Alvaro  de  Rojas  enthält. 


Bibl.  Ueberaicht:  346— S50  (Oriedo— Pftlm«).  25 

34S.  Biblioteca  del  Circulo  Asturiano  jLa  Quintana^, 

SoMOZA  DE  MoNTSORiu,  JuLio,  Catälogo  de  manascritos  i  im- 
presos  notables  del  Institute  de  Jove-Llanos  en  Gijon  seguido 
de  an  indice  de  otros  docomentos  in^ditos  de  su  ilostre  fondador. 
Oviedo  1883.  S^ 

Das  unter  dem  Artikel  Gijon  bereits  ausRlhrlicher  be- 
sprochene Buch  bringt  von  p.  231  ab  einen  fndice  de  los  docu- 
mentos  varios  relativos  ä  Don  Gaspar  Melchior  de  Jove-Llanos 
que  posee  el  circulo  Asturiano.  Unter  diesen  ^documentos'  finden 
sich  vollständige  Werke,  so  unter  anderen  die  historisch  und 
bibliographisch  wichtigen  Tagebücher  und  eine  Descripcion  de 
la  Catedral  de  Palma  de  Mallorca  aus  der  Feder  des  berühmten 
Forschers  und  Sammlers. 

Falenoia. 

349.  Biblijoteca  de  la  Iglesia  mayor. 

Murales,  Viage,  p.  23  berichtet  von  einem  libro  deshojado 
de  letra  gothica,  harto  antiguo,  en  pergamino  . . .  contenia  vidas 
de  Santos  escritas  por  buenos  Autores:  Vita  Sancti  Paulini  per 
Oranium  Presbyterum  ad  Pecatum.  Vita  Sancti  Germani.  Diese 
ohne  Autorangabe.  Spätere  Nachrichten  fehlen  fast  vollständig; 
vgl.  übrigens  Rodriguez  de  Castro,  Biblioteca  Espanola  II,  p.  327 
und  Bibliotheca  Patrum  latinorum  Hisp.  I,  p.  108  (Notiz  auf 
f.  1^  des  cod.  Esc.  P.  III.  17).    Endlich  verzeichnet 

FiTA  Y  CoLOMä,  Fidel,  Bosquejo  de  la  Exposiciön  historico- 
Europea,  Madrid  1892,  p.  40  unter  anderen  von  dieser  Bibliothek 
ausgestellten  Manuscripten  (zumeist  Archivalien):  libro  escrito 
en  pergamino  que  contiene  los  Estatutos  de  esta  Iglesia.  —  Con- 
stitutiones  del  Obispado  de  Palencia. 

Fahna. 

850.  *  Biblioteca  provincial  y  del  Instituto  balear  (Biblio- 
teca de  Montesion), 

Eröffnet  am  1.  October  1847.  Heine,  Serapeum  Vm  (1847), 
p.  95  berichtet  nur  über  die  Arbeiten  zur  Aufstellung  und 
Ordnung  der  Bibliothek. 

Valentinellt,  p.  176:  i  pochi  manoscritti  si  riferiscono 
tutti  a  Raimundo  Lullo  e  alla  sua  dottrina. 


^6  Xn.  Ablumdlang:    Beer.  HttodschrifkenschAtse  Spaniens. 

BoRAo,  p.  82:  sobre  530  manuscritos. 

FuLLANA  T  GoNZABRBZ,  FRANCISCO  (Resona  de  la  Biblioteca 
de  Palma),  Revista  de  Archivos  VI  (1886),  p.  77  ff. 

Historische  und  descriptive  Bemerkungen.  Die  Zahl  der 
Handschriften  wird  auf  893  angegeben. 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I  (1881), 
p.  242 — 253.  Detaillirtere  Ausführung  des  vorstehend  ver- 
zeichneten Aufsatzes.  P.  252  f.  Beschreibung  einiger  Hand- 
schriften. Zahl  derselben  nach  neuester  Aufnahme  (vgl.  p.  445): 
940.     Der  Bericht  im  H.  Bande   enthält  nichts   Einschlägiges. 

Morel -Fatio,  Alfred,  Rapport  sur  une  mission  philologique 
k  Majorque.  BibUothfeque  de  P^cole  des  chartes  XLHI  (1882), 
p.  474—497. 

Dieser  genau  und  gründlich  abgefasste  Bericht  ^  gibt  über  die 
BibUotheken  Palmas,  insbesondere  über  die  BibUoteca  provincial 
p.  487  ff.  wünschenswerthe  Aufschlüsse  und  Notizen  über  einige 
Handschriften. 

Erzherzog  Ludwig  Salvator,  Die  Balearen  in  Wort  und 
Bild  (vgl.  den  nächsten  Artikel),  Bd.  IV,  p.  236:  ,394  Hand- 
Schriften^  ,Erwähnenswerth  sind  auch  ein  Palimpsest  aus  dem 
13.  Jahrhundert,  der  das  Buch  von  Boetius  de  Consolatione 
Philosophiae  enthält,  ein  Codex  in  Ealbspergament  und  Papier 
mit  eigener  Hand  von  Juan  Valero,  dem  Secretär  Alfonso  V. 
de  Aragon,  geschrieben,  welcher  das  Compendium  der  philippi- 
schen Geschichten  von  Trogus  Pompeius  von  Justinus  enthält, 
ein  unveröffentUchtes  Werk  von  Bartolom^  Ximenes  Paton: 
Primera  y  segunda  Parte  del  Virtuoso  discreto'  u.  a.  — 

Auf  freundliche  Empfehlung  des  Archivars  von  Barcelona 
D.  Manuel  Bofarull  y  Sartorio  hatte  der  derzeitige  Archivar  des 
Archivo  histörico  in  Palma  Don  Josö  Maria  Quadrado  die  Güte, 
mir  eine  Liste  des  älteren  Handschriftenbestandes  der  Provincial- 
bibUothek  zu  übermitteln.  Sie  umfasst  zwölf  Nummern  und 
wird  mit  den  durch  das  Anuario,  sowie  Morel-Fatio's  Bericht 
gebotenen  Ergänzungen  zusammen  veröffentUcht  werden. 

851  •  Archivo  gener al  histörico  de  las  Baleares  (Archivo 
del  antiguo  reino  de  Mallorca). 


^  Vgl.  die  Anzeige  in  Le  Cabinet  historique  XXVllI  (1882),  p.  599. 


Bibl.  Ueb«r8ieht:  S51  (Palma).  27 

A.  Handschriftlicher  Katalog. 

Ueber  die  Abfassung  eines  solchen  vgl.  Anaario  del  cuerpo 
facultativo  de  Archiveros  I  (1881),  p.  115  (Abschn.  III).  Vgl. 
auch  Morel -Fatio,  Bibliothfeque  de  P^cole  des  chartes  XLIII 
(1882),  p.  483. 

B.  Druckwerke. 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  XXI,  p.  25  von  dem  Codex  der 
Historia  de  la  conquista  de  Mallorca  des  Pedro  Marsilio  sprechend, 
sagt:  Otro  ejemplar  igual  de  esta  obra  me  han  asegurado  que 
existe  en  el  archivo  de  la  ciudad;  pero  yo  no  lo  he  visto,  porque 
tampoco  he  visto  el  archivo. 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I,  p.  113 — 118. 
Ausflihrliche  historische  Darstellung  und  Verzeichniss  des  Fonds, 
p.  114:  34  Codices  6  libros  de  cadena,  en  vitela  los  mäs.  Der 
zweite  Band  des  Anuario  bringt  p.  77 — 82  eine  ausflihrliche 
Noticia  sobre  los  Codices  del  Archivo  General  Histörico  de 
Mallorca  mit  Inhaltsangabe  der  geschichtlich  hochwichtigen 
Handschriften,  darunter  die  Chronik  des  Fray  Pedro  MarsiUo 
sobre  la  conanista  de  Mallorca  in  gothischen  Charakteren  s.  XIV. 
Vgl.  oben. 

Morbl-Fatio  (vgl.  oben)  p.  481 — 485  gibt  einige  historische 
Daten  und  Notizen  über  verschiedene  Manuscripte,  auf  die  wir 
noch  zurückkommen. 

Die  ausführUchste  Beschreibung  sämmtlicher  im  Archiv 
aufbewahrten  Codices  ist  mitgetheilt  von 

Erzherzog  Ludwig  Salvator,  Die  Balearen  in  Wort  und 
Büd,  Leipzig  1869—1884.  fol.  (5  Bände),  Bd.  IV,  p.  43—49;  ich 
lasse  hier  einen  Auszug  folgen: 

(1)  ,Der  älteste  und  schönste  Codex,  in  ganz  Spanien 
ohne  gleichen',  Reales  cedulas  in  zwei  Theilen;  zwischen  den- 
selben die  Usatjes  de  la  Cort  de  Barcelona,  im  11.  Jahrhundert 
vom  Conde  Berenguer  el  viejo  compihrt.  Geschrieben  von 
Romeo  des  Poal  aus  Manresa  (von  1334  angefangen).  Dessen 
Bild  am  Fusse  einer  der  prächtigen  Miniaturen,  welche  den 
Codex  schmücken.  Lateinisch  und  lemosinisch.  (2 — 5)  ,Nahe- 
zu  eine  Reproduction'  von  Nr.  1.  Lemosinisch.  (6)  Jaime  II, 
Jurisdicciones  y  Estilos.  134  Blätter.  Enthält  Capitulos  de  Cortes, 
Ordenes,   Bandos,    Edictos   y   Decretos.     (7)   Codex   de  Corte 


28  XU.  Ablumdlong:    Beer.  HAndaclirifkeasch&tie  Spiiient. 

generals.  Mit  schönen  Miniaturen.  Theil  2  enthält  Alfonso  V., 
Regimen  de  Sort  e  de  Sach,  mit  fiUgranartigen  Initialen.  (8) 
Codex  Sant  Pere  (vgl.  unten).  (9.  10)  Rossellö  viejo  y  nuevo, 
,zweifelsohne  Name  des  Compilators^  saec.  XTV  und  1506—1512. 
Copien  aus  den  vorher  genannten  Codices.  (11)  Codex  Abellö; 
zum  Theil  Copien  aus  Nr.  8,  9,  10,  femer  Pragmatiken  des 
Vicekönigs  Anglesola  (1398)  über  das  Regimen  universal,  Privi- 
legien von  Juan  I,  Alfonso  V.,  Königin  Maria  (1436)  von  Carl  V. 
(1519)  und  die  Reglements  der  Tabla  numularia.  (12)  Sindicato 
forense  fol.  s.  XV.  160  Verordnungen  (ördenes).  (13)  Des- 
selben Inhalts  wie  Nr.  12.  (14)  Codex  del  Sindicato,  Privilegien 
Alfonso  V.  und  Juan  11.  Lateinisch  und  mallorquinisch.  (15) 
Usatjes  de  Barcelona.  Constitucions  de  Catalunja.  Paz  y  Treuga. 
Flors  de  las  Lleys.  saec.  XIV,  med.  (16)  ,Repartimiento'  der 
Insel  zwischen  dem  Conquistador  und  seinen  Dienern.  1267  nach 
dem  Original  des  Temple-Archivs  geschrieben.  (17)  Desselben 
Inhalts  wie  Nr.  16.  (18)  Cabreo  de  Agua  (Wasservertheilungs- 
register).  1381  auf  Befehl  des  Gouverneurs  Ca-Garriga  ange- 
fertigt. (19)  Libro  vert.  Kalender,  Evangelien  und  hierauf  Ur- 
kunden, ähnlich  wie  bei  den  Corts  generals.  (^  Wie  Nr.  7, 
Theil  2.  Von  dem  Schreiber  Rafael  Perera  146T  geschrieben. 
(21)  Estamento  de  Caballeros.  Freiheiten  des  Ritterstandes. 
8.  XV.  (22 — 25)  Ordenaciones  del  Reino.  Urtheile  der  Jurados. 
Nr.  22  etwa  1475  vom  Notar  Jorge  Pastor  geschrieben.  (26) 
Privilegien  des  Almotacen  (Inspector  von  Gewichten  und  Massen) 
und  des  Ejecutor  mit  E^alender  und  Evangelien,  über  welchen 
der  Eid  geleistet  wurde.  (27)  Polizeianordnungen  bis  zum 
Jahre  1449,  in  welchem  das  Buch  von  dem  Schreibermeister 
Juan  Palles  um  den  Preis  von  12  Libras  geschrieben  wurde. 
(28)  Privilegien  und  Anordnungen  der  Almotaceria.  saec.  XVII 
bis  XVIII.  (29.  30)  Imposicions,  Ajudas  y  Drets  universals 
(Steuervorschriften).  Nr.  29,  a.  1390,  Nr.  30,  saec.  XV  ex.  ge- 
schrieben. (31.  32)  Register  zu  den  Cedulas  reales  und  anderen 
Documenten  (ca.  1000  an  Zahl)..  (33)  Recopilacion  de  Fran- 
quezas  y  Derechos  von  den  Advocaten  Canet  und  Mesquida 
1622  verfasst.  (34)  Aehnlichen  Inhalts,  verfasst  1649  von  dem 
Geschworenen  Nicolas  Armengol  und  dem  Advocaten  Mora  y 
Mulet.  (35)  Denunciaciones  de  Notas  de  Notarios  1479.  saec. 
XVI  fin.     (36)  ,Valentina.'    Generalindex    der   Freiheiten   und 


Bibl.  Uebereicht:    SA8— 354  (Palma).  29 

Privilegien,  1495  von  Micer  Teseo  Valentl  begonnen.  (37.  38) 
Copien  von  Nr.  36.  (39)  Actos  extraordinarios  de  los  Jurados. 
(40)  Fray  Pedro  Marsilio,  Cronica  (vgl.  oben). 

QuADRADO,  JosÄ  Maria,  El  cödice  de  los  Reyes  6  sea  le 
Rey  de  los  Codices  en  el  Archive  de  Mallorca.  8^.  Aus  dem 
Museo  Balear  de  historia  y  literatura,  ciencias  y  artes. 

Ich  kenne  den  Aufsatz  nur  aus  dem  Boletin  de  la  Real 
Academia  de  la  Historia  zu  Madrid,  tom.  X  (1887),  p.  172.  Es 
handelt  sich  wohl  um  den  Sant  Pere  betitelten,  im  Anuaro  de 
Archiveros  11,  p.  78  beschriebenen  Codex.  ^ 

853.  Archivo  del  Patrimonio, 

G(üEMEs),  J(osä)  DB,  El  Archivo  del  Patrimonio  que  fu^ 
de  la  Corona,  en  las  Baleares.  Revista  de  Archivos  HI  (1873), 
p.  209—213. 

Enthält  ein  Verzeichniss  der  einzelnen  Bestände. 

Morel -Fatio,  Bibliothfeque  de  T^cole  des  chartes  XLHI 
(1882),  p.  485  f.  gibt  nebst  historischen  Daten  Beschreibungen 
verschiedener  Manuscripte,  so  der  Libres  de  dades  e  rebudes, 
femer  der  ,Literae  regii  officii  regiae  procurationis'  genannten 
Register.  ,Pour  Thistoire,'  sagt  er,  ,ces  livres  de  compte  ont  uu 
immense  int^rSt.' 

353.  Biblioteca  Municipal, 

Fischer,  Gemälde  von  Valencia,  tom.  HI,  p.  22. 
Valbntinblli,  p.  175:  ,Alcuni  buoni  manoscritti.' 

354.  Biblioteca  publica  episcopal, 

ViLLANUBVA  (vgl.  Viagc,  tom.  XXII,  p.  206—208)  sah  da- 
selbst: (1)  Summa  fratris  Monetae,  ordinis  fratrum  Praedicatorum 
contra  haereticos.  Ms.  fol.  parte  de  pergamino,  parte  de  papel, 
escrito  ä  dos  columnas,  de  fines  del  siglo  XHI.  (2)  Franciscus 
Eximenex,  pastoralis  liber  Ms.  papel  s.  XV.  (3)  Sallustio  entero 
con  todas  sus  invectivas;  hierauf  Bartolomei  Faccii  ad  Karolum 
Vintimilium  de  origine  inter  Gallos  ac  Britanos  belli  s.  XV. 

Heine,  Serapeum,  VIII  (1847),  p.  95:  ,enthält  keine  Manu- 
scripte^. 

Valbntinelli,  p.  174  f.  nach  Villanueva. 


*  Copirt  von  Maestro  Bartolomö  de  Rius  (Rivis)  ca.  1450. 


so  Xn.  Abhandlnng:    Beer.  Handschriftenscliätze  Spaniens. 

855.  "f  Biblioteca  de  la  Catedral, 

Aus  den  Capitnlaracten  sammelte  Villanaeva  folgende  Daten 
über  diese  Bibliothek,  welche  zu  seiner  Zeit  bereits  nicht  mehr 
bestand  (vgl.  Viage,  tom.  XXI,  p.  92  f.).  La  biblioteca  debia  ser 
ya  bastante  copiosa  en  el  ano  1399,  cuando  por  haber  muchas 
llaves  de  ella  se  omitiö  hacer  inventario  de  sus  libros,  como  se 
hizo  de  todas  las  demas  alhajas  de  la  iglesia.  En  1411,  el  ca- 
nönigo  Francisco  Yalariola  regalö  ä  la  misma  el  Comentario  de 
Alejandro  de  Ales  in  IV.  Sent.  El  Obispo  Don  Diego  de  Amedo 
en  1562 . . .  subiö  ä  la  libreria  ,et  vidit  illam  bene  stare^  Es- 
täbalo  tambien  en  1591,  cuando  ä  9  de  Julio  concediö  el  Cabildo 
llaves  de  ella  ä  algunos  para  estudiar.  Tres  anos  despues  hallo 
que  se  hicieron  algunas  ordinaciones  para  su  buen  servicio  y 
se  nombrö  bibliotecario. 

Die  Reste  der  Bibliothek  wurden  im  Jahre  1798  der  bi- 
schöflichen Sammlung  einverleibt. 

356.  Archivo  de  la  Catedral. 

ViLLANUBVA,  Viagc,  tom.  XXI,  p.  19  ff.  beschreibt:  (1)  Car- 
toral,  im  Auftrage  des  Bischofs  Pedro  de  Morella  (f  1282)  vom 
Notar  P.  Amaldo  verfasst.  (2)  Ein  zweites  s.  XIII  —  XIV, 
Libro  amariUo  genannt.  (3)  Ein  drittes,  ,La  cadena^.  (4)  Actas 
capitulares,  das  älteste  Manuscript  im  Jahre  1372  begonnen. 
(5)  Libros  de  cargo  y  data  de  la  fäbrica  de  esta  iglesia,  das 
älteste  aus  dem  Jahre  1327.  (6)  Libro  antiguo  de  aniversarios, 
in  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  begonnen.  (7)  Cabreo  general 
de  los  beneficios  antiguos  de  la  iglesia.  (8)  Cronicon  ,de  Salcet', 
von  Villanueva  aus  verschiedenen  Aufzeichnungen  des  Notars 
Mateo  Salcet  zusammengestellt.  (Proben  derselben  im  Ap.  III.) 
(9)  Cabreo  general  de  todas  las  posesiones  que  tocaron  ai  Rey, 
verfasst  im  Jahre  1253;  Villanueva  benützte  eine  Copie  aus  dem 
Jahre  1307,  von  welcher  Auszüge  geboten  werden.  (10)  Pedro 
Marsilio,  Conquista  de  Mallorca,  libro  11  con  su  traduccion  le- 
mosina. 

357.  Archivo  episcopal, 

Villanueva,  der  sich  über  den  wenig  entsprechenden 
Zustand  des  Archivs  beklagt,  verzeichnet  Viage,  tom.  XXI, 
p.  18  f.  mehrere   registros  antiguos   (Copialbücher),   das  älteste 


Bibl.  üebersicht:   855—861  (Palma).  31 

mit  1364  beginnend.     Die  registros   de   ördenes   beginnen  mit 
dem  Jahre  1377. 

358.  t  Biblioteca   del   Convento   de   los  P,  P,  Capuchinos. 

ViLLANUBVA  (vgl.  Viage,  tom.  XXII,  p.  178  u.  231)  benützte 
daselbst:  Tres  6  cuatro  Codices  (rituales)  .  .  .  singnlarmente  nn 
Breviario  que  se  escribiö  antes  del  ano  1303;  Diario  de  los  sa- 
cesos  de  la  armada  de  la  liga^  mandada  por  el  Serenisimo  Senor 
Don  Juan  de  Austria  en  los  anos  1571,  72,  73  y  74,  escrito  por 
Fr.  Miguel  CerviA,  religiöse  Franciscano,  natural  de  Maliorca, 
Vicario  general  de  la  armada  y  confesor  de  dicho  Don  Juan, 
como  ^i  mismo  lo  dice,  al  fin  del  ano  1572;  manuscrito  en  4^, 
das  Villanueva  abzuschreiben  gedachte. 

Valbntinelli,  p.  177  f.  nach  Villanueva. 

359.  Biblioteca  del  Convento  de  los  P,  P.  Dominicanos, 

Villanueva,  Viage,  tom.  XXII,  p.  212 — 219  berichtet  nur 
von  alten  Drucken  und  nicht  (wie  Valentinelli,  p.  176  f^schlich 
angibt)  von  Handschriften  dieser  Bibliothek.  Doch  müssen  solche 
früher  im  Convent  vorhanden  gewesen  sein;  so  die  Geschichte 
des  Königs  Jaime  I.  von  Aragon,  geschrieben  von  MarsiUo,^ 
vgl.  Villanueva,  tom.  XV 111,  p.  248  und  ibid.  p.  259,  Anm. 

360.  t  Archivo  de  los  Templarios, 

Im  Jahre  1267  wurde  in  diesem  Archiv  eine  Copie  des 
,Cabreo  general  de  todas  las  posesiones  que  tocaron  al  Rey  (de 
Mallorca)^  niedergelegt.  Die  Handschrift  wurde  aber  bereits 
von  Villanueva  nicht  mehr  vorgefunden.  Vgl.  Viage,  tom.  XXI, 
p.  23  u.  166  ff. 

