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Full text of "Sitzungsberichte - Bayerische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse"

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Sitzungsberichte 


der 


mathematisch  -physikalischen  Classe 


der 


k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  IVEtinchen. 


oy   1 1  f  i: 


UNIVERSITY 
•sfCALIFOHt^ 


Band  XXVIII.    Jahrgang  1898. 


München« 

Verlag  der  k.  Akademie. 
1899. 

In  GomaiiwioD  de«  6.  Fraiii*Mhen  YarUgs  (J.  Boib). 


1 


^  /A"/5" 


.  I 


^^ 


Akadevitcbf  BoehdinekerM  tob  F-  Sinub  in  MflneheD. 


Uebersicht 

des  Inhaltes  der  Sitzungsberichte  Bd.  XXYIII 

Jahrgang  1898. 


Die  mit  *  bMeiehneten  Abhandiiuigen  sind  in  den  Sitsongsbenohten  niohfc  abgodraekt. 

OeffenĂśiche  SUeung  der  kgl,  Akademie  der  Wissenschaften  zur  Feier 
des  139.  Stiftungstages  am  15.  März  1898.  geite 

V.  Pettenkofer:   Ansprache 428 

V.  Voit:   Nekrologe 480 

Oeffentliche  SUaung  zu  Ehren  Seiner  Majestät  des  Königs  und  Seiner 
Königl.  Hoheit  des  Primregenten  am  12.  November  1898. 

V.  Pettenkofer:   Eröfi&inngsre^äe^    *.  ^ 581 

Wahlen 686 


Sitzung  vom  15.  Januar  1898. 

W.  V.  G  um  bei:  Ueber  die  in  den  letzten  Jahren  in  Bayern  wahr- 
genommenen EIrdbeben 8 

*R.  H artig:    üeber  den  Einflius  der  Ausäatung  und  der  Wurzel- 
vermindening   auf  die  Grösse,  Form   und  anatomische  Zu- 
sammensetzung des  Holzzuwachses  der  Bäume       ...         1 
J.  II.  Franke:  Koordinaten-Transformationen  in  geodätischen  Drei- 
ecknetzen   19 

F.  Lindemann:   Ueber  gewisse  Umkehrprobleme  aus  der  Theorie 

der  elliptischen  Integrale 87 

E.  V.  Fedorow:   Die  Resultate  der  Feldspathstudien       ...      65 
A.  Pringsheim:    Zur  Theorie  des  Doppel  -  Integral»       ...       69 

8.  V.  Merz:  Das  Fraunhofer- Objectiv 75 

J.  Stark:    Ueber  Ausbreitung   von  FlĂĽssigkeiten    und   damit   zu- 
sammenhängende Erscheinungen 91 


IV 


Sitzung  vom  o.  Februar  1898,  Q^Oe 

*E.  Selenka:    Uf^ber  die  Architektur  des  Orangutan-Schiulels       .  111 

ÂŁ.  V.  Lommcl:    lieber  aus  Kalkspath  und  GIbiS  zusammengesetzte 

Nicol'sche  Prismen             111 

P.  Ulan:    Theoretische    Untersuchungen    über    elostiarhe    Körper 

und  Elektrizität 117 


Sltzamj  vom  5.  März  1898. 

*R.  Hertwig:    Uober  Befruchtung   und  Kemtheiiuug  bei  Actino- 

sphaerium  Eichhomi 127 

A.  Korn:    a)  Ueber  die  EntĂźtehung  des  Erdmagnetismus  nach  der 

hydrodynamischen  Theorie 129 

b)  Ueber   die    Erhaltung   des    dielektrischen    Zustandes 
einer  inkompressiblen  FlĂĽssigkeit  .185 

H.  »Seeliger:   Ueber  die  Grössenklassen  der  telescopischen  Stonc 

der  Bonner  Durchmusterungen 147 

F.  Lindemann:    Ueber   die   Drehung   eines   starren   Körpers    um 

seinen  Schwerpunkt 181 

W.  Dyck:    Beiträge  zur  Potentialtheorie 203 


Sitzung  vom  4.  Mai  1898, 
*C.  V.  Kupffer:   Ueber  die  Stcmzellen  der  Leber   ....    225 


Sitzung  vorn  11,  Juni  1898. 

J.  Ranke:  Ueber  den  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  bei  den 

Primaten 227 

*E.  Selenka:  Ueber  die  erste  Embryonalanlage  der  Menschenaffen    226 

K.  Schwarzschild:    Ueber  die  Beugungsfigur  im  Femrohr  weit 

ausserhalb  des  Focus 271 

*H.  Seeliger:  Betrachtungen  ü^  er  die  räumliche  Vertheilung  der 

Fixsterne 226 

A.  Pri  n gsh eim :  a)  Ueber  die  Convergenz  unendlicher  KettenbrĂĽche    296 

b)  Ueber  die  ersten  Beweise  der  Irrationalität  von 
e  und  Ji 825 


SitjBung  vom  2,  Juli  1898. 


Seite 


*H.  Seeliger:  Betrachtungen  über  die  räumliche  Vertheilung  der 

Fixsterne 368 

L.  Fomm:  ĂĽeber  eine  neue  Erscheinung  bei  elektrischen  Ent- 
ladungen in  verdĂĽnnten  Gasen 366 

ÂŁ.  â–Ľ.  Weber:   Ueber  Schaaren  von  Bilinearformen  369 

L.  V.  Seidel:  Üeber  die  Bedingungen  möglichst  präciser  Abbil- 
dung eines  Objekts  von  endlicher  scheinbarer  Grösse  durch 
einen  dioptrischen  Apparat.  Aus  dessen  Nachlasse  heraus- 
gegeben von  S.  Finsterwalder 395 


Sitzun{ji  vom  5.  November  1898. 

*H.  Soler^der:   Systematische  Anatomie  der  Dikotyledonen         .    496 

*H.  Seeliger:   111.  Band  der  neuen  Annalen  der  Sternwarte  zu 

MĂĽnchen 496 

*A.  Bergeat:    Ueber  die  äolischen  Inseln 495 

H.  Ebert:   Unsichtbare  Vorgänge  bei  elektrischen  Gasentladungen    497 

Siieung  vom  3,  Dezember  1898. 

*W.  Königs:  Gedenkfeier  des  60.  Todestages  von  Berzelius    .  638 

*W.  Dyck:  Encyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften  638 

F.  Doflein:  Bericht  ĂĽber  meine  Reise  nach  Westindien  und  Nord- 
amerika       689 


Einsendungen  von  Druckschriften 339,  575 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  15.  .Taiiuar  1898. 

1.  Ilurr  W.  V.  (iCMMKL  h'jjft  durch  den  (^las.soiisocretär  eine 
Abhandlung:  -U<*ber  die  in  drn  letzten  Jahren  in  Bayern 
wahrgenommenen  Erdbeben*"   vor. 

2.  Herr  [{(»ukkt  Uauti«;  hält  einen  Vortrag:  ,Ueber  den 
Einfluss  der  Ausästung  und  der  Wurzel  Verminderung 
auf  die  (t rosse,  Form  und  anatomische  Zusammen- 
setzung des  Holzzmvachses  der  I^äume."  üerselbt?  wird 
anderweit  V(»röttentlicht   werden. 

J$.  Herr  Karl  v.  (.)kff  ĂĽberreicht  einen  Aufsatz  des  Herrn 
Steuerratlies  J  )r.  .1 .  H.  F bax k k  :  ,  U  e  b  e  r  ( â–   o o  r d i  n  a t  e n  -  T  r a n  s - 
formationen  in  geodätischen  Dreiecken.** 

4.  Herr  Fkuihnaxu  Linmemanx  macht  ein«^  Mittheilung: 
„Ueber  gewisse  l'mkeliri>robleme  aus  der  Theorie  der 
elliptischen  Integrale." 

5.  Herr  Paii.  Gimth  h*gt  eine  Arbeit  des  correspcmdirendtui 
Mitgliedes  Professor  KiMKArii  v.  FKimiidw  in  Moskau:  ,l)ie 
Resultate  der  Feidspatlistudien"   vor. 

1898.  Sitxnngsb  d.  math.-phys.  Gl.  1 


6.  Herr  Alfred  Pringsheim  spricht:  ,Zur  Theorie  des 
Doppel-Integrals." 

7.  Herr  Hugo  Seeligee  berichtet  ĂĽber  eine  der  Akademie 
eingesandte  Abhandlung  des  Herrn  Direktors  Sigmund  y.  Merz: 
„Das  Fraunhofer-Objektiv.'* 

8.  Herr  Eugen  v.  Lommel  legt  eine  Arbeit  seines  SchĂĽlers 
Dr.  J.  Stark:  „lieber  Ausbreitung  von  Flüssigkeiten'*  vor. 


Ueber  die  in  den  letzten  Jahren  in  Bayern  wahr- 
genommenen Erdbeben. 

Von  C.  W.  Y.  GĂĽmbel. 

{Emgtlau/in  15.  Jamuair,) 

Die  in  der  zweiten  Hälfte  des  Monats  October  und  während 
des  ganzen  Novembers  1897  am  SĂĽdrande  des  Erzgebirges,  im 
Vogtlande  und  im  Fichtelgebirge  wahrgenommenen  Erdbeben 
geben  mir  zunächst  Veranlassung,  das  von  mir  in  den  Sitzungs- 
berichten unserer  Akademie  (Sitzungsber.  d.  mjith.-phys.  (^asse 
d.  k.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1889.  Bd.  XIX.  Heft  1)  gegebene 
Verzeichniss  der  ĂĽberhaupt  in  Bayern  verspĂĽrten  ErderschĂĽtte- 
rungen weiter  fortzufüliren,  zu  vervollständigen  und  frühere  An- 
gaben th  eil  weise  richtig  äu  stellen. 

I.  Nachträge  und  Berichtigungen  des  oben  erwähnten 

Verzeichnisses. 

Es  ist  nicht  zweifelhaft,  dass  aus  der  älteren  Zeit  nur  über 
die  bedeutendsten  Erdci*schĂĽtt(*rungon  Xachrichten  erhalten  ge- 
])lieben  oder  in  alten  Chroniken  verstockt  sind.  Es  ist  Folgen- 
des nachzutragen: 

1117. 

Ueber  das  angeblich  vom  Jahre  1116  am  3.  Januar  ver- 
zeichnete Erdl)eben  finden  sich  sichere  Nachricliten  in  Ludwigs 
Scri])tores  rerum  bambergensium  (I.  100,  454).  Darnach  hat 
dasselbe  am  3.  Januar  1117  stattgefunden  und  grosse  ZersUirun- 
gen  verursacht.  Die  Domkirche  in  Baml)ĂĽrg  z.  B.  wurde  so 
stark  beschädigt,  dass  sie  neu  aufgebaut  werden  niusste.*)  Wohl 

»)  Riohl,  Heil.  /..  Allgem.  Zeit,  vom  G.  Aug.  1886). 

1* 


4  SĂĽgung  der  math.-phys,  Classe  vom  15.  Januar  1898. 

auf  dasselbe  Ereigniss  bezieht  sich  auch  die  Nachricht,  das»  in 
Berchtesgaden  ganze  Felsen  von  den  Bergen  herabgestĂĽrzt  seien. 

1348. 

Von  dem  Erdbeben  des  Jahres  1348  wird  von  Weihen- 
stephan und  Passau  (Baycrland  1891  S.  37)  gemeldet,  dass  die 
Häuser  und  Kirchen  schwankten,  und  die  Glocken  anschlugen. 
Die  Leute  sollen  von  heftigem  Koi)fweh  und  Taumel  befallen 
worden  sein,  so  dass  sie  hin  und  her  wankten. 

1690. 

Die  schrecklich  zerstörende  Erderschiit terung  vom  4.  De- 
zember 1690,  welche  besonders  in  Wien  grossurtige  Verheerun- 
gen anrichtete,  erstreckte  sich  auch  nach  Villach,  wo  ftist  alle 
Kirchen  umgestĂĽrzt  und  60  Personen  getiultet  wurden.  Dieses 
Erdbeben  dehnte  sich  bis  NĂĽrnberg,  Kegens])urg.  Augsburg 
und  MĂĽnchen  aus,  wo  die  Glocken  anschlugen. 

1822. 

Aus  dem  Jahre  1S22  wird  berichtet,  dass  am  18.  März. 
Abends  von  9  bis  12  Uhr  in  Greding  eine  ErderschĂĽtterung 
verspĂĽrt  wurde. 

18G5. 

In  den  Angaben  ĂĽber  das  Erdbeben  von  Kundel  im  Inn- 
thal  soll  es  statt  Februar  Januar  heissen. 

1868. 

Am  22.  Dezember  dieses  Jahres  wurde  eine  ErderschĂĽtte- 
rung in  Innsbruck  beobachtet,  die  wohl  auch  bis  in  das  Unter- 
innthal sich  erstreckt  hat. 

1870. 

Dfis  Erdbeben  vom  19.  April  1870,  welches  im  Unterinnthal 
wahrgenonmien  wurde,  begann  um  12 '/a  Uhr  Xacht^  und  wieder- 
holte sich  am  20.  un<l  30.  April  (11  Uhr  Nachts)  sowie  am 
1.  Mai  dieses  Jahres. 

1886. 

Aus  diesem  Jahre  wird  ein  Erdbeben  am  G.  Juni,  Abends 
9^/4  l  In*,   in  Lalir  angezeigt,  und  am  9.  Oktober,  Abends  h.  6  */4 


c,  GĂĽmbel:    lieber  die  Erdbeben  in  Bayern,  o 

wurde  eine  äliiiliclie  Ertlerschütterung  zwischen  Strassburg  und 
Kappel  wahrgenoninien. 

1888. 
Das  Erdbeben  vom  2H.  I)ezeni])er  dieses  Jjilires.  welclies 
hauptsĂĽelilich  im  Vogtlande  auftrat,  erstreckte  sich  in  SVV-Kicli- 
tung  bis  in  die  Gegend  von  Hof,  wie  es  aucli  im  Dorfe  Feil  itzsch 
(SO.  von  Hof)  wahrgenonnnen  wurde.  (Vgl.  Credner  in  Bericht, 
d.  k.  säehs.  Ges.  d.  Wiss.  math.-})hys.  Classe  v.  11.  Febr.  1889.) 

1889, 

Am  7.  Januar  dieses  Jahres  versj)ĂĽrte  man  in  WĂĽrttmnberg 
eine  Erderschiltterung,  welche  auch  in  Ulm  wahrgenommen 
wurde. 

Da,s  am  0.  Februar  erfolgte  Neuburger  Erd))eben  machte 
sich  auch  in  Möckenlohe,  10  km  NXW.  von  Neuburg,  5  Mi- 
nut^'n  später  als  in  der  Stadt  und  ufich  der  Angabe  des  HcTrn 
Pfarrers  Bayer  in  Ochsenfeld,  12  km  N.  von  Neuburg,  durch 
Fensterklirren  ))emerkl)ar. 

1890. 

In  der  Nacht  vom  2o.  auf  24.  Januar  soll  ein  Erdbeben 
in  Schierling  in  Niederliayern  durch  Ersdiütterung  der  Gel)äude 
angedeutet  worden  sein.  Bestimmteres  und  Nähere^s  war  hier- 
ĂĽber nicht  zu  ermitteln. 

Am  2<>.  März  desselljcn  Jahres  ereignete  sich  in  einrm 
grossen  Theil  von  Tirol  um  i)  Vhv  1")  Minuten  Abends  ein 
deutlich  lilhlbarer,  1  5  St'cun«len  an<ljiuerndrr  Krdstoss  in  der 
Richtung  von  SO.  nach  NW.  Nach  T)  Minuten  folgte  ein 
zweiter,  jedoch  schwächerer  Stoss.  ( Milnchener  Stadtzeitung  vom 
19.  April  189():  zahlreiche  Tiroler  Zeitungen.)  Nach  Herrn 
Oberst  a.  D.  Forster  wurde  dieselbe  ErsdiĂĽtterung  auch  in 
Partenkirchen  um  9  Thr  l.")  Minuten  wahrgenonnnen. 

Herr  Kektor  Seinem niel  in  Kissingen  glaubt  am  'M).  Sep- 
tendjer  um  1  Uhr  21  Minut<'n  Mittags  eine  /.ittenide  Erdbewe- 
gung in  der  Kichtung  von  SO.  nach  NW.  mit  einer  Dauer  von 
1  '/a  Minuten  beo]»aclit(?t  zu  haben. 

Herr  Ajjotlieker  llintermaier   in  Wegschei«!   bei   Piissau 


6  SĂĽĂźung  der  mathrphys,  Classe  vom  15,  Januar  1898, 

berichtet,  dass  am  24.  November  d.  Js.  bei  einem  orkanartigen 
SVV.-Sturni  um  h.  1^  1^,  1^  1»  und  V^  j).  erdbebenartige  Stösse 
und  um  1**  p.  ein  heftiger,  etliche  Sekunden  anhaltender  Erd- 
stoss  stattgefunden  habe.  Diese  Angaben,  sowie  die  nächst- 
folgenden Berichte  verdanke  ich  der  sehr  gefalligen  Mittheilung 
des  Herrn  Direktor  der  hiesigen  meteorologischen  Centralstation 
Dr.  Erk  (M.  C.  S.),  fĂĽr  die  ich  hier  meinen  verbindlichsten  Dank 
ausspreche. 

1891. 

Aus  diesem  Jahre  liegt  eine  Mittheilung  des  Herrn  Apo- 
thekers Mielbach  in  Obcmzell  bei  Passau  vor,  worin  berichtet 
wird,  dass  am  28.  Juli  um  h.  V^  A.  ein  Erdbeben  in  der  Rich- 
tung von  NO.  nach  SW.  wahrgenommen  wurde.  Dabei  liess 
sich  ein  donneriihnliches  Kolleii  unter  der  P]rde  hören  und  in 
einig(Mi  kleineren  (?)  Häusern  gewaltige  Erscliütterungen  wahr- 
nehmen (M.dJ.S.). 

1893. 

Nach  der  Angal)e  des  Herrn  Greuzoberaufsehers  Griin- 
thaler  in  Breitenberg  an  der  Landesgrenze  bei  Passuu  soll 
daselbst  am  17.  März  um  h.  9*^  und  H)**  A.  die  Wirkung  von 
Erdstössen  bemerkt  worden  sein  (M.C.S.). 

1894. 

Herr  P.  Franz  Seraph  Adelhard  in  Volkersburg  machte 
die  Mittheilung,  dass  am  11.  Juli  h.  P*  p.  zwei  rasch  aufeinander 
folgende  Erdstösse  in  senkrechter  Richtung  gespürt  worden 
seien,  die  auch  von  anderen  Hausbewohnern  wahrgenommen 
wurden  (M.C.S.). 

1895. 

Von  Partenkirchen  ging  von  dem  Herni  Lehrer  E.  Peter  der 
Bericht  ein,  dass  er,  als  er  am  1.  rfanuar  h.  8*^  p.  lesend  in  seinem 
Zimmer  sass,  durch  eine  eigenthĂĽmliche  Bewegung  des  Bodens 
erschreckt  wurde.  Sümmtliche  Gegenstände  im  Zimmer  schienen 
ihm  eine  Bewegung  gegen  W.  und  eine  kleine  Senkung  zu 
machen,  wobei  ein  leises  Knirschen  an  der  Zimmerdecke  hör- 
bar wurde    und    ein   feiner  Kalkstaub   in    geringer   Menge   zu 


lieber  die  Erdbeben  in  Bayern.  7 

Boden  fiel.  Ein  an  die  Wand  gelohnter  Six)ck  iiel  um.  Etwa 
eine  Sekunde  nacli  dieser  ErschĂĽtterung  machte  sich  ein  dumpfes 
dem  Geräusch  ehies  sclmtdl  vorüberfahrenden  beladenen  Wagens 
vergleichbares  Itollen  hörbar.  Das  Ereigniss  mag  2  ^/a  Sekunden 
angedauert  haben. 

Herr  A.  Kiendl,  der  Vorstand  der  Distriktsschnitzerscluile 
gab  an,  dass  diese  Bewegung  des  Hauses  mit  der  ErschĂĽtterung 
bei  einem  heftigen  Sturme  sich  hätte  vergleichen  lassen.  Zugleich 
hörte  auch  er  ein  Klirren  der  im  Zimmer  aufgestellten  Xipp- 
sachen.  Ueber  das  gleiche  Ereigniss  berichtete  Herr  Dr.  Erdt 
telegraphisch,  dass  an  gleichem  Tage  um  h.  M^  [>.  in  vier  ver- 
schiedenen Wohnungen  eine  leichte  ErderschĂĽtterung  beobachtet 

worden  sei. 

1896. 

Von  Reichenhall  wird  gemeldet,  dass  am  15.  September 
FrĂĽh  7  Uhr  einige,  8~  4  Sekunden  andauernde,  senkrecht  ge- 
richtete Erdstösse  von  solcher  Stärke  gesj)ürt  wurden,  dass  die 
Schläfer  aufgeweckt  wurden. 

II.  Erdbeben  im  Jahre  1897. 

Im  Jahre  18J)7  ereigneten  sich  in  zwei  Landstrichen  Bayerns 
Erdbeben;  im  Anfang  des  Jahres  im  Bayerischen  Walde  und 
gegen  Ende  des  Jahres  im  Fichtelgebirgsgebiete. 

Ueber  das  erstgenannte  Krdbeben  am  5.  Januar  lit*gen  selir 
zahlreiche  Einzelberichte  vor,  welche  mir  der  Herr  Vorstiind 
der  b.  meteorologischen  ( -entralstation  in  MĂĽnchen  Dr.  Erk 
mitzutheilen  die  UĂĽte  liatte.      Ks  sind  frdgende: 

Von  Herrn  Fabrikbesitzer  Mt;nzel  in  ELsenthal  bei  Grafenau 
(Bayer.  Wald)  wird  berichtet,  dass  am  Morgen  des  5.  Januars 
etwa  um  h.  7  Va  ein  Brausen  ähnlich  dem  Geräusche  einer 
Dreschjnaschine  gehört  wurde,  weUdiem  am  Knde  ein  kräftiger 
Erdstoss  folgte.  Bei  letzterem  klirrten  die  Frnster  und  zitter- 
ten die  Lampen.  In  drr  Fabrik  hielt  man  die  HrschĂĽttt^rnng 
zuerst  fĂĽr  die  Folge  einiT  Kxplosion  eines  Kochgcfasses.  Die 
Witterung  war  trnl)e;  «loch  hellte  sich  sofort  nach  dem  Ereig- 
nis« der  Himmel  auf. 


8  Sitzung  der  math.-phya,  Ă–lasse  vom  15,  Januar  1698, 

Von  Finster  au  kam  die  telegraphische  Meldung  vom 
Herrn  Förster  Lautenschlager,  dass  an  gleichem  Tage  Mor- 
gens 8  Uhr  ein  Erdbeben  stattgefunden  habe. 

Aus  Grafenau  wird  von  Herrn  Dr.  Späth,  k.  Bezirks- 
arzt, gemeldet,  dass  an  gleichem  Tage  Morgens  7  Uhr  50  Mi- 
nuten ein  10  Sekunden  andauernder,  von  N.  nach  S.  gerichteter 
Erdstoss  verspĂĽrt  wurde,  wobei  Fensterklirren,  Bodenschwan- 
kungen und  starkes  ilollengeräusch  sich  wahrnehmen  liess.  Der 
Barometer  zeigte  nacliher  steigende  Tendenz.  Schon  in  der 
vorausgehenden  Nacht  machte  sich  vorĂĽbergehend  ein  leises, 
donnerähnliches  Geräusch  bemerkbar. 

In  Wolf  stein  (bei  Freyung  i.  W.)  trat  nach  einer  Mit- 
theilung des  Herrn  Forstmeisters  Seidenschwanz  an  gleichem 
Tilge  Morgens  7  Uhr  58  Minuten  eine  erdbebenartige,  5 — 6  Se- 
kunden andauernde  ErschĂĽtterung  nach  einem  vorausgegangenen 
2 — 3  Sekunden  langen  Sausen  ein. 

In  Grammertshof  bei  Untergriesbach  ereignete  sich  an 
diesem  Tage  Morgens  7  Uhr  45  Minuten  ein  von  SO.  nach 
NW.  gerichtetes  Erdbeben,  das  mit  donnerähnlichem  V«  Minute 
andauerndem  Geräusch  verbunden  war  (Richtsfeld). 

In  Untergrainet  und  Umgegend  wurde  von  dem  Herrn 
Lehrer  Bothschafter  am  genannten  Tage  FrĂĽh  h.  7**  eine 
5  Sekunden  andauernde  ErderschĂĽtterung  mit  heftigem  unter- 
irdischen Donnern  beobachtet.  ThĂĽren  sprangen  auf,  einzelne 
schadhafte  Kamine  stĂĽrzten  z.  Th.  ein,  Fenster  klirrten,  ge- 
zimmerte Häuser  krachten  in  ihren  Fugen,  einzelne  Brunnen 
versiechten  auf  kurze  Zeit  und  lieferten  hernach  trilbes  Wasser. 
Dabei  herrschte  ein  helles,  windstilles  Wetter.  Bemerkenswerth 
war,  dsiss  oft  in  ein  und  derselben  Ortschaft  das  Erdbeben  theils 
sehr  stark,  theils  sehr  schwach  verspĂĽrt  wurde. 

Aus  Schönbrunn  wird  von  Herrn  Förster  Hermann  ge- 
meldet, dass  daselbst  und  in  der  Umgegend  unter  donnerähn- 
lichem Get(>se  ein  4  Sekunden  andauernder  starker  Erdstoss  in 
der  Richtung  von  NW.  nach  SO.  verspĂĽrt  wurde. 

In  Spiegelau  machte  sich  nach  dem  von  Herrn  Forst- 
meister Blum  mitgetheilten  Bericht  am  gleichen  Tage  Morgens 


r.  GĂĽmbel:    Ueher  die  Erdbeben  in  Bayern,  0 

7*/4  Uhr  ein  auch  in  der  Umgegend  wahrgenonnnener  ziemlich 
heftiger  Erdstoss  in  Begleitung  eines  unterirdisclien  lloUens 
von  5 — 8  Sekunden  Dauer  in  solcher  Heftigkeit  bemerkbar, 
dass  die  ErschĂĽtterung  auch  in  aus  Steinen  massiv  gebauten 
Gebäuden  walirgenonuuen  wurde.  Im  Wähle  wollen  Holz- 
hauer mehrere  aufeinander  folgende  St<)sse  in  NW.-Jlichtung 
gespĂĽrt  haben. 

Aus  Klingen  hrunn  (8:^0  m  Höhenlage)  berichtet  der  Herr 
Forstmeister  Hundertpfund,  dass  am  genannten  Tage  kurz 
vor  8  Uhr  eine  ErderschĂĽtterung  wahrgenommen  wurde.  Bei 
einer  um  diese  Zeit  gelesenen  Messe  wurde  plötzlich  der  Kaum 
der  kleinen  Kapelle  erschĂĽttert,  sodass  die  Fenster  klirrten  und 
die  Andächtigen  beängstigt  wurden.  Waldarbeitern  fiel  diese 
ErschĂĽtterung  gleichfalls  auf.  Ihre  Richtung  konnte  nicht  ge- 
nau festgestellt  werden,  doch  scheint  sie  von  SO.  nach  XW. 
verlaufen  zu  sein.  Das  Barometer  war  ein  klein  wenig  gefallen, 
sonst  aber  das  Wetter  kalt  bei  fast  völliger  Windstille.  Der 
erste  Eindruck  des  Ereignisses  war  der,  dass  eine  mächtige 
Schneemasse  schwerfällig  polternd  und  diis  Haus  erschütternd 
sich  vom  Dache  abgelöst  hätte. 

Aus  Buchen  au  bei  Zwiesel  theilt  Herr  von  Poschinger 
mit,  dass  der  Erdstoss  vom  5.  Januar  Morgens  etwa  um  7  Uhr 
50  Minuten  daselbst  nur  schwach  versi)ĂĽrt  wurde. 

Nach  diesen  Einzelangaben  scheint  das  an  sich  schwaclie 
Erdbeben  vom  5.  Januar  1^97  auf  einen  relativ  kleinen  schmalen 
Strich  des  Bayerisch«Mi  Waldes  längs  dc^r  Ijandesgrenze  gegen 
B<)hmcn,  südöstlich  von  Zwiesel  —  Buchenau  ausgenonnnen  — 
sich  beschränkt  zu  haben.  Weder  von  Zwiesel  selbst,  noch  von 
liegen,  Bodenmais  oder  Pa,ssau  liegen  Erdbel)enmeldungen  vor. 
Auch  aus  Böhmen  sind  mir  nähere  Angaben  hierüber  nicht 
bekannt  gewor»len.  Im  Allgj'inciiien  stiniintm  die  Angaben  der 
Zeit  des  Eintrittes  der  ErschĂĽtterung,  welche  zwischen  7^/4  bis 
kurz  vor  S  Ulir  Morgens  sii:h  ereignete,  ĂĽbenĂĽn.  Bei  dem  un- 
gleichen und  ungenauen  ^^aiig  «Ut  verschiedenen  Uhren  ist  je- 
doch eine  sehr  genaue  Zeitbestim nunig  ausgeschlossen.  Dies 
gilt  auch  von  der  Dauer  des  Ereignisses.    Nähere  Bestinnnungeu 


10  SĂĽeung  der  mcUK-phys,  Glosse  vom  15,  Januar  J898, 

des  Epi-  und  Hypocentruins,  sowie  ĂĽber  die  Tiefe  des  Erschtitte- 
rungsherdes  lassen  sich  desshalb  nicht  machen.  BezĂĽglich  der 
Stossrichtung  hen^cht  ziemliche  Uebereinstimmung  von  SO. 
nach  NW.,  was  auch  mit  dem  geotektonischen  Aufbau  des 
hauptsächlich  aus  Gueiss  bestehenden  Gebirgs  übereinstimmt. 
Die  Ursache  des  Erdbebens  scheint  auf  einer  ziemlich  räumlich 
beschränkten  Auslösung  von  Spannungen  zu  beruhen,  welche 
in  der  Tiefe  zwischen  verschiedenen  Gesteinen  sich  vorfanden. 
Das  Erdbeben  gehört  demnach  zu  den  sogen,  geotektonischen. 

Das  erzgebirgisoh-vogtländiscli-flchtelgebirgische  Erdbeben  in 
den  Monaten  Oktober  und  November  des  Jahres  1897. 

TJeber  das  durch  seine  lange  Dauer  ausgezeichnete  Erd- 
beben gegen  das  Ende  des  Jahres  1897  liegen  zahlreiche,  meist 
Zeitungsberichte  vor.  Die  z.  Th.  sehr  starken  ErschĂĽtterungen 
ereigneten  sich  in  den  Landstrichen  am  SĂĽdrande  des  Erz- 
gebirges, im  Vogtland  und  im  Fichtelgebirge,  welche  schon 
vielfach  von  Erdbeben  heimgesucht  worden  sind.  Sie  scheinen  der 
Hauptsache  nach  den  grossen  Störungsrichtungen  und  Gebirgs- 
zerklĂĽftungen  zu  folgen,  welche  einerseits  das  Erzgebirge  begleiten, 
andererseits  dem  Zug  des  ThĂĽringerwaldsystems  entsprechen. 

Der  Hauptstoss  des  Erdbebens  wurde  nach  der  in  der  Beilage 
der  Zeitung  Bohemia  vom  12.  November  gegebenen  Nachricht  zum 
erstenmal  am  24.  Oktober,  namentlich  in  der  Gegend  von  Gras- 
litz,  30  km  NO.  von  Eger,  nahe  der  sächsischen  Grenze  am  Süd- 
rande des  Erzgebirges,  Nachmittags  kurz  vor  5  Uhr  nach  einigen 
schwachen  Stc>s8en  in  den  Morgenstunden  beobachtet,  wo  Herr 
Dr.  Bäuml  den  in  den  folgenden  Tagen  sich  wiederholenden 
seismischen  Erscheinungen  sachgemässe  Aufmerksamkeit  wid- 
mete. Herr  Prof.  Dr.  Beckl  in  Prag,  Mitglied  der  österr. 
Erdbeben-Commission,  berichtete  hierüber  in  einer  öffentlichen 
Versammlung  in  Prag,  d«Tss  tlie  Erdbeben  in  Graslitz  nicht  auf 
vulkanische  Ursachen  zurückzuführen  seien,  in  der  Nähe  gebe 
es  keine  Vulkane.  Sie  gehörten  vielmehr  den  sogen,  tekto- 
ni sehen  oder  Gebirg8])eben  an.  Solche  seien  zwar  nicht 
häufig  in  Böhmen  bekannt,  jedoch  z.  B.  in  den  80  er  Jahren  in 


Ueher  die  KriJbchen  in  Bayern,  11 

der  Gegend  von  Trautona  sehr  lieftig,  dann  vor  etwa  einoni 
Jahre  in  Katliarinaberg  und  BrĂĽx  und  im  Januar  1807  in  Lusch- 
luauda  und  VVinterborg  verspĂĽrt  worden.  Seit  den  70  er  Jahren 
seien  bei  der  Erdbeben-Coininission  in  Brdnnen  ĂĽber  20  FĂĽlle 
der  ErderschĂĽtterungen  angemeldet  worden:  sie  seien  jedoch 
alle  bisher  gefahrlos  verlaufen.  Auch  die  Graslit/AT  Erdbeben 
hätten  keine  wahrnehmbaren  Spuren  der  Zerstörung  «in  festen 
Gegenständen  zurückgelas.sen,  seien  jedoch  von  starkem  unter- 
irdischen Rollen  begleitet  gewesen.  Von  Hof  im  Fichtelgebirgc 
schreibt  man.  dass  die  von  Brdimen  herĂĽberziehenden  ErschĂĽtte- 
rungen vom  25.  und  2\),  Oktober  Abends  in  Jäger  und  Götten- 
grUn,  nicht  aber  in  Hirsch])erg  und  Gefell  bemerkt  worden 
seien.  Dabei  wurde  ein  Rollen,  wie  das  Geräusch  von  einem 
auf  der  Landstrasse  fahrenden  Wagen  gelu'irt.  Auch  in  diesem 
Bericht  wird  die  Ui-sache  des  Ereignis.ses  auf  tektonische  Ver- 
hältnisse zurückgeführt,  welclie  sich  auf  Nachstür/e  im  b»di- 
luischen  Einbruchskessel  und  Schrumpfung  der  Erdrinde  ))ezögen. 

Aus  der  Saalegegend  wird  v(mi  2S.  Oktober  berichtet,  dass 
an  verschiedenen  Orten  des  Fichtelgebirgs  die  an  der  deutsch- 
böhmischen Grenze  bekannt  gewordenen  Erdst<)sse  auch  hier 
mehr  oder  weniger  verspürt  worden  seien,  während  von  PhuuMi 
die  Nachricht  kommt,  dass  im  ganzen  sächsisclien  Vogtlande 
die  ErscliĂĽtterung(Mi ,  deren  Mittelpunkt  bei  Untersachsenberg 
liege,  fortdauerten.  In  Asch  wiederholten  sich  die  schon  am 
25.  und  2H.  Oktober  aufgetretenen  seismischen  Krscheiiniugeii 
in  der  FrĂĽhe  am  :^0.  Oktober  unter  l^egleitung  eines  starken 
Dröhnens.  In  Graslitz  erneuerten  sich  am  21*.  Oktober  die  Krd- 
st(3sse  mit  detonationsartigem  Getr»se.  Hesonders  aclit  Stösse 
waren  heftig,  sodass  die  Bevölkerung  sehr  beunruhigt  wurde 
und  einzelne  Familien  die  Stadt  verliessen. 

Nähere  Angaben  aus  Graslitz  verdanken  wir  den  Beobach- 
tungen des  Herrn  Dr.  Bau  ml.  Darnach  wiederh<dten  sich 
merkliche  St<")sse  am  20.  Oktober  Abends  um  h.  H*«,  <)",  7^  1»»*. 
Es  folgten  dann  am  27.  Okto])er  Stösse  um  li.  5  Nachmittags, 
8*',  8",  10"  Abends,  ferner  am  2><.  Oktober  Morgens  h.  :^*» 
und  10»«  Abends,    ferner   am  21).  Oktober  h.   l*^   1"  Nachts, 


12  SĂĽzwxg  der  mathrphys.  Classe  vom  15.  Januar  1898. 

4***  Morgens  und  währten  seit  h.  6'*  stärker  werdend  die  ganze 
Nacht  vom  29.  auf  den  80.  Oktober.  Ein  heftiger  Stoss  erfolgte 
Abends  h.  7**,  der  auch  in  Bleistadt  wahrgenommen  wurde. 
Die  Stösse  beschränken  sich  auf  den  Südrand  des  Erzgebirges, 
wo  sie  in  Eibenberg-GrĂĽn berg  unfern  Graslitz  ihren  Mittelpunkt 
zu  haben  scheinen.  Weder  in  Neudeck  im  Erzgebirge,  noch 
in  Karlsberg  merkte  man  von  diesen  Erscheinungen  etwas; 
während  sie  auf  15 — 20  km  im  Umkreis  von  Graslitz  z.  Th. 
so  heftig  sich  zeigten,  dass  die  Häuser  zitterten,  die  Thüren 
und  Fenster  sich  bewegten  und  klirrten,  Mörtel  von  den  Wän- 
den fiel,  an  den  Wänden  hängende  Gegenstände  wankten,  z.  Th. 
zu  Boden  stürzten.  Meist  waren  die  Stösse,  deren  man  mehr  als  14 
in  dieser  Nacht  zählte,  4 — 5  Sekunden  dauernd,  und  von  NO.  nach 
SW.  gerichtet  von  dumpfem  dounerähnlichen  Rollen  begleitet. 

Während  man  in  dem  benachbarten  Klingenthal  (Sachsen) 
die  frĂĽheren  ErschĂĽtterungen  nicht  verspĂĽrte,  machten  sie  sich 
an  den  zuletzt  genannten  Tagen  deutlich  bemerkbar. 

Von  Liebenstein,  einem  Ort  NW.  von  Egcr  zwischen 
dieser  Stadt  und  Asch  kam  die  Nachricht,  dass  daselbst  schon 
am  25.  und  26.  Oktober  mehrere  ErschĂĽtterungen  sich  ereig- 
neten, am  29.  Oktober  Abends  h.  7**  aber  ein  besonders  starkes 
Erzittern  des  Bodens  mit  einem  nach  und  nach  sich  verlierenden 
lloUen  und  einem  leichten  Klirren  der  Fenster  bemerkt  wurde. 

Auch  Karlsbad  blieb  am  29.  Oktober  nicht  verschont, 
wurde  jedoch  stärker  von  dem  Erdbeben  des  7.  November  (Mor- 
gens vor  5  Uhr)  betrofifen.  Seine  Wirkungen  erstreckten  sich 
bis  gegen  Engelhaus  hin  mit  unterirdischem  dumi)fen  lioUen 
und  Bewegungen  von  NW.  nach  SO.  und  Trossau,  war  jedoch 
im  Ganzen  so  schwach,  dass  an  keiner  der  Mineralquellen  irgend 
eine  Einwirkung  sich  weder  in  der  Ergiebigkeit  noch  in  der 
Temperatur  bemerkbar  machte.  Karlsbad  scheint  mithin  schon 
an  der  äussersten  Grenze  des  Erschütterungsgebiets  zu  liegen. 

Diese  ErschĂĽtterungen  vom  7.  November  sind  nun  durch 
ihre  Verbreitung  und  theil  weise  starke  Wirkungen  besonders 
bemerkenswertli.  Von  Graslitz  schreibt  man  hierĂĽber,  dass  nach 
der  sehr  unruliigen  Nacht  vom  29.  auf  den  30.  Oktober  eine 


r.  OĂĽmhel:   Ăśeber  die  Erdbeben  in  Bayern.  13 

ziemliche  Ruheperiode  eingetreten  sei,  mit  nur  ganz  einzelnen 
schwachen  Aeusserungen  am  30.  und  31.  Oktober;  am  4.  No- 
vember jedoch  aufs  neue  stärkere  St<)sse  während  des  ganzen 
Tages  bemerkt  wurden  und  am  5.  Nachts  h.  P'*  zwei  starke 
ErschĂĽtterungen  erfolgten,  die  auch  im  benachbaHen  Sachsen, 
in  Klingenthal,  Brambach  (hier  auch  schon  am  4.),  Schönberg 
und  anderen  Orten  gespĂĽrt  wurden.  Insbesondere  war  es  die 
Nacht  vom  0.  auf  den  7.  November,  in  der  neben  zahlreichen 
schwächeren  Erschütterungen  um  h.  8*^  ein  sehr  starker  Stoss 
erfolgte,  wobei  die  Erde  zitterte  und  bebte;  dann  stellten  sich 
schwächere  Erschütterungen  ein,  bis  Morgens  h.  5^*^  einer  der 
stärksten  Stösse.  begleitet  von  langem  donnerähnlichen  Uollen, 
sich  ereignete.  Neben  den  gewöhnlichen  Aeusserungen  kam 
noch  hinzu,  dass  an  alten  Bauten  SprĂĽnge  und  Risse  sich  zeig- 
ten. Auch  Morgens  h.  0^^  wiederholte  sich  der  Stoss  in  ziem- 
licher Stärke.  Man  will  beobachtet  haben,  dass  die  Magnet- 
nadel ziemlich  starke  Deklinationen  zeigte. 

An  dem  gleichen  Tage  (7.  Nov.)  wurde  FrĂĽh  Morgens 
gegen  5  Uhr  in  Neu  deck  ein  15  Sekunden  anhaltender,  von 
NW.  nach  SO.  gerichteter  wellenförmiger  Erdstoss  unter  donner- 
ähnlichem Rollen  verspürt.  Die  Fenster  klirrten,  die  Tlüiren 
bewegten  sich  und  viele  (iegenstände  tielen  zu  Boden. 

In  Eger  erbebte  um  h.  4**  an  diesem  Tage  der  Boden 
7  Sekunden  lang  in  Begleitung  von  unterirdischem  d(ninerähn- 
lichen  Rollen  in  der  Ilichtung  von  O.  nach  W.  Die  Schläfer 
wurden  dadurch  aufgeweckt.  Ein  zwt?iter  folgendt*r  Stoss  war 
viel  schwächer,  während  der  erste  als  der  stärkste  bisher  in 
Eger  wahrgenonmien  angestjlien  wunle. 

Nachdem  in  Wildstein  schon  am  5.  November  Nach- 
mittags und  am  fi.  Aljends  h.  S**^  Erdstösse  verspürt  worden 
waren,  erfolgte  am  7.  November  FrĂĽh  h.  5  nsich  vorausgegange- 
nen schwächeren  Bewegungen  ein  heftiger  Erdstnss  unter  donn<'r- 
ähnlichem  Rollen,  wobei  die  Bettstätten  eini^^e  Minuten  lauy: 
schwankten.  Aehnliclies  wird  Much  von  Nenidorf  bei  Detschau 
um  die  gleiclie  Zeit  ^^emeldet. 

Auch  in  Falkenstein  im  Vogtlande  wurde  dieses  Ereigniss 


14  Süßung  der  math.^ya,  Classe  vom  15,  Januar  1898» 

FrĂĽh   h.  5   in  zwei  aufeinander  folgenden  heftigen,   innerhalb 
6  Sekunden  stattgefundenen  Stössen  verspürt. 

Sehr  bemerkenswerth  ist,  dass  dieses  wie  es  scheint  stärkste 
Erdbeben  vom  7.  November  auch  weiter  im  Westen,  innerhalb 
des  Fichtelgebirges,  bemerkt  wurde.  Nachrichten  hierĂĽber  sind 
von  Konnersreuth  bei  Waldsassen  unfern  Eger,  dann  vom 
Markt  Redwitz,  Kirchenlamitz  und  mehreren  anderen 
Orten  des  Fichtelgebirges  bekannt  geworden. 

Schwächere  Erschütterungen  erfolgten  am  9.  November 
Nachmittags  in  Oelsnitz  im  Yogtlande.  Auch  Asch  und  Karls- 
bad (hier  ohne  Aenderungen  in  der  QellenbeschafiFenheit)  wur- 
den von  diesen  Bodenbewegungen  des  7.  ergriflen,  die  am  10. 
sich  leise  wiederholten. 

Falkenstein,  das  auch  schon  vom  Erdbeben  am  7.  Nov. 
betrofifen  wurde,  erlitt  am  15.  November  (Nachm.  h.  5*^)  hef- 
tige Erschütterungen.  Am  16.  wurden  in  einer  grösseren  An- 
zahl Orte  im  Vogtlande  von  Bodenbeweguugen  heimgesucht 
wie  Brambach,  Schönberg,  Klingenthal,  Untersachsenberg,  Adorf, 
Längenfeld,  Falkenstein,  Ueichenbach  u.  a.  0.  In  Asch  wurde 
an  diesem  Tage  und  am  17.  und  18.  November  (frĂĽh  h.  4) 
eine  schaukelnde  Bewegung  des  Erdreichs  wahrgenommen.  Da- 
bei liess  sich  ein  unterirdisches,  donnerähnliches  Getöse  hören. 
Bemerkenswerther  Weise  wurde  in  den  benachbarten  Orten  Selb 
und  Rehau  keine  derartige  Bodenbewegung  verspĂĽrt,  und  selbst 
am  KammerbĂĽhl,  dem  basaltischen  Kegelberg,  zeigte  sich  keine 
Erschütterung,  während  solche  in  der  ganz  nahe  liegenden 
Stadt  Eger  wiederholt  beobachtet  wurden.  Ob  damit  die  Er- 
scheinung in  Zusammenhang  gebracht  werden  darf,  dass  jedes- 
mal nach  erfolgtem  Stosse  starker  Nebel  sich  verbreitete  und 
dass  nach  länger  anhaltendem  Frost wetter  jetzt  warme  W'itte- 
rung,  wie  im  FrĂĽhjahr  eintrat,  ist  mehr  als  zweifelhaft.  That- 
sache  bleibt,  dass  die  Erdstösse  zumeist  Abends  zwischen  8 
und  11  Uhr  und  Morgens  frĂĽh  sich  ereigneten.  Es  dauerten 
die  Erdbeben  noch  eine  Zeit  lang,  doch  seltener  und  weniger 
heftig  fort.  In  Falkenstein,  in  dem  frĂĽher  mehrfach  Er- 
schĂĽtterungen vorkamen,  fanden  solche  noch  am  23.  November 


ĂĽeher  die  Erdbeben  in  Bayern,  15 

Nachmittags   kurz   vor   4  Uhr   unter  kurzem  donnerähnlichen 
Getöse  und  am  24.  November  in  der  Saalegegend  statt. 

Die  letzte  mir  bekannte  Nachricht  stammt  aus  Kulmbach 
und  der  Umgegend,  wo  am  29.  November  bei  einem  mit  einem 
Schneesturm  verbundenen  Gewitter  frĂĽh  halb  4  Uhr  eine  hef- 
tige ErderschĂĽtterung  stattgefunden  haben  soll.  Doch  ist  dieses 
Ereigniss  als  Erdbebenerscheinung  nicht  ganz  sichergestellt. 
Unzweifelhaft  haben  diese  BodenerschĂĽtterungen  einen  ganzen 
Monat,  vom  25.  Oktober  bis  23.  November  angedauert. 

Durch  die  gĂĽtige  Vermittlung  des  Herrn  Ai)othekers  Alb. 
Schmidt  in  Wunsiedel  erhalte  ich  einige  wichtige  Nachrichten, 
fĂĽr  deren  Mittheilung  ich  an  dieser  Stelle  verbindlichst  danke. 
In  Wunsiedel  selbst  hat  Herr  Schmidt  keine  Wahrnehmungen 
ĂĽber  seismische  Erscheinungen  machen  ki'mnen.  Einige  v(m 
Anderen  angegebene  Erschütterungen  sind  unzulässig  und  nicht 
wohl  zu  berĂĽcksichtigen.  Von  Hof  erhielt  derselbe  von  Herrn 
Reallehrer  Dr.  Anger  er  die  Nachriclit,  dass  daselbst  keine 
Erdbebenerscheinung  ])emerkt  wurde,  während  in  dem  nur  7  km 
von  Hof  entfernten  Orte  Feilitsch  ein  leichter  Stoss  wahrge- 
nommen wurde. 

Durch  die  gleiche  Vermittlung  erhielt  ich  einen  Bericlit 
von  Dr.  med.  Castellieni  in  Frankesbad.  Derselbe  liat  selbst 
keine  Wahrnehmung  gemacht,  jedoch  bemerkt,  dass  während 
der  Erdbebenperiode  weder  die  Mineralquellen  eine  Aendening 
erlitten  hal)en,  noch  ein  Einfluss  auf  den  Barometerstand  sich 
zeigte.  Zuverlässige  Männer  haben  in  Frankesbad  am  29.  Okt. 
kurz  vor  H  Uhr  Al^ends  einen  kurzen,  massig  starken  Stoss, 
dann  am  7.  November  frĂĽh  8  Uhr  schwache  ErschĂĽtterungen, 
die  stärksten  am  17.  November  6**'  Uhr  und  7**  Uhr  früh,  in 
Begleitung  von  unterirdischem  Greräusch,  Erzittern  des  Bodens 
u.  s.  w.  und  in  der  iliclitung  von  N.  nach  S.  oder  von  NO.  nach 
SW.  verspĂĽrt. 

Schon  am  5.  November  hat  Herr  Geh.-Kath  Dr.  Gredner 
in    Leipzig*)    sich    ĂĽber    dieses  Naturereigniss    ausgesproclien. 

')  Ăśoilago  d(T  AllgĂĽiu.  Zeit,  vom  G.  Nov.  Nr.  261. 


.■••■ 


.1 


16  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  15,  Januar  1898, 

Nach  eingehenden  allgemeinen  Betrachtungen  ĂĽber  die  Erd- 
bebenerscheinungen ĂĽberhaupt  kommt  er  zu  dem  Schluss,  dass 
das  Erdbeben  vom  Oktober — November  1897  zu  dem  sog.  tek- 
tonischen  oder  Qebirgs beben  gehöre,  welche  fast  jedes  Jahr, 
nur  nicht  immer  in  dem  Maasse,  wie  dieses  Mal  im  Vogtlande 
wiederkehrten  und  ihren  Grund  darin  hätten,  dass  in  der  apo- 
dynamischen  Tiefe  der  Erdrinde  in  Folge  der  AbkĂĽhlung 
Schrumpfungen  der  starren  Gesteine,  Faltungen  und  Verschie- 
bungen, Stauungen  und  Verwerfungen  nebst  Spaltenbildungen 
stattfinden.  Jede  solche  Verschiebungen  seien  im  Stande  einen 
Stoss  oder  eine  Anzahl  von  Stössen  zu  erzeugen,  die  auf  der 
Oberfläche  als  Erdbeben  empfunden  würden.  Nun  sei  das 
Gebiet  des  Vogtlandes,  das  Faltengebirge  des  ThĂĽringer  Waldes 
zwischen  Fichtelgebirge  und  Erzgebirge,  so  dicht  von  solchen 
Spalten  und  Verwerfungen,  wie  keine  andere  Gegend  Deutsch- 
lands durchzogen  und  daher  auch  sehr  häufig  von  Erdbeben 
heimgesucht,  indem  durch  die  sich  unter  dem  gewaltigen  Ge- 
birgsdruck  vollziehende  Bildung  neuer  sowie  durch  die  Erwei- 
terung alter  KlĂĽfte,  ferner  durch  unterirdische  Berstungen  und 
Rutschungen  der  losgetrennten  Gebirgtheile  sich  solche  Er- 
schütterungen häufig  ereigneten.  Ich  stimme  mit  der  Annahme 
ĂĽberein,  dass  das  vorliegende  Erdbeben  in  die  Reihe  der  sog.  tek- 
tonischen  gehöre,  kann  aber  nicht  annehmen,  dass  hierbei  jetzt 
die  Abkühlung  der  inneren  Wärme  der  Erde  und  ein  dadurch 
bewirktes  Zusammenziehen  der  tieferen  Gesteinsmassen  (Schrum- 
pfungstheorie) eine  Rolle  spiele.  Dagegen  spricht  schon  einfach 
die  Beschränkung  des  Ereignisses  auf  einen  verhältnLssmässig 
sehr  kleinen  Raum  des  Gebirgs.  Bei  apodynamischen  Bewe- 
gungen oder  Auslösungen  von  Gesteinsmassen  in  der  Tiefe 
äussert  sich  die  Erschütterungswirkung  an  der  Erdoberfläche 
auf  weit  sich  forterstreckenden  sog.  Stosslinien.  Allerdings  ist 
der  SĂĽdrand  des  Erzgebirgs  von  grossen,  der  Hauptsache  nach 
von  NO.  nach  SW.  verlaufenden  BrĂĽchen  und  Spalten  vielfach 
durchzogen,  an  welchen  sich  in  frĂĽherer  geologischer  Zeit  gross- 
artige Absenkungen  in  den  böhmischen  Kessel  vollzogen  haben. 
Diese  Bruchspalten  kreuzen  sich  fast  rechtwinkelig  mit  jenen. 


k 


V.  GĂĽmbel:    Ueber  die  Erdbeben  in  Bayern,  17 

welche  in  der  Kichtung  des  ThĂĽi'inger  Waldes  verlaufen  und 
hauj>tsächlicli  auf  das  Vogtland  trefifen.  Beide  Bruchzonen, 
namentlich  aber  die  erstere,  wurde  in  späterer  geologischer 
Zeit  von  Basalteruptionen  benĂĽtzt,  welche  auf  solchen  Spalten 
sich  empordrängten.  Dahin  gehfirt  namentlich  der  Basaltzug 
des  böhmischen  Mittclgebirgs.  Ich  halte  dafür,  dass  durch 
diese  Basaltaufbrüche  in  nicht  sehr  beträchtlicher  Tiefe  Zer- 
bröckelungen des  Gesteins  veranlasst  wurden,  und  nur  schwach 
untei'stĂĽtzte  Schollen  entstanden  von  solcher  Gleichgewichtslage, 
dass  die  geringste  Beeinflussung  eine  Lagerungsänderung  der- 
selben bewirken  konnte,  wie  es  z.  B.  selbst  durch  meteoro- 
logische starke  Schwankungen  möglich  ist.  Solche  hierdurch 
veranlasste  Gesteinsniederbrüche  innerhalb  verhältnissmässig 
kleiner  Strecken  und  geringer  Tiefe  am  SĂĽdrande  des  Erz- 
gebirgs  und  der  Kreuzung  mit  den  FichtelgebirgsklĂĽften  scheinen 
mir  diese  ErderschĂĽttcrungen  im  Monat  Oktober  und  November 
bewirkt  zu  haben. 

Die  Längenerstreckung  des  Erschütterungsfeldes  beträgt, 
wenn  wir  Karlsbad  ungefähr  als  nahe  an  dessen  Rande  liegend 
annehmen,  bis  Wunsiedel  im  Fichtelgebirge  beiläufig  60  km  und 
die  Breite  von  etwa  von  Eger  bis  Oelsnitz  45  km.  Dabei  ist 
es  sehr  bemerkenswerth ,  dass  innerhalb  dieses  Gebiets  grosse 
Striche  ganz  von  diesen  seismischen  Vorgängen  verschont  blie- 
ben, wie  z.  B.  Bad  Elster  und  dass  die  innerhalb  dieser  Lfind- 
schaft  liegenden  berĂĽhmten  Mineralquellen  von  Karlsbad,  Marien- 
bad, Frankensbad  während  dieser  langen  l^eriode  weder  quan- 
titativ noch  qualitativ  irgend  eine  merkliche  Aenderung  wahr- 
nehmen Hessen,  wie  überhaupt  von  sonst  bei  Erdbeben  häufig 
beeinflussten  gewöhnlichen  Quellen  oder  Brunnen  eine  Einwir- 
kung nicht  erwähnt  wird. 

Trotz  der  häufigen  Angaben  von  dem  Eintritt  eines  Stosses 
an  verschiedenen  weiter  auseinander  liegenden  Orten  ist  ĂĽber 
die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  kein  sicherer  Anhaltspunkt 
zu  gewinnen,  weil  bei  der  Häufigkeit  der  aufeinander  folgenden 
Stösse  keiner  derselben  als  derselben  Erschütterung  angehörig 
erkannt  werden  konnte.     Der  Eintritt  des  wie  es  scheint  hef- 

1898.  SiUangsb.  d.  luatb.-pbys.  Cl.  2 


18  Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

tigsten  Stosses  vom  7.  November  wird  fast  allerorts  als  gleich- 
zeitig erfolgt  angegeben.  Im  Anfang  der  Bewegung  war  der 
Mittelpunkt  des  Ereignisses  im  Osten  bei  Graslitz,  später  scheinen 
die  ErschĂĽtterungen  sich  mehr  gegen  Westen  gezogen  zu  haben 
und  denmach  das  Erdbeben  zu  den  sogen,  fortlaufenden  oder 
springenden  zu  zählen  sein.  Die  Stösse  der  letzten  Zeit  wurden 
nämlich  in  Graslitz,  Neudeck  und  Carlsbad  viel  weniger  heftig 
gespürt  als  die  der  ersten  Erschütterungsperiode,  während  sie 
der  Reihe  nach  in  Schönbach,  Bleistadt,  Haslau,  Frankenhammer, 
Gossengrün,  Rothau,  Falkenau,  Elbogen,  Königsberg,  Mariakulm 
und  Eger  stärker  sich  bemerkbar  machten.  Als  die  südlichsten 
Orte,  aus  welchen  Nachrichten  ĂĽber  dieses  Erdbeben  bis  jetzt 
bekannt  worden  sind,  können  Königswart,  Schlaggenwald  und 
Petschau  gelten. 

Die  von  Falkenstein  im  Vogtlande  gemeldeten  Erdstösse 
am  25.  November  kurz  vor  h.  4  und  von  Oelsnitz  am  25.  No- 
vember h.  2**  FrĂĽh  sind  nicht  absolut  sicher  festgestellt. 

Ebensowenig  wie  ĂĽber  die  Geschwindigkeit  der  Fortbewe- 
gung der  Erdbeben,  sind  aus  den  Angfiben  sichere  Anhalts- 
punkte ĂĽber  die  ĂĽbrigen  Elemente  solcher  ErderscliĂĽtterungen 
zu  gewinnen. 


19 


Koordinaten-Transformationen  in  geodätischen 

Dreiecknetzen. 

Von  J.  H.  Franke. 

(Bk'ngttauftn  15,  Januar.) 

Die  an  den  Namen  des  Geodäten  und  Astronomen  Soldner 
geknĂĽpfte  bayerische  Landesvermessung  war  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten dieses  Jahrhunderts  ein  vorbildliches  Muster  und  ist  es 
in  manchen  Beziehungen  lange  geblieben.  Die  EinfĂĽhrung 
rechtwinklig-sphärischer  Koordinaten,  heute  Soldner'sche  Ko- 
ordinaten genannt,  bildete  einen  bedeutsamen  wissenschaftlichen 
Portschritt,  während  gleichzeitig  die  an  die  Koordinaten  ge- 
knüpfte Systematik  der  Landesvermessungsblätter  für  die  geo- 
dätische Technik  von  höchster  Bedeutung  war. 

In  der  That  ist  die  Soldner'sche  Projektion,  zu  den  Cylinder- 
projektionen  gehörig,  in  vorzüglicher  Weise  zur  bildlichen 
Darstellung  eines  Landes  geeignet,  welches  links  und  rechts 
von  der  Vermessungsachse  nur  eine  Ausdehnung  von  etwa 
200  km,  also  eine  Breite  von  400  km  hat.  Sie  lässt  in  dieser 
Ausdehnung  die  sphärische  anstatt  der  sphäroidischen  Rech- 
nung noch  als  zulässig  erscheinen  und  hat  dabei  den  Vortheil 
der  geringsten  linearen  und  Flächen-Verzerrung,  wenn 
für  massige  Entfernungen  von  der  Vermessungsachse  die  sphäri- 
schen Koordinaten  als  eben  und  rechtwinklig,  bzw.  kongruent 
angesehen  werden.  Hier  bringen  sie  dann  die  wirklichen 
Längen  und  Flächen  mit  der  möglichst  kleinsten  Linear-  und 

Flächenverzerrung  zur  Darstellung. 

2» 


20  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898, 

Die  bayerische  Landesvermessung  und  auch  die  anderer 
Länder  ist  einheitlich,  d.  h.  auf  einen  Nullpunkt  und  eine 
Vemiessungsachse  koordinirt.  Dies  bedingt  wegen  der  Quer- 
ausdehnung des  Landes  bis  zu  Ordinaten  +  180  km  die  stete 
Beibehaltung  sphärischer  Koordinaten,  die  auch  in  der  Durch- 
führung grundsätzlich  erfolgt  ist.  So  zulässig  dies  auch  für 
die  ältere  Vermessung  erscheint,  da  diese  eine  graphische  war 
und  mit  dem  Messtische  erfolgte,  so  vielfach  erschwerende  Nach- 
theile hat  jene  Beibehaltung  fĂĽr  die  Praxis  der  modernen 
Landesvennessung.  Diese  ist  nämlich  von  der  grai}hischen 
Aufnahme  allgemein  zur  Zahlen methode,  d.  h.  zur  Theodolit- 
winkel niessung  und  zur  direkten  Längenmessung  übergegangen 
und  demnach  zur  ausgesprochenen  trigonometrischen  Methode 
geworden.  Die  so  geänderte  Technik  in  Verbindung  mit  den 
gesteigerten  Genauigkeiisanforderungen,  die  sich  im  Verflusse 
nahezu  eines  Jahrhunderts  in  der  Vermessung  vollzogen  haben, 
macht  eine  Weiterbildung  des  Bestehenden  zur  gebieterischen 
Notwendigkeit.  Eine  gänzliche  Umbildung,  wie  sie  in  der 
EinfĂĽhrung  der  strengen  konformen  Abbildung  (nach  Gauss) 
liegen  wĂĽrde,  kann  wegen  ihres  tieferen  Eingreifens  erst  in 
zweiter  Linie  in  Betracht  kommen.  Es  handelt  sich  demnach 
zunächst  darum,  unter  Beibehaltung  der  Soldner^schen  Projektion 
und  der  systematischen  VorzĂĽge  von  dessen  einheitlicher  Ko- 
ordinirung  zu  Koordinatensystemen  zu  gelangen,  welche  ihre 
Brauchbarkeit  für  die  ältere  Landesvermessung  behalten  und 
doch  gleichzeitig  den  Anforderungen  der  heutigen  trigono- 
metrischen Messungsmethode  angei)asst  sind.  Weiter  ist  dann 
der  etwaige  Uebergang  zu  konformen  Koordinaten  zu  erörtern. 

Es  dĂĽrfte  den  nachstehenden  Entwickelungen  zu  statten 
kommen,  wenn  hier  die  Grundlagen  und  Formeln  der  Soldner'- 
schen  Koordinaten  kurz  vorangestellt  werden. 

A.  Ein  durch  den  Normalpunkt  gelegter  Vertikalschnitt 
(gewöhnlich,  nicht  notwendig,  der  Meridian  jenes  Punktes) 
bildet  die  Vermessungs-  oder  Abscissenaclise,  der  auf  dieser  im 
Nullpunkte  senkrecht  stehende  Grosskreis  die  Haupt-  oder 
Direktionsachse  (Ordinatenachse).    Die  Ordinate  (o)  eines  Punktes 


J,  H,  Franke:  Koordinaten-Transformationen,  21 

ist  das  von  demselben  auf  die  Vermessungsachse  gefällte  Per- 
pendikel ;  Abscisse  (a)  des  Punktes  ist  das  von  dem  Fusspunkte 
des  Perpendikels  und  vom  Normalpunkte  aus  gezählte  Stück 
der  Vermessungsachse.  Die  orientirenden  Richtungen  (Direktions- 
winkel) der  Vertikalschnitte  zählen  von  der  Ordinatenrichtung 
aus  im  rechtsläufigen  Sinne.  Die  Messblatteintheilung  steht 
mit  dem  sphärischen  Koordinatensystem  in  genauester  Ver- 
bindung. 

Ist  l  die  normale  Länge  des  (quadratischen)  Blattes  und 
M  die  Massstabsgrösse,  so  ist  die  (verjüngte)  Blattseite  IM. 
Die  Vermessungsachse  sei  nördlich  und  südlich  vom  Nullpunkte 
in  gleiche  Abstände  Z  Jf  (Schichten  N)  geteilt;  auf  den  von 
diesen  Punkten  ausgehenden  Ordinatenkreisen  seien  von  der 
Vermessungsachse  aus  die  gleichen  Abstände  l  M  (Reihen  oder 
Nummern  n)  aufgetragen.  Hierdurch  entsteht  ein  Netz  kleiner, 
nach  Ost  und  West  wegen  der  Konvergenz  der  Ordinatenkreise 
sich  stetig  in  der  Höhe  verringender  Vierecke,  welche  die 
Messblätter  bilden. 


Mit  den  HilfsausdrĂĽcken 

1 
sin  1 


m  =  s  ^ijx(p\     n  =  scos99;     ft>=_:_n^^ 


sind  die  Soldner'schen  Linearkoordinaten  a  und  o  gegeben  durch 

fifl     (  w^  \ 


<Pt=  180  +  97,  +  -^  U  +  -j 


(1) 


in  welchen  die  dritten  Glieder  die  sphärischen  Ergänzungen 

(ia),      (<5o),      (39^) 

darstellen.     Für   die  Polarkoordinaten   bestehen   mit  {a^  —  a^ 
=  Ja  und  (o^  —  0^)  =  Ao  die  Gleichungen 


22  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  15.  Januar  189S. 

.  Aa    (  ,      {Aon 


2iP 


(2) 


.  /la  /,      (Jo)»\         .     ,{Aaf(      .Ao\ 

sin  9?  cos  9? 

als  erste  Näherung  (wegen  Gleichsetzung  von  m  und  n  mit 
Aa^  bzw.  -Jo),  die  indess  für  alle  gewöhnlichen  Landesver- 
messungszwecke ausreicht. 

Für  die  Blatthöhenverkürzung  v^  kann  die  Richtung  und 
Länge  l  der  Blattseite  nordsüdlicher  Richtung  mit  dem  unter 
dem  Direktionswinkel  90®  durch  eine  Blattecke  gelegten  Vertikal- 
schnitt identificirt  werden.  Man  hat  dann  aus  der  ersten  der 
Gl.  (1),  mit  0  die  Mittelordinate  des  Blattes  bezeichnend, 

VH  =  2-jj-,  (3) 

in  natĂĽrlichem  Masse.  Hieraus  folgt,  da  die  Blattseiten  west- 
östlicher Richtung  definitionsgemäss  unverkürzt  bleiben,  die 
Flächenverkürzung  eines  (quadratischen)  Blattes 

Entsprechend  der  bildlichen  Darstellung  in  der  Ebene  sind 
auch  die  Abscissen  der  Koordinatenpunkte  verkĂĽrzt  aufzutragen. 

Bezeichnet  a„  die  Abscisse  des  der  Direktionsachse  zu- 
nächst liegenden  Blattrandes,  so  ist  der  Abscissenrest  (a  —  a„) 
ähnlich  Gl.  (3)  um 

Va  —  2  Jja  ^^) 

zu  verkĂĽrzen. 

Die  trigonometrischen  Arbeiten  sind  nach  den  Gl.  (1)  und 
(2)  in  der  Regel  durchaus  sphärisch  geführt  worden,  in  den 
Planarbeiten  der  grapliischen  Aufhalmie  sind  gleichfalls  die 
sphärischen  Beziehungen  (8)   und  (5)   zur  Beaclitung   gelangt, 


J.  IL  Franke:  Koordinaten- Trans formatia)ien,  28 

während  lediglich  das  ty  der  Gl.  (4)  unbeachtet  blieb.  Die 
moderne  Landesvermessung  hat  es  mit  durchaus  anderen  Ver- 
hältnissen zu  thun.  Anstatt  der  früheren  2  bis  3  Koordinaten- 
punkt-Ordnungen bestehen  jetzt  7  bis  8  (5  trigonometrische, 
2  polygonometrische  und  gegebenenfalls  1  geometrische);  zu- 
gleich ist  die  Zahl  der  Koordinatenpunkte  um  das  mehrhundert- 
fache gewachsen.  Die  Gl.  (1)  ist  in  den  Punktordnungen 
I — III,  dann  IV  und  V  mindestens  von  o  =  0  bis  20,  bzw.  40  km, 
in  den  Ordnungen  VI  und  VII  von  60,  bzw.  90  km  an  (hier 
beschränkt  auf  das  erste  Glied  der  sphärischen  Ergänzung)  zu 
beachten.  Das  Gleiche  gilt  von  o  =  90  km  an  fĂĽr  die  Gl.  (3) 
und  (5),  während  Gl.  (4)  durchaus  zur  Anwendung  gelangt. 
Alle  diese  technischen  Massnahmen  sind  bedingt  durch  die  ge- 
steigerten Genauigkeitsanforderungen  in  Verbindung  mit  der 
heutigen  Plandarstellung  in  grosserem  Massstabe.  Die  wesent- 
lichste Anforderung  besteht  nun  darin,  alle  diese  sphärischen 
Beziehungen  Gl.  (1)— (5)  unmittelbar  in  die  Koordinaten  auf- 
zunehmen, d.  h.  diese  als  eben  betrachten  zu  dĂĽrfen,  und  so 
durch  Vereinfachung  und  Fehlerquellenverschliessung,  insbe- 
sondere auch  der  zalilenmässigen  Behandlung  geometrischer 
Minimalgrössen,  den  technischen  Wert  und  die  Genauigkeit  der 
modernen  Vermessung  zu  steigern.  Die  mathematische  ErfĂĽl- 
lung jener  Anforderung  ist  an  und  fĂĽr  sich  leicht,  kann  jedoch 
durch  eine  wesentliche  Bedingung  erschwert  werden,  die  darin 
besteht,  dass  die  neuen  Koordinaten  mit  geometrisch  hinreichen- 
der Genauigkeit  in  den  allgemeinen  Landesvermessungsblättem 
der  einheitlichen  Koordinirung  unmittelbar  verwendet  werden 
können.  (Dieser  Fall  ist,  wie  in  Bayern,  dann  vorhanden, 
wenn  keine  vollständige  Neuvermessung  des  ganzen  Landes- 
gebiets vorliegt.)  OfiFenbar  kann  diese  Bedingung  nicht  ledig- 
lich durch  Verkleinerung  der  neuen  Systeme,  sondern  nur  durch 
eine  derartige  Lage  der  neuen  Koordinatenachsen  erreicht  wer- 
den, dass  der  Abweichungswinkel  gegen  die  ui*sprĂĽn glichen 
Achsen  der  minimalste  wird.  Hiermit  ist  zugleich  ausge- 
sprochen, dass  die  Meridiane  der  neuen  Xonnalpunkte,  wenn 
der  Meridian    des  Nullpunktes   der   einheitlichen  Koordinirung 


24  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  15,  Januar  1898, 

Vemiessungsachse  war,  nicht  als  neue  Achsen  dienen  können, 
da  in  unseren  Breiten  bei  100  km  Querabstand  die  Meridian- 
konvergenz >  P  ist. 

B.  Dementsprechend  wird  definirt :  Die  Haupt-  oder  Direk- 
tionsachse des  lokalen  Systems  bildet  der  bisherige  Ordinaten- 
kreis des  neuen  Nullpunktes  N'  im  ursprĂĽnglichen  System  U, 
die  neue  Vermessungs-  oder  Abscissenachse  der  hiezu  senkrechte 
Vertikalschnitt  in  N\  Abscissen  und  Ordinaten  im  neuen 
Systeme  sind  ähnlich  wie  im  ursprünglichen  Systeme,  also  als 
Abschnitte,  bzw.  Perpendikel  der  neuen  Vermessungsachse 
definirt.  Das  System  ist  denmach  wieder  ein  sphärisches  nach 
Soldner.  Es  sind  die  allgemeinen  Koordinaten  (a,  o)  eines 
Punktes  Ă„  in  solche  (iP,  y)  des  neuen  Systems  mit  dem  NuU- 
l)unkte  N\  (a^,  Oq)  zu  transformiren. 

Es  bestehen  die  Grundgleichungen  im  Systeme   U 

a  —  a^  =  J  a  =  5  sin  9?  +  (^  ^)  I  (rT\ 

0  —  Oq  =  A  0  =  s  cos  cp  -{■  {d  o)  ) 


und  im  System  N 

x  =  ssmq)  -{-  (dx) 

y  =  scos(p'{-{dy) 

wo  s  der  Vertikalschnitt  N'  A, 

Durch  EinfĂĽhrung  von  (U)  in  (X)  folgt 


}  (N) 


x  =  Aa  +  {6x)  —  {da)  ^ 
y  =  Jo  +  (iy)  — (io)  / 


(a) 


und  da  nach  61.  (1) 


n 
3 


ist  (letzteres  unter  Beachtung,  davss  die  Koordinaten  des  neuen 
Nullpunktes  gleich  Null  sind),  so  erhält  man 


/.  H.  Franke:  KoorditMten-Transfonnationen. 


25 


(dx)  —  {da)  = 


(öy)-(do)  = 


m 


(0»  -  y*) 


nf 


0, 


2i?  « 

woraus  durch  Einsetzung  in  61.  (a) 

m 


x  =  Aa  —  ^^(o  +  y){o  —  y) 


(6) 


Mit  fĂĽr  weite  Grenzen  hinreichender  Sicherheit  gelten  die 
Vereinfachungen  m  =  Ja,  n  =  Ao  und  y  =  (o  —  o^),  daher 


x  =  Aa  —  j^(o  —  '^Aoo  =  Aa  +  d 


4         ,     (^«)* 


=  Ao  +  d' 


(7) 


Dies  sind  die  fUr  vereinfachte  tabellarische  Behandlung 
eingerichteten  Transformationsformeln.  Man  leitet  aus  ihnen 
die  ĂĽmkehruugen  ab 

X 


o  =  («0  +  «)  +  -^  ß  +  y  j  Oo  =  K  +  a;)  +  <J, 


0  =  (Oo  +  y)  — 


X' 


2i? 


=  K  +  y)  +  <5| 


(8) 


die,  weil  in  ihnen  x  =  Aa  und  y  =:  Ao  gesetzt  sind,  als  erste 
Näherung  gelten.  (Die  Transformationen  (6)  sind  von  mir 
gelegentlich  einer  anderen  Arbeit  bereits  1890  in  Nr.  3022  der 
A.  N.  abgeleitet  worden.) 

Es  ist  noch  die  Frage  der  geringsten  Achsenkonvergenz  *) 
zu  erledigen,  die  hier  lediglich  hinsichtlich  der  Konvergenz  der 
neuen  Achsen  mit  den  Messblattseiten  der  einheitlichen  Koordi- 


^)  Diese  Konvergenz  erhält  man  auch  ganz  kurz  durch  die  dritten 


der  Gl.  (1)  und  (15),  nämlich  c"  = 
her  Gl.  (9). 


ff  CO  •  moQ o)  •  J  a  •  Oq 


Ri 


R^ 


,   wie  nach- 


26  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

nirung  in  Betracht  kommt.     In  dieser  letzteren  Beziehung  ist 
sie  ausfĂĽhrlicher  zu  betrachten. 

Die  Koordinaten  eines  quadratförmigen  Soldner'schen  Blattes 
im  einheitlichen  System,  hier  der  KĂĽrze  halber  a  und  o  positiv 
genommen,  lassen  sich  ausdrĂĽcken  durch 

Ecken.  SO.  SW.  NW.  NO. 


(b) 


a  a  a'\-hM      a  +  l-M 

Im  lokalen  Systeme  vermöge  (7)  durch 

SO.  SW. 

NW.  NO. 

Die  Subtraktion   gibt   unter  Abwerfung   der   zu  vemach- 

IM  (IMY 

lässigenden  Glieder  -^  und  ^^  sowie  Uebergang  zu  natür- 

lichem  Masse  durch  Division  mit  der  Massstabsgrössc  M  die 
lineare  Divergenz  c  =  ^so.—  ^sw.  =  <5no.  —  <^>w.,  dann  ^'no.  —  ^'so. 
=  ^'jTvv.  —  ^'sw.  der  älteren  Blattseitenrichtungen  mit  den  neuen 
Koordinatenachsen  für  die  Blattlänge  l 

c  =  -^^  (9) 

Denkt  man  sich  die  Mitten  der  Seiten  eines  identischen 
Blattes,  einmal  mit  lokalen,  dann  mit  allgemeinen  Koordinaten 
konstruirt,  zur  Deckung  gebracht,  so  wird  die  ganze  Konver- 


J,  H.  Franke:  Koordinaten- Transformationen.  27 

genz  zur  Hälfte  mit  +  ^^d  —  ^-^f  ^0  4  Blattecken  geworfen, 
so  dass  fĂĽr  diese  der  Ausdruck  besteht 

«.-±t^  (10) 

Der  lineare  Wert  von  Cg  kann  nicht  höher  als  0,05  mm, 
die  äusserste  Anfangsgrenze  der  geometrischen  Darstellbarkeit, 
, angenommen    werden;    hiernach    sind    Aa   und    Oq    durch    die 
Gleichung 

0,00011?  =  r  Ja.  Oo  (11) 

verbunden. 

In  ähnlicher  Weise  leiten  sich  die  Blattabmessungen  ab. 
Man  findet  aus  den  vorhin  benützten  Gl.  (b)  erst  für  die  öst- 
lichen und  westlichen,    dann  für  die  südlichen  und  nördlichen 

Blattseiten,  wieder  unter  Abwerfung  von  ^^ — ^ — ,  die  Näherungs- 
ausdrĂĽcke 


A  A  X  A  1  (2o— Oo) 

Vi  =  Ojno,  —  ÖQo.  =  öNw.  —  ösw.  =  (>  — ö~pä —  ^0 

V'i  =  ^SW. <5s0.  =  ^NW.  —  ^NO.  =  0 


(12) 


Dasselbe  Blatt  hat  in  lokalen  Koordinaten,  die  ja  gleich- 
falls sphärische  sind,  wieder  eine  Verkürzung  der  Blattlängen 
in  der  Abscissenrichtung,  die  ähnlich  wie  (3),  wenn  wie  hin- 
reichend y  =  (0  —  Oq)  gesetzt  wird, 

beträgt,  während  definitionsgemäss  und  wie  oben  die  Blatt- 
längen in  der  Ordinatenrichtung  ungeändert  bleiben.  Die  Ad- 
dition gibt 

"'  +  *''  =  i  ^'^  0  -  0«)  o„  +  (0  -  Oo)»)  =  l^i        (U) 

Das  ist  also  die  thatsächliche  Blattverkürzung  Vh  der  Gl.  (3). 
(Dass  das  hier  gebrauchte  0  gegen  das  dort  benĂĽtzte  eigentlich 

(0  —  -  J,  ist  für  die  Differentialformel  (14)  ohne  Belang). 


28  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  15.  Januar  1698, 

Der  Zweck  der  transformirten  Koordinaten  x,  y  besteht 
darin,  sie  innerhalb  gewisser  Ausdehnungsgrenzen  als  ebene 
Koordinaten  betrachten  zu  können,  demnach  von  den  strengen 
Gleichungen 


zu  den  genäherten 


(15) 


} 


(16) 


a:,  =  ajj  +  m 

übergehen  zu  können.  Hierfür  ist  das  Maximum  der  Ordinate 
y  massgebend.  Die  Genauigkeitsanforderungen  können  ver- 
schiedene sein  und  bemessen  sich  nach  der  Grösse  der  linearen 
(v)  und  der  Richtungsverzerrung  (v)  bei  der  Abbildung  in  der 
Ebene.  Diese  sind  im  Soldner'schen  Systeme  wie  bekannt  und 
auch  leicht  zu  finden 


1+.  =1+  W3in^+(^o)cosy.  ^^^  sm^  (o]+o,o,+oD^) 


6iP 


, {da)cos(p — (do)sm(p 

s 


a,  —  a,  .  .       sm9?cos99 


^ (2 0,  +  0,)  +  -^^-^ (o;  +  o,o,-\-  Ol) 


(17) 


Somit  hat  die  lineare  Verzerrung  ihr  Maximum  in  der 
Abscissenrichtung,  die  Richtungsverzerrung  im  Oktanten. 

Die  numerische  Auswertung  gibt  hiefĂĽr  bei  y  =  +  40  km 
und  bei  s  =  7  km. 

Max.  l,  =  l:  50000;  Max.  r,  =  3"  (18) 

Hiemach  bestimmen  sich  die  Querausdehnungen  lokaler 
Systeme  und  damit  auch  deren  Nullpunktsordinate  Oq  durch  das 


o2 
^)  Für  Ol  =  0,  wird  1  +  r  =  1  +  — ^  sin*  (p. 


J.  H,  Franke:  Koordinaten- Transformationen.  29 

zulässige  Max.  von  y.  Die  Ausdehnung  in  der  Abscissenrich- 
tung  (x)  könnte  über  200  km  steigen,  wenn  nicht  gegebenen- 
falls die  wichtigen  Gleichungen  (10),  bzw.  (11)  bestlinden.  Mit 
l  =  0,5  m,  dann  y  =  +  40  km  wird  zunächst  erhalten  für 
Oq  =  +  80  km,  sodann  fĂĽr  o^,  =  +  160  km,  nach  Gl.  (11) 

Aa  =  102  km,  bzw.  51  km. 

Das  Ergebniss  der  vorstehenden  Darlegung  ist  sonach: 

Werden  die  sphärischen  Koordinaten  der  einheit- 
lich koordinirten  Dreieckspunkte  höherer  Ordnung 
eines  Soldner'schen  Netzes  mittels  der  Gl.  (7)  auf  neue 
Koordinatenachsen  derart,  wie  sie  Seite  24  definirt 
sind,  transformirt,  so  erhält  man  wieder  ein  System 
rechtwinklig-sphärischer  Koordinaten.  Man  kann  diese 
transformirten  Koordinaten  innerhalb  gewisser,  aus 
(17)  abzuleitender  Genauigkeitsgrenzen  als  ebene  be- 
trachten und  sodann  mit  den  einfachen  Formeln  (16) 
weiter  rechnen.  Nach  den  in  (18)  gegebenen  numeri- 
schen Auswertungen  ist  dies  vom  Dreiecknetz  UI.  Ord- 
nung abwärts  an  bei  y  =  +  40  km  zulässig  mit  einer 
linearen  Genauigkeit  1:50000  und  einer  maximalen 
Richtungsverzerrung  von  3".  Zugleich  geben  bis  zu 
dieser  Grenze  y  =  +  40  km  die  ebenen  Koordinaten 
das  Landesvermessungsblatt  der  einheitlichen  Koordi- 
nirung  wieder  mit  einer  Abscissenverzerrung  im  Maxi- 
mum von  1  :  50000,  was  gleicherweise  fĂĽr  die  aufzu- 
tragenden Abscissenreste  gilt.  Vermöge  der  Gl.  (11) 
und  der  obigen  numerischen  Auswertung  lassen  sich 
die  transformirten  Koordinaten  als  ebene  gleich  den 
einheitlich  sphärischen  Koordinaten  innerhalb  der 
Werte  y  =  +  40  km  und  Aa  =  x  =  +  102,  bzw.  51  km  bei 
0^=5 +  80,  bzw.  160  km  bis  zu  einer  Maximaldifferenz 
von  0,05  mm  fĂĽr  alle  Planarbeiten  im  einheitlichen 
Blattsystem  der  Landesvermessung  unmittelbar  ver- 
wenden. 


30  Sitzung  der  mathrphya,  ClcLsse  vom  15,  Januar  1898, 

Hienach  sind  durch  die  transformirten  (ebenen) 
Koordinaten  die  sämmtlichen  (trigonometrische  wie 
geometrische)  sphärischen  Beziehungen  der  Gl.  (1) — (5) 
innerhalb  technisch  zulässiger  Grenzen  zahlenmässig 
in  diese  Koordinaten  aufgenommen. 

C.  Die  bisher  behandelte  Soldner'sche  (kongruente)  Pro- 
jektion ist  neuerer  Zeit  durch  eine  konforme  Abbildung  (nach 
Gauss),  in  welcher  Original  imd  Abbildung  in  den  kleinsten 
Teilen  ähnlich  sind,  hie  und  da  ersetzt  worden.  Von  Herrn 
General  Schreiber  wurde  sie  in  modificirter  Form  als  konforme 
Doppelprojektion  der  preussischen  Landesaufnahme  zu  Grunde 
gelegt,  und  neuerdings  durch  Herrn  Jordan  in  der  Mecklen- 
burgischen Landesvermessung  theoretisch  und  praktisch  weiter 
entwickelt.  Ihr  eignen  gewisse  principielle  VorzĂĽge,  besonders 
auch  fĂĽr  die  einheitliche  Projektion  eines  sehr  grossen  Landes- 
gebiets. Lidessen  hat  schon  1876  Herr  Helraert  darauf  hin- 
gewiesen, dass  die  konformen  Koordinaten  ihren  grossen  Wert 
auch  in  der  allgemeinen  Landesvermessung  haben.  Zwar  ist 
ihre  absolute  Flächenverzerrung  nahezu  doppelt  so  gross  als 
die  Soldner'sche,  dafĂĽr  jedoch  nach  allen  Richtungen  gleich- 
mässig  und  gleichzeitig  werden  die  Kichtungsverzerrungen  so 
gering,  dass  in  weit  grösserer  Ausdehnung  die  ebene  Triangu- 
lii*ung  zulässig  erscheint. 

Seien  f,  i]  die  rechtwinklig  -  konformen  Koordinaten,  so 
hat  man  die  wichtigen,  unseres  Wissens  zuerst  von  Herrn 
Helmert  aufgestellten  Vergleichungen  zwischen  kongruenten 
und  konformen  Koordinaten,  die  allen  hier  zu  machenden  An- 
wendungen zu  Grunde  liegen,  nämlich 

^  (19) 


"^^'i^'^^E^  +  dw)] 


wobei  für  eine  sphärische  Rechnung  bis  zu  o  <  200  km  das 
Glied  vierter  Ordnung  vernachlässigt  werden  kann.  Inner- 
halb dieser  Grenze  sind  dann  die  vorigen  Verzerrungen  (17) 
nunmehr 


J.  H.  Franke:  Koordinaten-Transformationen.  31 


„,»_«,_  p_(«^)cosy  ((5o)siny     (o'-o?Ln^-««-«voo  .  .  > 


(20) 


Deren  Vergleichung  mit  den  (17)  zeigt  die  principiell  und 
technisch  gleich  wertvolle  gleichmässige  Linear  Verzerrung 
bei  Gauss,  während  die  Richtungsverzerrung  nur  aus  dem  ersten 
Soldner'schen  Gliede  besteht.  Die  erstere  ist  dem  Maximum 
von  Soldner  gleich,  die  zweite  dagegen  erheblich  niedriger. 
Diese  ist  fĂĽr  y  =  90  km  und  5  --=  7  km  in  der  Oktantenrichtung 
hier  1",  2,  fĂĽr  Soldner  jedoch  12",  demnach  bei  der  Konfor- 
mität weit  günstiger.  Dagegen  hat  allerdings  die  Flächenver- 
zerrung, die  nach  (4)  und  (17)  bei  Soldner  vermöge  der  linearen 

Beziehung  s'=  s  f  1  +  ^r  sin*  9? )  im  durchschnittlichen  Mittel 

TTüi"  beträgt,  hier  den  konstanten  Wert  —=c^  . 
J  Kr  H 

Es  liegt  nahe,  dass  die  älteren  graphischen  Aufnahmen  in 
den  möglichst  kleinsten  linearen  und  damit  Flächenverzerrungen 
das  wesentlichste  Moment  erblicken  mussten.  Mit  demselben 
Rechte  kann  aber  die  auf  Winkelmessungen  sich  aufbauende 
moderne  Vermessung,  wie  schon  von  FrĂĽheren  hervorgehoben, 
das  Hauptgewicht  auf  die  geringere  Richtungsverzerrung  legen ; 
das  umsomehr,  als  die  erhöhte  mittlere  Flächenverzerrung  noch 
innerhalb  technisch  zultissiger  Grenzen  bleibt  und  die  linearen 
Maxima  in  beiden  Systemen  die  gleichen  sind.  Ueberdem 
könnte  erstere  auch  einschliesslich  der  Reduktion  vom  Pro- 
jektions-Horizont auf  das  thatsächliche  Vermessungsniveau  in 
einfachster  Weise  bei  den  Schlussflächen  berücksichtigt  werden. 

Innerhalb  der  oben  angegebenen  Grenzen  lassen  sich  dem- 
nach mittels  der  Gl.  (19)  kongruente  in  konforme  Koordinaten 
überführen.  Soll  jedoch  vom  Netze  HI.  Ordnung  abwärts  an 
die  ebene  Triangulirungsberechnung,  bzw.  die  Gleichsetzung 
der  geodätischen  mit  den  ebenen  Dimensionen  möglich  werden, 

1)  FĂĽr  o,  =  o,  wird  1  +  7=1+2^^. 


32  Sitzung  der  matK-phys,  Classe  vom  15.  Januar  1898, 

so  kann  dies  bei  grösserer  Ausdehnung  des  einheitlichen  Netzes 
zum  Aufgeben  der  bisherigen  einen  Vermessungsachse,  also  zur 
Anlegung  besonderer  Kleinsjsteme  nötigen,  in  denen  die  Ordi- 
naten  höchstens  bis  80  oder  90  km  gelien,  wobei  das  Maximum 
der  linearen  Verzerrung  etwa  1:10  000  ist.  Die  Wahl  der 
lokalen  Vermessungsachsen  unterliegt  keiner  mathematischen 
Beschränkung,  selbst  wenn  die  Beibehaltung  der  geometrischen 
Abschlussgi'enzen  der  älteren  Landesvermessungsblätter  dabei 
Bedingung  wäre.  Nur  würde  es  sich  bei  grösserer  Konvergenz 
der  lokalen  Achsen  mit  der  Richtung  der  ursprĂĽnglichen  Ver- 
messungsachse um  umständlichere  Transformationsarbeit  sowie 
darum  handeln,  dass  die  neuen  Achsenrichtungen  mit  den 
Bljitträndern  stärker  und  geometrisch  merkbar  divergirten. 
Das  wären  indess  keine  mathematischen,  sondern  lediglich 
technische  Hemmnisse. 

Einschneidender  ist  die  bereits  in  Theil  B  erörtei*te,  nicht 
bloss  angenommene,  sondern  thatsächlich  bestehende  Bedingung, 
dass  die  neuen  Koordinaten  für  die  älteren  Landesvermessungs- 
blätter unmittelbar  benutzbar  bleiben  sollen.  Das  schränkt 
nicht  nur  die  den  neuen  Systemen  zu  gebenden  Abmessungen 
ein,  sondern  bedingt  auch  die  Definition  der  neuen  Aclisen 
behufs  Herbeiführung  der  geringst  möglichsten  Achsenkonver- 
genz. Die  Erfüllung  dieser  Bedingung  zwingt  daher  vermöge 
der  61.  (10)  und  (11)  wieder  dazu,  den  älteren  Ordinatenkreis 
und  dessen  Perpendikel  im  neuen  Nullpunkte  zu  Achsen  zu 
nehmen.  Vermittels  der  Transformationen  (6)  und  (7)  gelangt 
man  zu  neuen  rechtwinklig-sphärischen  Koordinaten,  die  nach 
den  Gl.  (19)  in  rechtwinklig  konforme  ĂĽbergefĂĽhrt  werden.  Diese 
beiden  Transformationen  würden  dann  zweckmässig  in  eine  ver- 
bunden. Sind  f,  }]  die  konformen  Koordinaten,  a^,  o^  die  des 
neuen  Nullpunktes,  so  ist  nach  (19) 


v==yl 


(21) 


sodann    mit  BerĂĽcksichtigung   von  (7)   unter  Weglassung   der 
Glieder  höherer  Ordnung  als  der  zweiten 


J.  U.  Franke:  Koordinaten- Transformationen. 


33 


f  =  zlo 


^,{o-fjo,  =  Aa  +  id) 


denen  die  ZnrĂĽckfĂśhrungsformeln  entsprechen 

«  =  K  +  f)  +  |ä(|'  +  ^)öo 


(22) 


f» 


ö  =  (Oo  +  »;)  — 2^0^ 


0^  — 


6U= 


(22  a) 


Diese  Transformationen  sind  demnach  nur  um  Weniges 
umständlicher  als  die  (7)  und  gleich  diesen  leicht  tabellarisch 
einzurichten.  Eine  sofort  anzustellende  Untersuchung  ergibt, 
dass  die  Blattrichtungsdivergenz  hier  nur  um  zu  vernach- 
lässigende Glieder  vierter  Ordnung  von  der  bei  (9)  entwickelten 
abweicht  und  daher  wieder  die  Gleichungen  bestehen. 


l'  Aa^  0, 


0. 


(22b) 


und  fĂĽr  CĂź  ==  0,05  mm 

0,0001  22«  =  Z.  Ja.  Oo  (22c) 

Die  Blattseitenlängen  in  der  Abscissenrichtung  sind  hier, 
wie  sich   aus   der  Diskussion   der  Gl.  (14)  in  Verbindung  mit 

dem  Konformitätsprincip  ergibt,  gleich  l  ( 1— ^ — ö"pi     +9^« )' 

demnach  in  konformen  Koordinaten  ausgedrückt,  um  — ^Bi 

2  jfi 

vergrössert,  während  auch  die  im  vorigen  Systeme  unverändert 
gebliebenen  Blattseiten  in  der  Ordinatenrichtung  hier  eben- 
falls um 


V( 


^{Ao;)^-{Ao,f^^  {Aof 


&R 


2iP 


V(  . 


vergrössert  erscheinen.  Das  Verhältniss  -^  ist  für  0  =  +  90  km 
noch  1 :  10  000  und  gibt  somit  kein  Hindemiss  ab,  die  trigono- 


1898.  Bltemigib.  d.  mattu-phyB.  GL 


8 


34  Sitzung  der  mathrphya.  Glosse  vom  15,  Januar  1897. 

metrischen  und  geometrischen  Arbeiten  der  Landesvermessung 
vom  Netze  IQ.  Ordnung  abwärts  an  durchaus  in  der  Ebene  zu 
fĂĽhren. 

Die  gewonnenen  Ergebnisse  lassen  sich  dahin  aussprechen: 
Wenn  die  Linear-Koordinaten  (mit  a  und  o<200  km) 
einer  einheitlich  sphärischen  Koordinirung  in  kon- 
forme ĂĽbergefĂĽhrt  werden  sollen  und  dabei  die  Be- 
dingungen bestehen,  dass  sodann:  1)  die  sämmtlichen 
trigonometrischen  und  geometrischen  Arbeiten  inner- 
halb entsprechenden  Vernachlässigungsgrenzen  in  der 
Ebene  zu  fĂĽhren  sind,  und  2)  die  neuen  Koordinaten 
ohne  technische  Schwierigkeiten  nicht  nur  die  alten 
Landesvermessungsblätter  wiedergeben,  sondern  auch 
fĂĽr  Planarbeiten  in  diesen  unmittelbar  als  ebene  Ko- 
ordinaten benutzbar  seien,  so  fĂĽhrt  der  einfachste 
Weg  hierzu  nur  ĂĽber  transformirte  (lokale)  Koordi- 
naten. Das  entsprechende  Mittel  zu  diesem  Zwecke 
liegt  dann  lediglich  in  der  passenden  Wahl  der  neuen 
Koordinatenachsen  unter  veranlasster  Begrenzung  der 
lokalen  Systeme. 

Der  Hauptzweck  aller  dieser  Transformationen  bestand  in 
dem  Wegbringen  der  sphärischen  Beziehungen,  bzw.  deren 
unmittelbare  Aufnahme  in  die  Koordinaten.  Es  wird  dies 
gleichermassen  erreicht  durch  transformirte  Soldner'sche  oder 
konforme  Koordinaten.  In  theoretischer  Beziehung  bleiben  nach 
diesen  Ueberführungen  die  bekannten  Mängel  und  Vorzüge 
beider  Koordinatenarten  bestehen:  Die  grössere  Richtungsver- 
zerrung und  die  ungleichmässige  Linearverzerrung  mit  mittlerer 
geringerer  Verzerrung  der  Flächen  bei  Soldner,  während  das 
Gegenteil  für  die  Konformität  gilt.  Eine  graphische  Aufnahme 
wird  sich  für  das  erstere  entscheiden  können,  während  der  Zahlen- 
methode der  modernen  Landesvermessung  zumeist  die  geringere 
Richtungsverzerrung  im  Vereine  mit  der  (differentiellen)  Gleich- 
mässigkeit  der  Linearverzerrung  als  wichtigste  Bedingung  gilt. 
Indess  kann  man  sich  in  einem  vorliegenden  Kongruenzsystem 
principiell  fĂĽr  die  Beibehaltung  kongruenter  Koordinaten  ent- 


J.  U,  Franke:  KoardincUen- Trans formcUionen.  35 

scheiden,  wenn  denselben  wie  hier  eine  Einrichtung  gegeben 
wird,  dass  sie  technisch  als  ebene  Koordinaten  betrachtet  wer- 
den können  und  zugleich  in  den  Plänen  der  einheitlichen  Ko- 
ordinirung  unmittelbar  verwertbar  sind. 

D.  Es  genĂĽgt  wohl,  nur  kurz  daran  zu  erinnern,  dass 
durch  die  Transformationen  (7)  und  (22)  wieder  sphärische 
Koordinaten  (x,  y\  bzw.  konforme  (f,  rf)  gewonnen  werden. 
Zufolge  dessen  kommt  diesen  derselbe  Anwendungskreis  zu,  als 
den  ursprĂĽnglichen  Koordinaten  a,  o;  sie  mĂĽssen  demnach 
sämtlich  gleichzeitig  <  200  km  bleiben.  Die  Bedingung  y  <  40  km 
oder  ly  <  90  km  grĂĽndet  sich  nur  auf  die  Absicht,  innerhalb 
zulässiger  Grenzen  mit  durchaus  ebenen  Koordinaten  arbeiten 
zu  wollen,  und  ebenso  bezieht  sich  die  in  der  Gleichung 
0,0001  JR^  =  1 '  Aa  '  0  gegebene  Einschränkung  der  zulässigen 
Ausdehnung  von  A  a  lediglich  auf  die  unmittelbare  Verwertung 
der  neuen  Koordinaten  in  den  Messblättem  der  ursprünglichen 
(einheitlichen)  Koordinirung.  Könnte  man  hiervon  absehen,  so 
wĂĽrde  man  mit  den  transformirten  (x  y\  bzw.  (f  rj)  in  den 
angegebenen  Grenzen  (200  km)  die  bekannte  sphärische  Ko- 
ordinatenberechnung haben,  wie  sie  im  Soldner'schen  Systeme 
durch  die  Gl.  (1)  und  (15)  ausgedrückt  ist.  Für  die  Konformität 
pflegt  man  allerdings  bei  der  Neuanlage  einer  umfassenden 
Landesvermessung  einen  ganz  anderen  Weg  einzuschlagen,  ge- 
gründet auf  sphäroidische  Beziehungen,  bzw.  geographische 
Positionen,  in  Form  von  XJebertragungen  zwischen  Ellipsoid 
oder  Kugel  und  Ebene.  Wenn  jedoch  in  einem  sphärischen  Netze 
unter  Beibehaltung   der   bisherigen  Hauptachse   vermittels  der 

Beziehung  iy  =  o  1  1  +  w^ )  von  bereits  bestehenden  Soldner'- 
schen Koordinaten  zu  konformen  übergegangen  worden  wäre, 
so  liegt  es  nahe,  die  Form  der  Soldner'schen  Berechnungsweise 
im  Wesentlichen  beizubehalten,  d.  h.  direkt  auf  der  Kugel  zu 
rechnen.  HierfĂĽr  kann  noch  ein  weiterer  Grund  sprechen, 
wenn  nämlich  die  sphärischen  Ergänzungen  nicht  logarithmisch 
gerechnet,  sondern  bezĂĽglichen  Diagrammen  entnommen  werden, 
wie   es  z.  B.  im   bayerischen  Dreiecksnetze   zumeist  geschieht. 


36  Sitzung  der  matK-phys,  Classe  vom  15.  Januar  1898. 

Man  kann  daher  die  sphärischen  Berechnungsformeln  für  die 
konformen  Koordinaten  den  61.  (1)  und  (15)  anpassen,  wobei 
man  in  leichter  Ableitung  erhält: 


f,  =  f.    +   «  +2^.('?'-f) 


Vi  =  Vi    +    «  + 


(9,)  =  (9',)  +  180  +  -^  (r,,  +  I) 


(y) 


In  einem  bereits  bestehenden  Landesnetze  mit  rechtwinklig 
konformen  Koordinaten  wĂĽrden  diese  AusdrĂĽcke  nur  fĂĽr  einzelne, 
neu  einzuschaltende  Punkte  I.  oder  11.  Ordnung  zur  Anwendung 
gelangen,  soweit  hierbei  sphärische  anstatt  sphäroidische  Rech- 
nung und  Einschränkung  auf  Glieder  zweiter  Ordnung  zulässig 
ist.  HierfĂĽr  reichen  die  Formeln  aus  und  gestatten  mit  Hilfe 
jener  Diagramme   besonders  bei  den  Netzpunkten  H.  Ordnung 


n' 


erleichterte  Rechnung,  da  das  dritte  Glied  07^  nochfĂśrn=17km 

<  0,005  m  bleibt.  Für  die  sämtlichen  geodätischen  Arbeiten 
vom  Netze  IH.  Ordnung  abwärts  an  sind  aber  diese  For- 
meln ebenso,  wie  vorher  fĂĽr  die  Soldner'schen  Gl.  (1)  nach- 
gewiesen, technisch  unpraktikabel,  weshalb  hier  gleichfalls  zur 
Gewinnung  ebener  Koordinaten  lokale  Systeme  und  Transfor- 
mationen entsprechend  den  Gl.  (22)  geboten  sind. 


37 


Ueber  gewisse  Umkehrprobleme  aus  der  Theorie  der 

elliptischen  Integrale. 

Von  F.  Lindemann. 

(Simgdtntfm  16,  Jammor,) 

Die  folgenden  Erörterungen  sind  veranlasst  durch  den 
Versuch,  die  Formeln  fĂĽr  die  Bewegung  eines  Planeten  um 
die  Sonne  durch  Grenztibergang  aus  denjenigen  Gleichungen 
zu  gewinnen,  welche  fĂĽr  einen  von  zwei  festen  Centren  nach 
dem  Newton'schen  Gesetze  angezogenen  Punkt  gtiltig  sind. 
Es  ergab  sich,  dass  dieser  GrenzĂĽbergang  nicht  so  einfach  aus- 
zufĂĽhren ist,  wie  man  erwarten  mochte;  durch  Anwendung 
der  Formeln  fĂĽr  die  Additionstheoreme  der  elliptischen  Func- 
tionen und  Integrale  Hessen  sich  die  gebräuchlichen  Formeln 
herstellen.  FĂĽr  die  Theorie  dieser  Integrale  folgte  hieraus  das 
vielleicht  bemerkenswerthe  Resultat,  dass  ein  gewisses  XJmkehr- 
problem  sich  auf  die  bekannte  Kepler 'sehe  Gleichung  redu- 
ciren  lässt.  Für  die  Theorie  der  Kegelschnitte  ist  es  von  In- 
teresse, dass  sich  die  Gleichungen  von  Kegelschnitten  mit  einem 
gemeinsamen  Brennpunkte  durch  Summen  von  elliptischen  In- 
tegralen mit  verschiedenen  Modul  darstellen  lassen;  und  hieraus 
wieder  findet  man  die  geometrische  Deutung  und  die  Lösung 
fĂĽr  ein  XJmkehrproblem,  bei  dem  zwei  Summen  von  zwei  ellip- 
tischen Integralen  mit  verschiedenem  Modul  (aber  mit  zwei 
gemeinsamen  kritischen  Punkten)  gegeben  sind  und  die  beiden 
oberen  Grenzen  als  Functionen  der  Summen  zu  bestimmen  sind. 


38  SĂĽzung  der  mathrphys.  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

§  1.    Das  erweiterte  ümkehrproblem  für  elliptische 
Integrale  in  verallgemeinerter  Form. 