361.  Biblioteca  particular  del  Conde  de  Ayamans, 

Morbl-Fatio,  Bibliothfeque  de  T^cole  des  chartes,  tom.  XLIH 
(1882),  p.  490  f.  beschreibt  eine  Handschrift  der  Chronik  des 
Königs  Jaime  I.  von  Aragon:  Ce  volume  en  parchemin  de  172 
feuillets,  k  deux  colonnes,  a  ^t^  copi^  en  1380  par  Joan  de  Bar- 
bastro,  scribe  de  la  chancellerie  de  Pierre  IV.  de  Aragon.  Com- 
par^  au  manuscrit  de  la  biblioth^que  universitaire  de  Barce- 
lona,  qui   vient  d'^tre  publik   par   D.  Mariailo  Aguilö   dans  sa 


*  Vielleicht  identisch  mit  dem  jetzt  im  Archivo  general   (8.  dieaes)  aufbe- 
wahrten Exemplar. 


32  Xn.  Abhandinng:    Beer.  Handschriftensch&tze  Spsniens. 

Bibliotheca  catalana,  le  ms.  du  comte  d'  Ayamans  präsente  un 
certain  nombre  de  variantes  dont  il  y  a  Heu  tenir  compte.  Aus- 
züge aus  dieser  Handschrift  ibid.  p.  495 — 497. 

863.  t  Biblioteca  particular  de  D,  Joaquin  Maria  Bover, 

Zuerst  erwähnt  Heine^  Serapeum,  tom.  VIII  (1847),  p.  95 
diese  Privatbibliothek,  ,eine  ganz  artige  Sammlung  von  Blichem 
und  jüngeren  Handschriften'. 

MuNOz,  Diccionario,  p.*  212  notirt:  ,Crdmca  de  los  sucesos 
ocurridos  en  el  colegio  de  Jesuitas  de  Montesion  en  Palma  de 
Mallorca  Ms.  original  en  tres  gruesos  volAmenes  en  fol';  ,preciosa 
obra',  in  Bover's  Besitz. 

Valbntinblli,  p.  176  nach  Heine.  In  dem  Werk:  Biblio- 
teca de  Escritores  Baleares  Palma,  1868,  2  tom.  8^,  gibt  Bover 
Daten  über  verschiedene  jtlngere  Handschriften  seiner  Sammlung. 
Bover  starb  am  1.  April   1865. 

368.  Biblioteca  particular  del  Conde  de  Montenegro. 

Bover,  I.  M.,  Noticia  historico-artistica  de  los  museos  del 
Excmo  Sr.  Cardenal  Despuig  existentes  en  Mallorca.  Palma  1845. 

Die  Bibliothek  ist  p.  216—223  behandelt.  Das  Werk  lag 
mir  nicht  vor. 

Heine,  Serapeum,  tom.  VHI  (1847),  p.  95  über  die  Welt- 
karte des  Gabriel  Valseca. 

Valentinblij,  p.  175  f.,  behauptet  irrig,  dass  die  Sammlungen 
der  Despuig,  Grafen  von  Montenegro  zu  Beginn  dieses  Jahr- 
hunderts an  D.  Antonio  Ignacio  de  Pueyo  gelangt  wären.  Dieser 
Sammler  besass  eine  von  ihm  selbständig  creirte  Bibliothek,  vgl. 
unseren  Artikel. 

Mobell-Fatio,  Biblioth^que  de  Töcole  de  chartes,  tom.  XLIII 
(1882),  behandelt  die  Bibliothek  p.  478  u.  490  und  nennt  aus 
ihr  ,le  portul^n  de  Gabriel  Valseca  de  Tan  1439  et  un  manu- 
scrit  du  Tratado  de  Annas  et  du  Ceremonial  de  principes  de 
Diego  Valera'. 

864,  Biblioteca  particular  de  D,  Antonio  Ignacio  de  PaeyOy 
marques  de  Campo-franco, 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  XXH,  p.  232  f.  beschreibt:  (1)  Un 
cödice  fol.  men.  en  vit.  ms.  en  1291,  contiene  todos  los  privi- 
legios  y  franquezas  concedidas  hasta  aquella  ^poca  A  los  habita- 


Bibl.  üebenieht:  se»— 367  (Palnm— Pamploiut).  33 

dores  de  Mallorca,  asi  por  el  Rey  Don  Jaime  I.  de  Aragon, 
como  por  su  hijo  Don  Jaime.  Copie  ibid.  p.  285 — 327  (Ap.  XII). 
Beigebunden  Privilegien  der  Juden  in  Mallorca  saec.  XIIT — XIV. 
(2)  Stacio  Papinio  Surtulo  XII.  libros  del  Thebaidos  (sie)  los 
V  del  Achileidos  y  los  IV  de  Silvas,  saec.  XII.  (3)  Fragmento 
del  Concilio  FV.  Toledano  saec.  XL 

Hbike,  Serapeum,  tom.  Vill  (1847),  p.  95  nennt  die 
Bibliothek  blos. 

Valentinblli,  p.  176  nach  Villanueva. 

Morbll-Fatio,  Bibliothfeque  de  T^colede  Chartes,tom.XLin 
(1882),  p.  478:  D.  A.  I.  de  Pueyo  ^tait  fils  du  second  marquis 
de  Campo-franco  et  poss^dait  une  biblioth^ue^  qui  a  ^t^  trans- 
mise  par  höritage  aux  repr^sentants  de  ce  titre:  aujourd'hui 
D.  Adolfe  de  Rotten  y  Guzman,  marquis  de  Campo-franco  par 
sa  femme  en  est  le  propri^taire. 

865.  Biblioteca  particular  de  D,  Gerönimo  Rosellö. 

Morel  Fatio  a.  a.  O.  p.  491  citirt  aus  dieser  Privat- 
sammlung: Raimundus  Lullus  Arbre  de  sciencia  (copi^  en  1418 
par  un  scribe  de  Perpignan),  und  Francesch  de  Oleza,  La  nova 
art  de  trobar.    Folgen  noch  Details  über  diese  interessante  ars. 

Famplona. 

366.  Biblioteca  de  la  Iglesia  Catedral. 

Michel,  Francisqub,  Rapport  sur  une  Mission  en  Espagne 
Archives  etc.,  UT  S^rie,  tom.  6,  p.  284  beschreibt  aus  dieser 
Bibliothek  ,un  manuscrit  des  satires  de  Juv^nal  in-folio,  du 
XI*  ou  XII®  sifecle,  avec  scholies  interlin^res  et  marginales, 
et  un  recueil  de  lettres  de  Pierre  de  Blois,  au  nombre  de  169, 
volume  sur  v^lin  d'une  Venture  du  XIV*  si^cle. 

867.  t  Biblioteca  particular  del  Rey  D,  Carlos  III,  de 
Navarra. 

,E1  Rey  Don  Carlos  III  de  Navarra  no  fu^  m^nos  amante 
de  libros  que  Don  Alonso  el  Sabio,  y  para  satisfacer  su  deseo, 
comprö  diferentes  librerias,  y  entre  ellas  la  de  los  Padres  Do- 
minicos  de  Estella,  y  la  de  su  Cambarlen  Mosen  Pierres  de 
Laxaga.  £1  numero  de  Codices  de  que  se  componian  algunas 
de   estas   librerias  no  Consta.     De  la  de  su  Cambarlen  se  sabe 

Sitxnoftber.  d.  pbiL-lust.  Ol.  CXXYUL  Bd.  18.  Abb.  8 


Bibl.  üeberaioht:  368-^71  (Pamplona— Pedaflel).  36 

Brütails,  Jban  Auguste,  Docmnents  des  Archives  de  la 
Chambre  des  Comptes  de  Navarre  (1196 — 1384)  publi^s  et  anno- 
tös.     Paris  1890. 

Urkundenpublicationen,  wie  aus  dem  Titel  ersichtlich. 

El  Faular. 

869.  Biblioteca  de  la  Cartuja. 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  Vn,  p.  148  von  einer  Handschrift: 
Historia  del  concilio  de  Trento  en  su  tercera  convocacion  por 
el  Papa  Pio  TV,,  escrita  per  D.  Pedro  Gonzalez  de  Mendoza 
sprechend  (vgl.  den  Artikel  Monserrate,  Biblioteca  del  Real 
Monasterio  de  Santa  Maria)  erwähnt  einer  Note  in  diesem  Manu- 
scripte,  welche  besagt,  dasselbe  sei  Abschrift  des  Originals,  ,que 
se  guarda  en  la  Cartuja  de  Paular^ 

Fena. 

370.  f  Biblioteca  del  MonaMerio  de  San  Jiuin. 

Egüren,  p.  96  erwähnt  eine  Handschrift  saec.  XIV:  Hi- 
storia del  Reino  de  Aragon  y  condado  de  Barcelona,  die  sich 
in  diesem  Kloster  befand  und  von  einem  Mönch  desselben,  Pedro 
Marfilo  geschrieben  war.  Von  dem  heute  verlorenen  Original 
existirt  eine  Copie  in  der  Bibliothek  der  Real  Academia  de 
la  Historia. 

Amador  de  los  Rios,  Josty  Historia  critica  de  la  literatura 

espafiola,   tom.  V  (1864),  p.  334  (und  nach  ihm  Martinez  Ani- 

barro  y  Rives,  Intento  etc.,  p.  485)  erwähnt  eine  Copia  von  dem 

Werk:  Pablo  de  Santa  Maria  ,Edades  trovadas'  sacada  del.  co- 

dice  de  San  Juan  de  la  Pena  por  el  Acadömico  don  Joaquin 

Traggia.     Wahrscheinlich   heute   gleichfalls   in   der   Akademie. 

Ueber  den  westgothischen  Glossencodex,  ehemals  in  Pena,  dann 

in  der  Bibliothek  der  Grafen  von  Olivarez  zu  Madrid,  von  dem 

eine  Abschrift  im  cod.  Escor.  L.  I.  15  vorhanden  ist,  vgl.  oben 

Bibl.  Nr.  280. 

FenafleL 

871.  t  Biblioteca  del  Monasterio  de  los  frailes  Dominicos. 

Prinz  Juan  Manuel  schenkte  diesem  Kloster  —  die  genaue 
Zeitangabe  fehlt  —  ein  Exemplar  seiner  vollständigen  Werke, 
welches   bis   heute  nicht  zum   Vorschein  gekommen  ist.     Vgl. 

3* 


36  ^Ul.  Abluuidlang:    Beer.  HuidschriftaDschitse  Spanieiu. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critica^  tom.  IV,  p.  206  (Polemik 
gegen  Bayer),  und  p.  233  sowie  Gutierrez  de  la  Vega,  Biblio- 
teca  Venatoria,  Madrid  1877,  tom.  I,  p.  CLX. 

Fenalba. 

372.  Biblioteca  del  Monaaterio  de  Santiago. 

Bischof  Gennadios  schenkt  in  seinem  Testamente  Era  953 
(915)^  diesem  Erlöster  libros  (1)  psalterinm,  (2)  comicum,  (3)  anti- 
phonariom,  (4)  orationam;  (6)  manuale,  (6)  ordinnm,  (7)  pas- 
sionum. 

Sandoval,  Fundaciones,  Abth.  S.  Pedro  de  Montes  f.  28*. 

Fenamayor. 

373.  t  -4rcAiüo  del  Mana^terio. 

Villa-Amil,   Los   cödices   etc.,   p.  76   berichtet  von  einem 

Documente   dieses  Klosters   aus   dem  Jahre  1348,   in   welchem 

von  dem  Libro   j  cuademo  de  la  iglesia  die  Rede,   und  zieht 

hiebei  den  Schluss,  dass  mit  diesem  libro  der  Tumbo  des  BLlosters 

gemeint  sei. 

Feralada. 

874.  t  Biblioteca  del  Convento, 

In  einem  alten  Necrologium  des  Convents  findet  sich 
folgende  Notiz:  Anniversarium  R.  Magistri  Michaelis  Massoti  in 
Sacra  pagina  doctoris  peritissimi  et  in  decretis  Baccalaue  (sie) 
famosissimi;  huius  conventus  filii,  qui  obiit  in  conventu  praesenti 
anno  Domini  1462  et  17  mensis  octobris,  qui  dimisit  librariae 
multos  hbros  sermonum  quos  ipse  compilaverat  et  quosdam  alios 
Ubros  iuris  et  pro  servitio  Ecclesiae  ordinale  et  unum  psal- 
terium  etc.  Vgl.  Torres-Amat,  Memorias  etc.,  p.  411  in  dem 
Artikel  Massot,  Fr.  Miguel. 

Piasoa. 

375.  t  Biblioteca  del  Monasterio  San  Julian  y  Santa 
Basilisa, 

Toda  und  Argonti  schenken  dem  Monasterio  San  Julian 
j   Santa  Basilisa  ,quorum  basiUca  in  locum   Piasca  territorio 


lieber  das  Datam  vgl.  den  Artikel  Montes. 


KU.  r*Wrnckt:  S7S— 979  (P»mJ»1— PlMMck).  S7 


Levanensi  ftindata  sive  restaurata  esf  . . .  ^die  VJII*  Kai.  aug^ostas 
Era  DCCCCLXVm*  (25.  JuH  930)  .  .  .  ,Libro8  tarnen  etiam 
ecclesiasticos  (1)  pasionnm  I,  (2.  3)  antifonarios  II,  (4)  ora- 
tionnm  I,  (5)  ordinnm  I,  (6)  commicom  I,  (7)  racionale  I, 
(8)  precmn  I,  (9)  libellmn  de  virginitate  Sancte  Marie  I, 
(10)  Bibliotecam  ibidem  pater  mens  domnos  Aldroitus  dedit, 
ego  tarnen  eonfirmo. 

Perez-Escalona  Historia  de  Sahagnn,  p.  387  (Ap^nd.  III^ 
Escritnra  XIV),  ELgoren  p.  LXXXVIII.  Indice  de  los  docu- 
mentos  del  monasterio  de  Sahagan  de  la  orden  de  San  Benito. 
Madrid  1874,  p.  114. 

Piedrahita. 

876«  Archivo  municipal. 

Dieses  wohlgeordnete  Archiv  enthält  nach  der  Revista  de 
Archivos,  tom.  II  (1872),  p.  53  unter  Anderem  zehn  Bände  in 
fol.  historisch  wichtige  ,mercedes,  privilegios  y  ordenanzas^  con- 
cedidos  por  el  Duque  de  Alba'  vom  Jahre  1435  an. 

Flasenoia. 

377.  t  Biblioteca  del  Colegio  de  los  Jesuitas, 

Indice  de  los  Ubros  que  se  hallaron  en  la  libreria  y  apo- 
sentos  del  Colegio  de  Jesoitas  de  Plasencia  en  el  ano  1767. 
Handschrift  aus  S.  Isidro  (Nr.  469)  jetzt  in  der  Bibliothek  der 
Real  Academia  de  la  Historia  zu  Madrid.  Vgl.  Revista  de 
Archivos,  tom.  VI  (1876),  p.  263.  Wie  aus  den  anderen  a.  a.  O. 
verzeichneten  Indices  hervorgeht,  befanden  sich  unter  den  ,libros' 
gewiss  auch  Handschriften. 

878.  t  Biblioteca  del  Monasterio  de  los  Frailes  Dominicos, 

Egurbn,  p.  XLIX  über  einen  cödice  conciliar,  saec.  X,  der 
ehemals  in  diesem  Erlöster  existirte.  Einige  Handschriften  kamen 
in  die  Madrider  Nationalbibliothek:  so  enthält  cod.  X,  161  die 
Provenienznotiz:  Fue  de  los  Dominicos  de  Plasencia;  V,  264 
und  P,  95  den  blossen  Namen :  Plasencia.  Vgl.  Hartel-Loewe  s.  n. 

379.  t  Biblioteca  particular  de  los  Duques  de  Bejar, 

Von  dieser  Bibliothek  sind  zwei  ältere  Verzeichnisse  be- 
kannt: En  un  inventario  de  los  bienes  que  tenia  en  el  ano  de 
1452  Don  Alvaro  de  Zuniga,  Duque  de  Bejar,  se  lee  et  titulo 


38  Xn.  AbhaDdlvng:    Beer.  Handschriftensch&txe  Spaniens. 

siguiente;  los  libros  que  el  dicho  Senor  tiene  en  la  Cämara  son 
estos;  un  libro  de  rezar,  cubierto  de  tapete  negro  con  una  guar- 
nicion  de  plata;  un  libro  de  Texto  primero  del  Regimiento  de 
los  Principos:  la  Crönica  del  Rey  Don  Fernando  el  Magno; 
otro  libro  del  Regimiento  de  los  Prineipes  en  romance,  6  el 
trato  del  Rey  Don  Ferrando;  otro  libro  que  fiso  el  Obispo  de 
Cuenca  del  tratado  de  Caso  fortuno;  otro  libro  del  Marmotreto; 
una  Brivia  escrita  en  latin;  unos  quadernos  de  pergamino  que 
comienzan  en  la  Crönica  del  Rey  Don  Enrique  III.;  un  libro 
escrito  en  latiu;  cuuierto  de  cuero  Colorado;  un  libro  de  con- 
sideratione:  otra  Crönica. 

Cf.  Säez,  Liciniano,  Demostracion  histörica  del  verdadero 
valor  de  todas  las  monedas  .  .  .  durante  el  reynado  del  Senor 
Don  Enrique  IIE.  etc.     Madrid  1796,  p.  374. 

Cargo  contra  el  Camarero  del  duque  de  B^xar  Sancho  de 
Perero  (1494).     In  demselben  Libros. 

(1)  Un  libro  grande,  enforrado  en  terciopelo  negro,  con 
SU  guarnicion  de  plata  dorada,  y  tejillos,  y  esmaltado  con  las 
armas  de  la  duquesa,  estoriado  de  letras  de  oro  y  figuras,  que 
se  llama  el  libro  de  las  fiestas,  el  quäl  estä  envuelto  en  un 
pedazo  de  sarga  amarilla.  (2)  Otro  libro,  enforrado  en  damasco 
morado,  con  su  guarnicion  de  plata  dorada,  que  era  horas  de 
rezar,  las  hojas  negras,  escrito  de  letras  de  plata  blancas.  (3)  Un 
libro  de  coberturas  de  cuero  morado,  escrito  en  pergamino,  que 
hizo  el  maestro  fray  Juan  Lopes,  de  clarisimo  sol  de  justicia, 
estoriado  6  iluminado  con  letras  de  oro,  6  figuras,  con  las  armas 
del  duque  y  duquesa.  (4)  Otro  libro  de  coberturas  de  cuero 
morado,  que  biso  el  dicho  maestro  Frey  Juan  Lopes^  estoriado 
con  las  armas  del  duque  y  duquesa,  y  su  guarnicion  de  plata, 
que  es  el  libro  de  la  casta  nina.  (5)  Otro  libro,  con  coberturas 
de  cuero  morado,  y  encima  un  lienzo  que  biso,  como  la  duquesa 
aparta  de  si  todos  los  instrumentos  y  placeres.  (6)  Otro  libro, 
flos  santorum,  con  sus  coberturas  blancas,  viejas.  (7)  Otro  libro, 
que  hiciöron  los  dos  sabios  Calila  ö  Dimna.  (8)  Otro  libro,  de 
coberturas  de  cuero  morado,  de  don  Izaguidili,  alfaqui  de  los 
moros  de  Segovia,  que  biso  contra  la  fö,  al  quäl  responde  frey 
Juan  Lopes.  (9)  Otro  libro  de  coberturas  moradas,  que  habla 
de  los  temores  y  miedos.  (10)  Otro  libro  de  coberturas  dati- 
ladas    que    habla    de    la    mesquinidad   de   la    codicia  humanal. 


I 


Bibl.  üebeniebt:  380  (PUaeneia).  89 

(11)  Otro  libro  de  cobertnras  moradas,  de  la  historia  del  apostol 
sant  Andres.  (12)  Otro  libro,  de  coberturas  moradas^  que  biso 
el  maestro  frey  Juan  Lopes,  el  quäl  es  segundo  libro  de  clari- 
simo  sol  de  justicia.  (13)  Otro  libro,  con  cobertnras  moradas 
en  que  comienzan  los  evangelios  moralizados,  que  biso  el  dicho 
maestro,  de  los  domingos  de  todo  el  ano.  (14)  Un  libro  de  la 
pasion,  estoriado,  con  letras  de  oro,  i  coberturas  moradas  que 
tiene  dos  tachones  de  plata.  (15)  Un  libro  de  horas,  de  cober- 
turas moradas,  con  su  guamicion  de  plata,  que  comienza:  Gare 
tristis  es  anima  mea  et  care  conturbas  me.  (16)  Un  libro  de 
pergamino  sin  coberturas,  que  es  confisionario  de  la  duquesa 
que  haya  gloria.  (17)  Otro  tratado,  fecho  por  Diego  de  Valera, 
contra  otro  que  fiso  frey  Juan  Serrano,  que  es  en  favor  de  los 
judios.  (18)  Nueve  qüademos  que  es  un  libro  de  la  disension 
de  los  pecados,  como  un  pecado  es  mayor  que  otro.  (19)  Otro 
libro  de  coberturas  moradas,  escrito  de  mano,  que  es  el  que 
biso  don  Caqui  Dilimost  de  los  moros  de  Segovia.  (20)  Un 
libro  pequeno,  de  coberturas  moradas,  con  dies  boUoncitos,  en 
que  estA  un  sermon  en  que  declara  que  significa  la  pasion,  y 
adelant  la  resurreccion.  (21)  Veinte  y  tres  cuademos  escritos 
de  mano  que  es  un  libro  de  los  sermones  de  todo  el  Adviento 
sobre  los  evangelios. 

Veröffentlicht  von  Liciniano  Säez,  Demostracion  histörica 
del  verdadero  valor  de  todas  las  monedas  que  corrian  en  Castilla 
durante  el  reynado  del  Sefior  Don  Enrique  IV.  Madrid  1805, 
p.  543  f.  Vgl.  auch  Clemencin,  Elogio  de  la  Reina  Dona  Isabel, 
1.  c,  p.  438  und  463. 

380«  f  Biblioteca  particular  del  Ohispo  D,  Pedro  Ponce 
de  Leon, 

A.  Handschriftlicher  Katalog. 

Der  Codex  Escorialensis  &,  II,  15,  von  Graux  schlechtweg 
,dossier  Ponce  de  Leon'  genannt,  bildet  eine  Sammlung  von 
Actenstücken,  welche  den  Büchernachlass  dieses  berühmten  (und 
auch  gefUrchteten!)  Sammlers  enthält;  der  werth vollste  Theil 
der  Bibliothek  —  Bücher  und  Handschriften  —  war  testa- 
mentarisch an  Phiüpp  H.  vermacht,  Ambrosio  Morales  zur  Ein- 
ziehung dieser  und  behufs  Ankaufs  weiterer  Werke  aus  dem 
Nacblass   nach  Plasencia  gesendet  worden.     Nebst  zahlreichen 


Bibl.  Uebttnicht:  381— S88  (PUaencift— Pöblet).  41 

Marcos  Burriel.  Colecciön  de  docnmentos  in^ditos  para  la  hi- 
storia  de  Espana^  tom.  XIII  [1848],  p.  297). 

Die  übrigen  Daten  über  diese  Bibliothek  sind  vortrefflich 
zusammengestellt  von 

Graüx,  Essai,  p.  54  ff. 

Pöblet. 

383«  f  Biblioteca  del  Monasterio  de  Santa  Maria, 

Ueber  den  älteren  Bestand  der  Bllosterbibliothek  besitzen 
wir  ein  werth volles,  zuerst  durch  Hartel-Loewe  zugänglich  ge- 
machtes Zeugniss  saec.  XII: 

In  nomine  domini  incipit  commemoracio  de  libros  populeti 
inprimis  (1)  historia.  (2)  Moralia.  (3.  4)  Duos  briviarios.  (5)  Pro- 
phetarum.  (6)  Collaciones  cassiani.  (7)  Rabanus.  (8)  Sermonarii. 
(9.  10)  Duos  antiphonarios.  (11)  Regula.  (12)  Psalterium  glosad. 
(13.  14)  Epistolas  duas  Epistolarii.  (16.  16)  Duos  textos.  (17)  Offi- 
ciarii.  (18.  19)  EL®'  collectaneos.  (20)  Expositio  cantica  canticorum. 
(21)  Dialogorum.  (22)  Consuetas.  (23)  Apochalipsin.^  (24.  25)  H«- 
Himnarios.  (26.  27)  II~  Pastorales.  (28)  Liber  de  sacramentis. 
(29.  30)  Missales  U^.  (31)  Epistolas  chanonicas.  (32)  Ser- 
monari.  (33 — 37)  Psalterios  V.  (38.  39)  Flores  Sentiarum 
(sie)  II^^  (40)  Flores  psalmorum.  (41)  Liber  salamonis.  (42)  Liber 
plurimorum  sanctorum.  (43)  Epistolas  diumi  I.  (44)  Epistolas 
Pauli  I. 

Aus  dem  ehemals  Salmantiner  (Colegio  mayor  de  Cuenca), 
jetzt  in  der  Privatbibliothek  Sr.  Majestät  des  Königs  aufbe- 
wahrten Codex  2.  B.  3  (VII.  E.  3)  veröffentlicht  von  Hartel- 
Loewe  p.  464. 

Auf  die  Schreibschule  zu  Pöblet  um  die  Wende  des  XIV. 
und  XV.  Jahrhunderts  bezieht  sich  die  von  Munoz  y  Rivero, 
Manual  de  paleografia,  Madrid  1880,  Lam.  1,  Nr.  14  (ohne 
Quellenangabe,  jedoch  nach  Merino)  reproducierte  Notiz:  Iste 
liber  fuit  scriptus  in  Monasterio  Populeti  anno  a  nativitate  do- 
mini MCCCC. 

Hauptzeuge  fUr  die  Bestände  der  Bibliothek  zu  Beginn 
dieses   Jahrhunderts   ist  wieder  Villanubva,   Viage,   tom.  XX, 


^  Dies  ist  wohl  die  (Beatus-)  Handschrift,  in  welcher  das  Verzeichniss  steht; 
sie  kam  später  in  das  Colegio  major  de  Cuenca. 


42  Xn.  Abbandlong:    Beer.  Handscbriftenschitse  Spuiieiis. 

p.  149 — 153.  Er  beschreibt:  (1)  Las  obras  de  Pindaro  en  griego, 
con  comentarios  en  el  mismo  idioma.^  (2)  La  Liturgia  de  San 
Juan  Crisöstomo,  toda  en  griego.  (3)  Un  vol.  fol.  ms.  del 
siglo  XrV  que  contiene:  S.  Basilii  Exameron,  S.  Angustini 
Retractationes  et  librum  de  Natura  et  gratia,  S.  Hilarii  Picta- 
viensis  de  Synodis,  Origenis  Periarchon  interprete  Ruffino,  y 
Pamphili  martiris  Apologia  pro  Origine.  (4)  Saec.  XIV:  S.  Am- 
brosii  de  Offieiis  libr.  lU  y  de  Morte  Satiri  fratris  sui.  (5)  Clau- 
diani  de  Raptu  Proserpinae  et  S.  Basilii  libellus  ad  Nepotes,  a 
Leonardo  Aretino  translatus.  (6)  Senecae  Epistolae,  con  todas 
sus  obras  en  italiano.  (7)  Las  mismas  traducidas  en  espanol  por 
Pedro  Diaz  de  Toledo,  de  örden  del  Rey  Don  Juan  11.  de 
Cadtilla  y  Leon.  (8)  Virgilii  et  Catulli  opera.  (9)  Las  Coplas 
de  Juan  de  Mena,  excelente  manuscrito  del  siglo  XV.  (10)  Poesias 
de  Don  Diego  de  Mendoza  y  Pedro  de  Villalva,  saec.  XVII. 
(11)  Julii  Frontini  opera.  (12)  Las  obras  de  Tito  Livio,  Floro, 
Sexto  Rufo.  (13)  Compendio  dell'  historie  Romane  ricavato  da 
diversi  autori,  anönimo  ms.  fol.  vit.  1420.  (14)  Facta  et  dicta 
memorabilia  Regis  Alphonsi  ab  Antonio  Panhormita  collecta. 
(15)  Vidas  de  los  Maestres  de  la  religion  de  San  Juan  de  Malta, 
anönimo.  (16)  La  Crönica  en  lemosin  de  Montaner  y  Desclot; 
al  fin  se  dice:  Aquest  libra  (sie)  sa  acaba  an  layn  que  hom 
conta  de  la  Nativitat  de  nostre  Senyor  ver  Dens  del  ayn  de 
MCCCLni  disapte  ä  XX  del  mes  de  juyol.  (17)  Crönica  de 
los  Rey  es  Catölicos  por  Nebrija,  traducida  al  espanol.  (18)  Sexti 
Julii  Frontini  Strategemata,  y  el  Valerio  De  rebus  memorabilibus. 
(19)  Crönica  del  Rey  Don  Enrique  IV.  de  Castilla  por  Diego 
Henriquez  de  Castillo.  (20)  Antiguedad  y  grandezas  de  la  villa 
de  Alcalä  de  Guadayra  por  Cristöbal  de  Monroy  y  Silva;  Genea- 
logia  de  los  Condes  de  Cardona,  escrito  en  1664  por  Bemardo 
Llobet.  (21)  Diego  Lopez  de  Ayala,  libro  de  linages.*  (22)  Com- 
mentarius  Scipionis  in  bello  Venetorum  et  Mediolanensium  Ducis, 
libri  IX,  per  Porcelium,  poetam  laureatum,  historicum  clarissimum 
et  divi  Alphonsi  Regis  secretarium,  compuesto  en  1452.  (23)  Pedro 
Trosillo,  Libellus  regiae  successionis   regnorum   Siciliae,  Hieru- 

^  Zweifellos  identisch  mit  dem  Pindarcodex  der  Bibliothek  des  D.  Bandilio 

Carreras  in  Barcelona. 
'  Schien  Villanueva  verschieden  von  dem  bekannten  Libro  de  linages  des 

Pedro  Lopez  de  Ajala. 


Bibl.  Ueboreicbi:  888  (Pöblet).  43 

salem  et  aliorum.  (24)  Aristoteles  De  mundo,  traducido  por 
Alonso  Cnriel.  (25)  Georg  Baibel,  Instmccion  de  ordenanzas 
de  la  guardia  alemana.  (26)  Genitura  del  Exmo.  sig.  D.  Joachime 
d' Aragon,  figlio  primogenito  del  Exmo.  sign.  Duca  di  Segorbe 
e  di  Cardona:  calcolata  dal  P.  Fr.  Blasio  Mano.  Cälculo  astro- 
nömico  de  aquel  momento.  (27)  Traetatus  septiformis  de  mo- 
ralitatibus  rerum,  anönimo.  (28)  Francisco  de  Eximeniz,  Doctrinal, 
en  lemosin.  (29)  Hilario  de  Rossi,  Opus  salis  arifici.  (30)  Au- 
gustini Niphi  de  Medicis,  de  Rege  et  tyranno.  (31)  Giudizio 
del  Cardinal  Colona  intorno  a  quel  che  scrisse  il  Card.  Ces. 
Baronio  della  monarchia  di  Sicilia:  coUa  riposta  del  Baronio. 
(32)  Missale  Romanum.  Scripsit  D.  Lucas  de  Carovineo:  vivat 
in  caelis  cum  Angelo  Michaelis  anno  1469.  (33)  Martyrologion 
Usuardi  fol.  max.  vit.  adomado  con  buenas  miniaturas;  ,Mar- 
tirologium  hoc  scriptum  anno  MCCLUll^  ac  postea  temporis 
iniuria  laesum  iussu  Illmi.  et  Rmi.  Principis  D.  D.  Francisci 
Cardinalis  a  Dietrichstain,  Episcopi  olim  integritati  restituit 
Adamus  Paulino  Wsky  episcopalis  latinae  cancellariae  amanuensis. 
Anno  salutis  CIOIOCXIH. 

Ausserdem  fand  Villanueva  eine  Reihe  von  Diarios  aus 
den  Zeiten  von  D.  Pedro  de  Toledo,  D.  Fadrique  de  Toledo 
und  des  Herzogs  von  Monteleon,  ferner  Geschichtswerke  über 
verschiedene  Conclave,  sowie  Biographien  von  Cardinälen:  end- 
lich Gesandtschaftsberichte,  durchwegs  BLandschriften,  saec.  XVI 

bis  xvn. 

Canal,  Espana  Sagrada,  tom.  XLEU  (1819),  p.  XIX  der 
Vorrede  berichtet  über  seine  im  Jahre  1817  unternommene 
Forschungsreise:  pasö  al  Monasterio  de  Pöblet  por  verle  j 
examinar  su  hermosa  Biblioteca,  conservada  en  la  Invasion 
francesa  como  milagro.  Mas  de  quatrocientos  Codices  se  halla- 
ban  en  ^sta.  Lo  mas  son  obras  de  Santos  Padres  j  Codices 
canönicos  de  mal  gusto  (?).  No  hallö  la  vida  de  Jaime  el  I. 
escrita  por  ^1  mismo,  pero  si  los  manuscritos  del  Dean  de  Vique 
Moncada,  que  son  Anales  eclesiästicos  de  Cataluna  y  el  Epi- 
scopologio  de  Vique. 

CoRMiNAs  (Suplemento  p.  298)  sah  1821  in  der  sogenannten 
Biblioteca  nueva  ein  ausgezeichnet  schön  geschriebenes  Martyro- 


^  Es  ist  aber  nach  Villanueva  eine  Copie,  saec.  XV. 


44  XII.  Abbandlnng:    Beer.  Handschriftensohiise  Spanieoe. 

logium :  ^  ^era  de  vitela  finisima  y  tenia  una  grande  Umina  ilumi- 
nada  para  cada  dia.  Creemos  que  se  estraviese/  Vgl.  auch  p.  351. 

ToRRES  Amat,  Memorias,  p.  318  über  eine  Handschrift: 
Jahne  de  Aragon^  Comentarios  de  sus  hazanas.  Am  Schluss: 
Aquest  Uibre  feu  escriurer  honrat  en  Pons  de  Copons  . . .  abad 
del  honrat  monastir  de  Sta.  Maria  de  Pöblet .  .  .  E  fou  escrit 
en  dit  Monesti  de  Pöblet  de  la  ma  de  Celesti  Destorres,  fe  fon 
acabat  en  lo  dia  de  S.  Lambert  ä  18.  dias  del  mes  de  sep- 
tembre  en  V  any  1343;  p.  378  s.  v.  Marquina,  Martin  wird 
dessen  Historia  del  monasterio  de  Pöblet  in  zwei  Bänden,  als 
Frucht  einer  im  Jahre  1552  von  ihm  vorgenommenen  Neuordnung 
des  Archives  Pöblet  erwähnt. 

Eguren,  p.  XLIX  u.  XCI. 

Valbntinblli,  p.  137 — 139  gibt  unter  vorzüglicher  Berück- 
sichtigung Villanueva's  einen  guten  Ueberblick  über  Geschichte 
und  Bestand  der  Sammlung  Poblet's. 

Das  schöne  Kloster,  der  Escorial  Aragoniens,  in  welchem 
die  Könige  des  Landes  ihre  Ruhestätte  fanden,  wurde  von 
Suchet  und  später  während  der  Bürgerkriege  vollkommen  ver- 
wtlstet,*  in  diesen  auch  die  herrliche  Bibliothek  zerstreut.  Einige 
Handschriften  kamen  auf  merkwürdigen  Umwegen  nach  Bar- 
celona in  Privatbesitz  (D.  BandiUo  Carreras,  Antonia  Sostres' 
und  Jaime  Cortada),  andere  nach  Tarragona;  doch  wurden  schon 
früher  BLandschriften  Poblet's  an  andere  Bibliotheken  abgegeben, 
wie  der  jetzige  Matritensis  Regius  mit  dem  oben  mitgetheilten 
Katalog,  der  dem  Colegio  mayor  zu  Salamanca  gehörte. 

388.  t  Biblioteca  interior  del  Monasterio  de  Santa  Maria. 

ViLLANUBVA,  der  diese  BibUoteca  interior  von  der  vorher- 
gehenden streng  scheidet,  berichtet,  tom.  XX,  p.  154  S.  über 
,obras  de  Santos  Padres,  que  aunque  son  preciosos,  ne  lo  parecen, 


*  Wohl  das  von  Villanueva  (33)  erwähnte. 

'  Vgl.  Ford,  Handbook,  p.  406. 

'  Vgl.  hierüber  Bofarull  y  Sans,  Apuntes  bibliogrificos  in  den  Conferenclas 
dadafi  en  el  Ateneo  Barcelona,  Barcelona  1890,  p.  534.  Bofarull  nimmt 
jedoch  an,  dass  nur  der  Einband  von  einem  Pobleter  Buche  stamme. 
Ein  triftiger  Grund  für  diese  Behauptung  Uegt  aber  nicht  vor. 


Bibl.  Uebcniicbt:  883— S86  (Pöblet  -  PortMeli).  46 

comparados  con  una  Biblia  del  siglo  XI,  j  acaso  anterior^  fol.  max. 
vit.  de  218  hojas^  Folgen  ausführliche  Beschreibung  und  Auszüge. 
EgureN;  p.  XLIX  u.  48  über  diese  Bibel,  wie  gewöhnUch 
ohne  Quellenangabe. 

Fontevedra. 

884.  Biblioteca  del  Instituto, 

BoRAo,  p.  83  nennt  als  Gründungsjahr  1849  und  die  Höhe 
der  Bestände  im  Jahre  1859  wie  folgt:  2306  impresos,  6  manu- 
scritos  y  83  folietos,  ohne  weitere  Details.   Das  Anuario  schweigt. 

386.  t  Biblioteca  particular  del  notario  Gomalo  Perez, 

Dieser  Rechtsgelehrte  hinterlässt  in  seinem  Testament  vom 
Jahre  1381:  Mandas  (1)  de  ,Degredo',  (2)  de  la  setima  Partida, 
(3)  del  Ordenamiento  de  Alcalä,  (4)  del  foro  de  Leon,  (5)  del 
,speculum*  de  ,belovacen8e',  (6)  del  ,speculum'  de  Durando, 
(7)  del  Inocencio  el  DI.,  (8)  j  del  archididcono  (?). 

Citirt  nach  VUla-Amil,  Los  Codices,  p.  20  f.,  der  als  Quelle 
Sarmiento's  Copie  des  im  Benedictinerkloster  Lerez  aufbewahrten 
Originals  nennt. 

Fortaoeli. 
386.  Biblioteca  de  la  Real  Cartuja. 

A.  Handschriftlicher  Katalog. 

ChvBRA,  Jüan  Bautista,  Anales  de  la  cartuja  de  Portaceli 
j  fundacion  de  todas  las  cartujas  de  la  santa  provincia  de  Cata- 
luna  (Manuscript  in  zwei  Bänden)  berichtet  nach  Villanueva 
über  einen  solchen  Katalog,  von  Pedro  Ferrer  im  Jahre  1424 
angelegt:  ,catdlogo  de  todos  los  libros  Msg.  que  habia  en  el  mona- 
sterio,  y  que  este  indice  existia  all!  en  1664,  y  que  el  nümero 
de  Codices  llegaba  ä  699^  Dieser  Katalog  fehlte  bereits  zur  Zeit 
Villanueva^s. 

Vgl.  Villanueva,  Viage,  tom.  IV,  p.  50.  Jimeno  Escritores 
de  Valencia  H,  p.  7  (lag  mir  nicht  vor)  und  Munoz,  Diccionario, 
p.  218. 

Dagegen  bietet  der  noch  heute  erhaltene  Gratianopolitanus 
Nr.  1132  (297)  olim  conventus  Maioris  Carthusiensis  eine  von 
demselben  Verfasser  (J.  Baptista  Civera,  17  mar90  1619)  her- 
rührende ,Breve  relacion  y  historia  de  la  fundacion  de  la  car- 
tuxa  de  nuestra  Senora  de  Portaceli  y  de  algunos  religiosos  in- 


46  XU*  Abhandlung:    Beer.  Handsebrifkenseb&txe  Spaniens. 

signe  Ben  Banctidad;  que  en  ella  florescieron'  (vgl.  Catalogae  gi- 
n^ral  des  manuscrits  etc.  Departements,  tom.  VII,  p.  331). 

Dieses  Manuscript,  welches  ich  während  der  Sommerferien 
1892  in  Grenoble  einzusehen  Gelegenheit  hatte,  liefert  auch  in- 
teressante Daten  über  die  in  Portaceli  aufbewahrten  Hand- 
schriften, insbesondere  über  ein  Diumale  des  heil.  Bonifacius 
Ferrer.  Vgl.  den  folgenden  Artikel  (Sacristia). 

B.  Druckwerke. 

ViLLANUEVA  a.  a.  O.  sagt  mit  Bezug  auf  den  erwähnten 
Bücherreichthum  des  Klosters  im  Mittelalter:  ,en  el  dia  apönas 
quedarän  unos  doce  de  ellos',  leider  ohne  Angaben  über  diese 
spärlichen  Ueberreste.  Sie  wurden  in  die  UniversitätsbibUothek 
Valencia  gebracht;  vgl.  diese. 

387.  Sacristia  de  la  Real  Cartuja, 

Die  wenigen  Handschriften,  welche  Villanüeva  als  in  dem 
Kloster  befindlich  beschreibt,  waren  als  Reliquien  in  der  Sacristei 
aufbewahrt  (vgl.  Viage,  tom.  IV,  p.  45s8.):  (1)  Tomito  de  20 
hojas  en  4®,  sermones  escritos  de  mano  de  Santo  Tomas  de  Villa- 
nüeva. (2)  Fragment©  de  una  carta  original  de  Santa  Teresa 
de  Jesus.  (3)  Otro  de  S.  Vincente  Ferrer  ä  su  hermano  D. 
Bonifacio.  (4)  Santo  Tomas  in  Ubrum  IV.  sentent.  Auf  den 
Deckeln  folgende  Notizen:  ,Iste  Über  est  Petri  Johannis,  qui 
emit  cum  a  Ven.  Raymundo  de  RupuU,  rectore  ecclesiae  de 
Oliva,  praetio  viginti  florinorum  de  Aragonia*  und  von  der  Hand 
des  heil.  Vicente  Ferrer:  ,Liber  iste  est  domini  Petri  Johannis, 
civis  Valentiae  et  est  commendatus  per  eundem  mihi  fratri  Vin- 
centio  Ferrarii^  Darauf  die  weitere  Note:  ,Item  post  haec  dictus 
venerandus  dominus  Petrus  Johannes  dedit  istum  librum  libe- 
raliter  domui  de  Portacoeli,  ordinis  cartusiae;  ...  Et  fuit  facta 
donatio  anno  Domini  1396,  circa  festum  S.  Joannis  Baptistae. 
Et  hoc  fuit  scriptum  hie  per  fratrem  Bonifacium  Ferrarii,  mo- 
nachum  dictae  domus  de  PortacoeU,  germanum  dicti  fratris  Vin- 
centii  Ferarrii,  ordinis  praedicatorum  u.  s.  w. 

388.  Archivo  de  la  Real  Cartuja, 

Die  handschriftlichen  Anales  Civeras  (vgl.  den  Artikel 
Portaceli  Biblioteca)  befindet  sich  nach  Jimeno  a.  a.  O.  im  Archiv 
der  Cartuja. 