Wir   bezeichnen   mit  u   und  v  zwei   elliptische  Integrale 
erster  Gattung: 

f  V 

Jy(i-r)(i-«'f')'  ""   J i/ö^vfiTf- p?^) 

Ist  dann  die  Sunmie 

(2)  u-]-  v  =  w 

gegeben,  so  sind  die  oberen  (Jrenzen  f ,  rj  nach  dem  soge- 
nannten erweiterten  ĂĽmkehrproblem  von  Clebsch  und  Gordan 
bestiramt,^)  falls  ausserdem  noch  die  Summe  der  entsprechenden 
Integrale  dritter  oder  zweiter  Gattung  (genommen  inRiemann's 
Sinne)  gegeben  vorliegt.  Ist  aber  die  entsprechende  Summe 
von  Legen dre' sehen  Integralen  dritter  Gattung  gegeben,  so 
ist  jenes  erweiterte  ĂĽmkehrproblem  nicht  anwendbar,  da  sich 
diese  Integrale  als  Summen  von  Riemann'schen  Integralen 
zweiter  und  dritter  (Jattung  darstellen.  Wir  benutzen  die 
Jacobi'sche  Bezeichnungsweise  (wie  sie  z.  B.  auch  von  Durege 
angewandt  wird)  und  setzen 

/o\       rrr      \      f^'-sna-cna-dna  ^/  n  ,   ,i      0(u—d) 

(3)  n(u,a)=  I  ^ i — „ =-  au  =  u Z(a)  +  Xlog  -^; — —^ , 

^  ^  ^  '  ^     Jl  — x'sn'a-sn*w  v  ^  »  y    ^  Q^xi^a)' 

0 

u 

(4)  2r(a)  =  g^°^  =  J«-Jx'8n'«.d«, 

0 

wo  mit  J  und  K  die  bekannten  ganzen  elliptischen  Integrale 
zweiter  und  erster  Gattung  bezeichnet  sind. 


^)  Vgl.  fĂĽr  elliptische  Integrale,  fĂĽr  welche  Rosenhain  schon 
den  einfachsten  Fall  gelöst  hatte,  besonders  Clebsch,  Ueber  diejenigen 
Curven,  deren  Coordinaten  sich  als  elliptische  Functionen  eines  Para- 
meters darstellen  lassen,  Crelle's  Journal  Bd»  64. 


F,  lAndemann:  ĂĽeher  gewisse  Umkehrprohleme,  39 

Seien  nun  Ă„  und  B  Constante  und  sollen  aus  der  Gleichung 
(2)  und  aus  der  Gleichung 

(5)  Ă„  n(u,  a)  +  B  Z(u)  +  Ă„  n{v,  a)  +  BZ{v)  =  w 

die  oberen  Grenzen  f ,  i;  als  Functionen  von  iv  und  w  bestimmt 
werden,  so  kann  die  Aufgabe  mit  HĂĽlfe  der  Additionstheoreme 
in  folgender  Weise  umgeformt  werden.     Es  ist 

/7(w,a)  +  /7(t;,a) 

(6)  rr.     ,        V  ,    ,T      1  —  x'sna  snW'snv-snfw-f-t;  —  a) 
'   =  ZT  (tt  +  v,  a)  +  4  log  :r- — x \   -, ; — { 

*     °  l  +  x*sna«snW'Snt;«sn(w-|-t; -f- a) 

(7)  Z(w)  4-  Z[y)  =  Z{u  +  v)  4-  x'  sn  M  •  sn  V  •  sn  (m  +  v). 

In  Folge  dessen  erhalten  wir  aus  (5)  und  (1) 

-4-      1  —  x*snw«snt;«sna«sn(M;  — a)  ,   ^^  • 

—  loflr  -— — )- — ; — <-  -}-  Bx^sn  w  •  sn  t;  •  sn  m; 

(8)  2     °  1  -f-  >«  sn  w  •  sn  v  •  sn  a  •  sn  (w  +  a) 

=  u/  —  Ä  n(w,  a)  —  BZ(w). 

Die  rechte  Seite  enthält  jetzt  nur  gegebene  Grössen;  zur 
Berechnung  der  Unbekannten  u  und  v  haben  wir  also  eine 
transscendente  Gleichung  fĂĽr  das  Product  sn  u  sn  v  vor  uns. 
Ist  -4.  =  0,  so  wird  dieselbe  algebraisch,  und  wir  haben  das 
erweiterte  Umkehrproblem  fĂĽr  die  Integrale  zweiter  Gattung. 
Der  Fall  -B  =  0  gibt  das  entsprechende  Problem  fĂĽr  Integrale 
dritter  Gattung. 

§  2.    Transformation  eines  analogen  ümkehrproblems 

auf  die  Normalform. 

Auf  eine  transscendente  Gleichung  ähnlicher  Art  führt  die 
folgende  Aufgabe.     Gegeben  seien  die  beiden  Gleichungen 


J  vr  -^  J  VW 

(9) 


p^dp^  C<j'dq_^,^ 


J  YP  +  J  VW 


40  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

wo  P  =  Ä(p  —  a)(p'-ß)(p--y)(p  —  d), 

Q=Aiq-a)iq^Ăź)(q-y)iq-d); 

es  sollen  p  und  q  als  Functionen  von  w  und  w'  bestimmt  wer- 
den. Wir  nehmen  an,  dass  die  Constanten  a,  Ăź,  y,  d  von  einan- 
der verschieden  seien. 

Zunächst  müssen  die  elliptischen  Integrale  der  linken 
Seiten  von  (9)  auf  ihre  Normalform  gebracht  werden.  Zu  dem 
Zwecke  setzen  wir 

dann  wird: 

,iix  dp        1 dC 

(11)  — ^  = .  -  ,    wo 

VT    « v(i-r)(i-x'c) 


(IIa)     e  =  :^YJĂ„P^){&-Ăź),     x'  =  |/^||_^. 

Zur  Umformung  der  Integrale  aus  der  zweiten  Gleichung 
(9)  wenden  wir  die  von  Königsberger  gegebene  Weier- 
strass'sche  Methode*)  an;  d.  h.  wir  machen  wieder  die  Sub- 
stitution (10)  und  finden: 

(12)   ^-;^=^-^-»^^M^ 

YÂĄ        e(r-rOKB(f)  "^  VW) 

-ix«.Ä.:p^  +  id[|/(01^^], 

wo  R  (I)  =  (1  —  V)  (1  —  «'  O»  und  wo  mit  C^J.h  Constante 
mit  /"(!')  eine  rationale  Function  von  ^  bezeichnet  sind,  welche 
sich  nach  den  allgemein  gĂĽltigen  Regeln  berechnen  lassen,  und 
fĂĽr  die  sich  dann  folgende  Werthe  ergeben: 


*)  Vergl.  Eönigsberger:  De  motu  puncti  versus  duo  fixa  centra 
attracti,  Inaugural-Dissertation,  Berlin  1860  und  dessen  Vorlesungen 
ĂĽber  die  Theorie  der  elliptischen  Functionen,  Bd.  I,  p.  276,  Leipzig  1874. 


F,  Lindemann:  ĂĽeber  gewisse  ĂĽmkehrprobleme.  41 

(13)  (7,=yö^=^öK^i=:^-^^=^J^^,    ?=i()'-a)(^-A 

t  =  i(y_a)(,5-/J),     m  =  -r^yj=^l^Jl. 

Statt  T  fĂĽhren  wir  eine  Constante  coj  statt  f  eine  Variable 
u  ein  mittelst  der  Substitutionen 

(14)  T  =  sn(a)  +  ijS7)  = ,     f=snfi 

«sn  CO 

dann  wird  auf  der  rechten  Seite  von  (12): 

f  u 

JT  y  Ăś(t)        -.  Ifcncodno)        , 

C^ — T^^ViZCf)  X  sn  CO  »^  1  — x'  sn*  CO  sn' w 


u  u 


(15)    cnco-dncoT  1    rx'snco«cnco-dnco«sn'w  , 

X  sn  CO    J  X  J       1  —  x'  sn'  CO  •  sn*  w 

0  0 

1  rrr       \      cnco'dnco 

= II(u,(o) -M. 

X  X  snco 

Analoge  Umformungen  nehmen  wir  mit  dem  zweiten  In- 
tegrale vor,  das  sich  auf  die  Variable  q  bezieht,  und  finden 


na\     r       r[/'R(t)  1  cn  CO -dn  CO 

(16)  I dri  = II(v,co) v, 

wo 

(17)  q  =  -S ri      17  =  sn  v. 

FĂĽr  das   zweite  Glied  der  rechten  Seite  von  (12)  erhalten 
wir  nach  (4): 

0  '^    ^^     0 

Sei  endlich  ^^Q  = -^  =  ^ ^,   so  ergibt  sich   aus  (12), 

(15)  und  (18): 


42  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  15.  Januar  1698, 


Vo 


L     2x1/^         snco  A  J 


i  —  x'sn'cüsn'M 


+  i  (y-«)  (<i-i8)  r\ZJ..Z^l  ^'  sn*  ro 


T>  rr/       \   i    n      i    ri  f«  sn  w  •  cn  w  •  dn  M  •  sn*  CO        ^     .] 
=  B  n(u,  a>)  +  Cm  +  JD   — ^ ^ — 5 i ^  W  K 

^  ^  '  [         1  —  X*  SIT  CO*  SIT  u  J 

wo  B,  C,  D  zur  AbkĂĽrzung  fĂĽr  die  betreffenden  Coefficienten 
eingesetzt  ist.  Der  Factor  von  D  kann  mit  HĂĽlfe  der  Ad- 
ditionstheoreme fĂĽr  Integrale  zweiter  Gattung,  d.  h.  mit  HĂĽlfe 
der  Formel 

'7f  \      i'7f     X      \       1  '7t  \       x'  sn  M  '  cn  M  -  dn  ti '  sn'  ft) 

Z(u)  —  \Z(u+co)  —  lZ{u  —  (o)= ^ i — i 1 

^  ^       *     ^  ^       *      ^  ^  1  —  x'  sn'  w  sn'  a> 

vereinfacht  wurden;  so  erhalten  wir: 

p 

(19)   J^  =  Bn(u,m)  +  Cu-^[_Z(ui-<o)-\-Z(,u-o>)l 


Ebenso  ist: 
9 


(20)    j'^'^  =  BIT(v,<o)  +  Cv-^ iZ{v  +  CO)  +  Z{v - c)]. 


Setzen  wir  also  noch 

Po  9o 

Jdp  C  da 

(20a)  «;.  =  w  -^^ß-  kß  -  C  («  +  .) , 

so  gehen  die  Gleichungen  (9)  ĂĽber  in 
(21)  w  4"  ^  =  ^0 


F,  Lindemann:  lieber  gewisse  ümkeihrpröbleme,  43 

(21a)    JB[/I(w,  co)  +  n(v,  (o)]  —  |  D  [Z(w  +  co)  +  Z(t;  +  w) 

-f-  Z(w  —  o>)  -j-  Z(t;  —  a>)]  =  tc;,. 

Eine  weitere  Anwendung  der  Additionstheoreme  (6)  und 
(7)  gibt  endlich  der  Gleichung  (21a)  die  Form: 

.  B  ,      1  —  x'  sn  CO  •  sn  w  •  sn  t;  •  sn  (Wq  —  (o) 

2     °  1  +  x'  sn  CO  •  sn  w  •  sn  t;  •  sn  {Wq  +  co) 

x'D 

cr~  [s^  (^  +  ^)  s^  (^  —  ö>)  +  sn  (w  —  <o)  sn  (v  +  ^0]  sn  «^^ 

=  Wj  —  Ä  n(wQ,o))  -f-  D  Z(w^. 

Andererseits  kann  man  in  die  Gleichung  (21a)  mittelst  (3) 
und  (4)  die  ©-Functionen  einführen  und  findet  dann: 

(23)  A-ü  +  ^l^  =  w,-Aw„ 
WO  zur  AbkĂĽrzung 

(24)  Ăź=log|S"^"4lfe--l 
^     ^  ^0(w+a>)ö(t;-f-ft>) 

Hierbei  ist  zu  beachten,  dass  sich  in  (23)  die  Differentiation 
nach  CO  nur  auf  die  Argumente  der  ©-Functionen  bezieht, 
während  ja  thatsächlich  auch  der  Modul  x'  dieser  Functionen 
nach  (IIa)  und  (14)  von  ö>  abhängig  ist.  In  (22),  bez.  (23) 
ist  uns  diejenige  transscendente  Gleichung  gegeben, 
Ton  welcher  im  vorliegenden  Falle  die  Lösung  des 
Umkehrproblems  abhängt.  Eine  weitere  Behandlung  der- 
selben in  der  vorliegenden  Form  wĂĽrde  Schwierigkeiten  bieten ; 
es  dĂĽrfte  deshalb  von  Interesse  sein,  dass  sich  durch  Unter- 
suchung der  mechanischen  Bedeutung  der  vorgelegten  Gleich- 
ungen (9)  die  gefundene  transscendente  Gleichung  auf  die  bei 
der  Planetenbewegung  auftretende  Kepler 'sehe  Gleichung 
reduciren  lässt. 


44  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  15,  Januar  1S98. 

§  3.    Rednction  des  aufgestellten  ümkehrproblems 
auf  die  Eepler'sche  Qleichung. 

Ein  Punkt  von  der  Masse  1  wurde  von  zwei  festen  Centren 
mit  den  Massen  m  und  ni  nach  dem  Newton'schen  Gesetze 
angezogen;  die  Bewegung  des  Punktes  ist  schon  von  Euler 
und  Lagrange  bestimmt;  Jacobi  behandelt  das  Problem 
mittelst  der  Hamilton 'sehen  partiellen  Differentialgleichung. 
Die  anziehenden  Punkte  mögen  auf  der  X-Axe  in  der  Entfer- 
nung f  zu  beiden  Seiten  des  Anfangspunktes  liegen,  und  zwar 
in  den  gemeinschaftlichen  Brennpunkten  eines  Systems  con- 
focaler  Kegelschnitte 

(25>    ^^  +  jnn-i  =  o. -.— +  ^-^-1  =  0, 

wo  —  00  <  A  <  6',  V  <iix<ia^.     Mittelst  der  Formeln 

(26)       .'  =  (»!=^«^),  ,,  =  Q>^-W~,)^ 

ar  —  (r  b — ar 

wo  f^=  a*  —  V,  werden  elliptische  Coordinaten  eingeführt,  und 
es  werde 

(27)  |/^nri  =  -p,     Y^^^  =  q 

gesetzt;  dann  ist  die  Hamilton'sche  charakteristische  Function 


-j.,)/*^ 


■pfT^  I  j„  I  /  -Jf  +  (»»  —  »Oi»  +2k  —  hb' 


und  die  Integralgleichungen  des  Problems  werden 

(28)  ^-TjT'     *~*o-Th' 

In  jeder  der  beiden  letzten  Gleichungen  kommen  elliptische 
Integrale  mit  verschiedenem  Modul  vor;  lassen  wir  aber  die 


I 


F,  Lindemann:  ĂĽeher  gewisse  Utnkehrprohleme,  45 

Masse  w'  gleich  Null  werden,*)  so  sind  beide  Modulen 
einander  gleich,  und  die  Gleichungen  (28)  werden  mit 
den  Gleichungen  (9)  des  in  §  2  behandelten  Umkehr- 
problems identisch.  Um  die  Identität  herzustellen,  hat  man 
nur  zu  setzen: 

Aij^aXp-Ăź)(p-7yj>-d)  =  {hp'+mp+2k-W)(jf-n 

A{q-a){q^Ăź)iq^y){q-d)  =  Quf+mq+2k-WXq'-n 
l'  =  w  +  k,,     t-^t,  =  l-(w'  +  ki;)-b'{w  +  k,). 

Dabei  sind  die  Constanten  k^  und  A^o  so  bestimmt  zu  denken, 
dass  die  Coordinaten  eines  beliebigen  Anfangspunktes  der  Be- 
wegung (fĂĽr  die  Zeit  t  =  ^q)  in  den  unteren  Grenzen  der  In- 
tegrale auftreten. 

Die  Bewegung  unseres  Punktes  erfolgt  jetzt  bekanntlich 
nach  den  Kepler' sehen  Gesetzen;  die  Bestimmung  des  Ortes 
als  Function  der  Zeit,  d.  h.  der  oberen  Grenzen  p,  q  als  Func- 
tionen von  w  und  tv  geschieht  insbesondere  durch  die  soge- 
nannte Kepler'sche  Gleichung 


(30) 


^  =  |/^[(<?^-«sm0), 


deren  Lösung  in  bekannter  Weise  durch  Anwendung  der 
Lagrange 'sehen  Formel  oder  durch  Entwicklung  von  sin  0 
nach  Besser  sehen  Functionen  von  e  imd  in  eine  trigono- 
metrische Reihe  nach  den  Sinus  der  vielfachen  von  t^  geschieht. 
In  (30)  bedeutet  t^  die  Zeit,  e  die  Excentricität  der  elliptisch 
gedachten  Bahn,  a^  ihre  halbe  grosse  Axe,  ^  die  excentrische 
Anomalie,  endlich  m  die  Masse  der  Sonne.  Auf  diese  Kepler- 
sche  Gleichung  muss  sich  daher  das  in  den  Gleich- 
ungen (9),  bez.  (21)  vorgelegte  Umkehrproblem  aus  der 


')  Mit  dem  Falle  m  =  0  beschäftigt  sich  zu  wesentlich  anderen 
Zwecken  auch  Scheibner  (Notiz  über  das  Problem  der  drei  Körper, 
Bericht  der  kgl.  sächsischen  Gesellschaft  d.  Wissenschaften,  math.-phjs. 
Classe,  1866);  insbesondere  geht  derselbe  auf  die  EinfĂĽhrung  elliptischer 
Functionen  nicht  ein. 


46  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898, 

Theorie  der  elliptischen  Integrale  und  somit  auch  die 
transscendente  Gleichung  (22),  bez.  (23)  reduciren 
lassen. 

Aus  dem  ersten  Kepler'schen  Gesetze  folgt  femer:  Die 
erste  Gleichung  (9)  bez.  (21)  stellt  in  elliptischen  Co- 
ordinaten  A,  /n,  die  durch  (26)  und  (27)  einzufĂĽhren 
sind,  einen  Kegelschnitt  dar,  dessen  einer  Brennpunkt 

im  Punkte  m,  d.  h.  im  Punkte  x  =  —  f=  — J/a' — 6*,  £r  =  0 
sich  befindet. 

Von  welcher  Art  dieser  Kegelschnitt  ist,  lässt  sich  nach 
den  allgemeinen  Bemerkungen  Königsberger's  beurtheilen.*) 
Andererseits  ist  nach  der  Theorie  der  Planeten-Bewegung  die 
Bahn  eine  Ellipse  oder  eine  Hyperbel  je  nachdem 

(31)  2h  =  vl-^-^  =  vl-    2^ 


^0  Po  +  io 

<  0  oder  >  0  ist,  wenn  v^  die  Anfangsgeschwindigkeit,  r^  die 
anfangliche  Entfernung  des  Punktes  vom  anziehenden  Centrum, 
Pq  und  q^  die  Coordinaten  der  Anfangslage  bezeichnen.  Der 
Fall  Ă„  =:  0  gibt  die  Parabel. 

§  4.    Durchführung  der  Transformation  unserer 
transscendenten  Gleichung. 

Nachdem  wir  durch  die  mechanischen  Ueberlegungen  in 
§  3  erkannt  haben,  dass  sich  die  transscendente  Gleichung  (22) 
bez.  (23)  auf  die  einfache  Kepler'sche  Form,  die  in  (30)  vor- 
liegt, bringen  lassen  muss,  erĂĽbrigt  nur  noch,  diese  Umfor- 
mung wirklich  durchzufĂĽhren. 


*)  Vgl.  dessen  oben  citirte  Dissertation,   in   welcher  fĂĽr  den  Fall 
m'oO   die  Integralgleichungen   des   fraglichen  dynamischen   Problems 

(für  den  Fall  der  Bewegung  im  Räume)  durch  Einfährung  elliptischer 
Ö-Functionen  umgeformt  werden.  Weitere  Vereinfachungen  können  (wie 
aus  unseren  Formeln  hervorgeht)  durch  Benutzung  der  Additionstheoreme 
fĂĽr  Integrale  zweiter  und  dritter  Gattung  erzielt  werden. 


F.  Lindemann:  Ueher  gewisse  Umhehrprohleme,  47 

Zu  dem  Zwecke  ziehen  wir  die  in  (21)  vorkommenden 
Integrale  zweiter  Gattung  in  anderer  Weise  zusammen,  als  es 
bei  Ableitung  von  (22)  geschehen  ist.    Nach  (7)  haben  wir 

(32)      Z{u  +  a>)  +  Z{v  +  ö>)  +  Z(u  —  a>)  +  Z(v  —  co) 

=  Z(tt  -f-  ^  +  2  a>)  +  ^' sn  (w  -f-  ^)  sn  (v  -f-  ö))  sn  (w  +  «^  +  2  o)) 

■^  Z(u-\-  V  —  2  cü)  +  «*  sn  (w  —  a>)  sn  (v  —  a>)  sn  (w  -f  v  —  2  cd). 

Nach  dem  Additionstheoreme  fĂĽr  sinam  ist  femer: 

.  sn'ii>  — sn'ö 

sn  (u  +  (o)  sn  (v  -f  cü)  = ^  —^ y- 

^  1  —  x'  sn'  o  sn'  1^ 

(33) 

sn  17  —  sn  ö 


sn  (w  —  a>)  sn  {v  —  co)  = 


a  „«i  ^  ««t  .<!" 


1  —  x'  sn^  ö  sn'  1^ 


u  —  v             u  +  t;                        M  +  t; 
wo  o  =  — g— ,     *  =  — 2 H^i     ^  ^  "^ ^' 

Das  Argument   des  in  (22)  auftretenden  Logarithmus   ist 
nach  Jacobi*)  gleich 

1  ,     ,        ,v    l-«'sn'^«sn't) 

/o  i  \  1  —  «  sn'  ö  sn'  V  2 

(d4) 


1 — x'sn'ösn'i?     ^         ,     -w;^     ,  ^. ' 

1  —  x'  sn'  -^  sn'  i> 

Der  Logarithmus  des  zweiten  Factors  gibt  eine  additive 
Constante,  deren  Werth  durch  w;^  =  w  +  t;  bestimmt  ist;  es 
konmit  also  nur  auf  den  ersten  Factor  an.     Wir  setzen 

,or\  T     1  — «'  sn'  ö  sn'*'        0,- 

1  —  X  sn  o  sn'  ^ 


wo  i  =  J/  —  1  und  L  eine  zu  bestimmende  Constante  bedeutet. 
Die  Auflösung  von  (35)  ergibt 


,  L  —  e 

sn  a  = 


Lsin'*'  — e*'sin'd 


^)  Vgl.  dessen  Fundamenta  nova  theoriae  fimctionum  ellipticarum, 
§  64;  Gesammelte  Werke,  Bd.  1,  p.  211. 


48  SĂĽfung  der  mathrphys.  Glosse  vom  15,  Jantiar  1B98. 

Diesen  Werth  fĂĽhren  wir  mittekt  (33)  in  die  rechte  Seite 
von  (32)  ein.  Seien  fĂĽr  den  Augenblick  die  Buchstaben  -8f,  N, 
B,  R  durch  die  Gleichungen 

Jf=x'sn'*',      iV  =  x'8n**, 

(36)        sntt?o'Cn2Ăź>'dn2a>       j^ sn2a>- cnw?^- dnw;^ 

1 — x^ sn* w^sn^ 2 CO  '  1  —  x'sn't<;Qsn'2a> 

definirt,  so  wird  auf  dieser  rechten  Seite 

(37)  sn  (w-f-  ö>)  sn  (v-f-  cü)  sn  2 1> -f- sn  (u — (o)  sn  (v  —  co)  sn  2i>' 

==x'LiM-I^  [2i^(-»f  iV-x')-(i^'-x')  e*'-L\]iP-x*)  e"  *'] 

Um  nun  die  rechte  Seite  in  eine  Function  von  sin  $ 
=  2^(e  — e~  )  zu  verwandeln,  müssen  wir  die  noch  nicht 
bestimmte  Grösse  L  durch  die  Gleichung 

.^^.    j^ R  IP  —  X* snM;^«  cn2a>'dn2a) /cn  i9\* 

^  ^  R  W—x^  ~  ""  sn2a>.cni(;o-dntt;o  Vcn^ j 

bestimmen.     Der  Ausdruck  (37)   wird  dann   in  RĂĽcksicht   auf 
die  Relation 


N—M        1      sn«^  — sn'* 


j»<i'» 


x'—MN      x^l—x'  sn'*  sn»i> 

=  —  sn  (*  4"  ^')  sn  (*  —  *')  =  -^  sntt?Q«sn  2  a>, 

X  X 

gleich 

/oA\  sn(«;o+2a>)   ,        2cni>-cn*'        ^      .     , 

(39)  ^    °        ö~     +  -TTTör Ton  '  ßo'  sm  *, 

sn«;^-sn2a>       «"(sn** — sn'*)      " 

wo         ßo=  l/snw;^'  cnM;^«  dn tc;^»  sn2a>  •  cn2a>  •  dn2a>. 

Setzt  man  den  so  umgeformten  Ausdruck  (37)  in  (32)  ein 
und  substituirt  die  betreffende  Summe  von  Integralen  zweiter 
Gattung  wieder  in  die  Gleichung  (21)  bez.  (22),  so  geht  die 
letztere,  unter  BerĂĽcksichtigimg  von  (34),  ĂĽber  in 


F.  Lindemann:  Oeber  gewisse  Umkehrprobleme,  49 

-S  .»i.-       T.    cn  ^  •  cn  y>'       „      .      _ 
2  sn  V  —  sn  V 

^        1  — x'sn'i?  sn'^ 


(40)         =Wi  —  B  n  {Wo,  ö))  +  -g  log 


1— x'sn'd'sn'5 


+  I  [Z(2  ^)  +  Z(2  *')  +  X'  «-^^4--)l. 

Hierin  sind  die  Werthe  von  B  und  D  aus  (19)  einzufĂĽhren, 
während  co  durch  (14)  bestimmt  ist,  und  nach  (29)  ist  Ä  =  A, 
d.  h.  gleich  der  Constanten  aus  dem  Satze  von  der  Erhaltung 
der  lebendigen  Kraft.     Man  findet 

(41)  B=  —  "-+ ^-+^i  =:    ^f^_ 

2x\/Ä  2x|/A»' 

Da  bei  der  elliptischen  Bewegung  h  negativ  ist,  so  wird 
in  der  That  in  (40)  die  Constante  iB  reell. 

Die  Auflösung  des  in  den  Gleichungen  (9)  bis  (21) 
vorliegenden  XJmkehrproblems  geschieht  jetzt  in  der 
Weise,    dass   man   die   Grösse  $   aus  (41)  bez.  (30)   be- 

rechnet,    darauf  sinam  — - —  und  damit  u  —  v  aus  (35) 

bestimmt,  wodurch  .dann  die  Integrale  u  und  «;,  deren 
Summe  gleich  w^  gegeben  ist,  einzeln  und  folglich 
auch  ihre  oberen  Grenzen  bekannt  sind. 


§  5.    Einige  geometrische  Folgerungen. 

Wie  in  §  3  bemerkt  wurde,  stellt  die  erste  der  Gleichungen 
(9)  bez.  (21)  einen  Kegelschnitt  dar,  dessen  einer  Brennpunkt 
an  der  Stelle  a;  =  —  /*,  £'  =  0  liegt.  Es  entsteht  also  die  Auf- 
gabe, den  Mittelpunkt  und  die  grosse  Axe  dieses  Kegelschnittes 
zu  bestimmen;  dieselbe  ist  durch  die  in  §  4  ausgeführte  Trans- 
formation bereits  gelöst. 

1898.  Bltsniigtl».  d.  iiiAtlu-pbyi.  OL  4 


50  Sitzung  der  mcUK-phys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

Die  Gleichungen  (30)  und  (41)  mĂĽssen  mit  einander  iden- 
tisch sein.  Nach  (20  a)  unterscheidet  sich  w*  von  iv^  nur  um 
eine  additive  Constante,  nach  (28)  und  (29)  ist  daher 

w^==  2  t  -]-  Constante. 

Durch  Vergleichung  von  (30)  und  (41)  findet  man  daher 
die  halbe  grosse  Axe  a^  der  Bahncurve  bestimmt  durch 

und  für  die  numerische  Excentricität  e  ergibt  sich  die  Gleichung : 

(43)  e]/^  =  -:^DĂś,    ?S'""% 

^     ^  y     m  ^         ^  sn*  ii>  —  sn*  ii> 

w  w 

wo  ii>  =  -^4- CD,  t?'=-^  —  (o.     Es   erübrigt   noch,   die  Rich- 

tung  der  grossen  Axe  zu  bestimmen. 

Der  durch  (37)  und  (39)  definirte  Winkel  *  ist  mit  der 
excentrischen  Anomalie  identisch.*)  Die  Werthe  0=0  und 
$  =  jr  geben  also  die  Endpunkte  der  grossen  Axe;  die  ellip- 
tischen Coordinaten  der  letzteren  Punkte  werden  demnach  aus 
der  Gleichung  (35)  gewonnen.     FĂĽr  0  =  0  ergibt  sich  z.  B., 

— ~ — I   gesetzt  wird,  die  Relation 

,      _  1        L—\ 

^"^  ''«■"x'sn't>-sn«*" 

wo  L  durch  (38)  gegeben  ist.  FĂĽr  eine  Parabel  wird  nach 
(31)  Ă„  =:  0,  also  nach  (29)  ^  =  00,  also  nach  (10)  t  =  ^,  also 
nach  (14)  o>  =  jK'+  %K\  also 


^)  Auch  von  Gylden  ist  die  Planetenbewegung  mittelst  elliptischer 
Functionen  behandelt  worden,  worauf  mich  Herr  College  Seeliger  auf- 
merksam macht  (Vierteljahresschrift  der  astronomischen  Gesellschaft, 
Jahrg.  X,  1875).  Die  EinfĂĽhrung  dieser  Functionen  geschieht,  indem 
die  halbe  excentrische  Anomalie  direct  gleich  der  Amplitude  eines  ellip- 
tischen Integrals  gesetzt  wird. 


F.  Lindemann:  Üeber  geunsse  Umkehrpröbleme.  51 


sn 


*  =  sn  (^^  +  co]  =  sn  (-^-  -  co]  =  sn  &\ 


und  somit  nach  (43)  c  =  oo ,  wie  es  sein  muss ;    es  wird  zwar 
Q^  =  0,  aber  D  =  \{y  —  a)(d  —  ß)  wird  auch  unendlich  gross. 

Eine  besondere  Beachtung  verdient  der  Fall,  wo  auch 
m  =  0  wird.  Dann  muss  nach  dem  Frägheitsgesetze  die  Be- 
wegung in  einer  geraden  Linie  erfolgen.  Die  erste  Gleichung 
(9)  stellt  also  jetzt  eine  gerade  Linie  dar;^)  in  ihr  ist 
nach  (29): 

P=(^»  — f)(Äy  +  2*— Äfe"),     Q  =  {q'—P){hq'-\-2k-hb'). 
Aendert  man  die  Constanten  h,  k,  m  und  setzt 

-P.  =  (l>'-n  (Kp'  +  m,p  +  2Jc,  -  Ă„,  b% 
Qi  =  (2'  -  n  Qh  q'-\-m,q  +  2\-  \ V\ 
so  stellen  die  beiden  Gleichungen 

zwei  Kegelschnitte  dar.  Die  beiden  Curven  haben  einen  ge- 
meinsamen Brennpunkt  an  der  Stelle  x  =  —  /*,  ^  =  0.  Soll 
der  andere  Brennpunkt  in  gleicher  Weise  benutzt  werden,  so 
muss  man  in  TT  (§  3)  m  =  0,  m'  =  1  setzen ;  es  kommt  dies 
darauf  heraus,  dass  p  durch  —  p  ersetzt  wird,  was  den  Werth 
von  A  =  a*  —  p^  nicht  beeinflusst.  Führt  man  dann  n  =  —  p 
als  neue  Variable  ein,  so  tritt  in  (43)  an  Stelle  der  Summe 
die  Differenz  der  Integrale  erster  Gattung  auf.  Erscheint  in 
(43)  einmal  die  Summe  und  einmal  die  Differenz,  so  liegt  der 
eine  Brennpunkt  des  ersten  Kegelschnittes  an  der  Stelle  x=  —f, 


^)  Wie  schon  Jacobi  bei  anderer  Gelegenheit  bemerkt:  Vorlesungen 
ĂĽber  Dynamik,  80.  Vorlesung. 


52  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  15.  Januar  1898, 

^  =  0,  der  eine  Brennpunkt  des  zweiten  Kegelschnittes  an  der 
Stelle  x  =  f,  ^  =  0. 

In  den  ersten  beiden  Fällen  sind  zwei  gemeinsame  Tan- 
genten der  beiden  Kegelschnitte  (43)  bekannt,  die  Bestimmung 
ihrer  Schnittpunkte  geschieht  also  mittelst  quadratischer  Gleich- 
ungen; im  andern  Falle  ist  zu  diesem  Zwecke  eine  Gleichung 
vierten  Grades  nöthig.  Die  elliptischen  Coordinaten  der  vier 
Schnittpunkte  genĂĽgen  den  beiden  Gleichungen  (43).  Durch 
unsere  geometrische  Interpretation  ist  also  die  Lösung 
des  durch  die  Gleichungen  (43)  dargestellten  Umkehr- 
problems gegeben;  und  zwar  sind  folgende  Fälle  zu  unter- 
scheiden : 

1)  Es  sind  zwei  Summen  oder  zwei  DiflFerenzen  von  In- 
tegralen erster  Gattung  gegeben ;  die  Lösung  wird  auf  quadra- 
tische Gleichungen  zurĂĽckgefĂĽhrt; 

2)  es  ist  eine  Summe  und  eine  DiflFerenz  von  Integralen 
erster  Gattung  gegeben ;  die  Lösung  erfordert  eine  biquadratische 
Gleichung ; 

3)  m  =  0  oder  m^  =  0 ;  es  ist  ein  Kegelschnitt  mit  einer 
geraden  Linie  zu  schneiden; 

4)  m  =  0  und  m^  =  0 ;  es  sind  zwei  gerade  Linien  zum 
Schnitt  zu  bringen. 

Während  man  sonst  mit  Hülfe  des  Additions- 
theorems bez.  des  AbeTschen  Theorems  nur  solche 
transscendente  Relationen  mit  algebraischen  in  Be- 
ziehung bringt,  bei  denen  es  sich  um  elliptische  In- 
tegrale mit  gleichem  Modul  handelt,  liegt  hier  ein 
ähnliches  Resultat  für  elliptische  Integrale  mit  ver- 
schiedenem Modul  vor;*)  die  betreffenden  Differen- 
tiale haben  zwei  singulare  Stellen  gemeinschaftlich. 

Statt  der  elliptischen  Coordinaten  hätten  wir  uns  bei  vor- 
stehenden Ueberlegungen  auch  der  bipolaren  Coordinaten  be- 
dienen können,  d.  h.  der  Entfernungen  des  bewegten  Punktes 


M  Es  liegt  nahe,  solche  Betrachtungen  auf  Abel' sehe  Integrale 
auszudehnen,  worauf  ich  bei  anderer  Gelegenheit  zurĂĽckzukommen  hoffe. 


F.  Lindemann:  lieber  gewisse  Umkehrpröbleme,  53 

von  den  beiden  festen  Centren;*)  in  der  That  wird  dadurch 
unser  Problem  in  der  gleichen  Weise  auf  elliptische  Integrale 
zurĂĽckgefĂĽhrt. 

§  6.    Ein  besonderer  Fall. 

Stillschweigend  wurde  im  Vorstehenden  vorausgesetzt,  dass 
die  Wurzeln  der  Gleichungen  P  =  0  und  ^  =  0  von  einander 
verschieden  seien.  Da  f  nothwendig  von  Null  verschieden  ist, 
so  kann  nach  (29)  entweder  eine  Wurzel  der  Gleichung 

gleich  f  werden,  oder  es  können  die  beiden  Wurzeln  der  letz- 
teren Gleichung  zusammenfallen.  Je  nach  dem  Intervalle,  in 
welches  diese  Doppelwurzel  dann  fallt  (nemlich  A  <  fe^  oder 
V<fi<a\  d.  h.  /=a*— A>a'— 6'  oder  0<g'=a'— /i<a*— 6») 
wird  das  eine  oder  das  andere  der  in  den  Gleichungen  (9)  vor- 
kommenden Integrale  unendlich  gross;  die  Gleichungen  können 
daher  nur  dadurch  einen  Sinn  behalten,  dass  dp  =  0  (bez. 
dq  =  0)  d.  h.  p  =  const.  (oder  q  =  const.)  wird;  die  Bewe- 
gung findet  in  einer  Ellipse  (bez.  Hyperbel)  des  ur- 
sprĂĽnglich angenommenen  und  durch  (25)  dargestellten 
confocalen  Systems  statt.  Ist  insbesondere  f  eine  Doppel- 
wurzel von  P  =  0,  so  werden  beide  Integrale  von  (9)  unend- 
lich gross,  und  es  muss  zugleich  p  =  const.  und  q  =  const.  =  /*, 
d.  h.  X  =  fi^=a^  —  6'  werden ;  die  Bewegung  geschieht  in  der 
X-Axe. 

Will  man  auch  hier  die  weitere  Behandlung  in  elliptischen 
Coordinaten  durchfĂĽhren,  so  ist  nach  dem  Principe  von  der 
Erhaltung  der  lebendigen  Kraft,  wenn  wir  uns  auf  die  ellip- 
tische Bahncurve  beschränken  und  etwa  A  :=  0,  also  p  =  a 
wählen: 


1)  Vgl.  Jacobi,  Vorlesungen  ĂĽber  Dynamik,  1.  Aufl.  p.  197.  Jacobi 
bebandelt  auch  die  Planetenbewegung  mit  diesem  Coordinatensysteme, 
legt  dabei  aber  den  einen  festen  Punkt  auf  die  Bahn  des  Planeten, 
während  der  andere  mit  der  Sonne  zusammenfielt. 


54  Siteung  der  nMth.-phys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898, 


\dt)       ^{a'  —  fi)ib'  —  /i)\dtj 


=  U+h  =  -^  [Ya^—fi-Y^'-X]  +  h, 
WO  nun  A  =  0  zu  nehmen  ist,  oder: 

j_  (g'-«!)ig. =  at 

V^Vr-i'  Vh  («'  -«')  +  »» («  -  a) 
Bei  der  Planetenbewegung  auf  der  Ellipse  A  =  0  ist  aber 

immer  h  =  ^r— ,    wenn   die  Sonne   im  Brennpunkte  a;  =  —  /*, 

y  =  0  steht;  das  zweite  Ăźadical  im  Nenner  der  linken  Seite 
hat  daher  zwei  einander  gleiche  Wurzeln  (nemlich  beide  gleich  a) 
und  wir  finden 

Von  hier  geht  man  leicht  zu  den  bekannten  Formeln  ĂĽber. 


55 


Die  Resultate  der  Feldspathstudien. 

Von  Engrrapli  t.  Fedorow. 

{SKngriaufm  15.  Januar.) 

In  verschiedenen  Wissenschaftszweigen  kommt  es  nicht  so 
selten  vor,  dass  man  in  dem  letzten  Stadium  einer  immer  in- 
tensiveren Erforschung  zu  den  in  dem  primitiven  Stadium  vor- 
herrschenden Auffassungen  ganz  analogen  SchlĂĽssen  kommt. 

So  ist  es  z.  B.  mit  der  Theorie  der  Krystallstructur  ge- 
schehen. Der  berĂĽhmte  Hauy  hat  in  die  Wissenschaft  den 
Begriff  der  primitiven  Form  eingefĂĽhrt,  welcher  aber  infolge 
einer  dĂĽrftigen  Erfahrung  und  damit  verbundener  WillkĂĽr  in 
der  Deutung  dieses  Begriffes  nicht  fortbestehen  konnte  und  in- 
folge der  intensiveren  Erforschung  von  Delafosse  und  von 
Bravais  und  Frankenheim  fallen  musste. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  aber  ist  man  endlich,  auf 
Grund  des  von  dem  unvergesslichen  L.  Sohncke  angebahnten 
und  von  dem  Verfasser  weiter  verfolgtem  Wege  eines  noch  in- 
tensiveren Studiums,  dazu  gekommen,  nach  bestimmten,  experi- 
mentell nachzuweisenden  Merkmalen  Schlüsse  über  die  räum- 
liche Lage  der  Punkte  und  über  die  jedem  solchen  zugehörenden 
Raumeinheiten  ziehen  zu  können.  Dementsprechend  kam  wieder 
der  frĂĽher  ganz  verlassene  Begriff  der  Hauptstructurrichtungen 
und  Hauptstructurflächen  zur  Geltung.  Die  ersten  sind  nämlich 
die  die  Centralpunkte  zweier  nächster  Raumeinheiten  verbin- 
denden Geraden.  Die  letzteren  sind  die  je  zweien  solchen  Rich- 
tungen paraUelen  Ebenen. 

In  der  allerletzten  Zeit  gelang  es  dem  Verfasser,  auf 
äusserst  einfache  Weise  die  Hauptstructurflächen  auf  experi- 
mentellem Wege  (wenigstens  fĂĽr  Laboratoriums-Krystalle)  be- 
stimmen  zu   können.     Dazu   erwies   sich   als   ganz   genügend, 


56  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898, 

eine  gesättigte  Lösung  der  betreflFenden  Substanz  zwischen  Ob- 
ject-  und  Deckglas  möglichst  langsam  krystallisiren  zu  lassen 
(zu  welchem  Zwecke  in  der  Mitte  des  Deckglases  ein  kleines 
Loch  angebohrt  wird).  In  der  sehr  dĂĽnnen  Schicht  zwischen 
beiden  Gläsern  bilden  sich  dann  von  selbst  ausgezeichnet  schön 
auskrystallisirende  Tafeln  der  Substanz,  und  die  Endflächen 
dieser  Tafeln  stellen  ganz  genau  die  ihr  zugehörenden  Haupt- 
structurflächen  dar.  Diese  Tafeln  bilden  zugleich  ausgezeich- 
nete Präparate  für  die  optische  Untersuchung  nach  der  Universal- 
methode und  lassen  sich  mit  all'  demjenigen  Grad  der  Genauig- 
keit bestimmen,  welche  ĂĽberhaupt  durch  diese  Methode  erreicht 
werden  kann. 

Es  sei  mir  erlaubt,  hier  sogleich  zu  erwähnen,  dass  diese 
Präparate  am  geeignetesten  dazu  sind,  die  Syngonieart  sofort 
und  unzweifelhaft  zu  bestimmen. 

Jedenfalls  ist  jetzt  fĂĽr  uns  der  Begriff  einer  Hauptstructur- 
fläche  nicht  mehr  ein  leeres  Wort,  und  die  Willkür  bei  dem 
Gebrauche  dieses  Wortes  fĂĽr  gut  untersuchte  Krystalle  besteht 
nicht  mehr  resp.  ist  auf  die  engsten  Grenzen  beschränkt. 

Etwas  ganz  Analoges  ist  aber  auch  mit  den  Feldspath- 
studien  geschehen. 

Zuerst  wurden  verschiedene  Typen  der  Feldspathe  ange- 
nommen, wie  Orthoklas  resp.  Adular,  dann  Albit,  Oligoklas, 
Labradorit  und  Anorthit;  später  kam  dazu  noch  der  Bytownit; 
anfanglich  waren  dies  ganz  abgesonderte  Mineralienspecies  ge- 
wesen. Später  aber,  besonders  durch  die  bahnbrechenden 
Arbeiten  von  Tschermak  und  Max  Schuster,  wurde  ganz 
genau  festgestellt,  dass  die  Kalknatronfeldspathe  —  durch. den 
Gattungsnamen  Plagioklase  in  eine  Gruppe  vereinigt  — 
eigentlich  eine  ununterbrochene  Reihe  bilden,  wenigstens  durch 
zahlreiche  Mittelglieder  in  der  Natur  vertreten  sind. 

Viele  Mühe  ward  darauf  verwendet,  eine  möglichst  grosse 
Anzahl  verschiedener  Glieder  dieser  Reihe  aufeustellen  und  auf 
optischem  Wege  möglichst  genau  zu  characterisieren.  Diese 
Arbeit  wurde  gleichzeitig  von  einer  Reihe  namhafter  Specialisten 
durchgeführt,  bis  endlich  es  sich  als  möglich  erwies,  die  opti- 


E,  V,  Fedoroto:  Die  ResiUtcUe  der  Feldspathatiidien,  57 

sehen  Eigenschaften  dieser  Reihe  wirklich  durch  eine,  wenn 
auch  nur  annähernd  richtige,  Curve  darzustellen.  Die  nähere 
Betrachtung  dieser  Curve  hat  aber  ganz  bestimmt  und  unzweifel- 
haft zu  dem  SchlĂĽsse  gefĂĽhrt,  dass  wir  in  dieser  Reihe  nicht 
eine  einheitliche,  sondern  eine  zusammengesetzte  Curve  vor  uns 
haben.  Man  kann  es  sogar  als  constatirt  gelten  lassen,  dass 
die  Curve  eigentlich  aus  vier  Theilcurven  besteht,  und  dass  die 
gemeinschaftlichen  Punkte  dieser  Curven  ganz  bestimmten 
Plagioklastypen  entsprechen,  und  zwar  gerade  denjenigen, 
welche  als  solche  in  dem  ersten  Stadium  der  Feldspathstudien 
auftraten,  d.  h.  Albit,  Oligoklas,  Labradorit,  Bytownit  und  Anor- 
thit,  denen  also  resp.  die  Mischungsverhältnisse  l  Ab  -\-  0  Än^ 
SÄb+lAn,lÄb+lAn,lAb  +  3  An,  und  0  Ab  +  1  An 
zukommen  wĂĽrden.  Dieses  Resultat  ist  aber  nicht  etwa  auf 
einzelne,  sondern  auf  hunderte  einzelne  Beobachtungen  gegrĂĽndet. 

Als  Grundlage  dazu  dienen  die  massenhaft  ausgefĂĽhrten 
neueren  optischen  Bestimmungen  der  Feldspathe  des  Bogoslowsk- 
sehen  Bergreviers  durch  den  Verfasser.  Auch  wurden  ver- 
schiedene frühere  vollständige  Bestimmungen  herangezogen. 

Die  graphische  Darstellung  der  Resultate  geschah  auf 
folgendem  Wege:  Für  sämmtliche  einzelne  Beobachtungen 
wurden  als  Coordinatenaxen  die  Axen  des  optischen  EUipsoides 
des  betreflFenden  Gliedes  angenommen,  und  dann  wurden  die 
sphärischen  Coordinaten  des  Poles  der  Fläche  (010)  und  der 
Verticalaxe  (frĂĽherer  Aufstellungsart)  ermittelt  und  auf  dem 
stereographischen  Netze  angezeichnet.  In  Folge  dessen  traten 
die  einzelnen  Beobachtungen  auf  der  Zeichnung  als  Punkte  auf, 
und  diese  Punkte  bestimmten  eine  mittlere  Curve  fĂĽr  jede 
dieser  beiden  krystallographischen  Richtungen.  Diese  beiden 
Curven  sind  genügend,  um  die  vollständige  krystallographische 
Orientirung  des  betreflFenden  Gliedes  zu  erhalten.  Ein  einer 
dieser  beiden  Curven  angehörender  Punkt  ist  genau  von  dem 
entsprechenden  Punkte  der  zweiten  Curve  um  90®  entfernt. 

Auf  welche  Weise  können  wir  ims  nun  über  die  Einheit- 
lichkeit resp.  Zusammensetzung  der  Theilcurven  ein  Urtheil 
verschaflFen?     Ich  bediente  mich  folgender  Methode: 


58  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

Gelingt  es  einmal  auf  der  Sphäre  einen  Pol  aufzufinden, 
welchem  eine  gleiche  krystallographische  und  eine  gleiche 
optische  Bedeutung  zugleich  fĂĽr  zwei  Endgliedern  einer  iso- 
morphen Theilreihe  zukommt,  so  muss  dieser  Pol  (wenigstens 
sehr  annähernd)  diese  zweifache  Bedeutung  für  sämmtliche 
Mittelglieder  dieser  Reihe  beibehalten.  Diesem  Pol  gehören 
also  zugleich  dieselben  optischen  und  dieselben  krystallographi- 
schen  Coordinaten  für  sämmtliche  Glieder  der  Reihe  an.  Für 
diese  Theilreihe  ist  also  die  entsprechende  Richtung  constant 
und  kann  als  eine  Drehungsaxe  angenommen  werden.  Dem- 
entsprechend mussten  dann  die  Theilcurven  Kleinkreise  sein, 
deren  Centrum  auf  der  Sphäre  der  betreflFende  Polpunkt  der 
Drehaxe  ist.  Auf  diesem  Wege  können  wir  also  diese  con- 
stanten  Punkte  fĂĽr  eine  isomorphe  Reihe  auf  graphischem 
Wege  ermitteln.  Ich  habe  dies  ausgefĂĽhrt,  und  fĂĽr  die  Theil- 
reihen  0 — 25,  25 — 50,  50 — 75  drei  verschieden  constante  Punkte 
erhalten.  Nur  für  die  Theilcurve  75 — 100  erhalten  wir  auf 
der  Sphäre  eine  so  geringe  Länge,  dass  es  unpraktisch  erscheint, 
den  entsprechenden  constanten  Punkt  zu  ermitteln,  wenn  er 
natĂĽrlich  auch  ein  bestimmter  sein  muss. 

Sind  einmal  die  constanten  Punkte  fĂĽr  die  Theilcurven 
ermittelt,  so  kann  man  die  Curven  selbst  auf  graphischem 
Wege  erhalten.  Nun  sieht  man,  dass  die  so  construirten  theo- 
retischen Curven  (also  Kleinkreise)  den  unmittelbar  aus  den 
Beobachtungen  ermittelten  Curven  so  nahe  stehen,  dass  wirk- 
lich die  letzteren  als  einheitliche  aufgefasst  werden  können. 
Wahrscheinlich  nähern  sich  die  theoretischen  Curven  noch  mehr 
der  Wahrheit,  als  die  direct  aufgezeichneten  Mittelcurven. 

Im  Gh-ossen  und  Ganzen  nähern  sich  alle  vier  Theilcurven 
einem  Kreise;  natĂĽrlich  mĂĽsste  aber,  wenn  man  diesen  an- 
nehmen wollte,  keine  RĂĽcksicht  auf  irgend  einen  Genauig- 
keitsgrad genommen  werden.  Man  kann  diesen  Umstand  in 
der  Weise  deuten,  dass,  wenn  auch  die  Mittelglieder  der 
Plagioklasreihe  verschiedenen  Theilreihen  angehören,  doch  in- 
folge unbedeutender  chemischer  Action  zwischen  den  Molekeln, 
die  ganze  Reihe  in  erster  Linie  als  eine  annähernd  isomorphe 
zu  betrachten  ist. 


59 


Zur  Theorie  des  Doppel-Integrals. 

Von  Alfred  Prlngslieim. 

(Einffdauftn  15.  Januar) 

Nachdem  Riemann,  den  Cauchy-Dirichlet'schen  In- 
tegral-BegriflF  wesentlich  erweiternd,  die  Grundlage  fĂĽr  die 
moderne  Theorie  des  einfachen  bestimmten  Integrales  ge- 
schaflFen  hatte,  lag  es  nahe,  auch  den  BegriflF  des  mehrfachen, 
insbesondere  des  Doppel-Integrales  in  analoger  Weise  zu 
vervollkommnen.  Die  Verallgemeinerung  der  betreflFenden  Defi- 
nitionen und  Existenzbeweise  bot,  zumal  mit  BenĂĽtzung  der 
seit  Ausbildung  der  C an tor 'sehen  Mengenlehre  gewonnenen 
schärferen  BegriflFs-Bestimmungen,  keine  besonderen  Schwierig- 
keiten. Dagegen  ergaben  sich  solche  bei  der  Formulirung  und 
beim  Beweise  desjenigen  Fundamen tal-Satzes,  welcher  von  der 
Reduction  eines  Doppel-Integrales  auf  ein  iterirtes  In- 
tegral, d.  h.  von  der  Berechnung  eines  Doppel-Integrales 
mit  HĂĽlfe  von  zwei  successive  auszufĂĽhrenden  einfachen 
Integrationen  handelt,  da  die  Existenz  des  ĂĽber  eine  gewisse 
Fläche  erstreckten  Doppel-Integrals  f  f /^(^>y)  •  ^^  •  ^y 
keineswegs  diejenige  der  einfachen  Integrale  ( fipo^y)'  dx, 
(f{x,y)dy  bei  constantem.  y  bezw.  x  praejudicirt.     Hiemach 

entsteht   also  vor  allem   die  Frage,   in  wieweit   ĂĽberhaupt  der 
fĂĽr  eine  stetige  Function  f{x,y)  geltenden  Formel: 


J 


60  SiUung  der  math.-phys,  Classe  vom  15.  Januar  1898, 


X    Y 


W  j  jf{^^y)'dX'dy 


X        ÂĄ 

so     yo 

Y        X 

=  §dy^f(x,y)'dx 


eine  wohl  definirte  Bedeutung  auch  dann  noch  beigelegt 
werden  kann,  wenn  f{x,  y)  nur  denjenigen  Beschränkungen 
unterliegt,  welche  die  Existenz  des  betreflFenden  Doppel- 
Integrales  nach  sich  ziehen,  und  sodann,  ob  diese  letztere 
auch  allemal  fĂĽr  die  GĂĽltigkeit  jener  Formel  ausreichend 
erscheint.  Diese  Fragen  wurden  wohl  zum  ersten  Male  von 
Du  Bois  Reymond^)  in  der  Hauptsache  richtig  beantwortet, 
indem  er  die  fragliche  Formel  als  speciellen  Fall  eines  von 
ihm  aufgestellten  allgemeineren  Grenzwei-th- Satzes  auflFasst. 
Allein  seine  ganze  Darstellung  ermangelt  der  nöthigen  Präcision 
imd  Beweiskraft,  da  er  gewissermaassen  mit  unendlich  viel- 
deutigen AusdrĂĽcken*)  wie  mit  eindeutig  definirten  operirt. 

Derselbe  Mangel  haftet  auch  dem  directeren  Beweise  an, 
welchen  Harnack  in  der  deutschen  Ausgabe  des  Serret'schcn 
Lehrbuches  der  Differential-  und  Integral-Rechnung^)  mitge- 
theilt  hat. 

Mit  Hinzunahme   einer  gewissen   beschränkenden  Voraus- 

Y 

Setzung    (nämlich    der    Existenz    des   Integrals    ( fix^y)  •  dy 

X 

bezw.  ^  f{x^y)dx  fĂĽr  jedes  einzelne  in  Betracht  kommende  x 

bezw.  y  mit  eventuellem  AusschlĂĽsse  einer  unausgedehnten 
Punktmenge)  hat  sodann  Herr  Stolz  den  Sinn  und  die  GĂĽltig- 
keit der  Formel  (I)   in  durchaus  coiTccter  Weise  festgestellt.*) 

1)  Ueber  das  Doppelintegral.    .Tourn.   f.  Math.  Bd.  44  (1888), 

S.  278.     (Ich   verdanke   die   folgenden    literarischen  Notizen   zum   Theil 

einer  gelegentlichen  Mittheilung  des  Herrn  A.  Voss.) 

*)  Als  solche  kann  man  doch  allenfalls  die  Integrale  von  der  Form 
r  X 

J*/*(^iy)*''y»  j /^Ky)"''«^  i™  Falle  ihrer  Nicht-Existenz  auffassen. 

8)  Bd.  II«  (1886),  Art.  582. 

^)  Math.  Ann.  Bd.  26  (1886),  S.  43. 


A,  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel-Integrals.  61 

Eine  vollständig  befriedigende  und  allgemeine  Lösung  der 
angedeuteten  Fragen  hat  jedoch  erst  Herr  C.  Jordan  geliefert,*) 
indem  er  durchweg   die   auch   im  Falle   der  Nicht-Existenz 

Y  X 

von  ^f(x, y)-dy^  ^fip^iV)  *  ^^  völlig  wohldefinirten  und  praecisen 

Begriffe   des   oberen  und   unteren  Integrals   in  den  Vorder- 
grund stellt. 

Bei  der  einigermaassen  abstracten  Fassung  und  ausser- 
ordentlich weit  getriebenen  Allgemeinheit^)  der  Jordanischen 
Auseinandersetzungen  dĂĽrfte  vielleicht  eine  vereinfachte  Dar- 
stellung der  zu  einer  vollkommen  strengen  Auffassung  und  Be- 
grĂĽndung der  Formel  (I)  dienlichen  Betrachtungen  nicht  ĂĽber- 
flĂĽssig erscheinen.  Die  von  mir  erzielten  Vereinfachungen  be- 
ruhen zum  guten  Theil  auf  der  Anwendung  einer  gewissen 
neuen  Bezeichnungsweise,  welche  mir  nicht  nur  fĂĽr  den  vor- 
liegenden Fall,  sondern  fĂĽr  Fragen  aller  Art,  in  denen  Unbe- 
stimmtheitsgrenzen eine  Rolle  spielen,  äusserst  zweckmässig 
erscheint.  Nachdem  dieselbe  in  Art.  I  erklärt  ist,  stelle  ich 
zunächst  in.  Art.  II — IV  diejenigen  Definitionen  und  Sätze  aus 
der  Theorie  der  einfachen  Integrale  zusammen,  welche  fĂĽr  das 
folgende  erforderlich  sind.  Hieran  schliesst  sich  in  Art.  V  die 
Definition  des  Doppel-Integrales  und  sodann  in  Art.  VI  die 
Erörterung  der  frfiglichen  Formel  (I),  zunächst  unter  der  An- 
nahme constanter  Grenzen,  also  eines  rechteckigen  Integrations- 
Bereiches.  Ich  gebe  den  Beweis  dafĂĽr  unter  zwei  verschiedenen 
Formen,  deren  erste  wie  bei  Du  Bois  Reymond  auf  der 
Heranziehung  eines  allgemeinen  Grenzwerth- Satzes  beruht, 
während  die  zweite  als  eine  Complettirung  des  Harnack'schen 
Beweises  gelten  kann.  Als  Erläuterung  für  die  Tragweite  der 
bewiesenen  Fonnel  wende   ich    dieselbe  auf  eine  Function  an, 

Y  X 

bei  welcher  die  Integrale  ^  f{x^y)  >  dy^   (  fi^^y)'  dx  fĂĽr  unend- 
yo  «i) 

1)  Journ.  de  Math.  4i^me  g^rie,  T.  8  (1892)  p.  84,  Art.  17.  —  Cours 
d' Analyse,  2<le  ^d.,  T.  I  p.  42,  Art.  -66— 58. 

*)  Herr  Jordan  dehnt  z.  B.  den  Integral-Begriff  auf  ganz  beliebig 
gedachte,  insbesondere  also  auch  auf  unstetige  Punkt-Mengen  aus. 


62  SĂśMung  der  mathrphys.  Glosse  vom  15,  Januar  1898. 

lieh  viele,  ĂĽberall  dicht  liegende  Werthe  von  x  bezw.  y  nicht 
existiren.  —  In  Art.  VII  folgt  schliesslich  die  Uebertragung 
der  Formel  (I)  auf  den  Fall  eines  krummlinig  begrenzten 
Integrations-Bereiches  mit  HĂĽlfe  einer  sehr  einfachen  Methode, 
welche  zwar  sehr  nahe  zu  liegen  scheint,  aber  meines  Wissens 
fĂĽr  den  vorliegenden  Zweck  bisher  noch  nicht  angewendet  wurde. 


I.  Oberer  und  unterer  Limes.  Ich  bezeichne  den 
oberen  Limes  (die  obere  Unbestimmtheits-Grenze)  einer  Zahlen- 
folge rty  (v  =  0,  1,  2,  .  .  .)  fĂĽr  lim  v  =  oo,  bezw.  denjenigen  einer 
Function  q)(x)  für  limÄ;  =  a;o,  durch  das  Symbol: 


(1)  lim  Uy    bezw.     lim  q^(x), 

y  =  OD  XSZXq 

den  unteren  Limes  entsprechend  durch  das  Symbol: 

(2)  lim  tty     bezw.     lim  cp  (x),  ^) 

Die  Anwendung  der  Bezeichnungen: 


(3)  lim  Uy    bezw.     lim  tp  (x) 

V^  OB  S:=2^ 

soll  dann  bedeuten,  dass  in  dem  betreffenden  Zusammenhange 
ganz  nach  Willkür  der  obere  oder  untere  Limes  gewählt 
werden  darf.    Hiernach  sagt  z.  B.  eine  Beziehung  von  der  Form: 


(4)  lim  tty  =  a 


V  =  OD 


nichts  anderes  aus,  als  dass  der  obere  und  untere  Limes  von 
Qy  den  gemeinsamen  Werth  a  besitzen  d.  h.  dass  in  dem  ge- 
wöhnlichen Sinne  lim  ay  =  a  wird. 


V  =  00 


^)  Ich  habe  bisher  den  oberen  und  unteren  Limes  einer  Zahlenfolge 
a„  mit 

lim  sup  a  ,      lim  inf  fl, 


V 


-y  » y 

vss  OD  y  =  00 


bezeichnet.  Wie  ich  nachträglich  bemerkt  habe  und  an  dieser  Stelle 
ausdrücklich  erwähnen  möchte,  sind  diese  Bezeichnungen  wohl  zuerst 
von  Herrn  Pasch  eingefĂĽhrt  worden:  Math.  Ann.  Bd.  80  (1887),  S.  184. 


Ă„.  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel- Integrals. 


63 


Der  Nutzen  der  obigen  Bezeichnungsweise  tritt  besonders 
deutlich  hervor,  wenn  es  sich  um  mehrere  nach  einander  zu 
vollziehende  Grenz-XJebergänge  handelt.  Namentlich  gestattet 
dieselbe,  gewisse  Sätze  über  den  Zusammenhang  der  Grenz- 
werthe  von  Functionen  mehrerer  Variablen  bei  simultanen 
und  successiven  Grenz-Uebergängen  äusserst  einfach  und 
praegnant  darzustellen.  Hierher  gehört  z.  B.  der  von  mir  bei 
anderer  Gelegenheit  ^)  ausgesprochene  und  bewiesene,  im  folgen- 
den zu  benĂĽtzende  Satz: 

Ist: 

lim  inf  a,,^  =  ly,     lim  sup  a^^  =  Ly     (r  =  0, 1,  2, . . .), 

lim  inf  af^y  =  Z^,     lim  sup  Oy^v  =  L'fi     (/i  =  0, 1,  2, . . .), 

SO  hat  man  stets: 

lim  ly  =  lim  Ly 

lim  Ift  =  lim  Lf^ 


/i  ^  00,  y  =  00 


/4  =  00 


^=00 


sobald   ein   endlicher   oder    bestimmt   unendlicher       lim       a 


ftr 


ju=:  o&,  y^  OB 


existirt. 

Dieser  Satz  lautet  jetzt  einfach  folgendermaassen : 
Man  hat: 


(5) 


lim  /  lim       \ 


â–ş  =       lim       a 


ju  =  aD,  r=  00 


fiV 


lim  /  lim  a^v\ 
allemal,  wenn  der  rechtsstehende  Grenz  werth  existirt.*) 

1)  Sitz.-Ber.  1897,  S.  106. 

*)  Mit  BerĂĽcksichtigung  der  an  61.  (4)  geknĂĽpften  Bemerkung  kann 
man  natĂĽrlich  statt  Gl.  (5)  auch  schreiben: 


lim  /  lim   a^^A 
lim  /Ăś^  a\ 


=        lim        a     . 

/<  =  OD,  y  =  00 


64  Sitzung  der  mcUhrphys.  Glosse  vom  15,  Januar  1898. 

n.  Oberes  und  unteres  Integral.  Es  sei  f(x)  end- 
lich und  eindeutig  definirt  im  Intervalle  x^Kx^X.  Wird 
das  letztere  in  n  beliebige  Theil-Intervalle  dy  (r  =  1,  2, . . .  n) 
zerlegt  und  bedeutet  Gy  die  obere,  gy  die  untere  Grenze  von 
f(x)  im  Intervalle  dy,  so  haben  die  Summen: 

^vGydy  =  Sti  eine  bestimmte  untere  Grenze  S, 


n 


J^ygydy  =  Ä„      ^  „  obere  ,,        s.^) 

1 

Alsdann  lässt  sich  zeigen,^)  dass: 

M  M 

(6)  lim  ^r  Gy  6y  =  S,      lim  ^r  gydy  =  s, 

und  zwar  unabhängig  von  der  Wahl  der  Theil-Intervalle  dy 
und  der  besonderen  Art  des  Grenz-Ueberganges.  Speciell  ist 
also  auch: 

(7)  lim  — ^yGy  =  S,     Mm  -  ''^ygy  =  s, 

A 

wenn  X  —  iP^  =  -4 ,  5y  =  —   gesetzt    wird,    und   Gy  bezw.  gy 

w 

wiederum  die  obere  bezw.  untere  Grenze  von  f(pß)  im  r*®°  Theil- 
Intervalle  bezeichnet. 

S  heisst  sodann  das  obere,  s  das  untere  Integral  von 
f(po)  für  das  Intervall  (a:^,  X)  —  in  Zeichen  (nach  dem  Vor- 
gange des  Herrn  Peano): 


^)  Diese  Art,  die  Zahlen  S  und  s  zu  definiren  (statt,  wie  gewöhn- 
lich geschieht,  ihre  Definition  an  die  Gleichungen  (6)  anzuknĂĽpfen) 
rĂĽhrt,  wie  ich  einer  Mittheilung  des  Herrn  Stolz  entnehme  (Monatsh. 
f.  Math.  VIII,  S.  96),  von  Herrn  Peano  her:  Atti  Torin.  T.  XVIII,  p.  441 
(1883).  Dieselbe  findet  sich  auch  in  der  oben  citirten  Abhandlung  des 
Herrn  Pasch:  a.  a.  0.  S.  144. 

^)  S.  z.  B.  Pasch,  a.  a.  0.  S.  143.  —  C.  Jordan,  Cours  d^analyse, 
2'J«  ed.,  T.  I,  p.  33.  - 


A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel-Integräla,  •  65 

(8)  S  =  jf{x)'dx,    s=^Jf(x)'dx. 

Die  von  mir  im  folgenden  anzuwendende  Bezeichnung: 

(9)  fnx)dx 

soll  dann  wiederum  ausdrĂĽcken,  dass  in  der  betreflFenden  Formel 
das  obere  oder  untere  Integral  ganz  nach  WillkĂĽr  ge- 
wählt werden  kann. 

in.  Das  obere  und  untere  Integral  als  oberer  und 
unterer  Limes.  Das  obere  bezw.  untere  Integral  lässt  sich 
auch  noch  in  anderer  Weise,  nämlich  als  oberer  bezw.  unterer 

N 

Limes   der  Summen   von   der  Form  ^yf(^v)'dy  auffassen  (wo 

1 

fy  dem  Intervalle  dy  angehört).  Es  gilt  nämlich  der  folgende 
Satz: 

Bedeutet  f^  irgend  eine  und  jede  beliebige  Stelle 
des  Intervalles  dy,  so  gelten  die  Beziehungen: 

M  M 

(10)  M     L-    fi^y)    'dy    =    S,  lim       ÂŁ-   fi^y)    '    dy    =    S  , 

bei  beliebiger  Wahl  der  Theil-Intervalle  öy.  Insbe- 
sondere wird  also: 

(11) 

(wo:  0<;*.^1). 

Beweis.     Man  hat  bei  jeder  Wahl  der  Theil-Intervalle  d 
laut  Definition: 

1898.  Sitsmigsb.  d.  matK-phys.  OL  5 


VI 


66  SĂśMmng  der  matk.-pk]f$.  dasse  vom  15.  Januar  1898. 

(a)  f>  G,  5,  ^  a. 

1 

Andererseits  lässt  sich  in  Folge  der  Beziehung  (6)  <Jy  so 
klein,  n  so  gross  annehmen,  dass: 

(b)  ^yGrdy<S  +  E  etwa  fĂĽr:  dy^6,  n>N, 

wenn  c  >  0  beliebig  klein  vorgeschrieben  wird. 

Da  sodann  fĂĽr  jede  Wahl  der  Stelle  fy  innerhalb  des  In- 
tervalles  d^  stets:  f{^y)^Gr^  so  wird  auch: 

(c)  i:,rf{$r)'dy<S+s   fĂĽr:    dy^d,    n:^N. 

1 

In  Folge  der  Definition  von  Gy  (als  obere  Grenze  der 
Werthe  fi^r)  im  Intervalle  dy)  muss  es  aber  in  dy  Stellen  fi 
geben,  sodass: 

Gy-f{^l)<^    (wo:  ^  =  X-a:o  =  f:.(J.), 

und  daher: 

II  Ig 

1  I 

d.h. 

i:rf(.rr)>i:^Gydr-e 
I         1 

(d)  >S  —  e  (s.  Ungl.  (a)). 

Aus  ĂĽngl.  (c)  und  (d)  folgt  dann  schliesslich,  dass  in  der 
That: 

M 

lim  y^y  f(Sy) .  d„  ==  S,     q.  e.  d. 
Analog  ergiebt  sich: 

n 

lirn^  2"  f(^y)  'dy  =  s.— 


A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel-lntegrcäs.  67 

rV.   Das  bestimmte  Integral.     Ist  5  =  5,  und  nur  in 
diesem  Falle,  so  wird  nach  IQ: 


(12)  lim  £.  /•(!,)  .  <J,  =  Um  ^r  /-(f,)  •  (J„ 


«5«  =  0 


<5„  =  0    1 


d.  h.  dann  existirt  ein  bestimmter  lim  y^yfi^y)  •  <Jy,    welcher 

als  das   bestimmte  Integral   von  f{x^y)  in  den  Grenzen  x^ 
und  X  bezeichnet  wird,  und  man  setzt,  wie  ĂĽblich: 

(13)  lim  Sr  /-(f.) .  (J.  =  I  /-(a;)  .  da:. 

^r  =  0    1  aso 

In  diesem  Falle  besteht  also  die  Beziehung: 


X 


X 


(14)  J'/-(a:).da;  =  J/-(a:).da;. 


«0  « 


V.    Das  Doppel-Integral.     Ist  f(x,y)  endlich  und  ein- 
deutig definirt  im  Innern  und  auf  den  Grenzen  des  continuir- 

f» 
liehen    und    quadrirbaren  ^)   Bereiches   T,    und  bedeutet  ^yty 

1 

irgend  eine  Zerlegung  von  T  in  n  quadrirbare  Theilbereiche 
ty,  femer  Gy  die  obere,  gy  die  untere  Grenze  von  fix^y)  fĂĽr 
den  Theilbereich  ty^  so  besitzt  von  den  beiden  Summen: 

M  N 

(15)  ^y  Gy'ty  =  Sn,       S»'  gr'ty  =  S^ 

1  1 

die  erstere  eine  untere  Grenze  S,  die  letztere  eine  obere 
(Jrenze  8.  Und  es  lässt  sich  wiederimi  zeigen,*)  dass  bei  be- 
liebiger Wahl  der  Theilbereiche  ty  und  imabhängig  von  der 


*)  Mit  anderen  Worten:  die  Punkte  von  T  sollen  ein  Btetiges 
System  bilden,  dem  eine  bestimmte  Flächenzahl  zukommt.  Es  er- 
Bcheint  mir  pädagogisch  zweckmässig,  den  Begriff  der  Flächenzahl, 
welche  ja  in  Wahrheit  nur  einen  speciellen  Fall  des  Doppel-Integrals 
bildet,  bei  dessen  allgemeiner  Definition  als  bereits  bekannt  voraus- 
zusetzen. — 

^)  S.  z.  B.  Serret-Hamack,  Bd.  II,  Art.  681.  —  C.  Jordan,  a.  a.  0.  p.  88. 

6* 


68  Siteung  der  mctth.'phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

besonderen  Art  des  Grenz-Ueberganges  die  Beziehungen  be- 
stehen : 

f»  f» 

(16)  hm^r  G^'ty  =  S,       ]im  ^y  gr'ty  =s, 

wenn  dy  den  grössten  Durchmesser  von  ty  bedeutet.  S  heisst 
alsdann  das  obere,  s  das  untere  Doppel-Integral*)  von 
f(x,y),  erstreckt  ĂĽber  den  Bereich  T. 

Die   Bedingung  S  =  s  ist  dann   wiederum   nothwendig 
und   hinreichend   fĂĽr  die  Existenz  eines  bestimmten  Grenz- 

werthes : 

f» 

(wo  (fv,i?v)  eine  beliebige  Stelle  von  ty  bedeutet).  Derselbe 
heisst  das  ĂĽber  T  erstreckte  Doppel-Integral  von  f{x^y\ 
in  Zeichen: 

(17)  Um  £.  /•(!.,  riy)  •  ty  =^Sf(x,y)  •  dt. 

VI.    Das  Doppel-Integral  mit  constanten  Grenzen 

und  seine  Reduction  auf  ein  iterirtes  Integral.    Ist  der 

Bereich  T  ein  Rechteck  mit  den  Eckpunkten  (Xq,  y^),  (X,  y^), 

(X,  Y),  (Xq^  Y),  so  mag  das  entsprechende  Doppel-Integral  mit 
(X,r) 
^ ^  f  ipc^y)'  dx  *  dy  bezeichnet  werden.     Wählt   man   alsdann 

(«(hifj) 

als    Theil  -  Bereiche    m  •  n   Rechtecke    mit     den    Grundlinien 

^^  (a*  =  1»  2, . . .  m)  und  den  Höhen  c^  (v  =  1,  2, . . .  n),  so  hat 

man  laut  Definitions-Gleichung  (17): 

(18)  ^ ^  f{x,y)'dx'dy=       lim       5>S^/'(lyev,  ^^.v)- ^/i-c-, 


*)  Andere  Definitionen  und  zugleich  Verallgemeinerungen  dieser 
Begriffe  mit  ausschliesslicher  BenĂĽtzung  von  geradlinig  begrenzten 
Theilbereichen  hat  neuerdings  Herr  Stolz  gegeben :  »Zwei  Grenz- 
werthe,  von  welchen  das  obere  Integral  ein  besonderer  Fall 
ist."     Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Akad.  1897,  8.  453  ff. 


Ă„.  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel- Integrals.  69 

und,  wenn  man  die  <5^t(/i  =  l,2,...m),  ebenso  die  €,,(v  =  l,2,...n) 
einander  gleich  macht: 

SS  f^^^y^'^^'^y 

(19)  ''^''' 

wo:    X  —  x^,  =  A,     Y—y^  =  B,    0^t?^^l,    0<t?;<l. 
Dann  soll  gezeigt  werden,  dass: 

=S^^Sf^^'y^'^y 


(20)       X|/'(^,y)-d^-^y 


^        yo 

F  X 


^^dy^f{x,y)-dx') 


yo        «0 

allemal  wenn  das  betreffende  Doppel-Integral  im  Sinne  der 
Def.-Qleichung  (18)  existirt.*)  — 

Beweis  L  Nach  dem  am  SchlĂĽsse  von  Art.  I  citirten 
Satze  oder,  genauer  gesagt,  mit  HĂĽlfe  einer  leicht  vorzuneh- 
menden Modification  ^)  desselben,  ergiebt  sich,  wenn  das  frag- 
liche Doppel-Integral,  also  der  Grenzwerth  (19)  existirt, 
unmittelbar: 

(X.D 

S  S  f{^^y)'^^'^y 

d.  h.  mit  BerĂĽcksichtigimg  von  Gl.  (11)  und  (8): 


*)  Selbstverständlich  kann  man  bei  den  äusseren  Integralen  auch 
X    Y 
einfach:  J^,  J^  schreiben  —  cf.  Gl.  (14). 
«0    yo 
2)  Es   handelt   sich,    mit    anderen    Worten,    hier   immer   nur   um 

.eigentliche**  Doppel-Integrale. 

•)  Diese   Modification   ist  erforderlich  wegen   der   Unbestimmtheit 
der  mit  d^,  ^'  bezeichneten  Zahlen. 


70  Süßung  der  maJ^.-pkya,  Glosse  vom  15»  Januar  1898. 

und  schliesslich: 

jjf(pc,y)'dx'dy  =  ^dx^f(x,y)'dy,    q.  e.  d. 

(«<hjfo)  ;^      Ü 

Analog  erhält  man: 

(X.  7)  II 

Beweis  11.  Es  sei  <J^  =  a;^  —  a:^_i ,  c^  =  y^  —  y^^i ,  femer 
Gfty  die  obere,  jr^v  die  untere  Grenze  von  f(x,y)  in  dem  be- 
treffenden Rechtecke,  sodass  also: 

Dagegen  soll  mit  Gy  (f^),  gy(Sf*)  die  obere  bezw.  untere 
Grenze  von  fi^^^y)  im  Intervalle  (y^-i^y^)  bei  constantem 
f^  bezeichnet  werden,  also: 

9y  (f^)  < /*(f^,  J/y)  :g  ffy  (f^)  fĂĽr:  y^_i  ^17^;^  y^. 
Alsdann  ist  offenbar: 

9fiy  <  9y  (f /O  5^  Gr^  (f /O  <  ^-f^y 

und  daher: 

»  n  N  N 

II  I  I 

Andererseits  hat  man  nach  Art.  11: 


»I 


und  daher  a  fortiori: 


A,  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel-Integrals,  71 

Daraus  folgt  weiter: 

und  somit  fĂĽr  lim  m  :=  oo ,  lim  n  =  oo ,  unter  der  einzigen 
Voraussetzung,  dass  das  betreffende  Doppel-Integral  in  dem 
angegebenen  Sinne  ezistirt: 

(2.1?  Ă„        1 

(20a)       j}  f(pc,y)'dX'dy  =  ^dx^f{x,y)'dy,     q.  e.  d. 

Analog  ergiebt  sich  wiederum: 
(20b)  ///•(«,  y)'dx-dy  =  j  dyjfix,  y)  •  rf«. 

(**»*»^  Site  «0 

Zusatz.  Man  bemerke,  dass  die  rechte  Seite  der  Formeln 
(20)  in  jedem  Falle  durchaus  wohldefinirte  Operationen 
enthält,    auch   wenn   keins  der  einfachen   bestimmten  In- 

f  X 

tegrale  ^fipo,y)'dy,  j f(x,y)-dx   existirt:   fĂĽr   die  GĂĽltig- 

keit  jener  Formeln  ist  eben  nur  die  Existenz  des  betreffen- 
den Doppel-Integrals  erforderlich. 

Beispiel.  Denkt  man  sich  jeden  Werth  einer  Veränder- 
lichen X  in  der  ĂĽblichen  Weise*)  durch  einen  endlichen  oder 
unendlichen  Decimalbruch  dargestellt,  so  möge  die  Anzahl 
der  jedesmal  erforderlichen  Decimalstellen  durch  px  bezeichnet 
werden  (sodass  also  px  nur  dann  einen  endlichen  Werth  be- 
sitzt, wenn  x  von  der  Form  ^tt  ist,  während  in  jedem  anderen 

10** 

Fall  Px  =  oo  wird).  Alsdann  ist  offenbar  (bei  beliebiger  Wahl 
von  Xq  und  X): 

(a)  l-i-     dx  =  0, 


«• 


Px+l 


*)  D.  h.  mit  Ausschluss  solcher  unendlicher  DecimalbrĂĽche,  welche 
die  Periode  9  besitzen. 


72  Sitgung  der  maĂĽi.-phys.  CloMC  vom  16.  Januar  1898. 

da  es  in  jedem  endlichen  Intervalle  (Xq,  X)  immer  nur  eine 
endliche  Anzahl   von  Stellen  x  giebt,   fĂĽr  welche  Px  unter 

einer  beliebig  gross  anzunehmenden,  also  — —-^  über  einer 

beliebig  klein  anzunehmenden  positiven  Zahl  liegt.  Setzt 
man  jetzt: 

(b)  n..!r)=-i^+^-^, 

(sodass  also  f(Xjy)  =  Oj  ausser  wenn  mindestens  eine  der 
beiden  Veränderlichen  x,  y  durch  einen  endlichen  Decimal- 
bruch  darstellbar  ist),  so  erkennt  man  analog,  dass: 

(c)  ^ ^  f(x,y)'dx'dy  =  0. 
Andererseits  hat  man  (mit  BenĂĽtzung  von  Gl.  (a^): 

(d)  Jn^,y)-dy=-^iY-i,,),    lfix,y).dy  =  0, 

(e)  ^f{x,y)'dx  =  --^{X-x,\     ]f{x,y)^dx^O, 

Y  X 

sodass  also  keins  der  beiden  Integrale  ^  f  {x^y)dy^  ^fip^^V) 

existirt.  Nichtsdestoweniger  findet  man  unmittelbar  (wieder- 
um mit  eventueller  BenĂĽtzung  von  61.  (a)): 

(f)  fdxjfix,  y)'dy  =  j  dy  ~^f{x,  y)'dx  =  0 

d.  h.  die  zweimalige  Integration  liefert  den  nämlichen  Werth, 
wie  das  Doppel-Integral,  und  zwar  gleichgĂĽltig,  ob  man  fĂĽr 
jedes  der  inneren  Integrale  in  Gl.  (f)  das  betreffende  obere 
oder  untere  Integral  in  Rechnung  zieht.*) 

^)  Ein   ähnliches   Beispiel,   bei   welchem   nur   das    eine   Integral 

J  f(^,y)'dy  ein  analoges  Verhalten  zeigt,  gab  schon  DuBoisRejmond 

yo 

(a.  a.  0.  S.  278). 


Ă„,  Pringsheim:  Zur  Theorie  des  Doppel-Integrals.  73 

Vn.  Reduction  des  Doppel-Integrals  auf  ein  ite- 
rirtes  Integral  fĂĽr  einen  (im  wesentlichen)  beliebig 
begrenzten  Bereich.  Es  sei  T  ein  quadrirbarer  Bereich, 
dessen  Begrenzung  von  jeder  Parallelen  zur  Y-Axe  nicht  mehr 
als  zweimal  geschnitten  wird.  Sind  dann  x^^  X  die  äusser- 
sten  Abscissen,  denen  noch  Punkte  der  Begi*enzungs-Curve 
entsprechen,  und  wird  diese  letztere  durch  die  zu  x^  und  X 
gehörigen  Ordinaten  in  die  beiden  Curvenbögen  zerlegt: 

SO  gilt  die  Beziehung: 

(21)  j^f{x,y)'dT  =  ldx  U{x,y)^dy, 

falls  das  Doppel-Integral  in  dem  angegebenen  Sinne  existirt. 

Beweis.  Es  bedeute  (j{x^y)  eine  Function  von  der  Be- 
schaffenheit, dass: 

g(x^y)  =  f(x,y)  fĂĽr  alle  {x,y)  des  Bereiches  T 
gix,y)  =  0  „       y,         „     ausserhalb        T. 

Ist  dann  i7  irgend  ein  den  Bereich  T  einschliessender 
Bereich,  so  existirt  das  Doppel-Integral  ^^ g{x^y)  •  dU  über 

den  Bereich  U  erstreckt,  da  die  Integrabilität  von  g  {x^  y)  durch 
die  Unstetigkeit  längs  der  Grenz-Curve  von  Toffenbar  nicht  alterirt 
wird.     Zugleich  ergiebt  sich,  wenn  U=  T  '\-  T  gesetzt  wird:*) 

JJ<7(^,y)  •  ä  U=jjf{x,y) .  dT  (wegen:  JJ^(a?,y).rfr  =  0). 

Bedeutet  nun  y^  den  kleinsten,  Y  den  grössten  Ordi- 
natenwerth  für  die  Qrenz-Curve  von  T,  und  wählt  man  für 
den  Bereich  ĂĽ  dasjenige  Rechteck,  welches  durch  die  vier  Ge- 
raden :  X  ^=  Xq^  X  =  X,  y  =  y^^  y  =  Y  begrenzt  wird,  so  nimmt 
die  letzte  Gleichung  (bei  Vertauschung  ihrer  beiden  Seiten) 
die  folgende  Form  an : 

')  Diese  Zerlegung  U  =  T+T  soll  so  aufgefasst  werden,  dass  der- 
jenige Theil  der  Begrenzung  von  T,  welcher  auch  T  begrenzt,  zwei- 
mal gezählt,  nämlich  sowohl  zu  T  als  zu   T  gerechnet  wird. 


74  SitMung  der  mathrphys,  Classe  vom  15,  Januar  1896. 

und  daher  mit  Anwendung  von  öl.  (20  a) : 

SSf^^^y)'^T=^dx^g{x,y)^dy. 
(^  Ă„       ĂĽ 

Da  aber  —  in  Folge  der  Definition  von  g{x,y)  —  für 
jeden  dem  Intervalle  (Xq,  X)  angehörigen  Werth  x  oflFenbar  die 
Beziehung  besteht: 

_r  #(«) 

^gi^^y)  •  dy=  jjf(x,y)  •  dy, 

80  ergiebt  sich  schliesslich: 

^^f{x,y)'dT  =  ^dx  jjf{x,y)'dy,     q.  e.  d. 

Zusatz.  Wird  die  Begrenzungs-Curve  von  T  von  jeder 
Parallelen  zur  X-Axe  höchstens  zweimal  geschnitten,  so  findet 
man  analog: 

_r       YM 
(22)  SSnx,y)'dT  =  ^dyJ_f{x,y)'dx, 

wenn  die  Gleichungen: 

x  =  yf  (y),    X  =  W(y)    (wo:   V(y)  ^  tp  (y)) 

die  beiden  Curvenbögen  darstellen,  in  welche  die  Grenz-Curve 
durch  die  beiden  Geraden  x  =  Xq,  x  =  X  zerlegt  wird. 

Hierzu  sei  noch  bemerkt,  dass  T  oflFenbar  eo  ipso  qua- 
drirbar  ist,  wenn  die  Grenz-Curve  von  jeder  Parallelen  so- 
wohl zur  X-  als  zur  F-Axe  nur  in  einer  endlichen  Anzahl 
von  Punkten  geschnitten  wird. 


75 


Das  Fraunhofer -Objectiv. 

Von  Slgmiind  Ton  Mors. 

{Singdauftn  15.  Januar.) 

Im  Vn.  und  VIII.  Jahrgang  der  Zeitschrift  fĂĽr  Instru- 
menten-Eunde  kommen  C.  Moser  und  Dr.  Hugo  KrĂĽss  wieder 
auf  Fraunhofer's  Heliometer-Objectiv  der  Königsberger  Stern- 
warte, als  den  Typus  der  Fraunhofer-Objective  zurĂĽck,  mit 
dessen  Constructions -Verhältnissen  sich  bereits  früher  schon 
Bessel*)  und  Hansen*)  beschäftiget  hatten.  Es  wandte  sich 
Herr  Dr.  ErĂĽss  wohl  auch  einmal  schriftlich  an  mich,  ihm 
nähere  Angaben  über  die  Glasarten,  aus  welchen  das  fragliche 
Heliometer-Objectiv  hergestellt  sei,  zukommen  zu  lassen.  Leider 
konnte  ich  diesem  Wunsche  damals  nicht  entsprechen,  da  mir 
zuverlässige  Daten  nicht  zu  Händen  schienen.  Nun  mir  mehr 
MĂĽsse  geworden,  all  das  in  meinem  Besitze  befindliche  hand- 
schriftliche Material  der  älteren  Periode  des  Fraunhofer'schen 
Institutes  wiederholt  zu  stöbern  und  zu  sichten,  war  ich  end- 
lich so  glĂĽcklich,  einen  sogenannten  Radius-Zettel,  datirt  vom 
5.  Oktober  1822  ,ftir  Flintglas  No.  43  und  Crownglas  No.  32** 
mit  den  Werthen: 

a  =  72''  /*=  53:500  gr  =  2i:304  F=  — 2i:736   0  =  74:841 

zu  finden,  welcher  fĂĽr  a  =  94"  =  1127f991  umgerechnet,    die 
Radien: 


')  Schnhmacher's  astronomische  Nachrichten  18.  Band  1841. 
^  Abhandlungen  der  math.-phjs.  Classe  der  kgl.  sächs.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  X.  Band  1871. 


76  Sitzung  der  math.-phya.  Glosse  vom  15,  Januar  1898, 

f  =  69:847  =  838fl66        g  =  27:814  =  333^763 
F=  28:378  =  340f531       G  ==  97:709  =  1172f51 

ergiebt,  wie  sie  eben  Bessel  als  die  ihm  von  Utzschneider  mit- 
getheilten  Werthe  im  18.  Bande  der  astronomischen  Nachrichten 
Seite  415  unter  folgender  Bezeichnung: 

r  =  838^164     q  =  333f768         r  =  340^536     q  =  1172f508 

auffĂĽhrt. 

Diese  Uebereinstimmung  allein  schon  mĂĽsste  die  Annahme 
rechtfertigen,  dass  das  Königsberger-Objectiv  aus  diesen  bisher 
unbekannt  gebliebenen  Gläsern:  Flint.  No.  43  und  Crown. 
No.  32  besteht.  Es  findet  sich  eine  weitere  Bestätigung  dafür 
aber  auch  in  dem  Brechungs-  und  Zerstreuungs- Verhältnisse 
besagter  Gläser,  wie  ich  es  den  noch  vorhandenen  Brechungs- 
Bögen  Fraunhofers  entnehme  und  welchen  wohl  auch  Utz- 
schneider seine  Daten  entnommen  haben  dĂĽrfte. 

Es  verzeichnet  Tabelle  I  dieser  Brechungs-Bögen  für : 
Flint.  No.  43  Crown.  No.  32 

Bn   =  1.628463  Bn  =  1.523746 

Gn  =  1.630307  Gn  =  1.524738 

IM  =  1.635451  Dn  =  1.527357 

En'  =  1.642271  En  =  1.530726 

Fn  ==  1.648455  Fn  =  1.533699 

Gn'  =  1.660623  Gn  =  1.539271 

Hn  =  1.671168  Hn  =  1.543985 

woraus  die  partiellen  Zerstreuungen 

Bn:  —  Gn   =  0.005144  Dn  —  Gn  =^  0.002619 

En  —I)n  =  0.006820  En  —  Dn  =  0.003369 

Fn  —  En  ==  0.006 1 84  Fn  —  En  =  0.002973 

Fn  —  Gn  =  0.018148  =  dn' 
Fn  —  Gn  =  0.008961  =  dn 

sich  berechnen  und  schUesslicli  der  DiflFerential-Quotient 

dn  :  dn  =  2.02522 
sich  ergiebt. 


Sigmund  v.  Merz:  Das  Fraunhofer-Objectiv.  77 

Fraunhofer  bediente  sich  somit  fĂĽr  den  practischen  Fall 

F 

Jdn' 
-,—  für  den  Zerstreungs-Quotienten  und  wie  die 

c 
vorerwähnten  Bögen  weiter  zeigen  der  Formel 

Cn '\- Dn -^  En '{-  Fn 
n= j , 

entsprechend  einer  Wellenlänge  von  564.5,  für  das  mittlere  n, 
im  gegebenen  Falle  also  der  Werthe 

»'  =  1.639121  n  =  1.529130 

wie  dies  völlig  wieder  mit  Utzschneiders  Angabe  an  Bessel 
ĂĽbereinstimmt.  Mit  diesen  Constanten  und  den  Dicken  d  =  6f000 
(Crownglaslinse)  und  d.  =  4f000  (Flintglaslinse),  ferner  0.000 
Linsenabstand  wurde  das  Heliometer-Objectiv  von  Königsberg 
des  öfteren  rechnerisch  geprüft. 

Leider  findet  sich  unter  den  hinterlassenen  Papieren  Fraun- 
hofer's  keine  vollendete  Rechnung  für  diese  Gläser  vor.  Eine 
fĂĽr  Flint.  No.  43  und  Crown.  No.  32  aufgefundene  Rechnung 
endet  mit  +  0.29  Correction  der  Randabweichung. 

Ich  sah  mich  deshalb  veranlasst,  das  vorerwähnte  Objectiv 
vom  5.  October  1822  auf  seine  Abweichungen  zu  prĂĽfen. 
Dabei  fand  ich  die  Vereinigungsweite  der  mittleren  Strahlen 
(n  =  1.52913  n*  -=-  1.639121)  nach  Fraunhofers  Bezeichnung 
DH=  7ir968  (Axe),  die  Vereinigungsweite  der  farbigen  Strahlen 
(n=  1.538091  n' =  1.657269)  DiZ'=7i:9894  (Axe),  sohin 
eine  DiflFerenz  von  +  0.0214  als  Farbenabweichung.  Die 
Vereinigungsweite  der  mittleren  Randstrahlen  ergab  ein 
Djff=7i:9641  und  die  Differenz  DHh  — DHa  =  0,0039  als 
Randabweichung  gegen   -|-  0.29  von  oben. 

Als  ich  alsdann  die  factischen  Werthe  von  Bessel  in  Pariser 
Zollen  und  mit  Fraunhofer's  Bezeichnung 

f=  69:847     g  =  27:814      F=  —  28:378      G  =  97:709 

Dicke  der  Crownglaslinse  AB  =  0:5,  Dicke  der  Flintglaslinse 
CD  =  0:33333  und  halbe  Objectiv-Oeffnung  X  =  3"  in  Rech- 


78  Sitzung  der  matkrphys.  Clasae  vom  15.  Januar  1898, 

nung   zog,    fanden   sich    ftir    die    vorgenannten    Strahlen    die 
Werthe: 

DH=  93:975944  (mittlerer  Axenstrahl) 

DH=  94:0036       (farbiger  Axenstrahl) 

Differenz  =  +  0.027656 
JDjff=  93:971617  (mittlerer  Randstrahl) 

Differenz  =  —  0.004327 

oder  die  fast  gleiche  Correction  des  Objektives  vom  October  1822. 

WĂĽrde  die  Rechnung  fĂĽr  die  von  Hansen  benĂĽtzten  Strahlen 

(roth)      n  =  1.518700  n'  =  1.618000 

(indigo)  n  =  1.539560  »'  =  1.660242 

weiter  durchgeführt,  ergäbe  sich  ein  DJ?  =  93:944164  (rother 
Axenstrahl),  DH=  94:007544  (indigo  Axenstrahl). 

Diese  Correction  scheint  Fraunhofer  auch  fĂĽr  genĂĽgend 
erachtet  zu  haben.  Sprechen  dafür,  dass  dieselbe  thatsächlich 
genĂĽgt,  einerseits  schon  die  allgemeinen  Pjrfolge  der  Fraun- 
hofer-Objective  und  für  das  Königsberger  Objectiv  speciell 
Bessels  Anerkennung  und  Auffindung*)  der  Parallaxe  von 
61  Cjgni,  so  vermag  diese  Ansicht  ins  weitere  der  folgende 
Umstand  zu  stĂĽtzen. 

Es  liegen  mir  flir  die  Gläser  „Flint.  No.  43  und  Crown. 
No.  32*  noch  fĂĽnf  Radiuszettel  vor  und  zwar: 

1.  fĂĽr  a  =  60'  (vom  gleichen  Datum,  wie  oben,  5.  October 

1822) 

/•=:  44:583     g  =  17:753      F^  —  18:il4      G  =  62:367 

2.  fĂĽr  a  =  48"  (vom  8.  November  1822) 

f=  35:666     g  =  14:203      F=  —  14:491      G  =  49:894 

3.  fĂĽr  a  =  42:5  (vom  28.  November  1822) 

f=3i:bso   ^  =  12:575    F=  — 12:830    G  =  44:177 

4.  fĂĽr  a  =  27:8  (vom  6.  August  1823) 

/=c20:65       g=    8:22        F=—    8:39        G  =  28:89 


>)  Humboldt,  Kosmos  III.  Band.  S.  273. 


Sigmund  v.  Mere:  Das  Fraunhofer-Objeciiv.  79 

5.  fĂĽr  a  ==  17:1  vom  9.  September  1823) 

/•=  12:706     ^«5:060     JF^=  — 5:i62      G  =  17:774: 

woraus  hervorgeht,  dass  von  den  Gläsern  Flint.  No.  43  und 
Crown.  No.  32  vom  Jahr  1822  bis  zum  Jahr  1823  astronomische 
Objective  geschliffen  wurden.  Aus  dem  PrĂĽfungs-Ergebniss 
musste  Fraunhofer  Raisonement  und  Calcul  wiederholt  fĂĽr 
richtig  und  genĂĽgend  befunden  haben,  denn  von  ihm  darf 
doch  nicht  angenonmien  werden,  dass  er  während  der  Zeit 
eines  Jahres  Fehler  nicht  entdeckt  und  entsprechend  corrigirt 
haben  würde,  wenn  sich  dieselben  von  Einfluss  gezeigt  hätten, 
um  so  mehr  als  schon  zwischen  der  Inangriffannahme  des  einen 
und  anderen  Objectives  dieser  diversen  Brennweiten  elf  Monate 
(5.  October  1822  —  9.  September  1823)  dazwischen  lagen. 

Sämmtliche  fünf  Radiuszettel  stellen,  wenn  auf  die  Brenn- 
weite des  Königsberger  Heliometer-Objectives  bezogen,  dieses 
selbst  wieder  bis  auf  das  Zehntausendtel  eines  Zolles  dar. 

Hätte  Fraunhofer  die  Farben-Correction  in  gleichem  Grade, 
wie  bezĂĽglich  des  Aplanatismus  die  Kugelabweichung  berĂĽck- 
sichtigen wollen,  so  hätte  er  es  ja  leicht  gekonnt. 

Dass   das   Fraunhofer'sche   Objectiv,   wie   zuerst  Arnold^) 


M  Arnold  ,die  neueren  Erfindungen  und  Verbesserungen  in  Betreff 
der  optischen  Instrumente.*  Quedlinburg  1833.  Amold's  Untersuchungen 
verdienten  eine  classische  Arbeit  genannt  zu  werden.  Es  mag  hier  am 
Platze  sein  zu  zeigen,  wie  genau  Amold's  gemessene  Werthe  mit  den 
factischen  Werthen  Fraunhofer's  übereinstimmen.  Ich  wähle  dafür  Ob- 
jectiv Nr.  8  (Arnold  Seite  38)  aus  den  Fraunhofer  Gläsern  Flint.  Nr.  60 
und  Crown.  Nr.  83  bestehend,  dessen  noch  vorhandener  Radius-Zettel 
Fraunhofer's  vom  12.  October  1825  fĂĽr  a  =  42f6  folgende  Radien  ver- 
zeichnet: 

f  =  28r786    g  =  I  lf46S    F  =  -  1  ire77     G  =  62!'229. 

Dieselben  in  Wiener  Zoll  umgerechnet  ergeben  die  Werthe 

f  =  29f580    g  =  lir780    F=  —  127000     G  =  58f671 

im  Vergleiche  dagegen  Amold*s  gemessene  Werthe  dieses  Objectives  Nr.  3 

/'  =  297681    g  =  llf782    F=  —  127032     G  =  537690 

die  wohl  kaum  nennenswerthen  Differenzen 

/•=+ 0.001     ^  =  +0.002    1^'=+ 0.032     Ö  = +  0.019 


80  Sitzung  der  meUh.-phys.  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

darauf  aufmerksam  macht,  auch  fĂĽr  divergirende  Strahlen  die 
sphärische  Abweichung  hebt,  erklärt  sich  aus  dem  Umstände, 
dass  Fraunhofer  bei  PrĂĽfung  seiner  Objective  sich  terrestrischer*) 
Objecte  bediente. 

Wie  ein  höher  corrigirtes  Objectiv  sich  ergeben  würde, 
will  ich  in  nachgehendem  zu  zeigen  versuchen,  um  damit 
sowohl  das  historisch  gewordene  Objectiv  in  seinem  Werden 
vorführen,  als  auch  Fraunhofer's  Rechnungsmethode  zur  näheren 
Anschauung  bringen  zu  können. 

Der  Fraunhofer'sche  Calcul  bedient  sich  im  allgemeinen 
der  KlĂĽgerschen  Formeln*),  insbesondere  aller  Bezeichnungen, 
die  KlĂĽgel  bei  seinem  in  Gilberts  Annalen  von  1810  beschrie- 
benem verbessertem  Objective  gebraucht.  Ich  fĂĽhre  die  Rech- 
nung mit  Fraunhofer  für  den  Strahl  der  Wellenlänge  564.5, 
nehme  dn*  =  0.018148,  dn  =  0.008961,  wie  oben  gezeigt, 
somit  n'  =  1.639121  n  =  1.529130  (fĂĽr  den  mittleren  Strahl) 
und     n'  =  1.657269     n  =  1.538091  (fĂĽr  den  farbigen  Strahl). 

Vorbereitend  fĂĽr  den  Calcul  ergeben  die  Gleichungen  fĂĽr 
die  Hülfsgrössen  *)  ju.  v.  g.  o.  t.  und  zwar  für 

Flintglas  No.  43 

ju'  =  0.7658755  (log)  9.8841583 

V'  =  0.2940533  9.4684261 

Q^  =0.0571156  8.7567551 

ö'  =  1.5075327  0.1782667 

t'  =  0.8306180  9.9194041 


zeigen.    Die  optischen  Constanten  von  Flint.  Nr.  60  und  Crown.  Nr.  33 

sind  nach  Arnold  nach  Fraunhofer 

n  =  1.530800  n  =  1.631394 

n'  =  1.616420  u'  =  1.616606 

dn  =0.009010  dn  =0.009010 

d  n'  =  0.0 1 6563  d  n'  =  0.0 1 6509. 

^)  Lamont  „Astronomie  und  Erdmagnetismus.*^  Stuttgart  1851, 
S.  23,  §  27. 

^)  KlĂĽgel  , Analytische  Dioptrik.*    Leipzig  1778. 

3)  Klügel  .Analytische  Dioptrik.**  Leipzig  1778,  Seite  76  —  und 
Euler  dioptricae,  pars  pnma,  caput  1,  pag.  39. 


Sigmund  v.  Merz:  Das  Fraunhofer-Objectiv,  81 

Crownglas  No.  82. 

fj,  =  0.9897750  (log)  9.9955365 

V   =0.2188820  9.3402100 

Q  =0.2283035  9.3585125 

o   =1.6615908  0.2205240 

T    =0.9261292  9.9666716 

Bei  dem  constanten  Radien- Verhältnisse^)  von/':(/=2.511214, 
wird,  wenn  wir  mit  Fraunhofer  fĂĽr  die  erste  Crownglasseite  f 


*)  Dasselbe  ist  wohl  das  Ergebniss  practischer  Versuche.  Fraun- 
hofer zeigt  ja  selbst  schon  pag.  2  und  24  seiner  berĂĽhmten  Abhandlung 
, Bestimmung  des  Brechungs-  und  Farben zerstreuungs- Vermögens  ver- 
schiedener Glassorten  in  Bezug  auf  die  Vervollkommnung  achromatischer 
Fernrohre**,  von  welch'  hoher  Bedeutung  der  practisch  experimentelle 
Weg  sein  könne,  und  auch  Gilbert,  welcher  diese  Abhandlung  im 
56.  Bande  seiner  Annalen  der  Physik  zum  Abdruck  bringt,  scheint  diess 
durch  ihre  Eintheilung  in  besondere  Abschnitte  hervorheben  zu  wollen. 

Als  Euler  (Euler  pars  I  1769  Cap.  VII  pag.  323)  Dollond's  Objectiv 
darzustellen  bemüht  war,  glaubte  er  das  Verhältniss  1 :  7  (genau  1 :  7.827) 
als  das  gĂĽnstigste  betrachten  zu  mĂĽssen,  alsbald  aber  erkannte  er  die 
gleichseitige  Crownglaslinse  (Euler  pars  II  Cap.  V  pag.  182)  fĂĽr  die  noch 
bessere  Form.  Nach  ihm  dachte  KlĂĽgel  (Gilbert's  Annalen  1810  Seite  276) 
die  Crownglaslinse  ins  Minimum  der  Ablenkung  stellen  zu  sollen  und 
empfahl  das  Verhältniss  1 1 :  36,  während  Bohneberger  (Zeitschrift  für 
Astronomie  von  Lindenau  und  Bohneberger  1816  Seite  277)  die  Auf- 
merksamkeit auf  das  Verhältniss  2  :  3  lenkt.  Alle  diese  Objective  kehren 
die  kürzere  convexe  Fläche  dem  Objecte  zu  und  erfordern  eine  biconcave 
Flintglaslinse.  Nach  solchen  Vorgängen  wählte  Fraunhofer  das  Verhält- 
niss 5:2  (genauer  2.511214:1),  zweifellos  in  der  bewussten  Absicht,  das 
ganze  Objectiv  dadurch  dem  Minimum  der  Ablenkung  näher  zu  bringen 
und  konnte  ihm  dasselbe  genĂĽgen,  da  er  den  trigonometrischen  Weg 
betretend  durch  eine  entsprechende  Radien-Correction,  wie  sie  schon 
KlĂĽgel  1810  empfiehlt,  Farben-  und  Kugelabweichung  streng  zu  heben 
im  Stande  war.  Sein  Objectiv  kehrt  entgegen  den  bisher  empfohlenen 
Objectiven  die  längere  Seite  des  Crownglases  dem  Objecte  zu,  gestaltet 
das  Flintglas  zum  Meniscus,  dessen  convexe  Seite  sich  dem  Bilde  zu- 
wendet. Die  Summe  der  Brechungen,  welche  KlĂĽgel  bei  seinem  ver- 
besserten Objective  als  Wesenheit  seiner  Verbesserung  betrachtet  und 
auf  ein  Minimum  gebracht  annimmt,  verringert  Fraunhofer  selbst  noch 
um  sieben  Grade.  Die  Radien  sind  ĂĽbrigens  durch  die  Formeln 
1898.  Bitxungsb  d.  math.-phya.  Cl.  G 


82  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

seinen  willkürlichen  Werth^)  1794.249  setzen,  zunächst  dann 
5^  =  714.4986  erhalten. 