BiVL  Uebenickt:  397-191  (P«rtac«U— Bif»ü>.  47 

Fosuelo. 

389.  Biblioteca  del  Monasierio  San  Salvador. 

Ansur  und  seine  Gattin  Elduara  schenken  im  Jahre  073 
diesem  Kloster  (1)  antifonario,  (2)  comnigo  ^sic)  et  iß)  regfula, 
(4)  manual. 

Vgl.  Indice  de  los  documentos  del  monasterio  de  Sahagun. 
Madrid  1874,  p.  159. 

Puig. 

390«  Biblioteca  del  Monasterio. 

Chabret,  Antonio,  Sagunto,  su  historia  y  sus  monumentos, 
Barcelona  1888  erwähnt  tom.  II,  p.  268  ein  Manuscript:  El  Archivo 
en  la  mano  und  bemerkt:  Se  guarda  en  el  moasterio  de  Puig. 

BipoU. 

891.  f  Biblioteca  del  Monasterio  de  Santa  Maria, 

Unter  den  zahlreichen  älteren  Zeugnissen  für  die  Bücher- 
bestände des  Klosters  vom  10.  Jahrhundert  ab  ist  leider  nur 
eines  vollständig  auf  uns  gekommen,  wenigstens  bis  jetzt  zu- 
gänglich geworden.  Doch  beweisen  auch  die  fragmentarischen 
Notizen,  welche  wir  hier  folgen  lassen,  den  ungewöhnlichen 
Reichthum  RipoU's  an  sehr  alten  Handschriften  der  verschie- 
densten Disciplinen  im  Mittelalter. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

1.  CatAlogo  de  los  Codices  manuscritos  que  oy  dia  existen 
en  la  biblioteca  del  real  monasterio  de  RipoU  en  el  principado 
de  Cataluna  saec.  XVIII. 

Ueber  diesen  im  Codex  der  Real  Academia  de  la  Historia 
Est.  27,  gr.  4»  E.  N.  122  enthaltenen  Katalog  vgl.  Ewald,  p.  389, 
(p.  338,  341).  2.  Katalog  vom  Jahre  1823.  Vgl.  Ewald,  p.  389. 
3.  Katalog  vom  Jahre  1835.  Vgl.  Ewald  ibid. 

B.  Druckwerke. 

Das  Inventar  der  Kirchengliter,  welches  am  30.  Juli  979 
nach  dem  Tode  des  Abtes  Vuindisclus  (Gindisclus,  Windisclus) 
für  Don  Miro,  Bischof  von  Gerona  und  Grafen  von  Besalü, 
gefertigt  wurde,  führt  nebst  Anderem  libri  numero  ß5  et  eo 
amplius  an. 


48  XII.  Abhaadlnng:    Beer.  HandscbriftenseUtM  Spaniens. 

Vgl.  Ewald,  p.  389,  Gottlieb,  Mittelalterliche  Biblio- 
theken p.  270. 

Das  nach  dem  Tode  des  Abtes  Oliva  (f  1046)  zusammen- 
gestellte Inventar  der  ,alajas  j  libros'  des  Klosters  enthält  die 
Bemerkung  ,et  sunt  libri  192^ 

Villanueva,  Viage,  tom  VIII,  p.  35.  Ewald,  p.  389.  Gott- 
lieb, 1.  c. 

Hie  est  brevis  librorum  Sanctae  Mariae. 

(1—3)  Bibliotecas  m  (4.  5)  MoraUs  H  (6.  7)  Gart.  H  (8.  9) 
Estival.  n  (10—13)  Pa^sionar.  IHI  (14.  15.)  CoUationes  H  (16.  17) 
Vitas  Patrum  H  (18—20)  Textus  Evangel.  in  (21—31)  Missal.  XI 
(32—35)  Lection.  HH  (36—48)  Ant.  XIH  (49.  50)  Prosarios  H 
(51—53)  Prophetarum  m  (54.  55)  Epistolas  Pauli  11  (56)  Ger- 
archia  (57)  Josephum  (58)  Bede  De  temporibus  (59)  Confessiones 
(60.  61)  Pastoral.  H  (62—64)  Summum  bonum  m  (65.  66)  Dia- 
logor.  n  (67.  68)  Exameron  H  (69)  Ethimologiarum  (70)  Liber 
de  Trinitate  (71)  Omeliarum  super  lezechielem  (72.  73)  XL  Ho- 
meliae  11  (74)  super  Matheum,  super  Lucam,  super  Johannem 
(75)  Claudium  (76. 77)  Liber  Bede  cum  Evangel.  II  (78)  Aimonis  I 
(79.  80)  Historia  Ecclesiastica  11  (81)  Tripartita  (82)  Canticum 
graduum  (83)  Prosperum  I  (84)  Prophetarum  grecum  collect.  I 
(85)  Liber  Sancti  Benedicti  (86)  Liber  de  natura  boni  (87) 
Doctrina  Xpiana  (88)  Gesta  Julü  (89.  90)  Amelarii  11  (91)  Ex- 
positum  regulae  (92)  Sententiarum  Gregorii  (93)  Registrum  Au- 
gustini (94)  Evipium  (95.  96)  Eptaticum  II  (97)  Regum  (98)  Ge- 
nera officiorum  (99. 100)  Augustinus  11  (101—103)  Martirolog.  HI 
(104)  Ortographia  (105)  Capitularem  K.^  (106—110)  Cannones  V 
(111—116)  GlosaÄ  VI  (117—119)  Liber  Judices  lU,  duo  vetu- 
Btissima  (120.  121)  DecadaH  (122)  Metodium  (123)  Topica  (124) 
Sententiarum  parvum  (152 — 128)  Medicine*  IUI  (129)  Plutargus 
(130—140)  Alios  XXI  (141.  142)  et  unum  Toletanum  et  alterum 
TripUcum  (143—152)  Ims  X  (153—159)  Orationarios  VH  (160. 
161)  Breviars  lectionum  11  (162)  Legem  romanam  (163)  qua- 
temiones  de  Boecii,  de  Juvenal,  de  Atanasio  (164 — 168)  Missal. 
Toletan  V  (169)  Liber  de  Horis   (170)  quatem.  de  computo  11 


*  E(aroli)   erg-änzt  Ewald  p.  389   und  vermuthet  richtig,   dass  der  heutige 

codex  Rivip.  40  (p.  386)  gemeint  sei. 
'  Medicinl  Villanueva. 


Bibl.  Uebenicht:    391  (SipoU).  49 

(171)alius  liber  de  computo.  Libri  artiam  (172 — 175)  Donatos  Uli 
(176.  177)  Priscianos  II  (178.  179)  PriscianeUos  H  (180.  181) 
VirgU  n  (182—184)  Sedal.  EU  (185.  186)  Constructs.  H,  una  cum 
Aratore  (187.  188)  Isagoges  H  (189)  Categorias  (190)  Peri- 
hiermenias  (191)  Macrobius  (192)  Boecius. 

Aus  einem  ehemals  mit  der  Nummer  40  bezeichneten, 
heute  wahrscheinlich  verlorenen  Codex  Rivipullensis  zum  ersten 
Male  unter  dem  Titel  Catalogus  librorum  qui  sec.  XII  exstabant 
in  monasterio  Rivipollensi  ^  herausgegeben  von  Villanueva,  Viage, 
tom.  Vin,  p.  216  f.;  aus  einer  Copie  des  Benedictus  Rivas  im 
Cod.  Est.  27  gr.  4»  E.  N.  122  der  Real  Academia  de  la  Historia 
zu  Madrid  auszugsweise  mitgetheilt  von  Ewald  p.  388.  Vgl. 
Gottlieb,  p.  270. 

Im  Jahre  1147  schrieb  ein  Mönch  von  Ripoll  die  Geschichte 
seines  Klosters.  Vgl.  Baluze,  Marcä  hisp.  Ap.  nüm.  404.  Esp. 
sagr.,  tom.  XLIII,  p.  130,  tom.  XL  VI,  p.  346. 

Im  Jahre  1173  schreibt  der  frater  A.  de  Monte  an  Abt 
und  Capitel  zu  Ripoll: 

Reverendis  patribus  et  dominis  suis  R^,*  Dei  gratia  Rivi- 
pullensi  electo,  B.,  maximo^  priori,  et  universo  eiusdem  ecclesie 
venerando  conventui,  frater  A.  de  Monte,  humilis  filius  atque 
vestre  societatis  devotissimus  servus,  salutem  et  plenitudinem 
debiti  famulatus.  Consistens  in  ecclesia  beati  Jacobi  apud  Com- 
postellam,  quem  propter  indulgentiam  peccatorum  meorum  visitare 
studueram,  et  nihilominus  ob  desiderium  visendi  loci  cunctis 
gentibus  venerandi,  vestre  beatitudinis  non  minus*  licentia  fultus, 
reperi  volumen  ibidem,  quinque  libros  continens,  de  miraculis 
apostoli  prehbati,  quibus  in  diversis  mundi  partibus,  tanquam 
mercatoribus  steUa,  divinitus  splendescit,^  et  de  scriptis  sancto- 
rum  patrum,  Augustini  videlicet,  Ambrosii,  Hieronymi,  Gregorii*^ 
Leonis,  Maximi,  Bede.'  Continebantur  in  eodem  volumine  scripta 
aliorum  quorumdam  sanctorum,  in  festivitatibus  predicti  apostoli 


^  XII  halte  ich  fUr  einen  Druckfehler  und  Ewald's  Angabe  (p.  389)  saec.  XI 
für  richtig;  ja  man  dürfte  nicht  fehlgehen,  wenn  man  diesen  Katalog  mit 
dem  1047  (vgl.  oben)  angelegten  identificirt,  da  die  Zahlenangabe:  et  sunt 
libri  192  übereinstimmt. 

'  R.  Bai.        'et  B.,  maiori  Bai.         ^  mirum  Bai. 

*  splendescente,  Bai.  als  Variante.         ®  Gregorii  om.  Bai. 

^  Maximi  et  Bede  Bai. 
SitzungBl)er.  d.  phU.-hist.  Gl.  CXXVm.  Bd.  18.  Abb.  4 


50  XII.  Abhandlung:    Beer.  Handschriftenscb&tze  Spaniens. 

et  ad  laadem  illius  per  totum  annum  legendum,^  cum  responsoriis, 
antiphonis,  prefacionibus  et  orationibus  ad  idem  pertinentibus 
quam  plurimis.  Considerans  igitur  paternitatem  vestram  circa 
beatum  apostolum  devotissimam,  memoriterque  retinens  quod, 
secundum  consimilem  devocionis  formam,  felicis  memoria  pre- 
decessores  vestri,  divini  amoris  intuitu,  simulque  apostolice 
venerationis  speculatione ,  sub  sepe  nominandi  apostoli  titulo 
infra  basilicam  Rivipullensem  altare  sacro  sanctum  erexera[n]t,* 
proposui  Volumen  predictum  transcribere,  desiderans  ampliori 
miraculorum  beati  Jacobi,  quibus  tamdiu  caruerat,  ubertate 
ecclesiam  nostram  ditari.  Verumtamen,  cum  copiam  sola^  vo- 
luntas  ministraret,*  sumptuum^  vero  penuria^  et  temporis  me 
coartaret  angustia,  de  quinque  libris  tres  transcriptos  atuli,' 
secundum  scilicet  et  tertium  et  quartum,  in  quibus  integre 
miracula  continentur;  atque  translatio  apostoli  ab  Hierosolimis 
ad  Yspanias,  et  qualiter  Karolu^  Magnus  domuerit  et  subiuga- 
verit  iugo  Christi  Yspanias.  De  primo  quidem  aliqua^  licet*  pauca 
de  dictis  Calixti  secundi  coUegi  in  presenti  volumine  conscripta. 
Quintus  Über  supradicti  voluminis  scribitur  de  diversis  ritibus 
et  varia  consuetudine  gentium;  de  itineribus  quibus  ad  Sanctum 
Yacobum  venitur  et  qualiter  omnia  fere  ad  Pontem  Regine  ter- 
minantur;  de  civitatibus,  castellis,  burgis,  montibus,  et  de  pravi- 
tate  simul  et  bonitate  aquarum,  piscium,  terrarum,  hominum 
et  ciborum,  et  de  sanctis  qui  sub  precipua  veneratione  coluntur 
per  viam  lacobitanam,  scilicet  de  sancto  Egidio,  sancto  Mariano^ 
et  ceteris.  Continentur  et  in  eodem  libro  quinto  situs  civitatis 
Compostellane,  et  nomina  circumfluentium  aquarum  et  numerus, 
neque  preterit  fontem  qui  dicitur  de  Paradiso.  Comprehendit 
etiam  sufficienter  ^^  formam  ecclesie  sancti  Jacobi,  et  institutionem 
canonicorum,  quantum  spectat  ad  distributionem  oblacionum, 
cum  numero  eorundem,  et  qualiter  sedis  metropolitane  dignitas 
auctoritate  Romanorum  pontificum  ab  Emerita  translata  sit  ad 
Compostellam,  propter  predicti  apostoli  favorem.  Ex  bis  Omni- 
bus excerpsi  que  in  presenti  volumine  fidelibus  oculis  beatitudo 
vestra   contueri   potest,   si   dignatur   presentibus.     Quid   autem 


^  legenda  Bai.        '  erexerat  cod.        '  solam  cod.        *  mitostraret  cod. 

*  sumptum  cod.        •  pecnnia  Bai.         '  attnli  Bai. 

"  primo  quolibet  pauca  Bai.         *  Martino  Bai.         ^^  sufficientem  Bai. 


BibL  üeberskkt:   391  (RipoU).  51 

legendum  sit  in  ec^lesia,  sive  in  refectorio,  de  suprascriptis 
Omnibus  ex  epistola  domini  Calixti  dive  memorie,  Romani 
pontificis,  nulli  fidelimn  contemnenda  prebetnr  auctoritas,  qui 
et  predietum  volumen  inter  auctenticos  Codices  in  ecclesia  legen- 
dum apostolici  cnlminis  sententia  sanccire  curavit,  venerando 
Innocentio,  ecclesie  Romane  summo  ^  pontifice,  supradictam  scrip- 
turam  postea  roborante.  Ceterum  quando  presentis  voluminis 
transcriptio  facta  fuit,  MCLXXIII  ab  incarnatione  Domini  nu- 
merabatur  annus. 

Dieser  für  das  Handschriftenwesen  des  Mittelalters  wichtige 
Brief  existirt  heute  noch  im  Original,  und  zwar  als  Schluss  des 
Cod.  Ripoll  Nr.  99  im  Archive  de  la  Corona  de  Aragon,  und 
wurde  von  mir  copirt;  erst  später  gelangte  mir  der  Abdruck 
Delisle's  in  Le  Cabinet  historique  XXIV  (1878),  p.  Iflf.,  Note  sur 
le  Recueil  intitulö  De  miraculis  sancti  Jacobi  nach  einer  Copie 
Baluze's  (Bai.)  zur  Renntniss. 

Villanueva,  der  zu  Beginn  dieses  Jahrhunderts  Ripoll  be- 
suchte, fand  dreihundert  Handschriften  vor  (cf.  Viage,  tom.  VI, 
p.  191  und  Vni,  p.  35 — 60),  von  denen  heute  noch  240  im  Ar- 
chive de  la  Corona  de  Aragon  zu  Barcelona  aufbewahrt  werden. 
Wir  verweisen  bezüglich  der  weiteren  Schicksale  der  Sammlung 
auf  diese  Rubrik.  Ueber  die  ältere  Geschichte  und  die  Bestände 
der  Bibliothek  handeln  ausser  Villanueva  (vgl.  auch  Viage,  tom. 
XVHI,  p.  246  f.,  Chronicon  Rivipullense)  noch 

ToRRES  Amat,  Memorias,  der  p.  337  s.  v.  Juan,  Monje  de 
Ripoll  erwähnt:  Coleccion  de  cänones  decretales  por  örden  del 
Conde  Borrell  en  958  mit  dem  Beisatz:  Existe  este  codice  en  la 
iglesia  de  Anicien.  A  la  fin  hay  estas  palabras:  Anno  Incarn. 
Dominicae  958  indict.  prima  2  cal.  Octobris  .  .  .  Ego  Joannes 
monachus  atque  Diaconus  transscripsi . . .  Vgl.  auch  p.  715. 

CoRMiNAs,  Suplemento  p.  297  (siehe  auch  den  Artikel  01- 
zinellas),  p.  318  (ms.  del  siglo  XI,  ,qualiter  corpus  beati  Stepliani 
Iherosolimis  Constantinopolim  sit  translatum  XVIU  ianuarii', 
obra  de  Arnallo  scolastico). 

Egüren,  p.  XXXIV  und  LI  f.,  endlich 

Valentineli,  p.  164  f.     Carini,  p.  49. 

RiANO,  Early  spanish  music,   p.  7  (Latin  poem  by  Oliva). 


*  sumo  cod. 

4» 


52  XII.  Abhandlung:    Beer.  HondschriftenschÄtze  Spaniens. 

Roda  (Aragon). 

893«  Biblioteca  de  la  Iglesia  d^  San  Vicente. 

A.  Druckwerke. 

In  der  Consecratio  ecclesiae  Rotensis  vom  Jahre  957  findet 
sich  folgender  Passus :  Donamus  in  ornaraentis  Ecclesiae  .  . .  tres 
libros  (1)  Missale  (2)  Lectiorario  (sie)  atque  (3)  Antiphonario. 

Canal,  Espafia  Sagrada,  tom.  XLVI,  Apend.  III,  p.  230. 
(Aus  dem  Archiv  der  Kirche.). 

ViLLANUEVA,  Viagc,  tom.  X,  p.  13  berichtet  als  der  Erste 
von  dem  cödice  santoral  6  leccionario  fol.  vit.  ms.  en  caracter 
götico  cursivo  lo  mas  tarde  d  principios  del  siglo  XI,  que  solo 
contiene  sermones  en  las  fiestas  de  nuestra  Senora.  Nach  dieser 
und  zwei  anderen  Handschriften  ist  der  Sermo  sancti  Justi, 
Urgellensis  episcopi,  in  natale  sancti  Vincentii  martyris  ibid. 
p.  216—221  abgedruckt. 

Sainz  y  Baranda,  Espafia  Sagrada,  tom.  XLVII  (1850), 
p.  223  flf.  über  die  Geschichte  der  Kirche  p.  225  die  Bemerkung 
jSabemos  que  esta  Iglesia  poseia  mss.  muy  preciosos;  pero  igno- 
ramos  si  todavia  se  conservan.^  Im  Apend.  LV  dieses  Bandes 
gibt  Sainz  den  Aufsatz  von 

Abad  y  Lasierra,  Manuel,  Descripcion  del  Sacramentario 
de  Roda,  eine  sehr  schwache  Arbeit. 

B.  Schriftprobe. 

Eine  solche,  in  Farben  ausgefilhrt,  bietet  der  oben  ge- 
nannte Band  der  Espafia  Sagrada  (p.  228)  von  dem  Sacramentar. 

Roda  (Prov.  de  Barcelona). 

393.  Archivo  del  MoncLsterio  San  Pedro. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

Nachweise  über  solche  bei  Ewald,  Reise,  p.  338  und  441 
(Varios  bibliogräficos  der  Nationalbibliothek). 

B.  Druckwerke. 

ViLLANüEVA  erwähnt  Viage,  tom.  XV,  p.  124  (1)  ein  Cartoral 
mayor  saec.  XII  und  (3.  4)  zwei  andere  Exemplare  saec.  XII  und 
XIII;  p.  156  ein  Colectario  (5)  saec.  XIU.  P.  167 — 178  werden 


Bibl.  Uebenicbt:   392— S9S  (Roda).  53 

folgende  Handschriften  beschrieben;  (6)  Summa  dictaminis  ma- 
gistri  Guidonis.  Eiusdem  De  privilegiis  Sedis  Apostolicae.  —  De 
Distinctionibus  seu  descriptionibus  omnium  vitiorum  et  virtutum, 
Alles  in  einem  Bande  saec.  XIV  fin.  (7)  S.  Isidori  Hispalensis 
Expositio  in  Pentateuchum  u.  s.  w.  vgl.  weiter  unten  Heiners  Be- 
schreibung. (8)  Arator,  Historia  Apostölica.  (9)  Fragmentes 
abundantes  de  las  epistolas  de  Horacio  saec.  XII.  (10)  Otros 
Fragmentes  de  Homero.  (11)  Breve  comentario  incögnito  de 
algunas  comedias  de  Terencio  ms.  saec.  XIII.  (12)  Antonii  Pan- 
hormitae  in  Alphonsi  Regis  Aragonum  dicta  ac  facta  memoratu 
digna.  AI  fin  la  oracion  del  Key  Alfonso  in  expeditionem  contra 
Theueros  ms.  saec.  XV.  (13)  Augustinus  in  Evangelium  secun- 
dum  Johann em.  Eiusdem  Explanatio  Beati  Augustini  Episcopi 
in  epistolam  Johannis  Apostoli  de  caritate  Dei  et  proximi.  Eius- 
dem Cur  Deus  homo.  Eiusdem  de  casu  diaboli  et  de  veritate 
et  de  libero  arbitrio.  (14)  Donatus  (?)  De  Grammatica  saec.  XI. 
(15)  Laurentius  de  Aquilegia,  Practica  sive  usus  dictaminis 
saec.  XrV.  (16)  Cassianus,  collationes  saec.  XI.  (17)  Isidorus 
de  summo  bono,  Augustini  soliloquia;  ferner:  Liber  alit  garit  de 
viciis  et  virtutibus.  (18)  Leccionario  saec.  XI.  (19)  Santoral 
saec.  XIV.  (20)  Leccionario  de  tempore  saec.  XII.  (21)  Cere- 
monial  de  Obispos  saec.  XI.  (22.  23)  Dos  breviarios  Derdenses 
saec.  XIV.  (24)  Epistolario  de  todo  el  ano  saec.  XIV.  (25)  CoUec- 
tario  saec.  XV.  (26)  Breviario  vom  Jahre  1138.  (27)  Consueta 
Ilerdense  saec.  XIV.  (28)  Gerönimo  de  Santa  F^,  Disputa  con 
los  ludios  de  Tortosa.  1412.  Copien  und  Auszüge  aus  diesen 
Handschriften  in  den  Apendices  LV — LXI. 