Ich  entnehme  nun  Glasdicken  und  halbe  Oefl&iung  gleich- 
falls der  vorhin  als  begonnen  erwähnten  Rechnung  für  Flint. 
No.  43  und  Crown.  No.  32  worin  AB  13r9  (Dicke  der  Crown- 
glaslinse),  CD  =  10^8  (Dicke  der  Flintglaslinse)  und  halbe 
OefiFnung  X  =  82'  gesetzt  sich  finden.  Damit  berechnen  sich 
aus  den  Formeln  Seite  278  von  Gilberts  Annalen  Jahrgang  1810 
die  Werthe  ^JE;=  5185.191236  und  JB2^  =  965.007444  (Axe). 

Nun  setzen  wir  mit  KlĂĽgel 

n  —  1  n' — 1     '^      rj  —  g     ^  g     '^ 

wo  p  =  Brennweite  der  Crownglaslinse,  q  =  Brennweite  der 
Flintglaslinse  und  Ăź  die  Gesanmitbrennweite  des  Objectives  be- 
deuten, erhalten  nun  dafĂĽr  die  Werthe 


Mn  gp 

darstellbar,  woraus  durch  Substitution  noch  die  eleganteren  Formeln 

^  „  ({Md  +  n){l-^Mp)\  ^    (  Mnp  \ 

'      ^\  Mnp  I       ^      '\(Md-^n)(\  —  Mp)l 

resultiren.    Die  Hülfsgrösse  M  steht  zu  f'P*  und  ß  im   umgekehrten 
Verhältnisse.     Dieselbe  wächst  bei  Abnahme  des  Werthes  von  f. 

Fraunhofer's  experimentelles  Vorgehen  beweist  des  weiteren  ein 
ebenfalls  noch  vorhandener  Radius-Zettel  aus  der  Zeit  seiner  frĂĽheren 
Geschäfts-Leitung  für  sein  Flint.  Nr.  3  und  Crown.  Nr.  3  mit  den  Werthen: 

a  =  1 10-     /•  =  917442    g  =  30:'480    F=  —  307631     Ö  =  +  102:466 
wobei  er  Klügel's  Verhältniss  von  1 : 3  gerade  in  3 : 1  verkehrt. 

Georg  Merz  bediente  sich  später  mit  gutem  Erfolge  zuweilen  auch 
dieses  Verhältnisses. 

^)  Eine  Erklärung  der  Wahl  gerade  dieser  Zahl  dürfte  schwierig 
sein.  Wir  kommen  jedoch  auf  diesen  Zahlenwerth,  wenn  wir  bei  Flint. 
Nr.  43  und  Crown.  Nr.  32  unter  Annahme  von  1379  Crownglaslinsen-Dicke 
in  den  Gleichungen  der  vorhergehenden  Anmerkung  M  =  0.0002966966 
setzen.  Annähernd  kommt  man  wohl  auf  die  Höhe  dieser  Zahl,  wenn 
man  allgemein  2400  als  Objectiv-Brennweite  setzt,  was  auch  Fraunhofer 
je  gethan. 


Sigmund  v.  Mert:  Das  Frdunhofer-Objectiv.  83 

C=       0.01693534  (log)  8.2287940 

t]=:        0.02839524  8.4532456 

Ăź  =  2391.087 1 66  3.3785954 

q  =  1618.013333  3.2089821 

und  vermögen  mit  Fraunhofer  die  Formeln  in  Gilberts  Annalen 
Seite  279  zu  HĂĽlfe  nehmend  nun  auch  BF  fĂĽr  die  Rand- 
strahlen zu  berechnen. 

Es  ergeben  sich  folgende  Werthe: 

ked  =2«  37' 9:91     KeE  =  V  42' 4b:&2 
E      =0»  54' 24:29    ä:jB=  3388.630777    iJB  =  5883.474377 
IfE  =7»29'15:i6      ^/•J'=l  1*29' 37:68      J?'=4«54'46:81 
LF   =1662.383076     .02?'=  947.888476  (Rand) 

endlich  die  Differenz 

BFa  —  BFr  ==^db  =  17.118968 

womit  Fraunhofer  aus  der  Formel 

,,  ^  {dbUl       v^q»      ') 
ft'  p*  X*  '^  pĂź* 

X'  berechnet,  wofUr  wir  hier  k'  =  15.3466036  finden  und  nun 
mittelst  der  Formeln 

F=- 


G  = 


a'-(q:  p)  (o'  -  q')  +  i'  Yk'  -l 

:i3 

e'  +(3'P)  (.0'  —  Q')  —  t'  Vk'—l 


1)  Sie  ist  gleichwerthig  der  KlĂĽgerschen  Formel  fĂĽr 

und  entwickelt  sich  aus  dieser,  wenn 
in  ihr  gesetzt  wird. 


84  Sitzung  der  matK-phys.  Classe  wm  15,  Januar  1897, 

auch  die  Flintglas-Radien  zu  erhalten  vermögen.     Wir  finden 

JP=  728.255166     G  =  2462.287968 
und  weiter  entwickelnd  fĂĽr  die  Centralstrahlen  die  Werthe 

CG  =  10331.335714     DH=  2390.141661 
fĂĽr  die  Randstrahlen 

MF=  1676.143642     mgF=  IP  22'  5:88 
nigG  =  6^  54'  24:86     G  =  0«  27'  5:79     MG  =  11111.151026 
JVG  =  12834.383828  NhG  =  2''2ri6:bO  NhH=3^briO:6l 

H=  P  57'  29:90     NH=  4852.27679 

und  nun,  weil  4.  Seite  convex  DH=  NH—  G=  2389.988822. 

Die  schliessliche  Differenz  dieser  Vereinigungsweiten  giebt 
alsdann  der  Kugelabweichung  D Hr  — DHa  = —  0Ab28S9 

Als  Vereinigungsweiten  der  Centralstrahlen  fĂĽr  den 
farbigen  Strahl  n'  =  1.657269  n  =  1.538091  erhalten  wir 
AE  =  5128.721111  BF  =  948.929  CG  =  10953.950253 
2)  IT  =  2390.184444,  welch'  letzterer  Werth  mit  dem 
DHa  =  2390.141661  des  mittleren  Strahles  verglichen  in 
seiner  Diflferenz  -\-  0.042783  die  Grösse  der  Farbenabweichung 
nach  Fraunhofer  zur  Anschauung  bringt. 

FĂĽr  eine  Brennweite  gleich  der  Einheit  stellt  sich  die 
Correction  nun  folgend  dar: 

Achromasie       +  0.0000179 
Aplanatismus   —  0.0000639 

Um  nun  diese  Abweichungen  für  längere  Brennweiten 
ebenso  verschwindend  klein  zu  machen,  corrigirt  Fraunhofer 
die  Randabweichung  durch  eine  Aenderung  von  X\  die  Farben- 
abweichung durch  eine  Aenderung  von  g,  wodurch  nur  mehr 
fĂĽr  F  und  G  neue  Werthe  sich  ergeben.  Es  muss  A'  kleiner 
genommen  werden  bei  positiver  Randabweichung  oder  einem 
längeren  Randstrahl,  grösser,  wenn  bei  kürzerem  Randstrahl 
die  Abweichung  sich  negativ  zeigt,  q  dagegen  muss  grösser 
genommen  werden,  wenn  die  Farbenabweichung  zu  gross 
(positiv)  und  kleiner,  wenn  dieselbe  zu  klein  (negativ)  ist. 


Sigmund  v.  Merz:  Das  Fraunhofer-ObjecHv,  85 

Nach  einigen  Versuchen,  welche,  wenn  mehrfache  Objectiv- 
Berechnungen  schon  vorliegen,  keinen  erheblichen  Zeitaufwand 
beanspruchen,  gelangt  man  bald  zu  geeigneten  Werthen  fĂĽr 
l*  und  q. 

Der  KĂĽrze  halber  von  solchen  Versuchen  absehend  will 
ich  hier  nur  den  Schluss  der  Rechnung  folgen  lassen. 

Wir  finden  mit  ^  =  1618.6982  und  ;i' =  15.38795  fĂĽr 
den  mittleren  Randstrahl: 

(q  :p)  (o'.—  ^0  =  2.4829206     t'  Yl^^^  =  3.1506544 
F=  727.417333    G  =  2450.277906     CG  =  10397.574072 

2)5^=2388.661111  (Axe), 

ilfjP=  1675.305809  m(/jP=lP  22' 32:89  mgG=^6^W4rAS 

G     =0ö26'55:05    3f«  =  11179.44618    iV^G  =  12891.506753 

i\rÄG  =  2o  21' 39:45      NhH=  3^52'  18:29      H=  P  57' 33:89 

NH  =  4838.938888     DH=  2388.660982  (Rand), 

daraus  DHh  —  VHjl  =  —  0.000129  (Kugelabweichung) 

und  flir  den  farbigen  Strahl 

CG  =  11029.730253        DH=  2388.661661, 

letzteres   grösser   als  DH  (Axe)   somit  Diflferenz:  -}"  0.000550 
(Farbenabweichung)  oder  auf  die  Einheit  bezogen  die  Grössen 

der  sphärischen  Aberration      =  —  0.00000005397 
der  chromatischen  Aberration  =  +  0.00000023011 

Damit    schliessen    Fraunhofer's    Objectiv- Berechnungen    ĂĽber- 
haupt ab.     Ich  wollte   die  Rechnung    aber   noch  fĂĽr  Hansen's 

rothen  Strahl 

n'  =  1.620973        n  =  1.520169 

und  fĂĽr  den  farbigen  Randstrahl  (Fraunhofer  s  blauen  Strahl) 
erweitem  und  fand  fĂĽr  den  Fall 

DHa  =  2388.65  roth  (Hansen) 

DÄä  =  2388.110982  roth  (Hansen) 
DHr  =  2389.178760  blau  (Fraunhofer) 

mithin  eine  grösste  Abweichung  der  farbigen  Strahlen 

BHölau  —  DHratH  =  1.067778 


86  Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

so  dass  fĂĽr  die  Focal- Weite  von  BessePs  Heliometer-Objectiv 
nur  mehr  eine  chrom.  Aberration  von  circa  0^42  oder  0f5 
gegen  2f24,  die  Hansen  am  Königsberger-Objectiv-  constatirt, 
verbleiben  wĂĽrde. 

Für  dieses  höher  corrigirte  Objectiv  würden  sich  bei 
94*  Focus  allerdings  die  Radien- Werthe  in  die  folgenden  ver- 
ändern : 

/•=847f300    flp  =  337f40655     i^=  343f509     6?  =  1157f097 

Dass  Fraunhofer  sich  übrigens  auch  der  Planfläche  für 
die  vierte  Objectiv-Seite  bediente,  constatirt  bereits  PrechtP) 
und  zeigt  dies  an  einem  von  Stampfer  analysirten  12  zölligen 
Reichenbach'schen  Theodolit -Objectiv  Fraunhofer's  aus  dem 
Jahr  1818.  Diese  Form  benĂĽtzte  Fraunhofer  auch  fĂĽr  seine 
Zugfernrohr-Objective,  deren  Focal- Weiten  inner  die  Grenzen 
von  12 — 20  Zoll  fielen.  Dass  die  Planfläche  bei  grösseren 
astronomischen  Objectiven  ausser  Gebrauch  blieb,  dafĂĽr  scheinen 
nur  Fabrications- Erwägungen  massgebend  gewesen  zu  sein. 
Fraunhofer  bearbeitete  seine  Objective  bekanntlich  auf  der  von 
ihm  erfundenen  Radius-Schleifmaschine*),  eine  höchst  elegante 
Schleifweise,  bis  zuletzt  die  wachsenden  Dimensionen  von  Brenn- 
weite und  Oeffnung  zum  Schleifen  der  Gläser  aus  freier  Hand 
zwangen.  Die  ersten  Schwierigkeiten  in  Folge  Durchbiegung 
der  Radiusstange  sollen  sich  beim  Dorpater  9  ZoU-Objectiv 
gezeigt  haben.  Beim  Schleifen  aus  freier  Hand  bediente  sich 
Fraunhofer  zur  Controle  der  Radien  seiner  Sinus-versus-La- 
mellen,  kleiner  planparalleler  Glasstreifen,  deren  Dicken  er  am 
grossen  Schraubenmicrometer-Microscope  mass,  da  sein  Sphäro- 
meter  noch  nicht  mit  micrometrisch  verstellbarer  Sinus-versus- 
Spitze  versehen  war,  wie  die  gegenwärtig  gebräuchlichen  so 
bequemen  Sphärometer  es  sind.  Um  die  Basis-Curve  zu  con- 
struiren,  wurden  die  besagten  Sinus -versus -Lamellen  auf  ein 
Planglas,   welches  der  Oeffnung  des  herzustellenden  Objectives 


1)  Prechtl,  practische  Dioptrik,  Wien  1828. 
»)  Prechtl,  practische  Dioptrik,  §  242—268. 


Sigmund  v.  Merz:  Das  Fraunhofer-Objectiv.  87 

entsprach,  mit  Speichel  gekittet.  Für  eine  convexe  Fläche 
genügte  eine  Lamelle,  für  eine  concave  Fläche  waren  deren 
zwei  nöthig. 

Die  Berechnung  der  Objective  mit  planconcavem  Flint 
geschah  ebenso  auf  trigonometrischem  Wege,  nachdem  die 
optischen  Constanten  festgestellt  waren.  Die  Reihenfolge  der 
Radien  war  jedoch  die  folgende.     Es  wurde  zuerst  F  aus 

F= =1 — = 

o'  —  iq:  p)  {o'  —  Q')  4-  t'  VX*  —  1 

berechnet,  da. alsdann,  Ăź  ^)  als  Gesammt-Objectiv-Brennweite 
als  bekannt  vorausgesetzt,  die  Einzelbrennweiten  aus  den  Be- 
dingungs-Gleichungen 

erhalten  werden  konnten  und  bei  G  =  oo  aus 

—  a 


G  = 


fĂĽr  k*  die  Gleichung 

-((M').^y+' 

resultirt. 

Alsdann  ergeben  sich  mittelst  der  Formel 

/'ff  V     ff*  Ăź) 

schliesslich  die  Radien  der  Crownglaslinse  aus  den  Gleichungen 

/•= l .  = P  ') 

a  —  xYfzri    ^     qj^jYx  —  i 

Dennoch  wurde  unter  Fraunhofer   kein   grösseres  Objectiv  der 


^)  Bei  allen  für  Planflächen  berechneten  Objectiven  setzt  Fraunhofer 
/?=1000. 

«)  Klügel's  Dioptrik,  §  887. 
8)  Klügel,  §  199. 


88  Sitzung  der  math-phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

Art  ausgefĂĽhrt.  Selbst  das  1835^)  von  Georg  Merz  gelieferte 
Bogenhauser-Objectiv  von  10  7»  Zoll  Oeflftiung  hat  noch  die 
vierte  Seite  convex.  Erst  als  die  Pulkowaer  Aufträge  das 
Institut  vermehrt  beschäftigten,  ging  Georg  Merz  daran,  auch 
einmal  den  Versuch  eines  grösseren  Objectives  mit  planconcavem 
Flint  und  zwar  gleich  mit  einem  14  Zöller  zu  wagen,  welches 
Objectiv  mit  dem  Pulkowaer  14  Zöller,  dessen  4.  Seite  convex, 
verglichen,  sich  demselben  auch  gleichwerthig  erwies  und  später 
nach  Odessa  kam. 

Seit  dem  14  Zöller  fiir  Lissabon  1858,  bei  dessen  Her- 
stellung ich  persönlich  schon  thätig  war,  kamen  nur  mehr 
Objective  mit  planconcavem  Flint  fiir  astronomische  Refractoren 
zur  AusfĂĽhrung. 

Bei  zwei  derselben  documentiren  ganz  besondere  Umstände 
die  zweifellose  GĂĽte  eines  solchen  Objectives.  Das  eine,  der 
von  mir  1880  für  Bordeaux  gefertigte  14  Zöller  bestand  die 
scrupulösesten  Prüfungen*),  denen  er  vor  seinem  Ankaufe  durch 
die  französische  Regierung  am  Observatoire  in  Paris  unterzogen 
ward.  Das  andere,  der  1864  für  Mailand  gefertigte  8  Zöller 
hat  seine  Kraft  auf  Mars  durch  Schiaparelli's*)  Beobachtungen 
ebenso  genĂĽgend  erprobt. 

Dass  das  Fraunhofer'sche  Institut  bezĂĽglich  der  Correction 
seiner  Objective  an  der  traditionellen  Gepflogenheit  des  Alt- 
meisters bei  solchen  Erfolgen  festhielt,  mag  nun  nicht  Wunder 
nehmen.  Die  hier  zum  SchlĂĽsse  noch  folgenden  geometrischen 
und  optischen  Constanten  des   in  Folge  der  vorberĂĽhrten  Lei- 


^)  Zu  der  Zeit  wurde  mit  gĂĽnstigem  Erfolge  aber  schon  das  mittlere 

7)m    I     ]T#« 

n  von  664.5  auf  558  zu  verrĂĽcken  versucht  oder  n  = ~ gesetzt 

und  bei  constantem  d  n  =  0.009  der  Zerstreuungs-Coefficient  aus 

Bn'—Cn*      En'^Dn' 
Dn—Cn  "*■  En^Dn 

berechnet. 

2)  Rayet  annales  de  l'Observatoire  de  Bordeaux,  Tom.  I,  1885,  fol.  52. 

3)  Schiaparelli  del  Pianeta  Marte,  Eeale  Accademia  del  Lincei,  Roma 
1878,  1881.    Osservasioni  fatte  coU'  equatoriale  di  Merz. 


1  cNivERs;:  • 

Sigmund  v.  Merz:  Das  FraunJwfer-Ohjecliv.  89 

stungen  des  Mailänder  8  Zöllers  mir  von  Professor  Schiaparelli 
weiter  bestellten  und  1881  der  Königl.  Sternwarte  in  Mailand 
gelieferten  18  Zöllers  werden  dies  gleichfalls  erhärten. 

Der  Fraunhofer'sche  Calcul  ergab  fiir  denselben  unter  Zu- 
grundlage  von 

bei  den  gegebenen  optischen  Constanten; 

n  =  1.521007     n'  =  1.622307     dn' :  dn  =  1.859444 
/•=  107:72    flr  =  86:69     jP=  — 89:07 
als  Radien. 

Auf  die  Einheit  der  Brennweite  bezogen  finden  wir 
damit  die  Farbenabweichung  =  —  0.0000078,  Kugelabwei- 
chung =  +  0.0000032,  so  dass  auch  in  diesem  Falle  die 
Aberrationen  eine  wohl  zulässige  Grösse  in  der  That  nicht 
ĂĽberschreiten. 


91 


Ueber  Ausbreitung  von  FlĂĽssigkeiten  und  damit 
zusammenhängende  Erscheinungen.^) 

Von  J.  Stark. 

{Eingdau/BH  15.  Januar) 

In  der  vorliegenden  Abhandlung  wird  zuerst  eine  Reihe 
von  Versuchen  ĂĽber  die  verschiedenen  Arten  von  Ausbreitung 
vorgefiihrt,  sodann  werden  Bewegungserscheinungen  beschrieben, 
die   bei   der  Ausbreitung   von  Flüssigkeiten   auftreten  können. 

Bezüglich  der  einschlägigen  Literatur  sei  verwiesen  auf 
eine  Arbeit  von  G.  Quincke*)  und  eine  Abhandlung  von 
0.  Lehmann.^) 

Der  Erklärung  der  im  folgenden  behandelten  Erscheinungen 
ist  die  von  Segner*)  und  Th.  Young^)  eingefĂĽhrte,  in  neuerer 
Zeit  fast  allgemein  adoptierte  Annahme  einer  kontraktilen 
Kraft  in  einer  Flüssigkeitsoberfläche  zu  Grunde  gelegt,  a,^  be- 
zeichne die  Oberflächenspannung  einer  Flüssigkeit  (  gegen  Luft, 
Qtn  oder  a,„  sei  die  Oberflächenspannung  in  der  Kontaktfläche 
einer  FlĂĽssigkeit  i  und  einer  anderen  n,  a  ist  die  in  Gewichts- 
milligrammen gemessene  Spannung,  welche  auf  eine  Strecke 
der  flüssigen  Grenzfläche  von  der  Breite  eines  Millimeters  aus- 
geübt wird.     Es  sei  a^^  >  «jo  -^  ^so* 


^)  Die  vorliegende  Untersuchung  wurde  im  Laboratorium  des  Herrn 
Prof.  von  Lommel  im  phys.  Institut  der  Münchener  Universität  angestellt. 
«)  G.  Quincke.    Pogg.  Ann.  184.    p.  356—867.    1868. 
»)  0.  Lehmann.    Wied.  Ann.  66.    p.  771—774.    1896. 
*)  Segner.  Comment.  societ.  reg.  sc.  Gott.  tom.  L  1861.  p.  801 — 372. 
»)  Th.  Young.   Phil,  trans.  1806.   part  L   p.  66—87. 


92  Sitzung  der  math,-phys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

Wie  Quincke^)  theoretisch  und  experimentell  nachgewiesen 
hat,  wird  eine  Flüssigkeit  2  an  der  Oberfläche  einer  Flüssig- 
keit 1  ausgebreitet,  wenn  Qj^  >  a^^  4"  ^21-  Nach  demselben 
Forscher  wird  eine  Flüssigkeit  3  an  der  Kontaktfläche  der 
FlĂĽssigkeiten  1  und  2  ausgebreitet,  wenn  a,,  >  a^^  -{-  a,,. 


I.   Die  verschiedenen  Arten  von  Ausbreitung. 

Vorbemerkung.  Bei  den  Versuchen,  die  im  folgenden  be- 
schrieben werden,  wurde  zumeist,  um  Strömungen  in  den  Flüssig- 
keiten sichtbar  zu  machen,  in  diesen  Gasruss  suspendiert.  Um 
Russ  in  Wasser  zu  suspendieren,  muss  man  ihn  mehrmals  in 
diesem  unter  UmrĂĽhren  abkochen.  Am  besten  geht  er  in 
Alkohol  in  feine  Teilung.  Bringt  man  einige  Tropfen  Alkohol, 
in  dem  Russ  suspendiert  sind,  auf  Wasser,  so  scheidet  sich  unter 
lebhafter  Bewegung  auf  dessen  Oberfläche  ein  feines,  sehr  leicht 
bewegliches  Russhäutchen  ab. 

1.  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Oberflächen- 
spannung. —  Wie  bereits  experimentell  und  theoretisch  nach- 
gewiesen ist,  wächst  die  Oberflächenspannung  mit  sinkender 
Temperatur  und  nimmt  ab  mit  steigender.  Eine  Bestätigung 
dieser  Thatsache  enthält  auch  folgender  Versuch. 

Chloroform  hat  das  spec.  Gewicht  1,9,  Russsubstanz  nach 
einer  vom  Verfasser*)  ausgefĂĽhrten  Bestimmung  2,1.  Bringt 
man  etwas  Russ  in  Chloroform,  das  sich  in  einem  Uhrglas  be- 
finden mag,  und  deckt  dieses  mit  einer  Glasplatte  zu,  damit 
kein  Chloroform  verdampfen  kann,  dann  sinken  die  Russ- 
teilchen wegen  ihres  grösseren  spec.  Gewichtes  im  Chloroform 
allmählich  unter  und  sammeln  sich  in  kleinen  Ballen  auf  dem 
Boden  des  Uhrglases.  Das  ist  wenigstens  der  Fall,  wenn  man 
im  Schatten  gearbeitet  hat.  RĂĽckt  man  dann  das  Uhrglas  mit 
dem  Chloroform  in  das  Sonnenlicht,  so  beobachtet  man  folgen- 
des.   Die  Russballen  beginnen  sich  langsam  vertikal  nach  auf- 


M  G.  Quincke.    Pogj,'.  Ann.  139.    p.  1.    1870. 
2)  J.  Stark.    Wied.  Ann.  62.    p.  354.    1897. 


J.  Stark:  lieber  Ausbreitung  wm  FlĂĽssigkeiten,  93 

wärts  in  Bewegung  zu  setzen ;  sind  sie  an  der  Oberfläche  ange- 
langt, so  weichen  ihre  Teilchen  mit  einem  Ruck  in  horizontaler 
Richtung  auseinander,  verteilen  sich  gleichmässig  in  der  Ober- 
fläche und  behaupten  sich  solange  in  ihr,  als  nicht  beschattet 
wird.  Lässt  man  auf  einen  Teil  der  mit  Russ  bedeckten  Chloro- 
formoberfläche einen  Schatten,  etwa  von  einem  Federmesser 
oder  einem  Bleistift,  fallen,  so  zucken  die  Russteilchen  im  be- 
schatteten Gebiet  und  an  dessen  Rande  fast  momentan  zusammen 
und  drängen  sich  im  Schatten  dichter  als  in  dem  besonnten 
Teil  der  Oberfläche,  so  dass  sie  in  dieser  Verteilung  die  Form 
des  Schattens  nachbilden  und  der  „  Russschatten  **  den  optischen 
begleitet,  falls  dieser  langsam  weiterwandert.  Zieht  man  den 
schattenwerfenden  Gegenstand  zurĂĽck,  so  weichen  die  Russ- 
teilchen, die  im  Schatten  lagen,  wieder  momentan  auseinander. 
Die  drei  beschriebenen  Vorgänge,  das  Aufsteigen  der  Russ- 
teilchen, ihr  Auseinanderweichen  an  der  Oberfläche  und  ihre 
Koncentration  im  Schatten,  sind  nicht  schwer  zu  erklären.  Der 
Russ  absorbiert  von  dem  aufifallenden  Sonnenlicht  mehr  Wärme 
als  das  durchsichtige  Chloroform.  Er  erwärmt  daher  sich  und 
die  ihn  unmittelbar  umgebende  Flüssigkeit  stärker,  als  es  bei 
der  ĂĽbrigen  Chloroformnienge  der  Fall  ist.  Das  den  Russ  um- 
gebende Cliloroform  wird  daher  leichter  als  das  ĂĽbrige  und 
wird  deshalb  von  diesem  nach  aufwärts  gedrückt;  und  da  der 
Russ  spec.  nicht  viel  schwerer  als  Chloroform  ist,  so  wird  er 
von  der  aufsteigenden  Strömung  an  die  Oberfläche  geführt. 
Da  wo  in  dieser  ein  Russballen  liegt,  tritt  aus  dem  angegebenen 
Grunde  eine  stärkere  Erwärmung  und  damit  eine  Erniedrigung 
der  Oberflächenspannung  ein;  infolgedessen  zieht  sich  an  der 
betreffenden  Stelle  die  stärker  gespannte  Oberfläche  zurück  und 
reisst  die  schwächer  gespannte  und  mit  dieser  den  Russballen 
auseinander.  Auf  diese  Weise  vollzieht  sich  die  Verteilung  des 
Russes  m  der  Oberfläche.  Wird  ein  Teil  derselben  beschattet, 
so  geben  die  im  Schatten  liegenden  Russteilchen  durch  Strah- 
lung und  Leitung  ihren  Wärmeüberschuss  gegenüber  der  Um- 
gebung ab,  ohne  dass  ihnen  durch  die  Sonnenstrahlen  neue 
Wärme  zugeführt  wird,    während   das   im   besonnten  Teil    der 


94  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  15,  Januar  1698. 

Oberfläche  der  Fall  ist.  Man  hat  also  in  dieser  eine  kältere 
Partie  mit  höherer  und  eine  an  sie  angeheftete  wärmere  mit 
niedrigerer  Spannung.  Die  erste  kontrahiert  sich,  indem  sie 
die  zweite  an  sich  zieht  und  die  eingelagerten  Russteilchen  mit 
sich  nimmt,  und  bringt  so  deren  Koncentration  hervor.  So- 
wohl bei  der  beschriebenen  Disgregation  wie  Koncentration  der 
Russteilchen  ist  im  gleichen  Sinne  wie  die  Oberflächenspannung 
die  Schwere  verschieden  stark  erwärmter  Partien  des  Chloro- 
forms als  Bewegungsursache  thätig.  Das  Momentane  in  den 
gedachten  Vorgängen  spricht  jedoch  dafür,  dass  die  Wirkung 
der  Oberflächenspannung  tiberwiegt. 

Auf  Grund  der  Abhängigkeit  der  Oberflächenspannung  von 
der  Temperatur  erklärt  sich  auch  folgender  Versuch.  Wird 
auf  eine  feste,  glatte  Unterlage  ein  Tropfen  einer  FlĂĽssigkeit 
gelegt  und  an  einem  Punkte  des  Tropfenrandes  die  Unterlage 
oder  der  Tropfen  erwärmt,  dann  weicht  dieser  von  der  erwärmten 
Stelle  zurück,  wie  wenn  er  sich  der  Wärme  entziehen  wollte. 
Zum  Beispiel  ein  Tropfen  Stearin  auf  einer  warmen  Messer- 
spitze wandert  von  dieser,  wenn  sie  in  die  Kerzenflamme  ge- 
halten wird,  weg  nach  den  nächst  gelegenen  kälteren  Stellen 
des  Messers,    selbst  wenn  er  dabei   in  die  Höhe  steigen  muss. 

Nach  dem  vorhergehenden  ist  ohne  weiteres  der  Satz  ver- 
ständlich: Herrschen  an  der  Grenzfläche  einer  Flüssigkeit 
Temperaturdifferenzen,  so  bewirkt  die  Oberflächenspannung 
durch  Ausbreitung   in   kurzer  Zeit   einen  Ausgleich   derselben. 

Wird  an  einem  Teil  der  Oberfläche  einer  Flüssigkeit  auf 
irgend  eine  Weise  beständig  Wärme  zugeführt,  so  dass  dauernd 
Temperaturdifferenzen  in  der  Oberfläche  vorhanden  sind,  dann 
entsteht  an  der  Stelle  mit  höherer  Temperatur  eine  stationäre 
centrifugale  Stönmg  oder,  wenn  man  will,  eine  stationäre  Aus- 
breitung von  wärmerer  Flüssigkeit  durch  kältere.  Ein  beson- 
ders interessantes  Beispiel  dieser  Art,  mit  dem  der  Verfasser 
in  einer  eigenen  Abhandlung  näher  bekannt  machen  wird, 
bietet  der  Leidenfrost'sche  Tropfen.  Ein  anderes  ist  folgendes. 
Um  den  Docht  einer  brennenden  Kerze  bildet  sich  bekanntlich 
eine  Vertiefung    aus,    die    von    einem    ziemlich    hohen    Rande 


J,  Stark:  ĂĽeber  Ausbreitung  von  FiĂĽssigkeUen,  95 

ungeschmolzenen  Stearins  und  in  ihrer  Mitte  vom  Docht  be- 
grenzt ist.  Auf  ihrem  Boden  liegt  geschmolzenes  Stearin.  In 
der  Nahe  des  Dochtes  wird  das  flĂĽssige  Stearin  wegen  der 
Nachbarschaft  der  Flamme  stärker  erwärmt  als  an  dem  weiter 
abliegenden  Rande.  Infolge  der  daraus  sich  ergebenden  Dif- 
ferenz der  Oberflächenspannung  wird  dann  das  flüssige  Stearin 
beständig  vom  Docht  weg  nach  dem  ungeschmolzenen  erhöhten 
Kerzenrand  und  an  diesem  etwas  emporgezogen  und  dann  ein- 
wärts nach  unten  zusammengeschoben,  um,  dem  Zug  der 
Schwere  und  der  saugenden  Wirkung  des  Dochtes  folgend,  vom 
Boden  der  Vertiefung  wieder  nach  dem  Docht  zurĂĽckzukehren. 
An  der  Oberfläche  des  flüssigen  Stearins  hat  man  demgemäss 
eine  vom  Docht  weggerichtete,  an  seiner  Grenzfläche  gegen 
das  noch  feste  Stearin  eine  auf  ihn  zugerichtete  Strömung. 
Die  beiden  ĂĽbereinander  liegenden  entgegengesetzt  gerichteten 
Strömungen  kann  man  dadurch  sichtbar  machen,  dass  man  dem 
flĂĽssigen  Stearin  feine  Russteilchen  beimischt,  am  besten,  indem 
man  ein  Messer  ĂĽber  der  Kerzenflamme  etwas  berusst  und  dann 
die  noch  warme  berusste  Fläche  rings  am  erhöhten  Kerzen- 
rande abstreift,  so  dass  von  diesem  geschmolzenes  mit  Russ 
beschicktes  Stearin  in  die  erwähnte  Vertiefung  niederfliesst. 
Dadurch,  dass  stark  erwärmtes  Stearin  vom  Docht  beständig 
nach  dem  kälteren  Kerzenrande  gezogen  wird,  wird  fortwäh- 
rend nach  diesem  Wärme  transportiert  und  so  ein  Beitrag  zur 
Schmelzung  des  dort  gelegenen  festen  Stearins  geliefert.  Es 
spielt  also  die  Oberflächenspannung,  abgesehen  von  der  kapil- 
laren Saugwirkung  des  Dochtes,  in  dem  Mechanismus  der  Kerze 
noch  eine  gewisse  andere,  nicht  zu  unterschätzende  Rolle. 

2.  Die  Ausbreitung  von  mischbaren  FlĂĽssigkeiten. 
—  An  einem  Tropfen  Olivenöl,  der  auf  koncentrierte  Schwefel- 
säure gesetzt  wird,  beobachtet  man  folgendes.  Der  Tropfen 
wird  langsam  auseinander  gezogen  bis  zum  Rande  des  Gefasses, 
wo  er  sich  um  die  Schwefelsäure  herumstülpt.  Gleichzeitig 
mischt  sich  die  Oelschicht  an  ihrer  unteren  Fliiche  unter 
chemischer  Zersetzung  mit  der  Säure.  Die  beschriebene  Be- 
wegung dauert  solange  als  unzersetztes  Oel  vorhanden  ist. 


96  Sitzung  der  matK-phys,  Ctasse  vom  15,  Januar  1898, 

Der  Vorgang  erklärt  sich  leicht.  Da  an  der  Grenzfläche 
von  Oel  und  Säure  die  Spannung  von  Null  wohl  nur  wenig 
verschieden  ist,  so  kommen  fĂĽr  die  Ausbreitung  nur  die  Span- 
nungen in  der  freien  Oberfläche  der  Säure  a^Q  und  des  Oels  a^ 
in  Betracht.  In  der  Formel  a^^  >  a^  -\-  a„  ist  für  den  ge- 
gebenen Fall  Qjj  =  0,  so  dass  a^Q  >  a^Q  bleibt.  Und  da  in 
der  That  die  Spannung  der  Säure  grösser  ist  als  die  des  OeLs, 
so  wird  dieses  ausgebreitet. 

Die  gleiche  Ueberlegung  gilt  von  der  Ausbreitung  einer 
beliebigen  Flüssigkeit  auf  der  freien  Oberfläche  einer  anderen 
höher  gespannten  mit  ihr  unbeschränkt  mischbaren,  z.  B.  von 
Alkohol  auf  Wasser.  Femer  kann  sie  auf  den  im  vorher- 
gehenden Abschnitt  behandelten  Fall  von  Ausbreitung  ange- 
wendet werden;  man  hat  nur  für  die  Spannung  der  kälteren 
Flüssigkeit  die  Bezeichnung  a^^,  für  die  der  wärmeren  a'j^  zu 
wählen  und  zu  beachten,  dass  0,^  >  a  ^^  ist. 

Lässt  man  aus  einem  Röhrchen  mit  kapillarer  Oeflhung 
ungeföhr  5  mm  unter  der  Oberfläche  reinen  Wassers  Alkohol 
langsam  ausströmen,  so  beobachtet  man  eine  rings  vom  Röhr- 
chen ausgehende  stationäre  Ausbreitung  des  Alkohols  auf  der 
Oberfläche  des  Wassers.  Der  ausströmende  Alkohol  steigt  näm- 
lich vermöge  seines  kleineren  spec.  Gewichtes  beständig  empor, 
wird  an  der  Oberfläche  ausgebreitet  und  mischt  sich  dann  mit 
dem  Wasser,  so  dass  der  nachströmende  Alkohol  ebenfalls  aus- 
gebreitet werden  kann. 

Eine  stationäre  Ausbreitung  von  Alkohol  (oder  Aether) 
auf  Wasser  erhält  man  auch  auf  folgende  Weise.  An  der 
Oberfläche  eines  etwa  0,5  bis  2  cm  tief  unter  Wasser  liegenden 
Chloroformtropfens  lasse  man  Alkohol  austreten.  Unter  leb- 
haften Bewegungen  wird  dieser  ausgebreitet  (siehe  S.  99  u.  104) 
und  tritt  zum  Teil  in  das  Wasser,  zum  Teil  in  den  Chloroform- 
tropfen, da  er  mit  beiden  FlĂĽssigkeiten  mischbar  ist.  Hat  man 
nun  durch  Aufbringen  eines  Tropfens  russhaltigen  Alkohols 
auf  der  Wasserfläche  ein  Russhäutchen  (siehe  Vorbem.)  zur 
Abscheidung  gebracht,  so  beobachtet  man  nach  der  obigen 
Operation,  dass  die  Russteilchen  auf  der  Wasserfläche  von  der 


«r.  Stark:  Üeher  Ausbreitung  von  Flüssigkeiten,  97 

Stelle,  die  ĂĽber  dem  Chloroformtropfen  liegt,  sich  zurĂĽckziehen 
und,  von  kleinen  Schiebungen  abgesehen,  für  längere  Zeit, 
unter  Umständen  bis  zu  10  Minuten,  jene  Stelle  meiden.  Es 
bildet  sich  also  ĂĽber  dem  Chloroformtropfen  auf  der  Wasser- 
fläche gleichsam  eine  staubfreie  Ebene  aus.  Betrachtet  man 
die  Wasserfläche  schief  in  der  Weise,  dass  das  Licht  einer 
hellen  Fläche  etwa  einer  weissen  Wolke  an  ihr  in  das  Auge 
reflektiert  wird  und  auch  ein  dunkler  Streifen,  etwa  das  dunkle 
Bild  eines  Fensterkreuzes  auf  ihr  zu  sehen  ist,  so  beobachtet 
man,  besonders  wenn  die  Grenze  von  Dunkel  und  Hell  ent- 
sprechend zu  liegen  kommt,  auf  der  Wasserfläche  über  dem 
Chloroform  eine  kleine  spitze  Erhebung  und  rings  um  diese 
in  gewisser  Entfernung  einen  Ring,  der  in  steilem  Abfall  einen 
höher  gelegenen  Teil  der  Wasserfläche  von  einem  diesen  um- 
gebenden niedriger  gelegenen  trennt.  Auf  jenem  Teil,  dem 
hervorragenden  Plateau  mit  der  centralen  Spitze,  sind  mehr 
oder  minder  lebhafte  centrifugale  Strömungen  wahrzunehmen. 
Die  Erscheinung  erklärt  sich  so.  Nach  dem  Aufbringen  von 
Alkohol  auf  die  Grenzfläche  von  Wasser  und  Chloroform  ist 
sowohl  im  Wasser  wie  im  Chloroform,  aber  in  beiden  in  ver- 
schiedener Koncentration  Alkohol  enthalten.  Durch  Diffusion 
entzieht  das  Wasser  dem  Chloroform  Alkohol.  Die  an  der 
Oberfläche  des  Chloroformtropfens  sich  bildende  Mischung  aus 
Alkohol  und  Wasser  steigt,  weil  sie  spec.  leichter  ist  als  die 
umgebende  Flüssigkeit,  an  der  Fläche  des  Tropfens  nach  dessen 
Kuppe  empor  und  wird  von  da  nach  der  Oberfläche  des  Wassers 
getrieben.  Hier  angelangt,  wird  sie  von  der  umgebenden  stärker 
gespannten  Wasserfläche  sofort  ausgebreitet.  Die  Bewegung 
dauert  so  lange,  als  sich  zwischen  dem  Alkoholgehalt  des 
Chloroforms  und  Wassers  kein  Gleichgewichtszustand  herge- 
stellt hat.  BenĂĽtzt  man  Schwefelkohlenstofi'  statt  Chloroform, 
dann  tritt  frĂĽher  Ruhe  ein.  Der  beschriebene  Vorgang  bietet, 
was  hier  gelegentlich  bemerkt  werden  mag,  ein  instruktives 
Beispiel  zu  folgendem  Satze.  Stehen  zwei  FlĂĽssigkeiten,  die 
mit  einander  nicht  mischbar  sind,  in  BerĂĽhrung  und  ist  in 
beiden  die  gleiche  dritte  Flüssigkeit,    der  gleiche  feste  Körper 

1898.   Sittiingsb.  d.math.pb7s.Cl.  7 


98  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  15.  Januar  1898. 

oder  das  gleiche  Gas  in  Mischung  bzw.  Lösung  vorhanden,  so 
findet  durch  die  Grenzfläche  der  beiden  Flüssigkeiten  solange 
eine  Diffusion  des  gemeinsamen  Bestandteils  statt,  bis  sich  ein 
Gleichgewichtszustand  im  Koncentrationsgehalt  der  beiden  FlĂĽs- 
sigkeiten hergestellt  hat,  der  abhängig  ist  von  ihrer  mole- 
kularen Verwandtschaft  zum  gemeinsamen  Bestandteil,  und  bei 
einem  Gas  wahrscheinlich  dann  erreicht  ist,  wenn  sich  die  von 
der  Volumeneinheit  der  beiden  FlĂĽssigkeiten  absorbierten  Gas- 
mengen wie  die  bezĂĽglichen  Absorptionskoefficienten  verhalten. 
Am  SchlĂĽsse  dieses  Abschnitts  mag  noch  der  leicht  ver- 
ständliche Satz  angeführt  werden:  Ist  in  der  Oberfläche  eines 
Flüssigkeitsgemisches  oder  einer  Lösung  an  verschiedenen  Stellen 
die  Koncentration  verschieden  gross,  so  erfolgt  unter  der  Wir- 
kung der  oberflächlichen  Spannungsdifferenzen  in  kurzer  Zeit 
ein  Ausgleich  in  der  Koncentration  der  Oberfläche. 

3.  Die  Ausbreitung  von  beschränkt  mischbaren 
Flüssigkeiten.  —  Bei  beschränkt  oder  nicht  mischbaren 
FlĂĽssigkeiten  ist,  wie  G.  Quincke  (1.  c.)  gezeigt  hat,  die  Span- 
nung in  der  gemeinsamen  Grenzfläche  von  Null  verschieden. 
In  diesem  Fall  von  Ausbreitung  einer  FlĂĽssigkeit  2  auf  einer 
anderen  1  gilt  die  Formel  a^^  >  a,^  -j-  ^%v  -^^^  bekanntes 
Beispiel  hiefĂśr  ist  die  Ausbreitung  von  Oel  auf  Wasser.  Femer 
gehört  hieher  die  von  P.  du  Bois-Reymond  *)  besonders  ein- 
gehend beschriebene  unter  Umständen  stationäre  Ausbreitung 
von  Alkohol  auf  Oel.  Wie  leicht  sich  durch  Ausbreitung  zu- 
meist unsichtbare  Oel-  oder  Fetthäutchen  auf  Wasserflächen 
bilden,  lässt  sich  bequem  mittels  des  Russhäutchens  zeigen, 
das  man  erhält,  wenn  man  einen  russhaltigen  Alkoholtropfen 
auf  eine  Wasserfläche  bringt.  Ist  diese  rein,  so  wird  das 
Häutchen  von  den  niedersinkenden  Dämpfen  eines  übergehal- 
tonen  Tropfens  Alkohol  leicht  in  Bewegung  gesetzt.  BerĂĽhrt 
man  aber  nur  mit  dem  Finger  oder  mit  einem,  nicht  einmal 
künstlich  eingefetteten  Haar   die  Wasserfläche,    so  werden   die 


»)  P.  du  Bois-Reymond.  Pogg.  Ann.  104.  p.  193.  1868;  139.  p.  262. 
1870. 


3,  Stark:  lieber  Ausbreitung  von  FlĂĽssigheiten,  99 

fiussteilchen  von  der  BerĂĽhrungsstelle  weggeschoben  und  bleiben 
dann  fast  ohne  Empfindung  für  Alkolioldämpfe  trag  liegen. 

4.  Die  Wirkung  von  Dämpfen  auf  die  Oberflächen- 
spannung. —  Die  Einwirkung  von  Dämpfen  auf  die  Ober- 
flächenspannung ist  auf  die  Ausbreitung  einer  Flüssigkeit  2 
auf  einer  anderen  1  zurückzuführen.  Hält  man  einen  Tropfen 
von  einer  flüchtigen  Flüssigkeit  2  über  die  Oberfläche  einer 
anderen  1  mit  grösserer  Oberflächenspannung  und  grösserer 
spec.  Dichte,  so  beginnt  1  unter  dem  Tropfen  in  der  Ober- 
fläche centrifugal  zu  strömen;  ein  auf  1  liegendes  Russhäutchen 
wird  gesprengt,  leichte  schwimmende  Körper  weichen  vor  dem 
Tropfen  zurück.  Es  sinken  nämlich  von  diesem  Dämpfe  auf 
die  Oberfläche  nieder,  werden  hier  teilweise  zu  kleinen  Linsen 
kondensiert,  und  durch  deren  Ausbreitung  wird  dann  die  be- 
zeichnete Bewegung  hervorgebracht.  Ein  sehr  empfindliches 
Reagens  auf  die  Einwirkung  von  Dämpfen  ist  das  bereits  mehr- 
mals erwähnte  Russhäutchen  auf  einer  Wasserfläche.  Dämpfe 
von  einem  Aethertropfen  treiben  es  schon  aus  einer  Entfer- 
nung von  2  cm  in  eilige  Flucht,  die  Dämpfe  eines  dicht  über 
die  Oberfläche  gehaltenen  Petroleumtropfens  vermögen  es  noch 
in  Bewegung  zu  setzen. 

5.  Die  Ausbreitung  an  der  Kontaktfläche  zweier 
Flüssigkeiten.  —  Eine  Flüssigkeit  3  in  Tropfengrösse  an 
die  Kontaktfläche  der  oberflächlich  höher  gespannten  Flüssig- 
keiten 1  und  2  gebracht,  breitet  sich  aus,  wenn  a,j  >  Og,  -f-  a^^. 
Ein  Beispiel  hiefĂĽr  gibt  folgender  Versuch. 

Die  Oberflächenspannung  von  Alkohol  mit  hohem  Procent- 
gehalt ist  kleiner  als  die  von  Petroleum  und  Wasser.  Schichtet 
man  auf  Wasser  Oel  ungefähr  1  cm  hoch  und  bringt  man 
mittels  eines  Röhrchens,  dessen  eines  Ende  kapillar  ausgezogen 
ist,  einen  Tropfen  Alkohol,  in  dem  Russ  suspendiert  ist,  an  die 
Grenzfläche  von  Oel  und  Wasser,  so  wird  der  Alkoholtropfen 
mit  grosser  Heftigkeit  ausgebreitet.  Man  erkennt  das  an  den 
auftretenden  Strömungen,  noch  besser  an  der  Bewegung  der 
Russteilchen    und    an    der    Thatsache,    dass    sämtliche    Russ- 


100  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  15,  Januar  1898, 

teilchen  zu  einem  Häutchen  angeordnet  in  der  Kontaktfläche 
liegen  bleiben.  Es  ist  fĂĽr  diesen  Fall  in  der  Formel  a,,  >  ajj-f-  a^, 
die  Spannung  Ogj  =  0.  Ein  Beispiel,  in  dem  sowohl  Qj,  wie 
^82  glĂźicli  Null  ist,  bietet  die  Ausbreitung  von  Alkohol  oder 
Aether  an  der  Grenzfläche  von  Chloroform  und  Wasser. 

Tropfen  von  Petroleum,  besonders  von  solchem,  das  längere 
Zeit  an  der  Luft  gestanden  hat,  sinken  in  spec.  leichterem 
Alkohol  unter.  An  Russteilchen,  die  im  Oel  suspendiert  sind, 
erkennt  man,  dass  bald  an  dieser  bald  an  jener  Stelle  der  Kon- 
taktfläche centrifugale  Strömungen  auftreten.  Diese  erklären 
sich  so.  An  der  Kontaktfläche  von  Oel  und  Alkohol  bildet  sich 
eine  Mischung  aus  beiden.  An  manchen  Stellen  enthält  diese 
mehr  Alkohol  als  in  der  Umgebung  und  wird  daher  von  der 
umliegenden  stärker  gespannten  Oberfläche  ausgebreitet. 

Chloroformtropfen  in  Wasser  zeigen  an  ihrer  Oberfläche 
keine  Ausbreitbewegungen.  Das  kommt  daher,  dass  sich  beide 
FlĂĽssigkeiten  so  gut  wie  gar  nicht  mit  einander  mischen.  Setzt 
man  aber  dem  Chloroform  etwas  Alkohol  zu,  dann  treten  aus 
leicht  ersichtlichen  GrĂĽnden  jene  Ausbreitbewegungen  auf. 

6.  Drei  Versuche  über  Oberflächenspannung.  — 
Am  SchlĂĽsse  dieses  Abschnittes,  in  dem  die  Ausbreitung  von 
Flüssigkeiten  als  Wirkung  der  Verschiedenheit  der  Oberflächen- 
spannung verschiedener  Flüssigkeiten  behandelt  wurde,  mögen 
drei  Versuche  mitgeteilt  werden,  welche  die  Wirkung  der 
Oberflächenspannung  in  verwandter  Art  zeigen. 

Eine  Kugel,  etwa  von  Messing,  die  so  präpariert  ist,  dass 
die  eine  Hälfte  ihrer  Oberfläche  von  Quecksilber  benetzt  wird, 
die  andere  nicht,  stellt  sich  in  Quecksilber,  selbst  wenn  dafĂĽr 
gesorgt  ist,  dass  ihr  Schwerpunkt  etwas  nach  der  unbenetzten 
Seite  hin  liegt,  immer  so  ein,  dass  ihre  benetzte  Seite  nach 
unten  zu  liegen  kommt.  Wird  sie  zwangsweise  so  in  das  Queck- 
silber getaucht,  dass  der  Grenzkreis  zwischen  der  benetzten  und 
unbenetzten  Halbfläche  vertikal  steht,  und  überlässt  man  sie 
dann  sich  selbst,  so  fällt  sie  immer  nach  der  benetzten  Seite. 
Wie  leicht  zu  sehen  ist,  erklärt  sich  das  Verhalten  der  Kugel 


J,  Stark:  lieber  Ausbreitung  von  IflĂĽssigkeiten,  101 

ohne  Schwierigkeit  aus  der  Annahme  einer  Oberflächenspannung, 
welche  die  Grenzfläche  einer  Flüssigkeit  auf  ein  Minimum  zu 
reducieren  trachtet. 

Die  Verschiedenheit  der  Oberflächenspannung  von  Wasser 
und  Alkohol  kann  auf  folgende  Art  demonstriert  werden.  Eine 
Metallschale  wird  durch  Einlötung  einer  in  der  Mitte  erhöhten 
Scheidewand  in  zwei  Hälften  geteilt.  Bringt  man  in  die  eine 
derselben  Wasser,  in  die  andere  Alkohol,  so  steigen  an  der 
Kante  von  Gefass  und  Scheidewand  unter  der  Wirkung  der 
kapillaren  KrĂĽmmung  die  FlĂĽssigkeiten  empor;  bei  genĂĽgender 
FĂĽllung  steigen  sie  so  hoch,  dass  sie  an  dem  Rande  der  Scheide- 
wand in  Spitzen  zusammenstossen.  Dann  wird  der  Alkohol 
von  der  Wasserzunge  in  das  Wasserbassin  hinĂĽbergezogen.  Das 
Ueberströmen  des  Alkohols  macht  man  am  besten  durch  Bei- 
mischen von  Russ  ersichtlich.  Der  Alkohol  strömt  selbst  dann 
ĂĽber,  wenn  er  ein  tieferes  Niveau  als  Wasser  hat.  An  der 
Scheidewand,  wo  sich  beide  Flüssigkeiten  trefi'en,  ist  die  stärker 
gespannte  Oberfläche  des  Wassers  an  die  schwächer  gespannte 
des  Alkohols  geheftet;  darum  reisst  jene  diese  an  sich. 

Aus  der  Oberflächenspannung  resultiert  in  jedem  Punkt 
einer  gekrümmten  Oberfläche  in  der  Richtung  der  nach  dem 
Innern   der  Wölbung  gezogenen  Normalen  ein  Druck,    dessen 

Grösse  gleiche  a  ( "p"  +  ^ )  ist,  wo  E  und  R  die  Hauptkrüm- 
mungsradien in  dem  betrefifenden  Punkt  bezeichnen.  Dieser 
Druck  variiert  demgemäss  mit  a.  Das  wird  in  folgendem  Ver- 
such gezeigt.  In  ein  horizontal  gelegtes  Itohrchen  mit  ent- 
sprechendem Kaliber  sei  ein  0,5  bis  1  cm  langer  Cylinder  einer 
Flüssigkeit  gebracht,  so  dass  dessen  eine  konkave  Endfläche 
nahezu  an  dem  einen  Ende  der  Röhre  liegt.  Wird  nun  auf 
diese  konkave  Endfläche  ein  Tröpfchen  einer  Flüssigkeit  mit 
niedrigerer  Oberflächenspannung  gebracht,  so  weicht  der  Flüssig- 
keitscy linder  gegen  das  Innere  der  Röhre  zurück,  weil  der  Zug 
nach  der  nicht  verunreinigten  Endfläche  stärker  ist  als  nach 
der  verunreinigten.  Ein  Cylinder  aus  Wasser  weicht  bereits 
vor  Aetherdämpfen  zurück;  vor  Petroleum  zieht  er  sich  erst 
schnell,  dann  mehrere  Minuten  lang  sehr  langsam  zurĂĽck. 


102  Sitzung  der  viath.-phys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898, 

n.    Ueber  Erscheinungen,  welche  die  Ausbreitung 

begleiten  können. 

Die  nachfolgenden  Mitteilungen  machen  nicht  den  Anspruch, 
das  vorgesetzte  Thema  erschöpfend  zu  behandeln.  Wer  die 
hieher  gehörigen  Erscheinungen,  soweit  es  möglich  ist,  in  voll- 
ständiger Zahl  kennen  lernen  will,  der  sei  verwiesen  auf  eine 
grosse  wertvolle  Arbeit  von  G.  Quincke,^)  welche  ausfĂĽhrlich 
eine  ganze  Reihe  von  Erscheinungen  der  bezeichneten  Art 
behandelt. 

1.  Strömungen  in  der  Oberfläche.  —  Bei  der  Aus- 
breitung einer  FlĂĽssigkeit  hat  man  im  allgemeinen  Fall  zu 
untei'scheiden  zwischen  einer  ausbreitenden  (0,^)  und  zwei  aus- 
gebreiteten (agj  und  032)  Flächen.  Die  erste  wird  verkleinert, 
die  zwei  letzten  werden  vergrössert.  Die  ausbreitende  Fläche 
wird  dabei,  ähnlich  wie  die  Auszüge  bei  einem  Fernrohr,  zu- 
sammengeschoben, indem  die  Teile,  die  dem  Ausbreitcentrum 
näher  liegen,  unter  die  entfernteren  geschoben  werden.  Damit 
ist  angedeutet,  dass  die  ausbreitende  Fläche  nicht  in  ihrer  Ge- 
samtheit in  allen  ihren  Punkten  mit  gleicher  Geschwindigkeit 
von  dem  Ausbreitcentrum  zurĂĽckweicht  und  erst  am  Gefass- 
rand  sich  zusammenschiebt,  sondern  dass  die  Geschwindigkeit, 
mit  welcher  die  das  Ausbreitcentrum  umgebenden  Ringe  unter 
die  entfernteren  geschoben  werden,  vom  Centrum  nach  aussen 
schnell  abnimmt. 

Infolge  des  molekularen  Zusammenhangs,  der  zwischen 
benachbarten  Teilchen  oder  Schichten  einer  FlĂĽssigkeit  besteht, 
werden  von  der  obersten  bei  der  Ausbreitung  zurĂĽckgezogenen 
Schicht  die  zunächst  unter  ihr  liegenden  mit  fortgerissen.  Ist 
daher  die  Masse  der  Flüssigkeit,  an  deren  Oberfläche  eine  Aus- 
breitung erfolgt,  verhältnismässig  klein,  so  nimmt  sie  in  allen 
ihren  Teilen  an  der  bezeichneten  Bewegung  teil.  Bewirkt  man 
z.  B.  an  einem  Tropfen  eine  Ausbreitung  und  sorgt  dafĂĽr,  dass 
diese   nur   in    einer  Richtung   erfolgen   kann,    dann  gerät   der 

J)  G.  Quincke,  Wied.  Ann.  35.   p.  580—642.    1888. 


/.  Stark:  lieber  Ausbreitung  von  FlĂĽssigkeiten,  103 

Tropfen  mit  der  obersten  Schicht  in  dieser  Richtung  in  Ro- 
tation. Das  ist  z.  B.  bei  einem  unter  Wasser  liegenden  Chloro- 
form- oder  Schwefelkohlenstofftropfen  der  Fall,  wenn  man 
Aether  oder  Alkohol  am  Rande  des  Tropfens  aus  einem  kapillar 
ausgezogenen  Röhrchen  treten  lässt,  indem  man  dieses  mehr 
in  der  Richtung  einer  Tangente  als  einer  Normale  zur  Tropfen- 
iläche  hält. 

Die  bei  der  Ausbreitung  auftretenden  Bewegungen  fester 
Teilchen  in  der  Oberfläche  von  Flüssigkeiten  kommen  dadurch 
zu  stände,  dass  die  festen  Teilchen  von  der  zurückweichenden 
stärker  gespannten  Oberfläche  mit  fortgeführt  oder  fortgezogen 
werden.  Ist  auf  einer  Seite  eines  in  einer  Oberfläche  schwim- 
menden festen  Körpers  die  Spannung  grösser  als  auf  der  ent- 
gegengesetzten, so  bewegt  sich  der  Körper  nach  der  Seite  mit 
grösserer  Spannung.  Auf  diese  Weise  erklären  sich  die  be- 
kannten translatorischen  und  rotatorischen  Bewegungen  fester 
Körper  auf  Flüssigkeiten.  Diese  treten  aus  leicht  ersichtlichen 
Gründen  mit  Lebhaftigkeit  auch  an  grösseren  Russstückchen 
auf,  die  in  etwas  Alkohol  auf  Wasser  gebracht  werden. 

Wie  in  der  ausbreitenden  Flüssigkeiisfläche,  so  tritt  auch 
in  den  ausgebreiteten,  indem  diese  auseinander  gezogen  werden, 
eine  centrifugale  Strömung  auf. 

2.  Strömungen  im  Innern  der  Flüssigkeiten.  — 
Indem  die  ausbreitende  Flüssigkeitsfläche  beim  Zurückweichen 
zusammengeschoben  wird,  entsteht  eine  von  ihr  ausgehende 
schief  nach  dem  Innern  gerichtete  Strömung.  Mit  dieser  kom- 
biniert sich  eine  zweite,  die  im  gleichen  Sinne  wirkt.  Indem 
die  ausgebreiteten  Grenzflächen  31  und  32,  die  sowohl  der 
Flüssigkeit  3  wie  1  bzw.  2  angehören,  ausgebreitet  werden, 
nehmen  ihre  Teilchen  in  der  Richtung  der  Ausbreitung  Be- 
wegung an,  wie  bereits  erwähnt.  Die  ihnen  gegen  das  Innere 
der  FlĂĽssigkeiten  benachbarten  Teilchen  werden  v(m  ihnen  mit 
fortgerissen.  Es  entsteht  so  längs  der  Ausbreitfläche  erstens 
eine  centrifugale  Strömung.  An  die  Stelle  der  centrifugal  fort- 
gefĂĽhrten Teilchen  rĂĽcken  dann,  mehr  oder  weniger  senkrecht 


104  Sitzung  der  math,'phys.  Classe  vom  15.  Januar  1898, 

gegen  die  Ausbreitfläche  strömend,  andere  weiter  im  Innern 
gelegene  Teilchen ;  dadurch  kommt  zweitens  eine  zur  Ausbreit- 
fläche orthogonale  Strömung  zu  stände.  Die  Kombination  der 
einzeln  aufgeführten  Strömungen  ergibt  in  jeder  Flüssigkeit, 
die  an  der  Ausbreitung  beteiligt  ist,  folgende  Cirkulation  oder 
Wirbelbewegung.  Vom  Innern  der  Flüssigkeiten  strömen  ortho- 
gonal gegen  die  Ausbreitfläche  die  unter  oder  über  dieser 
liegenden  Flüssigkeitsteilchen,  an  dieser  oder  in  der  Nähe  der- 
selben biegen  sie  um,  laufen  längs  derselben  fort  und  biegen 
in  geringer  Entfernung  vom  Rand  der  ausgebreiteten  Fläche 
gegen  das  Innere  zurĂĽck,  um  nach  einer  weiteren  Wendung, 
horizontal  laufend,  zum  Ausgangspunkt  zurĂĽckzukehren. 

Ist  die  Masse  der  Flüssigkeit,  an  deren  Oberfläche  eine 
Ausbreitung  erfolgt,  verhältnismässig  klein,  dann  nimmt  die 
ganze  Masse  an  der  beschriebenen  Wirbelbewegung  teil.  Man 
kann  diesen  Fall  in  schöner  Weise  an  einem  unter  Wasser 
liegenden  Chloroformtropfen  verwirklichen,  wenn  man  auf  seiner 
Kuppe  aus  einem  Röhrchen  etwas  Alkohol  austreten  lässt.  Um 
die  Bewegungen  im  Tropfen  wahrnehmen  zu  können,  setzt  man 
zweckmässig   dem   Chloroform    oder  Alkohol  Russteilchen    bei. 

Durch  die  eben  behandelte  orthogonal  gegen  die  Ausbreit- 
fläche gerichtete  Strömung  einer  an  der  Ausbreitung  beteiligten 
Flüssigkeit  wird  diese,  soweit  sie  der  Ausbreitfläche  gegenüber 
liegt,  gegen  diese  gleichsam  hingesaugt.  Es  ist  diese  Strömung 
die  Ursache  verschiedener  interessanter  Erscheinungen. 

Feste  Teilchen,  die  in  der  betreflenden  FlĂĽssigkeitspartie 
suspendiert  sind,  scheinen  sich  unter  der  Wirkung  von  an- 
ziehenden Kräften  der  Ausbreitfläche  zu  nähern;  indes  ist  ihre 
Bewegung  nur  ein  Transport,  herbeigefĂĽhrt  von  der  bezeich- 
neten orthogonalen  Strömung  der  suspendierenden  Flüssigkeit. 
Aus  der  gleichen  Ursache  erklärt  sich  die  bereits  von  Quincke 
behandelte  scheinbare  gegenseitige  Anziehung  von  Oelkugeln, 
die  in  spec.  leichterem  Alkohol  schweben.  Wie  bereits  dar- 
gelegt, finden  an  der  Oberfläche  der  Oelkugeln  infolge  der 
allerdings  beschränkten  LösHchkeit  beider  Flüssigkeiten  in 
einander  beständig  Ausbreitbewegungen   statt.     Vermöge  der- 


J.  Stark:  lieber  Ausbreitung  von  FlĂĽssigkeiten,  105 

selben  saugen    die  Oelkugeln   alkoholische  FlĂĽssigkeit  an  sich 
heran  und  mit  dieser  gegenseitig  sich  selbst. 

Endlich  erklärt  sich  aus  der  in  Rede  stehenden  Strömung 
wohl  auch  die  allerdings  nur  sehr  niedrige  plateauartige  Er- 
hebung des  Teiles  einer  FlĂĽssigkeit,  auf  dem  eine  Ausbreitung 
von  einer  sehr  kleinen  Menge  einer  anderen  FlĂĽssigkeit  erfolgt. 
Auf  einer  Wasserfläche  zeigt  sich  diese  Erhebung  z.  B.  schon 
unter  einem  ĂĽbergehaltenen  Aethertropfen,  und  wird  dieser 
entsprechend  auf  und  nieder  bewegt,  so  gerät  die  Wasserfläche 
in  eine  wellenartige  Bewegung. 

3.  Erscheinungen  hervorgerufen  durch  Aenderung 
des  Oberflächendruckes.  —  Quincke*)  hat  gezeigt,  dass  die 
Erniedrigung  der  Oberflächenspannung,  die  an  einem  Punkte 
der  Oberfläche  eines  Sphäroids  einer  Flüssigkeit  2  in  einer  an- 
deren 1  bei  EinfĂĽhrung  einer  FlĂĽssigkeit  3  sich  zeigt,  eine 
Ausbauchung  des  Sphäroids  an  der  betrefienden  Stelle  und  eine 
Bewegung  desselben  nach  der  Seite  der  Ausbauchung  hervor- 
bringt. Da  nämlich  die  Krümmung  in  einem  Punkte  eines 
Sphäroids  abhängig  ist  von  dem  dort  herrschenden  hydrostati- 
schen Druck  und  der  dort  herrschenden  Oberflächenspannung, 
80  stellt  sie  sich  dieser  entsprechend  her,  wird  z.  B.  grösser, 
wenn  diese  vorübergehend  oder  für  längere  Zeit  herabgesetzt 
wird.  Bevor  diese  Aenderung,  die  Herstellung  eines  Gleich- 
gewichts in  der  Krümmung  des  Sphäroids  erfolgt,  ist,  allerdings 
nur  für  sehr  kurze  Zeit,  der  Oberflächendruck  auf  der  Seite 
desselben  grösser,  welche  entgegengesetzt  ist  zu  der  oberflächlich 
niedriger  gespannten  Partie.  Dieser  Druck  gibt  daher  fĂĽr  einen 
Moment  dem  Sphäroid  einen  Bewegungsantrieb  nach  der  Seite 
hin,  wo  die  Oberflächenspannung  herabgesetzt  ist.  Während 
dieser  Antrieb  schnell  vorübergeht,  hält  die  Aendeining  der 
Krümmung,  d.  h.  die  Ausbauchung  an  der  oberfläclJich  nie- 
driger gespannten  Stelle  so  lange  an,  als  die  entsprechende 
Differenz  in  der  Oberflächenspannung  existiert.     Die  charakte- 

>)  Quincke.   Wied.  Ann.  35.   p.  608—614.    1888. 


106  Sitzung  der  mcUh.-phys.  Classe  vom  15,  Januar  1898. 

risierte  Deformation  der  Oberfläche  lässt  sich  z.  B.  an  hängen- 
den Tropfen  beobachten,  wenn  ihnen  Dämpfe  von  Substanzen 
mit  kleinerer  Oberflächenspannung  von  unten  her  genähert 
werden.  Neu  mag  in  dieser  Beziehung  folgender  Versuch  sein. 
Lässt  man  auf  ziemlich,  aber  nicht  allzu  fein  gepulverten 
Schwefel,  der  auf  einer  Glasplatte  liegen  mag,  vorsichtig  einen 
Tropfen  Wasser  fliessen,  so  bleibt  dieser  in  schön  ausgebildeter 
Form  als  Tropfen  liegen.  Nähert  man  ihm  von  der  Seite  her 
einen  Aethertropfen,  so  baucht  er  sich  gegen  diesen  aus  und 
nimmt  eine  mehr  eiförmige  Gestalt  an.  Hat  man  dafür  gesorgt, 
dass  der  Wassertropfen  auf  einen  sanften  Abhang  der  aufge- 
streuten Schwefelschicht  zu  liegen  kommt,  und  an  seiner  unteren 
Fläche  keine  grösseren  Schwefelstückchen  bei  einer  Bewegung 
sich  ihm  entgegenstellen,  dann  rollt  er  bei  einer  raschen  seit- 
lichen Annäherung  (bis  auf  1  mm)  eines  Aethertröpfchens  gegen 
dieses  und  hat  sich  in  dasselbe  gestĂĽrzt,  ehe  man  es  zurĂĽck- 
ziehen kann. 

4.  Die  Ausscheidung  fester  Teilchen  an  der  Grenz- 
fläche von  Flüssigkeiten.  —  Es  wurde  bereits  mehrmals 
die  Ausscheidung  von  Russteilchen  an  der  Grenzfläche  von 
Flüssigkeiten  erwähnt,  und  das  sich  dabei  bildende  Russhäutchen 
dazu  benĂĽtzt,  um  Schiebungen  der  FlĂĽssigkeiten  in  den  Grenz- 
flächen sichtbar  zu  machen.  Dieser  Vorgang  soll  nun  näher 
beschrieben  und  erklärt  werden. 

Um  eine  Ausscheidung  von  Russteilchen  aus  Alkohol  auf 
Wasser  zu  erhalten,  hat  man  Sorge  zu  tragen,  dass  der  Russ 
in  Alkohol  möglichst  fein  verteilt  ist.  Dies  erreicht  man  da- 
durch, dass  man  den  Russ  längere  Zeit  in  Alkohol  liegen  lässt 
und  ihn  dann  heftig  aufschĂĽttelt.  Die  mit  Russ  getrĂĽbten 
Alkoholtropfen  darf  man  nicht  aus  zu  grosser  Höhe  in  das 
Wasser  einfallen  lassen;  dieses  muss  eine  reine  Oberfläche  be- 
sitzen. Je  grösser  der  Procentgehalt  des  Alkohols  ist,  desto 
lebhafter  und  bedeutender  ist  die  Abscheidung  der  Russteilchen. 

Suspendiert  man  Kaolin  oder  QuecksilberchlorĂĽr  in  Alkohol 
und  giesst  einige  Tropfen  davon  auf  Wasser,  dann  tritt  eben- 


J.  Stark:  lieber  Ausbreitung  von  FlĂĽssigkeiten,  107 

falls  eine  Abscheidung  eines  Teiles  der  suspendierten  Körperchen 
an  der  Wasseroberfläche  unter  Bildung  eines  feinen  weissen 
Häutchens  ein.  Doch  ist  in  diesem  Fall  der  Vorgang  wegen 
des  grösseren  Gewichtes  der  festen  Teilchen  und  wegen  ihrer 
Farbe  nicht  so  lebhaft  und  auffallend. 

Statt  mit  Alkohol  und  Wasser  lässt  sich  die  Abscheidung 
der  suspendierten  Teilchen  auch  mit  einer  einzigen  FlĂĽssigkeit 
erzielen.  Lässt  man  nämlich  einige  Tropfen  heissen  Wassers, 
die  suspendierte  Russteilchen  enthalten,  auf  kaltes  fallen,  so 
werden    aus   dem   heissen    ebenfalls  Russteilchen   abgeschieden. 

Wenn  man  Wassertropfen  mit  suspendierten  Russteilchen 
auf  Alkohol  fallen  lässt,  so  beobachtet  man  keine  nennenswerte 
Abscheidung  der  letzteren.  Das  ist  auch  nicht  der  Fall,  wenn 
man  kaltes  durch  Russ  getrübtes  Wa.sser  auf  warmes  tropfen  läs.st. 

Die  beschriebene  Ausscheidung  fester  Teilchen  aus  einer 
Flüssigkeit  2  auf  einer  anderen  1 ,  die  eine  höhere  Oberflächen- 
spannung als  2  besitzt  und  mit  dieser  unbeschränkt  mischbar 
ist,  kommt  offenbar  durch  die  Wirkung  der  Oberflächenspan- 
nung zu  stände,  wie  nun  gezeigt  werden  soll.  Bringt  man 
eine  sorgfältig  gereinigte  Kugel,  etwa  eine  Messingkugel,  so 
tief  in  Wasser  mit  reiner  Oberfläche,  dass  von  ihr  eben  noch 
eine  Haube  ĂĽber  dem  Wasserspiegel  liegt,  aber  bereits  von 
einer  Wasserhaut  überzogen  ist,  lässt  man  dann  auf  den  höch- 
sten Punkt  der  Haube  einen  kleinen  Tropfen  Alkohol  fliessen, 
so  beobachtet  man  folgendes.  Der  Alkoholtropfen  wird  in 
heftiger  centrifugaler  Bewegung  von  der  Kugelhaube  herab  und 
auseinander  gerissen,  so  dass  diese  nach  wenigen  Sekunden  von 
aller  Flüssigkeit  gesäubert  ist  und  sie  daher  trocken  erscheint. 
Das  umgebende  Wasser  begrenzt  sie  dann  Itir  einige  Zeit  in 
konvexer  Wölbung  und  steigt  nur  langsam  wieder  an  ihr  empor, 
um  sie  schliesslich  wieder  zu  ĂĽberziehen. 

Bringt  man  nach  der  angegebenen  Art  die  Kugel  in 
Alkohol  und  setzt  auf  die  hervorragen dr»  Haube,  die  nunmehr 
mit  einer  Alkoholhaut  ĂĽberzogen  ist,  einen  Wassertropfen,  so 
wird  dieser  nicht  in  centrifugaler  Bewegung  in  die  umgebende 
FlĂĽssigkeit    hinabgezogen,    sondern    bleibt  nach  einer   anfang- 


108  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

liehen  nach  seinem  Innern  gerichteten  Zuckung  in  Tropfenform 
auf  der  Kugelhaube  liegen. 

Die  beschriebenen  Erscheinungen  erklären  sich  nach  den 
weiter  oben  mitgeteilten  Ansichten  und  Versuchen  aus  der  Ver- 
schiedenheit der  Oberflächenspannungen  des  Wassers  und  Al- 
kohols. Da  nämlich  dieser  eine  kleinere  Oberflächenspannung 
als  jenes  besitzt,  so  wird  er  von  der  Wasserhaut  auseinander- 
gezogen und  solange  ausgebreitet,  bis  ĂĽberall  an  der  freien 
Oberfläche  die  Spannung  gleich  gross  ist. 

Der  Vorgang,  der  sich  beim  ersten  Versuch  mit  der  Mes- 
singkugel abspielt,  stellt  einen  spec.  Fall  des  allgemeinen  Satzes 
dar:  Einem  festen  Körper,  der  zum  Teil  in  eine  Flüssigkeit 
von  gewisser  Oberflächenspannung  getaucht,  im  übrigen  mit 
einer  Schicht  oder  Haut  einer  anderen  FlĂĽssigkeit  mit  niedrigerer 
Oberflächenspannung  bedeckt  ist,  wird  diese  Haut  oder  Schicht, 
sobald  beide  FlĂĽssigkeiten  zum  Kontakt  kommen,  von  der  ersten 
FlĂĽssigkeit  abgezogen. 

Nimmt  man  zu  diesem  Satz  die  Thatsache,  dass  leichte 
Körperchen  in  der  Oberfläche  einer  Flüssigkeit  festgehalten 
werden  und,  wenn  sie  einander  nahe  kommen,  sich  scheinbar 
anziehen,  dann  ist  die  beschriebene  Abscheidung  eines  Russ- 
häutchens  genügend  aufgeklärt. 

Eine  oberflächliche  Abscheidung  von  Russteilchen  erhält 
man  auch,  wenn  man  auf  alkoholisches  Wasser  einen  Chloro- 
formtropfen legt.  Man  verfährt  zu  diesem  Zweck  am  besten 
so.  In  Wasser  lässt  man  aus  einer  Höhe  von  ungeföhr  1  dm 
einige  Alkoholtropfen  fallen,  die  mit  Russ  stark  getrĂĽbt  sind. 
Es  scheidet  sich  dann  nur  ein  kleiner  Teil  der  Russkörperchen 
aus;  die  grössere  Zahl  derselben  verteilt  sich  infolge  der  Mischung 
des  Alkohols  mit  dem  Wasser  in  diesem.  Legt  man  dann  einen 
Chlorofomitropfen  auf  das  Wasser,  dann  werden  unter  den  be- 
kannten lebhaften  Strömungen  im  Wasser  und  Chloroform  Russ- 
teilchen in  grosser  Zahl  an  der  Kontaktfläche  beider  Flüssig- 
keiten ausgeschieden,  schiessen  in  dieser  zum  Rande  der  Chloro- 
formlinse empor  und  werden  hier  auf  der  Wasserfläche  centri- 
fugal  fortgeführt.    Infolge  der  Strömungen  im  Wasser  und  der 


•T.  Stark:  Ütber  Ausbreitung  w>n  Flüssigkeiten,  109 

damit  verbundenen  fortgesetzten  Ausscheidung  von  Russ  wird 
das  Wasser  allmählich  in  seiner  obersten  Schicht  vom  Kuss 
gesäubert,  während  die  unter  dieser  liegende  ihre  dunkle  Russ- 
schattierung beibehält. 

Die  Beobachtung,  dass  Chloroform  Russteilchen  aus  Wasser 
vor  allem  dann  zur  Abscheidung  bringen  kann,  wenn  das 
Wasser  mit  Alkohol  versetzt  ist,  legt  die  Vermutung  nahe, 
dass  zwischen  der  Ausscheidung  fester  Teilchen  aus  Alkohol 
auf  Wasser  und  dem  eben  behandelten  Fall  insofeme  eine 
Verwandtschaft  vorliegt,  als  hier  wie  dort  eine  Ausbreitung 
der  FlĂĽssigkeit,  welche  die  Russteilchen  suspendiert,  und  damit 
ein  Abziehen  jener  von  diesen  erfolgt.  Diese  Vermutung  wird 
durch  folgende  Versuche  bestätigt. 

Ein  Chloroformtropfen  unter  Wasser,  in  dem  Russteilchen 
suspendiert  sind,  zeigt  an  seiner  Oberfläche  keine  Abscheidung 
von  Russ.  Dagegen  tritt  diese  Erscheinung  ein,  wenn  dem 
Wasser  oder  dem  Chloroform  Alkohol  beigegeben  wird.  Nun- 
mehr bilden  sich  nämlich  an  der  Grenzfläche  von  Wasser  und 
Chloroform  russhaltige  Gemische  von  Chloroform  und  Alkohol 
mit  verschiedener  Koncentration.  Die  an  Alkohol  reicheren 
und  darum  niedriger  gespannten  Mischungspartien  werden  aus- 
gebreitet und  von  der  Oberfläche  ihrer  Russteilchen  herabge- 
zogen ;  diese  bleiben  dann  in  Kontaktfläche  von  Chloroform  und 
Wasser  liegen.  Durch  die  bei  der  Ausbreitung  auftretende 
orthogonal  zur  Ausbreitfläche  gerichtete  Strömung  werden  neue 
Russteilchen  in  die  Nähe  der  Kontaktfläche  geführt  und  hier 
durch  Ausbreitung  ihrer  sie  fĂĽhrenden  FlĂĽssigkeit  abgesetzt. 
Auf  diese  Weise  klärt  sich  die  durch  Russ  getrübte  Flüssigkeit 
allmählich. 

Besonders  schön  ist  der  beschriebene  Vorgang  an  kleinen 
Oelkugeln  zu  beobachten,  die  mit  Russteilchen  versetzt  sind 
und  in  spec.  etwas  leichterem  Alkohol  schweben.  Unter  leb- 
haften radialen  und  centrifugalen  Strömungen  an  der  Ober- 
fläche der  Oelkugeln  werden  nach  kurzer  Zeit  fast  alle  Russ- 
teilchen aus  ihnen  in  die  Kontaktfläche  von  Oel  und  Alkohol 
ausgeschieden.     Hier  bilden   sie  eine    ziemlich  dicke  Russhaut, 


110  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  15.  Januar  1898. 

da  wegen  der  Löslichkeit  von  Oel  und  Alkohol  in  einander 
die  Grenzfläche  dieser  beiden  Flüssigkeiten  nicht  scharf  aus- 
gebildet ist.  Diese  wird  um  so  schärfer,  je  mehr  Wasser  man 
dem  Alkohol  zusetzt.  Dann  steigen  die  Oelkugeln,  die  sich 
mit  der  Zeit  zu  einer  einzigen  vereinigen,  an  die  freie  Ober- 
fläche, und  die  ausgeschiedenen  Russteilchen  ordnen  sich  dann 
zu  einem  sehr  feinen  Häutchen  an  der  Grenzfläche  von  Oel 
und  dem  Gemisch  aus  Wasser  und  Alkohol. 


111 


Sitzung  vom  6.  Februar  1898. 

1.  Herr  Emil  Selenka  hielt  einen  Vortrag:  ^Ueber  die 
Architektur  des  Orangutan-Schädels.**  Derselbe  wird 
anderweit  zur  Veröffentlichung  gelangen. 

2.  Herr  Eugen  v.  Lommel  macht  eine  Mittheilung:  „üeber 
aus  Kalkspath  und  Glas  zusammengesetzte  NicoTsche 
Prismen.** 

3.  Herr  Eugen  v.  Lommel  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Professor  Paul  Glan  in  Berlin:  »Theoretische  Untersuch- 
ungen über  elastische  Körper  und  Elektrizität**  vor. 


ĂĽeber  aus  Kalkspath  und  Glas  zusammengesetzte 

Nicorsche  Prismen. 

Von  E.  T.  Lommel« 

(Eingtiaufin  5,  Fibruar.) 

In  den  Sitzungsberichten  der  Akademie  der  Wissenschaften 
zu  Berlin  hat  Herr  C.  Leiss^)  ĂĽber  ein  neues,  aus  Kalkspath 
und  Glas  zusammengesetztes  Nicoisches  Prisma  berichtet.  Solche 
Prismen  sind  schon  seit  mehr  als  zwei  Jahren  in  meinem  Besitz ; 
sie  wurden  Ende  1895  von  der  Firma  Steeg  und  Reuter  in 
Homburg  v.  d.  H.  in  bekannter  vorzĂĽglicher  AusfĂĽhrung  nach 
meinen  Angaben  hergestellt.  Schon  etwa  ein  Jahr  frĂĽher  hatte 
Herr  StrĂĽbin,  Optiker  in  Basel,  solche  Prismen  verfertigt, 
ebenfalls  von  der  Absicht  geleitet,  die  Hälfte  des  inmier  kost- 
barer werdenden  Kalkspathmaterials  zu  ersparen. 

»)  Sitzung  vom  21.  Oktober  1897. 


112  Sitzung  der  math.-fhys,  Classe  vom  5.  Februar  1698. 

Ein  so  zusammengesetztes  Prisma  kommt  begreiflicherweise 
einem  echten  Nicol  an  Vollkommenheit  nicht  gleich.  Das  Ge- 
sichtsfeld erscheint  verzerrt,  weil  sich  die  aussergewöhnliche 
Brechung  des  Kalkspaths  durch  die  gewöhnliche  des  Glases 
nicht  fiir  alle  Strahlen  des  nutzbaren  Strahlenkegels  gleichzeitig 
aufheben  lässt.  Die  Dimensionen  des  Gesichtsfeldes  parallel 
zum  Hauptschnitt  erscheinen  gegenĂĽber  jenen  senkrecht  zum 
Hauptschnitt  verkĂĽrzt.  Deshalb  genĂĽgt  auch  das  neue  Prisma 
der  von  Nicol  *)  angegebenen  Probe  fĂĽr  die  richtige  Konstruk- 
tion seiner  Prismen  nicht.  Betrachtet  man  nämlich  durch  ein 
echtes  Nicol  ein  Fensterkreuz  aus  einer  Entfernung  von  1  bis 
2  m,  so  bleibt  es  unbeweglich  und  rechtwinklig,  wie  man  auch 
das  Prisma  um  seine  Achse  drehen  mag.  Durch  das  neue  Prisma 
dagegen  erscheinen  die  Arme  des  Kreuzes  nur  rechtwinklig, 
wenn  der  Hauptschnitt  des  Kalkspaths  mit  einem  derselben 
parallel  ist;  beim  Drehen  des  Prismas  aber  werden  die  Qua- 
dranten, durch  welche  der  Hauptschnitt  des  Kalkspaths  geht, 
stumpfwinklig,  die  beiden  andern  spitzwinklig,  und  die  Kreuzes- 
arme erscheinen  ein  wenig  gekrĂĽmmt.  Zugleich  ist  das  Gesichts- 
feld nicht  vollkommen  achromatisch,  ein  Uebelstand,  der  ĂĽbri- 
gens bei  Anwendung  von  homogenem  Licht  (z.  B.  Natriumlicht) 
wegfallt. 

Wegen  dieser  Mängel,  welche  die  Brauchbarkeit  des  künst- 
lichen Nicols  zu  Messungszwecken  in  Frage  stellen,  unterliess 
ich  damals  die  Veröffentlichung.  Nachdem  aber  der  Gegenstand 
nunmehr  zur  Sprache  gekommen  ist,  sei  es  mir  gestattet,  die 
Gesichtspunkte,  welche  mich  bei  der  Konstruktion  dieser  Prismen 
leiteten,  in  KĂĽrze  darzulegen. 

Indem  wir  die  Betrachtung  auf  den  Hauptschnitt  des  Kry- 
stalles  einschränken,  wählen  wir  in  diesem  die  Kotationsachse  26 
der  ellipsoidischen  Wellenschale  als  o;- Achse  eines  rechtwinkligen 
Koordinatensystems,  mit  welcher  die  Eintrittsfläche  des  Krystalls 
den  Winkel  a  bilde.  Zu  der  aus  der  Luft  unter  dem  Winkel  i 
einfallenden  Welle  ergibt  sich   die  im  Krystall  aussergewöhn- 


1)  Nicol,  Pogg.  Ann.  Bd.  49,  p.  239.  1840. 


J&.  V.  Lommel:  lieber  NicoVsche  Prismen.  113 

lieh  gebrochene  Welle  als  die  vom  Punkt  x^  =  cos  a  /  sin  i, 
y,  =  sin  a  /  sin  i  der  Eintrittsfläche  an  die  Ellipse  mit  den  Halb- 
achsen a  und  b  gelegte  Tangente.  Die  vom  Mittelpunkt  der 
Ellipse  (Koordinatenanfang)  auf  diese  Tangente  gefällte  Senk- 
rechte Q  stellt  alsdann  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  dieser 
Welle  dar.  Wählen  wir  nun  die  Glassorte  so,  dass  der  Radius 
ihrer  kugelförmigen  Wellenfläche  =  q,  oder  ihr  Brechungsindex 
n  =  IJQ  ist,  so  geht  jene  ebene  Welle  aus  dem  Krystall  ohne 
Richtungsänderung  in  das  Glas  über,  und  tritt  aus  der  mit  der 
Eintrittsfläche  parallelen  Endfläche  unter  demselben  Winkel  i 
wieder  in  die  Luft  aus.  Die  Bedingung,  dass  ein  an  der  vor- 
deren (Spath-)riäche  unter  beliebigem  Einfallswinkel  i  ein- 
tretender (senkrecht  zum  Hauptschnitt  polarisierter)  Strahl  an 
der  hinteren  (Glas-)Fläche  mit  ungeänderter  Richtung  austrete, 
fordert  also,  dass  der  Brechungsindex  des  Glases 


""^V   ÂĄ  +  ^ 


sei,  wo  x\  y  die  Koordinaten  des  BerĂĽhrungspunktes  der  Ellipse 
und  jener  Tangente  sind,  und  sich  daher  aus  den  Gleichungen 

X  ^        i/^  X  f/' 

-Ti-\ — ^  =  1      und      ,  i  cos  a  +  -r  sin  a  =  sin  i 

ergeben.  Man  kann  nach  Einsetzung  dieser  Werte  den  Aus- 
druck fĂĽr  n  leicht  wie  folgt  umformen: 

n  =  Vsmn+ P», 
wo 

PJV'=  YN —  a*  6*  sin*  i  —  (a*  —  6*)  sin  a  cos  a  sin  i 
und 

JV=  a*  cos*  a  -f-  6*  sin*  a 

ist.  Die  Gleichungen  gelten,  unter  welcher  Neigung  zur  Kry- 
stallfläche  die  zum  Hauptschnitt  senkrechte  Schnittfläche  auch 
gefĂĽhrt  sein  mag. 

1898.  BiUongsb.  d  matb.-ph78.  OL  B 


114  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  5.  Februar  1898, 

Diese  Bedingung  kann,  wie  man  sieht,  durch  einen  einfach 
brechenden  Körper  mit  konstantem  n  jeweils  nur  für  einen 
einzigen  Einfallswinkel  befriedigt  werden.  Die  erwähnte  Ver- 
zerrung des  Gesichtsfeldes  ist  die  notwendige  Folge  davon. 

Man  kann  aber  wenigstens  dafĂĽr  sorgen,  dass  der  mit  den 
Längskanten  des  Prismas  parallel  einfaUende  Strahl  (der  Achsen- 
strahl)  beim  Austritt  seine  Richtung  beibehalte,  so  dass  ein 
anvisierter  ferner  Punkt  beim  Drehen  des  Prismas  in  seiner 
It&ge  verharrt. 

Ist  die  Ealkspathfläche  eine  natürliche,  so  ist  der  Einfalls- 
winkel des  Achsenstrahls  j  ==  19«  8'  (109«  8'  —  90»),  der  Winkel 
der  optischen  Achse  mit  jener  Fläche  a  =  45®  23',  femer  für 
Natriumlicht  a  =  0,67270,  6  =  0,60297.  Danach  berechnet 
sich  n  =  1,5321.  FĂĽr  die  Linie  ÂŁ(a  =  0,67381,  b  =  0,60547) 
findet  man  n  =  1,5287,  und  fĂĽr  die  Linie  JF(a  =  0,67077, 
6  =  0,59954)  w=  1,5377. 

Wählt  man  also  ein  Crownglas,  dessen  Brechungsverhält- 
nisse sind: 

B)  1,5287     D)  1,5321     F)  1,5377  0 

so  erleidet  der  Achsenstrahl  nicht  nur  keine  ßichtungsänderung, 
sondern  auch  keine  Farbenzerstreuung.  FĂĽr  ein  mit  dem  Achsen- 
strahl paralleles  StrahlenbĂĽndel  ist  sonach  das  neue  Prisma 
ganz  tadellos.  Aber  auch  in  anderen  Fällen,  so  lange  es  sich 
nicht  um  Messungen  handelt,  z.  B.  zur  subjektiven  Beobachtung 
und  zur  objektiven  Darstellung  der  Erscheinungen  der  chro- 
matischen Polarisation,  kann  das  Prisma,  insbesondere  als  Polari- 
sator, vorteilhaft  verwendet  werden. 

Bisher  wurde  angenommen,  dass  die  Kalkspathhälfte  des 
Prismas  der  Lichtquelle  zugewendet  sei.  Die  gewöhnlich  ge- 
brochenen, im  Hauptschnitt    polarisirten  Strahlen    werden  als- 


*)  Ein  Crownglas   von  Guinand   hat  nach  Messungen  von  Dutirou 
die  Indices 

B)  1,62806,        D)  1,68173,        F)  1,53825, 

welche  den  obigen  sehr  nahe  kommen. 


S,  V,  Lammel:  lieber  NicoVsche  Prismen,  115 

dann  wie  bei  dem  echten  Nicol  durch  totale  Reflexion  an  der 
Eanadabalsamschicht  beseitigt. 

Man  kann  aber  das  Prisma  ebensogut  auch  umgekehrt, 
die  Glashälfte  voran,  gebrauchen.  Die  aussergewöhnlichen 
Strahlen  gehen  dann  auf  denselben  nur  umgekehrten  Wegen 
durch  das  Prisma  durch.  Die  im  Hauptschnitt  polarisierten 
Strahlen  dagegen  dringen  durch  die  Kittschicht  in  die  Kalk- 
spathhälfte  und  werden  an  deren  Hinterfläche  zum  Teil  nach 
innen  total  reflektiert,  zum  Teil  unter  starker  Ablenkung  in 
die  Luft  hinaus  gebrochen.  Zwischen  dem  Einfallswinkel  i  an 
der  Glasfläche  und  dem  Austrittswinkel  i  an  der  Spathfläche 
besteht,  wenn  die  Schnittfläche  senkrecht  zu  den  Endflächen 
gefĂĽhrt  ist,  die  Beziehung: 

sin*  i  =  sin*  i  +  w',  —  n% 

wenn  n«  den  Brechungsindex  des  gewöhnlichen  Strahles  in 
Ealkspath,  n  wie  vorhin  den  Brechungsindex  des  Glases  be- 
zeichnet. 

Nach  dieser  Formel  bestimmt  sich  der  kleinste  Austritts- 
winkel  der   gewöhnlich    gebrochenen  Strahlen   (fQr  i  ^=  o)  aus 

sm*  i  =  fifo  —  n* 
wie  folgt: 

JB)  38^42'     D)  39«  25'     F)  40M2. 

Der  Einfallswinkel,  bei  welchem  an  der  Spathfläche  die 
totale  Reflexion  beginnt  (i'  =  90),  ergibt  sich  aus  der  Gleichung 

cos'  i^=nl,  —  n* ; 

er  ist  das  Complement  des  vorigen,  also  beziehungsweise  5P  18', 
50*^35',  49^48';  Strahlen,  welche  unter  grösseren  Einfalls- 
winkeln auf  die  vordere  (Glas-)Fläche  treffen,  treten  aus  der 
Hinterfläche  nicht  mehr  aus.  Die  gewöhnlich  gebrochenen 
Strahlen,  welche  aus  der  Hinterfläche  noch  austreten,  liegen 
also  (für  Natriumlicht)  zwischen  i'  =  39*^  25'  und  i  =  90«;  sie 
entsprechen  einfallenden  Strahlen  zwischen  i^=o  und  i  =  50«  35', 
während   alle   zwischen   i  =  50«  35'   und   i  =  90«   einfallenden 

8* 


Il6       .  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  Ă–.  Februar  1898. 

Strahlen  nach  innen  total  reflektiert  werden.  Jene  noch  aus- 
tretenden ordinären  Strahlen  bilden  ein  (bei  Benutzung  des 
vollen  Gssichtsfeldes  unreines)  Spektrum,  welches  aber  so  stark 
zur  Seite  gelenkt  ist,  dass  es  die  Beobachtung  in  keiner  Weise 
hindert;  für  Natriumlicht  z.  B.  beträgt  die  Ablenkung  gegen 
den  Axenstrahl  39<>25' —  19^  8' =  20M7'.  Bei  diesem  Ge- 
brauche (Glas  voran)  wirkt  das  neue  Prisma  eigentlich  ähnlich 
wie  ein  achromatisches  Kalkspathprisma,  das  aber  wegen  der 
weit  grösseren  Ablenkung  der  ordinären  Strahlen  nach  Art 
eines  Nicols  verwendbar  ist. 


117 


Theoretische  Untersuchungen  über  elastische  Körper 

und  Elektrizität. 

Von  Paul  Glan. 

{KhtgdauftH  5.  Ftbntar.) 

Die  Grenze  eines  Körpers  habe  die  Gleichung 

cĂĽ  =  t/;  (g,  o), 

in  der  g  die  Länge  einer  geodätischen  Linie  seiner  Oberfläche 
von  einem  Punkte  derselben  aus  und  o  den  Winkel  bedeutet, 
den  diese  Linie  im  Anfangspunkte  von  g  mit  einer  bestimmten 
Geodätischen  bildet.  Von  einem  Punkte  einer  solchen  Linie 
mag  nach  dem  Innern  des  Körpers  in  der  Richtung  ihrer 
Hauptnormale  der  Einheitsvektor  v  gehen,  in  der  Richtung 
ihrer  Tangente  und  zwar  nach  der  Seite  wachsender  Länge 
der  Einheitsvektor  t  und  in  der  Binormalen  liegend  der  Ein- 
heitsvektor i;  es  sei  die  Drehung  um  v  von  r  nach  i  rechts- 
läufig oder  positiv.     Ein  Vektor  im  Räume  kann  in  der  Form 

o)  =  yĂź  (g,  o)  4"  wv 

gegeben  sein,  in  der  n  ein  Skalar  ist.     Es  ist  weiter 

T  =  ?7Dg  vs     «  =  ±  UDo  v^,     V  =  +  UVD^  y)  Do  w 

Das  Vorzeichen  ist  in  den  AusdrĂĽcken  fĂĽr  i  und  v  so  zu 
nehmen,  dass  t,  e,  v  die  zuvor  angegebene  Lage  zu  einander 
haben. 

Der  Zuwachs  Aa^^  zla^,  Aa^^  den  die  Vektoren  der  elasti- 
schen  Kräfte   bei    einer   unendlich   kleinen    Zustandsänderung 


118  SiUung  der  matK-phys.  Glosse  vom  5.  Februar  1898. 

dm^, , ,  dt  im  Zeitelement  dt  erleiden,  soll  nun  in  seiner  Ab- 
hängigkeit von  der  Zeit  in  Betracht  gezogen  werden,  in  der 
sie  erfolgt.  Ein  bestimmter  Zustand  ist  dann  durch  die  ihm 
zukommenden  Werte  der  Formvariabein,  der  Temperatur  und 
der  Zeit  charakterisiert,  in  welcher  sie  ausgefĂĽhrt  ward.  Es 
wird,  zum  Beispiel, 

Aa^  =  (p  (Wj, . .  nj,  t,  t,  dm,, . .  rfn,,  dt,  dt). 

Die  Entwicklung  nach  dm,, . .  dt  und  alleinige  BerĂĽck- 
sichtigung der  Glieder  mit  den  ersten  Potenzen  dieser  Grössen, 
welche  erlaubt  ist,  wie  frĂĽher  in  diesen  Untersuchungen  er- 
läutert ward,  wenn  sich  a,  nur  wenig  und  stetig  mit  m,, . .  t 
ändert,  giebt 

Aai=fi\  dm,+/ij'  dm^-i-fx'!'  dm^-{-v\  dn^+v^  dng+v," dn^+Xi  ^^• 

Hier  sind  die  vektor  Faktoren  vektor  Funktionen  von 
m,, . .  t,  t,  dt  Sie  sind  nach  den  vorliegenden  Erfahrungen, 
wie  frĂĽher  ausgefĂĽhrt  ist,  entwickelbar  jedenfalls  bis  zu  den 
Gliedern  mit  m,, . .  n^  anzusehen  und  es  können  dann  bei  der 
Kleinheit  von  m^^ .  ,n^  nur  die  von  den  Formvariabein  unab- 
hängigen Glieder  dieser  Entwickelungen  zunächst  in  Betracht 
gezogen  werden.  Diese  nur  von  t,  t  und  dem  Zeitelement  dt  ab- 
hängigen Vektoren  sollen  //!,..  ;^i  von  jetzt  sein.  Bei  raschen 
periodischen  Formänderungen  können  wir,  da  sich  bei  mehreren 
solchen  die  Temperatur  nur  wenig  infolge  derselben  ändert 
und  sich  nach  dem  bisher  Bekannten  die  elastischen  Konstanten 
im  allgemeinen  in  geringem  Masse  mit  der  Temperatur  ver- 
ändern, für  kürzere  Zeit  die  Aenderung  der  Temperatur  t  ausser 
Acht  lassen  in  Bezug  auf  ihren  Einfluss  auf  die  Vektoren 
/i], .  .  ;iji.  Da  femer  nach  mehreren  raschen  periodischen  Aen- 
derungen  der  Form  keine  Veränderung  des  Stoffes  im  all- 
gemeinen einzutreten  pflegt,  wollen  wir  die  elastischen  Vek- 
toren //i, . .  x\  periodisch  veränderlich  nehmen.  Die  Dauer 
ihrer  Periode  sei  4 :  A  und  gleich  derjenigen  der  Formänderung. 
Die  Vektoren  /ij,  . .  vj"  mögen  hier  so  bestimmt  werden  wie 
zuvor    in   diesen    Abhandlungen    bei    langsamen  Aenderungen; 


PatĂĽ  Olan:  Theoretische  Untersuchungen.  119 

nun  sind  jedoch  ihre  elastischen  Koeffizienten  periodische 
Funktionen  von  4:Ă„  und  ein  elastischer  Skalar  wie  e^  dann 
darstellbar  in  der  Form: 

und  es  sind  Ei, ,  .  Z7j, . .  abhängig  von  h.  Es  sollen  nur  die 
ersten  Glieder  dieser  Reihen  vorläufig  in  Betracht  gezogen 
werden. 

Da  die  innere  elastische  Kraft  dieselbe  bleibt,  wenn  sich  bei 
konstanten  äusseren  Kräften  die  Formvariabein  um  dt ^i»-.  ^t^s 
ändern,  wie  es  einer  Aenderung  der  Temperatur  um  dt  ent- 
spricht, folgt  zum  Beispiel, 

Xi  ^t  = — i"i  d^m—fi'ld^m^—  fi'l'd^m^ — v\  d^n^ — v^  d^n^ — v^'d^n^. 

Die  thermischen  Ausdehnungsindizes  flir  einen  bestimmten 
Zustand,  der  nun  durch  seine  Formvariabein,  Temperatur  und 
die  Zeit,  in  der  er  entstanden,  zu  charakterisieren  ist,  ergeben 
sich  dann  nach  FrĂĽherem  in  der  Form: 

und  es  sind  «<,, . .  a„g  Funktionen  von  t,  f,  dt  ähnlich  den  elasti- 
schen Skalaren  zu  behandeln,  wie  die  Leitfähigkeit  für  Wärme  k. 
In  Kristallen  sind  beide  thermischen  Indizes  von  der  Richtung 
im  allgemeinen  abhängig. 

Die  Gleichung  zur  Bestimmung  des  Wärmeverbrauchs 
einer  unendlich  kleinen  Zustandsänderung  kann  die  frühere 
bleiben;  es  ist  die  spezifische  Wärme  bei  konstanter  Form 
dann  so  wie  zuvor  die  elastischen  Skalare  und  thermischen 
Ausdehnungsindizes  zu  betrachten. 

Für  die  Grenze  kann  weiter  der  zu  ihr  senkrechte  Wärme- 
fluss  unendlich  nahe  ihren  beiden  Seiten  und  nach  derselben 
Richtung  genommen  gleich  gesetzt  werden.  Dies  ergiebt  fĂĽr 
lim  n  =  0 : 


120  Sitzung  der  math.'phys,  Glosse  vom  5.  Februar  1898. 

= (^1  d  t,«j  S(pv  TJdcp^^  -{-k^dta^Stpv  Ud(pc^-{-k^  dta>^  S(pv  Ud(pa>^^^^ ; 

es  ist  (pv  das  Lot  zu  ihrer  Grenze  bei  der  Formänderung  q)  (co,  f). 
FĂĽr  einen  nichtkristallischen  Stoff  von  unendlich  grosser 
Ausdehnung  haben  die  Vorgänge  an  der  unendlich  entfernten 
Grenze  keinen  zu  beachtenden  Einfluss  auf  das  im  Endlichen 
vor  sich  Gehende  und  hier  Betrachtete  und  können  unbeachtet 
bleiben.     Es  mag  die  folgende  Bewegung  geprĂĽft  werden: 

Der  variable  Vektor  {q  —  (o)  ist  die  Verschiebung  eines 
Teilchens;  r,  ÂŁ,  v  stellt  ein  System  dreier  zu  einander  recht- 
winkligen Einheitsvektoren  dar  und  die  Drehung  um  t  von  i 
nach  V  ist  rechtläufig  und  positiv.  Eine  Länge  g  ist  in  der 
Richtung  von  t  vom  Vektorenanfangspunkte  aus  genommen. 
Die  Bewegung  erfolgt  in  ebenen  Wellen  mit  Längsschwingungen, 
welche  in  der  Richtung  von  t  fortschreiten,  dabei  absorbiert 
werden  und  mit  der  Zeit  verlöschen,  während  die  Ruhelage 
an  einem  Endpunkte  ihrer  Bahn  liegt.  Sie  liegt  fĂĽr  den  der 
fortlaufenden  Welle  Entgegensehenden  im  hinteren  Teile  der 
Schwingungsbahn,  wenn  +  vor  1  genommen  wird,  im  vor- 
deren bei  —  vor  1.  Die  Schwingungen  und  g  sollen  sehr 
klein  sein.     Es  werden  die  Formvariabein 


„,.  =  _^,-l.-'+^.='-»')  [(+1  +  cos)  (ti')  +  ^j  sin  ], 
m^  =  m^  =  nj  =  n^  =  nj  =  0.     Es  bedeuten  hier  und  im  fol- 

.7t  JZ 

genden   cos  und  sin   abkürzend   cos    -  (g:I  —  ht)    und    sin  — 

(9:1  — AO. 

Die  Vektoren  der  elastischen  Kräfte  werden 

«,-'  [»»,  y  ^V—E  +  Z-E:Vy 

«8      »-[»'.  y  3V-E   ^  d-E:Vy 


Paiil  Olan:   Theoretische  Untersuchungen,  121 

und  die  Gleichung  zur  Bestimmung  der  Temperatur  wird,  da 
hier  die  Temperatur,  allein  durch  die  betrachteten  Wellen  ge- 
ändert, in  jeder  Ebene  senkrecht  zur  Richtung  von  t  in  jedem 
Punkte  dieselbe  sein  muss, 

Hieraus  folgt 

und  es  sind  nur  die  in  Bezug  auf  g  von  der  ersten  Ordnung  sich 
ergebenden  Glieder  in  Betracht  gezogen.  Es  bezeichnen  dann 
hier  h  und  Cg  den  von  den  Formvariabein  unabhängigen  Teil 
dieser  Grössen  und  es  soll  dann  für  Cg  der  Wert  von  c»  für 
langsame  Steigerung  der  Temperatur  genommen  werden.  Die 
Bewegungsgleichung  fĂĽr  das  Innere  ist  dann 


+ 


S  Bt  Q  =  T 


F(4F-E)  ZalE*         1 

SV—E     ^sc,o(3  — £:F)'j     »:'    ' 


SC 


^    ^       sc.J  sc.     ^     ^         ' 


scai^—EiV)^ 

In  dieser  Gleichung,  die  fĂĽr  alle  Werte  der  Zeit  t  gelten 
soll,  mĂĽssen  dann  nach  Fortlassung  des  gemeinsamen  Faktors 

die  von  der  Zeit  unabhängigen  Glieder  und  die  Koeffizienten 
von  cos  und  sin  einzeln  null  sein.  Dies  fĂĽhrt  zu  den  drei 
Gleichungen,  wenn  fĂĽr  den  thermischen  Leitungsindex  Je  und 
die  spezifische  Wärme  bei  konstantem  Volumen  c„  nur  der  von 
den  Formvariabein  unabhängige  Teil  genommen  und  dieser 
von  der  Entstehungszeit  eines  Zustandes  unabhängig  betrachtet 
wird, 


^'Vr  =  -    -^fT— Er-'  +  --7^ 


+ 


sc,a{Ăź-E:V)^lsc 


\vjA^.'  V  4t)  ~  fe)  pi"4r7  +•••]' 


64  [    3V  —  E     '^  sc,a(ß  —  E:rf\  4 


122  Sitzung  der  math,-phy8.  Cicuse  vom  5.  Februar  1898. 

vViiV-E)  talE'       -ir    jÄ/i-i'Y    ^»Ä  1 


+  . 


cä(3  -  E:  VfYs  c,\^  V  4  l  j  +  (4  l)*  (4  !)♦     ^ 

J./'AVL  i*  /i-iV      i7240^«(i-i-)»     60;r»a-t0*     Un^\ 
'^\sc,}[    Ti'hXiX)      7t*h\      {Uy  (41)*  (4  0V 

2/12<i-t)»     160;r»(H')'  ,  192n»(i-i')\1    /ü  .  , \  .      1 
"^Tihy    (41)«  (40«       "•"      (4i)«      /J'U'«*      /         J' 


.^i-.Ä»-*''**' 


32       '  8 


-]r+i^,i(3-^TF)*J(4i)4'  ^~^  ^~'^~'  ^  '^^'^  J 


/  A  V/-2/i  -  i'V   2  /240^*  .;     ;■>,>     60;r»(t-i-)*     64;»«\ 

■^Vs<;.A'»*V  41  /  '»nC^O*  (41)"        (41)V 

j-  /124i-i')^     160^»(H')'  ,  192;r^a-i)\V /i'*    ,  .\  ^     1 
7i»äV     (4  0*  (4  0*  (4  0'      //■\4?i»"''  V       J' 

Es  sollen  nun  Wellenlängen  von  der  Ordnung  der  Licht- 
wellen in  Betracht  gezogen  werden,  die  schwache  Absorption 
erleiden.  Dann  ist  (j — j)  klein  und  es  folgt  aus  der  ersten 
Gleichung,  wenn  die  Glieder  mit  der  vierten  und  sechsten 
Potenz  des  Vemichtungsindex  fortbleiben. 


4 


^  (\-'i\\  n4  V-E)  %a\E'       U 

V  4  1  )Vs{ßV—E)  "^s»c,a(3— i!;:F)«J   " 


In  der  dritten  Gleichung  sollen  auch  nur  ausser  den  vom 
Vemichtungsindex  unabhängigen  Gliedern  die  mit  seiner  ersten 


Paul  Olan:   Theoretische  Untersuchungen,  128 

Potenz  berĂĽcksichtigt  werden ;  es  wird  dann,  wenn  G  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit bezeichnet : 

L  s(3  F-  E)  "*■  s»c,o(3— ^:  F)»J 

"*"«»c,o(3--B:r)Hsc,(^V  41  7      \scj  "ö'^J' 

In  erster  Näherung  braucht  nur  das  erste  Glied  der 
rechten  Seite  der  letzten  Gleichung  gerechnet  zu  werden,  und 
es  ergiebt  sich: 

(F(4r-J?)  ZalE'        U 

Ls(3  V- E)  "^  s»c,a(3 - E: Vy\ 


zur   Bestimmung   der   Fortpflanzungsgeschwindigkeit    und    der 
Erlöschungsindex  wird 

4 


= C-i^)  "â–  


und  danach  der  Erlöschungsindex  für  eine  Schwingung: 

r  =  i:2. 

Aus  der  zweiten,  aus  der  Bewegungsgleichung  fĂĽr  das 
Innere  sich  ergebenden  Gleichung  folgt  mit  demselben  Grade 
der  Annäherung  wie  bisher, 


41        s^c,a{^-E:V)^  sc.G^Uy 
r  ZalE'ji'l        f  Je  Y 1      1- ' 

oder  es  wird  der  Vemichtungsindez,  da  das  zweite  Glied  der 
eckigen  Klammer  klein  gegen  deren  erstes  ist,  wenn  N  den 
Brechungsindex  dieser  Strahlen  gegen  den  Weltraum  bezeichnet, 

^-~  =  2a;^Ä«'i^:s'c.o(3— J;:F)'sc,G;(4(.)', 

wenn  G„  und  4fo  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  Wellen- 


124  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  wmi  ö.  Februar  1898, 

länge  im  Weltalle  für  diese  Wellen  bei  gleicher  Schwingungs- 
zahl  sind. 

Die  Teilchen  verschieben  sich  in  derselben  oder  entgegen- 
gesetzter Richtung  des  Fortschreitens  der  Wellen  um 

und  das  ergiebt  fĂĽr  eine  kurze  Strecke  g,  die  sie  in  einem 
StoflFe  vorschreiten,  annähernd  als  bestimmend  für  die  Grösse 
der  Verschiebung,  um  deren  Endpunkt  sie  schwingen, 

Das  Verhältnis  des  Dehnungs-  zum  Verdrehungsindex  E:  V 
ist  für  Icingsame  Formänderungen,  wie  es  sich  aus  dem  Deh- 
nungsverhältnis IV  gleich  2  —  2w  ergiebt,  für  verschiedene 
Substanzen  wenig  anders  und  schwankt  im  äussersten  Falle 
zwischen  2  und  3.  Wir  werden  dies  auch  fĂĽr  sehr  rasche 
Aenderungen  annehmen.  FĂĽr  die  Metalle  Messing,  Stahl,  Fe, 
Äg,  Cu,  Pb,  Ni,  für  die  E:V  aus  dem  Dehnungsverhältnis 
erhalten  werden  kann,  ergiebt  sich  auch 

l^a[*      ^'"^  ^  sc,aV(Ăź-E:V)\ 

bei  langsamer  Formänderung  nicht  sehr  verschieden  und  ist 
2*920  am  kleinsten  beim  Fe  und  4*973  am  grössten  für  Pb. 
Wir  werden  dies  bei  den  Metallen  auch  fĂĽr  sehr  rasche  Aende- 
rung  der  Form  so  annehmen.  Bei  derselben  Temperatur  und 
Grösse  der  Anfangsamplitude  g  ist  bei  Wellen  mit  gleicher 
Schwingungszahl  A  :  4  die  Grösse  der  Verschiebung  dann  haupt- 
sächlich bestimmt  durch  alJc:sc\,  Ich  werde  für  a©  den  Wert 
des  thermischen  Ausdehnungsindex  der  langsamen  Temperatur- 
änderung bei  Metallen  nehmen  und  statt  der  spezifischen  Wärme 
bei  konstantem  Volumen  c^,  diejenige  bei  konstantem  Druck  Cp, 
wie  zuvor. 

Ich  gebe  im  folgenden  die  Werte  von  alkiscp  multi- 
pUziert  mit  10»«. 


Patd  Glan:  Theoretische  Untersuchungen,  125 


a;*10'»:scp' 

Silber 

122-9 

Kadmium 

79-25 

Gold 

66-85 

Blei 

63-43 

Quecksilber 

40-70 

Zink 

31-54 

Kupfer 

29-41 

Maguesium 

25-63 

Aluminium 

16-47 

Zinn 

33-96 

Neusilber 

3-881 

Platin 

3-661 

Antimon 

3-444 

Wismut 

2-907 

Eisen 

2-584 

Kobalt 

2-361 

Nickel 

2-315 

In  Pulvern  aus  Silber  und  Nickel  werden  durch  diese 
Wellen  Silberteilchen  viel  mehr  verschoben  als  Nickelteilchen 
und  in  die  nächsten  Schichten  gedrängt,  deren  Zusammenhang 
sie  vermehren.  Dadurch  wird  deren  elektrischer  Widerstand 
vermindert.  Diese  in  zwei  entgegengesetzten  Arten  auftreten- 
den Wellen,  wie  die  beiden  Elektrizitäten,  wirken  wie  elek- 
trische Wellen.  Die  Wirkung  ist  nach  der  vorigen  Tabelle  in 
Pulvern  aus  Nickel  und  Silber,  wie  sie  in  Marconis  Empfänger 
verwandt  sind,  grösser  als  in  solchen  aus  anderen  Metallen. 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  6.  März  1898. 

1.  Herr  Richard  Hebtwig  theilt  in  längerem  Vortrage  die 
Resultate  seiner  Beobachtungen:  „Ueber  Befruchtung  und 
Kerntheilung  bei  Actinosphaerium  Eichhorni**  mit. 
Die  Abhandlung  ist  ftir  die  Denkschriften  bestimmt. 

2.  Herr  EĂĽuen  v.  Lommel  legt  zwei  Arbeiten  des  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  Arthur  Korn  vor: 

a)  »lieber    die    Entstehung    des    Erdmagnetismus 
nach  der  hydrodynamischen  Theorie**; 

b)  „Ueber   die   Erhaltung    des   dielektrischen   Zu- 
standes  einer  incompressiblen  FlĂĽssigkeit**. 

3.  Herr  Hugo  Seeliger  überreicht  eine  Abhandlung :  „Ueber 
die  Grossenklassen  der  telescopischen  Sterne  der 
Bonner  Durchmusterungen**. 

4.  Herr  Ferdinand  Lindemann  macht  eine  Mittheilung: 
»üeber  die  Drehung  eines  starren  Körpers  um  seinen 
Schwerpunkt**. 

1896.   Sitzongsb.  d.  outli.-phyi.  OL  9 


128 


5.  Herr  Walter  Dyck  giebt  einen  dritten  Bericht  zur 
Potentialtheorie:  „Ueber  die  Bestimmung  der  Anzahl 
der  Nullstellen  eines  Systems  von  Funktionen  meh- 
rerer Variabein  in  einem  gegebenen  Bereich  und  ĂĽber 
die  Berechnung  der  Werthe  einer  gegebenen  Funktion 
in  diesen  Punkten". 


129 


Ueber  die  Entstehung  des  Erdmagnetismus  nach  der 

hydrodynamischen  Theorie. 

Von  Irthar  Korn. 

{Eingdaufen  5.  Hart ) 

Die  am  allgemeinsten  verbreitete  Ansicht  ĂĽber  den  Erd- 
magnetismus ist  die,  dass  die  gewaltigen  jedenfalls  in  der  Erde 
vorhandenen  Eisenmassen  zum  Teil  wenigstens  permanente 
Magnete  sind,  und  dass  eine  Richtung  in  ihrer  Axenlagerung, 
die  magnetische  Axe  der  Erde,  bevorzugt  ist ;  man  kann  dabei, 
wie  Lamont*)  es  gethan  hat,  von  der  Ampere'schen  Theorie 
des  Magnetismus  Gebrauch  machen  und  an  Stelle  der  per- 
manenten Magnete  elektrische  Ströme  im  Erdinnem  annehmen, 
deren  Wirkungen  denen  der  Magnete  äquivalent  sind.  Man 
könnte  sich  ja  wohl  mit  dieser  Erklärung  beruhigen,  wenn 
man  sich  ĂĽber  den  Mechanismus  eines  Magneten,  resp.  eines 
elektrischen  Stromes,  keine  weiteren  dynamischen  Vorstellungen 
machte;  sowie  man  aber  mit  derartigen  Ideen  an  die  Er- 
scheinung des  Erdmagnetismus  herantritt,  wird  man  zu  der 
Frage  gedrängt: 

Welche  mechanischen  Einflüsse  können  die  einseitige  Be- 
vorzugung einer  Axenrichtung  veranlassen,  und  wie  kommt  es, 
dass  die  Pole  dieser  bevorzugten  Richtung  den  Polen  der  Erd- 
axe  so  verhältnismässig   nahe   liegen?     Können  wir   nicht   die 


*)  In  bezug  auf  die  reichhaltige  Literatur  ĂĽber  den  Erdmagnetismus 
und  die  möglichen  Ursachen  seiner  Entstehung  verweise  ich  auf  das  aus- 
gezeichnete Werk  von  S.  GĂĽnther,  Handbuch  der  Geophysik,  Stuttgart  1897. 

9* 


130  Sitzutig  der  math.-phys.  Classe  vom  5.  März  1898. 

Erdrotation  mit  der  Erscheinung  des  Erdmagnetismus  in  einen 
kausalen  Zusammenhang  bringen?  Mit  Hilfe  der  hydrodyna- 
mischen Theorie  der  Gravitation  und  der  elektrischen  Erschei- 
nungen kann  man  nun  auf  diese  Fragen  so  ausserordentlich 
einfache  Antworten  geben,  dass  die  Theorie  des  Erdmagnetis- 
mus aus  der  genannten  mechanischen  Theorie  wohl  einigen 
Nutzen  ziehen  dĂĽrfte. 


Wir  wollen  uns  eine  Kautschukkugel  in  einer  inkompres- 
sibeln  Flüssigkeit  denken,  auf  deren  Oberfläche  wir  beliebige 
Drucke  ausüben  können.  Hat  die  Kautschukkugel  von  Hause 
aus  eine  beliebige  Drehungsgeschwindigkeit  q*  um  eine  Axe, 
die  wir  zur  ^  Axe  nehmen,  so  wird  sie  diese  Drehungsge- 
schwindigkeit, falls  man  keinerlei  Reibung  annimmt,  zu  jeder 
Zeit  beibehalten,  so  lange  der  Druck  auf  der  FlĂĽssigkeits- 
oberfläche konstant  ist.  Denken  wir  uns  nun  diesen  Druck 
verändert,  so  wird  sich  die  Kautschukkugel  zusammenziehen 
oder  ausdehnen;  der  Radius  JB  der  Kugel  wird  einen  mit  der 
Zeit  veränderlichen  Wert  haben,  und  es  wird  nun  nicht: 

q'  =  const. , 
sondern 

jR*  ^'  =  const. 

sein.  Es  ist  nicht  schwierig,  diese  Formel  aus  den  allgemeinen 
mechanischen  Prinzipien  herzuleiten ;  es  genĂĽgt  aber  hier  wohl 
die  Einsicht,  dass,  wenn  die  Kugel  sich  ausdehnt,  sie  zur 
Drehung  mit  derselben  Geschwindigkeit  Arbeit  leisten  mĂĽsste, 
und  umgekehrt;  es  muss  also  thatsächlich  bei  einer  Ausdeh- 
nung der  Kugel  eine  Verminderung  der  Drehungsgeschwindig- 
keit, bei  einer  Kontraktion  der  Kugel  eine  Vergrösserung  der 
Drehungsgeschwindigkeit  eintreten. 

Ist  nun  der  auf  die  Flüssigkeitsoberfläche  wirkende  Druck 
periodisch  mit  der  kleinen  Schwingungsdauer  T,  so  pulsiert 
die  Kautschukkugel,  d.  h.  ihr  Radius  hat  zur  Zeit  t  den  Wert : 

li=:  Bq  -\-  a  cos  ^   2  TT  , 


Arthur  Korn:  Ueher  die  Entstehung  des  Erdmagnetismus,       131 

wo  Rq  den  Mittelwert  des  Radius,  den  Wert  desselben  zu  einer 
Zeit  vorstellt,  in  der 

t 

cos  ^  2  JT  =  0 

ist,  und  a  die  Amplitude  der  Pulsation  bedeutet. 
Wiederum  wird  die  Formel 

U^  q'  =z  const.  =  IĂśqq 

stattfinden,  wenn  Rq  und  ^o  die  Werte  von  R  und  q'  zu  irgend 
einer  Anfangszeit  t^  vorstellen;  es  ist  somit; 

/         ,  Rl 


oder: 


f  JSo  +  a  cos  ^  2  71  j 

>'  =  ^0  I  1  —  ^  cos  y  2  JT  1  , 


wenn  wir  die  Amplitude  a  als  sehr  klein  im  Vergleich  mit 
dem  Radius  Rq  annehmen.  Dem  entspricht  eine  lineare  Ge- 
schwindigkeit   an    der  Oberfläche  der  Kugel,    von    der  Grösse: 

F=  JS  ^0  —  2  a  ^0  cos  ^  2  :7r , 

_  t 

=  jBo  qI)  —  oLQi)  cos  ^  2  ji. 

Diese  Formel  zeigt,  dass  durch  die  Pulsation  der  Kautschuk- 
kugel die  Konstanz  der  Drehungsgeschwindigkeit  so  abgeändert 
wird,  dass  zu  der  konstanten  Drehungsgeschwindigkeit  ^o  noch 
eine  vibratorische  Drehungsgeschwindigkeit  hinzutritt,  welche 
die  Periode  der  Pulsationsschwingungen  besitzt  und  von  einer 
solchen  Grössenordnung  ist,  dass  die  derselben  entsprechenden 
linearen  Geschwindigkeiten  an  der  Oberfläche  der  Kugel  durch 
das  Produkt 


^  o 

a  Qo  cos  7p  2  TZ 


gegeben  sind. 


132  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  5.  März  1898. 

Legen  wir  die  Annahme  der  hydrodynamischen  Gravitations- 
theorie zu  grĂĽnde,  dass  das  gesamte  Sonnensystem  unter  der 
Einwirkung  eines  äusseren  periodischen  Druckes  stehe  und 
somit  unsere  Erde  wie  eine  Kautschukkugel  in  einer  inkom- 
pressiblen  FlĂĽssigkeit  sehr  rasche  Pulsationsschwingungen  aus- 
führe, so  können  wir  durch  die  eben  durchgeführte  Unter- 
suchung sofort  zu  einem  wichtigen  Resultat  ĂĽber  die  Erdrotation 
gelangen : 

Infolge  der  raschen  Pulsationsschwingung  kann  die  Erde 
keine  völlig  konstante  Rotationsgeschwindigkeit  haben,  wir 
haben  vielmehr  neben  einer  solchen  konstanten  Rotations- 
geschwindigkeit noch  eine  schwingende,  deren  Periode  mit  der 
Periode  der  Pulsationsschwingungen  übereinstimmt.  Die  Grössen- 
ordnung  dieser  schwingenden  Rotationsgeschwindigkeit  ist  von 
solcher  Art,  dass  die  infolge  derselben  an  der  Erdoberfltäche 
vorhandene  lineare  Schwingungsgeschwindigkeit  den  Wert  hat: 

ctQo, 

wo  a   die  Amplitude    der  Erdpulsation,    ^6  die  mittlere  Dreh- 
ungsgeschwindigkeit der  Erde  vorstellt.*) 

Mit  dieser  Rotationsschwingung  erhalten  wir  nun  nach 
der  hydrodynamischen  Theorie  der  elektrischen  Erscheinungen 
ein  elektromagnetisches  Feld,  in  welchem  die  Rotationsaxe  der 
Erde  eine  ausgezeichnete  Richtung  vorstellt.  Es  ist  ja  die 
Grundannahme  in  jener '  Theorie,  dass  die  Geschwindigkeiten 
eines  jeden  Mediums,  in  welchem  sich  elektrische  Erscheinungen 
abspielen,  von  der  Form  sind: 


^)  Nach  den  ziemlich  rohen  Schätzungen,  welche  man  bisher  noch 
in  bezug  auf  die  für  die  Erdpulsation  in  betracht  kommenden  Grössen 
anstellen  kann,  ist  etwa  a  von  der  Ordnung  der  Wellenlängen  des 
Lichtes,  während  die  Schwingungsdauer  T  von  der  Ordnung:  10—*'  sec 
anzunehmen  ist.  Qq  ist  bekanntlich  von  der  Ordnung:  10—*  sec—*,  so 
dass  also  die  der  schwingenden  Rotation  der  Erde  entsprechende  lineare 
Schwingungsgeschwindigkeit  an  ihrer  Oberfläche  von  der  Ordnung 
10— *®  cm  sec-*  wird. 


Arthur  Korn:  lieber  die  Entstehung  des  Erdmagnetismus.       133 
u  =  Uf^  -\-  X  cos  -=27i-\-Lsm^27i, 


^  2  jr  +  -Jf  sin  ^ 


v  =  Vq-\-  Ycoä  v^  2  JT  4"  -äf  sin  7^  2  tt  , 


j,2  7t-{-  Nsin  ^ 


w  =  Wq-\-Zcos^2  7i-{-  Nsin  7^  2  ti  , 


wo  X  YZ  und  LJf-A/'  im  Dielektrikum  genau  dieselben  Be- 
deutungen haben,  wie  die  elektrischen,  resp.  magnetischen 
Verschiebungen  in  der  Theorie  Maxwells. 

Wir  brauchen  nun  nur  vorauszusetzen,  dass  die  Periode 
der  die  Gravitation  veranlassenden  Pulsationsschwingungen  mit 
der  Periode  der  das  Wesen  der  elektrischen  Erscheinungen 
ausmachenden  Schwingungen  ĂĽbereinstimme,  und  dass  ihre 
Phase  dieselbe  sei,  wie  die  Phase  der  von  magnetischen  Teil- 
chen oder  elektrischen  Strömen  ausgehenden  Schwingungen, 
dann  sagt  die  oben  bewiesene  Thatsache  einer  schwingenden 
Kotationsgeschwindigkeit  der  Erde,  in  die  Sprache  der  Elek- 
trizitätstheorie übersetzt,  folgendes  aus: 

Wäre  die  Erde  ein  Dielektrikum,  so  würden  die  elektri- 
schen Komponenten  X  Y  Z  eine  Resultante  besitzen,  die  ĂĽberall 
innerhalb  der  Erde  die  Richtung  der  Breitenkreise  besitzt;  ist 
aber,  wie  es  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist,  die  Erde  ein  Leiter 
der  Elektrizität,  so  werden  in  der  Richtung  der  Breitenkreise 
elektrische  Ströme  vor  sich  gehen,  deren  Intensitäten  jener 
Resultanten  der  elektrischen  Komponenten  und  der  Leitungs- 
fahigkeit  der  Erde  proportional  sind.  Alle  diese  Ströme  sind 
Magneten  äquivalent,  welche  die  Erdaxe  zur  magnetischen  Axe 
haben. 

Wir  gelangen  so  zu  dem  folgenden  Resultat: 

Die  Erdpulsation  zusammen  mit  der  Erdrotation  liefert 
in  den  leitenden  Teilen  der  Erde  elektrische  Strömungen,  welche 
Magneten  mit  lauter  unter  sich  parallelen  und  gleichgerichteten, 
zugleich  der  Erdiixe  parallelen  Axen  äquivalent  sind,  wenn  die 
Schwingungen  der  Pul«ation    mit    den  magnetischen  Schwing- 


134  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  5,  März  1898, 

ungen  in  der  hydrodynamischen  Theorie  gleiche  Perioden  und 
gleiche  Phasen  haben. 

Die  Abweichung  der  magnetischen  Axe  von  der  Rotationsaxe 
der  Erde  kann  man  sich  durch  eine  ungleichmässige  Lagerung 
der  leitenden  Teile  innerhalb  der  Erde  erklären,  wie  man  sich 
auch  die  täglichen  und  säkularen  Veränderungen  des  Erdmag- 
netismus durch  die  Einwirkung  der  übrigen  Himmelskörper 
auf  die  Lagerung  der  leitenden  Teile  und  die  Richtung  der 
elektrischen  Ströme  innerhalb  der  Erde  hervorgebracht  denken 
kann. 


Zum  Schluss  möchte  ich  die  eben  angedeutete  Auffassung 
des  Erdmagnetismus  zu  einer  ganz  allgemeinen  Auffassung  ĂĽber 
den  permanenten  Magnetismus  erweitern.  Ich  kann  mir  den- 
selben nur  dadurch  entstanden  denken,  dass  leitende  Teilchen, 
welche  in  einer  konstanten,  sehr  raschen  Rotation  begriffen 
wären,  wenn  die  universelle  Pulsation  unseres  Sonnensystems 
nicht  existierte,  jetzt  unter  der  Einwirkung  derselben  gezwungen 
sind,  Rotationsschwingungen  auszufĂĽhren.  Diese  Teilchen  werden 
ihren  Magnetismus  so  lange  behalten,  bis  sie  durch  Reibung 
ihre  ursprĂĽngliche  konstante  (nicht  schwingende)  Rotations- 
geschwindigkeit verloren  haben;  temporär  magnetische  Teil- 
chen haben  dagegen  von  Hause  aus  eine  derartige  konstante 
(nicht  schwingende)  Drehungsgeschwindigkeit  nicht,  ihre  Ro- 
tationsschwingungen hören  damit  auch  sofort  auf,  sobald  ihre 
unmittelbare  Veranlassung  (inducierende  elektrische  Ströme  etc.) 
ausser  Wirkung  tritt. 


135 


ĂĽeber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes 
einer  inkompressiblen  FlĂĽssigkeit. 

Von  Arthur  Korn. 

{SiMgtlauftH  5.  Mars.) 

Wenn  man  die  elektrischen  Vorgänge  in  einem  Dielektrikum 
als  sehr  rasche  Schwingungen  einer  inkompressiblen  FlĂĽssigkeit 
auffasst,   so   hat  man  sich  vor  allem  das  Problem  vorzulegen: 

Unter  welchen  Bedingungen  können  Geschwindigkeiten 
von  der  Form: 

u  =Wo  +w,  cos^27r-|-WjSin  rp^^i 


1) 


V  =Vq  +v^  cos^27r-(-i;,  sin^27r, 
w  =  Wq-\-w^cos-p^27i  -}-?t',sin-^27r 


Lösungen  der  allgemeinen  hydrodynamischen  DiflFerential- 
gleichungen: 

du  dp 


2) 


dt 
dv 


dp        du         dv         dW 


^  dt  dy  '    dx  ^   dy   ^   dz 


dw 


dp 


^   dt~        dJS  ' 


vorstellen,  wenn  man  über  die  Grössen: 


Mq  Vq  Wq         Mj  Vj  Wj         Mg  Vg  w^ 


136 


Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  5.  März  1898, 


die  Voraussetzung  macht,  dass 


3) 


Wo»    ^0»    ^0 
M„    Vp    Wj 

Wr  «^i»  ^« 


nicht  gegen  die 
Geschwindigkeitseinheit, 


4) 


du, 
dt  ' 

3fo 

dw„ 
dt 

3», 

3«;, 

dt 

a«. 

dv. 

dWf 

dt 


nicht  gegen  die  Grösse 

Geschwindigkeitseinheit 

Zeiteinheit 


von  der  Ordnung 


dt  '    dt 
Zeiteinheit 


gross  sein  sollen  und  T  die  ausser- 


ordentlich kleine  Schwingungsdauer  der  das  Wesen  der  elek- 
trischen Erscheinungen  ausmachenden  Schwingungen  vorstellt. 
Der  einfachste  unter  allen  derartigen  Bewegungszuständen 
ist  jedenfalls  der  wirbellose  Zustand,  bei  welchem 


«*o  Vo  w^o 


Mj    V,    W, 


U^   V^   W^ 


den  folgenden  Bedingungen  genĂĽgen: 


5) 


^      dx 


^0  = 


3q7 
"      3^ 


_3(p, 


«'.=3y' 


«      ay ' 

d(p^ 

'      3^ 


Ich  habe  neben  diesem  einfachsten  FlĂĽssigkeitszustand 
noch  einen  anderen  beschrieben,  welchen  ich,  wegen  seiner 
Wichtigkeit  fĂĽr  die  Theorie  der  Dielektrika,  als  den  dielektri- 
schen Zustand  einer  inkompressiblen  FlĂĽssigkeit  bezeichnet  habe. 

Dieser  Zustand  ist  dadurch  definiert,  dass  die  Grössen: 


Wo    Vo    ^0 


Mj   Vj   W^ 


Wg  t;,  w^ 


den  folgenden  Bedingungen  genĂĽgen  sollen: 


A.  Korn:  lieber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes.        137 

*  a^r     *        >   '      27i\dX    ^  ^    dy    ^   '     dJS      ^ 

*  aa;  '         27t\dx    ^       dy    ^       djsf     ^ 
^       '    *       ay    '      *        2ji\a:r    ^  '    ay    '  *    a^     * 

*     a^  *     ^      2jr\aa;    '  '  ay   ^  '   a^    ' 

wo  c  eine  Konstante  ist, 

Uj   Dj   tO]  Ug  t)^   tDj 

die  Bedeutungen  haben: 

ii-T  t-\-T 


8) 


9) 


t  '  "         / 


138 


Sitzung  der  mcUhrphys.  Glosse  vom  5,  März  1898. 


und  wo  schliesslich  von  Uq  Vq  Wq  nur  vorausgesetzt   wird,    dass 
sie  reine  sichtbare  Geschwindigkeiten  vorstellen,  d.  h.  dass: 


10) 


U 

du. 


V 


W 


dv^     dw^ 


nicht  gegen  ihre  Dimensions- 
einheiten von  der  Ordnung 
Zeiteinheit 


dt'     dt'     dt 

9*Wq       d^V^       d^Wf^ 

gross  sein  sollen. 

Wir  setzen  noch: 

11) 

und  verstehen  unter  -j  eine  Geschwindigkeit  von  der  Grössen- 

ordnung  der  Lichtgeschwindigkeit. 

Führen    wir   die   Grössen    XYZ  und   LMN  durch    die 
Gleichungen  ein: 

2  r  t 


271Ă„ 


12) 


X=  j,ju  cos  ^2  71  dt  , 

t 

2  C  t 

t 

Z  =  ypl  tv  cos -^2  7t  dt  , 


13) 


L  =^\u  sin -^2  71  dt  , 

t 

M=Yy  sin  y  2  71  d^  , 

i 

i'\-T 

^  =TJ      sin  y  271  d^  , 


Ă„,  Korn:  lieber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes.        139 

so  können   wir   die   De&nitionsgleichungen  des  dielektrischen 
Zustandes  6) — 9)  folgendermassen  schreiben: 


U) 


15) 


dx  2jt\A\dy  dz)      \dx  ^  dy^^  dz^jy 

'^           oZ  di7i\A.\dX  oy  J        \^x           dy           dz      J\ 

dx  2n\A\dy  dz  J'^  dx  ^  dy     '^  3z     j' 

oy  ÂŁi7ii,/i.\oÂŁ  ojb  I         oJj             oy            es       i 

a^  2  7rjJ.V5^  ^y  J     d^        9y        3-^    j' 


Ich  habe  frĂĽher*)  gezeigt,  dass  dieser  Bewegungszustand 
der  FlĂĽssigkeit  den  hydrodynamischen  Gleichungen  genĂĽgt, 
falls  die  Bedingungen  erfĂĽllt  sind: 


')  A.  Korn,  Eine  Theorie  der  Gravitation  und  der  elektrischen 
Erscheinungen  auf  Grundlage  der  Hydrodynamik  II.  Teil,  II.  Abschnitt, 
p.  211—227,  Berlin  1898.     Ich  hatte  in  dem  Beweise  daselbst: 

_  9  M?i       d  Ci  dw^      d  V2 

^* ""  9T ""  dx  '        ^^ ~ ~dJ "  95" * 

_  9  Vi       9  tii  V«  -  ^  ^'2       ^  "2 

dx        dy  dx        dy 

gesetzt,  doch  bleibt  derselbe  auch  bei  unserer  Definition  8)  9)  in  GĂĽltig 
keit.    Ich  beschränke  mich   an   dieser  Stelle  mit  dem  Hinweis  auf  jene 
Untersuchungen,   da  ich  weiter  unten   den  Beweis  noch   einmal   in   der 
fĂĽr  die  jetzigen  Zwecke  passenden  Form  geben  werde. 


140  Süzung  der  math.-phys.  Glaste  vom  5.  Märt  1898. 


16)  . 


de 


d^  \  dt  dX  dy  dS         / 

dX  dV  de         / 


=  —A 


17)    ^ 


—  =  —  ji.\  -r=- -1j -m. = 

dX  V  dt        dx  dy  de 

dT      aX_  (In      dw^         dw^  ^^oj^\ 

'd^~^'-'~^y~dt~^^^~^^~^i^}' 

dy        dz  V  dt        dx  dy  dz      )'' 

1^_1:^  =  ^(J?_^-X  — ^  Y—^z] 
de        dx  \  dt        dx  dy  dz      J' 

dM^dL^  ^j^/dZ       ^^0  ^      ^^0  Y——^Z  ) 

dV  \  dt         dx   ^  dii  dz        /  ^ 


dx        dy  \  dt       dx  dy 

wobei  die  Operation  -tt  die  Bedeutung  hat: 

^^)  -dt  -Tr  +  ^F"«»  +  -ay  *''»  +  ^"'»- 

Wir  wollen  nun  zeigen,  dass  der  dielektrische  Zustand 
ein  zu  jeder  Zeit  notwendiger  FlĂĽssigkeitszustand  ist,  wenn 
derselbe  zu  irgend  einer  Anfangszeit  <„  besteht  und  eine  gewisse 
Bedingung  an  der  Grenze  gefordert  wird. 

Wir  wollen  dazu  jetzt  unsere  frĂĽhere  Definition  des  di- 
elektrischen Zustandes  in  folgende  Form  fassen: 

Es  sollen  die  Geschwindigkeiten 

[u]     [v]     [w] 

des   dielektrischen   Zustandes   durch    die  Gleichungen 
gegeben  sein: 

Ir  1  c  ^         ir  ^ 

[u]  =  jijuQdt+^^Xdtcos^2n+^jL  dtsm-^27i  , 


19) 


t 

rJ»o  dt 

4 

t 

* 

t 

t 

• 

• 

i-\'T 

M=  j,(»'t<it  +  jijZdtcos  ji2n-\-  ^JN  dt  sin -^271  , 


A,  Köm:  Üeber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes,         141 


wo: 


20) 


u, 


0  » 

X, 


n 


0  f 


Wo 

z 

N 


nicht  gegen  die 
Geschwindigkeitseinheit, 


21) 


du. 


dVn        dW, 


dt'  dt  ' 

dX  aj[ 

dt  '  dt  ' 

dL     dM    

dt  '  dt  '     dt 


dt 
dZ 

dt 

dN 


nicht  gegen  die 
Beschleunigungseinheit 


,       ^    ,             Zeiteinheit  .         n  i 

von   der  Ordnung = gross  sein  sollen  und  m^jV^m^^, 

XYZ,  LMN  den  Bedingungen  genĂĽgen: 


22) 


l 
f 

«0 

1 



T 

^0 

1 
T 

i. 

«^o 

<+r 


_3yo 


<+r 


l+T 


a^  ' 


23) 


H-r 


t 


dX 

ay 

399, 


|{i(f-lf)-G^+t^+'»}- 


Tfi/ax    aZ' 


2;rUl,  äJ  ~a^)~(a5^+äj'^+ä7-^)} ' 


Tfi/ar    aX\_/a«;o^ 

2;7iU\aa;      ay/    \dx    '^  dy 


^^Jf+g^J^)}, 


142 


Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  5,  März  1698, 


/4-r 


l^;"'-Ă„-iĂĽ(ir-^+^-+'"" 


24) 


dx 


9y 


^+IH 


3f«a 


dz    )' 


t+T 


^jNät= 


dz 


T 

2n 


r  1  (dM     dL\     dw^^    dw^       dw^    \ 

\a\Jx  ~J^r  ä^  "*"äy   +  ai   / ' 


Bilden  wir  zunächst  mit  der  Funktion  [m],  ohne  dieselbe 
als  eine  Qeschwindigkeitskomponente  aufeufassen,  den  Diffe- 
rentialquotienten : 


so  erhalten  wir: 


d[u\ 
dt 


<4-r 


1 


sin^2ji 


+ 


+ 


dZ 


9Y 

dz 


)-(gi+^Jf+-"^V.sini2. 


ay 


.)}. 


{  IS+idf-'^l-e'^+^^+Hl-r^"" 


analofif     ,/    und  — ,t^  . 
^    dt  dt 

Bestehen  nun  fĂĽr  X  YZ^  L  M N  die  Bedingungen: 


5y 


y     dz-    ^Irr 


ao;  dy 


-H- 


dZ 

dx 


,i+T 


dx         dy  djs 


la-        dy  \T\ 


t+T 


dx  dy  dz       J 


A.  Korn:  Ueber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes.        143 


26) 


dN 

dz 


dÂŁf  [T  \  dx  dy  dz      ] 


9t'o  V'     9»«^     9«'o7 


dM 

dx 

so  wird: 


analog 


dy  \T\  dx  dy  dz     ]' 

^di'^dxV^  +  -y^  9:^8  cos  y  2  TT  —  ^  7)jsm  ^2;rj  , 
d\v\       d  (        ,27t  t  ^         27r       .     t  ^    \ 

^M  ^    (  ^271  t   ^  271         .       t  ^\ 

~dt j^\n-\r  -f^^^o^-j^^Ti-  ^-q^^^m^27ij. 

Sind   andererseits  uvw  irgend   welche    Geschwindigkeiten 
einer  inkonipre^siblen  FlĂĽssigkeit,  so  ist: 

l  du 1   3^? 

~d'i~ "" 


28) 


/t  dx ' 

dv \   dp 

dt  A*  ?y' 


dw 


1  dp 


dt  /t  dz  ' 

Wir  subtrahieren  die  entsprechenden  Gleichungen  27)  und 
28),  multiplicieren  resp.  mit  u  —  [w],  v  —  [r],  w  —  [w\  ad- 
dieren und  integrieren  ĂĽber  den  ganzen  FlĂĽssigkeitsraum  -4, 
so  folgt: 

A 

,      .  r   n.d     f  .      2jI  ^    ^  2jI  .        ^    ^         ,       1        \ 

+  (t;— [r])^    (9-0+  ^,  (^jjCosy2.T  — Y99,sm-^,2ji  +  — i)j 


+  0«'     M)3^-i^ro+jV'jCos^2jr~  ^  Tyjsm  ^y/2Jr+  ^^i;j  |c/r. 


1898.  Sitxongib.  d.  iiiai]i.-pb7s.  GL 


10 


144  Sitzung  der  nuUhrphys.  Classe  vom  5.  März  1898, 

oder  wenn  wir  rechts  von  der  Qreen'schen  Umformung  Gebrauch 
machen : 

29)  i  ^^  J[(M  -  [«])»  +  (t;  -  M)»  +  («•  -  [«'])*]  äz 

A 

=  +  J  (9^0+  ^'P% ^^-f  2;r—  -^9^,  sin -^  2;r+-j? j(w- [m])^  do, 
ĂĽ 

wo  das  Integral  rechts  über  alle  Elemente  do  der  Oberfläche 
zu  erstrecken  ist  und,  wenn  man  unter  cos  (nx),  cos  (ny)  cos  (nz) 
die  Richtungskosinusse  der  inneren  Normalen  versteht,  (u  —  [w])m 
die  Bedeutung  hat: 

30)  {u  -  [u])n 

=  (m  —  [w])  cos(na;)  +  (v  —  [v])  cos(ny)  -f  (w  —  [«'])  cos(w r). 

Ist  an  der  ganzen  Flüssigkeitsoberfläche: 

31)  Un=[u],,, 
so  folgt  aus  29),  dass  das  Integral: 

X  [(«  -  [«])*  +  (« -  M)* + (w  -  M)']  ä  t 

stets  gleich  null  sein  muss,  wenn  es  zu  irgend  einer  Anfangs- 
zeit t^  verschwindet;  besteht  also  der  dielektrische  Zustand  zu 
einer  Anfangszeit  t^  und  erfĂĽllt  zu  jeder  Zeit  die  normale  Ge- 
schwindigkeitskomponente an  der  Oberfläche  die  Bedingung 
des  dielektrischen  Zustandes: 

so  muss  der  dielektrische  Zustand  der  FlĂĽssigkeit  zu  jeder 
Zeit  t  erhalten  bleiben. 

Bedenken  wir  noch,  dass  die  fĂĽr  unseren  Beweis  benĂĽtzte 
Definition  des  dielektrischen  Zustandes  mit  der  früheren  völlig 
übereinstimmt,  so  können  wir  noch  einmal  unsere  Resultate  in 
folgender  Weise  formulieren: 


A.  Korn:  Ueber  die  Erhaltung  des  dielektrischen  Zustandes.         145 
I.   Haben  die  Differentialgleichungen: 

dZ     ar 

dy        9z 


dX 

9e 


[  dt        dx  dy  dz      J 

dx  \dt         dx  dy  ^^       \ 


0X  ay  \  dt  ax  oy  dz 

dN 
dz 


dz  [  dt        dx  dy  ^^      ] 

dx  \dt  dx  dy  dz        ]' 

\ 


ajtf_  aL  _    I  dZ  _  aMfl        3«^,        a«»" 

dx        dy  \dt         dx  9y  3z 


dX 


)-fö^+'5^+^^)| 


Lösungen,  welche  den  Bedingungen  genügen: 

dx        27i\Ă„\dy         dz)       \dx       ^  dy        ^     dz      )\ 

dy  'l7l\A\dz         dx  /       \dx      '    dy       ^   dz     /] 
dz       2n\A\dx        dy 

^  ~  dx       2n\A\dy        dz  J  ^   dx       ^  dy   "â–  '^   dz      \ 

dy       2n\A\dz         dx/   '     dx  3y        *     dz      | 

a^p,       r  j  1  (d3f       dL\      du-,  dw,  dw,     \ 

80  stellen  die  Geschwindigkeiten: 

10* 


146  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  5.  März  1698, 

M  =-^^%dt  +  X cos y  271  +  Z  siny  271 , 


i 

t-\'T 

[y]  =  y-J  v^  dt  4-  Tcos  y^  271  +  Jfsin-^  27i , 
t 

M=  yJ  ^'o  dt  +  ^cos  -y  271  +  A^siny  27r , 

t 

einen  möglichen  Bewegungszustand  einer  inkompressiblen 
FlĂĽssigkeit  dar,  welchen  wir  als  den  dielektrischen  Zustand 
der  FlĂĽssigkeit  bezeichnen. 

n.  Befindet  siöh  eine  Flüssigkeit  zu  irgend  einer 
Anfangszeit  im  dielektrischen  Zustande,  so  muss 
dieser  Zustand  stets  erhalten  bleiben,  wenn  nur  von 
der  normalen  Geschwindigkeitskomponente  w»  der 
Flüssigkeit  an  der  Oberfläche  stets  die  Erfüllung 
der  Bedingung  des  dielektrischen  Zustandes: 

gefordert  wird. 


U7 


Ueber  die  GrSssenklassen  der  telescopischen  Sterne 

der  Bonner  Darchmnstemngen. 

Von  Hago  Seeliger. 

(Eingdaufm  5.  Jfdr«.)     ' 

FĂĽr  viele  Fragen  der  Stellarastronoraie  ist  das  Verhalten 
der  in  den  Bonner  Durchmusterungen  enthaltenen  Qrössen- 
schätzungen  gegenüber  einer  festen  Helligkeitsscala  von  erheb- 
lichem Interesse.  Für  die  helleren  Sterne  bis  etwa  zur  6.  Grösse 
liegt  eine  grosse  Anzahl  von  Untersuchungen')  vor,  durch  die 
ihr  photometrisches  Verhalten  ziemlich  sicher  bestimmt  ist 
und  wenn  erst  die  Potsdamer  Beobachtungsreihe,  welche  alle 
Sterne  des  nördlichen  Himmels  bis  zur  7}j  Grösse  enthalten 
wird,  vollständig  publicirt  sein  wird,  wird  man  diesen  Gegen- 
stand nach  allen  Richtungen  hin  übersehen  können.  Für  die 
Sterne  von  der  6.  bis  9.  Grösse  dagegen  fehlen  bisher  nähere 
Angaben,  obwohl  alle  Speculationen  über  die  räumliche  Ver- 
theilung  der  Fixsterne  sich  vorerst  hauptsächlich  auf  das 
photometrische  Verhalten  der  Sterne  6. — 9.  Grösse  stützen 
mĂĽssen,  weil  hier  in  den  Bonner  Durchmusterungen  ein  nahezu 
vollständiges  Material  vorliegt  und  die  Anzahl  dieser  Sterne 
genĂĽgend  gross  ist,  um  allgemeinere  Gesetze  in  der  scheinbaren 
Vertheilung  deutlich  zum  Ausdruck  bringen  zu  können.  Auf 
die   hier   entschieden   vorhandene  LĂĽcke    in   unserer  Kenntniss 


^)  Vgl.  MĂĽllers  Photometrie  der  Gestirne.    S.  456  flf. 


148  Sitzung  der  math,-phys.  Glosse  vom  5.  März  1808, 

bin  ich  öfters  mit  grossem  Bedauern  gestossen  und  da  nunmehr 
seit  einigen  Jahren  ein  umfangreiches  Beobachtungsmaterial 
vorliegt,  das  nach  der  gewĂĽnschten  Richtung  hin  noch  nicht 
verwerthet  worden  ist,  hielt  ich  es  fĂĽr  nĂĽtzlich  aus  diesem 
Materiale  jene  Schlüsse  zu  ziehen,  welche  die  erwähnte  Lücke 
wenigstens  einigermassen  ausfüllen  können.  Auch  bedurfte  ich 
dieser  Resultate  zu  Untersuchungen,  ĂĽber  die  ich  an  anderer 
Stelle  berichten  werde.  Das  genannte  Material  bietet  die 
„Photometrie  Revision  of  the  Durchmusterung",*)  welche  die 
photometrische  Beobachtung  vieler  Tausend  Durchmusterungs- 
sterne enthält  und  mit  dem  Meridianphotometer  der  Harvard 
Sternwarte  während  der  Jahre  1882 — 88  gewonnen  worden  ist. 
In  dieser  Publication,  die  im  Folgenden  stets  mit  H.  R,  be- 
zeichnet werden  soll,  ist  für  jeden  Stern  die  Grösse  nach  der 
Bonner  Schätzung  neben  dem  Resultat  der  gewonnenen  photo- 
metrischen Bestimmung  angefĂĽhrt,  was  die  Festlegung  der 
Durchmusterungsgrössen  gegen  die  photometrische  Helligkeits- 
scala  sehr  wesentlich  vereinfacht,  denn  diese  besteht  im  Wesent- 
lichen auf  der  Bildung  einer  allerdings  sehr  grossen  Zahl  von 
DiflFerenzen  und  ihrer  passenden  Vereinigung  zu  Mittelzahlen. 
Bei  diesen  Operationen  wurde  ich  wesentlich  durch  Herrn 
cand.  astr.  C.  Schwend  unterstützt ,  der  ungefähr  die  Hälfte 
der  Vergleichungen  ausfĂĽhrte. 

Ehe  ich  auf  die  Mittheilung  der  gewonnenen  Resultate 
eingehe,  möchte  ich  zuerst  darauf  hinweisen,  was  bisher  über 
das  Verhalten  der  Durchmusterungsgrössen  bekannt  war. 

In  der  Hauptsache  war  man  in  Bezug  auf  das  photo- 
metrische Verhalten  der  Sterne  6. — 9.  Grösse  der  Durchmuste- 
rungen fast  allein  auf  die  Resultate  zweier  in  Pulkowa  mit 
einem  Zöllner'schen  Photometer  ausgeführten  Arbeiten  ange- 
wiesen, welche  sich  die  Aufgabe  stellten  den  Logarithmus  log  y 
des  Helligkeitsverhältnisses  zweier  um  eine  Grössenklasse  aus- 


')    Annais   of   the   Astronoinical   Observatory   of  Harvard   College. 
Vol.  XXIV,  Cambridge.    1890. 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne,        149 

einanderliegenden  Sterne  der  nördlichen  Bonner  Durchmusterung 
(D.  M.)  festzustellen,  welcher  in  der  jetzt  allgemein  angenom- 
menen photometrischen  Scala  0.4  ist.  Die  beiden  Arbeiten 
rĂĽhren  von  Herrn  Ros^n^)  und  dem  kĂĽrzlich  verstorbenen 
Lindemann')  her.  Herr  Ros^n  hat  110  Sterne  untersucht  und 
gefunden  für  Sterne  von  der  Grösse 


5"»— 6™, 

log  y  =  0.388 

6  —7 

0.388 

7  —8 

0.363 

8  —9 

0.379 

Lindemann  hat  in  seine  Ableitung  92  Sterne  von  der 
Grösse  6.1™— T.O"»,  101  zwischen  7.1™— 8.0"^  und  97  Sterne 
zwischen  8.1™ — 9.5™  einbezogen  und  das  Resultat  erhalten  für: 

6™— 7™,  log  >'  =  0.394 

7  —8  0.392 

8  —9  0.437 

Diese  beiden  Zahlenreihen,  auf  den  ersten  Blick  gut  ĂĽber- 
einstimmend, zeigen  doch  bedeutende  Unterschiede,  wenn  man 
weiter  entfernte  Helligkeitsgrade,  z.  B.  Sterne  9.  und  6.  Grösse 
mit  einander  vergleichen  will.  Bezeichnet  A»*  die  Helligkeit 
eines  Sternes  von  der  Grösse  iw,  so  geben  z.  B.  die  Zahlen 
Herrn  Ros^ns:  log  A^^  —  log  Ag.^  =  1.130,  während  nach  Linde- 
mann dafĂĽr  1.223  herauskommt,  was  einem  Unterschiede  von 
fast  ^  Grössenklasse  gleichkommt.  An  sich  sind  beide  Beob- 
achtungsreihen mit  grosser  Sorgfalt  und  nach  eingehendem 
Studium  des  angewandten  Instrumentes  ausgefĂĽhrt.  Bei  der 
vorliegenden  Aufgabe  kommt  es  aber  auf  möglichst  grosse  Ge- 


*)  Ros^n,  Studien  und  Messungen  mit  einem  Zöllner'schen  Photometer. 
Bulletin  de  l'acad.  d.  St.  Petersbourg  1870.  Referat  von  Engelmann  in 
der  Vierteljabrsscbrift  der  A.  G.    Jahrgang  V,  S.  29  flP. 

^)  Lindemann,  Photometrische  Bestimmung  der  Grössenklassen  der 
Bonner  Durchmusterung.  Supplement  II  aux  Observations  de  Poulkova. 
1889.     Referat  von  Herrn  G.  MĂĽller,  V.  J.  S.   Jahrg.  25,  S.  25  flp. 


150  Sitzung  der  math.-phya,  Classe  vom  5,  März  1898, 

nauigkeit  der  Einzelmessungen  in  erster  Linie  nicht  an.  Es 
unterliegt  keinem  Zweifel  imd  ist  leicht  erklärlich,  dass  die 
einzelnen  Grössenschätzungen  der  nördlichen  Durchmusterung 
bedeutenden  zufalligen  Fehlern  unterworfen  waren.  Um  diese 
zu  eliminiren,  um  also  Aussagen  machen  zu  können,  die  sich 
auf  eine  mittlere  in  Bonn  eingehaltene  Helligkeitsscala  be- 
ziehen, wird  die  Anzahl  von  110  Sternen,  wie  bei  Ros^n,  und 
werden  wohl  auch  die  290  Sterne  Lindemanns  nicht  ausreichen. 
Dazu  kommt  aber  noch  ein  viel  einflussreicherer  Umstand.  Die 
Bonner  Durchmusterung  enthält,  wie  ebenfalls  leicht  erklärlich, 
constante  Schätzungsfehler,  welche  zonen weise  auftreten.  Diese 
können  erst  durch  eine  weit  grössere  Anzahl  von  Vergleichs- 
punkten unschädlich  gemacht  werden  und  zwar  wird  man  eine 
sehr  grosse  Anzahl  ĂĽber  den  ganzen  Himmel  vertheilter 
Sterne  betrachten  müssen,  wenn  die  constanten  Schätzungs- 
fehler sich  nur  langsam  mit  dem  Ort  am  Himmel  ändern  und 
wenn  diese  Abhängigkeit  einen  nennenswerthen  Betrag  erreicht. 
Beides  findet,  wie  gezeigt  werden  wird,  bei  der  D.  M.  statt. 
Aus  diesem  Grunde  muss  man  der  H,  R,  eine  erhöhte  Wichtig- 
keit zuerkennen,  denn  sie  enthält  eine  überaus  grosse  Anzahl 
photometrischer  Bestimmungen  von  Durchmusterungsstemen, 
die  über  den  ganzen  nördlichen  Himmel  verstreut  sind,  wenn 
auch  mit  einer  wohl  beträchtlich  geringeren  Genauigkeit,  als 
im  Einzelnen  zu  erreichen  möglich  ist. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  die  in  der  D,M.  angewandte  Hellig- 
keitsscala variabel  mit  dem  Orte  am  Himmel  und  zwar  bei  den 
schwächeren  Sternen  in  einem  ziemlich  erheblichen  Betrage. 
Vor  allem  tritt  eine  Abhängigkeit  von  der  Lage  zur  Milchstrasse 
oder,  was  formell  auf  dasselbe  hinausläuft,  von  der  StemfüUe 
in  der  betrachteten  Himmelsregion,  deutlich  hervor.  Da  aber 
die  Lage  zur  Milchstrasse  bei  allen  stellarastronomischen  Unter- 
suchungen eine  wesentliche  Rolle  spielt,  so  muss  diesem  Punkte 
auch  bei  der  Aufsuchung  der  Beziehung  der  Bonner  Stem- 
grössen  zu  einer  festen  photometrischen  Scala  ganz  besondere 
Aufmerksamkeit  zugewendet  werden.  Eine  Vergleichung  der 
Grössen    der  Durchmusterung   mit   photometrischen  Messungen 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne,        151 

kann  eben  nur  dann  ein  unzweideutiges  Resultat  ergeben, 
wenn  man  zugleich  angeben  kann,  wie  die  Räume,  in  denen 
die  verglichenen  Sterne  sich  befinden,  gegen  die  Milchstrasse 
liegen. 

Die  erste  Hindeutung  darauf,  dass  die  Bonner  Stern- 
schätzungen in  stemreichen  Gegenden  merklich  anders  ausge- 
fallen sind,  als  in  sternarmen,  hat  Schönfeld  in  der  Einleitung 
zur  südlichen  Durchmusterung  —  S,  D.  —  Seite  [36]  ge- 
macht. Ihm  fiel  danach  gleich  beim  Beginne  seiner  Arbeit  auf, 
dass  die  Differenzen  der  Grössenangaben  der  S,  D.  weniger 
derjenigen  der  Bessel'schen  Zonen  „um  so  mehr  positiv  sind, 
ie  stemreicher  die  verglichenen  Räume  sind*.  Dieses  Vor- 
kommniss  hat  später  Herr  Scheiner  ^)  näher  untersucht  und 
bestätigt  gefunden.  Er  hat  auch  Vergleichungen  mit  Argelander 
und  Schjellerup  angestellt  und  die  Differenzen  der  Grössenan- 
gaben S.  D.  —  Bessel  bez.  Argelander  und  Schjellerup  in  die 
Form  gebracht: 

wo  D  die  StemfĂĽlle  in  der  betrachteten  Gegend,  Dq  eine  gewisse 
nicht  näher  angegebene  mittlere  Sternfillle  bedeutet.  Es  er- 
gab sich 

S,  D,  —  Bessel  S,  D.  —  Argelander 


Grösse 

h 

a 

ho 

a 

7    m 

O.IS-» 

+  0.323" 

■■{-  o.ig» 

+  0.276 

7« 

0.10 

+  0.247 

+  0.21 

+  0.357 

8 

0.03 

+  0.285 

+  0.12 

+  0.307 

H 

0.13 

+  0.224 

+  0.05 

+  0.161 

9 

0.20 

+  0.139 

0.02 

+  0.185 

m 


*)  Vergleicbung  der  Grössenangaben  der  sädlichen  Durchmusterung 
mit  denen  anderer  Cataloge.    Astr.  Nachr.  Nr.  2766,  1887. 


152  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  5.  März  1898, 

wobei  die  Grössenangabe  in  der  ersten  Verticalreihe  diejenige 
des  verglichenen  Kataloges  ist.  Die  natürlich  viel  schwächer 
begrĂĽndete  Vergleichung  mit  Schjellerup  ergab: 


SJ» 

A,  =      0.31  ■» 

a  =  +  0.065 

8| 

0.21 

+  0.178 

9 

0.21 

+  0.073 

m 


Sämmtliche  a  haben  das  positive  Vorzeichen  und  die  aus 
den  Vergleichungen  mit  Bessel  und  Argelander  hervorge- 
gangenen stimmen  auch  ihrem  Betrag  nach  recht  gut  ĂĽberein. 
Man  wird  deshalb  aus  diesen  Vergleichungen  wohl  mit  einiger 
Sicherheit  den  Schluss  ziehen  dĂĽrfen,  dass  die  aufgefundenen 
Differenzen  in  der  Hauptsache  in  systematischen  Schätzungs- 
fehlem der  S.  D.  ihren  Grund  haben  und  man  wird  sich  auch, 
wie  es  Herr  Scheiner  thut,  mit  plausiblen  Erklärungsversuchen 
über  die  Thatsache  hinwegsetzen  können,  dass  die  Vergleichung 
der  S.D.  mit  Lalande  von  dem  erwähnten  Einfluss  der  Stem- 
fĂĽlle  nichts  zeigt. 

Die  Coefficienten  a  sind  positiv  und  nehmen,  wenn  die 
Vergleichung  mit  Schjellerup  ausser  der  Betrachtung  bleibt, 
mit  zunehmender  Stemgrösse  ab.  Die  zweite  Eigenschaft,  auf 
die  es  bei  manchen  Anwendungen  besonders  ankommt,  ist  in- 
dessen nicht  als  verbĂĽrgt  anzusehen.  Die  Vergleichung  mit 
H.R.  wird  auch  die  erste,  aber  keineswegs  die  zweite  Eigen- 
schaft ergeben. 

Dass  EinflĂĽsse  von  der  Art,  wie  die  eben  besprochenen, 
bei  Stemgrössenschätzungen  in  einem  grösseren  Gesichtsfelde 
zu  erwarten  sind,  kann  man  leicht  einsehen,  wenn  man  berĂĽck- 
sichtigt, dass  sich  das  schätzende  Auge  in  stemreichen  Gegenden 
in  einem  anderen  Ăźeizungszustand  befindet  als  in  stemarmen 
und  wenn  man  ferner  annimmt,  dass  die  adoptirte  Schätzungs- 
scala  hiervon  abhängig  ist.  Die  letztere  Annahme  scheint 
nothwendig  zu  sein,  wenn  man  die  von  Herrn  Scheiner  ge- 
fundenen  Zahlen   in   ihrer  Abhängigkeit   von   der  Stemgrösse 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescojnschen  Sterne,        153 

durch  eine  Foniiel  darstellen  wollte,,  die  auf  der  Grundlage  des 
Fechner'schen  psychophysischen  Gesetzes  aufgebaut  ist.  Dadurch 
werden  aber  so  weitgehende  WillkĂĽrlichkeiten  in  die  Betrach- 
tung eingefĂĽhrt,  dass  eine  auf  diesem  Wege  aufgestellte  Formel 
nicht  viel  mehr  Werth  als  eine  Interpolationsformel  bean- 
spruchen kann,  weshalb  ich  auf  dahingehende  Versuche  nicht 
näher  eingehen  möchte. 

Die  Vergleichungen  des  Herrn  Scheiner  beziehen  sich  aut 
Cataloge,  deren  Stemgrössen  ebenfalls  durch  Schätzungen  er- 
halten sind,  deren  Helligkeitsscala  auch  nicht  näher  bekannt  ist. 
Es  ist  femer  eine  naheliegende  Vermuthung,  dass  die  Stem- 
schätzungen  der  S.D.  durch  die  angewendete  Feldbeleuchtung 
nicht  ganz  unbeeinflusst  geblieben  sind.  Diese  Feldbeleuchtung 
wurde  am  Anfange  jeder  Zone  sorgfältig  den  äusseren  Um- 
ständen angepasst,  zu  denen  natürlich  auch  die  Stemfülle  in 
der  eingestellten  Himmelsgegend  gehört.  Und  wenn  auch  der 
Beobachter  Schönfeld  mit  bewundemswerther  Annäherung  das 
Bestreben,  seine  Arbeit  der  nördlichen  D,M,  möglichst  homogen 
zu  gestalten,  erreicht  hat,  so  könnte  man  doch  von  vornherein 
geneigt  sein  zu  vermuthen,  dass  sich  in  den  Stemgrössen  der 
D,M.  der  Einfluss  der  Milchstrasse  in  einer  ganz  andern  Weise 
zeigen  könnte.  In  jedem  Falle  ist  aber  a  priori  nichts  näheres 
ĂĽber  diesen  Punkt  zu  sagen,  und  man  muss  ihn  als  einer 
Untersuchung  dringend  bedĂĽrftig  bezeichnen. 

Bei  den  Vergleichungen  der  nördlichen  D.  M,  mit  der  H.E.^ 
worauf  nunmehr  eingegangen  werden  soll,  ist  deshalb  auch  auf 
den  Einfluss  der  Sternfülle  gehörig  Rücksicht  genommen  worden 
und  es  hat  sich  in  der  That  herausgestellt,  dass  bei  den 
schwächeren  Sternen  dadurch  ein  ganz  wesentlicher  Einfluss 
aufgedeckt  worden  ist. 

Bei  Gelegenheit  der  Mittheilung  der  Abzahlungen  der  in 
der  Bonner  Durchmusterung  enthaltenen  Sterne*)  habe  ich 
den  Himmel  in  9  Zonen  eingetheilt,  die  parallel  zu  der  Milch- 


^)  Sitzungsberichte  der  MĂĽnchener  Akademie  1884  und  1886. 


154  Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  5.  März  189S. 

Strasse,  deren  Mitte  als  läpgs  eines  grossen  Kreises  verlaufend 
angenommen  wurde,  liegen.  Zone  I  reicht  von  -j-  90*^  bis  -\-  70*^ 
nördlicher  galactischer  Breite,  Zone  11  von  -f-  70*^  bis  -}-  50®  u.  s.  f., 
Zone  V  von  +10°  bis  —  10®  die  Milchstrasse  umschliessend, 
Zone  IX  endlich  von  —  70®  bis  —  90®.  Ich  habe  a.  a.  0.  die 
Grenzcurven  dieser  Zonen  durch  Diagramme  dargestellt,  durch 
welche  die  Zone,  in  welcher  eine  gegebene  Himmelsgegend  liegt, 
sofort  abgelesen  werden  kann  und  ĂĽberall  dort,  wo  es  nicht 
auf  grosse  Genauigkeit  ankommt,  werden  diese  Curven  nĂĽtzlich 
befunden  werden.  Ich  habe  im  vorliegenden  Falle  diese  Curven 
ebenfalls  benutzt  und  ihre  Verwendung  gestaltete  sich  ĂĽberaus 
einfach,  weil  die  Resultate  der  H,  JB.  nach  einzelnen  Declinations- 
graden  geordnet  sind.  Es  waren  also  in  den  Tabellen  der 
einzelnen  Declinationsgrade  die  Grenzen  der  Zonen  I  bis  VDI  — 
IX  kommt  in  D,M,  nicht  vor  —  kenntlich  zu  machen.  Die 
H.  E,  enthält  die  Declinationsgrade  +  0®,  +  1®,  +  4®,  +  5®,  +  9®, 
-|-  10®  u.  s.  f.  Bei  der  beschränkten  Genauigkeit  reichte  es  aus  für 
zwei  anstossende  Declinationsgrade,  also  für  0®  und  1®,  für  4® 
und  5®  etc.,  dieselben  Grenzcurven  anzunehmen.  Um  eine  etwaige 
Controle  zu  ermöglichen,  führe  ich  in  der  folgenden  Tabelle 
die  angenommenen  Grenzen  der  Zonen  an.  Die  Zahlen  sind  so 
zu  verstehen:  Für  +  0®  und  +  1®  reicht  z.  B.  Zone  VIII  von 
0^  0°^  bis  2^  48°^  und  von  22^  54°»  bis  0\  Zone  III  von  9»»  5°» 
bis  10^54"»  und  von  14M8™  bis  16»»33">. 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopiscken  Sterne.        15o 


+0»   +50 

+100  4.150  4-200  +250  +30«   +35« 

â–ş  +400 

h    m     h     m 

h     m 

0    0    0    0 

^^       hmlimhmhin 

Vm    2  48    2  24 

VIII 

1  46    00000000      h„ 

li     m 

VII    4  80    4  16 

VII 

408  42     8  20    2  54     2000 

0    0 

Vi    6    2    5  50 

VI 

6  38     5  30    6  15    5    0    4  42    4  24 

8  54 

V    7  86    7  24 

V 

7  12    7    0    6  54    6  42    6  80    6  18 

6    6 

IV    9    6    8  50 

IV 

8  42    8  82    8  24    8  16    8  10    8    3 

7  65 

III  10  54  10  30 

III 

10  18  10    5    9  54    9  48    9  45    9  42 

9  42 

II  14  48  16    6 

II 

12    4  11  86  11  25  11  18  11  18  11  20 

11  30 

III  16  88  16  45 

I 

13  25  13  50  14    6  14  15  14  18  14  18 

14  10 

IV  18    5  18  15 

II 

15  18  15  30  15  42  15  48  15  54  16  48 

15  54 

V  19  33  19  42 

III 

16  54  17    0  17  10  17  20  17  25  17  32 

17  40 

VI  21  12  21  24 

IV 

18  24  18  30  18  42  18  50  19     3  19  15 

• 

19  24 

VII  22  54  23  12 

V 

19  54  20    3  20  18  20  82  20  50  21  12 

21  40 

VIII     Ol»        0^ 

VI  21  32  21  50  22  15  22  45  23  26      0^ 

0^ 

VII     Ql^       Q^         0^         0^        0^ 

+50«  +550  +60°  +650          +700          4.750   +800  +850>860 
h     m 

^^  famhmhm              hm 

VI     2  15  0     0  0     0  0     0             0     0                1,     m     h     m     h     m 

V6  38  5  15  4  48      4  10V30             OOOĂĽOO 

IV     7  48  7  46  7  42     7  42    IV     7  40   IV     7  42     8    0     8  48    IV 

III     9  50  10     6  10  30  11  15    III  18     0    III  17  54    17  40    IĂź  40 

II  16  45  15  30  15  10  14  24    IV  22  36    IV      0»'          0»»         0»' 

III  17  50  17  54  17  55  18    0     V       0»' 

IV  20    0  20  20  20  50  21  24 
V  22  10  0^          0»»         0»» 

VI       Oh 

Es  wurden  nun  fiir  die  einzelnen  DecHnationsgrade  und 
Zonen  die  Differenzen  der  Grössenangaben  D.M, — H.R,  gebildet 
und  zusammenaddirt.  Hierbei  wurden  die  Differenzen  ohne 
jede  Correctur  dem  angefĂĽhrten  Werke  entnommen  und  nur 
jene  ausgeschlossen,  deren  absoluter  Betrag  ^  0.7  war.  Das 
ist  freilich  eine  ziemlich  willkĂĽrliche  Maassnahme.  Sie  entstand 
aus  dem  Bestreben,  nicht  gar  zu  viele  Ausschliessungen  machen 
zu  müssen  und  in  der  That  bildet  die  Zahl  der  thatsächlich  er- 
folgten einen  ganz  geringfĂĽgigen  Procentsatz.  Unzweifelhaft 
befinden  sich  unter  den  mitgenommenen  Differenzen  viele,   die 


156  Süzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5.  März  1698. 

durch  Fehler  irgend  welcher  Art  entweder  in  der  D,M,  oder 
in  der  H,  R,  entstanden  sind.  Es  bleibt  also  nur  die  Annahme 
ĂĽbrig,  dass  sich  alle  diese  Ungenauigkeiten,  die  zum  Theil 
kaum  festzustellen  wären,  im  Mittel  aufheben.  Man  wird  dies 
bei  der  ĂĽberaus  grossen  Anzahl  von  Vergleichungen,  die  benutzt 
werden  konnten,  mit  einiger  Sicherheit  annehmen  können,  aber 
nur  dort,  wo  sehr  verschiedene  Regionen  des  Himmels  bei  den 
einzelnen  Mittelwerthen  mitstimmen.  Denn  bei  den  Differenzen 
fallt  sofort  auf,  dass  sie  sehr  oft  innerhalb  engerer  Bezirke 
von  annähernd  gleichem  Betrage  sind,  dass  also  eine  Art  syste- 
matischer Beeinflussung  mitgespielt  hat,  sei  es  bei  den  Schätz- 
ungen der  D.M,,  sei  es  bei  den  photometrischen  Messungen. 
Diejenigen  Mittelwerthe  also,  welche  nur  aus  Vergleichungen, 
die  sich  auf  kleinere  Bezirke  erstrecken,  entstanden  sind,  wird 
man  nicht  als'  sicher  betrachten  dĂĽrfen.  Dies  findet  bei  den 
Zonen  VIII  und  I  statt,  und  thatsächlich  weichen  die  ihnen 
zugehörigen  Mittelzahlen  theilweise  stark  von  den  Werthen  ab, 
die  man  durch  eine  nicht  ganz  unzuverlässige  Extrapolation 
aus  den  den  andern  Zonen  entsprechenden  Mittelwerthen 
gewinnt. 

Die  erhaltenen  Summen  der  Differenzen  fĂĽr  die  einzelnen 
Declinationsgrade  und  Zonen  wurden  in  Tabellen  zusammen- 
gestellt. Diese  sollen  aber  nicht  mitgetheilt  werden,  vielmehr 
enthalten  die  folgenden  Tabellen  gleich  die  Mittelwerthe,  vor 
denen  die  Anzahl  der  Differenzen  steht.  Am  Fusse  jeder 
Tabelle  steht  indessen  die  Summe  fĂĽr  jede  Zone  und  die  dazu- 
gehörige Anzahl  der  Sterne.  Diese  Summen  sind  also  direct 
gebildet  und  genauer,  als  sie  aus  den  auf  2  Stellen  abgekĂĽrzten 
Mittelwerthen  hervorgehen  wĂĽrden.  Um  mittlere  Differenzen 
für  die  ganzen  und  halben  Grössenklassen  der  D.M.  zu  er- 
halten, sind  folgende  Grössenklassen  der  D.M,  zu  Gruppen 
vereinigt  worden: 

Gruppe  1  enthält  die  D.  J/.  Grössen  6.3  bis  6.7  incl.  Die 
Gruppen  2,  3,  4  und  5  bezw.  die  Grössen  6.8  bis  7.2  incl., 
7.3  bis  7.7  incl.,    7.8   bis  8.2  incl.,    8.3  bis  8.7  incl,    endlich 


JETn^o  Seeliger:  Grössenhlassen  der  tehscopischen  Sterne,        157 

die  Ghnippen  6   und  6  a   die  Grössen   8.8,   8.9,  9.0   bezw.  9.1 
und  9.2. 

Die  letzten  beiden  Gruppen  wurden  zunächst  aus  dem 
Grunde  auseinander  gehalten,  weil  vermuthet  werden  konnte, 
dass  sich  die  D.M.  Grössen  9.1  —  9.2  der  Schätzungsscala, 
welche  bei  den  helleren  Sternen  angewendet  worden  ist,  nicht 
einfĂĽgen.  Es  ergab  sich  indessen  zum  SchlĂĽsse,  dass  diese 
Vermuthung  sich  wenigstens  nicht  mit  Sicherheit  bestätigt  und 
so  konnten  dann  die  beiden  Gruppen  6  und  6  a  in  eine  einzige 
unbedenklich  vereinigt  werden.  Die  fĂĽr  die  einzelnen  Gruppen 
erhaltenen  Mittelzahlen  werden  nun  sehr  nahe  fĂĽr  die  D.M. 
Grössen  6.5,  7.0  etc.  bis  9.0  gelten.  Abgesehen  davon,  dass 
die  Grössen  der  einzelnen  Gruppen  sich  symmetrisch  um  die 
ganzen  und  halben  Grössenklassen  lagern,  kommt  hierbei  noch 
in  Betracht,  dass  die  Decimalen  0  und  5  sowohl  in  der  D.  M. 
als  auch  in  dem  Verzeichnisse  der  H.II.  sehr  bedeutend  ĂĽber- 
wiegen. Zu  den  nun  folgenden  Tabellen  wäre  noch  zu  be- 
merken, dass  wegen  der  geringen  Anzahl  von  Sternen,  welche 
die  Gruppe  6  a  bilden,  hier  mehrere  Declinationsgrade  zusammen- 
gefasst  worden  sind. 


158 


Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  5,  März  1698. 


Grösse  6.3, 


vm 

vn 

VI 

V 

0—  6« 

2 

+  0.03 

8 

+  0.10 
-  -  0.09 

8 

+  0.30 

9—15 

1 

—  0.42 

16 

+  0.11 

26 

20 

—  0.09 

19—25 

24 

—  0.16 

32 

—  0.10 

24 

- 

-0.03 

29-35 

2 

—  0.06 

85 

—  0.12 

26 

- 

hO.Ol 

39—45 

31 

—  0.06 

38 

- 

-0.04 

49-55 

12 

0.00 

35 

—  0.14 

59-65 

41 

0.00 

69-75 

11 

0.00 

>75o 

Summe 

3 

—  0.36 

42 

—  2.17 

144 

—  5.82 

293 

— 

-0.56 

Grösse:  6.8, 


00 

6 

+  0.11 

2 

- 

-0.60 

5 

+  0.25 

6 

- 

-0.05 

1 

— 

1 

- 

-0.36 

— 

— 

2 

- 

-0.26 

4 

— 

— 

2 

- 

-0.40 

2 

+  0.10 

6 

- 

-0.18 

5 

— 

— 

1 

- 

-0.29 

3 

+  0.87 

9 

- 

-0.11 

9 

3 

+  0.34 

5 

- 

-0.27 

4 

+  0.06 

4 

- 

-0.30 

10 

2 

+  0.21 

6 

- 

-0.04 

8 

+  0.11 

7 

- 

-0.10 

14 

7 

—  0.07 

7 

+  0.02 

11 

—  0.06 

15 

9 

—  0.03 

8 

-0.06 

10 

—  0.08 

19 

« 

12 

—  0.15 

12 

—  0.26 

12 

+  0.03 

20 

9 

—  0.21 

7 

-0.22 

6 

+  0.27 

24 

5 

—  0.32 

4 

+  0.84 

4 

+  0.08 

25 

5 

—  0.18 

5 

-0.25 

6 

—  0.14 

29 

1 

—  0.26 

7 

0.00 

14 

+  0.04 

30 

5 

—  0.20 

6 

—  0.16 

18 

+  0.02 

34 

20 

—  0.28 

10 

+  0.10 
+  0.07 

35 

17 

—  0.22 

4 

39 

22 

—  0.08 

18 

+  0.05 

40 

18 

—  0.16 

12 

—  0.08 

44 

11 

+  0.13 

10 

+  0.06 

45 

17 

—  0.06 

8 

—  O.Ol 

49 

7 

-0.81 

12 

—  0.10 

50 

12 

—  0.03 

7 

—  0.16 

54 

16 

—  0.26 

55 

12 

+  0.06 

59 

23 

—  0.18 

60 

13 

—  O.ll 

64 

12 

—  0.27 

65 

15 

—  0.24 

69 

6 

—  0.14 

70 

1 

—  0.54 

74 

75 

76 

79 

>800 

Summe 

i>; 

+  2.07    . 

70    1 

— 

-4.04    i 

202 

-  16.98 

288  I 

— 

12.66 

Sugo  Seeliger:  Gnh 


1  der  leleavopkchen  Sterne.         159 


IV 

m 

U 

I 

i 

+  0.23 

4 

+  0.16 

8 

+  0.30 

_ 

10 

+  0.27 

2 

+  0.34 

—  0.16 

tl 

+  0.13 

11 

+  0.04 

21 

+  0.07 

ö 

+  0.21 

6 

+  0.01 

S 

+  0.23 

11 

—  0.04 

U 

+  0.04 

Ifi 

—  0.04 

—  0.06 

Itl 

-0.06 

U 

—  O.IB 

IR 

—  o.n 

81 

+  0.04 

U 

-0.04 

171 

—  8.26 

118 

-3.64 

70 

+  1.96 

28 

+  2.10 

6.9,  7.0,  7.1,  7^. 


+  0.08 

9 

4 

hO.43 

+  0.17 

_ 

_ 

—  0.13 

1 

â– 0.16 

+  0.37 

1 

â– 0.36 

-0.22 

~om 

I 

â– 0.34 

+0.12 
+  0M 

6 

-0.03 

+  0.29 
-i-0.08 

2 

-0.23 

-056 

4 

-0.05 

-0.03 

1 

+  0.3C 

-0.06 

6 

+  0.08 

—  0.09 

3 

+  0.39 

+  0.06 

G 

—  0.16 

+0.23 

6 

+  0.06 

+  0.20 
+  0.1 1 

3 

+  0.40 

+  0.36 

3 

+  0.18 

2 

+  0.08 

—  0.84 

5 

—  0.30 

-0.03 

2 

+  0.27 

+  0.13 

6 

—  0.25 

+  0.15 
+  0.13 

2 

-0.36 

-0.34 

7 

—  0.20 

3 

+  0.18 

—  0.13 

8 

—  0.26 

—  0.17 

6 

0.00 

+  0.36 

2 

-0.42 

11 

—  0.13 

+  0.04 

—  0.03 

7 

-0.32 

IC 

-0.26 

—  0.18 

+  0.28 

4 

-0.86 

13 

-0.08 

11 

-0.11 

—  0.29 

8 

-0.36 

g 

+  0.09 

+  0.08 

-0.30 

1 

—  0.82 

—  0.89 

+  0.22 

10 

—  0.32 

-0.04 

-0.18 

—  0.19 

-0.14 

-0.02 

—  0.08 

+  0.13 

+  0.47 

+  0.03 

11 

—  0.11 

—  0.07 

+  0.04 

—  0.10 

-0.39 

12 

+  0.01 

-O.TO 

+  0.07 

—  0.08 

-0.07 

-0.3  t 

-0.22 

—  0.36 

-  0.40 

10 

—  0.20 

-0.20 

-0.13 

—  0.07 

+  0.08 

—  O.U 

14 

-  0.11 

10 

-0.33 

-0,20 

-0.30 

+  0.13 

-0.21 

35 

—  003 

19 

-0.16 

266 

—  10.78 

Tm" 

-9.51 

U9 

-lf.34 

5B" 

—  a74 

l»»B,  BlUnniib.  i.  n 


Siteitng  Her  maüi.-i'hys.  ClasM  vom  5.  März  1S98. 


vm 

vn 

VI 

^ 

00 

1 

+  o.ai 

+  0.21 

6 

1 

+  0.08 

—  0.4fl 

4 
1 

+    0.16 
—    0.14 

10 

1 

+  0.10 

+  0.01 

4 

-0.31 

3 

+  0.08 

4 

+  0.08 

6 

—  0.09 

6 

-f  0.S3 

6 

—  0.15 

3 

+   0.21 

6 

+  0.'>2 

—  0.17 

14 

+  0.02 

f. 

~    0.02 

G 

+  0.17 

10 

-0.09 

B 

+  0.03 

6 

+   0.06 

6 

+  0.1G 

U 

8 

—  O.ll 

8 

+   0.39 

14 

-0.01 

16 

b 

+  0.07 

11 

—  0.13 

8 

+  0.02 

19 

9 

—  0.07 

7 

—  0.10 

14 

—  0.O4 

30 

11 

—  0.05 

7 

—  0.23 

8 

+  0.04 

34 

4 

—  0.06 

9 

+  O.U 

9 

+  0.08 

35 

10 

—  0  17 

8 

—    0.05 

10 

+  0.01 

29 

5 

+  0.21 

18 

—    0.12 

11 

+  0.08 

SO 

12 

—    0.09 

IĂź 

+  0.08 

31 

Itj 

—    0.22 

10 

+  0.05 

SS 

12 

—    0.16 

13 

+  0.18 

SD 

17 

—    0.14 

20 

~  0.02 

4(1 

20 

—    0.23 

20 

+  0.09 

4-1 

U 

-    0.07 

13 

-0.17 

45 

9 

-    0.28 

12 

—  0.25 

49 

9 

—    0.21 

13 

+  0.02 

50 

7 

—    0.14 

IS 

-0.11 

Gl 

27 

—  0.22 

fifi 

21 

—  0.04 

b9 

19 

—  0.04 

60 

16 

—  0.17 

64 

IS 

-0.17 

Gä 

6 

0.00 

C9 

5 

—  0.26 

70 

1 

-0.09 

74 

75 

76 

79 

80 

>80 

Sniiimc 

IB 

+  1.81 

89 

—  9.B7 

201 

-  22.22 

844 

-9.26 

äugo  Setiiger:  GröasenJäassen  der  teteacopischen  Sterne,        1^)1 


7.4,  7.6,  7.6,  7.7. 

IV 

III 

0.16 

7 

II 

O.Ol 

— --  ■  ==r. 

I 

6 

h  0.05 

10 

+ 

6 

-  0.22 

3 

+ 

0.09 

1 

-[- 

0.51 

2 

-  0.25 

8 

+ 

0.28 

6 

-J- 

0.25 

3 

-  0.10 

2 

-+- 

0.37 

6 

-|- 

0.10 

4 

h  0.25 

2 

+ 

0.31 

2 

-|- 

0.51 

2 

+  0.38 

8 

r  0.12 

6 

+ 

0.30 

6 

0.08 

3 

+  0.36 

6 

—  0.12 

2 

+ 

0.06 

1 

— 

0.04 

4 

+  0.12 

8 

-  0.10 

4 

0.12 

3 

0.12 

8 

+  0.53 

7 

—  0.08 

4 

— 

0.10 

5 

+ 

0.19 

4 

+  0.28 

9 

+  0.08 

4 

+ 

0.05 

6 

0.14 

3 

—  0.21 

11 

+  0.20 

3 

0.81 

5 

+ 

0.04 

4 

—  0.27 

8 

—  0.07 

4 

— 

0.18 

8 

0.14 

9 

—  0.37 

11 

4-  0.27 

9 

+ 

O.Ol 

2 

— 

0.02 

4 

—  0.22 

6 

+  0.08 

2 

O.U 

5 

— 

0.18 

4 

—  0.24 

6 

+  0.02 

8 

— 

0.07 

5 

— 

0.06 

3 

—  0.09 

8 

—  0.16 

8 

0.13 

2 

0.55 

3 

-0.21 

14 

—  0.26 

4 

— 

0.30 

10 

— 

0.24 

2 

+  0.27 

15 

—  0.20 

9 

— 

0.20 

7 

0.26 

6 

—  0.17 

10 

—  0.12 

4 

— 

0.22 

10 

— 

0.07 

2 

—  0.52 

7 

—  0.19 

10 

— 

0.25 

4 

— 

0.47 

1 

—  0.62 

9 

—  0.15 

8 

— 

0.22 

5 

— 

0.21 

7 

—  0.24 

10 

—- 

0.16 

11 

— 

0.26 

9 

—  0.45 

7 

— 

0.02 

5 

— 

0.16 

6 

—  O.U 

4 

— 

0.02 

5 

0.08 

U 

—  0.13 

3 

— 

0.04 

4 

— 

0.15 

4 

—  0.12 

6 

— 

0.32 

9 

— 

0.29 

7 

+  0.12 

2 

0.08 

4 

— 

0.13 

13 

+  0.02 

7 

— 

0.04 

3 

+ 

0.10 

6 

—  0.23 

12 

— 

0.24 

12 

—  0.22 

3 

+ 

0.00 

6 

+  Ăś.Ol 

5 

0.17 

22 

—  0.12 

10 

— 

0.21 

3 

—  0.19 

4 

0.27 

10 

—  O.Ol 

2 

— 

0.16 

10 

+  0.17 

7 

— 

0.16 

35 

+  0.02 

21 

+ 

O.U 

322 


—  15.30 


212 


—  16.00 


147 


—  14.89 


57 


—  4.89 


11* 


162 


Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  o.  März  1898. 


Summe 


21 


+  1.40 


Hl 


—  2.B4 


247 


—  26.84 


389 


Grösse:  7.8, 

VIII 

VII 

VI 

V 

00 

7 

—  0.17 

10 

+  0.24 

8 

+  0.02 

10 

+  0.18 

1 

5 

+  0.20 

3 

+  0.03 

3 

+  0.02 

6 

+  0.29 

4 

1 

+  0.30 

6 

+  0.07 

10 

+  0.26 

8 

+  0.20 

6 

6 

+  0.18 

10 

+  0.06 

5 

+  0.39 

7 

+  0.19 

9 

1 

-0.17 

6 

—  0.02 

7 

+  0.01 

6 

-0.03 

10 

1 

—  0.17 

15 

-0.13 

10 

+  0.07 

6 

-0.04 

14 

8 

—  0.08 

8 

—  0.08 

10 

-0.20 

15  ' 

18 

0.00 

9 

0.00 

10 

H 

hO.Ol 

19 

4 

—  0.25 

7 

—  0.23 

5 

-0.02 

20 

4 

—  0.18 

12 

—  0.24 

8 

+  0.11 

24 

8 

—  0.04 

7 

—  0.02 

8 

+  0.18 

25 

7 

-0.30 

11 

—  0.08 

16 

+  0.03 

29 

6 

+  0.01 

17 

—  0.12 

14 

+  0.01 

30 

11 

+  0.01 

16 

—  0.08 

18 

+  0.06 

34 

25 

—  0.19 

10 

—  0.06 

35 

18 

—  0.21 

11 

+  0.12 

39 

16 

—  0.14 

29 

—  0.13 

40 

16 

—  0.22 

13 

—  0.17 

44 

9 

—  0.05 

18 

—  0.12 

45 

11 

—  0.18 

19 

—  0.03 

49 

15 

—  0.29 

15 

—  0.10 

50 

7 

—  0.26 

10 

—  0.20 

54 

27 

—  0.23 

55 

26 

—  O.Ol 

59 

28 

-012 

60 

15 

-0.06 

64 

9 

-0.21 

65 

14 

—  0  25 

69 

9 

—  0  27 

70 

4 

~o!o3 

74 

75 

76 

79 

80 

>80 

-  1 7.07 


Bugo  Sediger:  aTĂ–uenUatsen  der  ttlescojiiachcH  SUrnt. 


7.9,  8^,  8.     8.3. 


9 

17 

III 

n          1           [ 

+  0.22 

8 

+  0.29 

8 

+  0.17     1 

6 

+  0.09 

-0.54 

C 

-  O.ll      1 

6 

-^0.81 

+  0.10 

6 

—  0.13     1 

7 

+  0.96 

+  0.16 

6 

—  0.09 

18 

—  0.08 

+  0.06 

3 

+  0.35          2 

+  0.21 

11 

+  0.06 

+  0.19 

4 

+  0.20          3 

+  0.60 

13 

—  0.04 

—  0.17 

3 

—  0.24            5 

+  0.21 

lU 

-0.18 

—  0.04 

6 

-  (1,33            1 

+  0.31 

7 

-0.19 

+  0.04 

B 

-0.17      1      9 

+  o.oa 

—  0.18 

-0.10 

3 

-  0.28      1      4 

—  0.14 

111 

+  0.05 

-0.37 

3 

-  0.0(i      1      3 

—  0.06 

6 

-0.18 

3 

+  0.29 

6 

-  0.04           3 

-0.41 

9 

+0.16 

10 

+  0.29 

6 

—  0.14      1      2 

-  0.39 

13 

-O.OB 

â– 1 

+  0.08 

8 

—  0.32           3 

-0.68 

10 

-0.09 

8 

+  0.02 

3 

—  0.39      .      3 

-0.05 

7 

—  0.29 

9 

—  0.16 

1 

0.00           3 

-0.40 

18 

—  0.30 

6 

-0.25 

5 

-  0.13          2 

-0.22 

8 

—  016 

ö 

—  0.17 

13 

—  0.02     1     3 

-0.64 

& 

—  0.19 

8 

Ăś 

-0.17      ,      2 

-0.32 

10 

—  ose 

6 

-o!28 

8 

-  0.31           3 

-0.29 

7 

—  006 

9 

—  0.21 

-o.n 

11 

—  0.30 

2 

+  0.13 

6 

-0.18 

11 

—  0.11 

1 

+  0.04 

4 

-0.37 

U 

-0.16 

6 

-0.03 

6 

—  0.15 

19 

-0.20 

9 

+  0.07 

3 

-0.09     , 

7 

-0.17 

7 

-0.20 

6 

—  O.lß     ' 

10 

-0.04 

4 

-0.21 

3 

—  0.13     1 

9 

-0.18 

7 

-0.31 

a 

-0.08     1 

13 

-o.ao 

8 

+  0.02 

10 

—  007 

7 

—  0  09 

9 

-003 

4 

—  0.22 

28 

—  012 

15 

—  016 

10 

+  009 

1 

-0'20 

10 

—  0  08 

3 

-038 

17 

—  007 

9 

—  005 

bi 

+  005 

20 

-o:o8 

410 

—  37.34 

227 

-  16.18 

143 

- 16.87 

51 

—  6.47 

164 


Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5,  März  J898. 


Grösse:  8.8, 


VIII 

VII 

VI 

V 

00 

17 

—  0.18 

20 

-0.06 

28 

+  0.07 

25 

+  0.15 

1 

10 

—  0.26 

6 

—  O.ll 

18 

+  0.15 

8 

+  0.06 

4 

8 

—  0.23 

18 

—  0.28 

24 

+  0.01 

20 

0.00 

5 

10 

+  0.30 

17 

—  0.22 

18 

—  0.05 

22 

+  0.09 

9 

1 

—  0.07 

10 

—  0.19 

19 

-0.05 

16 

+  0.10 

10 

7 

—  0.38 

14 

+  0.08 

18 

+  0.01 

28 

+  0.02 

14 

14 

-0.17 

18 

—  0.05 

16 

+  0.U7 

15 

9 

—  0.32 

6 

-  0.02 

15 

+  0.03 

19 

6 

—  0.31 

9 

—  0.19 

17 

—  0.08 

20 

17 

—  0.21 

12 

—  0.19 

21 

—  0.12 

24 

8 

—  0.26 

14 

—  0.18 

17 

—  0.08 

26 

10 

-0.22 

16 

—  0.10 

15 

—  0.08 

29 

8 

-0.09 

27 

-0.17 

18 

—  0.02 

30 

7 

+  0.08 

14 

-0.25 

17 

0 

84 

20 

—  0.36 

22 

—  0.08 

35 

18 

—  0.30 

25 

—  O.Ol 

39 

23 

—  0.26 

21 

—  0.22 

40 

19 

—  0.82 

26 

—  0.22 

44 

19 

—  0.08 

9 

—  0.08 

45 

21 

-0.09 

25 

—  0.10 

49 

16 

—  0.20 

21 

—  0.10 

60 

12 

—  0.29 

22 

—  0.26 

64 

10 

—  0.19 

56 

19 

—  0.13 

59 

22 

—  0.19 

60 

17 

—  0.14 

64 

15 

—  0.19 

65 

11 

—  0.25 

69 

11 

—  0.18 

70 

5 

—  0.10 

74 

75 

76 

79 

80 

>80 

Summe 

58 

-9.86 

159 

—  26.99 

888 

—  46.95 

526 

—  37.81 

Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  tclescopisehen  Sterne,        1^5 


8.4,  8.5,  8.6,  8.7. 

20 

IV 

ni 

II 

I 

—  0.11 

6 

+  0.03 

18 

—  0.09 

10 

—  0.06 

4 

-f-  0.04 

11 

—  0.06 

24 

—  0.04 

10 

—  0.13 

15 

+  0.12 

9 

—  0.09 

7 

+  0.21 

16 

—  0.02 

13 

—  0.08 

6 

1  +  0.11 

8 

H-  0.03 

6 

—  0.09 

19 

+  0.05 

13 

+  O.Ol 

16 

—  0.05 

6 

—  O.Ol 

10 

-  0.13 

4 

—  O.Ol 

5 

-  0.04 

5 

—  0.19 

11 

—  0.02 

7 

-  0.05 

6 

+  O.Ol 

4 

—  0,18 

12 

—  0.26 

11 

—  0.12 

8 

—  0.26 

2 

—  0,40 

9 

—  0.08 

8 

—  0.14 

6 

—  0.21 

10 

—  0.24 

10 

—  0.19 

6 

-  0.22 

5 

—  0.24 

1 

—  0.61 

14 

—  0.29 

11 

—  0.23 

4 

—  0.32 

7 

—  0.82 

13 

+  0.08 

7 

—  0.25 

7 

-  0.25 

2 

—  0.81 

13 

—  O.Ol 

10 

—  0.32 

5 

—  0.38 

3 

—  0.26 

16 

—  0.24 

6 

—  0.27 

5 

—  0.1 1 

3 

—  0.08 

18 

—  0.20 

8 

—  0.26 

8 

—  0.30 

10 

—  0.09 

14 

—  0.32 

4 

—  0.41 

2 

—  0.37 

7 

—  0.51 

20 

-  0.29 

5 

—  0.47 

4 

—  0.26 

1 

—  0.57 

9 

—  0.26 

7 

—  0.17 

5 

—  0.45 

3 

—  0.29 

16 

—  0.?2 

5 

0.22 

6 

—  0.34 

3 

—  0.89 

20 

;  —  0.10 

5 

—  0.30 

5 

—  0.18 

11 

—  0.21 

4 

—  0.37 

0 

—  0.19 

15 

—  0.21 

8 

+  0.03 

3 

—  0.23 

6 

—  0.19 

6 

—  0.14 

6 

-  0.19 

17 

—  0.07 

11 

—  0.36 

8 

—  0.19 

16 

-  0.31 

3 

—  0.23 

3 

—  0.59 

â–  

11 

—  0.09 

11 

—  0.18 

3 

—  0.08 

7 

—  0.21 

8 

—  0.05 

2 

-  0.45 

11 

0.00 

18 

—  0.17 

8 

—  0.10 

4 

—  0.10 

4 

—  0.03 

5 

—  0.08 

60 

—  0.06 

36 

—  0.09 

13 

+  0.06 

10 

+  0.03 

10 

—  0.06 

4 

—  0.02 

7 

0.00 

2 

-  0.28. 

11 

+  0.09 

9 

—  0.13 

507 

! 

1 

i 

1 

—  58.80 

1 
1 

1 

289 

1 
—  39.62  i 

196 

-  28.14 

I 

! 

1 

73 

1 
1 

—  17.11 

166 


Sitzung  der  mathrphys,  Classe  wm  5.  März  1898, 


Grösse  8.8, 


VIII 

VII 

VI 

V 

+00 

27 

—  0.30 

25 

—  0.28 

42 

+ 

O.Ol 

48 

+  0.05 

1 

9 

—  0.16 

17 

—  0.12 

20 

— 

0.06 

16 

+  0.07 

4 

18 

—  0.26 

20 

—  0.31 

23 

— 

0.16 

80 

-f  0.02 

5 

11 

—  0.83 

17 

—  0.25 

25 

0.23 

23 

—  0.01 

9 

4 

—  0.82 

16 

—  0.14 

26 

— 

0.15 

19 

+  0.03 

10 

14 

—  0.29 

20 

—  0.20 

21 

— 

0.16 

85 

+  0.03 

14 

12 

—  0.31 

24 

— 

0.13 

20 

—  0.02 

15 

17 

—  0.18 

13 

— 

0.11 

17 

0.00 

19 

21 

—  0.35 

17 

— 

0.26 

22 

0.00 

20 

18 

—  0.32 

11 

0.82 

25 

—  0.16 

24 

18 

—  0.24 

19 

— 

0.38 

26 

—  0.19 

26 

9 

—  0.30 

8 

— 

0.27 

25 

—  0.10 

29 

8 

—  0.26 

19 

— 

0.31 

28 

—  0.09 

80 

11 

-  0.26 

82 

0.23 

29 

—  0.14 

84 

41 

— 

0.29 

80 

—  0.04 

85 

26 

— 

0.34 

24 

0.19 

89 

27 

— 

0.38 

28 

—  0.14 

40 

29 

0.38 

82 

—  0.32 

44 

18 

— 

0.26 

27 

—  0.22 

45 

23 

— 

0.22 

22 

—  0.28 

49 

28 

— 

0.82 

30 

—  0.27 

50 

16 

— 

0.26 

21 

—  0.26 

54 

34 

—  0.26 

55 

81 

—  0.15 

59 

26 

—  0.19 

60 

21 

—  0.24 

64 

14 

—  0.18 

65 

13 

—  0.30 

69 

11 

-  0.12 

70 

9 

—  0.06 

74 

75 

76 

79 

80 

• 

>80 

Summe 

88 

—  23.88 

224 

—  56.08 

508 

116.88 

781 

—  89.58 

Hugo  Seeliger:  Grössenklasaen  der  teleseopischen  Sterne,        1Ö7 


a9,  9.0. 


IV 

III 

II 

I 

26 

^_ 

0.21 

24 

^^amm 

0.28 

25 

—  0.32 

19 

— 

0.31 

11 



0.26 

12 

—  0.41 

84 

— 

0.08 

18  1 



0.15 

19 

—  0.28 

14 

— 

0.07 

10 



0.19 

9 

--  0.32 

28 

— 

0.08 

4 



0.07 

12 

—  0.21 

8 

—  0.31 

23 

— 

0.05 

7 



0.09 

14 

—  0.28 

7 

—  0.46 

18 

— 

0.18 

16 



0.18 

11 

—  0.07 

3 

—  0.42 

20 

— 

0.06 

18 



0.18 

7 

—  0.22 

6 

—  0.20 

14 

— 

0.26 

10 



0.35 

4 

—  0.88 

4 

—  0.84 

12 

— 

0.24 

8 



0.20 

4 

—  0.35 

5 

—  0.18 

17 

0.28 

11 



0.25 

3 

—  0.49 

6 

—  0.32 

16 

— 

0.87 

7 



0.87 

12 

—  0.36 

6 

—  0.46 

15 

— 

0.09 

9 



0.37 

6 

-  0.89 

9 

—  0.53 

15 

— 

0.16 

17 

0.18 

6 

—  0.42 

3 

—  0.43 

19 

«M^« 

0.18 

5 



0.46 

7 

—  0.44 

; 

—  0.22 

15 



0.84 

8 

0.89 

6 

—  0.20 

8 

—  0.31 

21 

— 

0.88 

6 



0.82 

9 

—  0.31 

8 

—  0.40 

25 



0.41 

9 

0.32 

5 

—  0.34 

5 

—  0.56 

16 



0.32 

13 

0.42 

6 

—  0.59 

4 

~  0.25 

6 



0.37 

10 



0.45 

11 

—  0.50 

3 

-  0.52 

25 



0.20 

9 



0.37 

18 

—  0.33 

18 



0.26 

6 



0.40 

12 

—  0.88 

14 



0.27 

9 



0.21 

5 

—  0.19 

20 



0.27 

5 



0.08 

10 

—  0.15 

16 



0.31 

11 

0.16 

5 

—  0.37 

9 



0.21 

18 



0.20 

4 

—  0.60 

15 



0.12 

6 



0.21 

9 

—  0.29 

18 



0.08 

11 



0.20 

7 

—  0.21 

22 



0.12 

20 



0.06 

10 



0.12 

11 



0.09 

15 



0.08 

10 

0.16 

72 



0.14 

51 

0.14 

21 



0.07 

9 



0.02 

16 



0.09 

10 



0.15 

• 

7 

+ 

0.10 

4 



0.30 

17 

0.08 

5 

â–  

0.15 

1 

i 

673 

—  1 

122.63 

406 

86.38 

258 

—  81.56 

80 

1 

—  30.24 

168 


Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  Märt  1898. 


Grösse  9.1, 

VIII 

VII 

VI 

V 

0—  1» 

1 

—  0.27 

3 

-0.13 

6 

+ 

0.06 

11 

+   0.02 

4—  6 

2 

—  0.83 

9 

—  0.21 

2 

0.11 

13 

—   0.06 

9-10 

4 

—  0.86 

9 

-  0.11 

9 

+ 

0.03 

7 

-+-   0.16 

14—15 

12 

—  0.30 

U 

0.21 

7 

—   0.07 

19-20 

— 

— 

4 

0.06 

8 

—    0.16 

24—25 

6 

—  0.14 

2 

— 

0.16 

6 

—    0.27 

29—30 

3 

—  0.18 

4 

— 

0.24 

11 

-    0.22 

84—35 

8 

— ~ 

0.35 

14 

—   0.15 

39-40 

9 

— 

0.86 

6 

—    0.07 

44-45 

16 

0.25 

21 

-    0.21 

49-50 

• 

9 

— 

0.19 

6 

—    0.21 

54-55 

4 

—    0.86 

59—60 

12 

—    0.10 

64-65 

1 

—    0.40 

69-70 

7 

—    0.11 

74—75  ' 

— 

— 

76,79-80 

10 

+   0.06 

>80 

1 

+    0.07 

Summe 


—  2.36 


42 


-8.29 


80 


—  15.10 


145 


—  17.14 


Hwfo  Seeliger:  QrössenMassen  der  telescopischen  Sterne,        169 


9.2. 


IV 

III 

II 

I 

9 
6 

4 
3 

14 

10 
6 

11 
4 

18 
3 
3 
6 
2 
6 

25 
7 
1 

—  0.24 

—  0.12 
+  0.12 

—  0.18 

—  0.21 

—  0.29 

—  0.27 

—  0.12 

—  0.06 

—  0.19 

—  0.18 

—  0.86 

—  0.18 

—  0.10 

—  0.23 

—  0.08 
+  0.11 

—  0.23 

7 

3 

3 

11 

8 
4 

1 
11 

5 
2 
7 
2 
6 

13 
16 

—  0.47 
+  0.16 

—  0.09 

—  0.22 

—  0.40 

—  0.27 

—  0.66 

—  0.24 

—  0.29 

—  0.46 

—  0.35 

—  0.09 

—  0.08 

—  0.19 

—  0.02 

3 
3 
3 
10 
6 
5 

6 
5 
5 

7 
4 
4 
5 

—  0.33 

—  0.19 

—  0.30 

—  0.23 

—  0.42 

—  0.51 

—  0.37 

—  0.41 

—  0.36 

—  0.36 

—  0.32 

—  0.66 

—  0.16 

2 

2 
3 
3 
5 
3 
5 
4 

—  0.05 
+  0.04 

—  0.38 

—  0.46 

—  0.43 

—  0.38 

—  0.56 

—  0.47 

137 

-  21.03 

99 

—  21.20 

65 

—  22.19 

27 

—  10.52 

170 


Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  5.  Mars  1698, 


Die  vorstellenden  Tabellen  vereinigen  10660  Vergleicli- 
ungen.  Ein  blosser  Anblick  der  Zahlen  bestätigt  die  schon 
oben  gemachte  Bemerkung,  da.ss  die  einzelnen  Himmelsgegenden 
(hier  Declinationsgrade)  ausgeprägte  systematische  Abweich- 
ungen zeigen. 