Heine  fand  noch  (vgl.  Serapeum  VIH  [1874],  p.  94  f.)  ausser 
jVerschiedenen  werthvollen  Breviarien^  1.  Isidori  Expositio  in 
Pentateuchum,  Jos.  Judic.  Regg.  Esd.  Maccab.^  Eiusdem  versus 
titulorum  bibUothecae.  Eiusdem  in  parab.  Salam.  Danach  Ex- 
cerpta  S.  Gregorii,  Commentarii  in  Ecclesiast.,  Sapient.  und  Gant, 
cant.  Danach  ein  neuer  Commentar  über  das  Hohelied  (Frag- 
ment) als  Werk  des  Gregorius  Magnus  gegeben,  aber  verschieden 
von  dem  diesem  gewöhnUch  zugeschriebenen,  und  derselbe,  der 
sich  in  einem  Codex  der  Kathedrale  in  Barcelona  befindet. 
Danach  zwei  Briefe  des  Justus  Urgelitanus  mit  seinem  Com- 
mentar in  das  Hohelied;  und  verschiedene  kleinere  Tractate 
von  Augustinus  u.  a.,  cod.  membr.  saec.  X,  und  fand  noch  2.  Hi- 


54  XII.  Abb&ndlnng:    Beer.  Handschriftenscbitze  Spamens. 

storia  apostolica  auctore  Aratore  Romano  Subdiacono  libr.  2  mbr. 
saec.  XI  (=  Villanueva  Nr.  8).  3.  Augustinus  in  Evangelium  et 
litteras  Joannis  Apostoli.  Additur  Tractatus  de  casu  diaboli 
et  de  veritate  et  de  libero  arbitrio  (=  Villanueva  Nr.  13) 

Vgl.  noch  Egubbn,  p.  LXXVII  und  96  (Cödice  de  Cronicones 
saec.  IX)  und  Valbntinblli,  p.  172  (nach  Villanueva). 

Bosas  (Prov.  de  Huesca). 

894.  t  Biblioteca  del  Monasterio  de  S,  Pedro, 

Villanueva,  Viage,  tom.  XV,  p.  38  sagt:  De  la  biblioteca 
tan  celebrada  nada  ha  quedado.  Hay  aqui  una  tradicion  vaga 
de  que  un  general  Frances,  Uamado  Noailles,  trasportö  . . .  varios 
Codices  ä  Paris,  entre  ellos  una  preciosa  Biblia. 

Valentinblli,  p.  173  nach  Villanueva. 

396.  Archivo  del  Monasterio  de  San  Pedro. 

Villanueva,  Viage,  tom.  XV,  p.  38  erwähnt  zwei  Cartorale 
saec.  Xn  und  XIII,  die  Documente  von  der  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts ab  enthalten.  Ausserdem  ein  ,cartel'  saec.  XV,  welches 
ein  Verzeichniss  der  in  dem  Kloster  aufbewahrten  Reliquien 
enthält.    Vgl.  Ap.  VIII  (p.  229,  19). 

Ford,  Handbook,  p.  439  f.  nur  über  die  Lage  und  Ge- 
schichte des  Klosters. 

Sas^unto  (Muryiedo). 

896.  t  Biblioteca  particular  del  Judio  Jaffuda  Cofe. 

In  der:  Indemnisaciön  que  pidio  el  judio  JaflFuda  Cofe  de 
los  objetos  robados  por  los  de  la  Union  en  la  villa  de  Murviedo 
vom  30.  Januar  1348  fordert  der  Geschädigte  Ersatz  flir  Libres 
que  Valien  CCC  sous  (gehört  zu  den  höchsten  Ansätzen  des 
Verzeichnisses)  und  aus  dem  Besitz  de  mon  germa  (hermano) 
Mainio  Cofe  Libres  LX  sous. 

Aus  dem  LUbre  de  certificacions  im  Archivo  municipal  zu 
Valencia  herausgegeben  von  Antonio  Chabret,  Sagunto,  su  hi- 
storia  y  sus  monumentos.  Barcelona  1888,  Vol.  II,  p.  422  flF. 
Die  ausgehobenen  Stellen  p.  427  und  428. 


I 


Bibl.  Ueborsicbt:  394—397  (Roda  — Sahafun).  65 

Sahafi^on. 

897.  Biblioteca  del  Monasterio. 

,Hermenegildus  confesor  cum  omnibus  fratribus'  schenkt 
dem  Kloster  Sahagun  922  Libros  Ecclesiasticos,  id  sunt  (1)  anti- 
fonarium  (2)  comicum  (3.  4)  manuale  in  duobus  corporibus  di- 
visum  (5)  salterio  cum  canticis  et  imnis  (6)  ordinum.  (7)  libellus 
alius^  de  cotidiano  officio  cum  lectionibus  vel  missas,  (8)  orarum 
(9)  sententiarum  (10)  precum. 

Facta  hac  scriptura  a  nobis  et  roborata  simul  et  testibus  ad 
roborandum  tradimus.  Sub  die  lU  ides  magias,  Era  DCCCCLX'. 

Nach  dem  Original  des  Klosterarchivs  veröflFentlicht  von 
J.  Perez-Escalona,  Historia . .  de  Sahagun  p.  383  f.  (Apend.  HI, 
Escr.  11),  Yepes,  Coronica,  tom.  V,  escr.  9,  fol.  435  und  Indice 
de  los  Documentos  del  Monasterio  de  Sahagun,  Madrid  1874, 
p.  111;  cf.  Tailhan,  p.  319. 

Salud,  presbitero  ,cognomento  Meliki'  schenkt  959  dem 
Kloster  Sahagun  die  Kirche  San  Salvador  ,quod  modo  nuncupant 
Sanctorum  Justi  et  Pastoris  secus  rivulo  Forma  territorio  legio- 
nense^  und  ferner  de  misteria  ecclesiastica  libros  (1.2)  comattos* 
duos  (3.  4)  duos  manuales  (5.  6.  7)  antiphonales  tres^  (8.  9)  Ora- 
tiones  festivos  11  et  (10)  tertium  Psalmorum*  (11)  orarum  et 
precum  in  una  forma  et  (12)  alium  orarum  in  una  forma 
(13)  Passionum  I  (14)  Psalterium  I  (15)  Canticorum  &  imnorum 
in  una  forma. 

Perez-Escalona,  Ap.  II,  p.  405,  welcher  das  Document  in 
das  Jahr  960  setzt.  Indice  p.  141;  der  Schluss  des  Inventars 
in  diesem  Abdruck  gekürzt. 

Im  Jahre  1347  schenkt  König  Alfons  dem  Kloster  ein 
Exemplar  des  von  ihm  promulgirten  Cödigo,  welches  sich  noch 
zu  Escalonas  Zeit  wohl  erhalten  im  Archiv  vorfand  (vgl.  Perez- 
Escalona  p.  172). 

MoRALES,  Viage,  p.  38,  sah  und  beschrieb:  (1)  Concilios 
de  letra  Gothica,  enquadernados  en  envesado,  y  no  tiene  fin. 
Dice  en  la  cifra  ordinaria  Superi  Abbatis  Über . . .  parece  ser 

*  libellis  aliis  der  Abdruck  des  Indice. 

*  Perez-Escalona  comunes. 
'  II  bei  Perez-Escalona. 

*  Psalmo  grauü  (sie)  Perez-Escalona. 


56  XU.  Ablumdlang :    Beer.  Handscbriftenscb&tze  Spftniens. 

mas  antiguo  aün  qne  el  de  Carrion.  (2)  Augustini  De  civitate 
Dei,  letra  Gothica  y  pergamino  muy  grande.  (3)  Liber  Senten- 
tiarum  Beati  Isidori,  en  pergamino,  letra  comun,  mas  muy  an- 
tigua  en  tablas  coloradas,  y  pliego  pequeno.  (4)  Petrus  Lom- 
bardus  in  Psalterium,  pergamino  grande,  tablas  envesado:  al 
cabo  se  dice  como  se  escribiö  el  ano  ICLXXVII  para  el  Abad 
Guterio.  (5)  Las  obras  de  Santo  Augustin  en  siete  Tomos  de 
pergamino  grande:  tambien  se  dice  alli  como  se  escribieron  para 
el  Abad  Guterio,  y  asi  son  del  mismo  tiempo  que  el  pasado. 
(6)  Biblia  en  Hebreo.  (7)  Santorale  en  pergamino,  letra  antigua. 
(8)  Liber  Scintillarum  Alvari  Cordubensis,  collectus  de  Sententiis 
Sanctorum  Patrum.  V.  Kalendas  Octobris.  Era  MCCXHI.^  Aus- 
geliehen waren  zur  Zeit  Morales'  verschiedene  Handschriften, 
darunter  eine  Concilienhandschrift  (2.  Exemplar)  und  algunos 
libros  de  S.  Isidoro  de  letra  Gothica. 

Die  späteren  Nachrichten  über  Sahagun's  Bibliothek  lauten 
spärlich.  Die  Nekrologien  (Kaiendarien)  und  Bezerros  wurden 
von  Joseph  Perez  und  Escalona  benützt  (vgl.  deren  Historia, 
p.  IV — VI  und  über  Perez,  Munoz,  Diccionario,  s.  v.  Sahagun). 
Florez,  Espana  Sagrada,  VI  (1751),  p.  48  bespricht  ein  von 
Carranza  herangezogenes  Manuscrito  Göthico  mal  conservado 
mit  den  Toletaner  Concilien.  Die  Notizen  über  die  älteren 
Bestände  sind  theilweise  behandelt  von  Eguren,  p.  LXXXIX 
und  82,  von  Tailhan,  p.  319  und  322.  Aus  dem  Becerro  11  von 
Sahagun  saec.  XIII  wurde  die  Renta  del  Portazgo  de  Sahagun 
abgedruckt,  Revista  de  Archivos  I,  268 — 270.  Ein  Missale 
saec.  XI  aus  Sahagun  ist  heute  unter  den  Toledaner  Hand- 
schriften mit  der  Signatur  35,  14  der  Biblioteca  Nacional  zu 
Madrid  einverleibt  (vgl.  Hartel-Loewe,  p.  298).  Die  Ueberreste 
des  Archivs  kamen  bekanntlich  in  das  Archive  histörico  nacional 
zu  Madrid  (vgl.  diesen  Artikel). 

Salamanca. 

898,  Biblioteca  Universitaria, 

Von  Alfonso  el  Sabio  1254  gegründet,  gilt  die  Bücher- 
sammlung der  Salmantiner  Hochschule  als  die  älteste  Uuiversitäts- 


^  Ueber    diese  Handschrift  auch   in  der  Coronica  Lib.  XIV,  cap.  in   und 
Rodriguez  de  Castro,  Bibl.  £sp.  II,  p.  448. 


Bibl.  Uebersicht:    398  (Sahagun  —  Salümanca).  57 

bibliothek  Spaniens.^  Die  bedeutendste  Bereicherung  vor  1500 
erhielt  die  Sammlung  durch  das  Legat  des  berühmten  Doctors 
dieser  Universität,  des  Canonicus  von  Toledo  D.  Alonso  Ortiz, 
welcher  1497  gegen  600  Bände  mit  Werken  griechischer  und 
lateinischer  Schriftsteller  schenkte.  Leider  sind  wir  über  das 
numerische  Verhältniss  der  Druckwerke  und  Handschriften  in 
dieser  Schenkung  nicht  genügend  unterrichtet.*  Ueber  die 
späteren  Bereicherungen  und  die  Geschichte  der  Sammlungen 
vgl.  die  unten  angeführten  Quellen. 

A.  Handschriftlicher  Katalog. 

Memoria  de  los  libros  que  en  su  biblioteca  tiene  la  Uni- 

versidad  de  Salamanca.     Gegen  1750  verfasst. 

Handschrift  4 — 6 — 2  der  Bibliothek;  vgl.  Graux,  Rapport 

p.  127. 

B.  Druckwerke. 

Ortiz  de  LA  Pena,  Bibliotheca  Salmantina  seu  Index  libro- 
rum  omnium,  qui  in  publica  Salmaticensis  academiae  bibliotheca 
asservantur.  Ex  decreto  Universitatis  editum  Salmanticae  1777, 
3  vol.,  4^. 

Das  Werk  stand  mir  nicht  zur  Verfügung.  Ueber  den 
Werth  desselben  vgl.  Valentinelli  p.  60  und  Graux,  Rapport 
p.  128. 

PoNz,  Viage,  tom.  XH,  p.  185. 

Alfonso  EL  Sabio,  Las  siete  partidas  .  .  .  por  la  Real  Aca- 
demia  de  la  Historia.    Madrid  1807,  4^,  pröl.  p.  IX. 

La  Borde,  Voyage  H,  p.  264;  V,  p.  149. 

FuERO  JuzGO  en  Latin  y  Castellano  .  .  .  por  la  Real  Acä- 
demia  Espanola.    Madrid   1815,  fol.,  pröl.  III. 

Haenel,  Catalogi  col.  976.  Kurzer  Abriss  der  Geschichte 
der  Universitäts-Bibliothek  und  der  Colegios  mayores. 

Vogel,  p.  480  (Artix  Druckfehler  für  Ortiz). 


*  Vgl.  Borao  p.  83.  —  Anuario  del  cuerpo  facultativo  I,  p.  208. 

*  Vgl.  La  Fuente,  Vicente  y  Urbina,  Juan  CatAlogo  p.  5.  Vidal,  Memoria 
p.  55,  insbesondere  Granx,  Kapport  p.  127.  Die  Schenkungsurkunde  Ortiz* 
dürfte  sich  vielleicht  noch  in  Salamanca  finden,  da  auch  seine  Aufzeich- 
nungen und  Papiere  in  den  Besitz  der  Universitätsbibliothek  übergingen. 
Vgl.  Anuario  II,  p.  150. 


58  ^U.  Abhandlung:    Beer.  Haadscbriftensch&tze  Sp»niens. 

(La  Fübnte,  Vicentb  y  Urbina,  Josä),  Catälogo  de  los 
libros  manuscritos  que  se  conservan  en  la  biblioteca  de  la  Uni- 
versidad  de  Salamanca,  formado  j  publicado  de  Orden  del 
Senor  rector  de  la  misma.     Salamanca  1855.  75  p.  8^ 

Ein  Exemplar  dieses  seltenen,  seit  Jahren  vergriffenen 
Werkchens  wurde  von  mir  1890  in  Paris  benützt.  Zunächst 
berührt  die  Vorrede  (p.  5)  die  eingangs  erwähnte  Schenkung; 
viele  Bücher  waren  von  Ortiz  im  Ausland  gekauft  und  mit 
seinen  Bemerkungen  versehen  worden.  Ausser  diesen  Manu- 
scripten  finden  sich  a.  a.  O.  noch  die  Codices  autögrafos  del 
conciUo  de  Basilea  erwähnt  (vgl.  weiter  unten).  Dann  folgen 
weitere  Notizen  über  die  Geschichte  der  Bibliothek,  die  auch 
in  anderen  Quellen  zu  finden.  Unter  den  Handschriften  nimmt 
nach  Ansicht  der  Verfasser  den  ersten  Rang  ein  la  preciosa 
traduccion  de  las  obras  de  Seneca;  p.  8  heisst  es:  El  nümero 
de  volümenes  que  hoy  en  dia  existen  es  de  1406.  —  Der  eigent- 
liche Katalog  beginnt  p.  9.  Wir  finden  unter  Anderem:  (1) 
Aristophanes  (Plutus,  Nubes,  Ranae).  (2)  Cicero  de  amicitia, 
Paradoxa,  De  finibus  bonorum,  Rhetorica.  (3)  Demosthenes 
orationes.  (4)  Aesopus,  obras  en  griego.  (5)  Euripides,  tra- 
goediae.  (6)  Floro  de  letra  antigua.  (7)  Martialis  saec.  XV. 
(8)  Oppianus  Halieuticon  et  Cynegeticon.  (9)  Ovid,  Metamor- 
phoseon Ubri.  (10)  Persius,  Juvenalis  und  PubUus  Victor  in 
einem  Bande;  aus  dem  Besitz  des  Ortiz.  (11)  Plutarchi  moralia: 
algunas  de  las  hojas  parecen  palimpsestos.^  (12)  Pollux,  Ono- 
masticon.  (13)  Julii  Pomponii  Grammatica.  (14)  Prisciani  Ars. 
(15)  Procopius  Sophista,  Commentaria  in  Genesim,  Exodum  et 
Jeremiam  graece.  (16)  Propertius,  Elegiae.  (17)  Prosper  Aqui- 
tanus,  Carmina.  (18)  Quintilianus,  De  institutione  oratoria.  (19j 
Theocritus,  Scholia  in  idylla.  (20)  Terentius,  Comoediae  Andria 
et  Eunuchus  foL,  vitela  fina,  con  notas  de  Alfonso  de  Palencia, 
quien  dice  en  una  de  las  cubiertas  que  lo  comprö  en  Valencia 
por  19  florines  de  Aragon.  (21)  Thucydides,  Historia  beUi 
Peloponnesiaci,  3  Exemplare.  (22)  Isocrates,  Orationes  (unter 
Y,  p.  72). 

EouREN,  p.  45  beschreibt  eine  Bibel  dieser  Sammlung, 
vitela,  folio. 


*  Vgl.  Graux,  Rapport  p.  128. 


Bibl.  Uebersicbt:  898  (Salamanca).  59 

Vatentinelli,  p.  69 — 61  gibt  einen  kurzen  Abriss  der  Ge- 
schichte der  Bibliothek  und  Zusammenstellung  sonstiger  dankens- 
werther  Notizen.  Die  copia  coeva,  documentata  del  Concilio 
de  Basilea,  trascritta  in  duo  volumi  membranacei  dal  notayo 
del  Concilio  (1431 — 1446)  ad  instanza  e  spese  dell'  Universitä 
ist  offenbar  eine  beglaubigte  Abschrift  des  Originalwerkes  von 
Juan  de  Segovia.^ 

BoRAo  ftlgt  p.  83  f.  einem  kurzen  historischen  üeberblick 
den  Index  der  werthvollsten  Handschriften  bei,  auf  den  wir 
noch  zurückkommen. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  de  la  literatura  Espanola, 
tom.  IV,  p.  169  über  einen  Salmantinus  mit  dem  ,Libro'  des 
Juan  Ruiz,  Archipreste  de  Hita.  Tom.  VI,  p.  266  über  den 
cödice  de  la  Biblioteca  de  la  Universidad  de  Salamanca,  MS. 
de  gran  lujo,  en  vitela,  de  mediados  del  siglo  XV,  mit  dem 
Libro  de  las  virtuosas  i  ciaras  mugeres  des  D.  Alvaro  de  Luna. 

Vidal  y  Diaz,  Alejandro.  Memoria  histörica  de  la  Uni- 
versidad de  Salamanca.    Salamanca  1869,  4®. 

Graux,  Rapport  p.  126 — 129  gibt  eine  vortreffliche  Ueber- 
sicht  über  die  Quellen  fllr  Geschichte  und  Fonds  der  Samm- 
lung, welche  nach  seinen  Constatirungen  43  griethische  Hand- 
schriften zählt.  Nur  eine  derselben,  Nr.  1 — 2 — 25  Plutarchus 
moralia,  wird  genauer  beschrieben. 

VisriA  regia  ä  la  Biblioteca  y  al  Archiv©  de  la  Universidad 
de  Salamanca,  Revista  de  Archivos  VH,  277  ff. 

Verzeichniss  der  Cimelien  (nahezu  ausschliesslich  Hand- 
schriften), welche  Don  Alfonso  XH  bei  einem  Besuche  gezeigt 
wurden. 

Ewald,  p.  372  f.  beschreibt  nach  kurzer  orientirender  Ein- 
leitung sieben  Handschriften. 

Anuario  del  cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I,  p.  206 — 
212;  n,  p.  134—155. 

Bis  jetzt  die  beste  Quelle  über  Genesis,  Bestände,  An- 
ordnung und  Verwaltung   der  Bibliothek.     Für  uns  besonders 

^  Vgl.  Monumenta  conciliorum  generalium  seculi  decimi  quinti  tom.  II. 
Vindobonae  1873,  enthaltend  Joannis  de  Segovia  presbyteri  cardinalis 
Tit.  Sancti  Calixti  Historia  gestorum  generalis  synodi  Basiliensis  ed. 
ErnestuB  Birk. 


60  XU.  Abhandlung:    Beer.  Handschriftensch&tze  Spaniens. 

interessant  ist  die  Zusammenstellung  der  Dotationen  (I,  p.  208 ff.), 
sowie  der  Apöndices :  Manuscritos  (11,  p.  149).  Die  Zahl  dieser 
wird  I,  p.  445  auf  866  angegeben.  Doch  sind  hier  wohl  nur 
die  Werke  gemeint  und  La  Fuente's  Angabe  der  Bände  gewiss 
authentisch. 

MartInez  Anibarro  y  RivES,  Inten to  de  un  diccionario  .  .  . 
de  Burgos,  p.  114  über  eine  Handschrift  der  Universitätsbiblio- 
thek, enthaltend  Cartagenas  Uebersetzung  von  Seneca's  Werken : 
jtiene  150  pdginas,  es  en  fol.,  escrito  en  el  siglo  XV  con  bellas 
miniaturas  y  capitales  y  orlas  policromas.' 