Um  über  diese  sehr  deutliche  und  systematische  Abhängig- 
keit der  Bonner  Grössenscala  von  der  Declination  eine  bessere 
Uebersicht  zu  gewinnen,  mögen  die  mit  Rücksicht  auf  die 
Stemzahlen  gebildeten  Mittel  der  in  horizontaler  Reihe  stehenden 
Abweichungen  D.M, — U.R.  mitgetheilt  werden.  Ich  habe  gleich 
2  Declinationsgrade  vereinigt  und  das  resultirende  Mittel  dem 
einfachen  Mittel  der  Declination  zugeordnet. 


d 

6.3—6.7»" 

d       6.8-7.2^ 

7.3 -7.7m 

7.8—8.2°» 

8.3-8.7ra 

8.8—9.2« 

3?0 

+0.187 

10      H 

-0.167 

+0.105 

+0.124 

-0.016 

—0.156 

12.5 

—0.065 

5        H 

-0.203 

+0.125 

+0.161 

—0.038 

-0.158 

22.5 

—0.038 

10 

-0.161 

+0.120 

+0.043 

—0.019 

-0.118 

82.5 

-f-0.019 

15 

-0.033 

—0.011 

—0.033 

—0.065 

—0.149 

42.5 

-0.055 

20 

-0.042 

-0.036 

—0.112 

—0.169 

-0.242 

52.5 

—  0.056 

25 

-0.078 

—0.05 1 

—0.051 

—0.183 

-0.276 

62.5 

-0.041 

30 

-0.040 

+0.004 

—0.026 

-0.121 

-0.228 

72.5 

-0.079 

35 

-0.117 

—0.083 

—0.134 

-0.188 

-0.244 

75.5 

+0.013 

40 

-0.119 

—0.140 

—0.173 

—0.291 

—0.329 

46 

-0.042 

—0.194 

—0.170 

—0.167 

-  0.301 

50 

-0.134 

-0.157 

-0.188 

-0.193 

-0.281 

55 

-  0.046 

—0.131 

-0.130 

-0.151 

-0.224 

60 

-0.093 

—0.145 

—0.113 

-0.210 

-  0.242 

65 

-0.232 

—0.032 

—0.188 

-0.170 

-0.189 

70 

-0.167 

—0.204 

—0.098 

-0.117 

-0.113 

75 

-0.123 

-0.127 

—0.122 

—0.070 

—0.117 

78 

-0.110 

-0.108 

—0.056 

+0.011 

—0.043 

>800       - 

-0.070 

+0.053 

—0.006 

-0.026 

-0.063 

Die  einzelnen  Werthe  schwanken  zwar  nicht  unbeträcht- 
lich in  unregelinässiger  Weise  hin  und  her,  aber  ein  durchaus 
systematisch  von  der  Declination  abhängiger  Gang  ist  unver- 
kennbar. Dieser  letztere  ist  keineswegs  durch  den  verschie- 
denen Antlieil,  mit  welchem  die  einzelnen  Zonen  an  den  Mitteln 
theilnehmen,  zu  erklären,  sondern  thatsächlich  zeigt  die  in  Bonn 
angewandte  Helligkeitsscala  beträchtliche  Schwankungen,  welche 
von  zwei  Argumenten,  der  Rectascension  und  Declination,  oder, 
wie  hier  die  Anordnung  geschah,  der  Declination  und  der 
Zone,  abhängig  ist.    Man  wird  deshalb  auch  die  Resultate  der 


Itugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne,         1/1 


obigen  Tabellen  nicht  durch  einfacher  verlaufende  Zahlenreihen 
so  darstellen  können,  dass  ihre  Anwendung  in  allen  Füllen  zu 
empfehlen  wäre,  vielmehr  wird  man  am  besten  immer  auf  die 
ursprĂĽnglichen  Tabellen  zurĂĽckgehen. 

Der  Einfluss  der  StemfĂĽUe  bezw.  die  Lage  der  betreffenden 
Sterne  zur  Milchstrasse  tritt  besonders  bei  den  schwächeren 
Sternen  ĂĽberaus  deutlich  hervor.  Besonders  auffallend  wird 
diese  Erscheinung,  wenn  man  die  Mittel  der  Differenzen  fĂĽr 
jede  Zone  und  Grössengruppe  bildet.     Es  findet  sich: 


6.3— 6.7m 

6.8—7.2"» 

7.3-7.7"» 

Zone    A 

Ă„ 

F 

A 

A 

F 

A 

A 

F 

VIII  —0.120 

3  - 

-0.023 

+0.188 

11 

-0.066 

+0.121 

15 

—0.077 

VII  —0.051 

42 

21 

—0.058 

70 

63 

—0.029 

89 

76 

VI  —0.040 

144 

14 

—0.084 

202 

56 

—0.110 

201 

66 

V  —0.003 

203 

09 

0.044 

288 

51 

—0.027 

344 

56 

IV  —0.019 

171 

16 

—0.042 

266 

58 

—0.076 

322 

68 

III  —0.033 

118 

22 

—0.060 

168 

64 

—0.079 

212 

76 

11  +0.028 

70 

24 

—0.063 

99 

6(3 

—0.113 

147 

79 

I  +0.076 

28 
779 

24 

—0.161 

5, 

5 
9 

66 

—0.085   67 
—0.060  1387 

79 

Mittel  -0.016 

—0.059  1 13' 

7.8-8.2ni 

8.3-8 

jm 

Zone 

A 

Ă„ 

F 

A 

A 

F 

VIII   +0.067 

21 

-0.087 

— 

-0.186 

63 

-  0.156 

VII   - 

0.023 

111 

83 

- 

-0.164 

159 

148 

VI   - 

0.109 

247 

62 

— 

-0.121 

388 

109 

V   - 

-  0.047 

389 

47 

- 

-  0.072 

526 

079 

IV   - 

0.067 

410 

i 

38 

- 

-0.116 

607 

121 

III   - 

0.067 

227 

84 

- 

-0.137 

289 

151 

II   - 

•0.118 

143 

89 

— 

-  0.144 

196 

161 

I   - 

â–   0.107 

51 

91 

— 

-  0.234 

73 

164 

Mittel  - 

-  0.069 

1599 

- 

-0.121 

2191 

8.8 

-9.0" 

9.1— 9.2m 

8.8- 

-9.2«» 

Zone     A 

Ă„ 

A 

A 

A 

A 

F 

VIII   —0.281 

83 

- 

-  0.337 

7 

—  0.2 

B6    90 

-  0.270 

VII   -  0.250   224 

- 

-  0.200 

42 

—  0.2 

42   266 

256 

VI   —  0.229   508 

- 

-  0.189 

80 

-0.2 

28   688 

183 

V   —0.123   731 

- 

-0.118 

145 

—  0.1 

22   876 

125 

IV   —0.182   673 

- 

-0.154 

137 

-o.r 

77   810 

204 

III   —0.213   406 

- 

-  0.214 

99 

-0.2 

13   506 

261 

II   —0.316   268 

- 

-  0.341 

66 

—  0.3 

21   323 

280 

I   —  0.378 

80 

- 

-  0.390 

27 

-0.3i 

31   107 

285 

Mittel  —0.205  2963 

- 

-  0.196 

60 

2 

—  0.2( 

1)3  3565 

Die  Rubrik  J  enthält  die  Mittelwerthe  der  Differenzen  der 
Grössenangaben    D.M, — if.Ti.,    die   danebenstehenden  Ä   be- 


172  Sitzmig  der  maihrphys.  Classe  vom  5.  März  1898, 

deuten  die  Anzahl  der  benützten  Sterne.  F  soll  später  erklärt 
werden.  Man  sieht,  dass  im  Allgemeinen  nur  jene  A  von  einem 
ziemlich  regelmässigen  Verlaufe  abweichen,  bei  denen  A  relativ 
klein  ist.  Die  Differenzen  fĂĽr  Zone  VIII  in  den  ersten  4  und 
für  Zone  I  für  die  3  ersten  Gruppen  sind  thatsächUch  ganz 
unsicher  und  wĂĽrden  am  besten  als  unbestimmbar  fortzulassen 
sein.  Man  wird,  was  sich  aus  anderen  GrĂĽnden  empfehlen  wird, 
mdessen  diese  Unsicherheit  auch  zum  Ausdrucke  bringen,  wenn 
man  Ä  als  die  Gewichte  der  zugehörigen  A  ansieht. 

Die  zuletzt  angefĂĽhrten  Tabellen  geben  die  aus  den  an- 
gestellten Vergleichungen  direct  hervorgehenden  Mittelzjihlen. 
Um  aber  eine  bessere  Uebersicht  über  die  Abhängigkeit  der 
Bonner  Sternschätzungen  von  der  Lage  zur  Milchstrasse  zu 
erlangen,  wird  es  sich  empfehlen,  mit  einer  entsprechenden 
Genauigkeit  die  A  durch  eine  Interpolationsformel  darzustellen. 
Es  gelingt  dies  in  der  That  in  recht  befriedigender  Weise 
durch  eine  Formel  mit  verhältnissmässig  wenig  Constanten. 
Die  einzelnen  Zonen  kann  man  durch  ihre  mittlere  StemfĂĽUe 
—  Anzahl  aller  in  der  D.M.  enthaltenen  Sterne  auf  dem 
Areale  eines  Quadratgrades,  was  natürlich  eine  zunächst  will- 
kürliche Annahme  bildet  —  characterisiren.  Setzt  man  für  die 
Milchstrassenzone  V  die  StemfĂślle  2)  =  1,  so  kann  man  an- 
nehmen, wenn  noch  d  =  D  —  0.7  gesetzt  wird: 


Zone 

J) 

A 

VIII 

0.41 

0.29 

VII 

0.47 

0.23 

VI 

0.77 

+  0.07 

V 

1.00 

+  0.30 

IV 

0.68 

—  0.02 

III 

0.45 

0.25 

TI 

0.37 

0.33 

I 

0.35 

—  0.35 

Es  sei  m  der  Ueberschuss  der  Stemgrösse  jeder  der  Gruppen  über 
6.5,  also  der  Reihe  nach  0,  0.5,  1,0,  .  .  2.5,  //,„  die  Helligkeit 
eines  Sternes  von  der  Grösse  m,  wobei  Ae.5  =  1   angenommen 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne,         17*3 

wird.  Nimmt  man  die  Helligkeitsscala,  welche  der  H.IL  zu 
Grunde  liegt,  so  ist  log  Am_i  —  log  A«  =  0.4  und  1  ihm  hat  für 
die  6  Gruppen  der  Reihe  nach  die  Werthe : 

1,  1.58,  2.51,  3.98,  6.31,  10.00 

Dann  hat  eine  Ueberschlagsrechnung  ergeben,  dass  die 
besser  bestimmten  DiflFerenzen  der  obigen  Tabelle  sich  durch 
eine  Formel  von  der  Form: 


befriedigend  darstellen  lassen,  c^  ist  eine  der  betreffenden  Gruppe 
eigenthtimliche  Zahl.  Den  vorliegenden  48  Differenzen  wurden 
die  Gewichte  Ă„  gegeben,  der  Einfachheit  wegen  wurde  indessen 
für  Yä  die  nächstgelegene  ganze  Zahl  angesetzt.  Die  48  Be- 
dingungsgleichungen enthalten  9  Unbekannte,  nämlich  (?6.5, 
^7.0  .  .  ^9.0,  ot,  Ăźi  y-  Die  Aufstellung  der  Normalgleichungen 
nach  der  Methode  der  kl.  Quadr.  und  ihre  Auflösung  ist  ver- 
hältnissmässig  einfach,  da  sich  immer  nur  ein  Theil  derselben 
zusammenfindet.  Wegen  des  interpolatorischen  Charakters  der 
ganzen,  im  Uebrigen  nach  allen  Richtungen  controllirten  Rech- 
nung hätte  es  kein  Interesse  mehr  als  das  Endresultat  anzu- 
fĂĽhren.    Es  ergab  sich: 


n.ÄL—iin,  =  c.n  —  0.014  d 


OM^  (dm)  -\-  0M68  (j-j 


worin 


^C5 

= 

O.Ol« 

^7  0 

— 

0.058 

^75 

— — 

O.0G7 

^8  0 

0.0(57 

^86 

0.118 

^90 

0.199 

also  fĂĽr 


lf)8 


Sitzung  der  tnath.-phy$.  Cleuse  vom  5.  März  1898. 


Grösse  9.1, 

VIII 

VII 

VI 

V 

0—  1» 

1 

—  0.27 

3 

-0.13 

6 

+   0.05 

11 

+    0.02 

4—  6 

2 

—  0.83 

9 

—  0.21 

2 

—   0.11 

13 

—   0.06 

9—10 

4 

—  0.36 

9 

-  0.11 

9 

+   0.08 

7 

-f   0.16 

14—16 

12 

—  0.30 

11 

—    0.21 

7 

—   0.07 

19-20 

— 

— 

4 

—   0.06 

8 

—   0.16 

24—25 

6 

—  0.14 

2 

—   0.16 

6 

—   0.27 

29—30 

3 

—  0.18 

4 

—    0.2  i 

11 

—    0.22 

84-35 

8 

0.35 

14 

0.15 

39—40 

9 

—    0.36 

6 

—    0.07 

44-45 

16 

—   0.26 

21 

—    0.2  ^ 

49-50 

• 

9 

-    0.19 

6 

—    0.21 

54—65 

4 

—    0.86 

59—60 

12 

—    0.10 

64-65 

1 

—    0.40 

69-70 

7 

—   0.11 

74-75  » 

76,  79-80 

10 

+   0.06 

>80 

1 

+    0.07 

Summe 


—  2.86 


42 


8.29 


80 


—  15.10 


145 


—  17.14 


Hugo  Seeliger:  Grössenldassen  der  telescopischen  Sterne,        169 


9.2. 


IV 

III 

II 

I 

9 

—   0.24 

7 

—   0.47 

3 

—   0.33 

6 

—   0.12 

3 

+   0.16 

3 

—   0.19 

4 

+   0.12 

3 

—    0.09 

3 

—   0.30 

2 

—   0.05 

3 

—   0.18 

11 

—    0.22 

10 

—   0.23 

2 

+   0.04 

14 

—    0.21 

8 

-    0.40 

6 

—   0.42 

3 

—    0.38 

10 

—   0.29 

4 

—    0.27 

5 

—   0.51 

3 

—   0.46 

5 

—    0.27 

1 

—    0.66 

— 

5 

—    0.43 

11 

—   0.12 

11 

—    0.24 

5 

—   0.37 

3 

—    0.38 

4 

—    0.06 

5 

—    0.29 

5 

—   0.41 

5 

—   0.56 

18 

—   0.19 

2 

—    0.45 

5 

—    0.35 

4 

-    0.47 

S 

—   0.18 

7 

—    0.36 

7 

—   0.35 

S 

—   0.36 

2 

—   0.09 

4 

—    0.32 

6 

—    0.18 

6 

—    0.08 

4 

—    0.56 

2 

—   0.10 

— 

— 

5 

—    0.16 

6 

—   0.28 

13 

—    0.19 

25 

—    0.08 

16 

—    0.02 

7 

•+-   0.11 

1 

—    0.23 

137 

-  21.03 

99 

—  21.20 

65 

—  22.19 

27 

—  10.52 

170  Sitzung  der  mathrphys,  Clastte  vom  5,  März  1698, 


Die  vorstehenden  Tabellen  vereinigen  10660  Vergleich- 
ungen.  Ein  blosser  Anblick  der  Zahlen  bestätigt  die  schon 
oben  gemachte  Bemerkung,  dass  die  einzelnen  Himmelsgegenden 
(hier  Declinationsgrade)  ausgeprägte  systematische  Abweich- 
ungen zeigen. 

Um  über  diese  sehr  deutliche  und  systematische  Abhängig- 
keit der  Bonner  Grrössenscala  von  der  Declination  eine  bessere 
Uebersicht  zu  gewinnen,  mögen  die  mit  Rücksicht  auf  die 
Stemzahlen  gebildeten  Mittel  der  in  horizontaler  Reihe  stehenden 
Abweichungen  D.M, — U.R.  mitgetheilt  werden.  Ich  habe  gleich 
2  Declinationsgrade  vereinigt  und  das  resultirende  Mittel  dem 
einfachen  Mittel  der  Declination  zugeordnet. 


d 

6.3— 6.7"i 

d       6.8- 7.2m 

7.3—7.7™ 

7.8—8.2«! 

8.3-8.7ra 

8.8—9.2" 

3?0 

+0.187 

10      H 

-0.167 

+0.105 

+0.124 

-0.016 

—0.166 

12.5 

+0.065 

5        H 

-0.203 

+0.125 

+0.161 

—0.038 

-0.168 

22.5 

—0.038 

10 

-0.161 

+0.120 

+0.043 

—0.019 

-0.118 

82.5 

+0.019 

15 

-0.033 

—0.011 

—0.033 

—0.066 

—0.149 

42.5 

—0.055 

20 

-0.042 

-0.036 

—0.112 

—0.169 

-0.242 

52.5 

—  0.056 

25 

-0.078 

—0.05 1 

-0.051 

—0.183 

-0.276 

62.5 

-0.041 

30 

-0.040 

+0.004 

—0.026 

-0.121 

-0.228 

72.5 

-0.079 

35 

-0.117 

—0.083 

—0.184 

-  0.188 

-0.244 

75.6 

+0.013 

40 

-0.119 

—0.140 

—0.173 

—0.291 

-0.329 

46 

-0.042 

-0.194 

—0.170 

—0.167 

-  0.301 

50 

-0.134 

-0.157 

-0.188 

-0.193 

-0.281 

55 

-  0.046 

—0.131 

-0.130 

—0.151 

-0.224 

60 

-0.093 

—0.146 

—0.113 

-0.210 

-  0.242 

65 

-0.282 

—0.032 

—0.188 

-0.170 

-0.189 

70 

-0.167 

—0.204 

—0.098 

-0.117 

—0.113 

75 

-0.123 

-0.127 

-0.122 

—0.070 

-0.117 

78 

-0.110 

-0.108 

-0.056 

4-0.011 

—0.043 

>800       - 

-0.070 

+0.053 

—0.006 

-0.026 

-0.063 

Die  einzelnen  Werthe  schwanken  zwar  nicht  unbeträcht- 
lich in  unregelmä.ssiger  Weise  hin  und  her,  aber  ein  durchaus 
systematisch  von  der  Declination  al)hilngiger  Gang  ist  unver- 
kennbar. Dieser  letztere  ist  keineswegs  durch  den  verschie- 
denen Antheil,  mit  welchem  die  einzelnen  Zonen  an  den  Mitteln 
theilnehmen,  zu  erklären,  sondern  thatsächlich  zeigt  die  in  Bonn 
angewandte  Helligkeitsscala  beträchtliche  Schw^ankungen,  welche 
von  zwei  Argumenten,  der  Rectascension  und  Declination,  oder, 
wie  hier  die  Anordnung  geschah,  der  Declination  und  der 
Zone,  abhängig  ist.    Man  wird  deshalb  auch  die  Resultate  der 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne,         1  / 1 


obigen  Tabellen  nicht  durch  einfacher  verlaufende  Zahlenreihen 
so  darstellen  können,  dass  ihre  Anwendung  in  allen  Füllen  zu 
empfehlen  wäre,  vielmehr  wird  man  am  besten  immer  auf  die 
ursprĂĽnglichen  Tabellen  zurĂĽckgehen. 

Der  Einfluss  der  StemfĂĽUe  bezw.  die  Lage  der  betreffenden 
Sterne  zur  Milchstrasse  tritt  besonders  bei  den  schwächeren 
Sternen  ĂĽberaus  deutlich  hervor.  Besonders  auffallend  wird 
diese  Erscheinung,  wenn  man  die  Mittel  der  Differenzen  fĂĽr 
jede  Zone  und  Grössengruppe  bildet.     Es  findet  sich: 


6.3— 6.7m 

6.8— 7.2m 

7.3-7.7™ 

Zone    A 

Ă„ 

F 

A 

A 

F 

A 

A 

F 

VIII  —0.120 

3  - 

-0.023 

+0.188 

11 

-0.065 

-H).i2i 

15 

—0.077 

VII  —0.051 

42 

21 

—0.058 

70 

63 

—0.029 

89 

75 

VI  —0.040 

144 

14 

0.084 

202 

56 

—0.110 

201 

65 

V  —0.003 

203 

09 

—0.044 

288 

51 

—0.027 

344 

56 

IV  —0.019 

171 

16 

—0.042 

256 

58 

—0.076 

322 

68 

III  —0.033 

118 

22 

—0.060 

158 

64 

—0.079 

212 

76 

11  +0.028 

70 

24 

-  0.063 

99 

6(3 

—0.113 

147 

79 

I  +0.075 

28 
779 

24 

—0.161 

5i 

5 

66 

—0.085 

57 
[387 

79 

Mittel  —0.015 

-0.059  113< 

—0.060  ] 

7.8 -8.2m 

8.3-8 

.7" 

Zone 

A 

A 

F 

A 

A 

F 

VIII   +  0.067 

21 

-  0.087 

-  0.186 

53 

-  0.156 

VII   - 

0.023 

111 

i 

33 

-0.164 

159 

148 

VI   - 

-  0.109 

247 

( 

S2 

-0.121 

388 

109 

V   - 

-  0.047 

389 

i 

il 

-  0.072 

526 

079 

IV   - 

-  0.067 

410 

( 

S8 

-0.116 

507 

121 

III   - 

0.067 

227 

( 

34 

-0.137 

289 

151 

II   - 

-0.118 

143 

i 

39 

-  0.144 

196 

101 

I   - 

-  0.107 

51 

< 

n 

-  0.234 

73 

164 

Mittel  - 

-  0.069 

1599 

-0.121 

2191 

8.8 

1-9.0" 

9.1— 9.2'n 

8.8- 

-9.2m 

Zone     A 

Ă„ 

A 

A 

A 

A 

F 

VIII   —  0.281 

83 

- 

-  0.337 

7 

—  0.2 

86    90 

-  0.270 

VII   -  0.250   224 

- 

-0.200 

42 

—  0.2 

42   266 

256 

VI   —  0.229   508 

- 

-  0.189 

80 

—  0.2 

23   588 

183 

V   —0.123   731 

- 

-0.118 

145 

—  0.1 

22   876 

125 

IV   —0.182   673 

- 

-0.154 

137 

-O.l 

77   810 

204 

III   —0.213   406 

- 

-0.214 

99 

-0.2 

13   505 

261 

II   —  0.316   258 

- 

-  0.341 

65 

—  0.3 

21   323 

280 

I   —  0.378 

80 

- 

-0.390 

27 

-0.3 

81   107 

285 

Mittel  -0.205  2963 

- 

-  0.196 

60 

12 

—  0.2 

03  3565 

Die  Rubrik  A  enthält  die  Mittelwerthe  der  Differenzen  der 
Grös.senangaben    D.M.  —  H.R.,    die    danebenstehenden   Ä   be- 


172  Sitzung  der  maihrphys,  Classe  vom  5.  März  1898, 

deuten  die  Anzahl  der  benützten  Sterne.  F  soll  später  erklärt 
werden.  Man  sieht,  dass  im  Allgemeinen  nur  jene  A  von  einem 
ziemlich  regelmässigen  Verlaufe  abweichen,  bei  denen  Ä  relativ 
klein  ist.  Die  Differenzen  fĂĽr  Zone  VIII  in  den  ersten  4  und 
für  Zone  I  für  die  3  ersten  Gruppen  sind  thatsächlich  ganz 
unsicher  und  wĂĽrden  am  besten  als  unbestimmbar  fortzulassen 
sein.  Man  wird,  was  sich  aus  anderen  GrĂĽnden  empfehlen  wird, 
indessen  diese  Unsicherheit  auch  zum  Ausdrucke  bringen,  wenn 
man  Ä  als  die  Gewichte  der  zugehörigen  J  ansieht. 

Die  zuletzt  angefĂĽhrten  Tabellen  geben  die  aus  den  an- 
gestellten Vergleichungen  direct  hervorgehenden  Mittelzahlen. 
Um  aber  eine  bessere  Uebersicht  über  die  Abhängigkeit  der 
Bonner  Sternschätzungen  von  der  Lage  zur  Milchstrasse  zu 
erlangen,  wird  es  sich  empfehlen,  mit  einer  entsprechenden 
Genauigkeit  die  A  durch  eine  Interpolationsformel  darzustellen. 
Es  gelingt  dies  in  der  That  in  recht  befriedigender  Weise 
durch  eine  Formel  mit  verhältnissmässig  wenig  Constanten. 
Die  einzelnen  Zonen  kann  man  durch  ihre  mittlere  StemfĂśUe 
—  Anzahl  aller  in  der  D,M.  enthaltenen  Sterne  auf  dem 
Areale  eines  Quadratgrades,  was  natürlich  eine  zunächst  will- 
kürliche Annahme  bildet  —  characterisiren.  Setzt  man  für  die 
Milchstrassenzone  V  die  StemfĂĽlle  D  =  1,  so  kann  man  an- 
nehmen, wenn  noch  d  =  D  —  0.7  gesetzt  wird: 


Zone 

n 

d 

VIII 

0.41 

0.29 

VII 

0.47 

0.23 

VI 

0.77 

+  0.07 

V 

1.00 

+  0.30 

IV 

0.68 

—  0.02 

m 

0.45 

—  0.25 

II 

0.37 

0.33 

I 

0.35 

0.35 

Es  sei  m  der  Ueberschuss  der  Stenigrösse  jeder  der  Gruppen  über 
6.5,  also  der  Reihe  nach  0,  0.5,  1,0,  .  .  2.5,  //,«  die  Helligkeit 
eines  Stenies  von  der  Grösse  w,  wobei  7*6.5  =  1    angenommen 


Hugo  Seeliger:  Grössenklassen  der  telescopischen  Sterne.         173 

wird.  Nimmt  man  die  Helligkeitsscala,  welche  der  H.R.  zu 
Grunde  liegt,  so  ist  log  A^-i  —  log  Am  =  0.4  und  1 :  hm  hat  für 
die  6  Gruppen  der  Reihe  nach  die  Werthe: 

1,  1.58,  2.51,  3.98,  6.31,  10.00 

Dann  hat  eine  Ueberschlagsrechnung  ergeben,  dass  die 
besser  bestimmten  DiflFerenzen  der  obigen  Tabelle  sich  durch 
eine  Formel  von  der  Form: 


befriedigend  darstellen  lassen.  Cm  ist  eine  der  betreflfenden  Gruppe 
eigenthĂĽmliche  Zahl.  Den  vorliegenden  48  DiflTerenzen  wurden 
die  Gewichte  Ă„  gegeben,  der  Einfachheit  wegen  wurde  indessen 
für  Yä  die  nächstgelegene  ganze  Zahl  angesetzt.  Die  48  Be- 
dingungsgleichungen enthalten  9  Unbekannte,  nämlich  (?g.5, 
Ci.o  .  .  C9.01  «,  ß^  y.  Die  Aufstellung  der  Normalgleichungen 
nach  der  Methode  der  kl.  Quadr.  und  ihre  Auflösung  ist  ver- 
hältnissmässig  einfach,  da  sich  inmier  nur  ein  Theil  derselben 
zusammenfindet.  Wegen  des  interpolatorischen  Charakters  der 
ganzen,  im  Uebrigen  nach  allen  Richtungen  controUirten  Rech- 
nung hätte  es  kein  Interesse  mehr  als  das  Endresultat  anzu- 
fĂĽhren.    Es  ergab  sich: 


D,3L  —  H.R. 


m 


O.OU  <J  —  0.043  (<hu)  -f-  0.0368  (^  J 


worin 


^C5 

: 

0.01« 

^70 



0.058 

^75 



0.067 

^8  0 

0.067 

^8-5 

0.118 

/» 



0.199 

also  fĂĽr 


174  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  5.  März  1898, 


m  m 


«i  =  6.5  D.M.  — KR  =  —  0.0U  +  0.023  •  d 

7.0  —  0.058  +  0.024  •  d 

7.5  —  0.067  +  0.035  •  d 

8.0  —  0.067  +  0.068  •  <J 

8.5  —0.118 +  0.131.  a 

9.0  —  0.199  -h  0.246  •  <J 


(F) 


Das  Resultat  dieser  Formel  ist  unter  F  in  der  obigen 
Tabelle  angegeben.  Der  Anschluss  der  Zahlen  2^  an  die  J  ist, 
abgesehen  von  den  bereits  namhaft  gemachten  unsicheren  J, 
ein  ziemlich  zufriedenstellender  und  die  Formel  (F)  wird  in  vielen 
Fällen  die  frühere  Tabelle  ersetzen  können.  Die  starke  Zu- 
nahme der  Coefficienten  von  d  mit  m  ist  ganz  zweifellos,  wie 
auch  schon   der  Anblick    der  ursprĂĽnglichen  Tabellen  ergiebt. 

Die  Vergleichung  zwischen  der  sĂĽdlichen  Durchmusterung 
(S.  7).)  und  der  H.  R.  konnte  in  Anbetracht  der  weit  geringeren 
Zahl  von  Vergleichspunkten  nur  in  weniger  ausgedehntem  Masse 
durchgeführt  werden.  Es  wurden  hier  die  Sterngrössen  der  S.  D. 
in  die  4  Gruppen  zusammengefasst :  1.  Gruppe  6.6™ — 7.5™  incl., 
2.  Gruppe  7.6™-8,5™  incl.,  3.  Gruppe  8.6™-9.0™  incl.,  3a.  Gruppe 
9.1™ — 9.2™.  Die  Gruppe  3a  wurde  zunächst  aus  denselben  Grün- 
den, wie  6a  bei  der  D.M.  gebildet.  Die  Zahl  der  verfĂĽgbaren 
Differenzen  ist  bei  ihr  viel  zu  gering,  sodass  sich  nur  con- 
statiren  lässt,  dass  eine  auffallende  Abweichung  in  ihrem  Ver- 
halten gegen  die  Gruppe  3  nicht  besteht,  weshalb  nichts 
anderes  ĂĽbrig  bleibt,  als  beide  Gruppen  zu  vereinigen.  Im 
Ganzen  enthalten  die  folgenden  Tabellen  2789  Sterne,  also  etwa 
^/4  der  Anzahl,  welche  bei  der  D.  M.  angewendet  werden  konnte. 
Diese  Tabellen  sind  ganz  ähnlich  entstanden  und  angeordnet, 
wie  die  analogen  für  D.M.  Es  wäre  der  Vollständigkeit  wegen 
nur  zu  erwähnen,  dass  in  Gegenden,  wo  stärkere  negative  Diffe- 
renzen auftreten,  noch  solche  vom  Betrage  0.71  und  0.72  zuge- 
lassen und  also  nicht  ausgeschlossen  worden  sind.  Die  Grenzen 
fĂĽr  die  Zonen,  welche  manchmal  kleine  Verschiebungen  erlitten, 
wenn  sie  dadurch  in  eine  LĂĽcke  im  Verzeichnisse  der  H.R. 
fielen,  wurden  den  folgenden  Zahlen  gemäss  angenommen: 


Hu^  Seeliger:  Orosaenhlaasen  der  telescopischen  Sterne.        175 


-40    -60 

—90   —100 

— 14<*  —160  _i90   -.200 

OhQim  OhQm 

OhOm  OhOm 

Oh  0™   ClhQm  Qh  Qm    Qh  Om 

Vm    2  58    2  68 

IX     1  28     1  28 

IX    1  50    1  60    2    6    2    6 

Vn    4  48    4  48 

Vm    3  28    8  18 

Vlll    8  80    8  80    3  42    8  42 

VI    6  14    6  10 

Vli    4  55    4  55 

VII    5    0    5    0    5  18    5  13 

V    7  40    7  40 

VI    6  22    6  22 

VI    6  80    6  80    6  41     6  42 

IV    9  20    9  20 

V    7  54    7  54 

V84878  16    8  16 

m  11  12  11  12 

IV     9  88    9  36 

IV    9  48    9  64  10  15  10  15 

II  14  81  14  26 

ITT  11  45  11  45 

m  15  86  15  86  15  20  15  20 

m  16  20  16  22 

n  18  50  18  49 

IV  17  80  17  26  17  20  17  13 

IV  17  52  17  60 

III  16    1  16    1 

V  19    6  19    0  18  53  18  60 

V  19  21  19  21 

IV  17  40  17  40 

VI  20  80  20  SO  20  24  20  24 

VI  20  56  20  50 

V  19  11  19  11 

VII  22     5  22     5  21  54  21  54 

VII  22  85  22  SO 

VI  20  42  20  42 

VIII  23  33  23  33  23  20  23  20 

Vm     Oh        0J> 

VII  22  12  22  12 
Vin     0^        Ol» 

IX     0^        Ol»        0^^        Oh 

Ich  lasse  nun  die  Tabellen  fĂĽr  die  Mittelwerthe  der  Diffe- 
renzen S.D.  —  H.B.  für  die  einzelnen  Declinationsgrade  und 
Zonen  folgen. 


IdM.  Sitznngsb.  d.  math.-phys.  Gl.  12 


176 


Sitzung  der  math.'phys,  Glosse  vom  3.  Juli  1897. 


Grössen  6.6 


IX 

VIII 

VII 

VI 

—  40 

—  5 

—  9 
-10 

—  14 

—  15 

—  19 

—  20 

2 

3 
8 
7 

10 
8 

+  0.24 

—  0.31 

—  0.09 

—  0.12 
+  0.06 
-0.29 

13 

6 

10 

16 

9 

9 

12 

12 

—  0.04 

—  0.02 

—  0.03 
+  0.06 

—  0.39 

—  0.10 

—  0.05 

—  0.18 

14 
9 
16 
10 
15 
11 
18 
9 

—  0.07 
+  0.10 

—  0.05 
-0.18 
-0.04 

—  0.08 

—  0.14 

—  0.03 

14 

6 

9 

10 

12 

14 

10 

6 

+  0.19 
+  0.02 
—  0.10 
+  0.17 
+  0.26 
+  0.17 
+  0.06 
+  0.17 

Summe 

33 

—  2.23 

86 

—  7.54 

101 

—  6.70 

81 

+  10.39 

Grössen  7.6 


-    40 

— 

— 

13 

—  0.04 

27 

—  0.25 

13 

— 

-0.06 

—   6 

— 

17 

—  0.14 

16 

—  0.16 

20 

—  0.10 

—    9 

6 

—  0.06 

9 

—  0.09 

12 

—  0.05 

18 

- 

h0.13 

—  10 

7 

—  0.37 

12 

—  0.16 

7 

+  0.09 

22 

- 

ho.oi 

—  14 

10 

-0.28 

18 

-0.26 

16 

—  0.04 

11 

— 

1-0.22 

—  16 

6 

—  0.35 

11 

—  0.26 

16 

—  0.14 

10 

- 

h0.04 

—  19 

10 

—  0.31 

9 

—  0.11 

15 

—  0.06 

21 

- 

[-0.09 

—  20 

11 

—  0.27 

8 

—  0.22 

3 

—  0.03 

19 

ho.io 

Summe 

49 

—  18.11 

97 

—  16.73 

112 

—  12.74 

129 

+  5.66 

Grössen  8.6 


-  40 

— 

— 

20 

—  0.28 

15 

—  0.32 

20 

—  0.18 

—    6 

— 

— 

23 

—  0.24 

20 

—  0.27 

22 

—  0.12 

—    9 

8 

—  0.26 

12 

—  0.37 

18 

—  0.24 

16 

—  0.18 

—  10 

6 

—  0.40 

8 

—  0.46 

9 

—  0.30 

26 

—  0.08 

—  14 

9 

—  0.48 

13 

—  0.40 

9 

—  0.28 

19 

—  0.20 

—  15 

9 

—  0.41 

12 

—  0.41 

10 

—  0.19 

24 

—  0.03 

19 

6 

—  0.40 

14 

—  0.36 

8 

—  0.39 

19 

—  0.06 

—  20 

5 

-0.44 

11 

—  0.30 

19 

—  0.18 

26 

—  0.06 

Summe 

37 

-  14.92 

US 

-  37.58 

108 

—  28.17 

171 

—  17.41 

40 
—    6 

-^ 

—  9 

—  10 

— 

—  14 

—  16 

— 

—  19 

— 

—  20 

3 

Summe 

3 

—  0.28 

—  0.84 


1 
3 
2 
2 
3 
1 
4 

J_ 
17 


0.06 

3 

0.23 

8 

0.29 

5 

0.19 

1 

0.39 

2 

0.06 

4 

0.21 

3 

0.53 

3 

—  4.29 


24 


0.40 

8 

0.43 

3 

0.12 

4 

0.46 

8 

0.34 

4 

0.38 

15 

O.Ol 

6 

0.18 

8 

6.33 

51 

Grössen  9.1 


—  0.31 

—  0.23 

—  0.11 

—  0.14 
+  0.03 

—  0.04 

—  0.24 

—  0.14 

—  7.08 


H*go  Seeliger:  GTĂ–ssenklasaen  der  ulescopischen  Sttme. 


Trii  7.5  iDcl. 

V 

TV 

m 

11 

16 

—  0.03 

U 

—  0.00 

6 

—  0.13 

Ifi 

+  0.13 

9 

+  0.12 

18 

-0.92 

12 

—  QJ)i 

« 

-O.U 

11 

-0.02 

7 

-O.IĂ– 

H 

-0.03 

+  0.17 

16 

--0.10 

U 

—  0.06 

4 

+  0,02 

0.00 

Ifi 

--0.04 

18 

—  0.05 

+  0.02 

U 

-  -  O.Ol 

U 

+  0.13 

+  0.10 

12 

-O.Il 

IV 

+  0.08 

+  n.i2 

-0.03 

13 

-0.05 

111 

+  6.7tl 

107 

—  Ö.01 

loa 

—  0.80 

™ 

+  0.02 

IB 

-0.0* 

lA 

—  0.32 

7 

—  0.12 

23 

—  0.19 

1» 

-0.05- 

9 

—  OJ36 

17 

-0.12 

14 

—  0.02 

1» 

—  aiB 

16 

—  0.27 

13 

+  0.02 

4 

IH 

—  0.01 

14 

+  0.07 

as 

19 

-0.09 

20 

—  osa 

21 

—  0.19 

25 

-0.03 

17 

-  0.18? 

12 

-0.14 

1» 

+  0.01 

24 

-0.10 

20 

—  0.12 

147 

-  tt.l« 

137 

-20.50 

.SB 

-  14.65 

46 

—  3.98 

36 

—  0.06 

in 

-0.21 

16 

-0.23 

13 

—  0.28 

10 

-0.16 

17 

—  0.18 

19 

—  0.19 

80 

-0.36 

31 

-0.16 

IR 

—  0.41 

22 

29 

—  0.08 

14 

—  0.35 

21 

33 

—  0.13 

22 

-0.20 

14 

31 

-0.12 

25 

-0.27 

24 

—  0.21 

42 

+  0.01 

19 

-0.28 

2« 

—  0.09 

24 

—  0.02 

•M 

—  0.21 

29 

-0.18 

-  18.24 

156 

-  88.66 

173 

-33.01 

52 

—  12.92 

—  0.20 

-0.08 

9 

-0.38 

4 

-0.36 

—  0.11 

—  0.09 

d 

-0.81 

2 

-0.28 

—  0.22 

—  0.16 

-0.34 

—  0.26 

—  0.23 

—  O.U 

-0.06 

—  0.25 

—  0.19 

-0.38 

10 

-0.37 

U 

0.00 

6 

—  0.23 

-0.18 

•* 

+  0.01 

5 

-0.22 

-0.39 

61 

-6.01 

27 

-6.51 

61 

-19.60 

10 

-2.99 

178 


SUeung  der  maih.-phys,  Classe  f>om  5,  Märt  1898» 


Nimmt  man  die  Mittel  für  die  einzelnen  Zonen  und  Grössen- 
gruppen,  so  ergibt  sich  folgende  Zusammenstellung: 


6.6«tt- 

-7J^ 

7.6«— 8.5« 

Zone 

A 

A 

A 

A 

IX   - 

-0.068 

33 

—  0.268 

49 

vm  - 

-0.088 

86 

—  0.162 

97 

VIT   - 

-0.066 

101 

—  0.114 

112 

VI   +0.128 

81 

-t- 0.044 

129 

V   +  0.062 

111 

—  0.062 

147 

IV   - 

-0.062 

107 

—  0.150 

137 

III   - 

-0.008 

102 

—  0.110 

188 

11   +  0.021 

39 

—  a086 

46 

Mittel  - 

-0.009 

660 

—  d099 

850 

8.6«- 

-9.0» 

9.1«, 

,  9.2« 

8.6«  — 

9.2« 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

TX 

—  0.408 

87 

—  0.280 

8 

— 

'  0.394 

40 

VTII 

—  0.833 

113 

—  0.252 

17 

— 

-0.322 

180 

VU 

—  0.261 

108 

—  0.264 

24 

— 

-  0.261 

132 

VI 

—  0.102 

171 

—  0.139 

51 

— 

0.110 

222 

V 

—  0.081 

225 

—  0.098 

51 

— 

-0.084 

276 

IV 

—  0.248 

156 

—  0.204 

27 

— 

-0.241 

188 

m 

—  0.191 

173 

—  0.325 

61 

'— 

-  0.225 

284 

n 

—  0.248 

52 

—  0.299 

10 

— 

0.257 

62 

1035 


244 


—  0.197     1279 


Der  Einfluss  der  Milchstrasse  tritt  in  den  vorstehenden 
Zahlen  ĂĽberaus  deutlich  hervor,  aber  die  einzelnen  Mittelwerthe 
verlaufen  nicht  mehr  so  regelmässig,  wie  bei  der  2).3f.  Dies 
ist  zum  Theil  jedenfalls  eine  Folge  der  kleineren  Anzahl  der 
benĂĽtzten  Differenzen,  zum  Theil  aber  auch  vielleicht  eine 
Folge  davon,  dass  durch  die  stärker  wirkende  Extinction  und  die 
dadurch  bedingte  Veränderung  im  Aussehen  der  Sternbilder  die 
S.D.  grösseren  systematischen  Schätzungsfehlem  leichter  aus- 
gesetzt war.  Es  ist  auch  nicht  die  Vermuthung  abzuweisen, 
dass  die  Feldbeleuchtung,  so  sorgfaltig  ihre  Regulirung  auch 
geschehen  und  so  gering  auch  ihre  Intensität  gewesen  sein  mag, 
dabei  mitgewirkt  hat.  Auffallend  ist  auch  das  asymmetrische 
Verhalten  der  symmetrisch  gegen  die  Milchstrasse  gelegenen 
Zonen,  namentlich  der  Zonen  FV  und  VI.  Zone  VI  zeigt  ĂĽberall 
beträchtlich  grössere  Werthe  —  algebraisch  genonmien  —  als 
IV  und  bei  den  ersten  beiden  Gruppen  liegt  das  Maximum 
nicht   in  Zone  V,   sondern  in  VI.     Hier   hat   also   irgend   ein 


Hugo  Seeliger:  Oröesenklaasen  der  tdescopischen  Sterne,        179 


zweiter  Einfluss  stark  mitgewirkt  und  es  ist  von  yorherein 
klar,  dass  es  nicht  möglich  ist,  die  gefundenen  Differenzen 
durch  so  einfache  Formeln,  wie  bei  der  D.ĂĽf.,  in  gleich  be- 
friedigender Weise  darzustellen.  Um  indessen  das  Verhalten 
der  S.D.  deutlicher,  wenn  auch  nur  in  ganz  allgemeinen  ZĂĽgen, 
übersehen  zu  können  und  eine  Abschätzung  des  Einflusses  der 
Lage  zur  Milchstrasse  vornehmen  zu  können,  habe  ich  die 
Zonen  H  und  Vm,  m  und  VII,  IV  und  VI  nach  Massgabe 
der  Gewichte  Ă„  zu  Mitteln  vereinigt  und  diese  Mittelwerthe, 
mit  auf  ganze  Zahlen  abgekĂĽrzten  Wurzeln  aus  den  A,  fĂĽr 
jede  Gruppe  einzeln  durch  die  Formel 


nach  der  Methode  der  kl.  Quadr.  dargestellt  und  es  ergab  sich  so 

S.D.— KR.  =      0.000  +  0.214  d 

=  —  0.092  +  0.196  d  [  (F) 
=  —  0.192  + 0.374  a 


für  7.0»° 

t    8.0 
.  .    9.0 


Hierbei  wurde  d  fĂĽr  die  Zonen  IX,  |  (H  +  Vni),  ^  (III 
+  Vn),  I  (IV  +  VI),  V,  entsprechend  der  Anzahl  der  Sterne, 
die  in  der  S.D.  ĂĽberhaupt  vorkommen,  der  Reihe  nach  ange- 
nommen: —  0.24,  —0.23,  —0.17,  +0.05,  +0.30,  Dies  ist 
an  und  fĂĽr  sich  wieder  eine  einigermassen  willkĂĽrliche  Annahme, 
die  sich  aber  in  der  Hauptsache,  wie  eine  Vergleichung  der 
Werthe  F  und  J  in  der  folgenden  Zusammenstellung  zeigt, 
bewährt  hat. 


Zone 

6.6  «tt- 

-7.6« 

7.6»- 

-8.5  m 

8.6»- 

-9.2» 

A 

F 

A 

F 

A 

F 

IX 

—  0.068 

—  0.052 

—  0.268 

—  0.189 

-  0.894 

—  0.282 

IIa.  VIII 

—  0.064 

-0.050 

—  0.137 

—  0.137 

—  0.801 

—  0.278 

IIIU.V1I 

-  0.037 

—  0.036 

-0.112 

—  0.126 

—  0.238 

—  0.256 

IV11.VI 

+  0.026 

-- 0.011 
-- 0.064 

—  0.056 

—  0.082 

—  0.170 

—  0.174 

V 

-  -  0.052 

-0.068 

—  0.038 

—  0.084 

-0.080 

Insoweit  die  letzten  Formeln  (F)  fĂĽr  die  S.D.  und  die  analogen 
für  die  D.M.  als  Ausdruck  für  die  Differenzen  der  Qrössen- 
angaben   der  beiden   Durchmusterungen  —  Harvard  Revision 


180  Sitzung  der  matK-phys,  Classe  vom  5.  März  1898. 

angesehen  werden  dürfen,  würden  ako  für  die  Grössenangaben 
der  D.M.  und  S.D.  die  Relationen  folgen: 

m  m 

Grösse  7.0"»        S.D.  —  D.M.  =  +  0.058  +  0.180  d 
,       8.0  =  —  0.025  -I-  0.128  d 

,       9.0  =  +  0.007  +  0.128  d  I 

Auf  die  Stemschätzungen  der  S.  D.  ist  demnach  der  Ein- 
fluss  der  Stenihäufigkeit  ein  grösserer  gewesen,  wie  bei  der 
D.M.  In  roher  Annäherung  wird  man  in  vielen  Fällen  setzen 
dürfen:  S.D.  —  D.M.  =  +  0.14"  d. 


181 


üeber  die  Drehung  eines  starren  Körpers 
um  seinen  Schwerpunkt. 

Von  F.  Lindemann. 

(SingilauftH  20.  Aprfl.) 

Die  Lösung  des  Problems  der  Rotation  eines  starren 
Körpers  um  seinen  Schwerpunkt  geschieht  bekanntlich  mittelst 
elliptischer  Functionen;  die  EinfĂĽhrung  derselben  erfordert  zwei 
Schritte:  zuerst  die  Integration  der  Euler'schen  Differential- 
Gleichungen,  die  keinerlei  Schwierigkeiten  bietet,  dann  die  Be- 
rechnung der  neun  Cosinus  der  Neigungen  der  im  Körper  festen 
Coordinaten-Axen  gegen  die  im  Räume  fest  gedachten  Axen. 
Letztere  Berechnung  erscheint  trotz  der  von  Her  mite  und 
anderen  angebrachten  Vereinfachungen  noch  immer  sehr  um- 
ständlich. Indem  ich  umgekehrt  den  Körper  fest,  den  ganzen 
Raum  aber  bewegt  denke,  fĂĽhre  ich  im  Folgenden  das  Problem 
auf  eine  von  W.  Voigt  behandelte  Aufgabe  der  Hydrodynamik 
zurück,  für  welche  die  Lösung  von  Venske  in  sehr  eleganter 
Form  auf  Quadraturen  reducirt  ist.  Unter  den  Integralzeichen 
erscheinen  dabei  elliptische  Functionen,  und  man  braucht 
daher  die  verlaugten  Integrationen  nur  nach  bekannten  Regeln 
auszufĂĽhren,  um  die  fertigen  Formeln  zu  erhalten.  Ich  habe 
die  Rechnungen  so  weit  durchgefĂĽhrt,  dass  die  Resultate  in 
der  von  Her  mite  gegebenen  Gestalt  erscheinen,  mich  deshalb 
auch  ausschliesslich  der  Ja c ob i' sehen  Bezeichnungsweise  fĂĽr 
die  elliptischen  Functionen  bedient. 

Zum  SchlĂĽsse  zeige  ich,    dass  durch  eine  analoge  ĂĽeber- 


182  Sitzung  der  mcUh.'phys.  Glosse  vom  5.  März  1898. 

legung  auch  ein  gewisses  anderes  Rotationsproblem,  das  eben- 
falls von  W.  Voigt  besprochen  ist,  auf  eine  durch  Clebsch, 
H.  Weber  und  F.  Kötter  erledigte  Aufgabe  der  Hydrodynamik 
zurĂĽckgefĂĽhrt  werden  kann. 

§  1.    Die  Euler'schen  Differentialgleichungen. 

Die  Haupt-Trägheits-Axen  eines  um  seinen  Schwerpunkt 
frei  beweglichen  Körpers  mögen  mit  den  Coordinaten-Axen 
zusammenfallen.  Sie  seien  niit  Ă„^  B,  C  bezeichnet  (wo 
^  <  jB  <  (7),  so  dass  die  Gleichung  des  Trägheits-Ellipsoids  in 
der  Form 

(1)  Ax^-^-By^^  Cjs^— 1  =  0 

gegeben  ist.  Sind  p,  q,  r  die  Winkelgeschwindigkeiten  des  be- 
wegten Körpers  um  die  drei  (im  Körper  festen)  Haupt-Träg- 
heitsaxen  und  ist  w  die  Winkelgeschwindigkeit  lun  die  momen- 
tane Drehungs-Axe,  so  ist 

(2)  jp  =  M;cosa,     q  =  wcosĂź,     r  =  wcosy, 

(3)  M;*=jp»+g*  +  r», 

wenn  a,  /?,  y  die  Richtungswinkel  der  momentanen  Drehungs- 
axe  bezeichnen.  Der  Pol  der  Drehung,  d.  i.  der  Schnittpunkt 
dieser  Drehungsaxe  mit  dem  Centralellipsoide  hat  die  Goordinaten 

wenn 

(5)  Ă„p^  +  Bq^+Cr'^  =  h^ 

ist.  FĂĽr  jp,  g,  r  bestehen  bekanntlich,  da  wir  das  Wirken 
äusserer  Kräfte  ausschliessen,  die  Euler' sehen  Gleichungen: 

(6)  JB^  =  iC-Ă„)rp, 

0^  =  (^-S)PĂś. 


F,  Lindemann:  Ueber  die  Drehung  eines  starren  Körpers.      183 

Mit  HĂĽlfe  der  Gleichung  (3),  (5)  und  der  weiteren  Relation 

(7)  ^»i>»  +  -B»g»+C»r*  =  i», 

wo  h  und  Tc  Integrationsconstante  bedeuten,  wird  die  Integration 
der  Gleichungen  (6)  leicht  auf  elliptische  Integrale  reducirt. 
Man  kann  auch  so  vorgehen,  dass  man  die  Gleichungen  (6) 
direct  mit  den  Differentialgleichungen 

d  sin  am  u  . 

—  =       cos  am  u  •  J  am  i«, 


du 

/o\  ä  cosin  am  u  . 

\p)  ^ =  —  J  am  u  •  sm  am  ti, 

du 


d  A  amu 
du 


X*  sin  am  u  •  cosin  am  u 


vergleicht,  und  dann  das  Argument  u  und  den  Modul  x*  ent- 
sprechend bestimmt.     Auf  diese  Weise  ergibt  sich:*) 

»==  a  cosin  am  u,     g'sisinamu,     r  =  e?Jamw, 
(9) 

u^=Xt  -\'  fiy 

wo  nun  die  Constanten  a,  ft,  c,  X  durch  die  Gleichungen 

j,._^.MA-C)  AA-0{li-0 

B{B  —  Cy  AB 

(10) 

^_a}A{A  —  B) 
"  ~c»  C(B—Cj 

berechnet  werden,  während  /i  von  den  Anfangswerthen  p„,  q^,  r„ 
der  Grössen  p,  q,  r  abhängt,  so  dass 

(11)     P(,=  a  cosin  am  n,     Qo^h  sin  am /i,     *"(>=  c  A  am  /*. 


*)  Vgl.   z.  B.   Kirchhoff' 8  Vorlesungen   ĂĽber  Mechanik,    7.  Vor- 
lesung. 


184  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  März  1698. 

§  2.    Relative  Bewegung  des  Baumes  gegen  das  feste 

Gentral-EUipsoid. 

Eine  unendlich  kleine  Drehung  um  eine  Axe  mit  den 
Richtungs- Winkeln  a,  Ăź,  y,  bei  der  ein  Punkt  a;,  y,  jh  in  den 
Punkt  X  -{-  dx^  y  -(-  dy^  js  -{-  dz  ĂĽbergefĂĽhrt  wird,  kann  be- 
kanntlich durch  folgende  Formeln  dargestellt  werden: 

dx  =  dq)\^        *        — y  •  cosy  4" '^' cos/?], 

(12)  dy  =  c?9i[     a;cosy+       *       —  £r.cosa], 

dz  =  d(p  [ —  a:  cos /?  4"  y  cos  a  -f-       *      ], 

wo  d(p  den  unendlich  kleinen  Drehungswinkel  bezeichnet.  Die 
Rotation  ist  dadurch  von  selbst  in  ihre  drei  Componenten  um 
die  drei  Coordinaten-Axen  zerlegt. 

Um  die  Rotation  des  Trägheits-EUipsoids  um  die  instantane 
Drehungs-Axe  darzustellen,  müssten  wir  ein  im  Körper  festes 
Coordinatensystem  einfĂĽhren    und   auf  dieses   die  Gleichungen 

dm 

(12)  anwenden,  wobei  dann  -^  =  m;   zu   setzen   wäre,   da   die 

Winkelgeschwindigkeit  mit  w  bezeichnet  wurde.  Statt  dessen 
kann  man  aber  sich  vorstellen,  dass  der  Körper  fest  in  seiner 
Lage  verharre,  dagegen  der  ganze  Raum  sich  relativ  zu  ihm 
in  entgegengesetztem  Sinne  um  die  Axe  drehe,  in  welchem 
Falle  dann  nur 

(13)  ^f  =  -  » 

ZU  setzen  ist,  wenn  tv  die  frĂĽhere  Bedeutung  behalten  soll. 
Mit  RĂĽcksicht  auf  (2)  gehen  dadurch  die  Gleichungen  (12)  ĂĽber 

in  die  Form 

dx 

^~^=ry  -qs, 

dy 

(14)  ~dt^^^'~  ^^' 

dz 


F.  lAndemann:  Üt^tr  die  Drehung  eines  starren  Körpers.      185 

Die  Elimination  von  zweien  der  Grössen  a:,  y,  z  führt  auf 
eine  lineare  homogene  Differentialgleichung  dritter  Ordnung 
für  die  dritte  dieser  (Jrössen,  deren  Coefficienten  in  Folge  von 
(6)  rationale  Functionen  von  p^  </,  r  sind.  Diese  Coefficienten 
sind  somit  doppelt-periodische  Functionen  von  w,  und  die  In- 
tegrale der  Differentialgleichung  mĂĽssen  sich  nach  Picard  als 
doppelt  periodische  Functionen  zweiter  Art  (im  Sinne  Hermite's) 
ergeben. 

Gerade  mit  einem  Systeme  von  DiflFerentialgleichungen  von 
der  Form  (14)  hat  sich  Picard  eingehend  beschäftigt  unter 
der  Voraussetzung,  dass  p^  q,  r  doppelt  periodische  Functionen 
erster  Art  seien,  und  ist  hier  zu  folgenden  Itesultaten  ge- 
kommen:*)   Es  gibt  ein  Fundamentalsystem  von  Integralen 


Xj, 

^i. 

^t 

x^^ 

y». 

«% 

•^8» 

ys- 

^8 

von  der  Beschaffenheit,  dass  zwischen  zwei  lieihen  zusammen- 
gehöriger Integrale  Identitäten  der  Form 


(15)  X„,  Xn  +  Vm  Vn  +  ^m  ^h  =  C 


mn 


bestehen,    wo  m    auch    gleich  n   sein  kann    und  Cmn  Constantc 
bedeuten. 

In  unserem  Falle  lässt  sich  nun  ein  System  x^^y^^z^  von 
Lösungen  angeben,  das  durch  doppelt  periodische  Functionen 
erster  Art  von  u  dargestellt  wird ;  und  dadurch  treten  wesent- 
liche Vereinfachungen  ein.     In  der  That  können  wir  setzen 

x^=^  ap  =  aa  cosin  am  u==^aa  *  cn  w, 
(16)  y^z=^  ß  q=z  ßb     sin  am  M  =  /ff  6  •  sn  t«, 

^^  =  y  r  =  y  c        A  am  u=  y  c  *  An  u. 

FĂĽhren  wir   nemlich   diese  Werthe  in  (14)  ein,   so  folgt: 


^)  Picard,  Sur  les  equations  diflf^rentielles  lineaires  a  coöfficienta 
doublement  p^riodiques,  Crelle's  Journal  Bd.  90,  1881. 


186  SitMung  der  mathrphys.  Glosse  vom  5.  März  1898. 

"^='^-''^«'''  /'^=(y-°)*'i''  yfj=(°-Äi'«. 

so  dass  sich  die  Constanten  a,  /},  y  durch  die  Gleichungen 

(17)  a  =  A^l,    Ăź  =  B^l     Y  =  CI'l 

bestimmen,  wenn  l  zunächst  unbestimmt  bleibt. 

Es  ist  dies  dieselbe  Rechnung,  welche  auch  sonst  bei  Be- 
handlung des  vorliegenden  Problems  benutzt  wird,*)  denn  die 
Gleichungen  (14)  sind  wesentlich  identisch  mit  denjenigen 
Differentialgleichungen,  durch  die  man  die  neun  Goef&cienten 
in  den  linearen  Gleichungen 

(18)  tj  =  c„  x  +  c^y  +  c^^i 

bestimmt,  welche  das  im  Körper  feste  Coordinatensystem  f ,  17,  C 
mit  dem  im  Räume  festen  x^  y,  js  verbinden. 

Die  Gleichung  (15)  können  wir  hier  für  m  =  n  =  l  auf 
die  Form 

(19)  a;!  +  yl  +  ^  =  l 

gebracht  denken,  wenn  wir  die  Constante  l  mit  RĂĽcksicht  auf 
(7)  durch  die  Bedingung 

(20)  *».P=1 

festlegen. 

Durch  die  Gleichungen  (16),  in  denen  die  Constanten 
a,  ß,  y,  l  nunmehr  durch  (17)  und  (20)  vollständig  gegeben 
sind,  wird  die  Bewegung  eines  ausgezeichneten  Raumpunktes, 
nemlich  des  Schnittpimktes  der  instantanen  Drehungsaxe  mit 
der  Kugel  (19),  dargestellt,  d.  h.  die  relative  Lage  dieses  Punktes 
gegen  das  Ellipsoid  zu  jeder  Zeit  angegeben.  Der  Punkt  be- 
wegt sich  bekanntlich   auf  einer  Raumcurve  vierter  Ordnung. 


>)  Vgl.  z.  B.  Hermite,   Sur  quelques  applications  des  fonctions 
elliptiques,  p.  24,  Paris  1885  (Abdruck  aus  den  Comptes  rendos). 


F,  lAndemann:  üeher  die  Drehung  eines  starren  Kärpers,      187 

§  8.    Allgemeine  LOsung  der  Differentialgleichungen 

des  Problems. 

Da  jetzt  eine  Lösung  der  linearen  Differentialgleichung 
dritter  Ordnung  bekannt  ist,  welche  man  aus  dem  Systeme  (14) 
abzuleiten  hätte,  so  wird  sich  diese  Gleichung  auf  eine  solche 
zweiter  Ordnung  reduciren  lassen,  und  dadurch  wĂĽrden  wir 
im  Wesentlichen  auf  die  von  Hermite  (a.  a.  0.)  zur  Bestim- 
mung der  CoefQcienten  Cot  in  (18)  befolgte  Methode  gefĂĽhrt 
werden.  Die  Aufistellung  dieser  Gleichung  zweiter  Ordnung 
kann  aber  auch  erspart  werden,  indem  sich  auf  einem  von 
Venske  angegebenen  Wege  die  weitere  Behandlung  des  Pro- 
blems direct  auf  Quadraturen  zurückführen  lässt. 

Im  Anschliisse  an  ein  Problem  der  Hydrodynamik,  das 
von  W.  Voigt  bearbeitet  war,  beschäftigt  sich  Venske  mit 
dem  Systeme  von  Gleichungen:*) 

(21)  ^y=2v(-^ ^"i 


de 
~di 


in    denen    a,  ft,  c  Constante    bedeuten    und   f ,  iy,  f    elliptische 
Functionen  von  t  sind,  definirt  durch  die  Gleichungen: 

dS  _      2a\V  —  c') 

df^  ""(««  +  &•)  (a'+o"^    ' 

(22)  diy_      2V{c'-a') 

dt~{V-\'C')  (6«  +  a*)^^' 


dt 


*)  Vgl.  Nachrichten  der  kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu 
Göttingen,  Jahrg.  1891,  p.  86. 


188  Sitzung  der  maihrphys.  Clcisse  ivni  5,  März  W98: 


Offenbar  braucht  man  hier  die  auftretenden  constanten 
Factoren  nur  in  die  Definition  der  Functionen' f,  i;,  C  und 
x^  y,  z  passend  eingehen  zu  lassen,  um  direct  zu  unseren  Glei- 
chimgen  (13)  und  (9)  geführt  zu  werden.  In  der  That  lässt 
sich  auch  die  Venske'sche  Methode  leicht  auf  das  uns  vor- 
liegende Problem  in  der  folgenden  Weise  ĂĽbertragen. 

Die  Picard'schen  Relationen  (15)  lassen  sich  durch  pas- 
sende Auswahl  der  particulären  Lösungs-Systeme  rCg,  y^,  z^  und 
^s»  J/si  ^8  ^^  ®i^®  solche  Form  bringen,  dass  neben  der  Glei- 
chung (19)  noch  die  folgenden  Identitäten  erfüllt  sind: 

+  yj     +-e^5     =1, 
x\      +yj      +irj     =1, 

(23)  a;,a:, +  y»y3  +  £r,^,  =  0, 

XĂź^i  +  ysyi  +  z,z,  =  0. 
Aus  ihnen  folgt  in  bekannter  Weise: 

(24)  x^  =  e{y^z^--y^z^,  ^«=«(ys^i— ^i-s'«),  x^  =  e{y^z^^y^z^\ 
wo  e  =  +  1  den  Werth  der  Determinante 


«; 


^1      ^« 


X. 


Vi    y^   ys 


z^ 


bedeutet.     Ebenso  ist 


(25) 


y^^e{z^x^—z^x^,  y^=e{z^x^—z^x^,  y^-=e{z^x^—z^x^), 


^i=£(x^y$'-x^y%\  ^8 =«(^8^1 —^1^3)»  '2'8=K^iy«-^2yi)- 

Aus  (24)  und  (25)  folgen    dann    die    weiteren    Relationen 
x]  +  3fi  +  xl=l,  y,^i  +  y2'S', +  y3-8'3  =  0, 

(26)       y\  +  yl'\-yl  =  l,  ^i  ^i  +  ^2  ^i  +  -s^s  ^s  =  0 , 

^J  +  ^5  +  4  =  1 ,  x^yi  +  x.y^  +  x^yt  =  0 . 


F.  iMidemann:  üeber  die  Drehung  eines  starren  Körpers.      189 
Nun  ist  identisch 

Im  Zähler  der  rechten  Seite  führen  wir  dx^  und  dx^  ver- 
möge (14)  auf  ^g,  ^2  und  y^^z^  zurück;  diese  Zähler  sind  dann 
gleich 

oder  wegen  (25)  und  (26)  gleich 

{—rx^y^-^^qx^z^  +ierz^  +  i€qy^)dt 
und  wegen  (16)  und  (17)  gleich 

[pqrAPiC  ^B)  +  i€l(}i'  —  Äp')]  dt 

Auf  den  Nenner  unseres  Ausdruckes  fĂĽr  d  log  (x^  -\-  i  x^ 
wenden  wir  die  erste  Relation  (26)  an  und  finden  mit  Be- 
nutzung von  (20): 

ebener  fĂĽr  die  anderen  Goordinaten: 

<?iog(y»  +m)_i^j.  Ji*—Sq*    ^.^     .^    pqr 


dt  k^  —  B*q*        "■  'k*—B*q*' 

(27a) 

Hiemit  ist  im  Principe  die  gestellte  Aufgabe  vollständig 
gelöst;  es  handelt  sich  nur  noch  darum,  die  vorkommenden 
elliptischen  Integrale  in  die  ĂĽbliche  Form  zu  transformiren. 


*)  Auf  dieser  Identität  beruht  auch  die  Durchführung  der  Quadra- 
turen bei  dem  Probleme  der  Bewegimg  eines  starren  Körpers  in  einer 
unbegrenzten  Flüssigkeit;  vgl.  Halphen,  Traitä  des  fonctions  elliptiques; 
2i«i"e  Partie,  p.  167,  Paris  1888. 


190  Sitzung  der  m<Uh.'phy8.  Classe  vom  5.  März  1896, 


§  4.    Ausführung  der  Quadraturen. 

Statt  i  fĂĽhren  wir  wieder  u  =  Xt  -{-  fx  als  Integrations- 
variable ein.  Zunächst  finden  wir  für  das  zweite  Glied  der 
rechten  Seite  von  (27): 

ö  p! 

Zur  Umformung  des  ersten  Gliedes  der  rechten  Seite  von 
(27)  benutzen  wir  einige  Relationen,  die  sich  aus  (8)  und  (9) 
für  w  =  0  und  u  =  K  ergeben,  nämlich: 

V  =  A  a^  ^  C  (?  =  B  V  +  C  c'  -  x^  C  c\ 
(29) 

le  =  A' a^  -\'  C c'  =  B'V  -\'  C* c'  —  x^  (P &  ; 
femer  definiren  wir  eine  reelle  Constante  (o  durch  die  Gleichung 

(30)  sin*  am  i  CO  =  —  (j)j^_jß<  » 
so  dass  auch: 

(31)  cosin*amiÂŁo=^;yy-2 ^,  i4*amia>=-^y^; 

dann  wird 

V—Ap^  _Tc  a^A{A—C)m'u 

Tc'—A'p^  '"  C         c»C»(l— x«sn«icosn»w) 

-    .  . ,  x'  sn  i  CO  •  cn  i  CO  •  dn  i  CO  •  sn'  M 

=  C  '  OniCO  lA, :; = r-; = . 

1  —  x'  sn'  t  £0  •  sn  u 

Die  nöthige  Integration  lässt  sich  hiemach  mittelst  der 
Jac ob i 'sehen  Formel  fĂĽr  Normalintegrale  dritter  Gattung 

Jx*sna-cna«dna«sn*w  ,  j,      0{u — a)  ,      0'(a) 
1-x'snV.sn'a     ''*'-^^''^  0(tH=^)'^*' ©F) 

0 

ausfĂĽhren  und  ergibt: 


F,  Lindemann:  üeher  die  Drehung  eines  starren  Körpers,      191 

5/ j  ~y"  1 5/1 


log 


X2  "p  ^  Xg 


Hierin  ist  c  =  +  1  und  fi  ist  der  Werth  von  u  fĂĽr  ^  =  0, 
mit  dem  p^  durch  (11)  zusammenhängt;  afi  und  xl  bezeichnen 
die  Werthe  von  x^  und  x^  zur  Zeit  ^  =  0.  Das  letzte  Glied 
lässt  sich  noch  weiter  vereinfachen,  denn  es  ist: 

h^     a*^*  =  (?*(7*(l  —  x*sn*ia>'sn*M) 

~  "^   ^         "0  (f^)*  0  (i  o>)»       '  ^  ^""^  • 

Wählen  wir  e  =  4-  1  (andernfalls  wäre  nur  i  mit  —  i  zu 
vertauschen),  und  setzen  zur  AbkĂĽrzung 

(33)  Q  =  -^,^  +  i  c  .  dn  i  a> , 

cy(a>) 

so  wird  schliesslich: 

,0 . X  ^2  +  ia:3  _  0 (t^  -  i  co)  S (ji)     ^„_^^j 

Um  auch  y^  und  yj,  -sr^  und  -^3  zu  finden,  braucht  man 
die  in  (27  a)  verlangten  Quadraturen  nicht  wirklich  auszu- 
füliren:  Es  können  diese  Grössen  vielmehr  aus  den  Werthen 
von  x^  und  x^  vermöge  (24)  und  (25)  gefunden  werden,  ohne 
dass  eine  neue  Integration  nöthig  wäre.  In  der  That  ist 
identisch 

(^8  +  i^z)iy^  —  i  Vi)  =  ^2  ^2  +  ^3  ^s  —  i  (^2  ^s  —  ^8  ^2) 
aber  nach  (25)  und  (26): 

(35)  =  —  x,y,  —  i£;,. 

1898.   SifcsungBb.  d.  mAth.-pbya.  Ol.  13 


192  Sitzung  der  tnathrphys,  Glosse  vom  5.  März  1896, 

Nun  ist  nach  (16)  und  (17) 

x^y^=:aßpq  =  a  hA  B  P  sn  w  •  cn  w  ; 

Das  Vorzeichen  der  durch  (30)  eingeführten  Grösse  a>  ist 
noch  nicht  bestimmt;  wir  definiren  es  so,  dass 

aA 
cC 

wird;    aus   den  Gleichungen  (10)  und  (31)  folgt  dann  weiter: 

aA  .     sn  i  a>       ,  x       .,       ,    x^ 

-^—  =  —  IX 1 — -. —  =  t  —  cn  (» CO  4-  jK.)  , 
K  dnico         X 

(36)  -T-  =         ^  1-^ —  =     X  sn(t(o4-  K)  , 

-j-  =  -z — -. —  =    —dniicoA-K), 

Je  antco         X 

Die  Gleichungen  (16)  gehen  dadurch  ĂĽber  in 

a:,  =  i  —r  cn  (i  CO  +  K)  •  cn  m  , 

(37)  ^1  =     X  sn  (i  ÂŁ0  +  ^)  '  sn  w  , 

£r,  =    — r  dn  (i  £0  +  JK^)  •  dn  M  , 

Nach  dem  Additionstheoreme  der  Function  4  am  wird  daher 

—  yi^i  —  i^i 
=  —7-  (1  —  X*  sn*  w  sn*  (i  ce>  4-  K))  dn  (fi  —  i  a>  —  K) 

X 

(38)  _  — i0(u+iQ>  +  ^Q(^— iQ>— -g)z)/,x^Qi(^— ift>— -g) 
""V7'  e{uye{ia)-\-Ky  ^  ^  Ö(w  — iro-^) 

—  i  0j  (m  4-  i  ö>)  •  ö  (w  —  i  a>)  •  0  (0)* 

~V^'  0  (M)»  0,  (i  to)»  • 

Diesen  Werth  fĂĽhren  wir  in  (35)  ein,  drĂĽcken  noch 
x^-\-  ix^  mittelst  (34)  durch  0-Functionen  aus,  vertauschen  i 
mit  — i  und  finden  so 


F.  Lmdemann:  Ueher  die  Drehung  eines  starren  Körpers,      IdS 

(39)        -- 1.  e,(u-i<o)e{,M  +  i<o)eio)* 
»l/x'       ö(M)e(/x)e,(ia))»       ^ 

und,  wenn  die  Anfangswerthe  von  y,  und  y,  benutzt  werden: 

(40)  Vt  +  iy»  _  6>,  (m  -  i a>)  e Qi) ^ 

Ebenso  findet  man  aus  (23),  (24)  und  (37) 

(^,— ierjXy,+»y,)=-yA  -  ix^ 

, , , ,  = — >(l-x*sn'(ia>-l--©sn*M)  cn(w4-io>H- JT) 

(41)  ?< 

^  _|/7e^(ti~ia>)g^(u  +  ta>)e(Q)^ 
F     «'  ©(w)*0,(Ja>)» 

oder  unter  Benutzung  von  (40)   und  durch  Vertauschung  von 
i  mit  —  i : 

(42)  («.+i«.K-i^=-|/  ^^?fc-^^±|i*)'.-" 
In  der  gleichen  Weise  hätte  man  die  Relation 

=       ,  ^.     sn (ta>  —  w) •  (1  — «* sn*iö> sn* m) 

"~       *  x'  0(w)»0i(tcü)» 

benutzen  können,  aus  der  sich  dann  mittelst  (34)  das  Resultat 

/vio  \  /     1  •    \/  0     .  o\  .V^-ff(w— iö))ö(^+iö>)0(o)*  n.„  ^x 

(42a)  (.,+  ,..)(^_,:^)=_,^-^-^^-^^^^J^e^«-.) 

ergibt.     Hieraus  oder  aus  (42)  findet  sich  endlich 

a?.\  !i±i^»  _  g(«— ift>)  QQ*)  -o(«_,o 

*-  ^  ^  +>  «J  ~  -ff (/i —io>)e  (m) 

18« 


194  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  März  1898, 

Durch  die  Formeln  (34),  (37),  (40),  (43)  ist  das  Pro- 
blem der  Drehung  des  starren  Körpers  um  seinen 
Schwerpunkt  vollständig  gelöst;  denn  für  die  drei 
Punkte  mit  den  Coordinaten 

(44)  ^vVv^i;     ^vyr^t'i     ^81^8»  ^3 

sind  diese  Coordinaten  als  Functionen  der  Zeit  t  ex- 
plicite  dargestellt;  und  dadurch  ist  die  relative  Be- 
wegung des  Raumes  gegen  den  starren  Körper  voll- 
ständig bestimmt. 

§  5.    Lage  eines  festen  Azenkreuzes  gegen 

ein  bewegliches. 

Immerhin,  wird  es  nĂĽtzlich  sein,  noch  einige  weitere  Aus- 
fĂĽhrungen folgen  zu  lassen,  um  den  Zusammenhang  mit  der 
üblichen  Darstellung  zu  vervollständigen,  gleichzeitig  auch  die 
Formeln  durch  nähere  Bestimmung  der  Constanten  x\^  x%  yj,  yj, 
ÂŁ^,  ^  zu  vereinfachen. 

Die  drei  Punkte  (44)  sind  die  Durchstossungs-Punkte  von 
drei  zu  einander  rechtwinkligen  Axen  mit  einer  um  den  An- 
fangspunkt gelegten  Kugel  vom  Radius  Eins.  Ihre  Coordinaten 
sind  daher  direct  gleich  den  Cosinus  der  Neigungen  dieser  Axen 
gegen  das  im  Körper  feste  Axen-System  der  Hauptträgheits- 
axen.  Bezeichnen  wir  also  durch  f,  »;,  C  die  Coordi- 
naten eines  Punktes  gegen  die  neuen  Axen,  welche 
den  Anfangspunkt  mit  den  drei  Punkten  (44)  verbin- 
den, durch  a:,  y,  z  die  Coordinaten  desselben  Punktes 
gegen  das  im  Körper  feste  Axenkreuz,  so  bestehen 
die  Gleichungen 

f  =  a;, a;  +  yj y  +  ^1  ÂŁr,    x  =  xj  +  x^ri -{- x^l:, 

(45)  iy  =  ^,a;  -h  y,y  +-  ^,ir,     y  =  yy^ +y^ri '\' y^l:, 
^  =  x^x  +  y^y  +  0^^,    ^  =  ^if +  ^,»;  +  ^8^» 

hierdurch  sind  die  in  den  Gleichungen  (18)  auftreten- 
den neun  Coefficienten  vollständig  bestimmt;  und  zwar 


F.  Lindemann:  Ueher  die  Drehung  eines  starr efi  Körpers.      195 

sind  die  Grössen  x^,  y,,  -s^j  durch  (37)  gegeben,  während  x^-]-  ix^, 

y«+*y8»  ^t~\'^^i  ^^^   ^^   ^^^   Gleichungen  (34),  (40),  (43) 
berechnen. 

Besonders  einfach  werden  die  AusdrĂĽcke  fĂĽr  die  absoluten 
Betr%e  dieser  complexen  Zahlen.     Es  ist 

^«   i_  ^  —  1       ^t  _  1  —  X*  sn*  i  o) '  sn*  ti 

x,  +  xi^i-x,-  ^^^^^^ 

(46) 

ß(u  —  io))'  0  (m  +  i  a>)  •  9j  (o)* 

yJ  +  yJ  =  1  —  yl  =  1  —  «*  •  sn*  w  •  sn*  (i  a>  +  ^ 

(46a)  ^  0^  (u  —  i(o)  0^  (u  +  ico)e(of 

""  0(M)»0,(ico)» 

,    ,     .       -         o       sn*w  —  sn*iö>    ^ 

2\  +  ^^=l—Js\= T-n « 

an*  KW 

(46  b) 

^  ir(ie~ico)g(ti  +  ico)H,{oY 

Diese  Formeln  stimmen  mit  den  von  Hermite  a.  a.  0.  in 
§  XIV  gegebenen  im  Wesentlichen  überein. 

Indem  wir  die  rechten  und  linken  Seiten  der  Gleichungen 
(34)  und  (46)  mit  einander  multipliciren,  femer  in  (39)  und 
(42a)  die  Grössen  x  und  x  durch  H^(p\  0(o),  0, (o)  in  be- 
kannter Weise  ausdrĂĽcken,  erhalten  wir  die  folgenden  drei  zu 
einander  symmetrischen  Gleichungen: 

(x,-^ix,\x,     lar^)-  e(«)0O*)©,(ia>)'  * 

K^O   {J/.+iy,){x,    tx,)-    t  0(„) 0(^)0. (iß,)'         ^         ' 

{^^■^-l^,)(x^  tau)-  i       e(u)e(j^)e,(i(oy      "^     • 

Folglich  können  wir 


196  Süsung  der  math.'phy8.  Glosse  vom  5,  März  1898, 

e  (jj)  Ăźi  (v  co) 

setzen,  wenn  ilf^  aus  M  dadurcli  entsteht,  dass  u  durch  jj,  und 
i  durch  — i  ersetzt  wird.  Wegen  der  ersten  Gleichung  (47) 
muss  aber  Jlf--3f?=l  sein;  also  ist  M  eine  Constante, 
und  zwar  eine  solche,  deren  absoluter  Betrag  den  Werth  Eins 
hat,  so  dass 

wo  V  eine  willkĂĽrlich  bleibende  reelle  Constante  bedeutet.  So 
ergeben  sich  schliesslich  die  drei  einfachen  Gleichungen: 


^2+^3= 


(48)   y,+ty3=     ^  eV)e(i4^  (rr,+t:r,).t.dn(w— iw) 

welche  mit  den  entsprechenden  Gleichungen  bei  Hermite  und 
Jacob  i  ĂĽbereinstimmen,  wie  man  leicht  erkennt,  wenn  man 
i  io  durch  ioy  -\-  iK  ersetzt.  Die  Constante  v  bleibt  noth- 
wendig  willkĂĽrlich,  da  das  Coordinatensystem  um  die  f-Axe 
gedreht  werden  kann,  ohne  dass  sich  etwas  wesentliches  ändert ; 
eine  solche  Drehung  nämlich  wird  gerade  durch  Multiplication 
von  ly  +  i  f  mit  einer  Constante  ^  analytisch  dargestellt. 

§  6.   Die  Herpolhodie. 

In  den  Gleichungen  (48)  kommen  die  Functionen  0,  0j 
und  H.  in  symmetrischer  Weise  vor;  es  fehlt  die  Function  jET,. 
Auf  den  aus  ihr  in  entsprechender  Weise  gebildeten  Ausdruck 
wird  man  durch  Betrachtung  der  Componenten  der  Drehungs- 
geschwindigkeiten des  Körpers  um  die  Axen  f ,  ly,  f  geführt. 
Nennen  wir  diese  Componenten  bez.  v,,  v,,  Vj,  so  ist  bekannt- 
lich nach  (45) 


F,  Lindemann:  Ueher  die  Drehung  eines  starren  Körpers,      197 

(49)  ^t  =  ^%p  +  ytQ  +  ^t^i 

und  mit  diesen  Gleichungen  kann  man  in  derselben  Weise 
weiter  operiren,  wie  es  Hermite  a.  a.  0.  thut.  Aus  (16),  (17) 
und  (20)  folgt  insbesondere 

(50)  vi  =  l{Äp^  +  Bq^  +  Cr»)  =  y  . 

Die  f-Axe  ist  also  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Com- 
ponente   der  Drehungsgeschwindigkeit   um  sie  constant  bleibt. 

Zur  Berechnung  von  v^  +  ivj  kann  man  auch  den 
folgenden  neuen  Weg  einschlagen.  Zwischen  den  Co- 
ordinaten  i,  rj,  C  und  den  Winkelgeschwindigkeiten  Vj,  Vg,  v^ 
mĂĽssen  dieselben  Relationen  erfĂĽllt  sein,  wie  zwischen  den  Co- 
ordinaten  x,  y,  ^  und  den  Geschwindigkeiten  p,  q,  r.  Analog 
zu  den  Gleichungen  (14)  bestehen  daher  auch  die  Beziehungen 

dl 


dt 


=  «»»?  — »»f. 


(51)  ^|  =  t;,C-«,f, 

dC  . 

und  aus  den  letzten  beiden  Gleichungen  folgt: 

-^  +  i ^  =  —  |(v,  +  i v^  —  i V,  (iy  +  i  0  . 

Die  Winkelgeschwindigkeiten  sind  unabhängig  von  der 
Lage  des  betrachteten  Punktes  im  Räume;  wir  können  also 
insbesondere  f=l,  iy  =  C  =  0  wählen   und   erhalten  dadurch 


r  ^^-H^s)  , ,,  ^(y«4-iy») .  ,  d{^^+iz^y 

=  ~h dt         +^^         dt        +^«    "dT" 

oder  nach  (48) 


204  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5.  März  1898. 

Kronecker  zu  seinen  Formulirungen  geführt  hat.  Es  lässt  sich 
nämlich  die  Charakteristik  eines  Functionensystems  definiren 
als  diejenige  Zahl,  welche  angiebt,  wie  oft  eine  gewisse  ge- 
schlossene, im  w  +  1-dimensionalen  Räume  gelegene  Mannig- 
faltigkeit von  n  Dimensionen  den  Coordinatenanfangspunkt  um- 
giebt.  BenĂĽtzt  man  dann  weiter  den  Satz,  dass  jeder  durch 
diesen  Nullpunkt  geführte  n  —  Ä-dimensionale  ebene  Schnitt 
aus  der  Mannigfaltigkeit  von  n  Dimensionen  eine  solche  von 
n  —  k  —  1  Dimensionen  ausschneidet,  welche  ebenso  oft  wie  die 
n-dimensionale  den  Nullpunkt  umgiebt,')  so  erhält  man  die 
Charakteristik  in  der  Gestalt  eines  n  —  Ä—1- fachen  über 
jenen  Schnitt  ausgedehnten  Integrals,  welches  speciell  fĂĽr  k  =  o 
in  das  Kronecker'sche  Integral,  für  k  =  n  —  l  in  die  Kron- 
ecker'sche  Summenformel  ĂĽbergeht. 

Das  erwähnte  Gauss'sche  Integral  ergiebt  sich  durch  eine 
Specialisirung  aus  der  bekannten  von  Gauss  im  Artikel  10 
seiner  „Allgemeinen  Lehrsätze  in  Beziehung  auf  die  im  ver- 
kehrten Verhältnisse  des  Quadrats  der  Entfernung  wirkenden 
Anziehimgs-  und  Abstossungskräfte**)  gegebenen  Darstellung 
des  Ausdruckes  Au  fĂĽr  die  Potentialfunction  77  einer  drei- 
dimensionalen Masse  mit  HĂĽlfe  eines  zweifachen  ĂĽber  die  Be- 
grenzung und  eines  dreifachen  ĂĽber  das  Innere  der  Masse  aus- 
gedehnten Integrales.  Dieser  Umstand  führte  Kronecker  „auf 
die  durch  den  Erfolg  vollkommen  bestätigte  Vermuthung,  dass 
die  Potentialtheorie  Anhaltungspunkte  bieten  dĂĽrfte,  um  zu 
einer  allgemeinen  Darstellung  beliebiger  Functionen  der  durch 
ein  Gleichungssystem  definirten  Punkte  und  damit  auch  zu 
einer  Verallgemeinerung  des  sogenannten  Cauchy'schen  Integrals 
zu  gelangen*.')  Die  Verallgemeinerung  hat  Kronecker  in 
Formel  A  des  VIII.  Abschnittes  seiner  Abhandlung  vom  Jahre 
1869  gegeben.  Sie  ermöglicht,  die  algebraische  Summe  aUer 
Werthe  zu  berechnen,  welche  eine  gegebene  Function  5  von 
n  reellen  Variabein   im  Innern  eines  von  einer  n  —  I-dimen- 


1)  Beitn^  zur  Potentialtheorie  I,  Seite  268  und  269. 

3)  Werke  Bd.  V.  Seite  209. 

')  Kroneoker  a,  a,  0.,  Abschnitt  VI. 


F,  lAndemann:  üeber  die  Drehung  eines  starren  Körpers.      199 

Ihre  Entfernung  vom  Anfangspunkte  ist  nach  (4)  und  (7) 
gleich 

und  die  Cosinus  der  Neigungen  ihrer  Normale  gegen  die  Axen 
sind 

woraus  die  Identität  der  f-Axe  mit  dieser  Normalen  hervor- 
geht. Das  Ellipsoid  rollt  also  auf  dieser  festen  Ebene  und 
der  BerĂĽhrungspunkt  beschreibt  in  ihr  eine  Curve, 
die  sogenannte  Herpolhodie,  deren  Parameter-Dar- 
stellung fĂĽr  die  Coordinaten  i;^,  to  iii  dieser  zur  f-Axe 
senkrechten  Ebene  unmittelbar  durch  (49)  vermittelt 
wird;  man  findet 

also  ist 

mittelst  (52)  zu  berechnen.  Auch  hier  sind  wir  zu  den 
Hermite'schen  Formeln  gelangt,  an  welche  die  weitere  Dis- 
cussion  der  Curve  angeschlossen  werden  kann. 

Die  Gestalt  dieser  Curve  ist  bekanntlich  von  Hess')  ge- 
nauer untersucht. 

§  7.    Drehung  des  starren  Körpers  unter  Wirkung 

gewisser  äusserer  Kräfte. 

Die  Reciprocität,  welche  zwischen  der  Theorie  der  Be- 
wegung eines  staiTen  Körpers  in  einer  Flüssigkeit  einerseits 
und   dem   Probleme   der   Drehung   eines  solchen   Körpers   um 

^)  Das  Rollen  einer  Fläche  zweiten  Grades  auf  einer  invariabeln 
Ebene,  Inaugural  -  Dissertation,  MĂĽnchen  1880;  vgl.  auch  Halphen: 
Traite  des  fonctions  elliptiques,  2^^°^®  partie,  p.  68  ff. 


200  Sitzung  der  mcUh.'phys,  Classe  vom  5,  März  1898. 

einen  festen  Punkt  andererseits  besteht,  kommt  auch  bei  Wir- 
kung äusserer  Kräfte  in  letzterem  Probleme  zur  Geltung,  wie 
das  folgende  Beispiel  zeigt. 

In  der  £*- -ff- Ebene,  welche  im  Räume  fest  liegt,  sei 
eine  Masse  m^  auf  einen  Kreis  vom  Radius  r^,  dessen  Mittel- 
punkt im  Anfangspunkte  liegt,  gleichmässig  vertheilt;  und  die 
Masse  m^  wirke  nach  dem  Newton' sehen  Attractionsgesetze 
auf  die  Masse  des  betrachteten  starren  Körpers.  Mit  jp,  q,  r 
seien  wieder  die  Drehungsgeschwindigkeiten  des  letztem  um  die 
in  ihm  festen  Haupt-Trägheitsaxen  bezeichnet,  mit  y,,  y^,  y^  die 
Cosinus  der  Neigungen  der  Z-Axe  gegen  die  Haupt-Trägheits- 
axen; ferner  werde 

^"^  rl 

gesetzt,  wo  f  die  Constante  aus  dem  Attractions-Gesetze  be- 
zeichnet. Die  Bestimmung  der  Drehung  des  starren  Körpers 
um  seinen  im  Anfangspunkte  gelegenen  Schwerpunkt  hängt 
dann  von  den  folgenden  beiden  Systemen  von  je  drei  Differential- 
gleichungen ab:^) 

(53)  B^  =  {C-Ă„)[rp  +  ry,y,l 

C^=(Ă„-B)[j>q  +  ry,Y,-] 
und 

wobei  das  letztere  System  mit  dem  Systeme  (14)  identisch  ist. 
Drei  erste  Integrale,  die.  aus  dem  Satze  von  der  lebendigen 
Kraft  und  den  Flächensätzen  hervorgehen,  sind  von  Voigt 
a.  a.  0.  angegeben,  das  allgemeine  Problem  ist  aber  nicht 
weiter  behandelt.  Deshalb  möge  hier  auf  die  allgemeine 
Lösung  desselben  kurz  eingegangen  werden. 

A)  Vgl.  W.  Voigt,  Elementare  Mechanik,  Leipzig  1889,  p.  24S  f. 


F,  Lindemann:  lieber  die  Drehung  eines  starren  Körpers.      201 

Die  DiflFerentialgleichungen  (53)  sind  ein  besonderer  Fall 
eines  Systemes  solcher  Gleichungen,  das  von  Clebsch  bei  Ge- 
legenheit einer  hydrodynamischen  Aufgabe  behandelt  und  auf 
Quadraturen  zurĂĽckgefĂĽhrt  ist.*)  Es  handelt  sich  um  die  Be- 
wegung eines  starren  Körpers  in  einer  incompressibeln  Flüssig- 
keit, falls  der  Körper  hinsichtlich  seiner  Gestalt  und  Massen- 
vertheilung  drei  zu  einander  rechtwinklige  Symmetrie-Ebenen 
besitzt. 

Fällt  das  dadurch  definirte  Hauptaxensystem  mit  dem  im 
Körper  festen  Coordinaten-Kreuze  zusammen,  so  fürt  das  Pro- 
blem auf  die  Differentialgleichungen*) 

(55)  J?^=(g  — ^)rj>+       CA     ^«^''     ^-''-*.-:::_i_---' 

C_  =  (^-^)^^  +  -^-J-y,y,, 

WOZU  noch  die  Gleichungen  (54)  kommen.  Hierin  bedeuten 
A^  i?,  C,  -4p  jBj,  Cj  wesentlich  positive  Gonstante,  die  von  der 
Gestalt  der  Oberfläche  des  Körpers  und  von  der  Massenver- 
theilung  im  Körper  abhängen.  Die  Constante  Ä  ist  willkürlich 
und  hängt  von  den  Anfangsgeschwindigkeiten  ab.  Die  von 
Clebsch  gegebene  Integrationsmethode  bezieht  sich  auf  den 
Fall,  wo  zwischen  den  Constanten  die  Relation 

(56)  A  A,  (B,  -  C\)  -\-BB,  (<7,  -A,)-{-G  C,  (A,  -B,)  =  0 
erfĂĽllt  ist.     Dieselbe  Annahme  macht  Weber  a.  a.  0.,  um  die 


^)  Vgl.  Clebsch,  Ueber  die  Bewegung  eines  Körpers  in  einer 
FlĂĽssigkeit,  Math.  Annalen  Bd.  3,  p.  261,  1871. 

^)  Vgl.  H.  Weber:  Anwendung  der  Thetafunctionen  zweier  Ver- 
änderlichen auf  die  Theorie  der  Bewegung  eines  festen  Körpers  in  einer 
FlĂĽssigkeit,  Math.  Annalen  Bd.  14,  p.  173  ff.,  1879.  Im  Texte  sind 
Web  er' s  Grössen  p,  q,  r  durch  —  jp,  — q,  — r  und  die  X-Axe  durch  die 
Z-Axe,  also  oj,  a2,  a^  bez.  durch  yi,  ^2,  Yi  ersetzt. 


202  Sitsung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  März  1698. 

Integration  mittelst  der  Theta-Functionen   von  zwei  Variabein 
vollständig  durchzuführen. 

Die  Gleichungen  (53)  gehen  offenbar  aus  den  Gleichungen 
(55)  hervor,  wenn  man  in  letzteren 

(57)  ^=^'5;  =  -^'Z,  =  ^'**=-^' 

setzt,  wodurch  die  Bedingung  (56)  von  selbst  erfĂĽllt  ist. 

Da  die  Constante/*  des  New  ton 'sehen  Anziehungs-Gesetzes 
wesentlich  positiv  ist,  so  beziehen  sich  die  aus  den  Weber 'sehen 
Formeln  durch  die  Substitution  (57)  abgeleiteten  Resultate 
zunächst  auf  das  entsprechende  Problem  für  eine  abstossende 
Kraft.  Soll  f  positiv  werden,  so  muss  die  Constante  Je  ima- 
ginär gewählt  werden.  Es  hat  dies  zur  Folge,  dass  in  den 
Formeln  (26)  a.  a.  0.,  wenn  J.  <  i?  <  C,  mithin  nach  (57) 
-4j  > -B,  >  Cj  gewählt  wird,  co*  eine  negative  Grösse  darstellt; 
das  negative  Zeichen  auf  beiden  Seiten  föllt  fort,  und  die  Ar- 
gumente der  Theta-Functionen  werden  rein  imaginär. 

Die  Web  er 'sehe  Untersuchung  des  erwähnten  hydro- 
dynamischen Problems  ist  unter  einer  besonderen  Voraussetzung 
über  den  Anfangs-Zustand  durchgeführt.  Von  F.  Kötter*) 
ist  gezeigt,  wie  man  fĂĽr  den  allgemeinsten  Fall  die  entsprechen- 
den Entwicklungen  durchzufĂĽhren  hat.  In  gleicher  Weise  wird 
das  von  Voigt  behandelte  Rotations-Problem  bei  beliebiger 
Voraussetzung  ĂĽber  den  Anfangs-Zustand  erledigt  werden 
können. 


^)  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  vom  22.  Jan.  1891   und 
Crelle's  Journal  Bd.  109. 


203 


Beiträge  zur  Potentialtheorie.  ^) 

Von  Walther  Byck. 

{KngtUntfm  U  Mai.) 

m. 

ĂĽeber  die  Bestimmung  der  Anzahl  der  Nullstellen  eines 

Systems   von  Functionen    mehrerer   Veränderlicher  in 

einem  gegebenen  Bereiche  und  ĂĽber  die  Berechnung  der 

Werthe  einer  gegebenen  Function  in  diesen  Punkten. 

Einleitung. 

Im  ersten  Teil  der  „Beiträge  zur  Potentialtheorie"*)  habe 
ich  eine  Reihe  von  Darstellungen  der  Kronecker'schen  Cha- 
rakteristik eines  Systems  von  n  -f-  1  reellen  Functionen  von  n 
reellen  Veränderlichen  durch  bestimmte  Integrale  gegeben,  in 
welcher  die  von  Kronecker  in  seiner  Abhandlung  „Ueber  Sy- 
steme von  Functionen  mehrerer  Variabein**  ^)  entwickelte  Inte- 
gralformel als  specieller  Fall,  die  ebendort  gegebene  Summen- 
formel als  Grenzfall  enthalten  ist. 

Man  gelangt  zu  diesen  Darstellungen  auf  Grund  des  von 
Gauss  in  der  „Theoria  attractionis  corporum  sphaeroidicorum 
ellipticorum**  im  6.  Artikel*)  gegebenen  Integrals,  welches  auch 


*)  Vorgetragen  in  der  Sitzung  vom  5.  März  1898. 
*)  Beiträge  zur  Potentialtheorie  I.    Diese  Sitzungsberichte  Bd.  25. 
Heft  II.  (1896). 

*)  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  vom  März  1869. 
*)  Werke  Bd.  V,  Seite  9. 


204  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  tx>m  5.  März  1898. 

Kronecker  zu  seinen  Formulirungen  geführt  hat.  Es  lässt  sich 
nämlich  die  Charakteristik  eines  Functionensystems  definiren 
als  diejenige  Zahl,  welche  angiebt,  wie  oft  eine  gewisse  ge- 
schlossene, im  w  +  1-dimensionalen  Räume  gelegene  Mannig- 
faltigkeit von  n  Dimensionen  den  Coordinatenanfangspunkt  um- 
giebt.  BenĂĽtzt  man  dann  weiter  den  Satz,  dass  jeder  durch 
diesen  Nullpunkt  geführte  n  —  Ä;-dimensionale  ebene  Schnitt 
aus  der  Mannigfaltigkeit  von  n  Dimensionen  eine  solche  von 
n  —  k  —  1  Dimensionen  ausschneidet,  welche  ebenso  oft  wie  die 
n-dimensionale  den  Nullpunkt  umgiebt,')  so  erhält  man  die 
Charakteristik  in  der  Gestalt  eines  n  —  Ä  —  1  -fachen  über 
jenen  Schnitt  ausgedehnten  Integrals,  welches  speciell  fĂĽr  k  =  o 
in  das  Kronecker'sche  Integral,  für  k  =  n  —  1  in  die  Kron- 
ecker'sche  Summenformel  ĂĽbergeht. 

Das  erwähnte  Gauss'sche  Integral  ergiebt  sich  durch  eine 
Specialisirung  aus  der  bekannten  von  Gauss  im  Artikel  10 
seiner  „Allgemeinen  Lehrsätze  in  Beziehung  auf  die  im  ver- 
kehrten Verhältnisse  des  Quadrats  der  Entfernung  wirkenden 
Anziehimgs-  und  Abstossungskräfte***)  gegebenen  Darstellung 
des  Ausdruckes  AH  fĂĽr  die  Potentialfunction  77  einer  drei- 
dimensionalen Masse  mit  HĂĽlfe  eines  zweifachen  ĂĽber  die  Be- 
grenzung und  eines  dreifachen  ĂĽber  das  Innere  der  Masse  aus- 
gedehnten Integrales.  Dieser  Umstand  führte  Kronecker  „auf 
die  durch  den  Erfolg  vollkommen  bestätigte  Vermuthung,  dass 
die  Potentialtheorie  Anhaltungspunkte  bieten  dĂĽrfte,  um  zu 
einer  allgemeinen  Darstellung  beliebiger  Functionen  der  durch 
ein  Gleichungssystem  definirten  Punkte  und  damit  auch  zu 
einer  Verallgemeinerung  des  sogenannten  Cauchy'schen  Integrals 
zu  gelangen".')  Die  Verallgemeinerung  hat  Kronecker  in 
Formel  A  des  VIII.  Abschnittes  seiner  Abhandlung  vom  Jahre 
1869  gegeben.  Sie  ermöglicht,  die  algebraische  Summe  aller 
Werthe  zu  berechnen,  welche  eine  gegebene  Function  5  von 
n  reellen  Variabein   im  Innern  eines  von  einer  n  ~  1-dimen- 


1)  Beiträge  zur  Potentialtheorie  I,  Seite  263  und  269. 

2)  Werke  Bd.  V,  Seite  209. 

')  Kronecker  a.  a.  0.,  Abschnitt  VI. 


TT.  Dyck:  Beiträge  zur  Potentialtheorie.   IIL  205 

sionalen  Mannigfaltigkeit  begrenzten  n-dimensionalen  Gebietes 
annimmt  an  den  Nullstellen  eines  Systems  von  n  Functionen 
dieser  Variabein;  und  zwar  wird  die  Berechnung  gegeben  mit 
Hülfe  eines  w-fachen  über  das  Innere  und  eines  n — 1- fachen 
ĂĽber  den  Rand  des  Gebietes  hin  erstreckten  Integrals.  Dabei 
sind  aber  die  Werthe  der  Function  g  an  jenen  Nullstellen 
noch  versehen  je  mit  dem  Vorzeichen  der  Functionaldetermi- 
nante  der  n  Functionen  des  Systems  an  eben  diesen  Stellen. 
Nun  kann  man  sich  einmal  von  dem  Vorzeichen  der 
Functionaldeterminante  frei  machen,  wenn  man  die  Function  g 
mit  einem  Factor  versieht,  welcher  an  den  Nullstellen  des 
Functionensystems  den  Wert  4"  1  o^^r  —  1  annimmt  je  nach- 
dem das  Vorzeichen  der  Functionaldeterminante  positiv  oder 
negativ  ist  —  wie  ich  dies  in  zwei  kurzen  Noten  „Sur  la 
determination  du  nombre  des  racines  communes  ä  un  Systeme 
d'^quations  simultan^es  et  sur  le  calcul  de  la  somme  des  valeurs 
d'une  fonction  en  ces  points"  *)  dargelegt  habe.  Man  kann 
damit  die  Fragen  ĂĽber  die  Bestimmung  der  Functions- 
werthe  eines  Functionensystems  im  Sinne  des  Cauchy- 
schen  Theorems  vollständig  erledigen.  Speciell  führt 
die  Anwendung  jener  Formeln  fĂĽr  den  Fall  eines  con- 
stanten  g  jetzt  direct  auf  die  Bestimmung  der  Anzahl 
der  Nullstellen  des  Functionssystems  und  zwar  in  einer 


^)  Comptes  rendus  vol.  119  S.  1254  u.  vol.  120  S.  34,  Paris,  Dezember 
1894  u.  Januar  1895.  Durch  ein  Versehen  der  Druckerei  hat  die  zweite 
dieser  Noten  nur  die  Ueberschrift  ,Sur  les  racines  communes  ä  plusieurs 
equations*  erhalten  und  diesem  Umstände  mag  es  zuzuschreiben  sein, 
dass  in  mehreren  Referaten  ĂĽber  diese  beiden  Noten  (vergl.  Revue 
semestrielle  (Amsterdam)  Bd.  HI,  Theil  2,  S.  68  1896,  und  Fortschritte 
der  Mathematik,  Bd.  25,  S.  145)  nur  berichtet  ist  ĂĽber  die  in  jenen  Noten 
gegebene  Bestimmung  der  Anzahl  der  Nullstellen  innerhalb  eines  ge- 
gebenen Bereiches.  Der  wesentliche  Inhalt  der  beiden  Noten  bezieht 
sich  aber  auf  die  Entwicklung  der  Methode  fĂĽr  die  Bestimmung  der 
Summe  der  Werthe  einer  gegebenen  Function  an  diesen  Null- 
stellen und  geht  gerade  dadmch  über  die  sogleich  zu  erwähnenden 
Pi  Card 'sehen  Untersuchungen,  welche  sich  nur  auf  die  Anzahl- 
bestimmung  beziehen,  hinaus. 


206  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  Märe  1898, 

Darstellung,  die  zuerst  Picard  gegeben  hat  auf  Grund  einer 
Ableitung,  in  welcher  derselbe  die  Kronecker'sche  Charak- 
teristikenformel zu  Grunde  legt  und  durch  einen  GrenzĂĽber- 
gang umgestaltet.*) 

Die  von  mir  in  jenen  Noten  vom  Jahre  1894/95  gegebene 
Methode  ist  im  11.  Abschnitte  des  Vorliegenden  ausgefĂĽhrt. 
Sie  gestattet  noch  weiter  die  Abänderung  der  Grenzen 
des  »-dimensionalen  Gebietes,  über  welches  die  Integration  zu 
erstrecken  ist,  insofeme  sie  die  Bildung  von  Formeln  ermög- 
licht, welche  die  Aufgabe  der  Functionswerthbestimmung 
innerhalb  eines  gegebenen  Bereiches  löst  durch  Aus- 
fĂĽhrung von  Integrationen,  welche  ĂĽber  einen  den 
ersten  willkĂĽrlich  umfassenden  Bereich  sich  erstrecken 
(§  5  des  gegenwärtigen  Aufsatzes). 

Aber  noch  eine  zweite  Bemerkung  lässt  sich  einfügen: 
Analog  wie  man  fĂĽr  die  Darstellung  der  Kronecker'schen 
Charakteristik  eines  Functionensystems  eine  (in  den  Beiträgen  I 
hergeleitete)  Reihe  von  Formeln  verwenden  kann,  von  einem 
w-fachen,  n  —  1  -fachen,  . . .  n  —  Ä- fachen  Integral  bis  zu  einer 
Simimenformel,  so  lassen  sich  auch  Formeln  aufstellen, 
welche  die  Summe  der  Werthe  jener  Function  g  an  den 
Nullstellen  unseres  Functionensystems,  statt  durch 
eine  Summe  aus  einem  w-fachen  und  einem  n — 1- 
fachen  Integrale,  geben  mit  Hülfe  eines  n — 1-fachen 
und  eines  n  —  2-fachen,  .  .  .  eines  n  —  i-fachen  und 
eines  n  —  k — 1-fachen,  .  .  .  eines  2-fachen  und  eines 
1-fachen  Integrales    und   endlich   eines  einfachen  In- 


^)  Vergl.  die  beiden  Noten  Picard 's  vom  7.  und  12.  Nov.  1891 
(Gomptes  rendus  Bd.  118),  sowie  die  Abhandlung  ,Sur  le  nombre  des 
racines  communes  ö,  plusieurs  equations  simultan^es*  im  Journal  de 
Liouville,  Serie  4,  Bd.  8,  S.  6,  endlich  vergl.  man  noch  Capitel  IV,  Ab- 
schnitt VII  in  Bd.  I  und  Capitel  VII  in  Bd.  II  von  Picard's  Cours  d' Analyse. 
—  Die  von  Kronecker  in  einer  Note  vom  Dezember  1891  (Comptes 
rendus  Bd.  113,  S.  1006)  gegebene  Bestimmung  dieser  Anzahl  ist  inso- 
feme unbefriedigend,  als  sie  eine  Integration  durch  das  Innere  des  ge- 
gebenen Bereiches  längs  der  durch  Nullsetzen  der  Functionaldeterminante 
sich  ergebenden  Mannigfaltigkeit  erfordert. 


W,  Dyck:  Beiträge  zur  Potentiältheorie.   III.  207 

tegrals  und  einer  Summe.  Man  hat  dabei  nur,  statt, 
wie  Kronecker,  von  der  Betrachtung  des  Potentials  einer 
n-dimensionalen  Masse  auszugehen,  die  Formeln  fĂĽr  das  Po- 
tential einer  n  —  Ä-dimensionalen  Masse  zu  Grunde  zu  legen, 
welche  über  einen  ebenen  (n  —  Ä-dimensionalen)  Schnitt  des 
ersteren  ausgebreitet  ist. 

Die  hierauf  bezĂĽglichen  Formeln  sind  im  I.  Abschnitt  der 
gegenwärtigen  Abhandlung  entwickelt.  Es  erscheint  dabei 
nicht  uninteressant,  zu  bemerken,  dass  sich  dieselben  Bezieh- 
ungen auch  ableiten  lassen  je  durch  einen  GrenzĂĽbergang  aus 
den  für  die  nächsthöhere  Mannigfaltigkeit  geltenden  Formeln. 
Es  kommt  dabei  der  Umstand  zur  Geltung,  dass  bei  einer  Zer- 
legung des  ganzen  ursprĂĽnglichen  w-dimensionalen  Integrations- 
bereiches in  00**,  etwa  parallelepipedisch  begrenzte,  Elementar- 
gebiete nur  diejenigen  Elemente  fĂĽr  die  Integration  in  Betracht 
kommen,  welche  die  Nullstellen  des  Functionensystems  uni- 
schliessen,  insofeme  sich  nämlich  die  Summe  der  Functions- 
werthe  von  %  zusammensetzt  aus  den  Werthen  der  ĂĽber  jene 
Nullstellen  genommenen  Begrenzungsintegrale.  Man  kann  also 
die  Integration  beschränken  auf  einen  beliebig  aus  der  Gesammt- 
heit  herausgenommenen  Bereich  von  oo"~*  dieser  Elemente, 
wenn  man  nur  jene  wesentlichen  Elemente  in  denselben  ein- 
schliesst.  Auf  die  hiemit  angedeutete  Entwicklung,  bei  wel- 
cher die  Unabhängigkeit  unserer  Beziehungen  von  dem  speciellen 
zu  Grunde  gelegten  Potentialgesetz  hervortritt,  gehe  ich  indess 
an  dieser  Stelle  nicht  näher  ein.^) 

*)  Man  vergleiche  hierĂĽber  meinen  Aufsatz  ,Ueber  die  Verallgemeine- 
nmgen  des  Cauchy'schen  Satzes*  im  51.  Bande  der  Mathematischen 
Annalen. 


1808.  Ăźitzungsb.  d.  math.-phyn.  Gl.  14 


208  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  5,  März  1898. 


I.  Abschnitt 

§  1- 

Die  Kronecker'sche  Transformation  der   Gauss'schen 
Formel  fĂĽr  die  Potentialgleichung. ^) 

Die  Kronecker'sche  Darstellung  geht   aus   von   dem  ĂĽber 
das   ganz   im  Endlichen   angenommene,   n-dimensionale  Gebiet 

-^0  i^v  ^r  ' ' '  -^w)  ^  ^ 
erstreckten  w-fachen  Integral: 

1) 


""M(^.-^.)' 


Fo>0 

in  welchem  JJ,  F^y  F^^  -F,,  .  .  .  JF'n  im  Integrationsbereiche  ein- 
deutige reelle  Functionen  der  n  reellen  Veränderlichen  ^,,  ^g, . .  .-s*« 
bezeichnen  und  Aq  die  Functionaldeterminante  der  Functionen 
Fj,  jFg,  .  .  .  Fn  bedeutet. 

Das  Integral  geht  durch  die  Substitution: 

3>j    ^  Xj  [ßy  ^2»  •  •  •  ^ti)  t 
n\  '^i  ^^^  -^^2  \^V  ^%^  '  '  '  ^*»/   » 

•         •         • 

ĂĽber  in  das  andere  auf  den  Raum  der  Xt  bezogene: 


*)  Wir  schicken  hier  des  Zusammenhangs  wegen  die  von  Kronecker 
im  VIII.  Abschnitt  seines  Aufsatzes  vom  März  1869  entwickelten  Formeln 
voraus.  Man  vergleiche  hierzu  noch  die  16.  Vorlesung  (ĂĽber  das  Potential) 
der  (von  Netto  herausgegebenen)  , Vorlesungen  ĂĽber  die  Theorie  der  ein- 
fachen und  der  vielfachen  Integrale*  von  L.  Kronecker.    Leipzig  1894. 


W.  Dyck;  Beiträge  zur  Potenlialtheorie.   III.  209 

in  welchem  an  Stelle  von  JJ  die  Function  q 

getreten  ist. 

Durch  diese  Formel  3  ist  die  Function  77^  {()  als  Potential- 
function  einer  ĂĽber  das  Gebiet  der  Variabein  Xg  ausgebreiteten 
Masse  definirt.  In  diesem  erscheint  indess  die  Dichtigkeits- 
function  g  im  Allgemeinen  als  eine  mehrdeutige  Function 
des  Ortes,  so  dass  wir  uns  eine  mehrblĂĽttrig  ĂĽber  den  Raum 
der  Xi  ausgebreitete  Masse,  ĂĽber  welche  sich  die  Integration 
zu  erstrecken  hat,  zu  denken  haben.  Als  Begrenzung  dieser 
Masse  ergiebt  sich  dabei  eine  durch 

^0  i'^v  ^r  •  •  •  ^n)  =  ^  (^1,  a?j, .  . .  Xn)  =  0 

gegebene  Mannigfaltigkeit,  die  ihrerseits  (nacli  bekannten 
Sätzen)  umkehrbar  eindeutig  auf  die  Mannigfaltigkeit  Fq  =  o 
bezogen  ist.') 

FĂĽr  die  Function  77,,  (<?)  hat  man  nun  die  der  Gauss'schen 
Gleichung  analog  gebildete  Darstellung  von  J/7„(f): 


')  Es  sei  hier  erwilhnt,  dass  im  I.  Theil  dieser  Beiträge  die  Varia- 
beln  z^  als  Parameter  im  Räume  der  ct^  gedeutet  sind  für  die  Mannig- 
faltigkeit M^^: 

In  der  gegenwärtigen  Abhandlung  ist  —  in  naturgemässer  Auszeichnung 
der  Function  Fq —  von  der  durch  die  Gleichungen  2)  vermittelten  Ab- 
bildung des  Raumes  der  z^  in  den  Raum  der  x^  Gebrauch  gemacht,  die 
auch  Kronecker  zu  Grunde  gelegt  hat.  Ich  gedenke  indess  auf  die 
erstere  Deutung  bei  nächster  Gelegenheit  zurückzukommen.  Man  ver- 
gleiche noch  die  Anmerkungen   auf  Seite  209  und   274   der  Beiträge  I. 

14* 


210 


Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  März  1898. 


4) 
J/7,(f)=- 


JQ'COS{RnN„)    ^^  1      S  Qi  (Xj  —  |>) 


[n^^-l)"^ 


•dO,., 


in  welcher  cos  ( JZ„  Nn)  den  Cosinus  des  Neigungswinkels  der 
(in  den  Innenraum  des  Gebietes  gerichteten)  Normalen  auf  0  =  o 
gegen  den  (vom  ^  Aufpunkt**  f  nach  dem  Punkte  x  gerichteten) 
Radius  vector  i?»  bedeutet,  ^,  die  nach  der  i*®"  Variabein  ge- 
nommene Ableitung  der  Dichtigkeitsfunction  q  bezeichnet,  dO,t 
bez.  dfO„_i  endlich  die  Elemente  im  Räume  der  Xf,  bez.  auf 
der  Mannigfaltigkeit  0  =  o.  Dabei  ist  die  Integration  beim 
ersten  Integral  zu  erstrecken  ĂĽber  0^0,  beim  zweiten  ĂĽber 
das  dem  Gebiete  -Fq  >  o  entsprechende  Gebiet  im  Räume  der  a?/. 

â–  

Führt  man  nunmehr  die  Variabein  -sr,  ein,  und  verlegt  — 
was  nur  eine  Vereinfachung  der  Schreibweise  ergiebt,  —  den  »Auf- 
punkt** in  den  Coordinatenanfangspunkt,  so  gelit  die  Gleich- 
ung 4  ĂĽber  in  die  Kronecker'sche  Formel: 


5) 

in  welcher 


An,{0)  =  -W„-i+Wn 


OFF 
F       F       F 


F      F       F 

-^2         -^21        -^22 


6  a) 


F„     F„     F^2    . 


F(,„ 
Fu. 
Fi,, 


F. 


MN 


-  n  -1  »I 

L  F!  [^ 


rfOn-l 


"  iL 

^Fo'iU 


TT.  Dyck:  Beiträge  zur  Potentialtheorie.  III, 


211 


6  b) 


W. 


0     5i      5«     •  •  •    iSm 

F        F       F  Fi 

-*■  1  -'■11  12        •   •   •       -*-  In 


F       F      F 

^2  -^21        ^22 


i^2„ 


•  • 


J^H  -^Ml  J^l»2  ...  -P'f 


nH 


•  do 


H 


Fo>o 


gesetzt  ist.     Hierbei  ist 


-  n  -iH^ 


dfört  =  df^j  df-2^j . . .  dzn 

das  Element  der  ,an  sich**  betrachteten  Mannigfaltigkeit 
i^v^ii'''^n\  dOn-\  dagegen  das  Element  der  durch  Fq  =  o 
aus  dieser  ausgeschnittenen  Mannigfaltigkeit  von  n  —  1  Di- 
mensionen, welches  man  bekanntlich  in  einer  der  Formen 


7) 


rfo„_i  = 


r   n 


n  1 


1 


Ol 


2 


F  ' 


d^j,  ^^2  •  •  •  dZj—\  dzj^i  . . .  dzn 


(fĂĽr  beliebiges/)  zu  Grunde  legen  kann. 

FĂĽr  einen  Bereich  Fq  >  0,  in  welchen  an  keiner  Stelle 
die  Functionen  F^y  F^,  . . .  i^n  gleichzeitig  verschwinden,  hat 
man  nun  nach  den  bekannten  Sätzen 


8) 


-  Wn-l  +   F»  =  0, 


während  für  die  unmittelbare  Umgebung  eines  Punktes,  für 
welchen  diese  Functionen  gleichzeitig  verschwinden,  das  w- 
fache  Integral  Wn  verschwindet,  das  n  —  1  fache  aber  den 
Werth 


9) 


Wn^i  =  d>»-i  •  sign  Aq  •  g 


212  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  5.  März  1898. 

annimmt,  in  welchem  con-i  die  „Oberfläche"  der  w-dimensionalen 
Einheitskugel 

bedeutet. 

FĂĽr  einen  ganz  allgemeinen  Bereich  ergiebt  sich 
sonach  die  Kronecker'sche  Formel  (A  in  No.  VIII  des 
genannten  Aufsatzes): 

10)  —  Wn^l  +  Wn  =  -  Cbu-i  •  -S-Signzl,  •  (J  , 

in  welcher  sich  die  Summation  rechts  auf  alle  Punkte 
bezieht,  fĂĽr  welche 

ist. 

§2. 
Neue  Formeln  zur  Darstellung  von  2*  sign /Iq«  5- 

Statt  die  Formeln  fĂĽr  das  Potential  der  n-diniensionalen, 
im  Räume  (x^,  x^, , , .  x^)  gelegenen  Mannigfaltigkeit  zu  Grunde 
zu  legen,  beschränken  wir  uns  nunmehr  auf  die  Betrachtung 
einer  durch  die  Gleichungen 

x^  =  0  , 


Xk  =  0 

aus  dieser  Mannigfaltigkeit  ausgeschnittenen  Mannigfaltigkeit 
von  n  —  h  Dimensionen.     Für  sie  legen  wir  die  Function 

als  neue  Dichtigkeitsfunction  zu  Grunde  und  definiren  fĂĽr  die 
so  bestimmte  n  —  A-dimensionale  Masse  eine  neue  Potential- 
function  //^-^(f)  durch  die  Gleichung: 


W.  Dyck:  Beiträge  zur  PotentiaJtheorie.   III.  213 

//„.»(ft+i, . . .  f  1.)=— ji— 2  •   \^ ^_^_^-dxt^\dXk^i...dx„ . 

Für  dieselbe  gilt   zunächst  die  der  Gleichung  4)  analoge 
Formel: 

12)  J/7„_»(|)  = 


e-cos(72„-*JV„_*) 


in  welcher  cos  {Rn-k  Nn-k)  den  Cosinus  des  Neigungswinkels  der 
inneren  Normalen  auf  das  in  der  Mannigfaltigkeit  x^  =  o,  x^  =  o, 
, . .  Xk  =  0  gelegene  n  —  Je  —  1-dimensionale  Element  dOn-u-i 
von  (2^  =  0  gegen  den  ebendort  vom  „  Aufpunkte "  f j  =  o, 
Ig  =  0,  . . .  f k  =  0,  1*4-1,  . . .  Ih  nach  dem  Elemente  gezogenen 
Radius  vector  bedeutet. 

Nun  transformiren  wir  diese  Formeln,  gemäss  den  Gleich- 
ungen: 


X^      —  J-\      (^j,  i'g,  . . .  ^h)  —  ö, 


13) 


Xk     =Fk     (^j,  ^jj, . .  .^„)  =  o; 


•^*H-l  =  -P*+l  ('S*!,  <2'2J  .  •  •  '2'm), 


14) 


Xfi  X    yi  \^ll    "^2?     •      •     •    ^h) 


214 


Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5,  März  1098. 


in  den  Raum  der  z  und  erhalten  dann  durch  eine  einfache,  der 
in  den  Beiträgen  I  gegebenen  analog  verlaufende  Rechnung, 
eine  der  Gleichung  5)  entsprechende  Formel 


15) 


/f77„_»  (p)  =  —  Wn-k-l  +  Wn-l  , 


in  welclier  als  , Aufpunkt"  wieder  der  Coordinatenanfangspunkt 
angenommen  ist  und  wobei  W„-h-i,  bez.  Wn-k  die  folgenden 
Integrale  bedeuten: 


16  a) 


0     JFoi     -^02 
0     Fn     Fvz 


Wn-k-l  = 

Foh 


0     Fm     FiĂź 


5-2=;      F„,     F„o 


[n  -jn—k 


F, 


tu 


Fk+lH 


F. 


tm 


dOn-k-\ 


I 

F11F12F13,.,  F(H, 


•  • 


FkiFk2Fk3...FkH 


2  » 


W.  JJyck;  Beiträge  zur  Potentidltheorie.   III. 


215 


16b) 


0      fji        di 
0     JF'ii     jFi2 


0     Ji,     F, 


k2 


Fk^i  Fk-{.iiFi,^i2 


Fn        Fnl       Fnl 


kH 


Fi 


/C+IM 


nn 


dOn^l 


Lr'] 


n-fc 


FiiFi2Fiz...Fin 


•  • 


FuiFkoFk^'-'Fkn 


Dabei  Ist  das  erste  Integral  ĂĽber  die  durch 

Fo  =  o;    Fi  =  o,F2  =  Oy...Fk  =  o 

definirtc  Begrenzungsmannigfaltigkeit,  das  zAveite  Integral  ĂĽber 
den  durch 

Fq >  o;     Fi  =  o,F2=^Oy.,.Fk  =  o 

gegebenen  Innenraum  derselben  zu  erstrecken. 

Durch  die  Matrixquadrate  im  Nenner  der  beiden  Integral- 
ausdrĂĽcke ist  in  bekannter  AbkĂĽrzung  die  Summe  der  Qua- 
drate der  Unterdeterminanten  bezeichnet.  Weiter  sind  (Zo„_k-i 
bez.  don-k  je  die  Elemente  der  Mannigfaltigkeiten,  ĂĽber  welche 
sich  die  Integration  erstreckt.  Diese  Elemente  können  in  den 
Formen : 


216 


Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  5.  März  1898. 


17  a) 


dOn-k^l  = 


Fol   Fi)2  FiĂź  .  .  .  Fl 


02 


ce 


0»! 


Fn  F\2   F\2  .  .  .  -Fj, 


Fki   Fki  FkA  ,  ,  ,  Fl 


kn 


Di  J 

j      1.  •  •  •  j 
n—k  V 


•  ds^j  dzi  . . .  dzj 


beziehungsweise 

Fn    Fi2   Fis  .  .  .  Flu  â– * 

17  b) 


dOu-k'= 


•  • 


Fk\   Fki   Fkii  .  ,  ,  Fi 


kn 


•  dzi  dzi  . . .  rfr, 


H-k 


geschrieben  werden,   in  welchen  Dj       . . .  j-    bez.  Dj  ...  y 

irgend    eine    der  ünterdeterminanten    der  Matrix    des  Zählers, 
dzi        dzj         ,    bez.    dz:  . . .  dzj         das    „correspondirende** 

■^1  '  '  *        ''n—k—l  i  u  -k 

Differential  bezeichnet. 

FĂĽr  die  beiden  Integrale  Wn-k-i  und  W^-k  gelten  nun 
direct  die  den  oben  fĂĽr  Wn  - 1  und  Wn  gegebenen  analogen 
Sätze:  Für  einen  Bereich 

Fo>o,Fi  =  o,,,Fk  =  o, 

in  welcliem  an  keiner  Stelle  die  ĂĽbrigen  Functionen  Fk^]  ...F^ 
sämmtlich  verschwinden,  ist 


18) 


-TVh    »-,+    Wn-k  =  0. 


Beschränkt  man  andererseits  die  Integration  auf  die  un- 
mittelbare Umgebung  eines  in  Fi  =  o, . . .  Fk  =  o  gelegenen 
Punktes,  in  welcliem  auch  die  Functionen  /^k+i, . .  .Fn  je  ein- 
fach verschwinden,  so  wird  das  Integral  TF„_fc  zu  Null,  wäh- 
rend das  Integral  Wn-k-i  —  in  Uebereinstimmung  mit  Formel  26 
der  „Beiträge  I**  —  den  Werth 


yV.  Dyck:  Beiträge  zur  Potenlialtheorie,   III,  217 

19)  Wn-k-i  =  con-k-i  -sign  Jo*5 

annimmt,  fĂĽr  welchen  JJ  wieder  den  Werth  der  Dichtigkeits- 
function  an  der  betr.  Stelle,  cbn- u-i  die  Oberfläche  der  n — Ä- 
dimensionalen  Einheitskugel  bezeichnet. 

Es  folgt  daher  fĂĽr  die  ĂĽber  den  ganzen  Bereich 
ausgedehnten  Integrale  die  Formel 

20)  —  Wn-k^i  +  Wn^k  =  —  cün-k^i  •  2' sign  Jo  '  5 

in  welcher  das  Summenzeichen  genau  dieselbe  Be- 
deutung besitzt,  wie  in  Formel  10. 

Indem  man  nun  der  Zahl  k  die  Werthe  von  Ă„;  =  0 
bis  Jc  =  n  —  2  beilegt,  gelangt  man  zu  einer  ganzen 
Keihe  von  Darstellungen  des  Ausdruckes 

2*  sign  A^  .  g, 

der  mit  den  Vorzeichen  der  Functionaldeterminante 
gebildeten  Summe  der  Werthe,  welche  eine  FunctionJJ 
im  Innern  des  Bereiches  i^Q  =  o  annimmt  an  den  Stellen 
Fi  =  o,  F2  =  o]  Fn  =  o,  und  zwar  mit  Hülfe  eines  w— 1- 
fachen  und  eines  nfachen,  eines  w  —  2-fachen  und  eines 
n  —  Ifachen,  schliesslich  mit  Hülfe  eines  einfachen 
und  eines  zweifachen  Integrals. 

FĂĽr  die  letzte  dieser  Formeln  ist  dabei  vom  logarith- 
mischen Potential  (im  Raum  der  x)  auszugehen. 

Als  Grenzfall  dieser  Darstellungen  kann  man  endlich  die 
für  k  =  n  —  1  sich  ergebenden  Formeln  betrachten,  in  welchen 
sich  für  den  Ausdruck  2  2  sign  Aq  •  g  eine  Summe  und  ein  ein- 
faches Integi'al  ergiebt;  man  kann  nach  leichter  Umformung 
der  entstehenden  Gleichung  die  Gestalt  geben: 

-  2sign((-l)"I^;j„).g+Jsign((   l>i^.)(gicZ.-,+g2d^2+...+5.(?--«)= 

=  -22sign(Jo)-g, 

in  welcher  die  Summe  links  sich  auf  alle  Punkte  erstreckt, 
fĂĽr  welche 


218  Sitzung  der  math.-jyhys.  Glosse  vom  5.  März  1898, 

ist,  das  einfache  Integral  auf  das  Gebiet 

Fo>o,  Fi  =  o,  F2  =  o. ,.  Fu-i  =  0 , 

die  Summe  rechts  aber  (wie  in  allen  Formeln)  auf  die  Punkte, 
fĂĽr  welche 

Fo  >  0,  Fl  =  ö,  -F2  =  0  . . .  F„  =  0 . 

Es  kann  diese  nicht  uninteressante  Beziehung  auch  direct 
unter  BenĂĽtzung  der  elementaren  Formel  fĂĽr  das  einfache  be- 
stimmte Integrtd  zwischen  gegebenen  festen  Grenzen  (hier  in  n 
durch  die  Gleichungen  i^i  =  0,  . . .  F^-i  =  0  verknĂĽpften  Varia- 
bein geschrieben)  hergeleitet  werden. 

§  3. 

Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  gewonnenen  Formeln. 

FĂĽr  die  in  der  Formel  20)  gewonnenen  Darstellungen 
unserer  Functionswerthsumme  gelten  nun  die  schon  in  den 
Beiträgen  I  (Seite  275)  für  das  Integral  der  Charakteristik  — 
das  sich  als  specieller  Fall  für  5  =  const  aus  20)  direct  ergiebt  — 
gemachten  Bemerkungen. 

Die  Auflösung  der  Zählerdeterminanten  in  Wn^k^i  und 
Wft-k  nach  Unterdeterminanten  der  1^^  bis  A^®",  bez.  2^°  bis 
h^^  Reihe  und  Ersetzung  der  Elemente  don-u-i  und  don-k  durch 
die  nach  17  a)  und  17  b)  jeweils  entsprechenden  AusdrĂĽcke  zeigt 
sofort,  dass  die  fĂĽr  die  Grenzen  der  Integration  in  Betracht 
kommenden,  gleich  Null  gesetzten  Functionen 

Fo;  Fu  F2,  .  .  .  F, 

in  die  AusdrĂĽcke  unter  dem  Integralzeichen  nur  schein- 
bar eingehen;  dass  diese  letzteren  vielmehr  ausschliesslich  von 
den  Functionen 

Fk^\,   Fk+2,  . .  .  F„ 

und  von  der  „Dichtigkeitsfunction**  5  abhängen. 


TT.  Dyck:  Beiträge  zur  Potentialtheorie.   III,  219 

Dabei  hat  man  es  völlig  in  der  Hand,  welche  h  Functionen 
-F,- ,  . . .  Fi    man   (unter   den   n  Functionen  Fi .  . .  Fn)   fiir   die 

Grenzen  der  Integrale  verwenden  will,  so  dass  fĂĽr  jeden  Werth 
von  k  noch  f  ,  j  Darstellungen  möglich  sind. 

Es  darf  indess  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass 
fĂĽr  die  Auswerthung  der  hiermit  eingefĂĽhrten  mehrfachen 
Integrale  im  Vergleich  zu  Integralen,  welche  über  „ebene** 
Mannigfaltigkeiten  („an  sich  betrachtete  M."  nach  Kronecker s 
Ausdrucksweise)  laufen,  in  noch  höherem  Grade  die  Bemer- 
kungen gelten,  welche  Kronecker  ĂĽber  die  Werthermittelung 
des  (n —  1)- fachen  Integrals  der  Charakteristik  im  Abschnitt  XI 
seiner  Untersuchungen  vom  März  1869  niedergelegt  hat.  Gleich- 
wohl aber  erscheint  mir  die  hier  gegebene  Darstellung  der 
Functionswerthsumme  in  iliren  verschiedenen  Formen  von  Inter- 
esse und  Werth,  weil  sie  den  Charakter  derartiger  Fragestell- 
ungen nach  einer  ganz  bestimmten  Richtung  kennzeichnet. 
Verbindet  man  mit  der  Gesammtheit  der  hier  gegebenen  Mög- 
lichkeiten fĂĽr  die  Bestimmung  jener  Functionswerthsummen 
noch  diejenigen  Umformungen,  welche  einerseits  die  Functionen 
i^i, . . .  Ff,,  von  denen  ja  nur  die  im  Gebiete  Fq'>o  gelegenen 
Nullstellen  wesentlich  sind,  im  Sinne  der  Analysis  situs  erleiden 
können,  und  beachtet  andererseits,  dass  auch  die  Dichtig- 
keitsfunction  JJ  beliebig  stetig  so  abgeändert  werden 
kann,  dass  nur  die  Werthe  derselben  an  den  Null- 
stellen der  i^i  erhalten  bleiben,  so  ist  damit  eine  bestimmte 
Gruppe  von  Darstellungsformen  fĂĽr  unsere  Functionswerthsumme 
bezeichnet. 

Ueber  eine  Abänderung,  welcher,  abgesehen  von  den  im 
Sinne  der  Analysis  situs  zulässigen,  die  Grenze  Fo  =  0  des 
Gebietes  unterzogen  werden  kann,  soll  im  folgenden  Ab- 
schnitte (§  5)  noch  besonders  gehandelt  werden. 


220  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  5,  März  1S98. 


II.  Abschnitt. 

§4. 

EinfĂĽhrung  eines  analytischen  Ausdruckes  fĂĽr  sign  zl^ 
und  Anwendung  desselben   zur  Aufstellung  der   For- 
meln zur  Berechnung  von  H^, 

Um  uns  von  dem  Vorzeichen  der  Functionaldeterminante  A^ 
frei  zu  machen  fĂĽhren  wir  nunmehr  eine  Dichtigkeitsfunction  JJ 
ein,  welche  an  den  Nullstellen  der  Functionen  -Fi,  -F2,  -  -  -  Fn 
den  Werth  +  ^  beziehungsweise  -^  ^  annimmt,  je  nachdem 
dort  die  Functionaldeterminanten  J^  positiv    oder   negativ   ist. 

Dies  gelingt  auf  die  einfachste  Weise,  denn  es  lĂĽsst  sich 
—  und  zwar  noch  auf  mannigfache  Art  —  eine  im  Innern 
unseres  Bereiches  ĂĽberall  endliche  und  stetige  Function  bilden, 
welche  an  den  Nullstellen  der  Fi  den  Werth  sign  Aq  •  1  besitzt. 
Eine  solche  Function  ist  beispielsweise: 

22)  ^  ^" 


in  welcher  X  irgend  eine  Constante  bezeichnet,  oder  auch  eine 
stetige  Function  der  -s^,,  die  an  allen  Nullstellen  positiv  ist  und 
ebenso  wie  J^  *)  nirgends  im  Gebiet  zugleich  mit  allen  Functionen 
F\, . , .  Fn  verschwindet;  sie  besitzt  nämlich,  weil  nach  den 
getroffenen  Voraussetzungen  die  Quadratwurzel  im  Nenner  in 
unserem  Gebiete  unverzweigt  ist  ĂĽberall  das  Vorzeichen  von  Aq 
und  nimmt  an  den  Nullstellen  der  Fi  den  verlangten  Werth 
sign  Af^  •  1  an. 

Ersetzt  man  also  in  den  Entwickelungen  des  I.  Abschnittes 
und  speciell  in  den  Formeln  10)  und  20)  durchweg  die  Function  g 
durch  die  neue  Dichtigkeitsfunction 


^)  Vergl.  die  in  den  Beiträgen  I  S.  2G2  für  die  F^  gegebenen  Be- 
dingungen. 


TT.  DycJc:  Beiträge  zur  Potentialtlieorie.   III.  221 

23)  yF'2  +  Fl  +  ...+Fl  +  X^Al    ^ 

so  ergeben  sich  Formeln,  welche  direct  im  Cauchy'schen  Sinne 
die  Aufgabe  lösen: 

Gegeben  ist  in  einer  Mannigfaltigkeit  von  w  Di- 
mensionen ein  n  —  Ä-dimensionales  Gebiet 

in  welchem  sich  eine  Anzahl  von  Nullstellen  der 
Functionen 

Fk^x  =  0  Fu+2  =  o,.,Fn  =  o 

befinden.  Man  bestimme  mit  Hülfe  eines  n  —  Ä:-fachen 
durch  das  Innere  und  eines  n  —  Je  —  1-fachen  über  den 
Rand  des  Gebietes  gefĂĽhrten  Integrales  die  Summe 
der  Werthe  einer  Function  §f  in  diesen  Nullstellen. 

Dabei  haben  wir  (durch  Aenderung  der  Gruppirung  der 
Functionen  und  Wahl  von  k)  es  in  der  Hand,  zu  bestimmen, 
welche  und  wie  viele  der  Functionen  Fi, . , .  Fn  wir  zur  Be- 
grenzung der  Integration,  bez.  zur  Festlegung  der  Nullstellen 
im  Integrationsgebiete  verwenden  wollen. 

Setzt  man  weiter,  wie  noch  anschliessend  bemerkt  sein  mag: 

24)  ^"1/^2^72^2-:^^^ 

{=  sign  Jo- sign  §f.§f     (fürFi  ==ö,  JF2  =  ö,.  ..^^  =  0)} 

so  ergeben  sich  Formeln  fĂĽr  die  Bestimmung  der  Summe 
der  absoluten  Beträge  der  Function  §f  an  den  Null- 
stellen der  F,. 


^)  Oder  auch 

er  __  ^0  3^ ^ 


222  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  5.  März  1898, 

§5- 
Weitere  Anwendungen:   Bestimmung   der  Anzahl   und 
Lage  der  Nullstellen  eines  Functionensystems  in  einem 
gegebenen    Gebiete.      Abänderung    der    Integrations- 
grenzen. 

Die  im  vorangehenden  Paragraphen  entwickelte  Methode 
gestattet  nun  mannigfache  weitere  Anwendungen. 

Vor  Allem  lassen  sich  jetzt  Formeln  fĂĽr  die  Be- 
stimmung der  Anzahl  der  Nullstellen  des  Functionen- 
systems Fi^F2...Fn  im  Innern  von  JFo  =  o  gewinnen: 
Man  braucht  zu  dem  Ende  nur  in  der  Formel  23)  §f  =  1  zu 
setzen,  also  in  den  Integralen  des  vorigen  Abschnittes 

cv^  ^^  _    i 

25)  ""      yFl+Fl  +  ...Fl  +  X^Al 

{=  sign  ^0-1     für  -Fl  =  0,  ii^2  ==  ö, . . .  JPh  =  ö} 

als  Dichtigkeitsfunction  einzufĂĽhren.  Man  gelangt  damit  zu 
den  zuerst  von  Picard  (auf  anderem  Wege)  abgeleiteten 
Formeln.*) 


Andererseits    lassen    sich    die    Nullstellen    selbst 
mit  HĂĽlfe  unserer  Integralformeln  berechnen. 

Setzt  mjin  nämlich 

26)         ^  ~  Yt^-Ff^::+Fi+j^Ai '  "^^ 

{ =  sign  Aq'^^     (ilrFi  =  o,F2  =  o,...Fn  =  o} 

unter  v  die  Zahlen  1,  2,  . .  .p  verstanden,  wennjp  die  Anzahl 
der  Nullstellen  im  Innern  unseres  Bereiches  ist,  so  ergeben 
sich  der  Reihe  nach  die  Potenzsummen  der  Werthe  C/n  welche 
eine  bestimmte  Coordinate  ^f^  an  jenen  p  Stellen  annimmt,  und 


*)  Vergl.  die  in  der  Einleitung  citirten  Abhandlungen. 


TT.  Dyck:  Beiträge  zur  Potentialtheorie.   III,  223 

damit  eine  algebraische  Gleichung  p^^^  Grades  zur  Berechnung 
dieser  Werthe. 

Versteht  man  speciell  unter  JPi,  ÂĄ2^  -  -  -  Fn  algebraische 
Functionen  der  04,  so  bedarf  es  nach  Bestimmung  der 
Anzahl^?  der  Nullstellen  des  Bereiches  ĂĽberhaupt  nur 
noch  der  Auswerthung  der  soeben  bezeichneten  auf  eine 
bestimmte  Coordinate  js^^  bezĂĽglichen  jp  Integralpaare, 
sowie  der  Auflösung  einer  Gleichung  p^^  Grades,  um 
dann  nach  den  bekannten  Methoden  alle  ĂĽbrigen 
Schnittspunktscoordinaten  f,  und  damit  jede  beliebige 
rationale  Function  der  f,  auf  rationalem  Wege  zu  be- 
rechnen. 

Endlich  kann  man  innerhalb  des  GĂĽltigkeits- 
bereiches der  fĂĽr  die  Functionen  i^^  zu  Grunde  geleg- 
ten Bedingungen  die  Grenze  i^ü  =  ö  für  die  Integration 
ersetzen  durch  eine -Fo  =  ö  umfassende  aber  sonst  will- 
kĂĽrlich vorzuschreibende  Grenze  T^o, 

Die  Mannigfaltigkeit  JFo  =  ö  theilt  nämlich  das  Gebiet 
T>o  in  die  Theile 

Fq>o^  T>Oj  in  welchem  unsere  |?  Nullstellen  f  liegen, 

und 

Fq<o,  T>o,  in  welchem  weitere  q  Nullstellen  f  sich  befinden. 

Nun  fĂĽhre  man  einerseits  fĂĽr  die  in  den  Formeln  23),  24) 
und  25)  gegebenen  Dichtigkeitsfunctionen  die  Integrationen 
ĂĽber  T=o  bez.  T>o  aus,  andererseits  aber  beziehungsweise 
fĂĽr  die  folgenden: 

et  ^      _  _^_^Q^ —   3f 

27)  "^      YF\  +  Ff\^7:/+~Fl  +  ÂĄĂ„fFl^ 

{ =  sign  Ao  •  sign  J^o  •  §f    für  Fi  =  0,  Fo  =  0 . . .  -Fn  =  0} , 

cfc_  AJpFogf  ^ 

28)  "^     VFi  +  Fl  +  .,,  +  Fl  +  k^AlFl^' 

{=  sign  Aq  •  signi^o  •  sign  §f  •  ^f     für  Fi  =  0,  JF2  =  0 . . .  JPh  =  0}, 

1806.  Sitznngtb.  d.  math.-phjB.  Ol.  15 


224  Sitzung  der  tnathrphys.  Classe  vom  5.  Märe  1898, 

29)       "^   yF'i+Fi+::.+Fi+x^AiFi 

{  =  sign  Aq  •  sign  Fq-I    für  JPi  =  o,  F2  =  o,  . . .  F„  =  o}  . 

Dann   ergeben   sich  beziehungsweise   aus  23)  und 
27)  die  Werthsummen: 

30)  (S(^)+S(§f))    «^d    (S  (§^)  -  S  (§f)), 

er  er 

aus  24)  und  28)  die  Summen: 

31)  (S(abs^)+2(abs3f))     und    (S  (abs  §f)  -  2  (abs  ^f)), 

endlich  aus  25)  und  29)  die  Anzahlen 

32)  0  +  g)    und    (p  — g) 

fĂĽr  die  durch  Fq  =  o  getrennten  Nullstellen  des  Ge- 
bietes T>o,  und  daraus  unmittelbar  die  auf  das  Ge- 
biet Fo'>o  bezĂĽglichen  Punctionswerthsummen. 

Es  gelingt  also  fĂĽr  die  Berechnung  aller  in  Frage 
stehenden  Grössen  auch  noch  die  letzte  Function  Fq 
der  gegebenen  «-f*  1  Functionen  JFo»  Fi,  -  -  -  Fn  als  Grenz- 
bedingung fortzuschaffen  und  statt  dessen  in  dem 
Ausdruck  unter  dem  Integralzeichen  einzufĂĽhren.  Es 
ist  diese  Bemerkung  wichtig  insbesondere  fĂĽr  die  Dar- 
stellung durch  ein  w-faches  und  ein  n — 1-faches  Inte- 
gral, insoferne  sie  gestattet  neben  dem  n-fachen  „an 
sich"  betrachteten  Integral  auch  noch  für  das  n  —  1- 
fache,  über  Fo  =  o  laufende  Integral  eine  Summe  „an 
sich"  betrachteter  n — 1-fache  Integrale  einzuführen 
indem  man  etwa  fĂĽr  die  Begrenzung  eines  neuen  In- 
tegrationsgebietes T>o  lauter  ebenen  —  1-fache  Man- 
nigfaltigkeiten -3^,=  const.  annimmt,  welche  —  wenn 
nöthig  in  treppenformigen  Absätzen  —  das  Gebiet 
Fo>o  innerhalb  des  GĂĽltigkeitsbereiches  unserer 
Functionsbedingungen  umschliessen. 


225 


Sitzung  vom  4.  Mai  1898. 

Herr  C.  v.  Kupfper  hält  einen  Vortrag:  »lieber  die 
Sternzellen  der  Leber.*  Derselbe  wird  an  einem  anderen 
Orte  zur  VeröflFentlichung  gelangen. 


15' 


226 


Sitzung  vom  11.  Juni  1898. 

1.  Herr  Johannes  Ranke  hält  den  in  der  Maisitzung  zurück- 
gestellten Vortrag:  ^lieber  den  Stirnfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe bei  den  Primaten.* 

2.  Herr  Emil  Salenka  spricht:  ,,XJeber  die  erste  Em- 
bryonalanlage der  Menschenaffen.*  Die  Abhandlung 
wird  an  einem  anderen  Orte  veröffentlicht  werden. 

3.  Herr  Hugo  Seeligeb  legt  eine  Abhandlung  von  Herrn 
Dr.  K.  Schwarzschild,  Assistent  der  v.  Kuffner'schen  Stern- 
warte zu  Wien,  „lieber  die  Beugungsfigur  im  Fernrohr 
weit  ausserhalb  des  Focus*  vor. 

4.  Herr  Hugo  Seeligeb  überreicht  eine  Arbeit:  „Betrach- 
tungen über  die  räumliche  Vertheilung  der  Fixsterne.* 
Dieselbe  wird  in  die  Druckschriften  aufgenommen. 

5.  Herr  Alfbed  Pbingsheim  theilt  zwei  Abhandlungen  mit: 

a)  „lieber    die    Convergenz     einer    allgemeinen 
Classe  von  KettenbrĂĽchen,* 

b)  „lieber  die  ersten  Beweise  der  Irrationalität 
von  e  und  ti.* 


227 


Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe 

bei  den  Primaten. 


Von  Johannes  Ranke. 

(Sfnffdafifm  J8,  Jnnf.) 


L  Der  Stirnfortsatz  beim  Menschen. 

a)  Europäer. 

Im  Jahre  1875  erschien  Herrn  R.  Virchow's  Werk: 
„Ueber  einige  Merkmale  niederer  Menschenrassen  am  Schädel*,*) 
durch  welches  die  Kraniologie  einen  neuen  anhaltenden  Impuls 
erhielt. 

Unter  anderem  wurde  in  jenem  Werke  der  Stirn fortsatz 
der  Schläfenschuppe,  Processus  frontalis  oss.  temp.,  einer 
eingehenden  Betrachtung  unterzogen.  Diese  Bildung  ist  bei 
dem  Menschen  recht  selten,  erweckt  aber  dadurch  ein  höheres 
Interesse,  weil  die  Mehrzahl  der  Autoren  darin  ĂĽbereinkommt, 
das  Vorkommen  des  Stimfortsatzes  beim  Menschen  fĂĽr  eine 
entschiedene  Thierähnlichkeit  zu  erklären.  Herr  R.  Virchow 
gibt  folgende  Darlegung  der  anatomischen  Verhältnisse.*) 

^Es  gibt  bei  einer  grossen  Anzahl  von  Säugethieren,  und 
zwar  überwiegend  von  höheren,  eine  Knocheneinrichtung  am 
Schädel,  welche  nach  der  gewöhnlichen  anatomischen  Ei  fahrung 
sich  beim  Menschen  nicht  findet  und  daher  dem  Anschein  nach 


')  Denkschriften  der  Berliner  Akademie  der  Wissensch.    4P.     1876. 
Mit  7  Tafeln. 

«)  1.  c.  8.  9. 


228  Sitzung  der  tnath.'phys.  Classe  vom  11.  Juni  1898, 

einen  durchgreifenden  Unterschied  dieser  Thiere  vom  Menschen 
darstellt.  Es  ist  das  die  Verbindung  der  Schuppe  des  Schläfen- 
beins mit  dem  Stirnbein  durch  einen  besonderen  Fortsatz,  den 
Stirnfortsatz,  Processus  frontalis.  Zuweilen  geschieht  diese 
Verbindung  in  einer  so  breiten  Fläche,  dass  man  ein  Zusammen- 
stossen  der  beiden  Knochen  selbst  annehmen  könnte.  Durch 
diese  Verbindung  wird  der  grosse  FlĂĽgel  des  Keilbeins 
von  der  BerĂĽhrung  mit  dem  vorderen  unteren  Winkel 
des  Scheitel-  oder  Seitenwandbeines  abgeschnitten. 
Beim  Menschen  dagegen  erreicht  der  KeilbeinflĂĽgel 
nicht  nur  das  Scheitelbein,  sondern  beide  pflegen 
sich  in  einer  verhältnissmässig  langen  Strecke  an 
einander  zu  legen.  Die  Schläfenschuppe  bleibt  daher 
in  einer  beträchtlichen  Entfernung  vom  Stirnbein. 
Unter  den  Säugethieren  sind  es  besonders  die  Nager,  die 
Dickhäuter,  die  Einhufer  und  die  Affen  imd  vor  allem 
die  anthropoiden  Affen,  deren  Schädel  die  Verbindung  der 
Schläfenschuppe  mit  dem  Stirnbein  zeigen.  Indes  geschieht 
die  Verbindung  in  sehr  wechselnder  Form  und  keineswegs  bei 
allen  Gattungen  der  genannten  Ordnungen.  Herr  W.  Gruber 
sagt  in  seiner  eingehenden  Untersuchung  über  dieses  Verhält- 
niss,  dass  es  zur  Verbindung  durch  einen  platten  und  gut  ab- 
gegrenzten Fortsatz  eigentlich  nur  bei  den  Affen  komme.  Von 
den  anthropoiden  Affen  besitzen  Gorilla  und  Schimpanse  den 
Fortsatz  konstant.  Beim  Orangutan  vermisst  man  ihn  häufiger, 
doch  ist  sein  Vorkommen  durch  die  Herren  Owen,  BrĂĽhl, 
Bischoff,  Gruber  und  Trinchese  auch  fĂĽr  dieses  Thier 
nachgewiesen  worden.  Herr  Grub  er  sah  ihn  beim  Orangutan 
unter  15  Fällen,  von  denen  3  wegen  Verwachsung  der  Nähte 
keinen  Aufschluss  gaben,  achtmal,  während  Herr  Owen  ihn 
unter  8  Fällen  nur  einmal  beobachtete.  Ebenso  ist  das  Vor- 
kommen inkonstant  beim  Hylobates.  Diese  Thatsachen  er- 
scheinen um  so  mehr  bemerkenswerth,  als  eine  ähnliche  Ver- 
bindung bei  den  Halbaffen  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet 
worden  ist,  letztere  also  in  dieser  Beziehung  dem  Menschen 
näher  stehen.  ** 


/.  Eanke:  Der  Stirnfortaatz  der  Sefdäfenschuppe.  229 

In  der  Literatur  fand  sich  bis  dahin  nur  eine  Angabe 
über  das  Vorkommen  eines  Schläfenfortsatzes  an  einem  modernen 
deutschen  Schädel;^)  Herr  Virchow  selbst  konnte  auch  nur 
eine  einzige  Beobachtung  aus  deutschem  Gebiete  mittheilen  und 
zwar  an  einem  sehr  jugendlichen  prähistorischen  Schädel 
aus  dem  Gräberfelde  von  Camburg,  wo  er  das  Vorkommen  von 
Cretinismus  schon  in  jener  alten  Zeit  constatirt  hatte.^) 

Im  Jahre  1877  begann  ich  mit  der  VeröflFentlichung  meiner 
Untersuchungen:  Ueber  die  Schädel  der  altbayerischen 
Landbevölkerung.*) 

Unter  2421  Schädeln  der  altbayerischen  Landbevölkerung 
fand  ich:  43  mit  theils  einseitigem,  theils  doppelseitigem  voll- 
kommen trennendem  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe,  es  sind 
das  je  1  Schädel  auf  56,3  oder  17,3  Schädel  auf  je  1000. 

Auch  aus  anderen  Gegenden  Deutschlands  liefen  nun 
Einzelangaben  über  das  Vorkommen  von  Stimfortsätzen  der 
Schläfenschuppe  ein,  aus  welchen  soviel  hervorzugehen  scheint, 
dass  ĂĽberall  in  Deutschland  das  Vorkommen  ziemlich  gleich 
häufig  rsp.  selten  ist.  Auch  für  andere  Europäische  Völker 
gilt  das  Gleiche,  fĂĽr  welche  ich  damals  schon  ĂĽber  8000 
Schädel,  die  von  mir  beobachteten  eingerechnet,  aus  der  Lite- 
ratur vergleichen  konnte.  Unter  4000  Slavenschädeln  hatte 
W.  Grub  er  den  Stimfortsatz  60  mal  gefunden  =  15,0  pro 
mille,  Virchow  gibt  fĂĽr  Slaven  16,6  p.  m.  an,  Calori  fand 
unter  1013  Italienerschädeln  den  Fortsatz  zu  22  p.  m.  bei 
Frauen-,  und  nur  zu  4  p.  m.  bei  Männer-Schädeln.  Im  Mittel 
berechnete  ich  daraus  die  Häufigkeit  des  Stirnfort- 
satzes bei  europäischen  Völkern  zu  16  pro  mille. 


*)  J.  He  nie,  Handbuch  der  Knochenlehre.  Braunach  weig  1855. 
S.  184. 

2)  R.  Virchow.    1.  c.  S.  40. 

•)  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.  Bd.  I. 
S.  227  flf.  und  Beiträge  zur  physischen  Anthropologie  der  Bayern.  München, 
Th.  Riedel  Lexic.  8»  mit  16  Tafeln  und  2  Karten. 


228  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  IL  Juni  1898. 

einen  durchgreifenden  Unterschied  dieser  Thiere  vom  Menschen 
darstellt.  Es  ist  das  die  Verbindung  der  Schuppe  des  Schläfen- 
beins mit  dem  Stirnbein  durch  einen  besonderen  Fortsatz,  den 
Stirnfortsatz,  Processus  frontalis.  Zuweilen  geschieht  diese 
Verbindung  in  einer  so  breiten  Fläche,  dass  man  ein  Zusammen- 
stossen  der  beiden  Knochen  selbst  annehmen  könnte.  Durch 
diese  Verbindung  wird  der  grosse  FlĂĽgel  des  Keilbeins 
von  der  BerĂĽhrung  mit  dem  vorderen  unteren  Winkel 
des  Scheitel-  oder  Seitenwandbeines  abgeschnitten. 
Beim  Menschen  dagegen  erreicht  der  KeilbeinflĂĽgel 
nicht  nur  das  Scheitelbein,  sondern  beide  pflegen 
sich  in  einer  verhältnissmässig  langen  Strecke  an 
einander  zu  legen.  Die  Schläfenschuppe  bleibt  daher 
in  einer  beträchtlichen  Entfernung  vom  Stirnbein. 
Unter  den  Säugethieren  sind  es  besonders  die  Nager,  die 
Dickhäuter,  die  Einhufer  imd  die  Affen  und  vor  allem 
die  anthropoiden  Affen,  deren  Schädel  die  Verbindung  der 
Schläfenschuppe  mit  dem  Stirnbein  zeigen.  Indes  geschieht 
die  Verbindung  in  sehr  wechselnder  Form  und  keineswegs  bei 
allen  Gattungen  der  genannten  Ordnungen.  Herr  W.  6  ruber 
sagt  in  seiner  eingehenden  Untersuchung  über  dieses  Verhält- 
niss,  dass  es  zur  Verbindung  durch  einen  platten  und  gut  ab- 
gegrenzten Fortsatz  eigentlich  nur  bei  den  AflFen  komme.  Von 
den  anthropoiden  AflFen  besitzen  Gorilla  und  Schimpanse  den 
Fortsatz  konstant.  Beim  Orangutan  vermisst  man  ihn  häufiger, 
doch  ist  sein  Vorkommen  durch  die  Herren  Owen,  BrĂĽhl, 
Bischoff,  Gruber  und  Trinchese  auch  fĂĽr  dieses  Thier 
nachgewiesen  worden.  Herr  Grub  er  sah  ihn  beim  Orangutan 
unter  15  Fällen,  von  denen  3  wegen  Verwachsung  der  Nähte 
keinen  Aufschluss  gaben,  achtmal,  während  Herr  Owen  ihn 
unter  8  Fällen  nur  einmal  beobachtete.  Ebenso  ist  das  Vor- 
kommen inkonstant  beim  Hylobates.  Diese  Thatsachen  er- 
scheinen um  so  mehr  bemerkenswerth,  als  eine  ähnliche  Ver- 
bindung bei  den  Halbaffen  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet 
worden  ist,  letztere  also  in  dieser  Beziehung  dem  Menschen 
näher  stehen.  ** 


J,  Bänke;  Der  StirnfortsaU  der  Sehläfenachuppe,  229 

In  der  Literatur  fand  sich  bis  dahin  nur  eine  Angabe 
über  das  Vorkommen  eines  Schläfenfortsatzes  an  einem  modernen 
deutschen  Schädel;^)  Herr  Virchow  selbst  konnte  auch  nur 
eine  einzige  Beobachtung  aus  deutschem  Gebiete  mittheilen  und 
zwar  an  einem  sehr  jugendlichen  prähistorischen  Schädel 
aus  dem  Gräberfelde  von  Camburg,  wo  er  das  Vorkommen  von 
Cretinismus  schon  in  jener  alten  Zeit  constatirt  hatte.*) 

Im  Jahre  1877  begann  ich  mit  der  VeröflFentlichung  meiner 
Untersuchungen:  üeber  die  Schädel  der  altbayerischen 
Landbevölkerung.') 

Unter  2421  Schädeln  der  altbayerischen  Landbevölkerung 
fand  ich:  43  mit  theils  einseitigem,  theils  doppelseitigem  voll- 
kommen trennendem  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe,  es  sind 
das  je  1  Schädel  auf  56,3  oder  17,3  Schädel  auf  je  1000. 

Auch  aus  anderen  Gegenden  Deutschlands  liefen  nun 
Einzelangaben  über  das  Vorkommen  von  Stimfortsätzen  der 
Schläfenschuppe  ein,  aus  welchen  soviel  hervorzugehen  scheint, 
dass  ĂĽberall  in  Deutschland  das  Vorkonmien  ziemlich  gleich 
häufig  rsp.  selten  ist.  Auch  für  andere  Europäische  Völker 
gilt  das  Gleiche,  fĂĽr  welche  ich  damals  schon  ĂĽber  8000 
Schädel,  die  von  mir  beobachteten  eingerechnet,  aus  der  Lite- 
ratur vergleichen  konnte.  Unter  4000  Slavenschädeln  hatte 
W.  Gruber  den  Stimfortsatz  60  mal  gefunden  =  15,0  pro 
mille,  Virchow  gibt  fĂĽr  Slaven  16,6  p.  m.  an,  Calori  fand 
unter  1013  Italienerschädeln  den  Fortsatz  zu  22  p.  m.  bei 
Frauen-,  und  nur  zu  4  p.  m.  bei  Männer-Schädeln.  Im  Mittel 
berechnete  ich  daraus  die  Häufigkeit  des  Stirnfort- 
satzes bei  europäischen  Völkern  zu  16  pro  mille. 


*)  J.  He  nie,  Handbuch  der  Knochenlehre.  Braunach  weig  1855. 
S.  184. 

2)  R.  Virchow.    1.  c.  S.  40. 

•)  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.  Bd.  I. 
S.  227  flf.  und  Beiträge  zur  physischen  Anthropologie  der  Bayern.  München, 
Th.  Biedel  Lexic.  8^  mit  16  Tafehi  und  2  Karten. 


230  Sitzung  der  mcUhrphys.  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Fünf  Jahre  später  hat  Herr  DimitrijAnutschin*)  aus  der 
Literatur  und  aus  eigener  Beobachtung  die  Gesammtzahl  der 
darauf  untersuchten  Europäer-Schädel,  unter  Einrechnung 
der  von  mir  untersuchten,  auf  nahezu  10  Tausend  (9867) 
gebracht  —  Deutsche  (vor  allem  meine  Altbayem),  Franzosen, 
Italiener,  Russen,  Oeslerreicher.  —  Er  fand  in  der  Gesammt- 
zahl den  Stimfortsatz  ebenfalls  zu  16  pro  mille  und  bestätigte 
damit  meine  älteren  Resultate. 

Unbeschadet  der  XJebereinstimmung  der  statistischen  Er- 
gebnisse im  Grossen  konnte  ich  jedoch  im  Einzelnen  enorme 
Differenzen  der  Anzahl  der  Schläfenfortsätze  für  lokal 
engbegrenzte  Gruppen  nachweisen. 

Während  in  bayerischen  Flachlandorten  —  mit  und  ohne 
slavische  Beimischung  —  die  Anzahl  der  Stimfortsätze  16  pro 
mille  betrug,  stieg  dieselbe  in  Gebirgsorten  auf  44,8  pro  mille. 
In  dem  kleinen  Gebirgsorte  Bergen  am  Chiemsee  fand  ich  unter 
8  Schädeln  1  mit  vollständigem  und  5  mit  unvollständigem 
Schläfenbeinfortsatz  zum  Stirnbein,  der  vollständige  Fortsatz 
fand  sich  dort  sonach  in  125  pro  mille.  In  manchen  meiner 
Untersuchungsreihen  dagegen  fand  ich  den  Stimfortsatz  ĂĽber- 
haupt gar  nicht. 

Aehnliche  Beobachtungen  machte  Herr  R.  Virchow. 
Während  Calori  unter  1013  Italienerschädeln  nur  achtmal 
den  vollständigen  Stimfortsatz  zählte,  sah  ihn  Virchow  unter 
5  Schädeln  von  St.  Remo  zweimal  =  400  pro  mille;  unter 
13  Finnenschädeln  dreimal  =  230  pro  mille;  unter  8  Ungam- 
schädeln  zweimal  =  250  pro  mille. 

Aus  diesen  Ergebnissen  tritt  uns  die  ausgesprochene  „Erb- 
lichkeit" dieser  seltenen  Bildung  mit  Entschiedenheit  ent- 
gegen: in  eng  abgeschlossenen  kleinen  Bevölkerungsgruppen, 
bei  den  sich  in  solchen  ergebenden  gleichartigen  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  der  Bewohner  kleiner  Ortschaften, 
kann  sich  das  Moment  der  Erblichkeit  in  gesteigertem  Masse 
geltend  machen.  Es  gilt  das,  wie  ich  gefunden  habe,  filr  alle 
seltenen  angeborenen  Schädel-  und  sonstigen  Körperanomalien. 

^)  Biol.  Centralblatt.  1882,  II.  Band.  S.  38  ff. 


J.  Ranke:  Der  Stirnfartsatz  der  Schläfenschuppe.  231 

b)  Aussereuropäische  Völker. 

Herr  R.  Virchow  und  ich  hatten  aus  z.  Thl.  freilich 
kleineren  statistischen  Reihen,  mit  Benützung  der  älteren 
Literatur,  statistisch  festgestellt,  dass  der  Stirnfortsatz  bei 
aussereuropäischen  Schädeln  zum  Theil  weit  häufiger 
sei,  und  zwar  um  etwa  das  Zehnfache  als  bei  den  Europäern. 
Herr  R.  Virchow  hat  das  vor  allem  für  Schädel  aus  Australien 
und  den  Philippinen  sowie  aus  Celebes  konstatirt,  ich  fĂĽr 
Schädel  der  nordafrikanischen  Mischbevölkerung,  Papuas  aus 
Neu-Guinea,  KalmĂĽcken  und  Neger. 

GestĂĽtzt  auf  unsere  Statistik  und  unter  Zuziehung  noch 
weit  grösseren  statistischen  Materials  als  uns  damals  zur  Ver- 
fügung war,  hat  in  jener  oben  erwähnten  verdienstvollen  Unter- 
suchung Herr  Anutschin  auch  dieses  unser  Resultat  fĂĽr 
aussereuropäische  Völker  voll  bestätigt.  Seine  Gesammt-Statistik 
umfasst  ausser  den  schon  besprochenen  9867  Europäer-Schädeln 
noch  5302  aussereuropäische  Schädel.  Unter  der  Gesammt- 
zahl  von  15169  Menschen-Schädeln  verschiedener 
Rassen  fanden  sich  449  mit  Stirnfortsatz  d.  h.  im  Mittel 
also  3®/o  (genau  2,96^/o).  Die  Schwankungsbreite  war  nach 
Herrn  Anutschin  wie  1  :  10  nämlich: 

minmum:       Europäer        l,6**/o 

maximum:     Australier     16,0®/o  (genau  15,7^/o). 

Die  betreflfenden  Untersuchungen  wurden  seit  dieser  Zeit 
(1882)  eifrig  fortgesetzt.  In  den  im  Archiv  fĂĽr  Anthropologie 
publizirten  Catalogen  der  Anthropologischen  Sammlungen 
Deutschlands  ^)  ist  nun  ein  weit  grösseres  statistisches  Material 
zusammengebracht,  als  es  frĂĽher  Irgendjemandem  zu  benĂĽtzen 
möglich  war.  Diese  Mehrung  kommt  vor  allem  den  Mongolen 
und  Mongoloiden,  den  Malaien  und  Polynesiern,  den  Papua, 
Australiern*)  und  Negern,    also  den  fĂĽr  unsere  Betrachtungen 


*)  J.  Ranke,  Archiv  für  Anthropologie  Bd.  1883  —  Bd.  1897. 
2)  W.  Krause:    Zeitschr.   f.  Ethnologie   Bd.  XXIX.  1897.   Verhand- 
lungen der  Berliner  anthropol.  Gesellschaft   S.  575  fP. 


232 


Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  IL  Juni  1898. 


wichtigsten  Völkern  und  Rassen,  zu  gute.     Im  Ganzen  umfasst 
meine  folgende  Statistik  nun 

20030  Menschenschädel, 

imd  zwar  11000  Europäische  Schädel 

und  9020  Ausser-Europäische  Schädel, 

also    eine  Mehrung    um   4861    Schädel    im   Ganzen.     Um   die 

älteren  statistischen  Ergebnisse  Herrn  Anutschin's  mit  den 

neuen  hier  gegebenen   vergleichen  zu  können,   wurden   in   die 

folgende  Tabelle  auch  Herrn  Anutschin's  Zahlen  eingestellt. 


Tabelle 

über  das  Vorkommen  des  Stirnfortsatzes  der  Schläfen- 
schuppe bei  20030  Menschen-Schädeln   verschiedener 

Rasse. 


Gesammt- 

Darunter 

Anzahl  der  Schädel 

Anzahl 

solche  mit 

Bezeichnung  der 

mit  Stimfortsatz 

der 

Stimfort- 

Schädel: 

in 

I'rocenteu 

Schädel: 

satz: 

J.  Ranke: 

( Anutachin) : 

11000 

:      169 

Europäer 

(Deutsche,  Oesterreicher, 

Italiener,  Franzosen, 

Russen) 

1,580/0 

(  9867: 

1,6  0/«) 

2520 

43 

Amerikaner 

1.74. 

(  2386: 

1.6    .) 

1200 

2\ 

Asiaten 

nicbt  mongoloider  Rasse 

(Kaukasier,  Inder,  Turke- 

staner,  Turkofinnen) 

2,00, 

(  1194: 

1,9    ,) 

710 

:       27 

Mongolen 
und  Mongoloiden 

8,80. 

(    696: 

8,7    .) 

1250 

:        54 

Malaien 
und  Polynesier 

4,82. 

(    946: 

3,7    .) 

787 

:        73 

Papua 

(Melanesier) 

9,28. 

(    697: 

8.6    .) 

422 

38 

Australier 

9.00, 

(    210:15,7    .) 

81 

:          9 

Ceilonesen 
(Vedda  38:4; 
Tamilen  27:2; 
Singalesen  16 : 3) 

11,11 . 

(    --  : 

-     .) 

1281 

:      146 

Neger 

11,86. 

(    884:12,4    .) 

830 

47 

Nord-Afrikaner 

6.66. 

(     -  : 

-     .) 

S.20080 

:     637 

8,100/0 

(16169: 

2,96«/o) 

J,  Bänke:  Der  Stirnfortsatz  der  SMäfenscfmppe.  233 

Unter  den  20030  Schädeln  von  Menschen  verschie- 
dener Rasse  fanden  sich  637  mit  theils  einseitigem 
theils  doppelseitigem  vollkommen  ausgebildetem  (tren- 
nendem) Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  im  Ge- 
sammtmittel  sonach  3  auf  100. 

Aber  die  DiflFerenzen  sind  auch  bei  dieser  reichen  Statistik 
enorm.  Wenn  auch  mit  der  steigenden  Anzahl  der  zur  Beob- 
achtung beigezogenen  Schädel  der  aussereuropäischen  Rassen 
das  procentische  Vorkommen  des  Stirnfortsatzes  nicht  unwesent- 
lich herabgedrückt  erscheint,  so  bleibt  doch  unser  älteres 
Resultat  bestehen,  dass,  abgesehen  von  den  Amerikanern,  alle 
Ausser-Europäischen  Völker  und  Rassen  den  Stimfortsatz  in 
grösserer  relativer  Häufigkeit  aufweisen  als  die  Europäer. 

Bemerkenswerth  erscheint  es,  dass  die  in  fast  verdoppelter 
Anzahl  vorliegenden  Australier-Schädel  von  ihrer  letzten  Stelle 
bei  Anutschin  mit  15,7^/o  sich  mit  nun  9,0%  ziemlich  weit 
über  die  Neger  mit  c.  12®/o  erhoben  haben  und  den  Papua 
(Melanesiem)  mit  9,28  ^/o  zunächst  stehen.  Aehnlich  nah 
stehen  sich  die  Mongolen  (Mongoloiden)  mit  c.  4®/o  (3,8%) 
und  die  Malaien  (und  Polynesier)  mit  4,32%.  Die  gegenĂĽber 
den  Europäern  etwas  grössere  Anzahl  der  Stirnfortsätze  bei 
den  „nicht-mongoloiden"  Asiaten  mit  2%,  lässt  sich  vielleicht 
durch  Beimischung  mongoloiden  Blutes  erklären;  ähnlich 
erklärt  sich  wohl  die  relativ  hohe  Anzahl  der  Stimfortsätze 
bei  den  Nord-Afrikanern  mit  5,66^/o  aus  Zumischung  von 
Negerblut.  Bei  den  Ceilonesen  mit  ll^/o  darf  man,  obwohl 
hier  die  Statistik  noch  keineswegs  ausreicht,  doch  an  australo- 
iden  oder  Papua-Einfluss  denken. 

Aber  vor  allem  ist  es  wichtig,  dass,  wie  oben  dar- 
gelegt, die  lokalen  Differenzen  in  Europa  selbst  noch 
weit  beträchtlicher  sind  als  die  Differenzen  zwischen 
den  verschiedenen  Menschenrassen. 

Das  Vorkommen  des  Stimfortsatzes  erscheint  als  eine  erb- 
liche Variation  im  Schädelbau  der  gesammten  Menschheit. 

Die  grössere  Häufigkeit  des  Stirnfortsatzes  bei  ausser- 
europäischen Völkern  erscheint  danach  zunächst  weniger  als  ein 


234  Sitzung  der  tncUhrphys,  Glosse  wtm  11,  Juni  1898. 

Rassen-Merkmal,  als  ein  Erfolg  gesteigerter  Inzucht,  wie  sie 
sich  bei  kleineren  Stämmen  und  Inselbevölkerungen  der  Natur 
der  Sache  nach  ergibt.  Es  wĂĽrde  nach  unseren  Erfahrungen 
möglich  sein,  auch  bei  Europäern  ähnliche  Häufigkeit  des 
Stirnfortsatzes  durch  Isolirung  und  Inzucht  zu  erzielen.  Die 
Bevölkerungen  von  Bergen  oder  St.  Remo  würden,  isolirt  und 
auf  Inzucht  angewiesen,  in  dieser  Hinsicht  bald  Neger,  Austra- 
lier und  Papua  ĂĽbertreflFen. 

Immerhin  deutet  aber  die  grössere  Häufigkeit  des  Stirn- 
fortsatzes  bei  allen  engschädeligen  schwarzen  Rassen:  Negern, 
Australier  und  Papua,  gegenüber  den  weitschädeligen  hell- 
häutigen Rassen:  Mongoloiden  (Mongolen,  Malaien,  Amerikaner) 
und  Europäer,  darauf  hin,  dass  bei  jenen  schwarzen  Rassen 
allgemeiner  begĂĽnstigende  Momente  fĂĽr  die  Entstehung  des 
Schläfenfortsatzes  bestehen,  wie  sie  sich  bei  ersteren  nur  ver- 
einzelt und  lokal  finden. 

n.  Der  Stimfortsatz  bei  Affen  und  Halbaffen. 

a)  Orangutan. 

Mit  den  im  Vorstehenden  dargelegten  Resultaten  erscheint 
eine  statistisch  gesicherte  Grundlage  gewonnen  zunächst  zur 
Vergleichung  zwischen  Mensch  und  Anthropoiden  sowie  den 
ĂĽbrigen  Affen. 

Hier  hat  Herr  Anutschin  zuerst  ein  grösseres  statisti- 
sches Material  zusammengebracht  durch  Untersuchungen  in 
vielen  europäischen  Sammlungen,  auch  denen  Münchens. 

Unter  6  Orangutan-Schädeln  hatte  ich  in  der  oben  citirten 
Publication  nur  1  mit  Stirnfortsatz  gefunden;  zahlreiche  alte 
Schädel  mussten  dabei  wegen  Verwachsung  und  Verstreichen 
der  Nähte  in  der  Schläfengegend  von  der  statistischen  Zählung 
ausgeschlossen  werden.  Aus  der  Literatur  brachte  ich  noch 
20  brauchbare  Schädel  zusanmien.  Unter  der  Gesammtzahl 
von  26  zeigten  10  Stimfortsatz,  was  nahezu  40^/o  ausmachen 
würde.     Jedenfalls  bestätigten  aber  meine  Untersuchungen  das 


/.  Bänke:  Der  SHrnfortsatz  der  Schläfenschuppe,  235 

von  Herrn  R.  Virchow  angegebene*)  inkonstante  Vorkommen 
des  Stimfortsatzes  beim  Orangutan.  Anutschin  konnte  65 
Schädel  der  Zählung  unterziehen,  er  fand  darunter  11  mit 
doppelseitigem  und  7  mit  einseitigem  Stimfortsatz  =  27,7  ^'/o. 
Mit  Einrechnung  der  obigen  26  meiner  Zählung  sind  das  81 
Orangutan-Schädeln,   darunter  28  mit  Stimfortsatz  =  34,5  ®/ü. 

Meine  neuen  Ergebnisse  habe  ich  der  Hauptsache  nach 
an  der  von  Herrn  E.  Selenka  der  MĂĽnchener  kgl.  Akademie 
der  Wissenschaften  zur  Aufstellung  in  der  anthropologisch- 
prähistorischen Sammlung  geschenkten  Kollektion  von  Oran- 
gutanschädeln  aus  Bomeo  gewonnen. 

Unter  den  245  Orangutan  -  Schädeln  aus  Bomeo  der 
Selenka' sehen  Sammlung,  welche  von  mir  fĂĽr  diese  Unter- 
suchungen benĂĽtzt  werden  konnten,  waren  bei  226  die  anato- 
mischen Verhältnisse  der  Schläfengegend  deutlich  genug,  um 
Anwesenheit  oder  Abwesenheit  des  Stimfortsatzes  der  Schläfen- 
schuppe, Processus  frontalis  oss.  temp.  constatiren  zu  können. 
Unter  diesen  fanden  sich  76  mit  entweder  doppelseitigem  oder 
einseitigem  vollkommen  trennenden  Stimfortsatz ,  das  gibt 
33,62  ^/o,  also  fast  genau  ein  Drittel  der  Gesammtsumme. 
Doppelseitig,  rechts  und  links,  zeigten  den  Fortsatz  54,  ein- 
seitig, rechts  oder  links,  22  Schädel.  Der  doppelseitige  Stirn- 
fortsatz erscheint  danach  weit  häufiger  als  der  einseitige. 

Die  procentische  Anzahl  des  Vorkommens  des  Stimfort- 
satzas  zu  33,62  ®/o  ist  fast  identisch  mit  der  von  mir  oben  aus 
der  Zusammenfassung  der  älteren  Zählungen  berechneten  34,5^/o. 
Mit  Zuzählung  jener  oben  erwähnten  81  Orangutan-Schädel 
meiner  älteren  Statistik  zu  den  226  der  neuen  Statistik  erhebt 
sich  die  von  mir  verglichene  Gesammtzahl  der  Orangutan- 
Schädel  auf  307,  davon  104  mit  Stimfortsatz  =  33,8«/o. 

Das  vortreflFliche  Material  der  Selenka'schen  Sammlung 
erlaubt  eine  exakte  Trennung  der  Schädel  auch  nach  der  Hei- 
math der  Thiere.  Da  tritt  nun  der  gleiche  Ein  flu  ss  schein- 
bar   des    Lokals,     in    Wahrheit    der    Vererbung    nicht 


1)  S.  oben  S.  228. 


236  Sitzung  der  math.-phys.  Claase  vom  11.  Juni  1898, 

weniger  deutlich  hervor  als  bei  unseren  Untersuchungen  am 
Menschen.  In  folgender  kleinen  Tabelle  sind  die  Einzelresul- 
tate nach  lokalen  Gruppen  geordnet,  ohne  Trennung  nach 
Alter  und  Geschlecht. 

Tabelle 

ĂĽber    das  Vorkommen    des    Stirnfortsatzes    bei    Oran- 
gutans  aus  verschiedenen  Gegenden  Borneo's. 


Herkunft  der 

Anzahl  der 

Schädel 

Procentische 

Schädel: 

Schädel : 

mit  Pro- 
cessus 
frontalis: 

Anzahl  100: 

Eapuas  u.  Belaban 

8 

8 

100,0  o/o 

Berantau 

6 

4 

80,0     , 

Qenepai 

17 

7 

41,2     , 

Batangtu 

18 

5 

88,6     , 

Bantei 

11 

4 

86,4     , 

Dadap 

80 

10 

88,8     , 

Bogau 

16 

5 

88.8     , 

Batang  Bara 

9 

3 

88,8     , 

Ketungau 

8 

1 

88,8     , 

Skalau 

106 

81 

29,2     , 

Landak 

14 

8 

21,4     , 

Summe:    226  76  83,62o/o 

Die  Schwankungsbreite  geht  von  lOO^/o  bis  21,4^/o. 

Ein  so  ausgesprochener  Unterschied,  wie  ihn  Calori  fĂĽr 
das  weibliche  und  männliche  Geschlecht  beim  Menschen 
(Italiener-Schädel)  gefunden  hat,  findet  sich  bei  den  beiden 
Geschlechtern  des  Orangutan  nicht.  Ein  besonderer  Werth 
der  Selenka^schen  Sammlung  liegt  darin,  dass  alle  Schädel 
nach  dem  Gesclilecht  bezeichnet  wurden.  Die  Qesammtzahl 
von  226  Schädeln,  welche  für  diese  Untersuchungen  brauchbar 
waren,  setzt  sich  aus  92  männlichen  und  134  weiblichen 
Schädeln  zusammen,  unter  letzteren  fanden  sich  47  =  35,07  ®/o, 
unter  den  ersteren  92  dagegen  29  ==  31,52  ®/o  mit  Stimfortsatz. 
Der  Unterschied  =  3,55 ^/o  grössere  Häufigkeit  bei  den  Weibchen 
—  fällt  noch  in  die  Fehlergrenzen  derartiger  statistischer 
Aufnahmen. 


J.  Manke:  Der  SHmfartsaU  der  Schläfenschuppe,  237 

Immerhin  verdient  Beachtung,  dass  bei  den  Weibchen  ein 
nur  einseitig  ausgebildeter  Stimfortsatz  16  mal  =  12®/o,  bei 
den  Männchen  nur  6  mal  =  6,5  ®/o  beobachtet  worden  ist.  Der 
einseitige  Stimfortsatz  ist  im  Verhältniss  zum  Menschen  bei 
unseren  Orangutan^s  auffallend  selten,  noch  seltener  der  bei 
dem  Menschen  so  sehr  häufig  auftretende  unvollständige  Stim- 
fortsatz, Proc.  frontalis  oss.  temp.  incompletus.  Bei  den  alt- 
bayerischen Schädeln  fand  ich  unter  2421  den  completen  Stirn- 
fortsatz 43  mal  =  17,3  pro  mille,  den  unvollständigen  146  mal 
=  60,3  pro  mille,  sonach  letzteren  mehr  als  dreimal  so  häufig 
als  ersteren.  Unter  den  226  Orangutan-Schädeln  dieser  Statistik 
kam  der  unvollständige  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  nur 
zweimal,    und  zwar  beide  Male   an  männlichen  Schädeln,   vor. 

Als  Resultat  der  Untersuchung  der  Orangutanschädel 
ergibt  sich: 

Der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe,  Processus  frontalis 
oss.  temp.  s.  squamae,  bildet  bei  dem  Orangutan  von  Bomeo 
keineswegs  einen  regelmässigen  Befund,  er  findet  sich  nur  etwa 
bei  Vs  der  Schädel  und  erscheint  danach  als  eine  individuelle 
Bildung,  entsprechend  wie  bei  dem  Menschen. 

Das  Vorkommen  des  Stimfortsatzes  ist  bei  dem  Orangutan 
von  Bomeo  stets  dreimal  so  häufig  als  bei  den  „Negern** 
(s.  oben  die  Tabelle,  die  Zahlen  sind  33,6«/o :  ll,86«/o),  und 
etwa  10  mal  so  häufig  als  in  der  „gesammten  Menschheit**  mit 
etwa  3®/o  (genau  3,1  ®/o)  und  21  mal  häufiger  als  bei  den  euro- 
päischen Völkern  mit  l,53^/o. 

Bei  dem  Orangutan  zeigt  sich  wie  bei  dem  Menschen  der 
Einfluss  des  Lokals  rsp.  der  Vererbung  auf  die  Häufig- 
keit des  Stimfortsatzes  in  der  ausgesprochensten  Weise,  die 
Häufigkeit  schwankt  bei  ersteren  in  den  einzelnen  lokalen 
Reihen  von  dem  Minimum  21,4  ®/o,  welches  sich  nur  um  einige 
Procente  ĂĽber  das  Mittel  der  Neger  erhebt,  und  dem  Maximum 
80®/o  rsp.  100®/o.  Bei  Europäern  ergab  sich  als  lokales  Maxi- 
mum 40%.*) 

*)  Die  Zahl  der  von  Sumatra  stammenden  Orangutan-Schädel, 
welche  ich  untersuchen  konnte,  war  nur  4,  davon  hatte  nur  1  Schädel 
beiderseits  stark  ausgebildeten  Stimfortsatz  =  26®/o. 


238  Sitzung  der  math.'phya,  Classe  f>om  11.  Juni  1898, 

b)  Gorilla,    Schimpanse,   Hylobates   und   die   niederen 

Affen  und  Halbaffen. 

Das  Vorkommen  des  Stirnfortsatzes  bei  Gorilla 
und  Schimpanse  ist  bis  jetzt  noch  nicht  an  einer  fĂĽr  eine 
statistische  Aufnahme  genĂĽgenden  Anzahl  geprĂĽft.  Es  ist 
aber  inunerhin  wichtig,  dass  man  noch  keinen  Gorilla- 
Schädel  ohne  Stimfortsatz  gefunden  zu  haben  scheint,  sodass 
Virchow's  dahin  gehende  Angabe  sich  bestätigt.  Unter  35 
Schädeln,  z.  Thl.  nach  der  Literatur,  z.  Thl.  von  mir  persön- 
lich geprĂĽft,  fanden  sich  aber  doch  3  =  8,5  ^/o,  bei  welchen 
der  Fortsatz  nur  einseitig  auftrat,  zum  Beweis,  dass  doch 
auch  bei  dem  Gorilla  das  Vorkommen  dieser  Bildung  nicht  als 
eine  absolute  Baunothwendigkeit  des  Schädels  angesprochen 
werden  muss. 

Am  Seh  im  pause -Schädel  wird  der  Stimfortsatz  selten 
vermisst;  nach  meinen  und  Anutschin's  Zählungen  an  70 
Schädeln  fand  er  sich  bei  54  =  77%. 

Das  Vorkommen  des  Stirnfortsatzes  bei  den  Schädeln  von 
Hylobates  verschiedener  Species  konnte  von  mir  (10)  und 
Anutschin  (27),  zusammen  an  37  Schädeln,  an  welchen  die 
Nahtverhältnisse  in  der  Schläfengegend  deutlich  waren,  geprüft 
werden,  es  fanden  sich  darunter  4  mit  theils  doppelseitigem, 
theils  einseitigem  Stimfortsatz.  Aus  der  Sammlung  E.  Selen ka's 
hat  G.  Kirchner*)  36  Schädel  von  Hylobates  concolor  ge- 
prüft, er  fand  darunter  6  Schädel  mit  Stimfortsatz.  Im  Ganzen 
fanden  sich  sonach  unter  73  Schädeln  10  =  13,7%. 

Die  niederen  Affen  der  alten  Welt  verhalten  sich  im 
Allgemeinen  wie  der  Schimpanse;  ich  fand  unter  83  Schädeln 
60   mit   theils   doppelseitigem,   theils   einseitigem   Stimfortsatz 

=  72,3«/o. 

Im  Einzelnen  kann  ich  die  älteren  Resultate  der  Autoren 
namentlich  Anutschin^s  bestätigen:    am  häufigsten  ist  imter 


*)  Der   Schädel  des  Hylobates   concolor,   sein  Variationskreia  und 
Zahnbau.     Erlangen,  Inaugural-Dissertation,  1895. 


/.  Ranke:  Der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe.  239 

den  niederen  Affen  der  alten  Welt  der  Stimfortsatz  bei  den 
Makaken  (Macficus  und  Inuus),  A.  fand  bei  78  Schädeln  67 
mit  Fortsatz  =  85,9<>/o,  ich  bei  20  :  18  =  90,00/o.  Dann 
folgen  bei  uns  beiden  die  Paviane,  A.  81  :  63  =  77,8 ^/o,  ich 
20  :  16  =  80®/o;  Meerkatzen  (Cercopithecus,  Cercocebus)  A. 
63  :  36  =  b7%  ich  23  :  17  =  74,0^/0;  Semnopithecus  (mit 
Rhinopithecus,  Colobus),  A.  69  :  27  =  39,1,  ich  21 :  9  =  42,3^/0. 

Für  alle  291  untersuchten  Schädel  von  niederen  Affen  der 
alten  Welt  berechnen  sich  nach  Anutschin  67,3®/o;  mit  Zu- 
zählung  der  obigen  83  von  mir  geprüften  Schädel  stellt  sich 
für  die  Gesammtsumme  von  374  Schädeln  das  Vorkommen  des 
Stirnfortsatzes  zu  68,4%. 

Bei  diesen  niederen  Affen  der  alten  Welt  ist  sonach  das 
Vorkommen  des  Stimfortsatzes  der  Schläfenschuppe  ein  so 
häufiges,  dass  man  dasselbe  nahezu  als  typischen  Befund  be- 
trachten darf,  sie  reihen  sich  hinsichtlich  dieser  Bildung  dem 
Gorilla  und  dem  Schimpanse  an.  Vielleicht  macht  die  Gruppe 
Semnopithecus  einen  Uebergang  zu  der  folgenden  Reihe,  als 
deren  Repräsentant  zunächst  der  Orangutan  erscheint. 

Bei  Orangutan  und  Hylobates  ist,  im  Gegensatz  zu 
den  letzt  besprochenen  Affen,  das  Vorkommen  des  Stirnfort- 
satzes so  selten,  dass  es  wie  beim  Menschen  als  eine  indivi- 
duelle Variation  angesprochen  werden  muss:  33,6  und  10,8%. 

Noch  ausgesprochener  hat  der  Stirnfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe den  Charakter  der  individuellen  Variation  bei  den 
Affen  und  Krallenaffen  der  neuen  Welt. 

Ich  habe  53  Schädel  darauf  geprüft  (11  Mycetes  =^  0; 
2  Ateles  =  1  Stimfortsatz;  3  Logothrix  =  0;  17  Cebus  =  0; 
4  Pithecia  =  2;  7  CalUthrix  =  0;  1  Chrysothrix  =0;  8  Ha- 
pole  =  1),  es  fanden  sich  3  mit  Stirnfortsatz  und  1  mit  An- 
lagen des  Schläfenbeins  ans  Stirnbein  ohne  Fortsatzbildung, 
im  Ganzen  also  4  =  7,5  °/o. 

Die  Angabe  Virchow's,  dass  den  Halbaffen  der  Stim- 
fortsatz der  Schläfenschuppe  fehle,  konnte  ich  an  26  Schädeln 
prĂĽfen ;  bei  keinem  derselben  war  mit  Sicherheit  ein  Stimfort- 
satz zu  konstatiren;  in  2  Fällen  blieb  wegen  Nahtverwachsung 

180R.  Siizongsb.  d.  math.-phys.  Cl.  1 6 


240  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  11.  Juni  1898, 

das  Verhältniss  zweifelhaft.  Gewiss  erscheint  sonach  das  Vor- 
kommen des  Stirnfortsatzes  der  Schläfenschuppe  bei  den  Halb- 
affen nicht  häufiger  als  bei  den  Affen  der  neuen  Welt:  er  fehlt 
ganz  oder  ist,  wenn  er  vorkommen  sollte,  eine  seltene  Variation. 
Das  Gesammtresultat  der  Untersuchung  fĂĽr  das  Vor- 
kommen des  Stimfortsatzes  der  Schläfenschuppe  bei  den  Pri- 
maten ist  in  der  folgenden  Tabelle  zusammengestellt. 

Tabelle 

ĂĽber  das  procentische  Vorkommen  des  Stirnfortsatzes 

bei  den  Primaten. 

Häufigkeit  des 
1.  Menschen.  Stirn fortsatzes 

20030  Menschenschädel  verschiedener  Rassen         .        .  S,10^/o 

11000  Europäer 1,53  , 

1231  Neger 11,86  ,, 

2.  Affen: 

35  Gorilla») 100,0  o/o 

70  Schimpanse 77,0    , 

874  Niedere  Affen  der  alten  Welt       ....  68,4    „ 

307  Orangutan  (Bomeo) 83,6    , 

73  Hylabates  verschiedener  Species                    .        .  13,7    » 

58  Affen  der  neuen  Welt 7,5    , 

3.  Halb-Affen: 
26  Halbaffen 0,0  o/o. 

Bei  dem  Orangutan  und  bei  dem  Menschen  konnte  oben 
der  Einfluss  des  Lokals,  d.  h.  der  Vererbung  in  einer 
örtlich  enger  abgeschlossenen  Gruppe  auf  die  Häufigkeit  des 
Vorkommens  des  Stirnfortsatzes  der  Schläfenschuppe  sicher 
gestellt  werden.  Im  Grossen  und  Ganzen  zeigt  einen  solchen 
Einfluss  des  Lokals  (=  Vererbung)  auch  die  vorstehende  Ge- 
sammtreihe  sowohl  fĂĽr  die  niederen  AflFen  als  fĂĽr  die  menschen- 
ähnlichen Affen  im  Allgemeinen.  Bei  den  Afrikanischen 
Menschenaffen  (Gorilla  und  Schimpanse)  bildet  das  Fehlen  des 


*)  Darunter  3  =  8,50/o  mit  nur  einseitigem  Stimfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe. 


/.  Ranke:  Der  Stirnfortsatz  der  SMäfetischuppe,  241 

Stirnfortsatzes  die  seltene  Ausnahme,  umgekehrt  ist  es  bei  den 
Asiaten  (Orangutan  und  Hylobates),  bei  welchen  das  Vor- 
kommen des  Stimfortsatzes  die  Ausnahme  bildet;  bei  nahezu 
Dreiviertel  aller  niederen  Affen  der  alten  Welt  findet  sich 
der  Stirnfortsatz.  In  Amerika  dagegen  fehlt  der  Stirnfort- 
satz den  Affenschädeln  so  gut  wie  ganz. 

Als  Resultat  ergibt  sich: 

Die  direkte  Verbindung  der  Schläfenschuppe  mit  dem 
Stirnbein  durch  einen  Stirnfortsatz  gehört  sonach  bei  dem 
Gorilla  und  auch  bei  dem  Schimpanse,  wie  bei  fast  allen 
niederen  Affen  der  alten  Welt,  zur  typischen  Schädelbildung, 
das  Fehlen  dieser  Verbindung  erscheint  als  individuelle  Aus- 
nahme, Variation. 

Bei  Orang,  Hylobates  sowie  den  niederen  Affen  der  alten 
Welt,  einschliesslich  den  Krallenaffen,  lässt  das  Vorkommen 
des  Stimfortsatzes  entweder  mehr  oder  weniger  häufige  Aus- 
nahmen zu  oder  wird  selbst  zu  einer  seltenen  oder  sehr  sel- 
tenen individuellen  Variation.  Letzteres  gilt  auch  fĂĽr  den 
Menschen.  Den  Halbaffen  felilt  der  Stimfortsaiz  nach  den  bis- 
herigen Untersuchungen. 

Der  Menscli  reiht  sich  bezĂĽglich  des  Vorkommens  dieser 
bemerkenswerthen  Bildung  am  Schädel  zwischen  die  Halbaffen 
und  die  Affen  der  neuen  Welt  ein. 

Sehen  wir  von  den  niederen  Affen  ab,  so  steht  der  Mensch 
nach  unserer  obigen  Tabelle  zwischen  Halbaffen  und  Hylo- 
bates, Neger  und  Hylobates  stehen  fast  vollkommen  gleich. 

Der  Mensch  trennt  sich  sonach  in  dieser  Hinsicht  von  den 
grossen  menschenähnlichen  Affen  im  engeren  Sinne,  an  deren 
Spitze  sich  der  Gorilla  stellt.  — 

Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  ist  ein  Beispiel  für 
die  eine  Seite  der  individuellen  Variation: 

In  den  gesetzmässigen  Bauverhältnissen  des 
Schädels  aller  Primaten  ist  die  Möglichkeit  zur  Aus- 
bildung des  Stirnfortsatzes  der  Schläfenschuppe  ge- 
geben,   aber   nur   individuell    erfolgt    diese    mögliche 

Ausbildung  auch  faktisch. 

16* 


242  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  11.  Juni  1697. 

III.  Die  Entstehung  und  Bedeutung  des  Stimfortsatzes. 

Aber  die  Betrachtung  darf  sich  nicht  nur  auf  die  Pri- 
maten beschränken. 

Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  ist  eine  für  den 
Schädel  nicht  nur  der  Primaten,  sondern  wahrscheinlich  aller 
Säuger  im  Typus  des  Schädelbaus  begründete  mögliche  und 
thatsächlich  weit  verbreitet  vorkonmiende  Bildung. 

Wie  oben  schon  erwähnt,  zeigt  sich  als  regelmässiger 
Befund  eine  Verbindung  der  Schläfenbeinschuppe  mit  dem 
Stirnbein  nach  W.  Gruber  u.  A.  bei:  „Nagern,  Einhufern 
und  Dickhäutern.** 

Die  Art  der  Verbindung  ist  bei  den  einzelnen  genannten 
Gruppen  etwas  verschieden,  und  vielfach  findet  sich  auch,  was 
ich  gegen  W.  Gruber's  gegentheilige  Bemerkung  (s.  oben) 
hervorheben  möchte,  ein  gut  ausgebildeter  wahrer  Stirnfortsatz. 

Bei  Hippopotamus  und  Elephas  berĂĽhrt  das  Stirnbein  das 
Schläfenbein  in  relativ  geringer  Ausdehnung,  bei  Equus  ist  das 
Stirnbein  mit  dem  Schläfenbein  in  breiter  Berührungslinie  ver- 
bunden, dagegen  findet  sich  bei  Sus,  Tapir  und  Hyrax  meist 
ein  gut  ausgebildeter  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  ähnlich 
dem  bei  den  Primaten,  und  vor  allem  bei  dem  Menschen,  typi- 
schen Verhältnisse.  Bei  letzterem  kommen  übrigens  die  anderen, 
eben  genannten  Arten  der  Verbindung  der  beiden  Knochen: 
von  der  schmalen  bis  zur  ausgedehnten  BerĂĽhrung  und  von 
der  Bildung  eines  kleinen  bis  zu  der  eines  extrem  grossen 
eigentlichen  Stirnfortsatz  als  individuelle  Variation  bekanntlich 
ebenfalls  vor.  Bei  Nagern  sah  ich  einen  zum  Theil  gut  aus- 
gebildeten Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  z.  B.  bei  Arctomys, 
Sciurus,  Pteromys,  Erethizon  u.  a.,  während  bei  Hystrix  eine 
breite  Verbindung  der  beiden  Knochen  gewöhnlich  erscheint, 
was  ĂĽbrigens  gelegentlich  auch  bei  Arctomys  (A.  empetra)  zur 
Beobachtung  kam. 

Die  Erklärungsversuche  des  Stimfortsatzes  der  Schläfen- 
schuppe beim  Menschen  dĂĽrfen  daher,  nach  dem  eben  Gesagten, 
nicht  auf  den  Menschen  allein,  und  etwa  noch  auf  die  menschen- 


J,  Ranke:  Der  StirnfoHsatz  der  SclUäfenschuppe.  243 

ähnlichen  Affen,  zugeschnitten  sein.  Wir  haben  es  mit  einer 
Frage  zu  thun,  welche  eine  BerĂĽcksichtigung  des  Baues  des 
Säugethierschädels  im  Allgemeinen  nothwendig  macht. 

Lediglich  die  menschlichen  Schädelverhältnisse  berück- 
sichtigt die  älteste  Theorie  der  Bildung  des  Stirnfortsatzes  der 
Schläfenschuppe,  welche  in  der  neuesten  Zeit  wieder  mehrfach 
z.  B.  von  Graf  Spee  und  W.  Krause  u.  A.,  gleichsam  als 
die  einzig  mögliche,  vorgetragen  wird.  Diese  Erklärung  wurde 
schon  von  Joh.  Friedr.  MeckeP)  angedeutet  im  Zusammen- 
hang mit  einer  von  ihm  gelieferten  Beschreibung  der  in  der 
Schläfenfontanelle  und  in  deren  nächster  Nachbarschaft  auf- 
tretenden atypischen  Verknöcherungscentren,  deren  häufigste 
Form  als  Fontanellknochen  der  Schläfenfontanelle,  tem- 
porelle  Schaltknochen,  Os  epiptericum,  bezeichnet  wird. 

Henle  und  Hyrtel  schlössen  sich  an  die  von  Meckel 
geäusserte  Meinung  an,  dass  es  sich  bei  dem  Stimfortsatz  der 
Schläfenschuppe  beim  Menschen  eigentlich  um  einen  dieser 
atypischen  Fontanellknochen  handle,  der  jedoch  mit  der  Schläfen- 
schuppe verschmelze.*)  Bei  der  Beschreibung  eines  Schalt- 
knochens der  Schläfenfontanelle  an  einem  Schädel  der  Wiener 
Anatomischen  Sammlung  sagt  z.  B.  Hyrtl:')  „Verwachsung 
dieses  Schaltknochens  mit  der  Schläfenschuppe  bedingt  jene  bei 
allen  Rassen  ausnahmsweise  vorkommende  und  deshalb  irrthĂĽm- 
licher  Weise  als  charakteristisches  Zeichen  einzelner  derselben 
angesprochene  Nahtverbindung  zwischen  Schläfenschuppe  und 
Stirnbein.  **  Auf  diesen  mehrfach  an  verschiedenen  Orten  wieder- 
holten Ausspruch  Hyrtl's  gehen  die  meisten  Wiederholungen 
dieser  Meinung  vor  allem  zurĂĽck.  Herr  W.  Krause  sagt  in 
seiner  neuesten  vortrefflichen  Publikation  ĂĽber  180  von  ihm 
studirter   Australier-Schädel:*)    „Verwächst   der   Schlaf en- 


*)  Die  ältere  Literatur  s.  bei  R.  Virchow  1.  c.  S.  41  iF. 

2)  R.  Virchow,  l.  c.  S.  41. 

^)  Jos.  Hyrtl,  Vergangenheit  und  Gegenwart  des  Museums  fĂĽr 
menschliche  Anatomie  an  der  Wiener  Universität.  Wien  1869.  S.  64.  Nr.  73. 

*)  Zeitschrift  fĂĽr  Ethnologie  Bd.  XXIX.  1897.  Verhandlungen  der 
Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  S.  615. 


244  Sitzung  der  mcUh.-phys.  Glosse  vom  11.  Juni  1898. 

fontanellknochen  (Os  epiptericum)  mit  der  Squama  teraporalis, 
so  entsteht  ein  Processus  frontalis  der  letzteren,  verwächst  er  mit 
dem  Os  parietale,  was  die  Norm  ist,  so  verbindet  sich  letzterer 
durch  die  Sutura  parieto-sphenoidalis  mit  der  Ala  magna.* 

Herr  Virchow  hat  sich  in  der  oft  citirten  Abhandlung 
mit  Entschiedenheit  wenigstens  gegen  die  allgemeine  Giltigkeit 
dieser  Erklärung  der  Entstehung  des  Stirnfortsatzes  der  Schläfen- 
schuppe ausgesprochen.  Es  kann  ja  nicht  verkannt  werden, 
dass  unter  Umständen  eine  derartige  Verwachsung  eines  solchen 
atypischen  temporalen  Fontanellknochens  mit  der  Schläfen- 
schuppe eintreten  kann,  da  im  späteren  Lebensalter,  mit  all 
den  anderen  Schädelnähten,  auch  die,  nicht  weniger  zäh  wie 
die  normalen  Nähte  sich  erhaltenden,  Grenznähte  der  Fontanell- 
knochen gegen  die  Nachbarknochen  verstreichen.  Ein  Beweis 
aber  dafür,  dass  durch  eine  solche  Verwachsung  thatsächlich 
ein  typischer  wahrer  Stimfortsatz  gebildet  worden  sei,  ist,  wie 
mir  scheint,  noch  niemals  erbracht  worden,  die  blosse  Möglich- 
keit darf  nicht  als  Beweis  angesprochen  werden.  Die  senile 
Verwachsung  der  Fontanellknochen  der  Schläfenfontanelle  findet 
auch  gewöhnlich  unregelmässig  und  an  allen  Grenznähten  ziem- 
lich gleichzeitig  statt. 

Herr  Virchow  fĂĽhrt  gegen  die  Verwachsungstheorie 
noch  weitere  gewichtige  GrĂĽnde  an.  Am  ausschlaggebendsten 
erscheint,  dass  der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  an  ganz 
jugendlichen  Menschen-Schädeln  beobachtet  worden  ist,  bei 
welchen  von  einer  solchen  hypothetischen,  wie  gesagt,  gewöhn- 
lich erst  im  senilen  Alter  erfolgenden  Nahtverstreichung  nicht 
die  Rede  sein  kann.  Herr  Virchow  hat  gut  ausgebildete 
Stirnfortsätze  der  Schläfenschuppe  an  dem  oben  erwähnten 
Schädel  eines  l^a  jährigen  Kindes  beobachtet.*)  Unter  den 
zahlreichen  von  mir  beobachteten  Fällen  beim  Menschen  zeigten 
sich  in  der  überwiegenden  Anzahl  die  Schädelnähte  der  Schläfen- 
gegend noch  offen.  Von  Affen,  vor  allem  vom  Orangutan, 
stehen  mir  zahlreiche  Beispiele  von  Stirn foiisatz  aus  dem  aller- 
ersten Jugendalter  zur  VerfĂĽgung. 

*)  Aus  dem  Gräberfelde  von  Kamburg. 


/.  Ranke:  Der  Stimfortsatz  der  ScMäfenschuppe.  245 

Noch  auf  ein  anderes  Verhältniss  macht  Herr  Virchow^) 
aufmerksam.  Wenn  der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  seine 
Entstehung  der  Verwachsung  eines  temporalen  Schaltknochens 
mit  einem  der  nachbarlich  anliegenden  Knochen  rsp.  mit  der 
Schläfenschuppe  verdankt,  ist  kein  Grund  abzusehen,  warum 
eine  solche  Verwachsung  nicht  auch  mit  einem  der  anderen 
Nachbarknochen,  namentlich  mit  dem  Stirnbein,  erfolgen  sollte, 
da  die  Fontanellknochen  doch  auch  dem  Stirnbein  dicht  an- 
liegen und  senil  thatsächlich  mit  allen  drei  benachbarten 
Knochen  (meist  gleichzeitig)  verschmelzen.  Aus  einer  hypo- 
thetischen einseitigen  Verwachsung  eines  Fontanellknochens  mit 
dem  Stirnbein  wĂĽrde  dann  kein  Processus  frontalis  squamae 
temporalis,  sondern  „ein  Processus  temporalis  ossis  fron- 
tis  entstehen/  „Aber  ein  solcher  ist,  sagt  Herr  Virchow, 
meines  Wissens  niemals  beobachtet  worden/*) 

Danach  muss  es  zunächst  scheinen,  als  würde  die  Ent- 
deckung eines  Processus  temporalis  ossis  frontis  die  alte  Theorie 
MeckePs  und  HyrtPs  bestätigen.  Ich  werde  sogleich  zeigen, 
dass  das  doch  nicht  im  strengen  Sinn  zutrifft. 

Den  von  Herrn  Virchow  fĂĽr  die  BegrĂĽndung  der  Ver- 
wachsungstheorie HyrtPs  geforderten  Schläfenfortsatz 
des  Stirnbeins,  als  Widerspiel  des  Stirnfortsatzes  der 
Schläfenschuppe,  habe  ich  thatsächlich  an  Menschen- 
schädeln entdeckt.  In  meiner  Statistik  der  altbayerischen 
Schädel  konnte  ich  unter  den  2421  Schädeln,  deren  Schläfen- 
gegend eine  genaue  Untersuchung  zuliess,  2  mit  gut  entwickel- 
tem Processus  temporalis  ossis  frontis  nachweisen.  Diese  Auf- 
findung des  offenbar  an  Europäerschädeln  ausserordentlich  sel- 
tenen Vorkommens  eines  Schläfenfortsatzes  des  Stirnbeins  hat 
Herr  Brösike  einige  Jahre  später  (1880)  in  dem  Katalog  der 
Berliner  kraniologischen  Sammlung  der  Anatomie  (Archiv  fĂĽr 
Anthropologie,  1880)  durch  Auffindung  eines  dritten  derartigen 
Falles  bestätigt.  3) 

1)  1.  c.  S.  45,  46.  2j  1.  c.  S.  46. 

•)  Ob  die  der  Angabe  nach  aus  Verwachsung  von  Schläfenschalt- 
knochen  mit  dem  Stirnbein  entstandenen  .Schläfenfortsätze''  der  Strass- 


246 


Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 


In  neuester  Zeit  hatte  ich  Gelegenheit,  diesen  Schläfen- 
fortsatz des  Stirnbeins  noch  mehrfach  zu  beobachten  und  zwar 
an  Schädeln  aus  dem  Bismarckarchipel.  Das  Münchener  anthro- 
pologische Institut  bewahrt  6  solcher  Schädel,  alle  vortrefflich 
erhalten,  aber  ohne  passende  Unterkiefer. 

Diese  Schädel  zeigen  eine  überraschend  grosse  Anzahl  von 
sonst,  wie  im  Vorstehenden  statistisch  nachgewiesen,  sehr 
seltenen  individuellen  Bildungen  in  der  Schläfengegend.*) 


Fig.  I  a. 


Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins.    Schädel  aus  dem  Bismarek-Arcbipel  (rechte  Seite). 


burper  Sammlung  Arch.  f.  Anthr.  unseren  Schläfenfortsätzen  entsprechen, 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

*)  Ein  Schädel  aus  Neuguinea  (Nr.  7  der  Sammlung)  zeigt  dagegen 
annähernd  normale  Verhältnisse  in  der  Schläfengegend;  die  Entfernung 
der  Schläfenschuppe  vom  Stirnbein  beträgt  aber  rechts  nur  3,  links 
2,5  Millimeter,  die  beiden  Knochen  zeigen  sonach  doch  eine  beträchtliche 
Annäherung  begründet  auf  einer  Reduction  und  Schmalheit  der  Spitze 
des  grossen  KeilbeinflĂĽgels  (s.  unten). 


J.  Ranke:  Der  Stimfortsats  der  ScMäfenscliuppe. 


247 


Einer  dieser  6  Schädel  aus  dem  Bismarckarchipel  zeigt 
links  einen  zwar  rel.  kleinen  aber  vollkommen  ausgebildeten 
Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe,  rechts  erreicht  ein  kleinerer 
solcher  Fortsatz  das  Stirnbein  nicht  vollkommen  (Processus 
frontalis  squamae  temporalis  incompletus).  Dieser  eine  Schädel 
besitzt  sonach  rechts  noch  eine  kurze  Spheno-Parietalnaht  imd 
nähert  sich  hierin  allein  normalen  Verhältnissen  an. 

Drei  andere  dieser  Schädel  weisen  doppelseitige  Stirn- 


Fig.  1  b. 


stimfortsatz  der  Schläfenschuppe.    Der  gleiche  Schädel  aus  dorn  Bismarck-Archipel  (linke  Seite). 

fortsätze  der  Schläfenschuppe  auf,  zum  Theil  in  extremer, 
ganz  an  die  bei  dem  Orangutan  beobachteten  Verhältnisse 
erinnernder,  Ausbildung. 

Ein  Schädel  besitzt  doppelseitig  grosse  Schläfenfort- 
sätze des  Stirnbeins,  Processus  temporalis  ossis   frontis. 

Der  letzte  Schädel  dieser  Gruppe  zeigt  links  einen  mächtig 
ausgebildeten  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe,  (Fig.  Ib), 
rechts  einen  rel. kolossalen Schläfenfortsatz  de8Stimbeins(Fig.la). 


248 


Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  11,  Juni  1898, 


Dieses  gleichzeitige  vicarirende  Vorkommen  von 
Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  und  Schläfenfort- 
satz des  Stirnbeins  weist  darauf  hin,  dass  beide  Bildungen 
als  nächst  verwandt  betrachtet  werden  müssen. 

Aber  das  ist  gewiss,  dass  bei  den  eben  beschriebenen 
Schädeln  aus  dem  Bismarckarchipel ,  ebenso  wie  bei  den 
Schädeln  der  Primaten,  Nichts  daflir  spricht,  dass  hier  ein- 
seitige Verwachsungen  einmal  gebildeter  atypischer  temporaler 
Schaltknochen,  das  eine  Mal  mit  der  Schiäfenbeinschuppe,  das 
andere  Mal  mit  dem  unteren  Winkel  des  Stirnbeins,  stattge- 
funden habe.  Die  Nähte  in  der  Nachbarschaft  sind  offen,  eine 
senile  Verwachsung  ausgeschlossen.  Die  6  Schädel  bringen 
aber  auch  noch  einen  positiven  Beweis  dafĂĽr,  dass  temporale 
Schaltknochen  und  die  beiden  besprochenen  Fortsätze  prinzipiell 
auseinander  gehalten  werden  mĂĽssen: 

Fig.  2  a. 


Schädel  vom 
Bismark-Archipel 


einer  der  Schädel  zeigt  hinter  einem  breiten  stark  in 
das  Stirnbein  einspringenden  Stirnfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe noch  einen  länglichen  Schaltknochen  zwischen  Stirn- 
bein, Scheitelbein  und  Schuppe  des  Schläfenbeins,  welcher  die  Fon- 
tanelle ganz  ausfüllt  (Fig.  2  a),  also  einen  wahren  Schläfen- 


/.  Ranke:  Der  StimfortsaU  der  Schläfenschuppe. 