In  Loewe's  Nachlass  fand  sich  noch  ein  kurzgehaltenes 
Inventar  über  eine  Reihe  von  Handschriften,  die  er  in  Salamanc^ 
eingesehen.  Trotz  der  Bündigkeit  der*  Aufnahme  schien  mir 
das  von  Loewe  Gebotene  ftlr  spätere  Publication  bei  Berück- 
sichtigung der  anderen  Quellen  genügend  und  ein  neuerlicher 
Ausflug  nach  Salamanca  nicht  nothwendig. 

899.  Archivo  Ufiiversitario, 

Ausser  dem  schon  im  Artikel  Biblioteca  de  la  Universidad 
erwähnten  Bericht  der  Revista  enthält  diese  Zeitschrift  noch  H 
(1872),  p.  54— 57;  71—72;  100—103;  117— 120  einen  Aufsatz: 

Urbina  Juan,  Extracto  de  los  documentos  mäs  principales 
que  encierran  los  Archivos  de  la  Universidad  de  Salamanca, 
mit  höchst  interessanten  Aufschlüssen  über  die  Studien  an  den 
Colegios  mayores  und  zahlreichen  kleineren  Lehrinstituten. 

Die  officiellen  Daten  über  die  Bestände  des  Archivs 
bringt  das 

Anuario  del  Cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I  (1881), 
p.  121 — 124.  Die  Gesammtzahl  der  Libros  manuscritos  beläuft 
sich  auf  1400,  darunter  finden  wir  die  Libros  de  matricula 
desde  1546,  Libros  de  grados  desde  1526  u.  s.  w. 

400.  Biblioteca  especial  de  la  facultad  de  Filosofia  y  letras. 

Graüx,  p.  113  in  der  Liste  der  Handschriftenbibliotheken, 
ohne  weitere  Bemerkung.  Auch  das  Anuario  enthält  keinen 
Aufschluss  über  dieses  Zweiginstitut. 

401«  Biblioteca  del  Seminario  Conciliar  Central, 

Valentinelli,  p.  62  sagt  zwar  ausdrücklich:  volumi  tutti 
a   stampa,    Graux    aber  führt   in   seinem   Rapport   p.  113   die 


I 


Bibl.  Uebersicht:  399—104  (Salamanca).  61 

Bibliothek  unter  den  Sammlungen,  die  Handschriften  enthalten, 
an,  leider  ohne  weiteren  Commentar.  Das  Anuario  del  cuerpo 
tacultativo  de  Archiveros  I  (1881),  p.  209  erwähnt  einen  numero 
determinado  de  volumenes  aus  der  alten  Jesuitenbibliothek, 
que  qucdö  en  el  magnifico  Colegio  que  poseian  aquellos  regu- 
läres en  esta  capital,  para  formar  la  libreria  del  Uamado  Colegio 
Oarolino,  y  que  hoy  sin  duda  constituyen  la  Biblioteca  del 
Seminario  Conciliar  Central. 

402.  Biblioteca  del  Cabildo  de  la  Santa  Iglesia  Catedral. 

Graux  nennt  diese  Bibliothek  p.  113  in  der  Liste  der 
Handschriftensammlungen.     Nähere  Daten  fehlen.^ 

403.  Biblioteca  del  Convento  de  los  Dominicanos  de  San 
Esteban, 

BuLLARiüM  Ordinis  Praedicatorum  V,  p.  565 — 567  enthält 
eine  diese  Bibliothek  betreffende  Urkunde  (nach  Vogel  p.  481). 

(La  Fubnte,  Vicentb  y  Urbina,  Juan),  Catälogo  de  los 
libros  manu scri tos,  que  se  conservan  en  la  Biblioteca  de  la 
Univcrsidad  de  Salamanca.     Salamanca  1855. 

P.  8  linden  wir  die  Notiz:  La  comision  (der  Bibliothek) 
espera  poderlo  aumentar  en  breve  con  otros  60  volumenes 
( manuscritos)  procedentes  de  la  Biblioteca  del  celebre  Convento 
de  S.  Esteban  en  esta  ciudad,  los  cuales  han  sido  reclamados 
judicialmente  de  la  testamentaria  de  un  exclaustrado  por  el 
ör.  Rector. 

Valentinelli,  p.  62  f. 

404.  f  Biblioteca  del  Colegio  mayor  de  Santiago  el  Zebedeo 
(vulgo  de  Cuenca). 

Diese  Sammlung  war  einst  ausserordentlich  reich  an  Hand- 
schriften, die  auf  Befehl  Carl  HI.  zum  Theil  nach  Madrid  in 
die  Palastbibliothek  gebracht  wurden.  Ihre  Provenienz  ist  in 
der  Regel  durch  drei  senkrechte  geringelte  Striche  \  \  \  mit  bei- 
gefügter Nummer  auf  einem  der  ersten  Blätter  kenntlich.  Hie 
und  da  findet  sich  aber  auch  der  deutliche  Vermerk:  De  la 
Bibliotheca  del  Col^  m^'  de  Cuenca,  ^  z.  B.   Matr.  reg.  2.  B.  5 

*  Die  Handschriften  des  Escorial  Q.  II,  24  und  Q.  lU,  20  tragen  die  Auf- 
schrift: De  la  yglesia  de  Salamanca.  Vgl.  Hartel-Loewe  p.  112  und  p.  120. 

*  Vgl.  auch  die  Beschreibungen  bei  Loewe-Hartel  p.  473  ff. 


62  ^m*  Abhandlung:    Beer.  HandscliiiftenschfttM  Spaniens. 

(Diversas  Historias  als  Rückentitel),  2.  C.  4  (Ruderici  Chronicon); 
Ood.  2.  C.  4  trägt  die  Signatur  Nr.  413  S  H,  2.  D.  2  die  Nummer 
470,  man  kann  daher  annehmen,  dass  die  Handschriftenbibliothek 
etwa  ein  halb  Tausend  Bände  umfasste. 

405«  t  Biblioteca  del  Colegio  de  San  Jeronimo  (el  Trilingüe). 
Antonio,  Nicolaus,  Biblioteca  ffispana  vetus,  tom.  11,  p.  296. 

Anüario  del  Cuerpo  facultativo  de  Archiveros  I  (1881), 
p.  210  über  die  Incorporation  der  Sammlung  in  die  Universitäts- 
bibliothek. 

406«  f  Biblioteca  del  Colegio  Mayor  de  S,  Salvador  (vulgo 
Oviedo), 

Ueber  diese  Sammlung  vgl.  auch  den  Artikel  Oviedo, 
Biblioteca  de  la  Catedral.  Die  Einverleibung  der  Büchersamm- 
lung des  Diego  de  Covarrubias  in  die  Bibliothek  dieses  Collegs 
besprechen  Rodriguez  de  Castro,  Biblioteca  Espanola  H,  p.  491 
und  Graux,  Essai,  p.  276. 

Antonio,  nicolaus,  Bibliotheca  Hispana  vetus  II,  p.  20. 

407«  t  Biblioteca  del  Colegio  Mayor  de  San  Bartolome 
(el  Viejo). 

Für  diese  Handschriftensammlung  gilt  als  Quelle: 

RoxAs  Y  Contbras,  Historia  del  CoUegio  viejo  de  San  Bar- 
tolomi,  Madrid  1770. 

Im  HI.  Bande,  p.  308 — 343  ist  der  Bestand  der  Manuscripte 
in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  gegeben.  Ausser- 
dem vgl. 

Antonio,  Nicolaus,  welcher  Biblioteca  Hispana  vetus  H, 
p.  249  folgende  Handschriften  bespricht:  D.  Alvaro  de  Luna, 
Claras  mujeres;  p.  282  Carlos  de  Viana,  Chronica  de  los  Heyes 
de  Navarra;  p.  293  Joannes  de  Turrecremata  De  unitatiB  fidei; 
p.  312  Gomez  de  Zurara,  Chronica  del  Rey  D.  Juan  I.  de  Portugal. 

Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  de  la  literatura  espa- 
nola, tom.  Vn,  p.  45  erwähnt  die  Bücherschenkung  (,E1  mis 
precioso  legato')  Alfonso's  de  la  Torre  an  das  Colleg  (saec.  XV). 

SoMozA  DE  MoNTsoRiu,  Catälogo  de  Manuscritos  .  .  .  en 
Gijon,  p.  86  beschreibt  vol.  XXXIX  der  Sammlung  als:  Crönica 
de  Enrique  IV  de  Castilla,  trasladada  de  una  original  que  estA 


I 


Bibl.  Uebenicht:  405 — 411  (Salamanca  — San  Salvador  de  Sahelicea).  63 

en  la  libreria  del  Colegio  Mayor  de  San  Bartolom^  de  Salamanca, 
cuyo  autor  con  certeza  no  se  sabe,  pero  dice  al  prineipio  ser 
de  Alfonso  de  Palencia,  Cronista  de  los  Reyes  Catölieos,  otros 
dicen  ser  de  D.  Juan  Arias,  Obispo  de  Avila.  Ella  coneuerda 
con  SU  original,  que  estä  en  dicha  libreria  en  el  Cajon  59. 

Die  Handschriften  kamen,  wie  die  des  Colegio  Cuenca, 
in  die  Madrider  Palastbibliothek,  vgl.  Hartel-Loewe  p.  479. 

408.  t  Biblioteca  del  Monasterio  de  los  Ei'emitas, 

Antonio,  Nicoijiüs,  Biblioteca  vetus  I,  p.  304  erwähnt  eine 
handschriftHche  epistola  ad  Isidorum  Hispalensem  directam, 
Artuagi  nomine  inscriptam  aus  diesem  Kloster. 

409.  Biblioteca  del  Colegio  de  los  Irlandeses. 

Von  dieser  Bibliothek  gilt  dasselbe  wie  von  der  Kathedral- 

bibKothek. 

Salinuas. 

410.  t  Biblioteca  del  Monasterio  de  San  Cristöforo, 

In  der  Restauratio  et  dotatio  ecclesiae  S.  Christophori 
prope  castrum  Salinuas  anno  949  wird  geschenkt:  ministerio 
ecclesiastico  (1)  antiphonario  (2)  missale  (3)  lectionario  (4)  psal- 
terio  (5)  ymnorum  (6)  homeliario  (7)  et  alium  Hbrum  qui  dicitur 
Flores  evangelii  cum  lectionibus  omnium  sanctorum,  sive  et  de 
dedicatione  ecclesiae  et  (8)  de  libris  moralie  Job  in  uno  codice 
libros  II. 

Villanueva,  Viage,  tom.  X,  p.  257  f. 

San  Salvador  de  Sahelioes. 

Hl* 'f  Biblioteca  del  Monasterio. 

Donino  presbitero  schenkt  922  diesem  Kloster  —  ob  sich 
dasselbe  in  oder  bei  der  sonst  nicht  nachweisbaren  Stadt  Sahe- 
lices^  befunden,  ist  unklar  —  inprimis  ecclesiasticos  libros,  id 
sunt  (1)  antifonarium  (2)  comicum  (3)  manuale  in  duas  formas 
divisum  (4)  psalterium  (5)  ordinum  libellus  (6)  alius  de  cotidiano 
officio  cum  lectionibus  et  missis  (7)  orarum  (8)  sententiarum 
(9)  precum.  Facta  atque  data  scriptura  testamenti  III  idus. 
Maii  Era  DCCCC*LX. 


*  Sahechores  in  der  Nähe  von  Sahaguu  erwähnt  Madoz. 


64  Xll*  Abhandlung:    Beer.  Handschriftenscliitze  Spaniens. 

Aus  dem  Becerro  von  Sahagun  I,  fol.  135  veröffentlicht 
im  Indice  de  los  Documentos  del  Monasterio  de  Sahagun.  Madrid 
1874,  p.  111. 

SamoB. 

412«  -fBiblioteca  del  Monasterio, 

Eine  dankenswerthe  Uebersicht  über  die  Entstehung  der 
alten  KlosterbibHothek  bringt  Villa -Amil,  Los  Codices  etc.  p.  6  ff. 
Ihm  folgend  verzeichnen  wir: 

Schenkung  Ordonos  I.  vom  Jahre  853  an  den  Bischof 
Fatal,  bestehend  in  dem  Kloster  Samos  mit  seinen  ,libros'  (jS^- 
Esp.  Sagr.  XL,  p.  234). 

Bereicherung  der  Bibhothek  im  Jahre  872  mit  den  Büchern 
quo  trajeron  de  Cördoba  Ofilon,  su  hermano  Maria  y  el  pres- 
bitero  Vicente. 

Ueber  die  Copie  des  Mönches  Trasamond  und  der  ,religiosa 
Leodegundia'  vgl.  den  Artikel  Bobadilla. 

In  dem  Privilegium  Ordonii  II.  Regis  Legionensis  in  gra- 
tiam  monasterii  de  Samos  Era  DCCCCLX  (anno  922)  bietet 
der  König  dem  Kloster:  Libros  Eglesiastes,  id  sunt  (1  Anti- 
phonarium  (2)  Orationum  (3)  Comicum  (4.  5)  Manuales  duos 
(6)  Psalterium  (7.  8)  Passionum  duos  (9)  Orationum  (10.  11 1 
Ordinos  duos  (12)  Precum.  Libros  spirituales,  id  est:  (13) 
Homeliarum  (14)  Dialogorum  (15)  Homelia  Prophetarum  (IG) 
Dispositio  Jesaie  Prophete  (17)  Parte  dcMorario^  (18)  Degada 
Psalmorum  (19)  Testum  Evangeliorum  (20)  Librum  Regularum 
(21)  Generae  Officiorum  (22)  Scinonimarum  (sie)  (23)  Aepi- 
stolarium  (24)  Ethimologiarum  (25)  Abtätigum  (26)  Laterculum. 

Florez,  Espana  Sagrada  XIV,  escr.  3  (p.  367 — 373),  Tali- 
ban p.  316,  Villa-Amil,  Los  cödices  p.  8,  La  Fuente,  Historia 
de  las  Universidades  I,  p.  57. 

Sandoväl. 

413.  f  Biblioteca   del   Monasterio   de   la  orden  de  Cister. 

MORALEs,  (Viage,  p.  40)  sah  in  diesem  ehemals  Sotonoval 
genannten  Kloster  (bei  Mansilla):  ein  (1)  Santoral  de  los  muy 


*  Moralia  Gregor». 


Bibl.  UebersetzoDg :  412—415  (San  Salvador  de  Sahelioea  —  Scala  Dei).  65 

buenos,  letra  y  pergamino  de  mas  de  trecientos  anos;  (2)  En 
iin  libro  viejo  de  Vidas  de  Santos  todo  lo  que  escribiö  el  Papa 
Calixto  del  Apostol  Santiago,  letra  y  pergamino  del  pasado. 
Comunmente  atribuyen  aquel  libro  al  Papa  Calixto,  hermano  de 
los  dos  Yernos  del  Rey  D.  Alonso  el  VI.,  mas  yo  tengo  por 
cierto  que  no  lo  escribiö  el.  (3)  Libro  de  la  misma  letra  y  per- 
gamino, todo  deshojado:  era  exposicion  de  Berengario  sobre  el 
Apocalipsi.  Ferner:  Obras  de  los  Santos  (4)  Augustino,  (5)  Am- 
brosio  (6)  Bernardo  {!)  Gregorio  .  .  .  en  algunas  se  dice  como 
ha  mas  de  trescientos  anos  que  se  escribieron.  (8)  Libro  antiguo 
sin  nombre  de  Autor,  que  en  partieular  trata  quantas  cosas  se 
entienden  en  la  Sagrada  Escritura  por  cada  cosa,  como  virga, 
brachium  etc. 

Santillana. 

414.  Archivo  de  la  Iglesia  Colegiata. 

BERGANZA  FRANCISCO  DE,  Antigucdadcs  dc  Espana,  Madrid 
1719,  Vol.  I,  p.  123  beschreibt  ein  Libro  de  Regia  o  Bezerro 
dieser  Kirche. 

Soala  Dei. 

415.  Archivo  del  monasterio  de  los  Padres  Cartujos. 

Nach  ViLLANUBVA,  Viage,  tom.  XX,  p.  IGl  schenkte  der 
Patriarch  von  Alexandrien  Don  Juan  de  Aragon,  Sohn  des  Königs 
Jaime  IL,  Bischof  von  Toledo,  im  Jahre  1333  dem  Kloster  su 
Biblia  glosada,  que  tui  de  su  tio  San  Luis,  Obispo  de  Tolosa. 
Son  once  volumenes  fol.  vit.  escritos  de  aquel  tiempo,  y  estan 
bien  conservados  en  la  celda  prioral.  Ferner  sah  Villanueva: 
(12)  Spert,  Gerönimo,  Comentario  e  interpretacion  de  los  libros 
de  San  Dionisio  Areopagita.  (13)  Valero,  Juan,  ,Virtuoso,  donde 
se  ensena  la  prätica  de  las  principales  virtudes,  asi  teologales 
como  morales^  (14)  Desselben  Vida  de  Santa  Tecla.  (15)  Libro 
de  ingresos  e  profesiones,  mit  interessanten  Notizen,  die  1420 
beginnen.  In  der  botica  (Apotheke)  des  Klosters  befand  sich 
handschriftlich  ein  Liber  agregationum  de  virtute  simplicium 
medicinarum  von  Johannes  Ben  Serapion,  lateinisch,  über  die 
Heilkraft  der  Pflanzen,  deren  Abbildungen  in  den  Text  ein- 
gefügt waren  (a.  a.  O.  p.  165  f.). 

Sitzongsber.  d.  phil.-hiat.  Ol.  CXXVm.  Bd.  18.  Abb.  5 


66  XII.  Abhaadlang:     Beer.  Haodsclirifteoschätze  Spaniens. 

Soälas. 

416«  t  Biblioteca  de  Monasterio  de  San  Pedro. 

In  der  Urkunde:  Erectio  Ecclesiae  Canonicomm  S.  Petri 
de  Sealas  in  comitatu  Urgellensi  in  abbatiam  et  monasterium 
ordinis  S.  Benedicti  anno  960  kommt  die  Schenkung  des  France- 
mirus  Presbiter  vor:  (1)  Eptatico  I.  (2)  Apocalipsim  et  actus 
apostolorum  et  Regum.  Sapientia  Salomonis,  disposito  (sie)  I. 
(3)  passionario  I.  (4)  chanano^  I.  (5)  missale,  lectionario,  anti- 
phonario  in  uno  volumine  (6)  psalterio  I  (7)  prosario  I  (8)  et 
Profetarum  I. 

Villanueva,  Viage,  tom.  Xu,  p.  229. 

Segorbe. 

417.  Archivo  de  la  Iglesia  Catedral. 

Juan  Bautista  Perez  (f  1597)  bestimmt  in  seinem  Testament: 
Item  dexo  y  lego  al  Cabildo  i  Iglesia  Catedral  de  Segorbe  todos 
mis  libros  de  varias  y  diversas  facultades,  ansi  teologales,  histo- 
riales,  griegos,  latinos,  como  de  otras  qualquier  lenguas,  y  de 
qualquier  gönero  que  sean,  contenidos  y  especificados  en  el  dicho 
inventario  por  mi  hecho  de  mis  bienes  patrimoniales  y  hazienda 
que  tenia  äntes  de  ser  Obispo  de  Segorve  .  .  .  como  de  los  demas 
libros,  que  yo  he  comprado  despues  de  ser  Obispo  de  Segorve. 

Vgl.  Villanueva,  Viage,  tom.  III,  p.  174. 

Dieses  ,Inventario'  bildet  den  vorletzten  Theil  des  Testa- 
mentes und  wird  unter  dem  Titel  ,Memoria  de  lo  que  manda 
SU  seuoria  que  se  haga  de  los  papeles  de  mano  que  tiene  en 
SU  Ubreria'  von  Villanueva  1.  c.  p.  294  flF.  mitgetheilt,  wie  folgt: 

(1)  Primo,  un  libro  de  vida  de  sanctos  de  Espana  manda 
que  se  dö  ä  la  Ubreria  de  la  Seo  de  Segorve. 

(2.  3)  Item  dos  tomos  de  bullas  y  privilegios  tocantes  ä  la 
iglesia  de  Toledo,  y  ä  otras  de  Espana,  manda  que  se  da  ä  la 
libreria  de  la  Seo  de  Segorve. 

(4 — 6)  Item  tres  libros,  en  el  uno  juntaba  su  senoria  pa- 
peles tocantes  ä  la  dignidad  episcopal  de  Segorve,  que  tiene 
titulo  que  dice  Episscopus:   otro  donde  juntaba  fundaciones  de 


^  Für  chanone,  canones. 


I 


Bibl.  Ueb«rsetztmg:  416—417  (Scalas  — S«gorbe).  67 

beneficios  de  la  Seo  de  Segorve,  que  tiene  Ütulo  Beneficia  sedis 
Segobricen.;  y  otro  tercero  donde  juntaba  las  fundaciones  de 
los  beneficios  de  la  diöcesi,  que  tiene  por  titulo  Beneficia  Diö- 
cesis;  estos  tres  manda  y  quiere  su  senoria  que  queden  para 
el  archivo  episcopal,  y  ruega  se  cosan  los  quadernos  porque  no 
se  pierdan. 

(7.  8)  Item  otros  dos  libros  que  ay  de  mucha  sustancia, 
en  el  uno  estä  la  relacion  de  todos  los  beneficios  de  la  Seo, 
con  las  rentas  dellos,  y  los  patronatos  y  succesion  de  bene- 
fieiados  de  la  Seo  de  Segorve;  y  otro  libro  de  los  beneficios 
de  la  diöcesi;  manda  su  senoria  que  dichos  libros  queden  en 
el  archivo  episcopal  de  Segorve;  aunque  si  Dios  diere  vida  ä 
su  seiioria,  tiene  intencion  de  acaballos,  y  dar  copia  al  cabildo 
de  dicha  Seo. 