249 


fontanellknochen  mit  allseitig  offenen  Nähten,  welcher  die 
Schläfenfontanelle  ganz  erfüllt.  Auch  Herr  R.  Virchow  hat 
einen  grossen,  die  Fontanelle  ganz  ausfüllenden  Schläfen- 
fontanellknochen  neben  einem Stimfortsatz  (Fig.  2b) beobachtet.') 

Hiedurch  erscheint  der  direkte  Beweis  erbracht,  dass,  da 
beide  gleichzeitig  an  derselben  Schläfe  auftreten 
können,  Schläfenfontanellknochen  und  Stirnfortsatz 
der  Schläfenschuppe,  und  seinWiderspiel:  derSchläfen- 
fortsatz  des  Stirnbeins,  nicht  im  Prinzip  dasselbe  sein 
können. 

Thatsächlich  ist  der  bei  dem  Menschen  so  häufig  auf- 
tretende temporale  Schaltknochen,  in  der  weit  ĂĽberwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle,  eine  atypische,  der  Stirnfortsatz  der 
Schläfenschuppe  und  der  Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins  da- 
gegen eine  typische  Bildung  am  Schädel.    Das  gilt  nicht  nur 

Flg.  2  b. 


(Nach  Virchow.) 


Schädel  von  den 
Neu  Hebriden 


für  die  Schädel  der  AfiFen  und  die  oben  genannten  niederen 
Säugethiere,  sondern  auch  für  den  Menschen.  Der  Stimfort- 
satz   der  Schläfenschuppe    des   Menschenschädels   ist    in    allen 


1)  Zeitschr.  f.  Ethnologie,  ISSi,  Bd.  XVI.    S.  (167)  Figur  l. 


250  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  11,  Juni  1898. 

Beziehungen  vollkommen  entsprechend  gebildet  wie  der  des 
Orangutan  und  der  ĂĽbrigen  anthropoiden  Affen,  sodass  fĂĽr  den 
Menschen  keine  andere  Entstehungsgeschichte  desselben  ange- 
nommen werden  darf  als  fĂĽr  jene. 

Graf  Spee  sagt  in  seinem  ausgezeichneten  Werke  ĂĽber 
den  Schädel  S.  160^)  (Varietäten):  »Vom  vorderen  Schuppen- 
rande aus  schiebt  sich  zuweilen  ein  Knochenfortsatz  (Pro- 
cessus frontalis  squamae  [Gruber])  zwischen  Parietale  und  Ala 
temporalis  des  Keilbeins  durch  bis  zum  Stirnbein  vor.  Der- 
selbe findet  sich  bei  manchen  Säugethieren,  Nagern,  anthro- 
poiden Affen,  typisch.  Beim  Menschen  entsteht  er  dadurch, 
dass  ein  Schaltknochen  der  vorderen  Seitenfontanelle  mit  dem 
Schuppentheil  allein  verwächst,  anstatt  den  vorderen  unteren 
Winkel  des  Os  parietale  zu  bilden.**) 

Aus  dieser  Darstellung  ergibt  sich,  dass  Graf  Spee  den 
Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  bei  den  Affen  u.  a.  für  eine 
typische,  bei  dem  Menschen  dagegen  fĂĽr  eine  atypische  d.  h. 
pathologische  Bildung  hält,  welche  jene  typische  Affenbildung 
imitirt. 

Eine  verschiedene  Erklärung  der  Entstehung  dieser  ganz 
gleichartigen  Bildungen  bei  dem  Menschen  und  den  Anthro- 
poiden und  anderen  Säugethieren  erscheint  mir  aber,  wie 
gesagt,  unzulässig.  Der  Versuch  einer  Trennung  zwischen 
einem  typischen  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  der  Affen 
und  einem  atypischen  solchen  Fortsatz  beim  Menschen  wird 
lediglich  durch  die  fĂĽr  den  Menschen  adaptirte  hypothetische 
Erklärung  der  Entstehung  des  Stirnfortsatzes  der  Schläfen- 
schuppe, durch  einseitige  Verwachsung  eines  atypischen  Fon- 
tanellknochens mit  der  letzteren,  nahe  gelegt.  Das  ist  sicher, 
dass  diese  Erklär ungshypothese  augenscheinlich  für  die  Affen 
und  die  anderen  Säugethiere,  welche  Processus  frontalis  squamae 
besitzen,  nicht  passt.  Für  den  Menschen  bietet  die  geläufige 
Erklärung  der  Entstehung  des  Stimfortsatzes  doch  nur  dadurch 
eine    grössere   Wahrscheinlichkeit,    weil    in    der    menschlichen 

1)  l.  c.  —  vergl.  auch  1.  c.  S.  326. 

2)  cf.  auch  oben  S.  244,  W.  Krause. 


J.  RanJce:  Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe.  251 

Schläfenfontanelle  in  so  beträchtlicher  Anzahl  und  in  so  wech- 
selnden Formen  Schaltknochen  vorkommen.  Je  häufiger  solche 
sind,  desto  leichter  könnte  ja,  so  hat  man  geschlossen,  eine 
zuftllige  einseitige  Verwachsung  mit  der  Schuppe  des  Schläfen- 
beins eintreten. 

Aber  bei  den  Aflfen  gehören  Fontanellknochen  in  der 
Schläfenfontanelle  zu  den  allerseltensten  Vorkommnissen  und 
sind  speziell  weit  seltener  als  die  Stimfortsätze  der  Schläfen- 
schuppe. 

Unter  den  Orangutanschädeln  der  Selenka'schen  Samm- 
lung, welche  eine  Prüfung  dieser  Verhältnisse  zuliessen, 
zählte  ich: 

1.  Unter  226  Orangutan-Schädeln: 

Schädel  mit  Processus  frontalis  squamae       76  =  100 
Schädel  mit  temporalen  Fontanellknochen       3  =      4®/o 

Oanz  anders  zeigen  sich  die  entsprechenden  Verhältnisse 
an  Menschenschädeln.     Ich  zählte 

2.  Unter  2421  Menschen-Schädeln, 
(Schädel  der  altbayerischen  Landbevölkerung): 

Schädel  mit  Processus  frontalis  squamae        43  =  100 
Schädel  mit  temporalen  Fontanellknochen     251  =  581  ®/o 

Von  diesen  251  Menschenschädeln  mit  temporalen  Fon- 
tanellknochen zeigten  123  auf  einer  oder  auf  beiden  Seiten 
vollkommen  trennende,  die  Ala  magna  von  der  BerĂĽhrung 
mit  dem  Seiten wandbein  abschneidende  Schaltknochen;  fast 
gleich  viele,  nämlich  128,  hatten  unvollständig  trennende 
Schaltknochen  d.  h.  solche,  welche  entweder  das  Stirnbein 
nicht  erreichen  (Os  epiptericum  posterius)  oder  die  Schuppe 
nicht  erreichen  (Os  epiptericum  anterius).  Beide  Formen  sind 
als,  dann  gemeinschaftlich  vollkommen  trennende,  Fontanell- 
knochen, nicht  selten  gleichzeitig  vorhanden;  der  sonst  ein- 
heitliche Fontanellknochen  erscheint  in  solchen  Fällen  durch 
eine  Mittelnaht  in  einen  vorderen  und  einen  hinteren  Abschnitt 
getrennt. 


252  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Ganz  ähnlich  wie  bei  Europäern  ist  das  Verhältniss  der 
Schlaf enfontanellknochen  bei  anderen  Menschenrassen,  auch  bei 
den  Australiern,  (s.  R.  Virchow  1.  c). 

Von  den  3  Orangutan-Schädeln,  an  welchen  ich  temporale 
Fontanellknochen  fand,  zeigt  einer  beiderseits  vollkommen 
trennende  Schaltknochen  (Nr.  129  5).  Der  zweite  (Nr.  231  Q) 
hat  rechts  normale  Schläfen,  links  wird  das  Seitenwandbein 
von  der  Ala  magna  durch  zwei  Schaltknochen  vollkommen  ab- 
getrennt, durch  ein  kleineres  Os  epiptericum  anterius  und  ein 
grösseres  Os  epiptericum  posterius.  Bei  dem  dritten  Schädel 
(Nr.  287  5)  finden  sich  links  und  rechts  Stimfortsätze  der 
Schläfenschuppe,  rechts  neben  einem  solchen  Stirnfort- 
satz noch  ein  Schläfenfontanellknochen. 

Nach  diesen  Erfahrungen  kann  an  die  HyrtTsche  Hypo- 
these für  die  Erklärung  der  Entstehung  der  Stirnfortsätze  der 
Schläfenschuppe  für  die  Affen,  speziell  für  Orangutan,  der  sich 
ja  sonst  in  den  fraglichen  Beziehungen  relativ  menschenähnlich 
verhält,  nicht  mehr  gedacht  werden,  da  ja  der  Schläfenfontanell- 
knochen bei  ihnen  eine  weit  seltenere  Erscheinung  ist  als  der 
Stimfortsatz. 

Noch  weniger  möglich  ist  das  für  die  übrigen  oben  ge- 
nannten Säugethiere,  bei  welchen  der  Stimfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe als  eine  regelmässig  auftretende  Baueinrichtung  des 
Schädels  erscheint.  Bei  den  betreffenden  Thieren  waren  an  nor- 
malen Schädeln,  so  viel  mir  bekannt,  bis  jetzt  überhaupt  Fon- 
tanellknochen der  Schläfenfontanelle  noch  niemals  beobachtet 
worden. 

In  neuester  Zeit  habe  ich  jedoch  einen  hierher  gehörenden 
Fall  thatsächlich  gesehen.  Bei  dem  Schädel  eines  Sciurus 
caucasicus,  bei  welchem  einseitig  ein  wohlbegrenzter,  annähernd 
viereckiger  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  bestand,  zeigte 
sich  auf  der  anderen  Schädelseite  anscheinend  die  gleiche 
Bildung,  jedoch  war  der  „Stimfortsatz**  an  seiner  Grenze  gegen 
die  Schläfenschuppe  durch  eine  Naht  vollkommen  abgetrennt. 
Dadurch  entsteht  „eine  Art  von  Fontanellknochen",  welcher  in 
diesem  Fall  zweifelsohne  fĂĽr  den  Stirnfortsatz  vicarirt. 


J.  Ranke:  Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe,  253 

Derartige  Beobachtungen,  welche  auch  an  Menschenschädeln 
gelegentlich  entgegentreten,  mahnen  an  den  Satz  des  Herrn 
Virchow,  welchen  er  als  Schlussergebniss  seiner  bezĂĽglichen 
Untersuchung  formulirte:  *) 

Die  temporalen  Schaltknochen  sind  verwandte, 
aber  nicht  gleichartige  Bildungen,  wie  der  Stirn- 
fortsatz.** 

Unsere  neuen  Beobachtungen  gestatten  es,  diesen  Satz  nun 
näher  zu  begründen  und  das  verwandtschaftliche  Verhältniss 
zwischen  den  beiden  Bildungen  darzulegen. 

Die  Bildungen,  welche  uns  als  Fontanellknochen  der 
Schläfenfontanelle  entgegentreten,  haben  eine  verschiedene  Ent- 
stehung und  für  den  typischen  Schädelbau  verschiedenen  Werth. 
Es  werden  unter  den  gemeinsamen  Namen  prinzipiell  ver- 
schiedene Gebilde  zusammen gefasst.  Die  einen  Schalt- 
knochen der  Schläfenfontanelle  sind  pathologische, 
atypische  Verknöcherungen,  die  anderen  sind  Indivi- 
daalisirnngen  typischer,  regelmässig  ent wickelungsge- 
schichtlich gesondert  angelegter,  aber  normal  mit 
Nachbarknochen  zu  einem  Knochen-Complex  ver- 
schmolzener Elementar-Elnochen. 

Bisher  wurden  gewöhnlich  nur  die  ersteren  atypischen 
Formen  beachtet.  So  sagt  z.  B.  Herr  Virchow:*)  „es  ist 
nicht  zu  übersehen,  dass  die  Fontanellknochen  relativ  späte 
Bildungen  sind.  Wir  nennen  Fontanellen  die  zur  Zeit  der 
Geburt  noch  offenen  (oder  genauer,  häutigen)  Stellen  am  Schädel, 
und  wir  denken  uns  daher  unter  dem  Namen  von  Fontanell- 
knochen solche  knöcherne  Gebilde,  welche  in  der  Regel  erst 
nach  der  Geburt  in  diesen  offenen  Stellen  entstehen***  Diese 
hier  von  Herrn  Virchow  genauer  beschriebenen  „Fontanell- 
knochen** sind  solche,  welche  soeben  als  atypische,  p.atholo- 
gische  Bildungen  in  der  Schläfenfontanelle  bezeichnet  worden  sind. 

Von  diesen  mĂĽssen,  wie  oben  angedeutet,  jene  viel  selte- 


*)  I.  c.  S.  69. 
2)  1.  c.  S.  47. 


252  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  11,  Juni  1698. 

Ganz  ähnlich  wie  bei  Europäern  ist  das  Verhältniss  der 
Schläfenfontanellknochen  bei  anderen  Menschenrassen,  auch  bei 
den  Australiern,  (s.  R.  Virchow  1.  c). 

Von  den  3  Orangutan-Schädeln,  an  welchen  ich  temporale 
Fontanellknochen  fand,  zeigt  einer  beiderseits  vollkommen 
trennende  Schaltknochen  (Nr.  129  5)-  D^r  zweite  (Nr.  231  9) 
hat  rechts  normale  Schläfen,  Unks  wird  das  Seitenwandbein 
von  der  Ala  magna  durch  zwei  Schaltknochen  vollkommen  ab- 
getrennt, durch  ein  kleineres  Os  epiptericum  anterius  und  ein 
grösseres  Os  epiptericum  posterius.  Bei  dem  dritten  Schädel 
(Nr.  287  5)  finden  sich  links  und  rechts  Stirnfortsätze  der 
Schläfenschuppe,  rechts  neben  einem  solchen  Stirnfort- 
satz noch  ein  Schläfenfontanellknochen. 

Nach  diesen  Erfahrungen  kann  an  die  Hyrtl'sche  Hypo- 
these für  die  Erklärung  der  Entstehung  der  Stirn fortsätze  der 
Schläfenschuppe  für  die  AflFen,  speziell  für  Orangutan,  der  sich 
ja  sonst  in  den  fraglichen  Beziehungen  relativ  menschenähnlich 
verhält,  nicht  mehr  gedacht  werden,  da  ja  der  Schläfenfontanell- 
knochen bei  ihnen  eine  weit  seltenere  Erscheinung  ist  als  der 
Stimfortsatz. 

Noch  weniger  möglich  ist  das  für  die  übrigen  oben  ge- 
nannten Säugethiere,  bei  welchen  der  Stimfortsatz  der  Schläfen- 
schuppe als  eine  regelmässig  auftretende  Baueinrichtung  des 
Schädels  erscheint.  Bei  den  betreffenden  Thieren  waren  an  nor- 
malen Schädeln,  so  viel  mir  bekannt,  bis  jetzt  überhaupt  Fon- 
tanellknochen der  Schläfenfontanelle  noch  niemals  beobachtet 
worden. 

In  neuester  Zeit  habe  ich  jedoch  einen  hierher  gehörenden 
Fall  thatsächlich  gesehen.  Bei  dem  Schädel  eines  Sciurus 
caucasicus,  bei  welchem  einseitig  ein  wohlbegrenzter,  annähernd 
viereckiger  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  bestand,  zeigte 
sich  auf  der  anderen  Schädelseite  anscheinend  die  gleiche 
Bildung,  jedoch  war  der  „Stimfortsatz**  an  seiner  Grenze  gegen 
die  Schläfenschuppe  durch  eine  Naht  vollkommen  abgetrennt. 
Dadurch  entsteht  „eine  Art  von  Fontanellknochen",  welcher  in 
diesem  Fall  zweifelsohne  fĂĽr  den  Stirnfortsatz  vicarirt. 


J.  Ranke:  Der  Stirnfortsatz  der  Schlaf efi schuppe,  253 

Derartige  Beobachtungen,  welche  auch  an  Menschenschädeln 
gelegentlich  entgegentreten,  mahnen  an  den  Satz  des  Herrn 
Virchow,  welchen  er  als  Schlussergebniss  seiner  bezĂĽglichen 
Untersuchung  formulirte :  ^) 

Die  temporalen  Schaltknochen  sind  verwandte, 
aber  nicht  gleichartige  Bildungen,  wie  der  Stirn- 
fortsatz/ 

Unsere  neuen  Beobachtungen  gestatten  es,  diesen  Satz  nun 
näher  zu  begründen  und  das  verwandtschaftliche  Verhältniss 
zwischen  den  beiden  Bildungen  darzulegen. 

Die  Bildungen,  welche  uns  als  Fontanellknochen  der 
Schläfenfontanelle  entgegentreten,  haben  eine  verschiedene  Ent- 
stehung und  für  den  typischen  Schädelbau  verschiedenen  Werth. 
Es  werden  unter  den  gemeinsamen  Namen  prinzipiell  ver- 
schiedene Gebilde  zusammengefasst.  Die  einen  Schalt- 
knochen der  Schläfenfontanelle  sind  pathologische, 
atypische  Verknöcherungen,  die  anderen  sind  Indivi- 
daalisimngen  typischer,  regelmässig  ent wickelungsge- 
schichtlich gesondert  angelegter,  aber  normal  mit 
Nachbarknochen  zu  einem  Knochen -Complex  ver- 
schmolzener Elementar-Enochen. 

Bisher  wurden  gewöhnlich  nur  die  ersteren  atypischen 
Formen  beachtet.  So  sagt  z.  B.  Herr  Virchow:*)  „es  ist 
nicht  zu  übersehen,  dass  die  Fontanellknochen  relativ  späte 
Bildungen  sind.  Wir  nennen  Fontanellen  die  zur  Zeit  der 
Geburt  noch  offenen  (oder  genauer,  häutigen)  Stellen  am  Schädel, 
und  wir  denken  uns  daher  unter  dem  Namen  von  Fontanell- 
knochen solche  knöcherne  Gebilde,  welche  in  der  Regel  erst 
nach  der  Geburt  in  diesen  offenen  Stellen  entstehen^"  Diese 
hier  von  Herrn  Virchow  genauer  beschriebenen  „Fontanell- 
knochen" sind  solche,  welche  soeben  als  atypische,  patholo- 
gische Bildungen  in  der  Schläfenfontanelle  bezeichnet  worden  sind. 

Von  diesen  mĂĽssen,  wie  oben  angedeutet,  jene  viel  selte- 


*)  1.  c.  S.  69. 
2)  1.  c.  S.  47. 


254  Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  11.  Juni  1898, 

neren,  aber  auch  in  der  Schläfengegend  gelegene,  Schaltknochen 
getrennt  werden,  welche  aus  typischen  Verknöcherungs- 
punkten  des  Schädels  sich  entwickeln,  und  welche  gewöhn- 
lich schon  in  sehr  früher  Zeit,  meist  schon  vor  dem  vierten  Fötal- 
monat, mit  grösseren  Nachbarknochen  verschmelzen.  In  man- 
chen Fällen  tritt  jedoch  diese  normale  Verschmelzung  mit  dem 
betreffenden  Hauptknochen  nicht  ein,  sodass  aus  solchen  typischen 
Knochenpunkten  individualisirte  Knochen  entstehen,  ebenfalls 
ringsum  durch  Nähte  von  den  Nachbarknochen  getrennt. 

Die  in  der  Schläfenfontanelle  zusammenstossenden  Knochen 
zeigen  an  der  Grenze  der  Fontanelle  zwei  solche  typische, 
normal  mit  grösseren  Nachbarknochen  verschmelzende,  Ver- 
knöcherungscentren,  von  welchen  der  eine  schon  seit  längerer 
Zeit  bekannt  und  näher  beschrieben  ist. 

Das  Stirnbein  hat  in  der  Schläfengegend  je  ein  solches 
besonderes  Ossifikations-Centrum,  welches  gesondert  von  den 
ĂĽbrigen  Theilen  dieses  grossen  Knochens  entsteht.  Herr  Vir- 
chow  hat^)  auf  diesen  unteren  Knochenkern  des  Stirnbeins 
hingewiesen.  Derselbe  wurde  zuerst  von  S  er  res,  dann  genauer 
von  den  Herren  Rambaud  und  Renault  sowie  von  Herrn 
von  Ihering^)  beschrieben  und  als  Apophysis  orbitaria 
externa,  als  Post  frontale  oder  Frontale  posterius  be- 
zeichnet. Dieser  Knochentheil  liegt  dicht  an  und  vor  der 
Schläfenfontanelle,  nach  rückwärts  von  dem  Processus  zygo- 
maticus  des  Stirnbeins  und  obwohl  seine  Verschmelzung  mit 
dem  MittelstĂĽck  des  Stirnbeins  schon  sehr  frĂĽh  beginnt,  und 
im  dritten  oder  vierten  Monat  des  Fötallebens  grossentheils 
vollzogen  ist,  so  finden  sich  Spuren  seiner  Trennung  doch 
nicht  ganz  selten  noch  bei  Neugeborenen.  Herr  R.  Virchow 
bildet  einen  sehr  characteristischen  Fall  der  Art  in  der  oft 
genannten  Abhandlung  ab,')  bei  welchem  sich  der  betreffende 
sonst  mit  dem  Stirnbein  verschmelzende  Elementarknochen 
vollkommen  individualisirt,  rings  durch  Nähte  getrennt,  zeigt. 

1)  1.  c.  S.  42  f. 

2)  Reichert  und  du  Bois-Rcymont,  Archiv  f.  Anatomie  1872.  S.  649. 

3)  1.  c.  S.  43;  Tafel  111.  Fig.  G. 


«r.  Bafike:  Der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe,  255 

An  Schädeln  aus  dem  dritten  und  dem  Anfang  des  vierten 
Embrjonalmonats  ist  die  Trennung  noch  eine  vollkommene 
und  ich  habe  dieselbe  mehrfach  constatirt. 

Eine  vollkommene  Trennung  bei  älteren  Schädeln  habe 
ich  aber  bisher  noch  nicht  gesehen.  Im  Uebrigen  kann  ich 
jedoch  die  Angaben  des  Herrn  von  Ihering  und  R.  Virchow 
bestätigen.  Unter  162  Schädeln  von  menschlichen  Embryo- 
nen und  Neugeborenen,  vom  dritten  Embryonal-Monat  durch 
alle  Monate  bis  zur  normalen  Geburt,  welche  ich  auf  dieses 
Verhältniss  geprüft  habe,  vermisste  ich  nur  an  sieben  (jüngeren) 
Schädeln  deutlichere  Spuren  der  Abtrennung  der  Apophysis 
orbitaria  externa  (Postfrontale),  bei  allen  ĂĽbrigen  waren  diese 
Spuren  unverkennbar  und  drei  Schädel  aus  dem  9.  und  10. 
Monat  zeigten  die  von  von  Ihering  beschriebenen  oflFenenNaht- 
reste  annähernd  senkrecht  auf  den  unteren  Verlauf  der  Kranz- 
naht in  das  Stirnbein  gegen  die  Augenhöhle  zu  einspringend.*) 

Dieses  untere  hintere  selbständige  Verknöcherungs-Centrum 
des  Stirnbeins  kann,  da  es  jederseits  im  Stirnbein  selbst, 
nicht  in  der  Fontanelle,  liegt,  zur  Entstehung  eines  Stirnfort- 
satzes des  Schläfenbeins  oder  eines  Schläfenfortsatzes  des  Stirn- 
beins keine  Veranlassung  geben,  ein  Verhältniss,  welches  die 
beigegebenen  Abbildungen  (Fig.  4 — 12)  direkt  deutlich  machen. 

Ein  ähnlicher  typischer  Knochenkern  findet  sich  an  dem 
Schläfenfontanellrand  der  Schuppe  des  Schläfenbeins  nicht. 

Dagegen  haben  es  schon  ältere  Beobachtungen,  vor  allem  die 
Hannover's,*)  wahrscheinlich  gemacht,  dass  der  grosse 
Keilbeinflügel  ein  oberes  Ergänzungsstück  besitzt, 
welches  als  Deckknochen,  Hautknochen,  entsteht, 
während  sich  bekanntlich  der  grosse  Keilbeinflügel 
seiner  Hauptausdehnung  nach  aus  knorpeliger  Anlage 
als  Primordialknochen  entwickelt. 


^)  S.  die  folgenden  Abbildungen    von  Schädeln   von  Neugeborenen 
und  Embryonen  Fig.  6—12,  bei  letzterer  oflfner  Nathrest. 

^)  Primordialbrusken   og   dens   forbening,   Det  kgl  danske  vidensk. 
selskab  Skrifter.   Naturw.  mathem.  Afdel.    11.  Band.   Kopenhagen.    1888. 
citirt  nach  Graf  Spee  1.  c. 
1S98.  Sitznngsb.  d.  phiL  u.  hiot.  GL  17 


256  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Meine  Beobachtungen  erheben  diese  Vermuthung') 
zurGewissheit:  wir  haben  ein  Hauptknochen-Ergänzungsstück 
an  dem  oberen  Ende  der  Ala  magna  von  dem  durch  primordiale 
Verknöcherung  entstandenen  Haupttheile  zu  unterscheiden. 

Dieses  Hautknochen  -  Ergänzungsstück  der  Ala  magna, 
welches  man  nicht,  wie  vielfach  geschehen,  mit  den  atypischen 
Formen  der  Schläfenfontanellknochen  verwechseln  und  zusammen 
werfen  darf,  hat  genetisch  als  Deckknochen  mit  der,  dem  knor- 
pelig vorgebildeten  Schädelskelet  als  Primordialknochen  zuge- 
hörenden, Ala  magna  nichts  zu  thun.  Die  Ala  magna  zeigt  sich, 
wie  das  Hinterhauptsbein  und  das  Schläfenbein,  als  ein  Complex 
principiell  differenter  Skelettheile,  welche  sich  auf  verschiedene 
Weise  und  sonach  anfanglich  gesondert  bilden. 

Eine  ganz  ähnliche  Bildung,  wie  das  Deckknochen-Er- 
gänzungsstück der  Ala  magna  ist  bekanntlich  das  Interparietale 
der  Säuger.  Das  Interparietale  erscheint  als  Hautknochen-Er- 
gänzungsstück des  Occipitale  posterius,  welche  zusammen  beim 
Menschen  die  Schuppe  des  Hinterhauptsbeines  bilden. 

Hier  sind  auch  die  Schicksale,  welche  diese  beiden  zu 
einem  Knochenkomplex  verschmolzenen  differenten  Elementar- 
bestandtheile  des  Skelets  erfahren  können,  festgestellt.  Es  ist 
bekannt,  dass  sie  im  Ganzen  vollkommen  oder  theilweise  von 
einander  getrennt  bleiben  können,  sodass  eine,  beide  Elementar- 
knochen —  das  Interparietale  und  das  Occipitale  superius  — 
trennende  Quernaht,  die  fötale  Hinterhauptsquernaht, 
(Sutura  occipitalis  transversa  fötalis  R.  Virchow)  während 
des  erwachsenen  Lebens  persistirt.  Besonders  bemerkenswerth 
erscheint  es  aber,  dass  sich  das  Interparietale,  welches  als 
Hautknochen-Ergänzungsstück  des  Occipitale  superius  beim 
Menschen  und  den  meisten  Säugethieren,  wenn  es  nicht  dauernd 
individualisirt  bleibt,  mit  dem  Oberrand  des  Occipitale  superius 


')  Graf  Spee,  I.  c,  S.  142,  citirt  nach  Hannover  (s.  S.  141):  „Von 
der  Ala  magna  ( Alisphenoid)  werden  wahrscheinlich  auch  die  oberen 
Theile  des  Randes  zwischen  Frontale,  Parietale  und  Squama  als  Deck- 
knochen ausgebildet".     S.  auch  1.  c.  S.  282  und  S.  326. 


«r.  Bänke:  Der  StimfartscUs  der  Sdüäfenschuppe,  257 

verwächst  und  mit  seinen  Aussenrändem  den  Haupttheil  der 
Lambdanaht  bildet,  bei  einer  ganzen  Anzahl  von  Säugethieren 
nicht  mit  dem  letzteren  Knochen  sondern  mit  den  Parietalia 
verbindet.  Es  bleibt  dann  die  fötale  Naht  zwischen  Inter- 
parietale und  Occipitale  superius  dauernd  offen,  während  die 
Grenznaht  (Lambda-Naht)  zwischen  dem  Interparietale  und  den 
Parietalia  (resp.  dem  vereinigten  Parietale)  so  vollkommen  ver- 
schwinden, dass  bei  Erwachsenen  keine  Spur  mehr  auf  die  ehe- 
malige Trennung  hindeutet.  Sehr  charakteristisch  zeigt  sich 
dieses  Verhältniss  an  Hirsch-Schädeln.  Bei  solchen  zeigen  auch 
noch  ältere  Embryonen  und  ganz  junge  Thiere  das  Interparietale, 
ähnlich  in  der  Form  wie  das  des  Menschen,  rings  von  Nähten 
gegen  die  Nachbarknochen  abgegrenzt.  Bei  etwas  älteren  Schä- 
deln sind  die  oberen  Grenznähte  gegen  das  Parietale  verstrichen 
und  eine  gerade  quere  Grenznaht  (die  fötale  Hinterhaupts- 
quernaht) scheidet  scheinbar  die  Parietalia,  in  Wahrheit  das 
Interparietale,  vom  Hinterhauptsbein. 

Nach  den  Angaben  der  vergleichenden  Anatomie*)  findet 
sich  die  Verwachsung  des  Interparietale  mit  den  Parietalia  bei 
Nagern  und  Wiederkäuern.  Es  ist  leicht  diese  Beobach- 
tungen zu  bestätigen,  ich  möchte  aber  daran  erinnern,  dass, 
wie  mehrfach  schon  constatirt,  bei  manchen  Nagern,  auch  an 
Schädeln  von  erwachsenen  Thieren,  das  Interparietale  un ver- 
bunden, frei,  durch  Nähte  vollkommen  getrennt,  zwischen  den 
Parietalia  und  dem  Occipitale  superius  zu  liegen  pflegt.  Es 
gilt  das  z.  B.  für  Castor  fiber,  bei  welchem  mir  drei  Schädel 
ein  freies,  individualisirtes  Interparietale  zeigten.  Gelegentlich 
scheint  bei  derselben  Säuger-Gruppe  doch  auch  eine  Verwach- 
sung des  Interparietale  mit  dem  Occipitale  superius  vorzu- 
kommen, wie  es,  wie  gesagt,  fĂĽr  den  Menschen  und  die  Mehr- 
zahl der  Säuger  typisch  ist. 

Nach  meinen  Beobachtungen  kann  das  Haut- 
knochen-Ergänzungsstück  der  Ala  magna    in  Bezieh- 


^)  C.  Gegenbauer,  Grundriss  der  vergleichenden  Anatomie.  II.  Aufl. 
1878.  S.  488,  489. 

17* 


258  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

ung  auf  seine  Verbindung  mit  Nachbarknochen  ganz 
ähnliche  Schicksale,  wie  das  Hautknochen-Ergänzungs- 
stĂĽck des  Occipitale  superius,  das  Interparietale,  er- 
fahren. 

Es  ist  doch  wohl  zweckmässig,  das  Hautknochen-Ergän- 
zungsstück der  Ala  magna  —  entsprechend  der  Benennung 
des  Interparietale  —  auch  mit  einem  eigenen  Namen  zu  be- 
zeichnen, da  die  Bezeichnungen:  Fontanellknochen  der  Schläfen- 
fontanelle,  temporaler  Schaltknochen,  Os  epiptericum  schon  fĂĽr 
die  atypischen  Formen  festgelegt  sind.  Ich  schlage  fĂĽr  den  neu 
gefundenen  typischen  Elementarknochen  den  indilBFerenten  Namen 
Os  Intertemporale  oder  Intertemporale  vor.  Diese  Be- 
zeichnung hat  einerseits  den  Vortheil,  ĂĽber  den  vergleichend- 
anatomischen Werth,  dieses  elementaren  Hautknochengebildes 
Nichts  zu  präjudiciren,  anderseits  erinnert  sie  an  den  Namen 
des,  wie  gesagt,  nächst  verwandten  Hautknochens,  das  Inter- 
parietale. 

Das  Intertemporale  verbindet  sich  beim  Menschen  in 
der  weit  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  so  vollkommen  mit 
dem  oberen  Ende  der  Ala  magna,  deren  obere  Partie  es  dann 
bildet,  dass  kein  Rest  einer  Trennungsnaht  beobachtet  werden 
kann. 

Bei  voller  Ausbildung  erscheint  dann  der  obere  Theil  der 
Ala  magna  im  Ganzen  und  namentlich  nach  hinten  gegen  die 
Schläfenschuppe  verbreitert,  woraus  die  bekannte  Flügelform 
beim  Menschenschädel  entsteht.  Die  ganze  Ala  magna  ist  dabei 
auch  relativ  lang  und  ĂĽberhaupt  wohl  ausgebildet.      (Fig.  3.) 

Ebenso  wie  das  Interparietale  vollkommen  individualisirt 
und  durch  Grenznähte  gegen  die  Nachbarknochen  abgegliedert 
sein  kann,  so  kann  sich  auch  das  Intertemporale  durch  eine 
vollkommen  trennende  Quernaht  von  der  ĂĽbrigen  Ala  magna 
abgliedern.  Ein  solcher  Fall  ist  der  oben  an  einem  Schädel 
von  Sciurus  caucasicas  beschriebene  scheinbare  Schläfenfontanell- 
knochen,  welcher  für  einen  Stirnfortsatz  der  anderen  Schädel- 
seite vikarirt. 

An  Menschen-Schädeln  ist  entwickelungsgeschichtlich  das 


cT.  Ranke:  Der  Stirnfortsatz  der  ScMäfenschuppe. 


259 


Verhalten  der  beiden  betreffenden  Abschnitte  des  grossen  Keil- 
beinäügels:  das  aus  primordialer  Verknöcherung  hervorgehende 
Hauptstück  zu  dem  Hautknochen-Ergänzungsstück,  Intertem- 
porale, nicht  schwer  zu  konstatiren.  Ich  habe  200  Embryo- 
nen-Schädel, vom  3.  Monat  bis  zum  Geburtsalter,  darauf 
untersucht. 

An  macerirten  Schädeln  von  Embryonen  aus  dem  vierten 
Monat  sitzt  das  Hautknochenergänzungsstück  auf  der  schmalen, 

Fig.  3. 


Gut  ausgobildoto  Schläfongogend  bei  einem  Ncgcr-Schüdel  (Parc). 

nach  oben  sich  zuspitzenden,  durch  primäre  Knorpelverknöche- 
rung  entstandenen  Ahi  m«agna  wie  eine  Haube  scliief  auf,  wobei 
sich  das  lockere  Gefüge  der  Hautverknöcherung,  wie  das  ge- 
legentlich aucli  noch  bei  älteren  Früchten  (Fig.  4)  zu  sehen  ist, 
scharf  von  dem  dichteren  Gefllge  der  eigentlichen  Ala  magna 
unterscheidet.  In  der  Richtung  gegen  die  Schläfenbeinschuppe 
ist  die  Hautverknöcherung  etwas  breiter  und  greift  tiefer  nach 
abwärts.     So    innig   in  dieser  Periode   beide  Bestandtheile    der 


r 


260  SĂĽtvttff  der  maih.-phys.  Claise  vom  11.  Juni  1898. 

Ala  magna  schon  verschmolzen  zu  sein  pflegen,  so  findet  ma 
doch  Fälle,  wie  der  in  Fig.  4  abgebildete,  welche  die  Trei 
nung  nach  erkennen  lassen,  die  beiden  Abschnitte  greifen  i 
einer  feinen  Zackenlinie  in  einander  ein. 


ÂĄ 


Reste  und  Spuren  einer  Trennungsnaht  sind  bei  jünger« 
und  älteren  Embryonen  häuüg  genug,  die  nebenstehend« 
Abbildungen  (Fig.  5-8)  geben  einige  Beispiele.  Der  Oberrar 
der  Ala  magna  erscheint  manchmal  zweilappig,  durch  ein« 
seichten  Einschnitt  getrennt.     Fig.  5. 


In  anderen  Fällen  geht  eine  tiefe  Spalte,  manchmal  fa 
senkrecht,  in  dem  grossen  KeilbeinflUgel  vom  Oberrand  ai 
nach  abwärts  Fig.  6  und  7. 


J.  Bänke:  Der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe. 


261 


Besonders  charakteristisch  sind  aber  solche  Bildungen,   in 
welchen  eine  Naht  schief  von  oben  und  vom  nach  hinten  und 


Fig.  6. 


Fig.  7. 


unten   einspringt    und    die   hintere   obere  Ecke   des   Keilbein- 
flĂĽgels mehr  oder  weniger  weit  abtrennt  wie  in  Fig.  8. 


Fig.  8. 


In  zwei  Fällen  ist  es  mir  gelungen,  an  menschlichen  Em- 
bryonen-Schädeln aus  dem  10.  Monate  eine  vollkommene  Ab- 


262 


Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  11.  Juni  1898, 


trennung  der  hinteren  oberen  Spitze  der  Ala  magna 
resp.  des  Intertemporale  zu  constatiren,  sodass  hier  das 
Intertemporale  vollkommen  individualisirt  erscheint,  ganz  ent- 
sprechend der  bekannten  Individualisirung  des  Interparietale. 
Die  von  der  Ala  magna  abgetrennten  StĂĽcke  sind  an  den  mensch- 
lichen Embryonen-Schädeln  verschieden  gross.  Bei  dem  einen 
Schädel,  bei  welchem  beiderseitig  das  Intertemporale  selbständig 
besteht  (Fig.  9  und  Fig.  10),  zeigen  sich  rechts  und  links  be- 


Fig.9. 


trächtliche  Grössenunterschiede  desselben:  rechts  grösste  Länge 
9 — 11mm,  grösste  Breite  8 — 9  mm.  An  dem  zweiten  Schädel 
(Fig.  11)  findet  sich  die  Abtrennung  des  Intertemporale  nur 
einseitig  (rechts)  und  im  Ganzen  etwas  kleiner,  die  Masse  sind 
grösste  Länge :  9  mm,  grösste  Breite:  7  mm. 

Wenn  ich  nicht  irre,  kann  auch  durch  eine  annähernd 
quer  verlaufende  Naht  der  obere  Abschnitt  der  Ala  magna, 
das  Intertemporale,  von  dem  unteren  Abschnitt  abgetrennt 
werden.     In   einem   derartigen  Fall   mass   das   in   der  rechten 


J,  Bankt:  Der  Stirnforlsatg  dtr  Schläfensehuppe.  263 

Schläfe  abgetrennte  Stück  12  mm  in  der  Länge  und  an  der 
A1&  magna  5  mm  in  der  Breite,  und  war  annähernd  viereckig 
gestaltet;')  an  einem  zweiten  Schädel  war  das  durch  eine 
Quemaht  abgetrennte  Stück,  durch  senkrechte  Nähte  in  der 
einen  Schläfe,  in  zwei,  in  der  anderen  in  drei  TheilstUcke  zer- 
fallen. Auch  eine  für  die  Ränder  der  Hautknochen  in  früheren 
Perioden  so  charakteristische  AuSaserung  des  Intertemporale 
kann  sich  erhalten.     (Fig.  12.) 


Diese  in  der  Gegend  der  Schliifenfontanelle  liegenden, 
letztere  aber  in  Wahrheit  begrenzenden  und  ihr  daher  niemals 
eigentlich  angehörenden,  typischen  Bildungen  de.s  Inter- 
temporale  sind  bisher  im  Allgemeinen  mit  den  atypi- 
schen   Fontanellknochen    der    Schläfenfontanclle    zu- 


')  Die  Ala  magna  ist  auf  der  rechten  Seite  um  6  mm   verkĂĽrzt  im 
Verhältni»»    zur    linken    Seite,    an    der    sich    keine    Äbapaltung    findet. 


264 


Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  11.  Juni  1898. 


sani  menge  werfen,  ihr  prinzipieller  Unterschied  wenigstens 
nicht  genĂĽgend  hervorgehoben  wordeh.  Sie  sind  aber,  was  sich 
schon  aus  der  oben  gegebenen  Beschreibung  der  atypischen 
Fontanellknochen  ergibt,  meist  sicher  von  letzteren  zu  trennen. 

Die  atypischen  Fontanellknochen,  indem  sie  sich  als 
neue  Formelemente  zwischen  die  vier  in  der  Gegend  der 
Schläfenfontanelle  zusammenstossenden  Knochen :  Stirnbein, 
Scheitelbein,  Schläfenbein   und   grossen  Keilbeinflügel,   hinein- 


Fig.  11. 


legen,  beeinträchtigen  die  volle  Ausbreitung  aller  vier  Knochen. 
Diese  Beeinträchtigung  ist  jedoch,  da  sie  sich,  wie  gesagt,  auf 
alle  Nachbarknochen  in  ziemlich  gleicher  Weise  bezieht,  im 
Allgemeinen  meist  eine  unbedeutende. 

Ganz  anders  ist  das  Verhältniss  bei  dem  Intertemporale. 
Das  individualisirte  Intertemporale,  derZwischenschläfen- 
knochen,  ist  gleichsam  von  dem  grossen  KeilbeinflĂĽgel  oben 
weggeschnitten,  nur  letzterer  wird  daher  in  seiner  Ausbildung 


/.  Ranke:  Der  StimfortscUz  der  ScMäfenschuppe. 


265 


beeinträchtigt:  er  wird  um  das  abgetrennte  individualisirte 
oder  mit  anderen  Nachbarknochen  verschmolzene  Ergänzungs- 
stĂĽck verkĂĽrzt. 

FĂĽr  den  Nachweis  dieser  VerkĂĽrzung  bieten  die  Orangutan- 
Schädel  der  Selenka' sehen  Sammlung  ein  vortreffliches 
Material.  Unter  ihnen  findet  sich,  wie  oben  gesagt,  eine 
nicht  unbeträchtliche  Anzahl  solcher,  welche  nur  auf  der 
einen  Schädelhälfte  einen  Stimfortsatz  besitzen,  während  die 
andere  Schläfe  davon  frei  ist.     Bei  solchen  Schädeln  mit  ein- 


Fig.  12. 


seitigem  Stirnfortsatz  kann  man  sonach  an  demselben  Indi- 
viduum die  verschiedene  Höhe  der  Ala  magna  mit  und  ohne 
Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  messen. 

In  der  folgenden  Tabelle  habe  ich  die  Messungs-Ergebnisse 
an  zehn  solcher  Schädel  zusammengestellt. 


266 


Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 


Tabelle 

über  die  Höhe  der  AI  a  magna  bei  10  Orangu  tan  seh  adeln 
mit  einseitigem  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe. 

Bezeichnung         Höhe  der  Ala  magna  in  den  Schläfen 


der  S 

chäd 

el: 

mit  Stimfortsatz : 

ohne  Stimfortsatz : 

i/iucrt;ii-/i : 

1.  Nr, 

.    83 

9 

23 

mm 

28 

mm 

+   5  mm 

2.    . 

207 

6 

22 

n 

28 

+   6    . 

8.    . 

119 

9 

20 

28 

+   8     . 

4.    . 

109 

9 

22 

81 

+   9     . 

6.    » 

116 

9 

20 

80 

+  10    . 

6.    . 

140 

9 

22 

25 

+   8     . 

7.     , 

40 

6 

21 

81 

+  10    . 

8.    , 

247 

9 

22 

26 

+   4     . 

9.    . 

200 

6 

26 

88 

+    7     , 

10.    . 

179 

6 

28 

88 

+  10     . 

10  Schädel         22,1  mm 


28,8  mm        =  +6,7  mm. 


Die  Ala  magna  ist  danach  im  Durchschnitt  um  V«  ^6^- 
kĂĽrzt  auf  der  Seite  des  Stimfortsatzes. 

Da  das  Intertemporale  die  obere  flügeiförmige  Verbreite- 
rung der  Ala  magna  bildet,  wird  durch  seine  Abgliederung 
letztere  nicht  nur  verkĂĽrzt,  sondern  auch  entsprechend  ver- 
schmälert. Der  obere  Rand  der  Ala  magna  zeigt  sich  dann 
meist  nach  oben  vielfach  abgerundet,  was  an  die  ursprĂĽnglich 
nach  oben  sich  zuspitzende  oder  wenigstens  verschmälemde 
Form  der  primordialen  Knochenanlage  der  Ala  magna  erinnert. 

Speziell  soll  noch  einmal  direkt  darauf  hingewiesen  werden, 
dass  das  Intertemporale,  wie  das  Interparietale  und  manche 
andere  typische  Elementar-Bestandtheile  des  Hirnschädels,  so- 
weit sie  normal  zu  Knochencomplexen  verschmelzen,  diese  Ver- 
schmelzung schon  sehr  bald,  beim  Menschen  meist  schon  vor 
dem  4.  Erabrjonalnionat,  erfahren.  Im  Gegensatz  gegen  das 
Verhalten  dieser  typischen  Elementarknochen  verwachsen  die 
atypischen  Fontanellknochen,  welche  ĂĽberhaupt  vielfach  weit 
später  als  erstere  entstehen,  meist  erst  im  späteren,  senilen 
Lebensalter  mit  den  Nachbarknochen. 


J.  Bänke:  Der  Stirnfortsatz  der  SMäfenschuppe.  267 

K.  von  Bardeleben ^)  hat  das  Epiptericura  ak  »Post- 
frontale** bezeichnet.  Abgesehen  davon,  dass  eine  solche  Be- 
zeichnung nicht  fĂĽr  die  grosse  Mehrzahl  der  atypischen  Fon- 
tanellknochen der  Schläfe,  sondern  nur  für  das  Intertemporale 
in  Frage  kommen  könnte,  so  ist  für  die  menschliche  Anatomie 
die  Bezeichnung  „Postfrontale**  schon  für  das  oben  Beschriebene 
Apophysis  orbitaria  externa  durch  vonihering*)  belegt.  Die 
vergleichend-anatomische  WĂĽrdigung  der  betrefiFenden  Elementar- 
knochen des  Menschenschädels  kann  nur  im  Zusammenhang  der 
Betrachtung  aller  entsprechenden  Bildungen  erfolgen. 

Resultate. 

Wie  das  Interparietale,  welches  beim  Menschen  und  der 
Mehrzahl  aller  Säuger  gesetzmässig  mit  dem  Oberrand  des 
Occipitale  verschmilzt,  doch  bei  einigen  Säugergruppen  (Nage- 
thiere  und  Wiederkäuer)  sich  nicht  mit  dem  Occipitale  superius 
sondern  mit  den  Parietalia  zu  einem,  fĂĽr  diese  Thiere  auch 
typischen  und  gesetzmässigen  Knochen-Komplex  verbindet,  so 
kann  sich  auch  das  Intertemporale,  anstatt  mit  dem 
oberen  Theil  der  Ala  magna,  mit  einem  der  anderen 
Nachbarknochen  zu  einemKnochenkomplex  vereinigen. 

Bei  dem  Menschen  findet  eine  solche  Vereinigung 
in   seltenen  Fällen 

1.  mit  dem  vorderen  oberen  Hand  der  Schläfen- 
schuppe statt:   daraus  entsteht  der 

Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe, 

der  Processus  frontalis  squamae  temporis. 

2.  mit  dem  unteren  hinteren  Winkel  des  Stirn- 
beins, daraus  entsteht  der  von  mir  entdeckte 

Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins, 
der  Processus  temporalis  ossis  frontis. 


')  K.   von   Bardeleben,    Anatomischer  Anzeiger.     Bd.   XII.     1896. 
Erganz.-Heft    S.  153—164. 

^)   V.  Ibering  1.  c.  und  oben  S.  265. 


268  SitMung  der  math,-phy8.  Clause  vom  11.  Juni  1898, 

3.  Eine  Verwachsung  des  Intertemporale  mit  dem  vorderen 
unteren  Winkel  des  Scheitelbeins  habe  ich  beim  Menschen  bis- 
her noch  nicht  sicher  nachweisen  können. 

4.  Ganz  ähnlich  wie  bei  dem  Menschen  sind  die  typischen 
Verwachsungsverhältnisse  des  Intertemporale  bei  der  Mehrzahl 
der  Affen. 

Auch  bei  diesen,  so  namentlich  bei  Orangutan  und  Hylo- 
bates,  ist  die  Verschmelzung  des  Intertemporale  mit  dem  oberen 
Ende  der  Ala  magna  das  Gewöhnliche. 

Daneben  findet  sich  aber  gelegentlich  bei  diesen  Menschen- 
affen ,  und  zwar  bei  Hjlobates  kaum  häufiger  als  bei  dem 
Menschen,  auch  eine  Verschmelzung  des  Intertemporale  mit 
der  Schläfenschuppe  zu  einem  Stirnfortsatz. 

Ein  Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins  ist  bei  den  Affen  bisher 
noch  nicht  beschrieben. 

Dagegen  fand  ich  mehrfach  an  Orangutanschiideln  eine 
doppelte  Verschmelzung  des  Intertemporale,  unten  mit 
der  Ala  magna,  oben  mit  dem  vorderen  unteren  Winkel  des 
Scheitelbeins,  sodass  eine  zusammenhängende  Knochenbrticke 
zwischen  Stirnbein  und  Schläfenschuppe  gebildet  wird. 

Bei  Gorilla  und  Schimpanse  und  jenen  oben  genannten 
niedrigeren  Säugethieren  ist  der  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe 
das  gewöhnliche  Vorkommniss.  Bei  ihnen  verschmilzt  fast 
ausnahmslos  das  Intertemporale  nicht  mit  der  Ala  magna 
sondern  mit  der  Schläfenschuppe  zur  Bildung  des  Stimfort- 
Satzes  derselben. 

Dieses  Wechsel verhältniss  der  Verschmelzung  mit  ver- 
schiedenea  Nachbarknochen  entspricht  im  Principe  jenem  oben 
von  dem  Interparietale  erwähnten. 

5.  Da  das  Intertemporale  durch  Verschmelzung  mit  der 
Schläfenschuppe  den  Stirnfortsatz  derselben  bildet,  so  lässt  sich 
bei  den  Schläfen  mit  Stirnfortsatz  eine  entsprechende  Verkür- 
zung und  VerkĂĽmmerung  der  Ala  magna,  deren  oberes  ver- 
breitertes EndstĂĽck  das  Intertemporale  sonst  bildet,  nachweisen. 


J.  Bänke:  Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe.  269 


Beschrelbungr  der  AbbildoBgren  im  Texte. 

Figur  la  und  b  (S.  246  und  247):  Männlicher,  jugendlicher  Schädel  aus 
dem  Bismarckarchipel. 

Fig.  la:  Hechte  Schläfenansicht. 

Fig.  Ib:  Linke  Schläfenansicht. 

Figur  la:  Schläfenforiaatz  des  Stirnbeins.  Vom  Stirnbein  springt 
unten  beinahe  senkrecht  nach  hinten  gewendet  ein  breiter  Fort- 
satz vor  und  verbindet  sich  mit  dem  vorderen  oberen  Rande 
der  Schläfen  schuppe.  Die  Ala  magna  ist  entsprechend  verkürzt 
und  von  der  BerĂĽhrung  mit  dem  Scheitelbein  vollkommen  aus- 
geschlossen. 

Figur  Ib:  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe.  Von  dem  vorderen 
oberen  Rand  der  Schlüfenschuppe  springt,  ganz  dem  Schläfen- 
fortsatz des  Stirnbeins  in  Figur  1  a  entsprechend,  ein  grosser 
breiter  Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  gegen  das  Stirnbein 
vor.  Derselbe  schliesst  ebenfalls  die  entsprechend  verkĂĽrzte  Ala 
magna  von  der  BerĂĽhrung  mit  dem  Scheitelbein  aus. 

Figur  2  a  und  b  (S.  248  und  249):  Die  Schläfenansicht  zweier  Schädel, 
bei  welchen  gleichzeitig  grosse  Stirnfortsätze  der  Schläfenschuppe 
und  Schläfen-Fontanellknochen  vorhanden  sind. 

Figur  2a:  Rechte  Schläfenansicht  eines  Schädels  vom  Bismarck- 
archipel. Ein  breiter  an  seiner  Basis  etwas  eingezogener  Stirn- 
fortsatz des  Schläfenbein«  erhebt  sich  von  dem  vorderen  oberen 
Rande  der  Schläfenschuppe  und  trennt  die  entsprechend  ver- 
kĂĽrzte Ala  magna  von  der  BerĂĽhrung  mit  dem  Scheitelbein  ab. 
Hinter  dem  Stirnfortsatz  zwischen  dem  Oberrand  der  Schläfen- 
schuppe und  dem  vorderen  unteren  Winkel  des  Scheitelbeins 
zeigt  sich  ein  länglicher  unregelmässig  gestalteter  Schläfen- 
Foutanellknochen . 

Figur  2b:  Schläfenansicht  eines  Schä^lels  von  den  Neuhebriden  nach 
R.  Virchow.  Das  Verhältniss  entspricht  ganz  dem  vorhin  (Fig.  2  a) 
beschriebenen. 

Figur  3  iS.  259):  Linke  Schläfenansicht  eines  Negerschädels  (Pare)  mit 
wohlausgebildetem  grossen  KeilbeinflĂĽgel,  dessen  Oberrand  sich 
breit  vorn  an  den  unteren  Rand  des  Scheitelbeins  anlegt. 

Figur  4-12.  Abbildung  von  Schädeln  von  Embryonen  und  Neugebore- 
nen der  Müncheiier  Stadtbevölkerung.  Fig.  4  7  Schädel  aus  dem 
5.  bis  G.  Entwickeluugsmonat. 

Figur  4  (S.  260):  An  der  nach  oben  sich  verschmälornd  und 
abgerundet  zugehenden  Ala  magna  erkennt  man  noch  die 
Trennung  der  beiden  Abschnitte  der  letzteren,  das  In ter tem- 
porale zeigt  die  Hautknochenstruktur  und  ist  durch  eine  feine 
Zackenlinie  (Fötalnaht)  abgegrenzt. 


270  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Figur  5  (S.  260):  Der  Oberrand  der  Ala  magna  zeigt  hier  wie  bei 
Fig.  6,  7  und  8  Spuren  der  Abtrennung  des  Intertemporale.  Bei 
Fig.  4  ist  der  Oberrand  des  grossen  EeilbeinflĂĽgels  aurch  einen 
seichten  Einschnitt  gleichsam  gelappt. 

Figur  6  (S.  261):  Die  Trennungsspalte  (Rest  der  Fötalnaht)  schneidet 
annähernd  senkrecht  von  oben  nach  unten  in  den  grossen  Keil- 
beinflĂĽgel ein  und  halbirt  denselben  nahezu. 

Figur  7  (S.  261):  Die  Verlaufsrichtung  der  Trennungsspalte  (Rest 
der  Fötal  naht)  geht  schief  von  hinten  nach  vom. 

Figur  8  (S.  261):  Schädel  aus  dem  10.  Entwickelungsmonat.  Die 
Trennungsspalte  (Fötalnaht)  schneidet  von  der  Mitte  des  Ober- 
randes der  Ala  magna,  schief  nach  unten  und  hinten  gerichtet, 
tief  ein,  das  Intertemporale  fast  vollkommen  abtrennend. 

Figur  9  und  10  (S.  262  und  263):  Rechte  und  linke  Schläfenansicht 
eines  Neugeborenen-Schädels  mit  doppelseitiger  vollkommener 
Abtrennung  und  Individualisir  an  g  des  Intertemporale  von 
der  übrigen  Ala  magna.  Die  offen  gebliebene  Fötalnaht  schneidet 
wie  bei  Fig.  8  nahe  dem  vorderen  Rand  der  Ala  magna  in  diese 
schief  nach  unten  und  hinten  ein.  Der  Rand  des  dadurch  ab- 
getrennten Intertemporale  zeigt  noch  die  charakteristische 
Auffaserung  der  Hautknochen,  das  obere  Ende  der  ĂĽbrigen  Ala 
magna  spitzt  sich  in  der  charakteristischen  Weise  zu ,  wie 
es  der  ursprĂĽnglichen  embryonalen  Form  der  Ala  entspricht. 
Rechts  ist  das  Intertemporale  kleiner  als  links. 

Figur  11  (S.  264):  Rechte  Schläfenansicht  eines  Schädels  aus  dem 
10.  Entwickelungsmonat  mit  vollkommen  abgetrenntem  und 
individualisirtem  Intertemporale,  die  linke  Schläfe  zeigt 
keine  Trennungsspuren  (Fötalnahtreste)  des  letzteren.  Die  offen 
gebliebene  fötisile  Naht  zwischen  der  übrigen  Ala  magna  und 
dem  Intertemporale  schneidet  nahezu  senÂŁ:echt  ein,  etwa  der 
theilweisen  Trennung  in  Abbildung  No.  6  S.  261  entsprechend. 

Figur  12  (S.  265):  Linke  Schläfenansicht  eines  Schädels  aus  dem 
10.  Entwickelungsmonat,  welcher  das  Intertemporale  ohne 
Trennungsspur  in  der  fĂĽi*  die  Hautknochen  charakteristischen  Weise 
gleichsam  aufgefasert  zeigt,  ebenso  den  unteren  Scheitelbein-Rand. 

In  Fig.  5  bis  12  ist  durch  eine  von  dem  unteren  Ende  der  Kranz- 
naht in  das  Stirnbein  einschneidende  Linie  die  Trennungsspur  des 
Postfrontale  vom  Stirnbein  angedeutet,  s.  S.  254  und  255. 


271 


Die  Bengungsfigur  im  Fernrohr  weit  ausserhalb 

des  Focns. 

Von  K.  Schwarzschild. 

{SingttauftH  11.  Juni.) 
(Mit  Tftfel  I.) 

§  1.  Die  Beugungsfigur  einer  punktförmigen  Lichtquelle  im 
idealen,  aplanatischen  Fernrohr  ist  unter  Benutzung  der  Theorie 
der  BesseFschen  Funktionen  von  H.  Struve  ^)  und  ausfĂĽhrlicher 
von  E.  V.  Lommel*)  gehandelt  worden.  Nur  in  einem  Punkte 
erscheinen  diese  Untersuchungen  noch  der  Ergänzung  fähig.  Sie 
beziehen  sich  nämlich  nur  auf  Einstellungen  in  ziemlicher  Nähe 
des  Focus.  Das  Interesse  des  Gegenstandes  fĂĽr  den  Mathe- 
matiker, wie  fĂĽr  den  Optiker,  und  die  RĂĽcksicht  auf  die  ver- 
schiedenen Anwendungen  des  Fernrohrs,  bei  welchen  Ein- 
stellungen weiter  ausserhalb  des  Focus  in  Betracht  kommen, 
machen  es  aber  wĂĽnschenswert,  die  Theorie  auch  fĂĽr  letztere 
Fälle  näher  auszuführen.  Das  ist  im  Folgenden  geschehen. 
Es  zeigt  sich,  dass  die  Lichtintensität  im  Beugungsbilde  weiter 
ausserhalb  des  Focus  einer  Darstellung  durch  semikonvergente 
Iteihen  fähig  ist,  auf  deren  erste  Glieder  man  sich  in  Praxis 
beschränken  kann.  Der  anscheinend  so  verwickelte  Verlauf 
der  Lichtintensität  längs  jedes  Radius  des  kreisförmigen  Beu- 
gungsbildes   stellt    sich    dann    dar   als   Uebereinanderlagerung 

*)  Die  allgemeine  Beugungsfigur  im  Fernrohr.  Memoires  de  TAc. 
d.  Sc.  de  St.  Petersbourg.     1886. 

*)  Die  Beugungserscheinungen  einer  kreisrunden  OeflFnung  und  eines 
kreisrunden  Schirmchens.  Abhandlungen  der  math.-phjs.  Klasse  der 
bajer.  Akad.  d.  Wissenschaften.     1886. 

1898.   SiUnngbb.  d.  niatli  -pliys.  C1.  18 


272  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vatn  11.  Juni  1898. 

zweier  Wellen,  welche  angenähert  die  Form  von  Sinuskurven, 
aber  verschiedene  Wellenlänge  und  Amplitude  haben,  über 
diejenige  konstante  mittlere  Intensität,  welche  bei  geradliniger 
Fortpflanzung  des  Lichts  auftreten  wĂĽrde. 

§  2.  Trifft  eine  ebene  Welle,  welche  von  einem  unendlich 
fernen  Punkte  in  der  Axe  eines  fehlerlosen  Objektivs  kommt, 
auf  dieses  auf  und  wird  von  ihm  gebrochen,  so  verwandelt 
sich  die  ebene  Welle  in  eine  kugelförmige,  welche  zum  Centrum 
den  Brennpunkt  des  Objektivs  hat  und  unmittelbar  hinter  dem 
Objektiv  über  das  ganze  durchgetretene  Bereich  der  Wellenfläche 
hin  mit  gleicher  Amplitude  schwingt.  Aus  dem  Huyghens'schen 
Prinzipe  erhält  man  dann  für  die  Lichtintensität  J  in  irgend 
einem  Punkte  P  hinter  dem  Objektiv  den  Ausdruck: 

J^S^+T^  1) 

wo  S  und  T  definiert  sind  als  reeller  und  imaginärer  Teil  des 
Integrals : 

Tr=  iS  +  iT  =  pa  e-ÂĄ<'^+^  2) 

Hierin  bezeichnet  da  ein  Element  der  Wellenfläche,  A  die 
Distanz  des  Punktes  P  von  diesem  Elemente,  X  die  Wellen- 
länge und  d  eine  beliebige  reelle  Eonstante,  die  aus  dem  Werte 
J  der  Norm  von  W  offenbar  herausfällt.  Das  Integral  ist 
dabei  über  sämtliche  Elemente  der  WeUenfläche  zu  erstrecken. 
Nun  lege  man  ein  rechtwinkliches  Goordinatensystem  durch 
den  Brennpunkt,  dessen  x-Axe  in  die  Axe  des  Objektivs  falle. 
Die  Coordinaten  des  Elementes  da  der  WeUenfläche  seien  f, 
17,  f,  die  des  Punktes  P  seien  w,  v,  0.  Wir  dĂĽrfen  die  dritte 
Coordinate  des  Punktes  P  null  setzen,  weil  offenbar  die  ganze 
Beugungsfigur  zur  Objektivaxe  symmetrisch  ist  und  durch 
Rotation  der  in  einem  Schnitte  durch  die  Axe  erhaltenen  Figur 
um  die  Axe  geliefert  wird.     Es  ist  dann: 

FĂĽhrt  man  weiter  Polarkoordinaten  mit  dem  Brennpunkt  als 
Pol  ein  durch  die  Gleichungen: 

S  =  f  cos  1?  7]  =fsind^  cos  (p  C  =  /^  sinii>  sin  9? 


K,  Sehwareschild:  Die  Beugungsfigur  im  Fernrohr  etc.        273 
wobei  f  die  Brennlänge  bezeichnet,  so  erhält  man : 

A^  =  (f —  uY  -\'  ifu  sin*  ^  '\'  v^  —  4t  fv  sin  -^  cos  -^  cos  (p 

Setzt  man  noch: 

2  sm  2  =  ^ 

und  entwickelt  bis  auf  Glieder  dritter  Ordnung  in  q  genau, 
so  folgt*): 

Das  Flächenelement  do  hat  den  Ausdruck: 

da=if^  sin '&d&d(p=PQdQd(p  4) 

Man  nenne  nun  ^,  den  halben  OeflFnungswinkel  des  Objektivs 
und  fĂĽhre  die  AbkĂĽrzungen  ein: 

Durchläuft  man  die  Wellenfläche  von  der  Aie  bis  zum  Rande, 
so  wächst  r  von  0  bis  1.  Die  Grösse  p  andrerseits  ist  dem 
Abstände  v  des  Punktes  P  von  der  Axe  proportional  und  wird 
nahezu  1  in  der  Grenze  des  geometrischen  Schattens  der  Kugel- 
welle.    Denn  man  hat  an  dieser  Grenze  offenbar: 


mithin: 


—  =  sm  xr. 
u  * 


sint?, 

P  = ir 

2"i 


ein  Ausdruck,  der  fĂĽr  kleines  dp  ein  Objektiv  von  massigem 
Oeffhungswinkel,  nahezu  den  Wert  1  hat.  Die  Grösse  w  ist 
eine  Konstante  fĂĽr  konstantes  w,  fĂĽr  jede  zur  Axe  senkrechte 


^)  Darüber,  dass  die  Glieder  höherer  Ordnung  vernachlässigt  werden 
dĂĽrfen,  vgl.  Kirchhoff,  Optik  pag.  62  und  86,  sowie  Strehl,  Theorie  des 
Femrohrs  (Leipzig  1894),  p.  55. 

18* 


274  Sitzung  der  matK-phys,  CloBse  vom  11,  Juni  1696, 

Ebene,   also  fĂĽr  jedes  einzelne  Beugungsbild.     Um  uns  einen 

Ueberblick   ĂĽber  ihre  Werte  zu  verschaffen,   wollen  wir  Licht 

von  der  Wellenlänge  0.0005  mm  und  ein  Objektiv  von  30  cm 

Durchmesser  und  3  m  Brennweite  zu  Grunde  legen.    FĂĽr  eine 

Verschiebung   von   u  Millimetern   aus   dem  Focus   wird   dann 

ffenähert: 

m  =  31.4  w 

Beträgt  also  u  nur  wenige  Millimeter,  so  wächst  m  bereits 
ĂĽber  100.  Derartig  grosse  Werte  von  m  werden  wir  im  Fol- 
genden voraussetzen. 

Wählt  man  nun  noch  für  die  Eonstante  d  den  Wert : 

und  führt  die  Ausdrücke  3)  bis  6)  in  2)  ein,  so  erhält  man 
fĂĽr  das  auszufĂĽhrende  Integral: 

0  0 

Da  es  hier  gleichgĂĽltig  ist,  welche  Einheit  wir  fĂĽr  die  Licht- 
intensität wählen,  so  dürfen  wir  W  mit  einem  beliebigen  Faktor 
multiplizieren.     Wir  nehmen  hierfĂĽr: 

mi 

und  spalten  das  hiermit  multiplizierte  W  gleich  in  zwei  Teile, 
indem  wir  setzen: 

W  =  W,-W^  7) 


0    0 
A*  2n 


8) 


W,  =  '^^^e-T<^-'''^-^^\drd<p 


1    0 


Dabei  soll  K  eine  Konstante  bedeuten,  welche  wir  später  ins 
Unendliche  wachsend  denken  wollen. 


K.  SehtoargsckUd:  Die  Beugungsfigur  im  Fernrohr  etc,        275 

§  3.  Wir  beschäftigen  uns  zunächst  mit  dem  Integral  Wy 
Fasst  man  r  und  q?  als  Polarkoordinaten  eines  Punktes  in  einer 
Ebene  auf,  nennt  df  das  Flächenelement  dieser  Ebene  und  s 
die  Entfernung  des  beliebigen  Punktes  r,  q>  vom  Punkte  mit 
den  Coordinaten  r=p,  9?  =  0,  so  erhält  man  für  W^  den 
Ausdruck : 

und  dabei  ist  das  Integral  ĂĽber  einen  mit  dem  Radius  K  um 
den  Nullpunkt  beschriebenen  Kreis  zu  erstrecken.  FĂĽhrt  man 
letzt  Polarkoordinaten  s,  yf  mit  dem  Punkte  p,  0  als  Pol  ein, 
die  also  mit  rund  q>  durch  die  Gleichungen  zusammenhängen: 

r*  =  s*  —  2sp  cos  V'  +  i'*  r  sin  9?  =  5  sin  v^ 

so  geht  das  Integral  ĂĽber  in : 


lr,  =  ^  l6    «     sdsdxp 


imd  hierbei  ist  der  Grenzkreis  der  Fläche,  über  die  das  Integral 
zu  erstrecken  ist,  durch  die  Gleichung: 

bestimmt.    In  dieser  Form  lässt  sich  aber  die  Integration  nach  s 
ausfĂĽhren : 

0  0 

Hierin  ist  fĂĽr  s*  der  aus  9)  folgende  Wert  einzufĂĽhren. 
Derselbe  ist: 

5*  =  £"*  +  ^*  cos  2  v^  +  2p  cos  xp  YK^  — p^  sin*  ip 

oder,    wenn   q   eine   fĂĽr   alle   grossen  Werte   von   K  endliche 
Grösse  bezeichnet: 

s^  =^  K^  -^  2p  K  cos  V  +  i>*  cos  2  v^  +  -^ 


276  Sitzung  der  matK-phya.  Cliuse  vom  11,  Juni  1898, 

FĂĽr  das  Integral  in  10)  folgt  somit: 

0  0 

Der  entstellende  Integrand  enthält  den  Faktor: 
^-«•p   cosy  __.  cos(mjpJSL'cosv^)  —  i sin  {mp K costp) 

dessen  reeller,  wie  imaginärer  Teil  mit  wachsendem  K  immer 
rascher,  fĂĽr  immer  geringere  Aenderungen  von  tp^  zwischen 
den  Grenzen  -^  1  oscilliert.  Man  beweist  unschwer  nach  be- 
kannten Mustern,  dass  infolge  dieses  Umstandes  fĂĽr  lim  K=soo 
das  ganze  Integral  verschwindet,  und  erhält  dann  aus  10): 
FĂĽr  limJr=oo: 

W^  =  1  11) 

§  4.  Um  weiter  das  Integral  W^  auszuführen,  erinnere 
man  sich  der  Integraldarstellung  der  Besserschen  Funktion: 

0 

Mit  ihrer  HĂĽlfe  kann  man  in  8)  die  Integration  nach  (p 
ausführen  und  erhält,  wenn  man  zugleich  K  ins  Unendliche 
wachsen  lässt: 

W^  =  miJe~'^^'*'^^^J^{mpr)rdr  12) 

1 

Das  hier  erscheinende  Argument  der  Besserschen  Funktion 
mp  r  wird,  da  r  >  1  ist  und  es  sich  fĂĽr  uns  um  grosse  Werte 
von  m  handelt,  gross,  so  lange  nicht  p  sehr  klein  ist,  so  lange 
es  sich  nicht  um  Punkte  nahe  der  Axe,  dem  Centrum  des 
Beugungsbildes  handelt.  Man  wird  daher,  von  letzterem  Fall 
abgesehen,  mit  Vorteil  von  der  bekannten  semikonvergenten 
Entwicklung  der  BessePschen  Funktion  fĂĽr  grosses  Argument^) 
Gebrauch  machen  können,  die  sich  in  der  Form  schreiben  lässt: 


*)  Vgl.  Lommel,  Studien  ĂĽber  die  Besserschen  Functionen,  p.  68. 


K,  SehwargschĂĽd:  Die  Beugungsfigur  im  Fernrohr^.        277 

wo  Ă„{x)  durch  die  semikonvergente  Reihe  geliefert  wird: 

1*      1  1*  •  3*       1 

Ä{x)^l  +  —  j^^^  +  -gp  p-^  +  .  .  .         13) 

Indem   wir   das   erste  Glied   dieser  Entwicklung   von   den 
ĂĽbrigen  abtrennen,  schreiben  wir: 

ix ^  -_^«-f_ 

y27tx         y2nx 
Durch  Einsetzen  dieses  Ausdrucks  in  12)  erhält  man: 

OD 

W.  =    """      -  ^e     2  '     "  Vrdr 


'  14) 

-l__       OD  OD 

,    mie    ^   f  -'^(•^+P)S>^^     ,       -f  -Y^'*+P"^  r/        \      / 
-| — Ig     2  yrar+m^le     -^  J^{mpr)'rdr 

y2jimp^  ^ 

Die   beiden    ersten   Integrale   lassen   sich   durch   partielle 
Integration  in  folgender  Art  umformen: 


mite 


/r?"-'V...=[-r?"-"^f 


00        j 

^      im 


15) 


I 


mtle     *  yrar=   — 


e     ^  — j — 

1 


16) 


278  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  11.  Juni  1896. 

Die  hier  rechts  auftretenden  Integrale  sollen  mit  W^  und 
W^  bezeichnet  werden.  In  W^  und  W^  würde  man  eine  ähn- 
liche partielle  Integration  ausführen  und  so  fortfahren  können 
und  dabei  offenbar  jedes  Mal  Yon  Neuem  den  Faktor  m  in 
den  Nenner  treten  sehen.  Ein  ähnliches  Verfahren  liesse  sich 
aber  auch  auf  die  aus  den  folgenden  Gliedern  der  Entwick- 
lung 13)  entspringenden  Integrale  anwenden.  Was  man  so 
im  Oanzen  schliesslich  erhielte,  wäre  eine  semikonvergente 
Entwicklung  von  TP,  nach  negativen  Potenzen  von  m.  Wir 
begnĂĽgen  uns  damit,  die  ersten  Glieder  dieser  Entwicklung 
explicit  aufzustellen  und  eine  Formel  fĂĽr  den  Rest  anzugeben. 

Die  eben  erhaltenen  Formeln  geben: 


mije    2^'   ^^"Yrdr  =  ^-^^-~ \r  W^ 


1 


mije    «  ^"^'^Yrdr^^-——  +  TT, 


1 
und,  wenn  man  dies  in  14)  einsetzt: 


^(1-P)«-^  _«'(i+p>.+^       17) 


y2nmp        ^—P  y2nmp        ^+P 

worin  R  die  Sunmie  der  drei  Integrale  ist: 

®      mi 

e    *  Jo{mpr)rdr 

1 


5°      mi.         ..     ^i 


^     -  fr^^'"'^'"^-''  (-^)d 
j  dr  \r — p) 


YinmpJ 

Y2^tnpJ  dr\r+pj 

Eine  obere  Grenze  fĂĽr  diesen  Rest  R  habe  ich   nun  auf 

folgende  Weise   gewonnen.  Ich   habe   zunächst   ähnlich,    wie 


K.  SchwareschĂĽd:  Die  Beugungafigur  im  Fernrohr  ete,         279 

in  15)  und  16),  in  allen  drei  Integralen  einmal  partiell  inte- 
griert, so  dass  der  Faktor  m  in  den  Nenner  trat.  Femer  habe 
ich  die  Maxima  und  Minima  der  Integranden  aufgesucht  und 
nach  den  Mittelwertsätzen  Grenzen  ftlr  die  Integrale  über  die 
dazwischen  liegenden  Intervalle  aufgestellt.  FĂĽr  das  erste 
Integral  habe  ich  dabei  von  dem  Satze  Gebrauch  gemacht,  dass 
der  Modul  des  Restes  der  Entwicklung  13)  kleiner  ist  als  der 
Modul  des  ersten  ausgelassenen  Gliedes.  So  fand  sich  fĂĽr  den 
Rest  R  ein  Ausdruck  von  der  Form: 

Mod  i^<-$=^-^  18) 

in  welchem  K^  und  K^  die  nachstehenden  Funktionen  von  |? 
bedeuten : 

IT  1       27    1        1 


1/2^    64  /'•  1  —i? 
_     1  -f  6;?  —  Zf'  1  —  6jp  —  %f_ 

fĂĽr:  0<ĂĽ< ^-= 

^  l  +  6j>-3j>>      ,1  1  1 


für:     — ^-^<;,<j/ A  — 1 
1/24  r      3 


^  = 


4  V2  71  p^  {l+pf       1/2  TT  (5  + 1/24)*"  (4  +  1/24)*  p^ 

19) 
^^  71  c  ■  /    —  —  I 

5  +  1/24 

l  +&P  —  Sp*     _     l  —  6p  —  'dp* 
4  Vi'np'''  (1  +  p)*        W^^p'''  (1  —pf 

+  -J -_i 1 

Y27i  (5  +  1/24)''' (4  +  V2if  p* 

fUr:|/|  -KiXl 

Die  Werte  dieser  Funktionen  sind  folgender  kleiner  Tafel 
zu  entnehmen: 


280 


SÜBung  der  math.-fhj/».  Clasie  vom  11.  Jum  1898. 


p 

100^* 

iT. 

P 

*    K 

Kt 

O.Ol 

168 

199 

0.50 

0.0 

6.4 

0.02 

29.7 

70.8 

0.60 

0.0 

12.5 

0.03 

10.8 

87.9 

0.65 

0.0 

18.5 

0.05 

3.0 

17.8 

0.70 

0.0 

29.5 

0.10 

0.5 

5.8 

0.75 

0.0 

51.1 

0.20 

0.1 

2.1 

0.80 

0.0 

99.9 

0.30 

0.0 

2.7  : 

0.85 

0.0 

287 

0.40 

0.0 

3.9 

0.90 

0.0 

798 

Mit  dem  aus  der  Tafel  und  Gleichung  18)  zu  entnehmen- 
den maximalen  Reste  R  erhält  man  nach  17),  11)  und  7)  für 
das  gesuchte  Integral  W  den  einfachen  Ausdruck: 


W=l  — 


^'(i-P)«-^ 


~'(i+f)H-^ 


Y2~7i 


mp 


1 — p  y^nrnp        14-1> 


-   A) 


§  5.  Die  Formel  18)  verbunden  mit  19)  und  die  Tafel 
lassen  erkennen,  dass  der  Rest  12  gross  wird,  sobald  sich  p 
der  Null  oder  der  1,  dem  Centrum  oder  dem  Rande  des  Beu- 
gungsbildes nähert,  dass  mithin  die  Formel  A)  nur  für  einen 
mittleren  ringförmigen  Streifen  des  Beugungsbildes  anwendbar 
ist,  der  ĂĽbrigens  bei  vorgeschriebener  Genauigkeit  um  so  breiter 
wird,  je  mehr  m  wächst.  Es  soll  daher  eine  andere  Darstellung 
von  W  abgeleitet  werden,  welche  auch  für  grösseres  p^  für 
Randpunkte  brauchbar  bleibt. 

Man  schreibe  an  Stelle  von  15): 

00 


mite    2  ^''  ^^*  Yrdr 


20) 


OD 


=  mi^e'T^'-^^Wr  —  Y~p)dr  -^  miVp[i 


l'(r-p).^^ 


i 


K.  Schwaruchäd:  Die  Beugungsfigur  im  Femrohr  etc.        281 
und  integriere  nur  das  eiste  Integral  partiell: 


00 

im 


1  21) 

L  yr^y-p\^J^  dr\yr^yp) 

Man  nenne  das  hier  rechts  stehende  Integral  W^  Man  bemerkt, 
dass  W^  nicht  wie  TTj,  einen  Nenner  r  —  p  im  Integranden  hat, 
der  an  dem  grossen  Werte  des  obigen  Restes  R  fĂĽr  p  in  der 
Nähe  von  1  schuld  ist.     Aus  20)  imd  21)  findet  man: 

OD  _!!?  (!_«)•  ® 

1  \    Y  P  ^ 

und  durch  Einsetzen  in  14): 

1         c-T<i-h')'+-4-   ,  1         c-T  <'-''• -T 

V^^fnp        1 +i?  y2nmp       1 +Vl> 

/ *       .  22) 


wobei  sich  S  von  B  dadurch  unterscheidet,  dass  W^  an  Stelle 
von  Wf  tritt.  Für  i?  habe  ich  nun  ähnliche  üeberlegungen 
ausgefĂĽhrt,  wie  sie  oben  fĂĽr  R  geschildert  worden  sind,  und 
erhalten : 

Mod  ir  <  5=  +  "§=  23) 


wobei  Ă„l  und  K2  die  folgenden  Funktionen  von  p  sind: 

1      27    1       1 
V^  128  //•  1  + 1>  24) 


iCi  = 


£'  =      1_  L  I  J_  +  1  +  6i>  -  3  j?»       l+3Vi>j 


282 


SĂĽzung  der  math.-phya.  Glaste  vom  11,  Juni  1898. 


deren    Werte    nachstehendem    Täfelchen    entnommen    werden 
können : 


p 

K\ 

ä; 

P 

K\ 

^; 

0.10 

24.1 

24.1 

0.70 

0.1 

0.4 

0.20 

3.8 

6.2 

0.80 

0.1 

0.8 

0.30 

1.2 

2.2 

0.90 

0.1 

0.2 

0.40 

0.6 

1.3 

1.00 

0.0 

0.2 

0.60 

0.3 

0.8 

1.10 

0.0 

0.1 

0.60 

0.2 

0.5 

1.20 

0.0 

0.1 

Mit  dem  aus  dieser  Tafel  und  Formel  23)  zu  entnehmenden 
maximalen  Rest  R'  erhält  man  nach  22),  11)  und  7)  für  W 
den  Ausdruck: 


W=  1  — 


e    2  ^  ^^'  ^  4 


0      2^^*        4 


Y2  71  mp 


OD 


y  2  71  mp       1  -\-Vp 


_,|/»j^..W-¥, 


B) 


Dass  hier  in  dem  Ausdruck  von  W  fĂĽr  Randpunkte  gerade 
dieses  Integral  stehen  bleibt,  entspringt  nicht  einer  UnvoU- 
kommenheit  unsrer  Behandlungsweise ,  sondern  ist  eine  Not- 
wendigkeit. Denn  die  Beugungsfigur  im  idealen  Fernrohr  ist 
identisch  mit  der  Beugungsfigur  einer  kreisförmigen  Oefiiiung  *) 
und  zwar  einer  Oeflhung  von  um  so  grösserem  Radius,  je 
grösser  m  ist.  Für  grosses  m  wird  daher  der  Rand  der  kreis- 
förmigen Oeffnung  streckenweise  nahezu  durch  einen  gerad- 
linigen ersetzt  werden  können,  und  es  wird  als  Hauptglied 
dieses  Integral  auftreten  mĂĽssen,  welches  von  1  abgezogen 
das  fĂĽr  die  Beugungserscheinung  eines  geradlinigen  Randes 
geltende  W  ergiebt.  Letzteres  ist  z.  B.  der  Abhandlung  von 
E.  V.  Lommel:    „Ueber  die  Beugungserscheinungen  geradlinig 


1)  Vgl.  Kirchhoff,  Optik  p.  83  ff. 


K,  SchwarĂźschild:  Die  Beugungsfigur  im  Femrohr  etc,        283 

begrenzter  Schirme*  *)  zu  entnehmen,  in  welcher  ausserdem 
Tafeln  fĂĽr  das  Integral  gegeben  sind,  von  denen  wir  Gebrauch 
zu  machen  haben.  Um  ganz  auf  die  LommeFsche  Form  zu 
kommen,  setze  man: 

y  (^  —  i>)*  =  ^  y  (1  —  JP)*  =  ? 

Läuft  r  von  1  bis  oo ,  so  läuft  a?,  falls  p  kleiner  als  1  ist, 
von  g  bis  00,  falls  aber  p  grösser  als  1  ist,  zunächst  von  q 
nach  0  und  erst  dann  von  0  bis  oo.  In  RĂĽcksicht  auf  diese 
Verschiedenheit  folgt: 

FĂĽr  i>  <  1 : 

___      00  . OD         / 

1  0 


00       , 9         / 9 

0  0  u 


,J  j/ Acosa:d:r -ij  [/ A  ain^d^_^.J  [/ 1 


FĂĽr  j9  >  1 : 


1 

OD 


0  0  0 

Mit  Hülfe  der  folgenden  Formeln,   die  man  §  34  und  76 
der  LommePschen  Abhandlung  entnimmt: 

OD  , OD  ^— 

I  1/  —  smxdx=  I  1/   —    cosxdx=  1 

0  0 

X  

1  n  /  2  11  1 

0 

^)  Abhandlungen  der  kgl.  bajer/ Akademie  der  Wissenschaften  1886. 


288  Sitzung  der  mathrphys.  Cl(M$e  vom  11,  Juni  1898. 

Es  bangt  also  vom  Werte  von  m  ab,  ob  im  Centrum 
Dunkelheit  oder  möglicher  Weise  eine  maximale  Helligkeit 
herrscht,  und  geringe  Aenderung  der  Einstellung  fĂĽhrt  schon 
einen  Wechsel  zwischen  diesen  Extremen  herbei.  Um  das 
Centrum  lagern  sich  dann  eine  Reihe  heller  und  dunkler  Ringe, 
die  nach  III  zu  berechnen  sind  und  wesenthch  durch  das 
Oscillieren  der  Funktion  Jq  (m  p)  bestinunt  werden. 

Von  welcher  Grenze  an  sind  nun  die  Formeln  I  und  11 
zu  verwenden?  Da  das  Auge  Helligkeitsdifferenzen  unter  l®/o 
unter  den  hier  in  Betracht  kommenden  Verhältnissen  keines- 
falls unterscheiden  kann,  genĂĽgt  es,  wenn  man  J  auf  O.Ol 
genau  berechnet,  was  erreicht  ist,  wenn  man  den  Wert  von  W 
auf  0.005  richtig  bestimmt  hat.  Man  entninmit  den  obigen 
Tafeln  und  Formeln  fĂĽr  die  Reste  R  und  R^  dass  diese  Ge- 
nauigkeit von  den  Formeln  I  resp.  I'  und  ĂĽ  resp.  H'  geliefert 
wird  innerhalb  der  Grenzen: 

Formel  I  und  II. 

fĂĽr  m  =  100      von  p  =  0.11  bis  p  =  0.44 

300         «     «  ==  0.04  „     „  =  0.68 

900         «     «  =  O.Ol  „     „  =  0.82 

Formel  T,  II  und  11'. 
fĂĽr  w  =    50     und    p  >  0.35 
100       ,       i>>0.21 
300       ,      p>  0.10 

Man  bemerkt  weiter,  dass,  soweit  fĂĽr  K  und  Je  die 
Formeln  I  verwendbar  sind,  die  quadratischen  Glieder  in  H 
den  Nenner  m,  die  linearen  Glieder  nur  den  Nenner  Ym  er- 
halten. Erstere  Glieder  werden  .also  klein  gegen  letztere  und 
man  erhält  für  das  mittlere  Gebiet  der  Beugungsiigur  die 
Näherungsformel : 

y     Ttmp  1  — p        L2  4J 

Y     nmp  \-\'  p        L2^  4J 


K,  SchwarzsehĂĽd:  Die  Beugungafigur  im  Femrohr  etc.         289 

Aus  dieser  Formel  liest  man  den  Satz  ab,  der  schon  in 
§  1  hervorgehoben  wurde:  Ueber  die  mittlere  Intensität  1 
lagern  sich  zwei  WellenzĂĽge,  deren  einzelne  Win- 
dungen nahezu  die  Form  von  Sinuskurven  haben.*) 
Denn  die  Argumente  wachsen  (ausser  fĂĽr  die  hier  ausge- 
schlossenen Werte  von  p  in  der  Nähe  von  1  beim  ersten  Glied) 
nahezu  proportional  mit  p,  die  WeUenlänge  ist 

fĂĽr  die  erste  Welle  filr  die  zweite  Welle 

und  die  Amplituden  ändern  sich  für  das  vorausgesetzte  grosse 
m  nur  wenig  innerhalb  dieser  Wellenlängen.  Die  Anzahl  der 
Maxima  und  Minima  zwischen  p  =  0.1  und  p  =  0.5  wird 

bei  der  ersten  Welle     und     bei  der  zweiten  Welle 
fĂĽr  w  =  100       9  fĂĽr  m  =  100       17 

m  =  900     81  w  =  900     163 

Die  Amplitude  der  Schwingungen  nimmt  von  innen  nach  aussen 
bei  der  ersten  Welle  anfangs  ab,  dann  zu,  bei  der  zweiten  ständig 
ab.    Im  halben  Radius  des  Beugungsbildes  {p  ==  0.5)  beträgt  sie: 

1.  Welle  2.  WeUe 

für  m  =  100  :    +  0.23  ±  0.08 

„    900  :    +  0.08  ±  0.03 

FĂĽr  m  =  900,  was  einer  Verschiebung  von  3  cm  aus  dem 
Focus  bei  einem  Femrohr  von  30  cm  Oeflfnung  und  3  cm  Brenn- 
weite entspricht,  betragen  also  die  Schwankungen  der 
Intensität  um  den  Mittelwert  in  der  Nähe  des  halben 
Radius  des  Beugungsbildes  nur  mehr  ll^/o. 

Die  Erscheinung,  die  sich  aus  der  Uebereinanderlagerung 
dieser  beiden  Wellen  von  verschiedener  Wellenlänge  ergiebt,  ist 
sehr  verwickelt  und  wechselt  in  allen  ihren  Einzelheiten  rasch 
mit  jeder  Aenderung  von  w. 

*)  Man  überzeugt  sich  leicht,  dasa  die  Intensität  1  diejenige  Inten- 
sität bedeutet,  welche  bei  geradliniger  Ausbreitung  der  Lichtstrahlen 
gleichförmig  über  die  ganze  extrafokale  Lichtscheibe  herrschen   würde. 

19* 


290  SĂĽtung  der  mcUhrphya,  Cltuse  vom  11.  Juni  1898. 

Stärkere  Schwankungen  der  Intensität  bleiben,  auch  fur 
beliebig  grosses  m,  am  Rande  des  Beugungsbildes  be- 
stehen. Denn  es  tritt  hier  —  das  liess  sich,  wie  erwähnt, 
voraussehen  —  dieselbe  Erscheinung  auf,  wie  am  Rande 
eines  gradlinigen  Schirms.  Der  Wert  von  L  und  der 
Wert  des  zweiten  Gliedes  von  K  cos  k  in  Formel  I'  sinkt  am 
Rande  des  Beugungsbildes  (p  =  1)  schon  fĂĽr  m  =  100  auf  0.02. 
Man  erhält  also  eine  sehr  genäherte  Darstellung  der  Erscheinung 
am  Rande,  wenn  man: 

L  =  0 
Kcosk  =  Y^i  t^(l  — ^)T  Ksmk  =  y  F,  [m(l  — ;?)»] 

setzt.  Hieraus  folgt  aber  durch  einfache  Umstellungen  in  11 
und  U': 

FĂĽr  1?  <  1 : 

^=  { 2  ^1  [^Ki  -py^  -  cos[|^  (1  --py  +  ^]p 

FĂĽr  p>l: 

j^=  { 2  n  [^(1  ~py']f+  [y  ^i  t^(i  â– ~^)'jf 

Diese  Ausdrücke  stimmen,  wenn  man  x  =  fn(l  — pY  setzt, 
überein  mit  den  von  Lommel  a.  a.  0.  §  127  gegebenen  und  in 
Tafel  XXI.  und  XXII.  tabulierten  AusdrĂĽcken  fĂĽr  die  Beugung 
an  einem  gradlinigen  Rande.  Diesen  Tafeln  ist  folgendes  zu 
entnehmen  (was  man  auch  leicht  aus  den  Formeln  in  Verbindung 
mit  den  obigen  kleinen  Tafeln  fĂĽr  F|  und  Kj  ableitet). 

Am  Rande  des  geometrischen  Bildes  (^  =  1)  beträgt  die 

Intensität   -.     der   Durchschnittsintensität  1.      Sie   sinkt   dann 
4 

nach  aussen,  in  den  geometrischen  Schatten  hinein,  beständig 
und  schnell  ab.  Nach  innen  hingegen  wächst  sie  und  erreicht 
ein  Maximum  von  1.37  fĂĽr: 


K,  Schwarzschild:  Die  Beugungsfigur  im  Fernrohr  ete,        291 

2  2 
m  (1  —  py  =  4.65  p=l ^ 

ym 

sinkt  dann  wieder  auf  0.78  ftir: 

m  (1  —py  =  11.0  p=l  —  ^ 

ym 

um  hierauf  weitere  kleinere  Schwankungen  auszufĂĽhren. 

Die  ganze  Beugungsfigur  erscheint  demnach  umgeben  von 
einem  hellen,  durch  einen  relativ  dunkeln  Zwischenraum  abge- 
trennten Ring,  welcher  ĂĽbrigens  noch  ganz  innerhalb  der  Grenze 
des  geometrischen  Bildes  zu  liegen  kommt. 

Wir  wollen  uns  schliesslich  klar  machen,  welche  schein- 
bare Breite  (vom  Objektiv  aus  gesehen)  die  hier  auftretenden 
Ringe  haben,  welcher  Winkelwert  ihnen  entspricht. 

Die  scheinbare  Grösse  x  ^^  Radius  des  geometrischen 
Bildes  ist,  wenn  v  den  Abstand  eines  Randpunktes  desselben 
von  der  Axe  bezeichnet,  bestimmt  durch: 

V 

sm  X  =  7 

Für  einen  Punkt  im  geometrischen  Rande  war  aber  in  §  2 : 

—  =  sm  V. 
u  * 

wo  t?j  der  halbe  Oeflftiungswinkel  des  Objektivs  ist.     Demnach: 

sin  y  =  7; sm  v, 

Die  Einheit  der  Wellenlängen,  wie  sie  die  Gleichungen  25) 
geben,  war  der  Radius  des  geometrischen  Bildes.  Der  Winkel  wert 
dieser  Grössen  ist  daher,  wenn  man  Sinus  durch  Bogen  ersetzt: 

,  2  JT  M      sin  t?,  .  2  71U      sin  t>, 

^P'  X  =  —7r ^  1 resp.  Ap*  x^=^  —Tc \  i    ■ 

m{j — u)  \  —p  r       X     A       ^^ — ^  1  +i> 

und  wenn  man  den  Wert  von  m  nach  5)  einfĂĽhrt: 

l         cos»-^  ;i         cos»-^ 


292  SĂĽzung  der  matK-phya,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Bedenkt   man,   dass   2  f  sin  ^,   gleich   dem  Objektivdurch- 

messer  d  ist  und  dass  cos*  -^  gleich  1  gesetzt  werden  kann,  so 

erhält  man  für  die  scheinbare  Breite  der  Ringe,  wie  sie  in 
dem  mittleren  Gebiete  der  Beugungsfigur  auftreten: 

d.  h.  die  scheinbare  Breite  dieser  Ringe  ist  unabhängig  von 
der  Grösse  der  Verschiebung  aus  dem  Focus.  Für  die 
oben  Yorausgesetzten  Grössenverhältnisse  des  Femrohrs  imd 
p  =  0.5  erhält  man: 

VA  resp.    OrS 

Diese  Grössen  bedeuten  die  Breite  eines  hellen  Rings  und 
des  auf  ihn  folgenden  dunkeln  Rings  zusammengenommen,  also 
den  Abstand  auf  einander  folgender  heller  Ringe. 

Anders  steht  es  mit  den  Ringen  am  Rande  der  Beugungsfigur. 
Betrachtet  man  als  Breite  des  äussersten  Rings  den  Abstand  des 

ersten  Minimums  lp=l ^J  vom  geometrischen   Rande, 

\  YmJ 

also  die  Grösse: 

3.3 

0  =  —=z. 

so  ist  der  Winkelwert  dieser  Grösse: 

3.3       ti 

und  hierfür  erhält  man  mit  Hülfe  der  Gleichungen  5): 

3.3    Ym-X       .  t>i 

by  =  — j—. — r-  COS    -—• 

^        2ji/8int>,  2 

oder  ähnlich,  wie  oben: 

6  .  ;^  =  1.1  |/m  •  -j 

Die  Ringe  am  Rande  der  Beugungsfigur  nehmen 
also  mit  wachsendem  m  an  scheinbarer  Breite  und 
hiermit  an  Deutlichkeit  zu. 


K,  SchwarzschĂĽd:  Die  Beugungsfigur  im  Femrohr  etc. 


293 


§  8.  Es  soll  schliesslich  die  Beugungsfigur  für  m  =  100 
(3  mm  Verschiebung  aus  dem  Focus  eines  Fernrohrs  von  30  cm 
Oefl&iung  und  3  m  Brennweite)  ausgefĂĽhrt  werden.  Man  sieht  an 
diesem  Beispiel  am  besten,  wie  sich  die  drei  verschiedenen  Dar- 
stellungen der  Intensität  für  Centrum,  mittleren  Ring  und  Rand 
des  Beugungsbildes  ablösen  und  wie  sich  die  Grössenordnung  der 
einzelnen  Glieder  dieser  Ausdrücke  zu  einander  verhält. 

Es  wurden  zunächst  JT,  k  und  L  von  ^  =  0.1  bis  i?  =  0.5 
(vgl.  den  vorigen  Paragraphen)  nach  Formel  I,  von  p  =  0.5  an 
nach  Formel  T  gerechnet  und  die  Werte  von  K^  -f-  i*  und  KL 
abgeleitet.  Es  fand  sich  (die  Querstriche  bezeichnen  das  An- 
wendungsbereich der  einzelnen  Formeln): 


p 

K 

L 

k 

ZHi« 

KL 

P 

K 

L 

Je 

ZHL« 

KL 

0.10 

0.140 

O.UĂ– 

0.08 

0.02  0.970 

0.441 

0.021 

-84?6 

0.10 

O.Ol 

0.20 

0.111 

0.074 

0.02 

O.Ol  0.980 

0.465 

0.020 

37.2 

0.22 

O.Ol 

0.80 

0.104 

0.056 

O.Ol 

O.Ol  0.990 

0.489 

0.020 

40.1 

0.24 

O.Ol 

0.40 

0.105 

0.045 

O.Ol 

0.00,  1.000 

0.516 

0.020 

-48.4 

0.27 

O.Ol 

0.50 
0.60 
0.70 
0.80 


0.112 
0.128 
0.156 
0.207 


0.82710.228 
0.859  0.260 
0.900  0.312 
0.987  0.872 


0.955 


0.407 


0.038 

-  1?6 

O.Ol 

0.00 ' 

I.OIO 

0.458 

0.082 

2.7 

0.02 

0.00 

1.020 

0.488 

0.028 

4.6 

0.02 

0.00 

1.080 

0.407 

0.025 

9.4 

0.04 

0.01 

1.045 

0.878 

0.024 

11.6 

0.05 

O.Ol  1.063 

0.883 

0.028 

14.7 

0.07 

0.01,1.100 

0.278 

0.022 

20.2 

0.10 

O.Ol  1.141 

0.219 

0.021 

26.7 

0.14 

O.Ol  '1.173 

0.191 

0.021 

-80.8 

0.17 

O.Ol 

1 

1.200 

1 

0.167 

0.020 
0.020 
0.019 
0.019 
0.018 
0.018 
0.018 
0.017 
0.017 


43.5 

0.21 

40.5 

0.19 

87.8 

0.17 

84.2 

0.14 

29.9 

O.ll 

28.1 

0.07 

17.5 

0.05 

14.0 

0.04 

11.7 

0.08 

O.Ol 
O.Ol 
O.Ol 
O.Ol 
O.Ol 
0.00 
0.00 
0.00 
0.0p 


Dann  wurden  alle  Werte  von  p  berechnet,  fĂĽr  welche  die 
Argumente   y  (1  —  !>)*  -f  *  +  -^   und    ^  (1  +!>)*  —  ^ 


em 


Vielfaches  von  -j-  wurden,  wobei  fĂĽr  ersteres  Argument  zu- 
nächst nur  Werte  von  p  unter  0.8  in  Betracht  gezogen  wurden. 
Die  zugehörigen  Werte  der  Ausdrücke: 

^  =  2iJ:cos[|-(l-i))»+&+^] 


294  Sitzung  der  math.'phys.  Classt  vom  IL  Juni  1898. 

und:  -B  =  2icos[ya+i>)»  — ^1 

wurden  dann  graphisch  aufgetragen  und  durch  eine  Curve  von 
der  Form  der  Windungen  einer  Sinuscurve  verbunden.  FĂĽr 
die  Werte  von  p  ĂĽber  0.8,  wo  das  Argument  von  A  lang- 
samer wächst,  wurde  Ä  für  alle  in  der  vorstehenden  Tafel 
angegebenen  Werte  p  direkt  berechnet.  Auf  diese  Weise  sind 
die  Curven  A  und  2?  (Figurentafel  I.)  entstanden. 

Die  Curve  C  giebt  die  Werte  von: 

0  =  1  i-K^  +  L^ 
Das  letzte  Glied  des  Ausdrucks  11  (resp.  U') 

2  KL  sin  (2  mp  —  k) 

welches  nicht  über  0.03  steigt  und  aus  Wellen  von  der  Länge 
0.032  in  p  besteht,  habe  ich  nicht  berĂĽcksichtigt,  weil  es  bei 
der  KĂĽrze  der  Wellen  verbunden  mit  der  geringen  AmpUtude 
fĂĽr  den  Anblick  der  Beugungsfigur  im  Fernrohr  bedeutungslos 
bleiben  muss. 

Die  (graphisch  ausgefĂĽhrte)  Superposition  der  Wellen  A 
und  B  ĂĽber  C  liefert  die  Curve  J,  die  Darstellung  der  Licht- 
intensität für  einen  Radius  des  Beugungsbildes,  \onp  =  0.1  an. 
FĂĽr  p  unter  0.1  habe  ich  in  Intervallen  von  0.005  in  p  fort- 
schreitend die  Werte  von  «7  nach  den  Formeln  lU  direkt  berechnet, 
dieselben  eingetragen  und  durch  eine  Curve  verbunden.  FĂĽr  j^ 
ĂĽber  1  wurde  J  unmittelbar  durch  die  Summe  K'^  +  L^  geliefert. 

Man  bemerkt,  dass  fĂĽr  ^  >  0.1  der  Charakter  der  Beugungs- 
figur in  groben  ZĂĽgen  bereits  durch  die  Curve  A  dargestellt 
wird.  Die  Beugungsfigur  besteht  im  Wesentlichen  aus  acht 
hellen  Ringen.  Der  innerste  ist  besonders  schmal  und  hell,  dann 
folgen  Ringe  mit  abnehmender  Intensität  und  zunehmender  Breite. 
Besonders  hell  wird  wieder  der  äusserste  Ring,  der  sich  zugleich 
durch  seine  Breite,  wie  durch  die  Dunkelheit  des  Zwischenraums, 
welcher  ihn  von  den  ĂĽbrigen  Ringen  trennt,  auszeichnet. 


295 


ĂĽeber  die  Convergenz  unendlicher  EettenbrĂĽche. 

Von  Alfred  Pringsheim. 

{Singihufm  BS.  JnU,) 

FĂĽr  die  Beurtheilung  der  Convergenz  von  Ketten- 
brĂĽcheu  mit  beliebigen  reellen  oder  compl exen  Gliedern 
besitzt  man  bisher,  soweit  mir  die  betreffende  Literatur  bekannt 
ist,  keinerlei  allgemeine  Kriterien.  In  dem  folgenden  Aufsatze 
sollen  einige  Formen  hinreichender  Convergenz-Bedingungen 
von  sehr  einfachem  Charakter  und  verhältnissmässig  grosser 
Allgemeinheit  mitgetheilt  werden.  Ich  benĂĽtze  diese  Gelegen- 
heit, um  zunächst  das  Wesen  der  beiden  verschiedenen  Con- 
vergenz-Charaktere,  die  ich  als  unbedingte  und  bedingte 
Convergenz  eines  Kettenbruches  bezeichne,  genauer  festzu- 
stellen (§  2).  Da  bei  dieser  Untersuchung  das  eventuelle  Vor- 
kommen von  sinnlosen  Näherungsbrüchen  (d.  h.  solchen 
mit  dem  Nenner  0)  eine  eingehende  BerĂĽcksichtigung  erfordert, 
so  schicke  ich  zunächst  einige  Bemerkungen  über  die  Natur 
und  eventuelle  Häufigkeit  derselben  voraus  (§  1).  Sodann  wird 
ein  allgemeines  Kriterium  fĂĽr  die  unbedingte  Convergenz 
eines  Kettenbruches  mit  beliebigen  Gliedern  aufgestellt,  welches 
sich  als  eine  directe  Verallgemeinerung  eines  bekannten  Kri- 
teriums fĂĽr  KettenbrĂĽche  mit  lauter  reellen  negativen  Gliedern 
erweist  (§  3).  Nach  einer  Digression  über  eine  durch  jenes 
Kriterium  ermöglichte  Verallgemeinerung  des  Legendre'schen 
Irrationalitäts-Satzes  (§4),  werden  mit  Hülfe  von  sehr 
einfachen  Transformationen  zunächst  für  zwei  speciellere  Ketten- 
bruch-Formen, schliesslich  aber  auch  wieder  fĂĽr  ganz  beliebige 
KettenbrĂĽche  noch  andere  Convergenz-Bedingungen  von  wesent- 
lich verschiedenem  Charakter  abgeleitet  (§  5). 


296  Sitzung  der  tnath.'phys.  Glosse  vom  11,  Juni  1898, 

§  1. 

Zur  Bezeichnung  des  n-gliedrigen  Kettenbruches: 

(1)  ±h±ai 

6j  +  a, 


&.±. 


+ 


a„ 


bediene  ich  mich  der  gedrängteren  Schreibweise: 


a,\  .   a.\  .  .    a. 


(2)  +&o±fr^±ir  +  ---±iT^ 

oder  auch  der  Symbole: 

(3)  [±V±t]"-..        [+V±|^....±g.±l;l.".  . 

wofĂĽr  ich  im  Falle  1^  =  0  kĂĽrzer  schreibe: 

i  •  m+l 

Analog  bezeichne   ich  den  entsprechenden  unendlichen 
Kettenbruch  durch: 


(5)  +6  +;^  +  ^  +  ...  +  ^  +  ... 

oder: 

(6)  [±V+fp.       [±K:  ±^.  ■■■±Z- ±'S  ■ 

1  *  m-f-l 

Dabei  pflege  ich  in  (3),  (4)  und  (6)  die  ausdrĂĽckliche 
Hervorhebung  des  laufenden  Index  v  durch  das  beigesetzte 
Zeichen  (r)   überall   da   wegzulassen,    wo   ein  Missverständniss 

M 

ausgeschlossen  erscheint  (also:    +  6^^;  -^j  etc.). 