(9)  Item  un  otro  libro  que  ay  de  tres  dedos  de  gordo  de 
la  vida  de  los  arzobispos  de  Toledo  en  borrador,  este  ruega  su 
senoria  que  se  ymbie  ä  Toledo,  y  se  de  al  P.  Hierönimo  de 
la  Higuera,  de  la  Compania  de  Jesus,  porque  scribe  desta  ma- 
teria,  y  le  aprovecharä  mucho. 

(10.  11)  Item  otros  libros  hay,  y  tiene  su  senoria  de  mano 
en  dicha  libreria,  de  historias  espanolas,  que  comienzan  por 
Victor  tunensis,  y  otros  libros  de  sanctos  de  Espana,  que  co- 
mienzan por  sant  Leandro;  estos  manda  su  senoria  queden 
para  la  libreria  de  la  Seo  de  Segorve,  porque  son  un  tesoro. 

(12)  Item  otro  libro  de  concilios  götthicos,  manda  su  se- 
noria quede  para  la  libreria  de  la  Seo  de  Segorve;  en  el  quäl 
libro  hay  correctiones  de  concilios. 

(13—15)  Item  una  historia  de  Rasis  ärabe.  —  Item  una 
historia  de  Don  Alonso  VIII  de  mano.  —  Item  una  historia  de 
Lucas  Tudense  de  mano,  manda  su  senoria  queden  para  la 
libreria  de  dicha  Seo. 

(16.  17)  Item  dos  libros  de  declaraciones  de  cardenales 
manda  su  senoria  que  queden  para  la  libreria  de  la  Seo  de 
Segorve. 

Item  por  quanto  su  senoria  ha  hecho  muchos  borradorcillos 
en  materias  beneficiales  y  canönicas,  manda  que  dichos  papeles 
y  borradores  se  den  y  entreguen  al  doctor  Melchior  Ocanya, 
arcidiano  de  Alpuente,  para  que  rasgue  los  que  le  paresciere; 

y  los  demas  los  comunique,   si  le  paresciere,  al  doctor  y  can6- 

ö* 


68  XII.  Abhandlung:     Beer.  Handschriftensch&tse  Spaniens. 

nigo  Miguel  Martinez^  porque  no  son  libros  de  comnnicarse  ä 
otros  qne  no  sean  de  tanta  familiaridad. 

Villanueva's  äusserst  genaue  Beschreibung  von  den  Hand- 
schriften, die  sich  aus  Perez'  Nachlass  noch  in  Segorbe  finden, 
möge  hier  im  Auszuge  folgen : 

1.  Primeramente  un  tomito  en  8^,  200  fojas,  apuntaciones 
sobre  la  lengua  hebrea:  Dictata  a  Petro  Lodoico  Ruviale,  die 
25  Octubris  1555.  Escrito  de  mano  del  Senor  Perez.  Zum 
Schlüsse  das  Datum  28  Februarii  1556;  Rudimenta  linguae 
hebraeae  dictata  a  Johanne  Baptista  Perez,  Valentiae  die 
6  Octobris  1559,  u.  ä.  m.  Aus  diesen  Vorleseheften  hat  man 
auf  die  Existenz  eines  hebräischen  Collegs  an  der  Universität 
Valencia  zu  jener  Zeit  geschlossen. 

2.  Dictionarium  arabicum. 

3.  Otro  volümen  en  folio,  que  contiene  la  historia  del 
moro  Rasis,  ,1a  quäl  tiene  Ambrosio  de  Morales  en  un  original 
harto  antiguo,  escrito  en  pergamino.  Agora  tiene  este  original 
Gonzalo  Argote  de  Molina,  vecino  de  Sevilla.  Otro  original 
hay  en  Santa  Catalina  de  Toledo^  In  demselben  Bande  Aus- 
züge aus  Eterius  und  Beatus  gegen  Elipandus,  mit  verschiedenen 
Anmerkungen;  ferner:  Chronologia  bibUorum,  mit  einem  Certi- 
ficat,  welches  besagt,  Perez  habe  erhalten  por  mano  de  D.  Juan 
Lopez  de  Velasco  un  cödice  götico  de  concilios  de  la  libreria 
de  S.  Lorenzo  el  Real  ,el  quäl  es  uno  de  los  dos  que  enviö 
de  Soria  D.  Jorge  de  Veteta'^  (3.  Juni  1577).  Zum  Schlüsse 
unzählige,  zum  Theil  ftir  eine  Isidorausgabe  berechnete  Notizen, 
unter  diesen  ilustraciones  al  Ubro  de  S.  Isidoro  de  viris  illustribus. 

4.  Otro  tomo  en  foUo:  Comentario  de  cosas  memorables 
que  en  la  Europa  han  acaecido  en  tiempo  del  Rey  Catölico  y 
del  Emperador  Carlos  V  y  del  Rey  D.  Felipe  IL  Traducido 
del  latin  en  romance  por  Miguel  Bou  de  Villanova,  escribano 
de  registro  de  su  Magestad,  y  en  algo  anadido.  Umfasst  die 
Jahre  1452 — 1581.  Beigeschlossen  sind  zahlreiche,  zum  Theil 
unedirte  Documente,  pertenecientes  ä  los  Santos  de  Espana. 

^  Ein  interessanter  Beitrag  zur  Geschichte  der  Escorialenses  a  II  9  und 
e  1 13,  welche  beide  den  Vermerk  tragen:  Diole  .  . .  Don  Jorge  de  Beteta 
(vgl.  Hartel-Loewe  p.  19  und  46).  Noch  eingehendere  Nachrichten  über 
die  Betetacodices  finden  sich  in  den  Commentaren  Villanueya's  zu  dem 
Chronikencodex.    Vgl.  weiter  unten. 


> 


Bibl.  Uebenetzung :  417  (Hegorbe).  69 

5.  Vol.  fol.,  igualmente  actas  y  documentos  de  los  Santos 
de  Espana. 

6.  Vol.  fol.  Coleccion  de  concilios  ^  mit  ausführlichen  Noten, 
welche  Villanueva  mit  dem  Wunsche  analysirt,  dass  dieses 
Manuscript  vollständig  veröffentlicht  werden  möge. 

7.  Vol.  fol.,  mas  de  trescientas  fojas.  Copias  de  docu- 
mentos pertenecientes  ä  la  Iglesia  de  Toledo  y  otras  de  Espana. 
Die  wichtigsten  derselben  werden  verzeichnet. 

8.  Vol.  fol.,  tambien  colleccion  de  documentos.  Gleichfalls 
Auszüge. 

9.  Vol.  fol.  Catalogus  beneficiorum  omnium  Eicclesiarum 
fundatarum  in  Ecclesia  Segobricensi  et  ceteris  Ecclesiis  totius 
dioecesis. 

10.  Episcopologio  de  esta  Iglesia. 

11.  Libros  de  las  visitas  que  hizo  en  su  catedral  en  los 
aSos  1592  y  1596. 

Villanueva  a.  a.  O.  p.  177 — 196. 

Aus  der  sehr  detaiUirten  Noticia  del  cödice  de  cronicones 
que  copiö  el  Senor  Perez  de  varios  originales  antiguos,  el  quäl 
se  conserva  en  el  archivo  de  la  Santa  Iglesia  de  Segorve  a.  a.  O., 
p.  196 — 220  heben  wir  folgende  Hauptrubra  hervor,  bezüglich 
der  Details  der  Beschreibung  und  der  abgedruckten  Excerpte 
auf  den  Bericht  selbst  verweisend: 

1.  Victoris  Tunnensis  in  Africa  Episcopi  chronicon  ec- 
clesiasticum  per  Imperatores  et  Consules  continuans  chronicon 
Prosperi  Aquitanici  ab  anno  Christi  444  ad  567  cum  anno- 
tationibus  marginalibus,  ut  puto  Joannis  Biclarensis. 

2.  Joannis  Abbatis  Biclarensis,  et  postea  Episcopi  Gerun- 
densis  chronici  continuatio  post  Victorem  Tunnensem  ab  anno 
Christi  566  usque  ad  590. 

3.  Sancti  Isidori  Archiepiscopi  Hispalensis  Über  de  gotthis, 
suevis  et  wandalis  usque  ad  annum  625,  scilicet  quintum 
Suinthilae. 

4.  Idacii  Lamicensis  in  Galletia  Episcopi  chronicon  ab 
anno  Christi  403  usque  ad  568. 

5.  De  regibus  wandalorum  fragmentum  incerti  auctoris 
ad  finem  chronici  D.  Isidori. 


^  Vgl.  oben  Nr.  12  der  Memoria  des  Testamentes. 


70  Xn.  Abhaudlnog :    Beer.  Handschrifteasohitxe  SpanieuB. 

6.  S.  Isidori  Archiecopiscopi  Hispalens.  de  vins  illustribus 
ab  anno  250  ad  610  additis  tredecim  viris,  qui  in  aliis  deerant, 
cum  additione  S.  Braulionis  Episcopi  Caesaraug.  de  vita  S.  Isidori. 

S.  Ddephonsi  Archiep.  Toletani  de  viris  illustribus;  cum 
additionibus  S.  Juliani,  et  Felicis,  Archiepiscoporum  Toletanorum 
de  vita  S.  Ddephonsi  et  S.  Juliani. 

7.  S.  Isidori  Hispalens.  obitus  scriptus  a  Redempto. 

8.  Vita  Septem  primorum  Hispaniae  Episcoporum  Torquati 
etc.  qui  ab  Apostolis  sunt  missi,  ex  vetustissimo  complutcnsis 
bibliothecae  codice  litteris  gotthicis  scripto. 

9.  De  Osio  Cordubensi,  et  Gregorio  Eliberritano  Episcopis 
historia  incerto  auctore,  ut  puto,  Marcellino  praesbytero;  ex 
codice  biblioth.  complut.  gottliico. 

10.  S.  Aemiliani  Abb.  vita  scripta  a  S.  Braulione  Caesaraug. 
Episcopo  missa  ad  Fronimianum  praesbyterum,  cum  hymno 
Eugenii  tertii  Toletani  Archiepiscopi  in  laudem  S.  Aemiliani.  = 
Ex  codice  soriensi. 

11.  Pauli  Diaconi  emeritensis  liber  de  vita,  et  miraculis 
patrum  emeritensium. 

12.  S.  Ildefonsi  Archiepiscopi  Toletani  vita  scripta  a  Cixila 
Archiepiscopo  Toletano. 

13.  De  visione  habita  Taioni  Episcopo  in  Romana  ecclesia, 
et  de  Ubro  morali  in  Spania  ducto. 

14.  Incerti  auctoris  additio  ad  chronicon  Joannis  Biclarensis 
ab  anno  601  ad  742. 

15.  Adefonsi  regis  tertii  Legionensis  cognomento  Magni, 
chronicon  ad  Sebastianum,  de  Regibus  gotthorum  a  Wamba, 
et  ovetensium  usque  ad  Ordonium  primum;  scilicet  ab  anno 
672  usque  ad  866. 

16.  Sancti  Isidori  Hispalensis  chronicon  hebraeorum  et 
romanorum  ab  ortu  mundi  usque  ad  ann.  Christi  627,  scilicet 
4  Sisebuti. 

17.  Sancti  Juliani  Arch.  Tolet,  historia  de  coniuratione 
Pauli  Ducis  GaUiae  Narbonensis  adversus  Wambam  Regem 
gotthorum. 

18.  Chronicon  Regum  wisigotthorum  Hispaniae  breve,  sed 
diligentissimum  per  annos  et  menses,  quod  puto  esse  S.  Juliani 
Tolet.  Arch.,  licet  aliqui  tribuant  cuidam  Vulsae  Episcopo. 


I 


fiibl.  üebersetzung:  41d  (SegorLe  —  Segovia).  71 

19.  Isidori  Pacensis  Episcopi  epitome  Imperatorum  et 
arabum,  una  cum  Hispaniae  chronico  ab  anno  Christi  611  usque 
ad  754. 

20.  Sampyri  Asturicensis  Episcopi  chronicon  Regum  Legio- 
niensium,  continuatum  post  chronicon  Adefonsi  Regis  ab  Ade- 
fonso  III  ad  Raniminim  III,  id  est,  ab  anno  866  usque  ad  982. 

21.  Cronicon  del  Obispo  Pelayo. 

22.  Chronicon  albaildense  editum  ab  incerto  auctore  anno 
Christi  883  auctum  a  Vigila  monacho  albaildensi  anno  Christi  976. 

23.  Ruderici  Ximenez  Arch.  Tolet.  de  historia  arabum 
Hispaniae  Regum  a  tempore  Machomet  pseudo-prophetae  ab 
anno  Christi  618  usque  ad  ann.  1 140,  nempe  annum  arabum  539. 

24.  S.  Iklephonsi  historia  de  Regibus  gotthorum  sui  temporis. 

Valentinelli,  p.  129  f.  ganz  nach  Villanueva.  Die  Hand- 
schriften Perez'  belinden  sich,  wie  ich  durch  eine  auf  Anregung 
Theodor  Mommsen's  erfolgten  Information  seitens  des  Chronisten 
von  Denia,   D.  Roque  Chabas,  erfahre,   heute  noch   unversehrt 

in  Segorbe. 

Segovia. 

418,  Biblioteca  de  la  Iglesia, 

In  dem  Testamentum  Fortuni  Episcopi  Segoviensis  a.  1460 
findet  sich  folgende  Bestimmung:  dabitis  .  .  .  ecclesiae  Segoviensi 
illos  libros,  quos  dimisi  segregatos  pro  ipsa;  et  quia  iam  dedi 
ei  unum  Missale  et  unum  Breviarium  Magnum,  licet  sit  secundum 
usum  et  consuetudinem  Segoviensis,  detur  ecclesiae  Legionensi. 

Risco,  Espana  Sagrada,  tom.  XXXVI  (1787),  p.  CLXXXVI. 
Vgl.  auch  p.  66.^ 

Florez,  Espana  Sagrada,  tom.  HI  (1748),  ap.  XXXVTI 
und  XXXVm  (vgl.  auch  tom.  II  [1747],  p.  204),  von  dem  so- 
genannten libro  del  Cerratense  sprechend,  bemerkt:  Tengo  noticia 
que  en  la  Santa  Iglesia  de  Segovia  se  halla  otro  egemplar  de 
este  libro;  pero  tambien  estoy  cierto  de  que  es  de  menor  anti- 
guedad;  pues  all!  parece  que  se  incluye  la  Festividad  del  Corpus, 
que  en  el  mio  no  estd,  por  quanto  entonces  no  se  havia  insti- 
tuido.    Demäs  de  esto  he  leido  una  vida  extractada  de  alli,  la 


*  Als  Testamentsvollstrecker  fungirte  Juan  de  Segovia.  Vgl.  ibid.  p.  59  und 
CLXXXI. 


72  Xn.  AbhaDdlDDg:    Beer.  HAndschriftcnsch&tze  Spaniens. 

qual  estä  mucho  mas  aumentada;  que  en  el  mio;  con  interpolaciones 
mäs  modernas  anadidas  por  otro  Religioso. 

FiTA,  Fidel,  anknüpfend  an  diese  Notiz,  beschreibt  die 
Handschrift  ausführlich  im  Boletin  de  la  Real  Academia  de  la 
Historia,  tom.  XIII  (1888),  p.  227  f.  Sie  hat  die  Unterschrift: 
Et  ego  humilis  cerratensis  gratias  ago  Deo  qui  michi  licet  in- 
digno  dedit  incipere  et  perficere  librum  istum  quem  vitas  sanc- 
torum  intitulavi.  Qui  incipit  et  explicit  vitas  sanctorum.  Folgen 
die  von  Fita  gegebenen  Auszüge,  von  p.  237  ab  Bulas  inöditas 
de  Alejandro  III.  y  Honorio  III,  im  Original  aufbewahrt  und 
von  Fita  copirt  im  Archivo  de  la  Catedral  de  Segovia. 

419.  t  Biblioteca  particular  de  la  Reina  Dofia  Isabel  en 
el  Älcazar, 

Inventario  de  los  libros  pröprios  de  la  reina  dona  Isabel 
i,  cargo  de  Rodrigo  de  Tordesillas,  vecino  y  regidor  de  dicha 
ciudad  en  ano  de  1503.     (201  Nummern.) 

Veröffentlicht  von  Diego  Clemencin,  Elogio  de  la  Reina 
Dona  Isabel,  Memorias  de  la  Real  Academia  de  la  Historia, 
Madrid,  tom.  VI  (1821),  p.  435—471. 

Cargos  de  libros  proprios  de  la  Reina  Dona  Isabel  que  se 
hizieron  ä  su  camarero  Sancho  de  Paredes.     (52  Nummern.) 

Ibid.,  p.  471—481. 

Segura  de  la  Sierra. 

430.  t  Biblioteca  del  Colegio  de  Jesuita^. 

Inventario  de  los  libros  del  Colegio  de  Jesuitas  de  Segura 
de  la  Sierra. 

Handschrift  aus  San  Isidro  (Nr.  472  und  473)  jetzt  in  der 

Bibliothek  der  Real  Academia  de  la  Historia.    Vgl.  Revista  de 

Archivos  VI  (1876),    p.  263.     Unter   den  ,libros*  befanden  sich 

gewiss  auch  Manuscripte,  wie  die  anderen  a.  a.  O.  verzeichneten 

Indices  lehren. 

Sentilias. 

421.  t  Biblioteca  del  Mona^terio  de  San  Acisclo, 

Sisebutus  H.,  Episcopus  Urgellensis,  bestimmt  in  seinem 
Testament  a.  839:  Do  et  concedo  ad  domum  sancti  Aciscli  Sen- 
tihas  monasterium  librum  Expositum  beati  Augustini  contra 
hereses  quinque. 


h 


Bibl.  UebersetzuDg:  411'— 128  (Segoria— Serilla).  73 

Villanueva,  Viage,  tom.  X,  p.  235,  aus  dem  I.  Cartoral  von 
Urgel,  n.  802,  fol.  237. 

Serrateix. 

433.  Biblioteca  del  Monasterio. 

ViLLANUEVA  beschreibt  Viage,  tom.  VIII,  p.  132  ,uti  buen 
leccionario',  saec.  XII,  sowie  ein  ,martirologio',  saec.  XI,  dieses 
Klosters  ,donde  estan  alargadas  las  aetas  de  los  märtires^  Aus- 
züge im  Ap.  XXV. 

CoRMiNAs,  Suplemento,  p.  298  nach  Villanueva. 

Sevilla. 

433.  Biblioteca  del  Cabildo  de  la  Santa  Iglesia  Catedral. 

Die  Notizen  über  die  ältere  Geschichte  der  Bibliothek  (vor 
der  grossen  Schenkung  des  Sohnes  Colones)  lauten  spärlich.^ 
Bekannt  ist,  dass  der  berühmte  Bibelcodex  (Toletanus  2. 1,  jetzt 
in  Madrid,  Biblioteca  nacional)  im  Jahre  988  vom  Bischof  Jo- 
hannes von  Cördoba  der  Kirche  von  Sevilla  geschenkt  wurde. 
Die  Literatur  hierüber  am  besten  zusammengestellt  von  Ewald - 
Loewe,  Exempla,  zu  Tafel  IX. 

A.  Handschriftliche  Kataloge. 

1.  Inventario  de  los  libros  que  tenia  la  Santa  Iglesia  de 
Sevilla,  antes  de  la  donacion  de  la  Biblioteca  de  D.  Fernando 
Colon:  hizose  en  19  de  diciembre  de  1522.^ 

Leider  nur  Excerpte  aus  diesem  vom  Archidiaconus  Luis 
de  Puerta  angefertigten  Katalog  mitgetheilt  bei  (Henri  Harrisse) 
D.  Fernando  Colon,  Historiador  de  su  padre,  Ensayo  critico. 
Sevilla  1871  (Publication  der  Sociedad  de  Bibliöfilos  Andaluces). 
P.  169 — 172.  Vgl.  desselben  Autors  Excerpta  Colombiniana  p.  36, 
n.  3,  wo  auf  die  Worte  Loaisas  in  der  Vorrede  (zum  Katalog  3) 
verwiesen  wird:  el  ano  de  1454  ä  9  de  Juho  consiguiö  Bulla 
de  Nicoiao  V.  de  excomunion  mayor  reservada  al  Sumo  Pontifice, 
m^nos  in  articulo  mortis,  contra  los  que  tuvieran  6  sacaran  libros 


*  Unmittelbar  vor  die  Einverleibung  der  Privatbibliothek  Femans  ftUt 
die  Abfassung  des  an  erster  Stelle  genannten  handschriftlichen  Verzeich- 
nisses. Die  übrigen  wichtigeren  Handschriften  aus  den  älteren  Fond« 
sind  von  Valeutinolli  a.  a.  O.,  p.  96  f.  sorgsam  zusammengestellt. 

'  Kein  Originaltitel,  wie  aus  der  Fassung  ersichtlich. 


74  ^n.  AbhAndlang:    Beer.  Handsclirifleiischfttze  Spaniens. 

de   ella  (vgl.  übrigens   Haenel,   Catalogi   col.  978  und  Valenti- 
nelli  p.  96). 

2.  Die  Indices  Fernan  Colons.  Diese  bestehen  aus  sieben 
Theilen:  sogenannte  Registra  (A,  B,  C)  und  Abecedaria  (A,  B, 
B  bis,  C).  Ausführlich  handelt  hierüber  Harrisse,  Fernan  Colon 
p.  22  flF.  und  Excerpta  p.  259 — 266,  ohne  jedoch  auf  die  ver- 
zeichneten Handschriften  speciell  Rücksicht  zu  nehmen.  (Vgl. 
weiter  unten.) 

3.  Inventario  hecho  por  Don  Juan  de  Loaisa  (Este  abece- 
dario  se  acabö  de  hazer  en  11  de  abril  de  1684). 

Die  (für  die  Geschichte  der  Bibliothek  wichtige)  Einleitung 
publicirt  von  Harrisse,  Fernan  Colon,  p.  172 — 182. 

4.  Indice  de  todos  los  cödices  manuscriptos  que  se  con- 
servan  en  la  biblioteca  de  la  santa  patriarchal  yglesia  de  Sevilla. 
D.  D.  Didacus  de  Galvez  direxit.  Aiio  de  1780.  Rafael  Tabares 
scripsit. 

Valentinelli  p.  99  f.  Graux,  Rapport,  p.  129.  Ewald  p.  373  f. 
Harrise,  Fernan  Colon,  p.  31.  ,Catalogue  officiel'  nach  dem- 
selben, Excerpta  Colombiniana  p.  47 ;  ibid.  p.  42  not.  der  lateinische 
Titel  Index  librorum  omnium  u.  s.  w.,  jedoch  mit  der  Jahreszahl 
MDCCLXXXm. 

B.  Druckwerke. 

Antonio,  Nicolaüs,  Bibliotheca  nova  I,  p.  146  erwähnt 
ganz  kurz  im  Artikel  Antonio  Montero  einen  ,codex  eins  ear- 
minum  vernaculae  linguae  antiquioris  in  folio'  aus  der  Colombina 
(nach  ihm  Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  VI,  p.  152). 

Ortiz  de  Zuniga,  Diego,  Anales  eclesiästicos  y  seculares . . . 
de  Sevilla,  Madrid  1795,  tom.  I,  Vorrede  erwähnt  unter  den 
benützten  Quellen  den  libro  blanco  de  las  dotaciones  antiguas 
de  la  Contaduria  und  andere  Hbros  antiguos  de  la  Contaduria 
aus  dem  Archiv  der  Kathedrale.  Im  Texte  tom.  I,  p.  97 :  Ueber 
das  Schicksal  der  Codices  der  Cantigas  Alfonso  X.,  welche  im 
Archiv  der  Kathedrale  aufbewahrt  waren,  bis  sie  auf  Befehl 
Phihpp  IL  nach  dem  Escorial  gebracht  wurden.  Noch  ausführ- 
licher über  die  betreflfende  Stelle  des  Testaments  Alfons  X.  und 
die  Handschriften  selbst  ibid.  p.  342  f.  —  Tom.  H,  p.  221  werden 
die  Registerbücher  der  Contaduria  del  Cabildo  besprochen.  — 
Tom.  lU,  p.  378  die  Schenkung  Colons.  Schon  hier  die  Klage: 


Bibl.  Uebersetzong:  42S  (SeTilla).  75 

Permanece  (la  biblioteca)  despojo  del  tiempo,  inas  olvidada  y 
mönos  frequentada  que  la  quiso  su  dueno,  dificil  de  gozar  j 
fäcil  de  eonsumirse. 

RoDRiGüEz  DE  Castko,  Josbph,  BibHoteca  Espanola  ü, 
p.  622  verzeichnet  die  Handschriften  der  Werke  des  Petrus 
Hispanus:  Textus  omnium  tractatuum  (mit  handschriftlicher  Ein- 
zeichnung  Fernan  Colons);  Glossulae;  Summulae  cum  commento 
Bartholomaei. 

Haenel,  Catalogi  gibt  col.  978  S,  einen  kurzen  geschicht- 
lichen Abriss  und  die  bis  heute  noch  vollständigste  Liste  der 
Handschriften. 

ToRRES  Amat,  Felix,  Memorias  para  .  . .  un  diccionario 
de  los  escritores  Catalanes,  Barcelona  1836,  p.  59,  gibt  Auszüge 
aus  einem  ,tomo  en  cuarto,  miscellaneo,  cubiertas  de  pergamino, 
que  se  halla  en  la  biblioteca  de  la  santa  iglesia  de  Sevilla  bajo 
la  E.  Y.  Tab.  n^  1^  (1316)  Serventa  Guitard  ,Cartas  latinas^ 

BoLETiN  bibliogräfico  espanol,  Ser.  H,  tom.  1  (1858),  p.  184 
kurze  Bemerkungen  über  die  Bibliothek. 

Eguren,  Memoria,  bespricht  p.  94  eine  handschriftliche 
Version  catalana  de  los  aforismos  de  Hipöcrates. 

Amador  de  los  Rios,  Josä,  Historia  critica  de  la  literatura 
Espanola,  tom.  VI,  p.  533  über  einen  Cancionero  general;  tom.  VlI, 
p.  107  über  eine  Handschrift  von  Gomez  Manrique,  Prosecucion 
del  tratado  de  los  Siete  Pecados  mortales;  ibid.  p.  198  Epistola 
exortatoria  ä  las  letras  de  Juan  de  Lucena.  Consörvase  en  la 
Biblioteca  Colombina  en  un  tomo  MS.  que  lleva  titulo  Tractatus 
Diversorum.  Von  allen  hier  erwähnten  Handschriften  finden 
sich  Copien  im  Codex  der  National -Bibliothek  Dd.  61. 

Valentinelli,  p.  96  fi^.  gibt  einen  Ueberblick  über  die  Ge- 
schichte und  von  p.  100  an  ein  Verzeichniss  der  werthvollsten 
zur  Zeit  seines  Besuches  in  der  Kathedrale  aufbewahrten  Hand- 
schriften. 

Gallardo,  Bartolomä  Josä,  Ensayo  de  una  biblioteca  Es- 
panola de  libros  raros  y  curiosos,  tom.  H,  Madrid  1866,  veröffentlicht 
col.  514 — 557  aus  dem  Registrum  librorum  don  Fernandi  Colon 
primi  Almirantis  Indiarum  filii  (vgl.  oben)  umfangreiche  Aus- 
züge. Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Bücherbeschreibungen 
betrifft  Druckwerke.  Interessant  sind  die  genauen  Angaben 
über  Erwerb  und  Preis.  Von  Handschriften  seien  hervorgehoben : 


76  XII.  Abhandlung:    Beer.  Handschriftenscli&toe  Spaniens. 

N.  2086^  Vocabulario  de  mano  escrito  de  los  sinönimos 
nombres,  asi  griegos,  como  latinos  y  hebraicos  de  la  medicina^ 
por  Orden  del  a-b-c,  declarado  en  romance.  Comienza:  Alfita; 
que  quiere  decir  farina  de  cebada.  Y  acaba:  De  la  corrida  del 
vientre.  Estä  con  el  siguiente. 

2087  Macer  de  herbis,  diviso  por  77  capitulos  . . .  .*  AI 
fin  estä  una  tabia  de  cuadros  de  los  signos.  Es  en  fol.  de  2 
coL,  escrito  de  mano.  Este  con  el  de  arriba,  costaron  en 
Sevilla  102  maravedis. 

2091  Libro  que  contiene  todas  las  profecias  tocantes  al 
descubrimiento  de  las  Indias  ...  In  principio  est  epistola  Domini 
Xpofori  Colon . . .  Est  in  fol. ...  2  col.  Est  manuscriptus. 

2526  Liber  MS,  et  est  Cancionero  de  canto  de  örgano . . 
es  viejo  y  mutilado  y  parece  ser  bueno.  Costö  en  Roma  62 
cuatrines,  por  Setiembre  de  1515. 

4129  Libro  en  espanol,  de  mano,  llamado  Secreto  de  los 
secretos  de  Astrologia,  compuesto  por  el  infante  D.  Enrique  de 
Portugal . . .  Es  en  4^.  Costö  en  Salamanca  3  rs.,  i  21  de  Abril 
de  1525. 

4173  Testamentum  Raymundi  Lulii  manuscriptum  de  opere 
majori,  seu  de  lapidis  philosopbalis  compositione. ...  Et  in  fine 
totius  operis  habentur  quidam  rhitmi  latino  sermone  scripti: 
Amor  me  facit  rimare . . .  Costö  en  Sevilla,  por  Junio,  ano  de 
1527,  un  real. 

Vgl.  ausserdem  die  Nummern  2635,  3327,  3330,  3366,  3787, 
3963,  4163,  4164,  4169,  4175. 

Fernandez  Guerra  y  Orbe,  Aureliano,  Noticia  de  un  pre- 
cioso  cödice  de  la  biblioteca  Colombina.  Madrid  1864. 

Behandelt  den  codex  T.  4  mit  jüngeren  Werken  der  spani- 
schen Literatur. 

BoRAo,  Boletin  bibliogräfico,  tom.  VII  (1866),  p.  92  gibt 
einen  kurzen  historischen  Abriss  über  die  Bibliothek,  erwähnt 
die  vorher  citirte  Abhandlung  Guerra's  und  die  Abschrift  einer 
merkwürdigen  Redaction  von  Cervantes'  Tia  fingida. 


'  Die  (von  Gallardo  beibehaltene)  Nummer  des  Reg^trums. 
*  Folgt  incipit  und  explicit  wie  auch  bei  den  folgenden  nur  auszugsweifle 
mitgetheilten  Nummern. 


\ 


Bibl.  Uebersotzung:  428  (Sevilla).  77 

Graux,  Rapport,  p.  129  Notiz  über  den  Codex  AA-144-19. 
Wace,  Rhythmae  de  gestis  Bretonum,  et  baronum  genealogiis. 

(Harrisse,  Henri)  D.  Fernando  Colon,  Historiador  de  su 
padre.  Sevilla  1871.  Werth voll  durch  die  oben  bereits  erwähnte 
Beschreibung  der  Kataloge  und  die  im  Anhange  veröflFentlichten 
Actenstiicke  zur  Geschichte  der  Bibliothek. 

BoüTELOu,  Claudio,  Codices  ilustrados  de  la  Biblioteca 
Colombina.  Museo  Espanol  de  Antiguedades,  tom.  I  (1872), 
p.  149— 1G2. 

Bespricht  ausfuhrhch:  1.  Ein  Pontificale,  saec.  XIV,  auf 
Befehl  des  D.  Juan,  Bischof  von  Calahorra,  am  10.  Mai  1390 
begonnen.  2.  Ein  Missale  des  Cardinais  Mendoza.  3.  Missale 
Hispalense,  saec.  XV — XVI  (Hie  incipit  sanctorale  secundum 
consuetudinem  ecclesie  yspalense  etc.).  4.  Officium  B.  Mariae, 
saec.  XV,  französischen  Ursprungs. 

GüTiERREz  DE  LA  Vega,  Bibliotcca  Venatoria,  Madrid  1877 
seqq.  verzeichnet  tom.  I,  p.  CLXXXI  f.  ein  handschriftHches 
Werk  der  Jagdliteratur  aus  der  Colombina:  Messen  Juan  Valles, 
Libro  de  Cetreria  y  Monteria. 

Francisque- Michel,  Rapport  sur  une  mission  en  Espagne. 
Archives  des  missiones  seien tifiques,  HI.  s^rie,  tome  6  (1880), 
p.  269  flf.  berichtet  über  cod.  5  ...  177,  mit  dem  schon  von  Graux 
erwähnten  Werk,  welches  sich  als  der  ,Roman  de  Brut^  erwies.^ 
Cod.  91,  Nr.  13  enthält:  1.  Le  Savi  (guide  de  la  vie  humaine, 
veröfi^entlicht  unter  dem  Titel  Libre  de  Senequa  von  Bartsch, 
Denkmäler  der  proven9alischen  Literatur,  Stuttgart  1856,  p.  192 
bis  215)  2.  Lo  Gardacors  de  nostra  Dona  Santa  Maria,  verges 
e  pieuzela  3.  Espozalizi  de  nostra  Dona  Sancta  Maria  Verges  e 
de  Josep.  —  Cod.  204  (J)  Opuscula  varia:  unter  vielem  Anderen 
ein  proven9alische8  Gedicht  über  die  Passion  Jesu  Christi.  Cod. 
7.  72.  Pierre  de  Lucembourg  (Dyete  de  Salut). 

Ewald,  p.  373 — 381  beschreibt,  zum  Theil  unter  Benützung 
des  von  Tabares  angelegten  Katalogs  circa  70  Handschriften; 
die  wichtigste  Ergänzung  zu  Hänel. 

Harrisse,  Henri,  Revue  critique  d'Histoire  et  de  Littö- 
ratur  Paris  1885,  Nr.  20,  pp.  388—401;  Nr.  23,  p.459;  Nr.  30, 


'  Heute  in  Paris,  Bibl.  Nationale,  nonv.  acq.,  fond«  fran^ais  Nr.  1415  vgl. 
Harrisse,  Grandenr  et  d^cadence  de  la  Colombine,  Paris  1885,  p.  41. 


78  XII.  Abhandlung :    Beer.  Handschriftenschätze  Spaniens. 

pp.  78 — 81,  240 — 243.  Derselbe:  Grandeur  et  d^cadence  de  la 
Colombine,  seconde  Edition,  revue  etc.  Paris  1885.  Derselbe:  La 
Colombine  et  Clement  Marot,  Paris  1886. 

In  diesen  Aufsätzen  lenkte  der  ausgezeichnete  Gelehrte 
die  Aufmerksamkeit  der  gebildeten  Welt  auf  die  Spoliirung, 
deren  Opfer  die  berühmte  Sammlung  erst  in  den  letzten  Jahren 
geworden.  Umfangreiche  Pakete  von  kostbaren  Büchern  und 
Handschriften,  deren  Provenienz  aus  der  Colombina  sich  un- 
zweifelhaft erweisen  lässt,  wurden  Ende  1884  direct  von  Sevilla 
nach  Paris  gesendet  und  an  den  dortigen  Quais  zu  Schleuder- 
preisen verkauft.  Die  von  Harrisse  gebotene  Identification 
der  entwendeten  Stücke  mit  den  von  früheren  Forschem  be- 
schriebenen unzweifelhaften  Columbianis  ist  meisterhaft.  Hand- 
schriften wurden  in  gleicher  Weise  in  Mitleidenschaft  gezogen 
wie  die  Impressa.  Vgl.  Grandeur  et  d^cadence  p.  38 — 44  und 
insbesondere  p.  48  fi^. 

RiANO  Jüan-Facündo,  Critical  &  Bibliographical  notes  on 
early  spanish  Music,  London  1887  beschreibt  p.  66  cod.  Colomb. 
Z.  135.  33,  saec.  XV ex.:  Canto  de  Organo;  p.  67,  cod.  Colomb., 
Z.  135,  32  Variorum  de  musica. 

Engel,  Arthur,  Notes  sur  quelques  manuscrits  arch^o- 
logiques  conserv^s  k  Seville.  Revue  arch^ologique  XVII  (1891), 
p.  100  bis  103.  Verzeichnet  1.  Handschrift  des  Jesuitenpaters 
Hierro  1765.  2.  Explicaciones  numismäticas  von  Guillcrmo  Thyrry 
1748.  3.  Pergamenthandschrift  mit  verschiedenen  archäologischen 
Abhandlungen.   4.  Varias  antiguedadcs  von  Jos^  Maldonado. 

C.  Schriftproben. 

Harrisse  bietet  zu  p.  26  seines  Buches  D.  Fernando  Colon 
(vgl.  oben)  eine  Seite  des  ,Registrum  B'  (Autograph  Femans\ 

BoüTELOu  gibt  zu  dem  oben  erwähnten  Aufsatz  einige 
farbige  Miniaturproben. 

Bei  den  angedeuteten  schwierigen  Bibliotheksverhältnissen 
—  fast  alle  Berichte  der  Forscher  klagen  über  die  in  den  Weg 
gelegten  Hemmnisse  —  einer-,  sowie  bei  dem  Umstände  anderer- 
seits, dass  Loewe  die  Colombina  bereits  besucht  und  die  wertb- 
vollsten  patristischen  Handschriften  ausführlich  beschrieben, 
konnte  ich  von   einer  erneuten  Durchforschung   derselben  ab- 


BiU.  Uebcreetzung:  4S4  -426  (SevilU).  79 

sehen.  Das  Verzeichniss  Loewe's,  das  in  den  Besitz  der  Aka* 
dcmie  überging,  wird  im  zweiten  Bande  der  BPLH.  zur  Ver- 
öffentlichung gelangen. 

424.  Bihlioteca  del  Coro  de  la  Santa  Iglesia  Catedral, 

Beumudez  Jitan-Agostino,  Dcscripcion  artistica  de  la  Cate- 
dral de  Sevilla,  Sevilla  1 804,  8»,  p.  50  f.  bespricht  die  Chorbibliothek 
mit  Nennung  der  Meister,  welche  die  Bände  mit  Miniaturen 
schmückten. 

QuESNADA,  Antonio  de,  Indice  general  y  particular  de  la 
libreria  del  coro  de  la  Santa  Iglesia  Metropolitana  y  Patriarcal 
de  Se\nlla.  Madrid  1816.  8«.  24  p. 

Valentinelli,  p.  102  f.  gibt  einen  guten  resumirenden 
Ueberblick. 

RiANo,  Jüan -F.,  Critical  and  Bibliographical  Notes  on  early 
Spanish  music,  London  1887,  p.  130  gibt  gleichfalls  eine  aus- 
führliche Beschreibung  dieser  stattlichen  Sammlung,  die  (nach 
ihm)  gegen  200  Bände  zählt. 

(FiTA  Y  CoLOM*,  Fidel)  Bosquejo  de  la  Exposicion  hist6rico- 
Europea  Madrid  1892,  p.  31  f.  erwähnt  als  von  Seite  des  Capitels 
und  Palacio  Arzobispal  ausgestellt:  (1)  Un  libro  coral,  que  con- 
ticne  la  misa  de  la  Ascensiön  hasta  el  martes  despuös  de  Pente- 
costes,  con  preciosas  orlas;  (2)  otro  libro  coral  cuyas  margenes 
estan  adornadas  con  hojas  y  variadas  flores  (3)  otro  libro, 
tambicn  coral,  de  la  Asunciön  y  la  Coronaciön  de  la  Virgen 
con  el  Padre  Etemo  y  cuatro  dngeles  (4)  otro,  tambien  coral 
estilo  mudejar,  siglo  XVI,  con  finisimas  labores  azul  y  rojo. 

435«  Bihlioteca  del  Arzopispo, 

Haenel,  Catalogi,  col.  978:  nuUos  Codices. 

Valentinelli,  p.  103  f.,  der  über  die  Geschichte  der  Biblio- 
thek eingehender  handelt,  bemerkt  aber:  Conta  appena  trenta 
codici  manoscritti . . .  fra'  quali  fe  una  copia  dello  Statute  di  Si- 
vigUa,  eseguita  nel  secolo  decimosettimo  in  un  codice  membra- 
naceo  in  foglio. 

426,  Bihlioteca  Universitär ia. 

Die  Bibliothek  wurde  1838  durch  könighches  Decret  ge- 
grilndet,   welches  ihr  als  Hauptfonds   die  Bestände  der  aufge- 


liobencn  Klttelcr  bestimmte;  erst  im  Jahn  Ib-ti; 
Inatfllliniug  be);<)uniiu. 


stailu  <ln  la  liibliutccs  pniTincüil  y 


1.  MiioicirüiH  »obre  el 
ittdvrreitnria  de  St^villa  cn  ol   aiio  de  ISöl   .  ,  ,  cit-'rita    por    el 
Dr.  D.  Ventura  Camiiebo  y  Carbajo,   Sevilla  lf<63. 

Amlliclicr  Bericht,  in  den  liandschriftlichen  Aafxeicitimiigcn 
Lodwc'fl  ri^siatrirt.  Die  Maniiseripto  werden  nur  i^clcßoDÜiiJi 
iHdumdcIt 

2.  Zetklkatnlog,  den  Ewald  und  Loewo  btmlUzten. 

B.  Druckwerke, 

Valentinbli-i.  p.  104 — 106  geschiclidichfir  RUckbliek,  p.  106 
Anfgablmig  einiger  Ilandschriftcn. 

GitAux,  Rapport,  p.  120  f.  spricLt  von  einf-m  ,Gabincl  des 
nuuiDBerit«  asscz  riebe'.  Diese  Be»eiehunng  w^re,  waa  den 
Werth  der  Handschriften  anlangt,  zu  limitircn.  Unter  den  codd. 
findnt  sich  ein  ^iecbischu»  &laniiflcri]>t,  Demosthenes  aaoc  XVI> 
UBch  Granx  ,k  p&u  prits  sans  valeur'. 

EwAui  büsebrcibt  p.  381f.  drei  Handscbriflen. 

Aniiakio  dcl  Cuerpü  facultativo  de  Archiveroa  I.  (1881), 
p.220f.  über  GrUndimg  und  Bostände  der  Bibliothek;  IL  (18S2), 
p,  IGl  ff.  brin^  nebst  Fortsetzung  der  Berichte  ans  dem  I.  Bani)a 
auE  p.  16!t  einen  apändicc  :  manuaeritoa. 

Martin -Viujt,  Antomo,  Hemiiia  histdricA  de  U  Univcrsidnd 
do  Sevilla  y  deacripciön  de  bu  jglesia.   Sevilla  Ifiät!, 

P,  86  Über  die  Einverleibung  der  Bibliothek  des  AyoD- 
UUniento  aus  Ü.  Acacio  (vgl.  dieei^n  Artikel),  leider  ohne  Nunuuitg 
der  einzelnen  RestAnde. 

(FiTA  V  OoLOMk,  FißHi.)  Botii^nejo  de  la  Expt)sicjitu  liiatari«o> 
ICnropea,  Madrid  lHfl2,  erwftbnt  p.  44  als  von  dlcacr  Uibliothuk 
HiBpcstellt ;  una  Sagrada  Hibliu,  eou  glosas  du  Xteidis  de  l-yn, 
de  la  primera  mitad  deJ  siglo  XV,  eäcritii  en  cinco  volAmencC| 
m  vitela,  con  lajosa  ornanientAeiAn  por  manilnto  de  l'ür  AlVla 
de  Rivcra. 

Luewe  bat  autt  der  Sammlung  einige  wenige  llunilacliriftt'll 
Ab  bonchtenswcrth  verzeichnet,  die  zasummcn  mit  der  Ui*U:  na« 
dorn  Annario  ver/iflenüicht  werden  sollen. 


Aiugogeben  am   IT.  Mai  1893. 


3  6105  127  166  077 


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