Ă„,  Fringsheim:  lieber  die  Convergenz  unendlicher  KettenbrĂĽche.     297 

Die  tty,  br  sollen  im  folgenden  beliebige  (reelle  oder  com- 
plexe)  Zahlen  bedeuten,  mit  der  einzigen  (gewissermaassen 
selbstverständlichen)  Beschränkung,  dass  die  Uy  durchweg  als 
von  Null  verschieden  angenommen  werden.  Wegen  der 
WillkĂĽrlichkeit  der  a^,  b^  kann  daher  das  oben  beliebig  ge- 
lassene Vorzeichen  +  ĂĽberall  wegfallen,  da  derselbe  Grad  von 
Allgemeinheit  erzielt  wird,  wenn  man  statt  +  60»  i  ^^  (*'  =  1» 
2,  3,  .  . .)  lediglich  6^,  a^  schreibt.  Es  genĂĽgt  also,  fĂĽr  die 
folgenden  Betrachtimgen  einen  Kettenbruch  von  der  Form: 


M 


.00 


(7)  [i,;  ^]^    bezw.      [ft„;  ^^ 

zu  Grunde  zu  legen. 

Wird   sodann  ein  System  von  Zahlen  Ă„y,  By  durch  die 
Gleichungen  definirt: 

(a)  ^  =  6,  B,  =  l 

(8)j   (b)  A,=b,b,  +  a,  B,=b, 

(C)       Ă„y  =  byAy^i+ayAy-2  By  =  by  By^l  +  ĂĽy  By-O      (^  ^  2), 

so   bezeichne   ich   den   zunächst  rein  formal  definirten  Aus- 
druck ^  (m=  1,  2,  3  . . .)    als   den   m^^  Näherungsbruch 

der  KettenbrĂĽche  (7),  gleichgĂĽltig,  ob  -j^  eine  bestimmte  Zahl 

vorstellt   oder    nicht.      Ersteres   findet   offenbar   allemal   statt, 
wenn  |  Bm  \  >  0  ist,  und  dieser  Fall  tritt  sicher  dann  ein,  wenn 

m 

der  Kettenbruch    6^,;  ^\  einen  bestimmten  Sinn  besitzt; 
zugleich  wird  hierbei: 

Es   kann   aber  auch  -^r-  eine   bestimmte  Zahl   vorstellen, 
ohne  dass  das  gleiche  fĂĽr  den  betreffenden  Kettenbruch  gilt.*) 

»)  Vgl.  Stolz,  Vorl.  über  Allg.  Arithm.  Bd.  II,  S.  269. 


298  Sitzung  der  math.'phys.  Claase  vom  11,  Juni  1898. 

In  diesem  Falle  sehe  ich  den  Werth  des  Kettenbruches  als 

durch  Gl.  (9)  definirt   an,   so   dass   ich   also  -^-  schlechthin 

als   den  Werth   des  Kettenbruclies   bezeichne,   sofern   nur 
Bm  von  Null  verschieden  ausfallt. 

Ist  dagegen  Bm  =  0,  so  sage  ich,  der  m^®  Näherungsbruch 
werde  sinnlos.  Ueber  den  einzig  möglichen  Charakter  solcher 
sinnloser  NäherungsbrQche  und  den  eventuellen  Umfang  ihres 
Auftretens  gewinnt  man  Aufechluss  mit  HĂĽlfe  der  bekannten 
Formel : 

(10)  ^m^m-l  —  ^m^m-l  =  (—  l)"»"^  'ttiOi..,  a^, 

aus  welcher  sich   unmittelbar  die  naclistehenden  Consequenzen 
ergeben : 

I.  Es  kann  niemals  gleichzeitig  Äm-\  =  0,  A„,  =  0  sein 

II.  Sind  jBm-i,  Bm  von  Null  verschieden,  so  kann  nie- 
mals die  Beziehung  bestehen: 

iBZ^'^Bin' 

in.  Ist  Btn  =  Oj  so  kann  nicht  gleichzeitig  £„»-1=0 
sein  —  vice  versa;  es  kann  also  mit  Bm  =  0  nicht  auch 
gleichzeitig  £„,+i  =  0  sein. 

IV.  Es  kann  niemals  gleichzeitig -4m  =  0,  Bm  =  0  sein. 

Aus  der  Zusammenfassung  von  III  und  IV  ergiebt  sich 
schliesslich: 

A 

V.  Wird    irgend    ein   Näherimgsbruch    ~   sinnlos,    so 

kann  das  nur  in  der  Weise  geschehen,  dass  jB,„  =  0,  dagegen 
Am  von  Null  verschieden.    Zugleich  kann  dann  keiner  der 

benachbarten  Näherungsbrüche      '**"   ,    J^       sinnlos  werden. 

Bm~\        -Om+l 


Ă„,  Ptingsheim:  ĂĽeber  die  Convergent  unetuUicher  KettenbrĂĽche.     299 

§2. 
Der   Kettenbruch     6^;   -z^\    heisst    convergent,    wenn 

lim  -j^   eine   bestimmte  Zahl   (incl.    0)   vorstellt.     Aus   dieser 

Definition  folgt  unmittelbar,  dass  zu  einem  convergenten 
Kettenbruche  höchstens  eine  endliche  Zahl  von  sinnlosen 
Näherungsbrüchen  gehören  kann,  während  andererseits  die  Zu- 
lässigkeit  einer  solchen  endlichen  Anzahl  sinnloser  Näherungs- 
brĂĽche keineswegs  ausgeschlossen  erscheint. 

Bekanntlich  involvirt  die  Convergenz  des  obigen  Ketten- 
bruches durchaus   nicht   diejenige   aller  KettenbrĂĽche  von  der 

,'^1    fĂĽr   m^l:    mit   anderen   Worten,    ein    conver- 

genter  Kettenbruch  kann  —  im  Gegensatze  zu  einer  con- 
vergenten Reihe  oder  einem  convergenten  Producte  —  durch 
Weglassung  einer  endlichen  Anzahl  von  Anfangsgliedem  diver- 
gent werden.*) 

Ich   bezeichne   nun  den  Kettenbruch    6^;    , **  1    als    unbe- 
dingt convergent,   wenn  \-r-\  fĂĽr  jedes  m'^O  convergirt; 

m-f-I 

andererseits  als  bedingt  convergent,  wenn  zwar  l^l  con- 
vergirt, dagegen  unter  den  Ketten brĂĽchen  |y^|  fĂĽr  wi  >  1 
mindestens  ein  divergenter  sich  befindet.*) 


1)  Vgl.  Stolz,  a.  a.  0.  S.  280.  —  Stern,  Algebr.  Analyais,  S.  307.  482. 

2)  Besondere  Benennungen  zur  ausdrĂĽcklichen  Kennzeichnung  dieser 
beiden  verschiedenen  Convergenz-Charaktere  scheinen  bisher  nicht 
üblich  geworden  zu  sein.  Da  ich  solche  —  wie  die  folgenden  Aus- 
einandersetzungen des  näheren  zeigen  —  für  äusserst  wünschenswerth 
halten  muss,  so  bediene  ich  mich  der  im  Texte  angegebenen  AusdrĂĽcke. 
Dieselben  werden  also  hier  in  wesentlich  anderer  Bedeutung  gebraucht, 
als  in  der  Theorie  der  unendlichen  Reihen  und  Producte,  wo  sie  die 


300  SiUung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Da  das  Anfangsglied  b^  auf  den  Convergenz-Charakter  des 
betreffenden  Kettenbruches  offenbar  keinen  Einfluss  ausĂĽben 
kann,  so  steht  es  frei,  bei  der  weiteren  Untersuchung  der  beiden 
angedeuteten  Möglichkeiten  von  vornherein  \  =  0  anzunehmen 

und  somit  von  dem  Kettenbruche  1  ^  1  auszugehen.     Es  werde 
dann  wieder  gesetzt: 

n 

(10)  [^J  =  ^fĂĽrn>l;  ^  =  0,  ÂŁ,=  1, 

und  entsprechend  fĂĽr  m  ^  0 : 


<"'  [ti 


4"'"  fiirn  >  m  +  1;  A,«  =  0,  ^«.«  =  1, 


so  dass  also  speciell:  Ao^n  =  ^i  ^o.«  =  ^h  wird.  Dabei  sind 
die  Beziehungen  (10),  (11)  wiederum  lediglich  so  zu  verstehen, 
dass  Ă„n^  Bn  bezw.  ^m.M)  Bm,n  die  rein  formal  nach  dem 
Vorbilde  der  Gleichungen  (8)  gebildeten  Zähler  und  Nenner 
der  betreffenden  Näherungsbrüche  bedeuten  —  gleichgültig,  ob 
Bn^  -Bm,»*  für  jeden  Werth  n  von  Null  verschieden  sind 
und  ob  die  links  stehenden  KettenbrĂĽche  ein  Sinn  haben 
oder  nicht.  Zwischen  den  -4„,  Bn  und  A^^^^  B„^^  bestehen 
alsdann,  wie  leicht  zu  sehen,  die  Relationen: 

(12)  I  -^  =  B,n,nA„,  +  A^^nÄni-l    /^  >  ^  >  j) 

\  Bn  =  ^,M,„  Bm  +  Am,n  -Bm-I 

Es  werde  nun  der  Kettenbruch  l^l  als  convergent  und 

Ă„ 

sein  Werth  lim  -^  =  K  vorläufig  als  von  Null  verschieden 

M=ao     -l^H 

vorausgesetzt.     Ueber  die  Convergenz  oder  Divergenz  des 


Existenz  bezw.  Nicht-Existenz  des  commutativen  Charakters  bezeichnen. 
Da  bei  der  gnind verschiedenen  Bildungsweise  der  KettenbrĂĽche  etwas 
derartiges  ĂĽberhaupt  nicht  in  Frage  kommen  kann,  so  erscheint  wohl 
jedes  Missverständniss  nach  dieser  Richtung  von  vornherein  ausgeschlossen. 


Ă„.  Pringsheim:  Ăśeber  die  Convergene  unendlieher  KettenbrĂĽehe,     301 

Kettenbruches  \  ri  (^  ^  1)   entscheidet   auf  Grund   der  oben 

Ă„ 

gegebenen   Definition   lediglich    das  Verhalten    von    lim  -W*^. 

Hierbei  sind  folgende  zwei  Fälle  zu  unterscheiden: 

L  Die  B,„^n  sollen  —  zum  mindesten  von  einer  bestimmten 
Stelle  n  >  n^  ab  —  durchweg  von  Null  verschieden   sein. 

Da  in  Folge  der  Convergenz  von    —^    ^^  analoge  für  die  B^ 

gilt,  so  stellen  —  zum  mindesten  für  hinlänglich  grosse -n  — 
die  Quotienten: 


bestimmte   Zahlen   vor.      Alsdann   ergiebt    sich    aus    (12)    die 
Beziehung: 

^^^^  -^^  =    P       I     IT » 

und,   da  der  Nenner  der  rechten  Seite  (=  .p  *    1  wiederum 
von  Null  verschieden  ist,  so  folgt  weiter: 

also  schliesslich  fĂĽr  lim  n  =  oo : 

(16)     (K-  B^.i  -  A^-0  •  [j;J=  -(K'B^-  Ä^)  (m  >  1) 

Hieraus  folgt  aber,  dass  |y^|  allemal  convergirt,  wenn 

I  K'  B^^\  —  Äm-i  I  >  0,  d.  h.  wenn  J^"   von  JT  verschieden 

ausfallt  (wobei   es   gleichgĂĽltig   ist,    ob  -jz eine   bestimmte 

Zahl  vorstellt  oder  sinnlos  wird,  da  ja  im  letzteren  Falle,  nach 
§  1,  V,  j  Äm-\  I  >  0  sein  muss). 


302  SiUung  der  mcUh,'phy8,  Classe  vom  11.  Juni  1898, 

Ist  dagegen  K'Bm~\  —  -4«,_i  =  0,  d.  h.: 

(17)  ^  =  K=^Umf-, 

SO  muss  offenbar  \-r\  nach  oo  divergiren^)  (da  keinesfalls 

gleichzeitig    K  •  £|»  —  Am,  =  0    sein    kann ,    nämlich    weder: 

A  -4-1 

^^==^^  =  0  nach  §  1,  IV,   noch:   -^^=^K=-z^ —  nach 

§  1.  U)- 

IL  Es  mögen  unter  den  £«,,«  unendlich  viele  den 
Werth  0  haben,  etwa  -0«,,^^  =  0,  wo  (nj  für  r  =  1,  2,  3  . . . 
eine  unbegrenzte  Folge  natĂĽrlicher  Zahlen  bedeutet.     Alsdann 

ist  ohne  weiteres   klar,    dass  |-7^|  keinesfalls   convergiren 

kann.     Man   kann    aber   auch   nicht   sagen,    dass   er  nach  oo 

A 

divergire,  da  ja  unter  den  Näherungsbrüchen   W^^  unendlich 

viele  schlechthin  sinnlos  werden.  Dagegen  lässt  sich  nach- 
weisen —  und  das  scheint  mir  hierbei  wesentlich  —  dass  auch 
in  diasem  Falle*)  die  Gleichung  (17)  bestehen  muss.  Ersetzt 
man  nämlich  in  öl.  (12)  n  durch  n  ,  so  folgt,  wegen  JBw.w  ==  0: 


^)  Darunter  ist  hier  immer  nur  zu  verstehen,   dass  der  absolute 

oo 


Betrag  von 


% 


K 


unendlich  gross  wird.    Dagegen  braucht,  wenn  z.  B. 

m+l 

die  rty,  h^  reell  sind,  der  Kettenbruch  keineswegs  »eigentlich*,  d.  h. 
nach  +  oo  bezw.  —  oo,  zu  divergiren,  sondern  könnte  auch  zwischen 
den  Werthen  —  oo  und  +  ®  oscilliren. 

2)  Dass  dieser   zunJlchst   nur  als  möglich   erscheinende  Fall  auch 
wirklich  vorkommt,  d.  h.  dass  es  wirklich  convergente  Kettenbräche 

T--     giebt,  für  welche  unendlich  viele  Näherungsbruche  -5- sinn- 

los  ausfallen,  wird  weiter  unten  gezeigt  werden.  Vorläufig  bemerke 
man,  dass  aus: 


(19) 


-4«  A 


^n^  ^m^l 


\ 


Ă„.  PfingAeim:  Ăśeher  die  Convergene  unendlicher  KettenbrĂĽcke,     303 

und  daher,  weil  |  -^m,«^  |  >  0  und  für  hinlänglich  grosse  v,  etwa 
fĂĽr  V  ^  Vo  ^^^^  I  -^Hy  I  >  0  sein  muss: 

(19)         ^^  =  -jg^  (y  =  ^Qi  ^0  +  1»  ''o  +  2, ) 


also  schliesslich: 


^.. 


(20)  4=i  =  lim  ^  =  lim  ^  =  iT,  q.  e.  d. 

Bezeichnet  man  sodann  mit  p^  (v  =  1,  2,  3, )  die  nach 

Ausschluss  der  m^  ĂĽbrig  bleibenden  natĂĽrlichen  Zahlen,^)  so 
dass  also  durchweg  |  jBm,py  |  >  0,  so  ergiebt  sich  mit  BerĂĽck- 
sichtigung von  Gl.  (20),   wenn  man  in  Gl.  (15)  n^=py  setzt, 

dass  die  Folge  der  nicht -sinnlosen  KettenbrĂĽche  j^  fĂĽr 
lim  V  ==  00  nach  oo  divergirt. 


und  den  fĂĽr  n  =  n^  aus  (12)  hervorgehenden  Beziehungen: 

•ly     ^^  fM,  My  Wl  •  ftt^lly  m— "1 

%y     ~~  lll|ny  W         '  M,fly  Ifl— 1 

stets  auch  umgekehrt  folgt: 

Denn  wäre  |  B^  ^  |  >  0,  so  würde  sich  (gleichgültig,  ob  1 Ä^  ^  1  >  0  oder  =  0) 

-^m  A  A 

allemal  ergeben:  -^ —  =  ^— =  -« ,  was  nach  §  1,  II  unmöglich  ist. 

«y  m  Ä»—  I 

Besteht  also  61.  (19)  fĂĽr  unendlich  viele  n^,  so  werden  auch  die  unendlich 

fMjMy 

vielen  Näherungsbrüche  -^ sinnlos. 


fNltty 


')  Die  Py  mĂĽssen  allemal  wirklich  eine  unendliche  Menge  bilden, 
da  ja  niemals  zwei  consecutive  B^  ^  verschwinden  können. 

1898.  Sitsnogsb.  d.  matlL-phys.  OL  20 


304  Sitzung  der  math.'phya.  Clasae  vom  11.  Juni  1898. 

Ich  will  von  einem  Kettenbruche,  der  zwar  unendlich  viele 
sinnlose  Näherungsbrüche  besitzt,  während  immerhin  die  Folge 
der  ĂĽbrigen  nach  oo  divergirt,  sagen:  er  divergire  im 
wesentlichen  nach  oo.     Man  hat  dann  fĂĽr  einen  derartigen 

[  -|Q0  J 

^1  zwar  nicht   lim    ^  **  =  oo  (sondern   nur: 
Ori     ,,  «=00    ■Om.n 

m+1 

lim   p  '  ^  =  00 ),    dagegen:   lim     .*"'*  =  0.     Bei   Anwendung 

dieser  Terminologie  gilt  nun  der  Satz: 

Wenn  I-t-|  schlechthin  oder  im  wesentlichen   nach 

00  divergirt,  so  convergirt    -r^l  nach  Null  —  und  um- 

m 

gekehrt. 

Für  die  nach  Gl.  (11)  mit  Äm-i^m  -Bm-i,»  zu  bezeichnenden 

Näherungsbruch-Zähler  und  -Nenner  von  hp     gelten  nämlich 
die  Beziehungen: 

Folglich  wird: 
(22)  „      B,,n 


lim  „     '•*  =  lim ^=-  =  0,  wenn:  Um  —  '  =  0. 

1  +  6« 


tt=co  •i'm— 1,»         «=0D    ■•     I     j      •"ii«,«  H=ii>  •^m,n 


umgekehrt  ergiebt  sich: 
(23)                                ^,-1.. 
lim    .  '     =  lim ^^ =  0,  wenn:  lim  -^ — ^  =  0 

Am— «»«•^ — 

-4 

(aber,   im  letzteren  Falle,   nicht  noth wendig:   lim— ^  =  00) 
—  q.  e.  d. 


Ă„.  Pringaheim:  lieber  die  Convergenz  unendlicher  KettenbrĂĽche.     305 
Mit  Hülfe  dieses  letzten  Resultates  lässt  sich  auch  noch 

An 

der    oben    vorläufig    ausgeschlossene   Fall:    lim  ^-  =  K  =  0 

MST»    -^H 

unmittelbar  erledigen.     Da  hier  rr"  1  =  0  wird,  so  folgt  näm- 


1 

00 


lieh  aus  dem  eben  gesagten,  dass  \-j^\  schlechthin  oder  im 

wesentlichen  nach  oo  divergirt.  Zugleich  hat  man  — 
wegen  -4^  =  0,  jB^  =  1 : 

(24)  4^  =  lim  4^  (nämlich  =  0), 

d.  h.  es  besteht  Gl.  (17)  bezw.  (20)  fĂĽr  den  besonderen  Werth 
m  =  1  und  es  divergirt  auch  (schlechthin  oder  im  wesent- 
lichen)   -7^1  fĂĽr  m  =  1,  so  dass  also  dieser  Fall  ohne  weiteres 

unter  die  frĂĽher  als  I.,  11.  bezeichneten  subsumirt  werden  kann. 
Findet  dann  aber  die  Gleichung: 

(25)  ^==lĂĽnA  =  0 

fĂĽr  irgend  einen  weiteren  Werth  m  statt,  so  hat  man  Ă„m-i  ==  0, 
also  I -4,H  I  >  0,  und  erkennt  analog  wie  frĂĽher  aus  Gl.  (15) 
(mit  der  einzigen  Modification,  dass  jetzt  lim  JT«  =  0  zu  setzen 


,00 


ist),    dass      ~- 1    schlechthin    oder    im    wesentlichen    nach    oo 

m-|-l 

divergirt;  und  in  gleicherweise  ergiebt  sich  die  Convergenz 
dieses  Kettenbruches,  falls  fĂĽr  das  betreffende  m  die  Gl.  (25) 
nicht  besteht,  d.  h.  wenn  Ă„m-i  von  Null  verschieden  ist. 


Durch  Zusammenfassung  dieser  Resultate  ergiebt  sich  nun, 

wenn  man  noch  die  bisher  mit  m  bezeichnete  Zahl  durch  w  +  1 

ersetzt,  der  folgende  Satz: 

20* 


306  Sitzung  der  math.'phys.  CUisae  vom  11,  Juni  1898. 

Ist  K^  =  Ă„'(wo  K  endlich   oder  Null),   so  con- 


1 


vergirt     t^I  (w^O),  falls   -^  von   K  verschieden 


o  divergirt  \j^\  schlechthin  oder  im  wesentlichen 


•  00 


m4-2 

(event.  auch  sinnlos)  ausfällt;  ist  dagegen  -^=K, 
so  divergirt  \j^\ 

•'-^m+2 

nach  00,  während  dann    y^|  =  0  wird. 

"   w+l 

Und  es  folgt  weiter: 

Die  nothwendige  und  hinreichende  Bedingung  fĂĽr 
die  unbedingte  Convergenz  des  convergenten  Ketten- 
bruches    -^  =  JT  besteht   darin,    dass   fĂĽr  keinen 

Werth   m  ^  0   die   Beziehung  -^r—  =  K  stattfindet. 

Convergirt  der  Kettenbruch  nur  bedingt,  so  existirt 

A 

mindestens  ein  Werth  w  derart,  dass  ^^  =  Ă„'wird, 

d.  h.  der  unendliche  Kettenbruch:  \-r^\  kann  in  diesem 
Falle  durch  den  endlichen:     t^I  ersetzt  werden.*) 


1)  Dabei  wird  im  Falle  Ă„"  =  0  auch  w  =  0,  d.  h.  der  im  allge- 
meinen  Falle  |  /T  |  >  0  auftretende  endliche  Kettenbruch  1  -r—  1  reducirt 

sich  hier  auf  0.     Zugleich  erkennt  man,  dass  ein  Eettenbruch  I  —  1  ~  ^ 

nie  anders  als   bedingt  convergiren  kann.     Denn   nach  dem  oben  ge- 
sagten  muss  ja  \-r-\  allemal  schlechthin  oder  im  wesentlichen  nach  od 

divergiren.    Man   könnte   danach   die   Definition   der  unbedingten 


Ă„,  Pringsheim:  ĂĽeber  die  Convergenz  unencUicher  KettenbrĂĽche.     307 

Hiemach  besitzen  also  ausschliesslich  unbedingt  conver- 
gente  Kettenbruch-Entwickelungen  einer  Zahl  oder  Function  K 
den  Charakter  einer  gewissen  analytischen  Noth wendig- 
keit: jede  der  Zahlen  a,,,  by  steht,  wie  gross  auch  v  sein 
mag,  zu  K  in  einer  bestimmten,  durch  die  vorangehenden 
Zahlen  ao,  bo^  . , .  a^-i,  6y_i  vermittelten  Beziehung,  in  der 
K  selbst    eine   wesentliche   Rolle    spielt.      Ist    dagegen 

iC=    -7^    (wo  |ir|>0)   nur   bedingt   convergent,    so  giebt 

es  eine  oder  eine  erste  Zahl  m  von  der  Beschaffenheit,  dass: 

y^  =  JT,    dagegen:  ri~  =  0    wird.      Hier   besteht    offenbar 

ein  bestimmter  Zusammenhang  mit  der  Zalil  K  nur  fĂĽr  die 
Zahlen  a^,  6,,  . .  .  a»,,  6»,»  während  alle  übrigen  a„,  by  (v>  m) 
von  JT  völlig  unabhängig  sind  und  nur   der  Bedingung 

U  -    ==  0   zu  genügen  haben.     Man   könnte   geradezu   in  dem 

m+I 

Kettenbruche  \j^\i  ohne  seinen  Werth  zu  verändern ,  alle 
Glieder  -7^  fĂĽr  v  ^  m  -f-  1  durch  unendlich  viele  andere  Systeme 

Oy 

t  T  n' 1* 

— f  (v  =  1,  2,  3, . . .)  ersetzen,  die  bis  auf  die  Bedingung  rrr  =  0 
als  willkürlich  anzusehen  wären. 


[€= 


Ueber  solche  KettenbrĂĽche   von   der  Form  I  -rr  I  =  0   sei 

I 
noch  folgendes  bemerkt.     Aus  dem  oben  gesagten  geht  hervor 


Convergenz  auch  folgendermaassen  fassen :  Der  convergente  Kettenbruch 
I-—     heisst   unbedingt   convergent,    wenn    keiner   der  Kettenbrüche 


1 


-^    (m  =  0,  1,  2,  . . .)  nach  Null  convergirt. 


306  Sitzung  der  maih.-phya,  Glosse  wm  11,  Juni  1898. 

Ist    -^=Ă„'(wo  K  endlich   oder  Null),   so  con- 


i 


vergirt  \j^\  (p^^O),  falls  -^  von  K  verschieden 

m+2  *** 

(event.  auch  sinnlos)  ausfällt;  ist  dagegen  -jy^=K, 


|Q0 


SO  divergirt    -7^    schlechthin  oder  im  wesentlichen 

"-^»•+2 

[_     -|00 
-^    ==  0  wird, 
*"  «+1 
Und  es  folgt  weiter: 

Die  nothwendige  und  hinreichende  Bedingung  fĂĽr 
die  unbedingte  Convergenz  des  con vergenten  Ketten- 
bruches    -^  =  Ă„'  besteht   darin,    dass   fĂĽr  keinen 

Werth   fn'^0   die  Beziehung  -jz— =  K  stattfindet. 


Convergirt  der  Kettenbruch  nur  bedingt,  so  existirt 
mindestens  ein  Werth  .  derart,  dass  4^  =  Z  wird, 


^lesem 


d.  h.  der  unendliche  Kettenbruch:  \-f^\  kann  in  d 
Falle  durch  den  endlichen:  \j^\  ersetzt  werden.*) 


^)  Dabei  wird  im  Falle  K=  0  auch  w  =  0,  d.  h.  der  im  allge- 

[III 
^  I  reducirt 

sich  hier  auf  0.     Zugleich  erkennt  man,  dass  ein  Kettenbruch  1—1  =  0 

nie  anders  als   bedingt  convergiren   kann.     Denn   nach  dem  oben  ge- 
sagten  muss  j^  I  7—    allemal  schlechthin  oder  im  wesentlichen  nach  od 

divergiren.    Man   könnte   danach   die   Definition  der  unbedingten 


Ă„.  Pringsheim:  ĂĽeber  die  Convergenz  unendlicher  KettenbrĂĽcke.     307 

Hiemach  besitzen  also  ausschliesslich  unbedingt  conver- 
gente  Kettenbruch-Entwickelungen  einer  Zahl  oder  Function  K 
den  Charakter  einer  gewissen  analytischen  Nothwendig- 
keit:  jede  der  Zahlen  a^,  by  steht,  wie  gross  auch  v  sein 
mag,  zu  K  in  einer  bestimmten,  durch  die  vorangehenden 
Zahlen  ao,  60»  ...ay_i,  6y_i  vermittelten  Beziehung,  in  der 
K  selbst    eine   wesentliche   Rolle    spielt.      Ist    dagegen 

-fir=    -7^    (wo  |jr|>0)   nur   bedingt  convergent,    so  giebt 

es  eine  oder  eine  erste  Zahl  m  von  der  Beschaffenheit,  dass: 

y^  = -K",    dagegen:    — ^   ==  0    wird.      Hier   besteht    offenbar 

ein  bestimmter  Zusammenhang  mit  der  Zalil  K  nur  fĂĽr  die 
Zahlen  a^,  6j,  . . .  a„,  b^,  während  alle  übrigen  a^,  by  (y  >  m) 
von  JT  völlig  unabhängig  sind  und  nur   der  Bedingung 

U  -    ==  0  zu  genügen  haben.     Man   könnte  geradezu  in  dem 


lOD 


Kettenbruche     y-  L    ohne    seinen   Werth    zu   verändern ,    alle 
Glieder  -^  fĂĽr  v  ^  w  -f-  1  durch  unendlich  viele  andere  Systeme 

Oy 

— f  (v  =  1,  2,  3, . . .)  ersetzen,  die  bis  auf  die  Bedingung   -f  =  0 
als  willkürlich  anzusehen  wären. 


[€= 


Ueber  solche  KettenbrĂĽche   von    der  Form  |  -7^   ==  0   sei 
noch  folgendes  bemerkt.     Aus  dem  oben  gesagten  geht  hervor 


Convergenz  auch  folgendermaassen  fassen:  Der  convergente  Kettenbruch 

[_     -|Q0 
—  1   heisst   unbedingt   convergent,    wenn    keiner   der   Kettenbrüche 


1 

,00 


nrl  (•'*  =  ö»  1»  2,  . . .)  nach  Null  convergirt. 


308  Sitzung  der  math.-phya.  Glosse  vom  11.  Juni  1898, 

(da  -^  =  -~  sicher  von    -rf    d.  h.  0  verschieden),  dass  1  y^ 


1  3 

«lOO 


convergiren   muss.      Und   da   andererseits     -77 1   schlechthin 
oder  im  wesentlichen  nach  00  divergirt,  so  folgt,  dass: 
(26)  [I]  =  -  5. 

8 

sein  muss.     Besitzt  nun  der  Kettenbruch  die  Eigenschaft,  dass 

fĂĽr  keinen   weiteren  Werth  m  (d.  h.   ausser  fĂĽr  m  =  0)   die 

A' 
Beziehung  besteht:  -^^  =  0,   so  convergirt  jeder  der  Ketten- 

TT    fĂĽr  m>2,   also  convergirt  der  Kettenbruch  (26) 

unbedingt.  Man  gewinnt  also  in  diesem  Falle  aus  der  nur 
bedingt  convergirenden  Null-Entwickelung  eine  unbedingt 
convergirende  fĂĽr  die  Zahl  6,.  Auf  diese  Weise  hat  z.  B. 
Legendre*)  die  Entwickelung: 

w       - '  -  [-  w^r 

abgeleitet,  die  ihm  zum  Beweise  der  Irrationalität  von  Ji*  diente. 

Ein   analoger   Schluss    ist   offenbar    auch    dann    möglich, 

wenn  fĂĽr  eine  endliche  Anzahl  von  Werthen  m  die  Relation 

— -  =  0  stattfindet. 

Es  ist  aber  auch  der  Fall  denkbar,  dass  die  Gleichung: 

(28)  ^  =  0 

*)  filements  de  Geometrie,  Note  IV.  —  Aus: 

folgt  nämlich  für  x  =  n: 


»2 

(Stolz,  a.  a.  0.  S.  315.  —  Stern,  a.  a.  0.  S.  481.  482). 


Ă„,  Pringsheim:  Ueber  die  Convergewf  unendlicher  KettenbrĂĽche.     309 

fĂĽr  eine  unendliche  Folge  von  Zahlen  lUy  (v  =  0,  1,  2,  .  .  .) 
stattfindet.     Alsdann  werden  unter  den  KettenbrĂĽchen  von  der 

[I  -|00 
-TT-I  unendlich  viele  divergente  vorkommen  (näm- 

•*  «Hfl 
lieh  alle  fĂĽr  m  =  nty  -{-  1  resultirenden,   so  dass  also  der  vor- 
gelegte Kettenbruch  selbst    nach  Abtrennung  einer   beliebig 
grossen  Anzahl  von  Anfangsgliedern  niemals   einen  unbe- 
dingt convergenten  liefern  kann. 

Da  diese  Möglichkeit  meines  Wissens  niemals  erörtert 
worden  ist,  so  dĂĽrfte  es  nicht  ĂĽberflĂĽssig  sein,  nachzuweisen, 
dass  der  fragliche,  zunächst  nur  als  denkbar  hingestellte  Fall 
auch  wirklich  construirt  werden  kann. 

Nach  einer  bekannten  Euler'schen  Formel*)   hat  man: 

(29)     ..=ÂŁ,i=ri,_-i^l=r|^l" 

d  1 

*     1 
und   hieraus  resultirt   für  lim  n  =  oo ,   falls  S"  —  convergirt, 

1     qr 
die   Transformation    dieser  Reihe   in   einen   aequivalenten 

Kettenbruch,  d.  h.  einen  solchen,  dessen  Näherungsbrüche  ~~- 

mit   den  Partialsummen  Sh  («  =  1»  2,  3,  .  .  .)  übereinstimmen. 
Wählt   man   also   die   betreflfende   lleihe   in   der  Weise,    dass 

S*'  —  =  0  und  ausserdem  für  unendlich  viele  Zahlen  niy  die 
1     q^ 

Beziehung   besteht:    Sm^  =  0,   so  wird  auch  allemal  -~-  =  0. 


liVy 


Eine  solche  Wahl  lässt  sich  aber  auf  unendlich  viele  Arten 
mit  Leichtigkeit  bewerkstelligen:   es  braucht  nur  Sm^  =  0  und 

für  V  ^  1 :  Sm^  —  ^^y-i  ^^  ^  angenommen  zu  werden,  d.  h.  die 
Reihe  muss  aus  lauter  Gliedergruppen  mit  der  Summe  0  be- 
stehen, wobei  man  noch,   um  durchweg  von  Null  verschie- 


M  Introductio,  T.  I,  §  369. 


310  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  11,  Juni  1898. 

dene  K   zu  erhalten,    vermeiden  wird,    dass   fĂĽr  irgendwelche 
Werthe  von  v:  qy-\  +  ^y  =  0  sich  ergiebt.    Man  setzeze  z.  B. 

«1         1,1         1         1     , 

1       iv  C\  (^2  Ci  C2 

(3«)         +^_  +  i_JL___L  +  ..., 

C2v_l  C2v  C2v-\  C2v 

SO  wird  diese  Ruhe  stets  convergiren,  wenn  nur  lim  |  c,.  |  =  oo. 


y=ao 


Zugleich  hat  man  für  alle  möglichen  v:  s^y  =  -^,-  =  0, 

J04y 


Man  kann  also  thatsächlich  in  unbegrenzter  Zahl  Ketten- 

[I  -|Q0 
~    angeben,  bei  denen  für  unendlich  viele  Werthe  m„ 

die  Relation  besteht: 


(31)  0  =  4^  =  "*"' 


Aus  einer  frĂĽher  gemachten  Bemerkung  (S.  4,  Fussnote  2) 
geht  dann  noch  hervor,  dass  in  diesem  Falle  der  Kettenbruch 

[n'  1* 
-TT    unendlich  viele  sinnlose  Näherungsbrüche  liefert, 

indem  nämlich  durchweg  ^1,«^  =  0  wird  (der  betr.  Kettenbruch 

divergirt  also  nur  „im  wesentlichen*  nach  oo).  Dieses 
Resultat  lässt  sich  auch  ohne  weiteres  auf  einen  Kettenbruch 
mit  beliebigem  von  Null  verschiedenen  Werthe  K  ĂĽber- 
tragen: man  braucht  nur  an  irgend  einen  m-gliedrigen  Ketten- 

bruch  JT  =  ^    einen  Kettenbruch  der  eben  betrachteten  Art 

-^1   ersetzt.     Damit 

ist  schliesslich  auch  der  Nachweis  erbracht,  dass  dem  oben  unter 
n  als  möglich  angenommenen  Falle  reale  Existenz  zukommt. 


Ă„.  Pringsheitn:  Ueber  die  Convergem  unendiicher  KettenbrĂĽche,     31 1 

§3. 

Elementare  Convergenz-Kriterien  von  einiger  Allgemeinheit 
hat  man,  wie  Herr  Stolz  in  seinen  »Vorlesungen  über  Allgemeine 
Arithmetik*  ausdrĂĽcklich  hervorhebt/)  nur  fĂĽr  KettenbrĂĽche 
mit  reellen,  gleichbezeichneten  Gliedern,  d.  h.  fĂĽr  solche 

von   der  Form     —     und     — —  ,   wo   die   o^,  (/,  wesentlich 

positive  reelle  Zahlen  bedeuten. 

Die  nothwendige  und  hinreichende  Bedingung  fĂĽr 
die  Convergenz  der  ersteren  besteht,  wie  Seidel*)  imd  Stern') 

gezeigt  haben,  in  der  Divergenz  der  Reihe  2^v,  wo: 

(öZ)     a2y  = •  gsri     »2H-1  =^ ' • 

P2Pi-"P2r  PlPz^"P2y+l     P2y+l 

Daraus  ergiebt  sich  dann  als  eine  hinreichende  Gon- 
vergenz-Bedingung  von  merklich  einfacherer  Form  die  Diver- 
genz der  Reihe:  S— -^*^.*) 

Pr 

Was  die  KettenbrĂĽche  der  zweiten  Kategorie  betriffb,  so 
hat  Seidel*)  für  den  besonderen  Fall^v  =  l,  Stern®)  für 
den  allgemeineren  beliebiger  positiver  py  die  hinreichende 
Convergenz-Bedingung  aufgefunden: 

(33)  qr—pr>l  (v  =  1,  2,  3,  . .  .)• 

Im  folgenden  soll  nun  gezeigt  werden,  dass  diese  Con- 
vergenz-Bedingung  mutatis  mutandis  fĂĽr  ganz  beliebige 
KettenbrĂĽche  gilt,   d.  h.  dass  bei  beliebigen  reellen  oder 


1)  A.  a.  0.  S.  280. 

*)  Untersuchungen  ĂĽber  die  Convergenz  und  Divergenz  der  Ketten- 
brĂĽche.   Doctor-Dissertation,  MĂĽnchen  1846. 

3)  Joum.  f.  Math.  Bd.  87  (1848),  S.  264.  266. 

«)  Stolz,  a.  a.  0.  S.  284. 

5)  Abh.  d.  Bayr.  Ak.,  2.  CL,  Bd.  VII  (1865),  S.  682. 

*)  Algebr.  Analysis,  S.  801. 


312  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

complexen  ay,  by  der  Kettenbruch  \^\  allemal  convergirt 

(und  zwar  unbedingt),  wenn: 

(34)  I  öv  I  —  I  6v  I  ^  1  (v  =  1,  2,  3,  . .  .).*) 

Zugleich  lassen  sich  aus  diesem  Convergenz- Kriterium 
durch  passende  Transformationen  noch  andere  ableiten,  welche 
nicht  als  specielle  Fälle  darin  enthalten  sind.  Ich  beweise 
den  fraglichen  Hauptsatz  zunächst  für  Kettenbrüche  von  etwas 
speciellerer  Form,  nämlich: 

Sind  jp„,   Qy  (y  =  1,  2,  3,  .  .  .)  beliebige  positive 
Zahlen,  welche  durchweg  der  Bedingung  genĂĽgen: 

^)  Wie  ich  nachträglich  aus  einer  kurzen  Notiz  im  Jahrbuch  über 
die  Fortschritte  der  Mathematik  Bd.  21  (1892),  S.  186  ersehe,  hat  Herr 
J.  W.  Sleschinski  die  Gonvergenz-Bedingung  aufgestellt: 

l«vl-IM>i 


(also,  wie  es  scheint,  mit  Ausschluss  des  weiter  unten  noch  besonders 
vortheilhaft  zu  verwerthenden  Falles  der  Gleichheit).  In  dem  citirten 
Referate  wird  lediglich  dieses  Factum  ohne  jeden  weiteren  Zusatz  ange- 
fĂĽhrt, und  es  ist  nicht  einmal  zu  ersehen,  ob  die  a^,  b^  nur  reelle 
oder  auch  compleze  Zahlen  bedeuten.  Die  in  russischer  Sprache  ge- 
schriebene und  in  der  Moskauer  Math.  Sammlung  publicirte  Arbeit 
selbst  ist  mir  bisher  nicht  zugänglich  gewesen.  Das  gleiche  gilt  von 
einer  anderen  in  dem  nämlichen  Referate  erwähnten  Arbeit  desselben 

Verfassers,  in  welcher  fĂĽr  EettenbrĂĽche  von  der  Form  y  die  Gonvergenz- 
Bedingung  lim  Cy  =  0  angegeben  wird.    Die  letztere  ist  in  dieser  Form 

r=ao 

sicherlich  unrichtig.  Denn,  sieht  man  von  dem  besonderen  Falle  ab, 
dass  der  Eettenbruch  lauter  positive  Theilzähler  und  Theilnenner  be- 
sitzt, so  ĂĽben  ja  die  Anfangsglieder,  wie  aus  den  Untersuchungen 
des  vorigen  Paragraphen  des  näheren  hervorgeht,  einen  ganz  wesent- 
lichen Einfluss  auf  die  Gonvergenz  des  Eettenbruches.  Aus  einer 
Bedingung,  die  sich  nur  auf  das  Verhalten  der  Eettenbruch-Glieder  im 
Unendlichen  bezieht,  kann  also  höchstens  auf  die  Gonvergenz  des 
Eettenbruches  von  einer  gewissen  (nicht  einmal  angebbaren)  Stelle 
geschlossen  werden.  Im  ĂĽbrigen  stellt  die  obige  Bedingung  (mit  der 
angemessenen  Gorrectur)  nur  einen  sehr  speciellen  Fall  der  weiter  unten 
(üngl.  (78))  von  mir  aufgestellten:  |Cyl«^4.  dar. 


Ä,  Pringsheim:  Ueber  die  Cowotrgen»  unendlicher  Kettehbrüche.    313 

ÂŁv(y  =  1|  2,  3,  . .  .)  reelle  oder  complexe  Zahlen   mit 
dem  absoluten  Betrage  1,   so  ist  der  Kettenbruch 

-\  unbedingt   convergent.      Setzt  man   sodann: 

"   "    =  Kj  so  ist  Jl  =  e\j  wenn  die  Reihe  2j^ijP2  -  -  -Pv 

divergirt  und  ausserdem  fĂĽr  jedes  v^  1: 

2v  — jPr  =  1,        ^,.+1  =  —  1 ; 
dagegen  hat  man  in  jedem  anderen  Falle:  0  <  {  Jl  |  <  1. 

Beweis.    Bezeichnet  man  mit  -^  (y  =  0,  1,  2,  . . .)   die 
Näherungsbrttche  des  obigen  Eettenbruches,  so  wird  zunächst: 


also: 

P„         0            P,        e,p, 
Qo        1'          ft          «1 

(35) 

Qo  =1          Qx  ='«.>i- 

und  daher: 

(36)  l<?,|-|<?,I^J',>0. 

Da  sodann  fĂĽr  y^2  die  Beziehung  besteht: 

(37)  Q^=Zq^.    Q„_l    -|-    ßyPy  Qv^2j 

so  folgt: 
oder: 

(38)  I  «.  I  -  I  Qr^l  I  >Pr  {[  Qr-l  |  "  |  «.-2  |}. 

Hieraus  ergiebt  sich  durch  Substitution  von  (v — 1),  (v — 2), 
...  2  an  Stelle  von  v: 


(39) 


■  I   Qy-i  I  —  I   Qr-2  I  '^Pr-l  {\   Qy-2  I  —  I  Qy-a  \} 
I   Qy-2  I  I  Qy-i  I  ^l>r_2  {|  Qy-3  I  —  I  Qy-i  1} 

[\Q2    \-\Qi    \^Pi    {\Qi    1-1  «o    \)>p>Pi- 


314  SUgung  der  m<Uh,-phy8.  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

Diese  Ungleichungen  lehren  zunächst,  dass  sämmtliche 
Differenzen  von  der  Form  |  Qy  |  —  |  Qy^i  \  wesentlich  positiv 
sind,  d.  h.  die  {  Qy  \  nehmen  mit  v  monoton  zu.  Durch 
successive  EinfĂĽhrung  der  Gleichungen  (39)  in  (38)  findet  man 
alsdann : 

(40)  I  Ö»'  I  —  I  Qy-i  \>PiP2  *"Pv' 

Wird  hier  nochmals  für  v  der  Reihe  nach  (y—l),  (v— 2)  ...  2 
gesetzt,  so  folgt  durch  Addition  der  sämmtlichen  resultirenden 
Ungleichungen  zu  Ungl.  (40): 

(41)         \Qr\  —  \Qi  \>PiPi  +  PlPiPi  +  . . .  +PiPi  •  •  'Pyy 

und  hieraus  schliesslich  mit  BerĂĽcksichtigung  von  (35): 

(42)  I  Ă–v  I  ^  1  +i?,  +  jPjft  +  . . .  +PiPi . .  .i?v  ^  Sy. 

Man  bemerke,  dass  in  dieser  Relation  das  Gleichheits- 
zeichen dann  und  nur  dann  gilt,  wenn  in  den  sämmtlichen 
zu  ihrer  Herleitung  benĂĽtzten  Relationen  (35),  (38)  ebenfalls 
das  Gleichheitszeichen  steht.  Hierzu  ist  aber  nothwendig 
und  hinreichend,  dass  erstens: 

(43)  qr  =  l-\'py  fĂĽr  alle  v  =  1,  2,  3,  . . . 
imd  zweitens: 

(44)  ey  =  —  l   für  alle  v  =  2,  3,  4,  . . . 

(s.  den  Uebergang  von  Gl.  (37)  zu  der  darauf  folgenden  Un- 
gleichung).    Nur  in  diesem  Falle  wird  also: 

(42a)      1  ^^1  =  1  +i?, +i?,ft  +  ...+l?ii?8...i>v  =  Sr 
in  jedem  anderen: 

(42b)      \Qy\>l+Pi+PiPi-\'  ...  +PiPi  ...Pv  =  Sy.^) 
Nun  ist  bekanntlich: 

(45)  ^^-'1  =  Hm  ^  =  ^  +  £,  (-  ir' .  hPi-^tP»-JlPl 

^)  Das  Zeichen  ^  gilt  dann,  wie  leicht  zu  sehen,  auch  noch  fĂĽr 
lim  V  =  00, 


Ă„.  Pringsheim:  Ueher  die  Canvergenz  unendlicher  KettenbriUhe,     315 
oder,  wenn  man: 

substituirt: 


und  somit: 


(47)      r^ikv- +£•*'"''"' 

IL  3»  J,  I  Vi 


2 


Ă–.-I  Qr 


Sieht  man  zunächst  von  dem  durch  Gl.  (43),  (44)  charak- 
terisirten  Specialfalle  ab,  so  ergiebt  sich  mit  BenĂĽtzung  von 
Ungl.  (42  b): 


(48) 


r-^n<i_i+ÂŁ,(j__i)=i_umi 


(mit  Ausschluss  der  Gleichheit).  Hieraus  folgt,  dass  die 
Reihe  (46)  absolut  convergirt;  es  convergirt  also  auch 
der  Kettenbruch  und  wie  Ungl.  (48)  lehrt,  ist  sein  absoluter 

Werth  <  1  (gleichgültig  ob  lim  —  =  0  oder  >  0). 

Sy 

Sind  dagegen  die  Special-Bedingungen  (43),  (44)  erfĂĽllt,  so 
geht  durch  EinfĂĽhrung  Ton  Gl.  (44)  und  (42  b)  die  Beziehung  (46) 
in  die  folgende  ĂĽber: 


00 


Ist  also  die  Reihe  1  +  i?i  +  S^JPiä  •  •  'Pr  =  ^^  ^r  con- 

2 

vergent,  etwa  limSy  =  5  (wo:  5>  1),  so  wird: 


y^oo 


y=QO 

|00 


(50)    [^f]  =  e.  (l  -  i),  also  wiederum:  |[^]" 


<1. 


316  SUzung  der  nuUhrphys.  ClasĂźe  vom  11.  Juni  1898, 

Ist  dagegen  die  obige  Reihe  divergent,  d.  h.  limSy  =  oo, 
so  wird:  ""* 

(51)  —~  ==£,,  d.  h.  in  diesem  einzigen  Falle:  -^^  =  1. 
^     ^    [  iy  i         '  ^  L  «.  JJ 

Da  die  vorstehenden  Betrachtungen  auch  gĂĽltig  bleiben, 

wenn  man   den  Kettenbruch  statt  mit  dem   Gliede  -^—^  mit 

einem  beliebigen  späteren  Gliede  beginnen  lässt,  so  ergiebt 
sich,  dass  seine  Oonvergenz  eine  unbedingte  ist.  Daraus 
folgt  schliesslich  noch,  dass  sein  Werth  K  stets  von  Null 
verschieden  ausfallt.  Damit  ist  aber  der  oben  ausgesprochene 
Satz  in  allen  Theilen  bewiesen. 


Ist  jetzt   der  Eettenbruch  in   der  Form  vorgelegt  hr^  L 


wo  tty,  by  beliebige  reelle  oder  complexe  Zahlen,  so  werde  gesetzt: 

wo  also:  |  o^  |  =  1 

»       »      I  i^"  I  =  1- 
Alsdann  hat  man: 


(52)        r«.=«.'i«^ 

{  by  =  Ăź,-\br 


[br\~[Ăźr'\K\\~l      IM        '  l^'l 


(53)      ■  -''^•' 


00 


-J2 


Damit  ist  der  vorgelegte  Kettenbruch  auf  die  zuvor  be- 
trachtete Form  gebracht  und  der  oben  bewiesene  Satz  kann 
daher  jetzt  auch  folgendermaassen  ausgesprochen  werden: 

Bedeuten  a^,  2)y  reelle  oder  complexe  Zahlen  mit 
den  Charakteristiken^)  Oy,  /3y,  so  ist  der  Kettenbruch 


M: 


unbedingt  convergent,  wenn: 


^)  Ich  pflege  die  Zahl  - — ^-  als  die  Charakteristik  von  a  zu  bezeichnen. 


(Math.  Ann.  Bd.  83  (1889),  S.  124). 


Ă„.  Pringskeim:  ĂĽeber  dU  CawDergeng  ufiendlicher  KeitenbrĂĽehe.     317 

(54)  |a.|  — |6.|^1  (v  =  l,2,3,...). 

Sein  absoluter  Werth  ist  stets  <  1,  ausser  wenn 
durchweg: 

(55)  I  a^  1  —  I  6v  I  =  1,      ßi^ßr+i  =  —  «r+i  (v  >  1), 

und  ^luiOi  , .  .ay\  divergirt.     In  diesem  einen  Falle 
wird: 

Es  ist  leicht  ersichtlich,  in  welcher  Weise  dieser  Satz  zu 
modificiren  ist,  falls  die  Convergenz-Bedingung  (54)  erst  fĂĽr 
V  ^  m  (wo  m  >  1  erfallt  ist. 


§4. 

Mit  Hülfe  des  eben  bewiesenen  Satzes  lässt  sich  der  be- 
kannte Legendre^sche  Irrationalitäts-Satz  folgendermaassen 
formuliren:^) 

Sind  gy^  hy    positive    ganze   Zahlen,    welche   der 
Bedingung  genĂĽgen:*) 

(57)  hy-gy>l    (v=l,2,3...), 

und   bedeutet  €y  für   v=l,  2,  3,  ...   ganz   nach   Be- 
lieben die  positive  oder  negative  Einheit,  so  con- 


')  Genau  genommen  ist  dies  im  wesentlichen  diejenige  Form,  in 
welcher  Legendre  den  fraglichen  Satz  schon  ausgesprochen,  aber 
in  der  Hauptsache  nicht  bewiesen  hat.  Vgl.  die  bezĂĽglichen  Be- 
merkungen in  der  folgenden  Mittheilung:  , ĂĽeber  die  ersten  Beweise  der 
Irrationalität  von  e  und  ^',  p.  886. 

*)  Hat  man  durchweg  «^  =  +  1 ,  so  genügt  bekanntlich  für  die 
Convergenz  des  Kettenbruches  und  die  Irrationalität  seines  Werthes 
schon  die  Bedingung:  k^  —  fl'y>0.    Vgl.  Stolz,  a.  a.  0.  S.  297. 


r^m 


00 

'  ezw.   ein 


318  Sitzung  der  maih.'phys.  Classe  w)m  11,  Juni  1896. 

,ergirt  a.r  K.tt.nW.cl.  [-^J'st.t»  geg.»   ei.,- 

irrationalen  Werth,  sofern  nicht  durchweg: 

(58)     K  —  fl'y  =  1,  €^1  =  —  1  für  ^  >  m  (wo:  m  ^  1). 

Im  letzteren  Falle  wird:  c,  •   — r  -   =  1    b 

rationaler  ächter  Bruch,  je   nachdem  m  =  l   bezw. 
w>  1. 
Beweis.    Da  der  Kettenbruch   nach  dem  Satze  des  §  3 
unbedingt  convergirt,  so  kann  gesetzt  werden: 

^^^^  l^J^  iT»  (m  =  0,  1 ,  2, . . .), 

WO  die  Km  (m  =  0,  1,  2,  . . .)  bestimmte  Zahlen  von  der  Be- 
schaffenheit bedeuten,  dass  im  allgemeinen  |  £»»  |  <  1)  nur 
in  dem  durch  die  Gleichungen  (58)  charakterisirten  Special- 
falle Km  =  fm.^  Daraus  folgt  dann  unmittelbar  die  Richtig- 
keit der  oben  ausgesprochenen  Behauptungen,  soweit  sie  sich 
auf  den  genannten  Specialfall  beziehen. 

Sind  nun  die  fraglichen  Special-Bedingungen  nicht  erfiillt, 
so    hat    man    fĂĽr   jeden  Werth    von   m  (w  ==  0,  1,  2,  .  .  .): 
Km  I  <  1  (mit  Ausschluss  der  Gleichheit).     Aus  der  Annahme : 


P 
Kq  =  — ,  wojp^g  —  1  sein  müsste,  würde  dann  folgen: 

also: 

(61)     JT,  =  "i^'g"*!^  und  zugleich:  0  <  |  JT,  |  <  1, 

d.  h.  K^  wäre  ein  ächter  Bruch,  dessen  Nenner  höchstens 
=  g  —  1  sein  könnte.  Durch  Uebertragung  dieser  Schluss- 
weise auf  K^,  ÂŁ3,  . . .  gelangt  man  also  zu  dem  Resultate, 
dass  JTm,  wo  m  höchstens  =3  —  1  sein  könnte,  ein  ächter 

')  Die  fĂĽr  die  Existenz  dieser  letzteren  Beziehung  noch  erforder- 
liche Bedingung,  dass  ^9x92  --  *  g^  divergirt,  ist  hier  wegen  5^^>1 
eo  ipso  erfĂĽllt. 


Ă„.  Pringsheim:  Oeber  die  CanvergenĂĽ  unendlicher  KettenbrĂĽclie,     319 

Bruch  mit  dem  Nenner  1  sein  mĂĽsste,  was  absurd  ist.  Somit 
kann  in  dem  betrachteten  Falle  Kq  nur  eine  Irrationalzahl 
(wie  leicht  zu  sehen,  mit  dem  Vorzeichen  ÂŁ,)  sein. 

Es  hat  wiederum  keine  Schwierigkeit,  den  vorstehenden 
Satz  auf  den  Fall  zu  ĂĽbertragen,  dass  die  Haupt-Bedingung  (57) 
erst  fĂĽr  v  >  m,  wo  m  >  1,  erfĂĽllt  ist. 


§5- 

Ich  wende  jetzt  das  in  §  3  aufgestellte  Convergenz-Kriterium 
auf  die   besonders  häufig  vorkonMnenden  Kettenbruch-Formen 

an.     Die   unmittelbare  Anwendung   des- 


L]\„.  [±^] 


selben   auf  den  ersten  dieser   beiden  Typen   liefert   die  Con- 
vergenz-Bedingung : 

(62)  1 6v  I  :^  2. 

Auf  den  zweiten  Typus  lässt  sich  das  fragliche  Kriterium 
ĂĽberhaupt  nicht  direct,  sondern  erst  durch  Vermittelung  der 
Transformation  in  einen  aequivalenten  Kettenbruch  anwenden. 
Das  nämliche  Hülfsmittel  giebt  auch  für  den  ersten  Typus 
eine  Convergenz-Bedingung  von  etwas  grösserer  Allgemeinheit 
als  die  direct  abgeleitete  Bedingung  (62). 

Bezeichnet  man  mit  c„  (v  =  1,  2,  3, . . .)  beliebige  von  Null 
verschiedene  Zahlen,  so  hat  man  bekanntlich: 


00 


(63) 

und,  wenn  man  speciell  C2v  =  1  (v  =  1,  2,  3, . . .)  setzt: 


(64) 


+  ... 


Nimmt  man  sodann  die  (?2y-i  als  reell  und  positiv  an,  so 
folgt,  dass  der  Kettenbruch  convergirt,  wenn  fĂĽr  r  =  1,2,3,...: 

,^-v  i   C2y-1  •  !  hr-l  I  —  ^2v-l  >   1 

^^^)  1  I  J.  I  ~   1 

{  I  02y        I  —  C2r-l  =  1. 


1898.  SiiBungsb.  d.  matb.-phys.  Cl.  21 


318  8itÂŁung  der  maih.-jphys.  Classe  vom  11,  Juni  1898. 

vergirt   der  Kettenbruch       *!         stets   gegen   einen 

irrationalen  Werth,  sofern  nicht  durchweg: 

(58)     hr  —  gfy  =  1,  Cy^i  =  —  1  fiir  fi>^m  (wo:  m >  1). 


Im  letzteren  Falle  wird:  e^  •   — v—    ==  1   b 


ezw.  ein 


rationaler  ächter  Bruch,  je  nachdem  m  =  l   bezw. 
w  >  1. 
Beweis.    Da  der  Kettenbruch   nach  dem  Satze  des  §  3 
unbedingt  convergirt,  so  kann  gesetzt  werden: 

(59)  [^^r=  K^  {m  =  0,  1,  2,  . . .), 


L  Av  J 


wo  die  Kft^  (w  =  0,  1,  2,  . . .)  bestimmte  Zahlen  von  der  Be- 
schaffenheit bedeuten,  dass  im  allgemeinen  |  JE»  |  <  1,  nur 
in  dem  durch  die  Gleichungen  (58)  charakterisirten  Special- 
falle JTm  =  £„|.^)  Daraus  folgt  dann  unmittelbar  die  Richtig- 
keit der  oben  ausgesprochenen  Behauptungen,  soweit  sie  sich 
auf  den  genannten  Specialfall  beziehen. 

Sind  nun  die  fraglichen  Special-Bedingungen  nicht  erfĂĽllt, 
so  hat  man  fiir  jeden  Werth  von  m  (m  =  0,  1,  2,  .  .  .): 
I  Km  I  <  1  (mit  Ausschluss  der  Gleichheit).     Aus  der  Annahme : 

P 
K^  =  —^  wo  p^q  —  1  sein  müsste,  würde  dann  folgen: 

(60)  ^-     *>^^ 


also: 

(61)     K^  =  ^^3ii  —  KP  ^^4  zugleich:  0  <  |  JE^  |  <  1, 

d.  h.  Jlj  wäre  ein  ächter  Bruch,  dessen  Nenner  höchstens 
=  g  —  1  sein  könnte.  Durch  Uebertragung  dieser  Schluss- 
weise auf  K^^  J^,  . . .  gelangt  man  also  zu  dem  Resultate, 
dass  Jlw,,  wo  m  höchstens  =g  —  1  sein  könnte,  ein  ächter 


^)  Die  fQr  die  Existenz  dieser  letzteren  Beziehung  noch  erforder- 
liche Bedingung,  dass  ^9x9%  .^^Qy  di vergirt,  ist  hier  wegen  ^y>l 
eo  ipso  erfĂĽllt. 


Ă„.  Pringsheim:  Oeber  die  Convergem  unendlicher  KettevlbrĂĽche,     319 

Bruch  mit  dem  Nenner  1  sein  mĂĽsste,  was  absurd  ist.  Somit 
kann  in  dem  betrachteten  Falle  K^  nur  eine  Irrationalzahl 
(wie  leicht  zu  sehen,  mit  dem  Vorzeichen  ÂŁ,)  sein. 

Es  hat  wiederum  keine  Schwierigkeit,  den  vorstehenden 
Satz  auf  den  Fall  zu  ĂĽbertragen,  dass  die  Haupt-Bedingung  (57) 
erst  fĂĽr  v  >  m,  wo  m  >  1,  erfĂĽllt  ist. 


§  5- 

Ich  wende  jetzt  das  in  §  3  aufgestellte  Convergenz-Kriterium 
auf  die   besonders  häufig  vorkommenden  Kettenbruch-Formen 

an.     Die   unmittelbare  Anwendung   des- 


±.L]\.a  [±'^ 


1 


selben   auf  den  ersten  dieser   beiden  Typen   liefert   die  Con- 
vergenz-Bedingung: 

(62)  I  ^  I  ^  2. 

Auf  den  zweiten  Typus  lässt  sich  das  fragliche  Kriterium 
ĂĽberhaupt  nicht  direct,  sondern  erst  durch  Vermittelung  der 
Transformation  in  einen  aequivalenten  Kettenbruch  anwenden. 
Das  nämliche  Hülfsmittel  giebt  auch  für  den  ersten  Typus 
eine  Convergenz-Bedingung  von  etwas  grösserer  Allgemeinheit 
als  die  direct  abgeleitete  Bedingung  (62). 

Bezeichnet  man  mit  Cy  (v  =  1,  2,  3, . . .)  beliebige  von  Null 
verschiedene  Zahlen,  so  hat  man  bekanntlich: 


(63) 


"2 

und,  wenn  man  speciell  c^r  =  1  (v  =  1,  2,  3, . . .)  setzt: 

(64)  r±-ir=+^j+^±...+ 


I    r~; "T  . . . 


Nimmt  man  sodann  die  Co^-i  als  reell  und  positiv  an,  so 
folgt,  dass  der  Kettenbruch  convergirt,  wenn  fĂĽr  r  =  1,2,3,...: 

.^-v  j  Coy-i  •  I  h-2y-i  I  —  c-ir^i  ^  1 

\  I  fe-ir        I  —  C'2y^i  =  1. 

1898.  SiiBungsb.  d.  matb.-phys.  Gl.  21 


320 


SiUfung  der  mathrphys.  Glosse  vom  11.  Juni  1898. 


Aus  der  zweiten  dieser  Bedingungen  findet  man: 

(66)  C2y-1  =  I  62y  I  —  1, 

so  dass  die  erste  in  die  folgende  ĂĽbergeht: 

(67)'  {|62v-i|-l}-{|62.|-l}^l 

oder  anders  geschrieben: 


(68) 


1 

bir-\ 

+ 

1 
bir 

^  1  (v  =  1,  2,  3, . .  .). 


Die  Form  dieser  Bedingung  zeigt  unmittelbar,  dass  dann 
mit   dem  Kettenbruche    +-r-    auch   alle   diejenigen    von   der 

Form:    iy-    (n  =  1,  2,  3, . . .)  convergiren.     Da  aber   der 

'-       •'■'2H+1 
absolute  Werth  eines  jeden  dieser  KettenbrĂĽche  nach  dem  Satze 
des  §  3  die  Einheit  nicht  übersteigt  und  andererseits  die  Be- 
dingung (68)  allemal  die  folgende  involvirt:   |  ftin  |  >  1,  so  ist 

\^n]  iT~     stets   von  Null   verschieden,    also   auch  jeder 

Kettenbruch  von  der  Form:     i-r-    convergent.     Somit  ge- 
winnt man  den  Satz:  ** 


r 

OD 


GenĂĽgen  die  (reellen  oder  complexen)  Zahlen  b 

der  Bedingung  (68),  so  ist  der  Kettenbruch    +-t- 

unbedingt  convergent.  * 

Die  ursprĂĽnglich  aufgefundene  Convergenz-Bedingung  (62) 
ist  ofienbar  als  specieller  Fall  in  (68)  enthalten.^) 


*)  Eine  noch  etwas  speciellere,  nämlich:  |&y|>2-he,  wo  e>0, 
hat  Herr  S.  Pincherlc  angegeben:  Rendicenti  Accad.  dei  Lincei,  Serie  4, 
Vol.  V  (1889),  p.  640. 


Ă„.  Pringsheim:  Deber  die  Convergenz  unendlicher  KettenbrĂĽcke,     321 
Nach  Analogie  von  Gl.  (63)  hat  man  femer: 


(69) 


r_i_  ^"T  r_i_  ^1  ^i  _i_  ^"-i  (Jvöyi* 


Eine  einfache  Ueberlegung  zeigt,  dass  sich  hier  die  Wahl 
c-2y  =  2  (y  =  1,  2,  3  .  .  .)  als  zweckmässig  erweist.  Alsdann 
wird  zunächst,  wenn  man  der  Symmetrie  halber  den  Ketten- 
bruch noch  mit  2  multipUcirt: 

L  ~  1 J      ~~\    Ci     "~  I     2      — 

Xi ;; ±] 9 X  •• .» 


so  dass   bei  reellen   positiven  Werthen    der  c-zr-i    der  Ketten- 
bruch sicher  convergirt,  wenn  fĂĽr  v=  1,  2,  3, . . .: 


,_^  V  j  C2r^l  2  C2r^l  '  \  O^v-l  \   ^  1 


2€2y-~\ '  I  chv     I  =  !• 
Aus  der  zweiten  dieser  Bedingungen  folgt  sodann: 

(72)  C2.-1  = 


2|a2,|' 

wodurch  sich  die  erste  auf  die  folgende  reducirt; 

1 


d.h.  2|a,, 


{l-2.|a2.-,|}^l, 


00 


I 


(73)  I  02.-1 1  +  I  02. 1  ^  J  (v  =  1,  2,  3, . . .). 

Auch   hier   ergiebt  sich   wiederum    aus   der   Form   dieser 
Bedingung,   dass  gleichzeitig  mit  dem  Kettenbruche:    +-r- 

auch  alle  möglichen:     +-^    (w  =  1,  2,  3, . . .)  convergiren. 

Da   aber,    wie  Gl.  (70)   lehrt   (wenn   man   darin   den  Index  1 
durch   2 n  -|-  1    ersetzt) ,    hier   das   Doppelte  jedes   solchen 

21* 


322  SĂĽzung  der  fMdh.-pkys.  Clas$e  vom  11,  Juni  1898. 

Kettenbruches  der  Convergenz-Bedingung  des  §  3  genügt  und 
daher,  absolut  genommen,   die  Einheit  nicht  ĂĽbersteigt,  so  ist 

ll;  +^     stets  von  Null   verschieden,   folglich     i-f- 

2«+!  2m 

convergent    und    daher    1+-^^     unbedingt   convergent. 

Dabei  lässt  sich  schliesslich  die  Anfangs -Bedingung  der 
Serie  (73),  d.  h. 

(74)  l«il  +  l«,!^i 

noch  vereinfachen.  Da  nämlich  die  Convergenz  des  Ketten- 
bruches nicht  alterirt  wird,  wenn  man  denselben  mit  einem 
beliebigen  von  Null  verschiedenen  Factor  multiplicirt,  so  kann 
man  in  der  Bedingung  (74)  |  a,  |  ohne  weiteres  auch  durch 
€  •  I  a,  I  ersetzen.  Nimmt  man  hier  für  e  eine  hinlänglich 
kleine  positive  Zahl,  so  wird  die  Bedingung 

(75)  «•|«,H-|«.l<i 
immer  erfĂĽllt  sein,  sofern  nur: 

(76)  i  ^«  I  <  i  ("^i^  Auschluss  der  Gleichheit). 
Somit  ergiebt  sich  der  folgende  Satz: 

GenĂĽgen  die  (reellen  oder  complexen)  Zahlen  ĂĽy 
den  Bedingungen: 

(77)     >,!<!,  |a2.+,|+|ao,+o|^|(v  =  l,2,3,...), 
so  ist  der  Kettenbruch  |  +  "i~    unbedingt  convergent. 

Als  einfachere,  aber  oflenbar  weniger  allgemeine  Form 
der  Convergenz-Bedingung  ergiebt  sich  dann  aus  (77)  noch 
unmittelbar  die  folgende: 

(78)  \a,\<},     \ay\<l  (v>3). 


Ă„.  Pringsheim:  lieber  die  Convergem  unendlicher  KettenbrĂĽche.     323 


Der   zuletzt   gewonnene  Satz   kann   benĂĽtzt   werden,   um 
eine   neue   Convergenz- Bedingung   fĂĽr  KettenbrĂĽche   von    der 


allgemeinen  Form:  l-^^     abzuleiten.     Transformirt 


man  näm- 


lich diesen  Kettenbruch  in  einen  aequivalenten  von  dem  eben 
betrachteten  Typus,  so  wird: 


(79) 


Der  letztere  Kettenbruch  und  somit  auch  der  vorgelegte 
convergirt  aber  unbedingt,*)  wenn  (Ungl.  (77)): 


(80) 


a. 


b,b. 


<' 


¥» 


+ 


do  r-\'2 


62V+I  62^+2 


<i  (">!) 


oder  auch,  etwas  weniger  allgemein  (ĂĽngl.  (78)): 


(81) 


a« 


<^ 


7» 


a. 


by-\  b. 


<i  i^^^)' 


Die  vorstehenden  Convergenz-Bedingungen  tragen  ofiFenbar 
einen  wesentlich  anderen  Charakter  als  die  frĂĽher  aufgestellte 
(Ungl.  (54)),    da   hier   nicht   mehr  die  Differenzen   der  ein- 


zelnen  |ay|,    6v|,  sondern  lediglich  die  Verhältnisse 


by-i  6, 


in  Betracht  kommen.    Dieselben  gestatten  mancherlei  functionen- 


*)  Convergirt  der  eine  von  zwei  aequivalenten  KettenbrĂĽchen  unbe- 
dingt, 80  gilt  dies  offenbar  auch  von  dem  anderen.    Denn  aus: 


folgt  fĂĽr  n  >  1 : 


vice  versa. 


auch 
■••+1 


-r- 1    auch   I r- j   convergirt    ~ 


324 


SĂĽeung  der  wMthrphys,  Claase  vom  11,  Juni  1898, 


theoretische  Anwendungen,  auf  die  ich  bei  anderer  Gelegenheit 
einzugehen  gedenke.  Hier  sei  nur  noch  erwähnt,  dass  die 
folgende  Gonvergenz-Bedingung: 


(82) 


00 

1 


a. 


by-i  K 


<' 


T» 


welche  Herr  Helge  von  Koch  mit  HĂĽlfe  von  unendlichen 
Kettenbruch-Determinanten  zu  functionentheoretischen  Zwecken 
abgeleitet  hat,^)  offenbar  als  ein  sehr  specieller  Fall  der  Be- 
dingung (80)  erscheint. 


1)  Comptes  rendus,  T.  120  (1896),  p.  146. 


325 


üeber  die  ersten  Beweise  der  Irrationalität 

von  e  und  n. 

Von  Alfred  Prlngshelm. 

So  viel  niir  bekannt  ist,  hat  sich  ganz  allgemein  die  An- 
sicht herausgebildet,  dass  der  erste  Beweis  fiir  die  Irratio- 
nalität von  e  und  tt,  d^  und  tang  o;  (wo  x  ein  für  allemal 
eine  rationale  Zahl  bedeuten  soll)  von  Lambert  herrĂĽhre, 
dass  indessen  dieser  Beweis  erst  durch  Legendi'e  die  nöthige 
Vollständigkeit  und  Strenge  erhalten  habe. ^)  Ein  genaueres 
Studium  der  betreffenden  Literatur  hat  mich  indessen  zu  der 
Ueberzeugung  gefĂĽhrt,  dass  diese  Ansicht  in  mehrfacher  Be- 
ziehung einer  Modification  bedarf,  nämlich: 

1.  Die  Irrationalität  von  e  und  c*  ist  schon  von  Euler 
im  Jahre  1737,  d.  h.  30  Jahre  vor  Lambert,  im  wesentlichen 
bewiesen  worden.  Zugleich  giebt  auch  Euler  schon  diejenigen 
allgemeinen  Kettenbruch-Entwickelungen,  auf  denen  der  Lam- 
bert'sche  bezw.  Legendre'sche  Irrationalitäts-Beweis  für 
e*,  tangic  und  n  beruht. 

2.  Lambert  hat,  ohne  diese  Euler'schen  Entwickelungen 
zu  kennen,  die  Irrationalität  von  e*,  tang  x  und  tt  vollständig 


»)  Vgl.  z.  B.  Stolz,  Vorl.  über  Allg.  Arithmetik,  Bil.  II  (1886), 
S.  325,  Note  16.  —  Bachmann,  Vorl.  über  die  Natur  der  Irrational- 
zahlen (1892),  S.  63.  —  Rudio,  Archimedes,  Hnygens,  Lambert,  Legendre. 
(1892),  S.  66.  66.  —  F.  Klein,  Vortr.  über  ausgew.  Fragen  der  Elem.- 
Geometrie  (1896),  S.  46. 


326  SĂĽeung  der  math,'phy8.  Clasu  wnn  11.  Juni  1898. 

und  mit  einer  fĂĽr  die  damalige  Zeit  (1767)  geradezu  excep- 
tionellen  Strenge  bewiesen. 

3.  Das  Verdienst  Legendre's  beschränkt  sich  auf  einen 
allerdings  sehr  glĂĽcklichen  und  an  sich  werthvoUen,  aber  bei 
Legendre  auf  durchaus  unbewiesener  Grundlage  ruhenden 
Gedanken,  welcher  keineswegs  eine  Vervollständigung  des 
angeblich  unzulänglichen  Lambert'schen  Beweises,  sondern 
lediglich  eine  massige  AbkĂĽrzung  desselben  liefert  und  ausser- 
dem auch  gestattet,  den  Irrationalitäts-Beweis  auf  ti^  auszu- 
dehnen. Im  ĂĽbrigen  ist  Legendre  von  der  klaren  und  tiefen 
Einsicht  Lambert^s,  dass  Betrachtungen  der  fraglichen  Art 
ohne  die  nöthigen  Convergenz-Beweise  eigentlich  werthlos 
sind,  sehr  weit  entfernt. 

Im  folgenden  will  ich  nun  versuchen,  die  vorstehenden 
Behauptungen  näher  zu  begründen. 


Dass  sich   bereits   in  Euler's  „Introductio"  (1753)  die 
Kettenbruch-Entwickelung  findet :  *) 


e—l  _  1|    .     1|    .      1  I    ,      1  I    ,     1  I    I      1^   , 
^^         2      ""  II   "^  I  6  "^  110  "^  114  "^  118  "^  I  22  ■*"  •  •  • 


d.  h.  nach  der  in  der  vorangehenden  Mittheiluug  von  mir 
benĂĽtzten  Schreibweise: 

^  ^  2      ~[l  '    2  +  4vJ; 

ist  wohl  allgemein  bekannt.  Als  weniger  bekannt  hebt  Herr 
Rudio  in  seiner  anregenden  und  lehrreichen  Abhandlung  ĂĽber 
die  Geschichte  der  Kreis-Quadratur  mit  llecht  hervor,*)  dass 
Euler  schon  in  seiner  grundlegenden  Abhandlung  ĂĽber  die 
Lehre  von  den  KettenbrĂĽchen  ^)  noch  verschiedene  andere  mit 

1)  A.  a.  0.  p.  319. 
*)  S.  die  oben  citirte  Schrift,  p.  61. 

•)  De   fractionibus   continuis  diasertatio.     Comment.  Aca<l.  Petrop. 
T.  IX  (ad  annum  1787),  p.  98—137. 


A.  Pringsheim:  üeber  die  ersten  Beweise  der  Irrationdlüät  etc,     327 

der  Zahl  e  zusammenhängende  Kettenbruch -Entwickelungen, 
z.  B.  vsolche  für  e^  Ye  angegeben  hat.*)  Die  grössere  Mannig- 
faltigkeit der  an  dieser  Stelle  mitgetheilten  Kettenbruch- 
Entwickelungen  scheint  mir  indessen  von  secundärer  Be- 
deutung: wesentlich  erscheint  mir  dagegen  die  Methode, 
welche  hier  zur  endgĂĽltigen  Herleitung  der  fraglichen  Ent- 
wickelungen  dient  und  von  deren  Existenz  in  der  Introductio 
sich  lediglich  eine  kurze  und  leicht  gänzlich  zu  übersehende 
Andeutung  findet.     Dort  werden  lediglich  durch  numerische 

«^    1 
Rechnung  aus  dem  der  Reihe  6=1  +  Xi"  —  entnommenen 

Decimalbruche  e  =  2,  718281828459  die  oben  (Gl.  (1))  ange- 
schriebenen 6  Anfangsglieder  des  Kettenbruches  bestimmt,  im 
übrigen  heisst  es:  „cujus  fracüonis  ratio  ex  calculo  inßnitesiniaü 
dari  potest,^  In  der  citirten  Abhandlung  findet  nun  Euler  die 
genannten  KettenbrĂĽche  fĂĽr  e,  Ye  (ausserdem  noch  solche  fĂĽr 

i\Yc — l),  |(e* — 1),   :j-)   zunächst  gleichfalls  durch  eine 

rein  numerische  Induction,  welche  vermuthen  lässt,  dass 
die  betreffenden  Theilnehmer  arithmetische  Reihen  bilden. 
Dann  aber  fahrt  er  folgendermaassen  fort:*)  „Cum  autcm  in 
praecedentibuSj  ubi  numerum  e  ejusque  potestates  in  fradwnes 
continuas  converĂĽ,  progressionem  arithmeticam  denaminatorum 
tantum  observaverimy  neque  praeter  probUitat^m  de  hujus  pro- 
gressionis  conĂĽnuatione  in  infinUtim  quicquam  affinnare  vahienm ; 
in  id  poHssimiim  incuhui,  ut  in  hujus  progressionis  necessHatetn 
inquirereni,  eamque  firmiter  demonstrarem,'*^  Und  nun  folgt 
die  Angabe  einer  wirklich  analytischen  Methode,  welche 
zur  definitiven  Herleitung  jener  Kettenbrüche  —  sogar  in 
merklich  verallgemeinerter  Form  —  sich  als  brauchbar  erweist. 
Dieselbe  beruht  auf  einer  zwiefachen  Integration  der  Ric- 
cati'schen  Differential-Gleichung,  einmal  mit  HĂĽlfe  eines 
unendlichen  Kettenbruches,  sodann  in  geschlossener  Form  mit 


J)  L.  c.  p.  120.  121. 
2)  L.  c.  p.  129. 


328  SUeung  der  mathrphya,  Clcisse  vom  11.  Juni  1898, 

HĂĽlfe  von  Exponential-Functionen.*)  Die  erste  Art  der  Inte- 
gration ist  immer  möglich,  die  zweite,  wenn  die  in  der 
Gleichung  auftretenden  Exi)onenten  gewissen  Bedingungen  ge- 
nĂĽgen. Im  letzteren  Falle  ergiebt  sich  dann  auf  Grund  der 
Eindeutigkeit  des  betreffenden  Integrals  eine  Kettenbruch-Dar- 
stellung des  aus  der  Integration  resultirenden  Exponential- 
Ausdruckes.  Von  den  auf  diese  Weise  von  Euler  abgeleiteten 
KettenbrĂĽchen  hebe  icji  hier  die  folgenden  hervor:*) 


(3) 


7_r  __2 1 r 

L       2s  — 1'   (2  +  4v)sJ| 

e*  —  1  ' 

deren  zweiter  für      -  =  2x  bezw.  —  =  2xi  im  wesentlichen 

s  s 

diejenigen  Ent Wickelungen  giebt,  welche  von  Lambert  und 
Legen dre  zu  den  fraglichen  Irrationalitäts-Beweisen  benützt 
worden  sind;  während  der  erste  für  5=1  bezw.  s  =  l  un- 
mittelbar  die  volle  Bestätigung   der  zunächst  auf  rein   induc- 

tivem  Wege  gefundenen  regelmässigen  Kettenbruch-Ent- 

e 1      e» 1 

Wickelungen    für   -  -^-   ,   —  ^ —   liefert.      Da   nun    den   Aus- 

gangspunkt  jener  Euler'schen  Betrachtungen   die  ausdrĂĽck- 

^)  Euler  hat  diese  Methode,  die  an  der  betreffenden  Stelle  ziem- 
lich kurz  behandelt  iat,  später  in  einer  eigenen  Abhandlung  (,Suiu- 
niatiofractioniscontinuae,  cujus  indicosprogressionemarith- 
meticam  constituunt  etc.")  ausfĂĽhrlich  entwickelt:  Opusc.  analyt. 
T.  II,  p.  217 — 239.  Eine  hierauf  beruhende  gedrängtere  Darstellung 
giebt  Stern  in  seiner  Theorie  der  KettenbrĂĽche:  Journ.  f.  Math.  Bd.  11 
(1834),  S.  60  ff.  —  Der  Vollständigkeit  halber  sei  hier  erwähnt,  dass 
auch  Lagrange  („Sur  Tusage  des  fractions  continues  dans  le  calcul 
int^'gral'*,  Mem.  Acad.  de  Berlin,  1776)  ähnliche  Kettenbruch-Entwicke- 
lungen,  wie  die  hier  in  Frage  kommenden,  gleichfalls  durch  zwiefache 
Integration  gewisser  Differential -Gleichungen  abgeleitet  hat:  Oeuvres, 
T.  IV,  p.  319—823. 

3)  L.  c.  p.  181.  132. 


Ä.  Pringsheim:  ü^>er  die  ersten  Beweise  der  Irrationaiüät  etc,    329 

liehe  Bemerkung  bildet,  dass  jeder  rationalen  Zahl  immer 
nur  ein  endlicher  regelmässiger^)  Kettenbruch  entspricht, 
dass  also  ein  unendlicher  Kettenbruch  dieser  Art  nur  einen 
irrationalen  Werth  besitzen  könne,*)  so  darf  man  sagen,  dass 
Euler  durch  die  Aufstellung  jener  regelmässigen  Ketten- 
bruch-Entwickelungen  den  Beweis  für  die  Irrationalität 
von  e  und  e*  nicht  etwa  nur  implicite  geleistet  habe,*) 
sondern  dass  er  sich  dieser  Thatsache  auch  vollkommen 
bewusst  gewesen  sei. 


Von    den   beiden   Arbeiten,   welche   Lambert   dem   vor- 
liegenden Gegenstande  gewidmet  hat,  nämlich: 

1.  Memoire  sur  quelques  proprietes  remarquables 
des  quantit^s  transcendantes  circulaires  et  loga- 
rithmiques.  Lu  en  1767.  (Abgedruckt  1768  in  dem- 
jenigen Bande  der  „Histoire  de  TAcadämie  royale  des 
sciences  et  helles  lettres"  (Berlin),  welcher  sonderbarer 
Weise  die  Bezeichnung:  „  Annee  1761  •  trägt,  S.  265 — 322.) 

2.  Vorläufige  Kenntnisse  für  die,  so  die  Quadratur 
und  Rectification  des  Circuls  suchen.  (Beiträge 
zum  Gebrauche  der  Mathematik  und  deren  Anwendung. 
Theil  U,  Abschnitt  I,  S.  140—169) 

giebt    die    zweite    lediglich    ein    ganz    allgemein    gehaltenes, 
orientirendes  Referat   ĂĽber  die  von  Lambert  gefundenen 


*)  D.  h.  ein  solcher  von  der  Form:  l&o;  T"  »  ^^  die  b^  natürliche 

Zahlen  sind. 

^)  L.  c.  p.  108.  —  Dass  ein  aolcher  unendlicher  Kettenbruch  über- 
haupt einen  bestimmten  Grenzwerth  besitze,  wird  —  natürlich  nicht 
mit  der  heute  üblichen  Strenge,  aber  doch  in  der  Hauptsache  richtig  — 
aus  dem  Gange  der  Näherungsbrüche  geschlossen. 

')  NatĂĽrlich  mit  Ausschluss  der  nach  heutigen  Begriffen  erforder- 
lichen Convergenz-Betrachtungren :  diese  letzteren  fehlen  aber  nicht  minder 
bei  den  fĂĽr  streng  ausgegebenen  Legendr  ersehen  Beweisen. 


330  Sitzung  der  mathrphya.  Classe  vom  11,  Juni  1898. 

Resultate.^)  Sie  enthält  überhaupt  keine  analytischen  Ent- 
wickelungen,  einige  wenige  Formeln  ohne  Beweis  und  zur 
Erläuterung  dienende  numerische  Beispiele,  im  übrigen 
Kaisonnements,  welche  keineswegs  dazu  dienen  sollen,  die  daran 
geknĂĽpften  SchlĂĽsse  streng  mathematisch  zu  beweisen,  sondern 
nur  dazu,  dem  Leser  den  (Jang  des  Beweises  verständlich 
zu  machen.  Die  ganze  Arbeit  kann  als  ein  glänzendes  Muster 
populär-anschaulicher  Darstellung  gelten,  von  der  wirk- 
lich wissenschaftlichen  Bedeutung  und  dem  specifisch  ana- 
lytischen Scharfsinne  ihres  Verfassers  giebt  sie  eine  äusserst 
unzureichende  Vorstellung.  Und  nur  dadurch,  dass  man  diesem 
populären  AufsatzeLambert's  eineallzugrosse,  dem  streng 
wissenschaftlichen  „Mt^moire"  dagegen  bei  weitem  nicht 
genĂĽgende  Beachtung  geschenkt  haben  mag,  erscheint  mir 
überhaupt  jene  Auffassung  einigermassen  erklärlich,  wonach 
die  dem  Lambert 'sehen  Beweise  angeblich  fehlende  Voll- 
ständigkeit und  Strenge  erst  durch  Legendre  nachgeholt 
worden  sein  soll.  In  Wahrheit  verhält  sich  die  Sache  genau 
umgekehrt:  Lamberts  Untersuchungen  sind  von  so  muster- 
hafter Strenge,  dass  sie  dem  völlig  in  der  Luft  schwebenden 
Legendre'schen  Satze  erst  eine  brauchbare  Grundlage  ver- 
liehen und  es  dadurch  ermöglicht  haben,  denselben  auf  die 
vorliegende  Frage  anzuwenden.  Um  dies  nachzuweisen,  umss 
ich  vor  allem  etwas  näher  auf  den  Inhalt  jener  Lambert'schen 
Haupt-Abhandlung  eingehen. 

Da    Lambert    nur    den    Euler'schen    Kettenbruch    fĂĽr 
2  (^  —  1)  ^us  der  Introductio  kennt,*)  nicht  aber  die  unmittel- 


*)  Dieselbe  ist  zwar,  wie  Lambert  in  der  Vorrede  (zweite  Seite) 
selbst  angiebt,  schon  im  Jahre  1766  und  unmittelbar  vor  der  defini- 
tiven Ausarbeitung  des  oben  erwähnten  Memoire  geschrieben  worden. 
Lambert  muss  aber  die  jenen  Resultaten  zu  Grunde  liegenden  und  im 
Memoire  verwertheten  analytischen  Entwickelungen  im  wesent- 
lichen damals  schon  besessen  haben :  zum  mindesten  hat  er  die  in  dieser 
Hinsicht  etwa  noch  bestehenden  LĂĽcken  bei  der  Abfassung  des  Memoire 
vollständig  ausgefüllt. 

*)  In  dem  citirten  populären  Aufsätze  S.  162  (Abdruck  bei  Rudio: 
S.  150)  sagt  er  ausdrücklich:  Die  Veranlassung  aber,  diese  Formeln  (nämlich 


A,  Pringsheim:  Heber  die  ersten  Beweise  der  Irrationalität  etc,     331 

bar  zuvor  besprochenen  allgemeineren  Entwickelungen,  so  trans- 

sin  V 

formirt  er  zunächst  tanffi;  = rein  formal  in  einen  Ketten- 

^  cosv 

bruch,  indem  er  auf  die  beiden  zur  Darstellung  von  sin  v,  cos  v 
dienenden  Potenzreihen  das  bekannte  Euklidische  Divisions- 
Verfahren  zur  Aufsuchung  des  grössteu  gemeinsamen  Theilers 
anwendet.  Schon  hierbei  zeigt  sich  ein  merklicher  Fortschritt, 
wenn  man  Lambert^s  Darstellungsweise  mit  derjenigen  zeit- 
genössischer Autoren  vergleicht:  während  diese  sich  in  analogen 
Fällen  begnügen,  einige  wenige  Anfangsglieder  zu  bestimmen 
und  das  ĂĽbrige  der  Induction  ĂĽberlassen,  wobei  noch  ĂĽberdies 
die  Wahl  einer  ganzen  Folge  verschiedener  Buchstaben 
fiir  die  in  Betracht  kommenden  Grössen  zumeist  gar  nicht 
gestattet,  das  allgemeine  Gesetz  mit  genĂĽgender  Deutlichkeit 
zu  ĂĽbersehen  und  zu  formuliren,  so  bedient  sich  Lambert  zur 
Bezeichnung  der  fraglichen  Quotienten  und  Reste  in  ganz  mo- 
demer Weise  nur  zweier  Buchstaben  Q,  R  mit  laufendenln- 
dices,*)  findet  Q\  R\  Q'\  R"  durch  direkte  Rechnung  und  be- 
stimmt sodann  das  allgemeine  Bildungsgesetz  durch  den  Schluss 
von  n  auf  n  -\-  \,  Das  ist  freilich  nur  eine  Aeusserlichkeit:  ich 
glaubte  sie  aber  erwähnen  zu  müssen,  weil  sie  mir  bei  einer 
Arbeit  aus  dem  Jahre  1767  fĂĽr  die  analytische  Genauigkeit  und 
Schärfe  des  Verfassers  charakteristisch  erscheint.  In  dieser 
Weise  wird  also  zunächst  der  Kettenbruch  für  tang  v  mit  aller 
irgend  wĂĽnschenswerthen  Praecision  formal  hergeleitet. 

Nun  aber  stellt  Lambert  eine  Betrachtung  an,  die  mir 
—  immer  mit  Rücksicht  auf  die  Jahreszahl  1767  —  geradezu 
erstaunlich  dünkt.  Während  nämlich  jeder  seiner  Zeit- 
genossen sich  mit  dieser  formalen  Ableitung  sicherlich  begnĂĽgt 

~ e*-  1 

die  Kettenbrüche  für  — ,  tang  a;)  zu  suchen,  gab  mir  Herrn  Euler's 

c  -f-1 

Analysis  infinitorum,  wo  der  Ausdruck 


.^l  =  -iJ4-JLl-i.-Ll-i._LJ4-   _1j4. 
2  |1    ^|6    "^llü   "^114    "^118    "^•" 

in  Zahlen  berechnet,  in  Form  eines  Beispieles  vorkommt.* 

^)  Dieser  Kunstgriff  rĂĽhrt  von  Leibniz  her.    Vgl.  Gerhardt,  Gesch. 
d.  Math.  p.  183. 


332  Siteung  der  tnaih.'phys,  Glosse  vom  11,  Juni  1898. 

hätte,  ja  während  auch  noch  spätere  und  sogar  weit  grössere 
Mathematiker  sich  thatsächlich  mit  dergleichen  begnügt  haben, 
so  stellt  Lambert  mit  minutiöser  Genauigkeit  das  Gesetz  für 

die  Bildung  der  Näherungsbrüche   j^  fest  und  beweist  ganz 

direkt,    dass  nun   auch    wirklich:    lim -^- =  tang  v  wird. 

Jedem,  der  in  derartigen  Dingen  einigermaassen  versirt  ist, 
wird  dieser  Schritt  heutzutage  ebenso  nothwendig,  wie  natĂĽrlich 
erscheinen.  Denn  man  weiss  jetzt  zur  genĂĽge,  dass  eine  durch 
solche  formale  Operationen  gewonnene  „unendliche",  d.  h. 
allemal  auf  der  Vernachlässigung  irgend  eines  Restgliedes  be- 
ruhende Entwickelung  ĂĽberhaupt  gar  nicht  zu  convergiren 
und,  selbst  wenn  sie  convergirt,  noch  keineswegs  mit  der 
erzeugenden  Function  ĂĽberein  zu  stimmen  braucht.  Dass 
nun  aber  schon  Lambert  einen  ausdrĂĽcklichen  Convergeuz- 
und  GĂĽltigkeits-Beweis  fĂĽr  seine  Kettenbruch-Entwickelung 
durchgefĂĽhrt  hat,  muss  um  so  bemerkenswerther  erscheinen, 
wenn  man  bedenkt,  dass  Gauss  in  seiner  Abhandlung  ĂĽber 
die  hypergeometrische  Reihe  (1812)  bezĂĽglich  der  dort  gegebenen 
Kettenbruch -Entwickelungen  noch  vollständig  auf  dem  alten 
formalistischen  Standpunkte  steht:  die  Convergenz-  und  GĂĽltig- 
keitsfrage wird  mit  keinem  einzigen  Worte  berĂĽhrt,^)  dieselbe 
ist  in  der  That  erst  in  sehr  viel  späterer  Zeit,  insbesondere 
durch  die  mĂĽhsamen  und  eingehenden  Untersuchungen  von 
Heine*)  und  W.  Thome*)  erledigt  worden.*) 

Die  Lambert^sche  Arbeit  giebt  also  das  erste  und 
auf  längere  Zeit  hinaus  auch  einzige  Beispiel  einer 
nach  heutigen  Begriffen  wirklich  strengen  Entwicke- 


1)  Werke,  Bd.  III,  p.  134. 

2)  Journ.  f.  Math.  Bd.  34  (1847),  p.  301;  Bd.  67  (1860),  p.  231. 
8)  Ibid.  Bd.  66  (1866),  p.  322.  —  Bd.  67  (1867),  p.  299. 

^)  Die  Skizze  eines  anderen,  auf  complexer  Integration  beruhenden 
Beweises  hat  sich  bekanntlieh  in  Riemann's  Nachlass  vorgefunden: 
Werke,  p.  400. 


Ă„.  Pringsheim:  Ăśeher  die  ersten  Beweise  der  ImxtionaliUU  etc,     333 


lung   gewisser   Functionen   in   convergirende   Ketten- 
brĂĽche, insbesondere: 


(3) 


^g"  =  [lTi^'-(2v+l):t;] 


( 


und  entsprechend  fĂĽr 


Der  an  Gl.  (3)  anknüpfende  Irrationalitäts-Beweis  für 
den  Fall  eines  rationalen  t;  nimmt  sodann  ungefähr  folgenden 
Gang.  Bezeichnet  man  mit  9?,  co  irgend  zwei  natĂĽrliche,  relativ 
prime  Zahlen  und  setzt: 


so  wird: 
(5) 


sin  —  =  jM", 

CO 


cos 


^  =  p, 


^_M  _\(p  y*       T 


Alsdann  lässt  sich,  wie  unmittelbar  zu  sehen,  dieser  Ketten- 
bruch durch  das  folgende  unbegrenzte  System  von  recurrenten 
linearen  Gleichungen  ersetzen: 


<pP   = 

(oM 

R' 

<p*M  — 

ScoR' 

R' 

• 

9 

<P*R'   — 

5<oR' 

R"' 

,»  JR(H-2)  ^ 

(2n      1)3"- 

-')      Sf.») 

oder, 

anders  geschrieben: 

fi) 

K      = 

(oM 

-cpP 

2) 

JB"  = 

3a)  iJ" 

<P^M 

(6) 

< 

3) 

R"  = 

•         .         *         • 

.         .         .         • 

q>*S! 

n)    i?-)  =  (2  n  —  1)  CO  JS^"-»)  —  9?»  i?— 2), 

Die  i?")  genügen  also  —  abgesehen  von  den  beiden  An- 
fangsgleichungen (6j),  (6j)  genau  derselben  Recursionsformel  (6„), 


334  Sitzung  der  tnath.-phys.  Classe  vOm  11.  Juni  1898. 

wie  die  Zähler  und  Nenner  der  zum  Kettenbruche  (5)  ge- 
hörigen Näherungsbrüche.  Werden  diese  also  etwa  wieder 
mit  -4„,  Bn  (n  =  1,  2,  3, . .  .)  bezeichnet,  so  ergiebt  sich  mit 
BerĂĽcksichtigung  jener  Anfangsgleichungen  (6,),  (6^)  die  Be- 
ziehung: 

(7)  i?-)  =  MB.  -PAn  =  PBn  (^-:^y 

Hieraus  folgt,  dass  die  J?**^  durchweg  von  Null  ver- 
schieden sind  und  mit  unbegrenzt  wachsendem  n  beliebig 
klein  werden;  die  bei  Gelegenheit  des  vorausgehenden  Con- 
vergenz-Beweises  durchgeführte  Untersuchung  der  Näheruugs- 

M       A 

brüche  zeigt  nämlich,  dass  nicht  nur  -^ p^,  sondern  auch 

BA-=p -^  \  mit  lim  n  =  oo  gegen  Null  convergirt. 

M 

Angenommen  nun,  es  wäre  -^  rational,  also  etwa: 

(8)  P~  p' 

WO  ni,  p  natĂĽrliche,  relativ  prime  Zahlen.  Alsdann  kann 
man  setzen: 

(9)  —  =  —  =  D,      also:  M=m'D,     F  =  p>D, 
m        p 

wo  D  eine  ganz  bestimmte  Irrationalzahl  bedeutet  (da  von 
den  Zahlen  -3f=sin— ,   P  =  cos  — =  1^1 — JiP  unter  allen 

CO  CO 

Umständen  mindestens  eine  irrational  sein  muss.  Mul- 
tiplicirt  man  nun  die  Gleichungen  (6)  mit  -y^,  so  gehen  sie 
in  die  folgenden  ĂĽber: 


Ä,  Pringaheim:  Üeber  die  ersten  Beweise  der  Irrationälüät  etc.     335 


(10) 


m 


D 

B" 

D 

K" 

D 


=  (om  —  (pp 

=  3ö)-ij <p^m 


=  5co 


D 


<P^  • 


D 


=  (2  n  —  1 )  ö>  — f^ 99»  ~~ir~ 


D 


D 


, , .  durch- 


welche   zeigen,   dass  ^  ,    also   aucn   -^ »  . .  -  -^^ 

weg  ganze  Zahlen  sein  müssten.  Man  hätte  also  ein  unbe- 
grenztes System  von  Null  verschiedener  und  schliess- 
lich beliebig  klein  werdender  ganzer  Zahlen,  was  unmög- 
lich ist.     Somit  muss  tang  —  irrational  sein. 

Dies  also  ist  den  Hauptzügen  der  angeblich  so  unzulängliche 
Lambert'sche  Beweis:  mir  erscheint  er  ausserordentlich 
scharfsinnig  und  im  wesentlichen  vollkommen  ein- 
wandfrei. 


Ich  komme  nun  schliesslich  auf  den  Antheil  Legendre^san 
dem  fraglichen  Irrationalitäts-Beweise  su  sprechen.  Legendre 
leitet  in  der  bekannten  Note  IV  seiner  Elements  de  g^o- 
m^trie  zunächst  die  erforderlichen  Kettenbruch-Entwickelungen 
von  neuem  ab.*)  Sein  recursorisches  Verfahren  ist  merklich, 
einfacher  und  eleganter  als  die  etwas  schwerfallige  Divisions- 
Methode  Lambert' s.  Aber,  da  jeglicher  Convergenz-  und 
öültigkeitsbeweis  fehlt,  so  bleibt  Legendre  in  Bezug  auf 
Strenge  hinter  Lambert  weit  zurück.  —  Nun  folgt  jener 
HĂĽlfssatz,  welcher  den  eigentlichen  Kern  des  Legendre 'sehen 
Irrationalitäts-Beweises  bildet,  nämlich: 


1)  Rudio,  p.  169  ff. 

1898.  SiUungkb.  d.  math.-phys.  Ol. 


22 


336  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  11.  Juni  1898, 

Bedeuten  m,  n,  m\  n    etc.    ganze    positive    oder 

neirative  Zahlen  von  der  Art,  dass  — ,  — r,  —ir%  etc. 
^  n     n      n 

ächte    Brüche    sind,    so    hat    der    Kettenbruch: 


// 


m\       m\       m  \  .  .         .        ,       iiir     xu 

: — -  +  -r—r  +  T—fT  +  . . .  einen  irrationalen  W erth. 

\n        \n        \n 

Hier  muss  gesagt  werden,  dass  das  von  Legendre  ange- 
wendete Beweis-Princip,  welches  auf  der  völlig  unbe- 
wiesenen Supposition  beruht,  dass  der  Kettenbruch  selbst 
und  jeder  durch  Weglassung  von  Anfangsgliedern  daraus  hervor- 
gehende ohne  weiteres  einer  bestimmten  Zahl  gleich  ge- 
setzt werden  dürfe,  direkt  unrichtig  ist.  Thatsächlich  lässt 
sich  nach  dieser  Methode  alles  mögliche,  richtiges  und  falsches 
beweisen.  Man  könnte  z.  B.  mit  genau  demselben  Maasse 
von  Strenge,  welches  dem  fraglichen  Legendre^schen  Be- 
weise innewohnt,  zeigen,  dass  unter  den  periodischen  Ketten- 
brĂĽchen mit  lauter  reellen  Gliedern  unendlich  viele  mit  com- 
plexen  Grenzwerthen  vorkommen.  Mit  anderen  Worten: 
der  Legendre'sche  Beweis  hat  ĂĽberhaupt  erst  einen  Sinn, 
wenn  die  Convergeuz  und  sogar  (nach  der  in  der  vorangehenden 
Mittheilung  benĂĽtzten  Terminologie)  die  unbedingte  Con- 
vergenz  jener  KettenbrĂĽche  wirklich  feststeht.  Die  ent- 
sprechenden Convergenz-Be weise   und   zwar  zunächst   nur 

für   die  besonderen  Fälle,    dass   alle  — r-r  positiv   oder   alle 

—^y-  negativ,  sind  aber  erst  um  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts 

geliefert  worden,^)  und  consequenter  Weise  findet  man  auch 
in  den  LehrbĂĽchern  der  Analysis  die  GĂĽltigkeit  des  obigen 
Satzes  auf  diese  besonderen  Fälle  eingeschränkt.*)  Dass  dieser 
letztere  sogar  in  dem  von  Legendre  ausgesprochenen  weiteren 
Umfange  d.  h.  bei  ganz  beliebigen  Vorzeichen  der  w^*'^  n^*') 


*)  Vgl.  die  vorige  Mittheilung,  p.  311. 

2)  Stern,  Algebr.  Anal.  p.  482.  484.     Schlömilch,  AI  gebr.  Anal, 
p.  303.    Stolz,  Allgem.  Arithm.  Bd.  II,  p.  297. 


Ä.  Pringsheim:  Üeher  die  ersten  Beweise  der  Irrationalität  etc.     337 

gilt,  habe  ich  in  dem  eben  citirten  Aufsatze  gezeigt.  Aber 
alles  dies  ist  doch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ein  reiner 
GlĂĽcksfall:  auf  Grund  des  Legendre'schen  Beweises  allein 
brauchte  der  Satz  fĂĽr  keinen  einzigen  Fall  richtig  zu  sein. 
Er  gewinnt  ĂĽberhaupt  erst  in  dem  Augenblicke  eine  reale 
Existenz,  wo  die  nöthigen  Convergenz-Beweise  erbracht  sind. 
Und  wenn  er  speziell  auf  den  Kettenbruch  fĂĽr  tang  x  anwendbar 
erscheint,  so  ist  das  doch  schliesslich  nur  deshalb  der  Fall, 
weil  Lambert  dessen  Convergenz  wirklich  bewiesen  hat.^) 
Dabei  kann  dann  aber  immer  nur  von  einer  (nicht  einmal  allzu 
erheblichen)  AbkĂĽrzung,  dagegen  in  keiner  Beziehung  von 
einer  wirklichen  Ergänzung  des  Lambert^schen  Beweises 
die  Rede  sein.  Da  mir  dieser  letztere  weit  öfter  abfällig  be- 
urtheilt,*)  als  grĂĽndlich  studirt  worden  zu  sein  scheint,  so  hielt 
ich  es  im  Interesse  der  historischen  Gerechtigkeit  fĂĽr  geboten, 
seine  Vorzüge,  sowie  die  Mängel  der  nach  meiner  Ansicht 
ĂĽber  GebĂĽhr  gepriesenen  Legendre'schen  BeweisfĂĽhrung  in 
ein  etwas  helleres  Licht  zu  setzen. 


M  Vgl.  p.  332.   —  Dass  diese  Convergenz  eine  unbedingte  ist, 
kann  dann  leicht  erschlossen  werden. 
*)  Vgl.  z.  B.  Bachmann,  a.  a.  0. 


22' 


339 


Yerzeiehniss  der  eingelaufenen  Druckschriften 

Januar  bis  Juni  1898. 


Die  yerehrlioheii  GesellBolulAen  und  Institute,  mit  welchen  nneere  Akademie  in 
TanaehYerkehr  eteht,  werden  gebeten,  naolistehendea  YeneicbniBS  sugleieh  ala  Emplkngs- 
beetltignng  sa  betrachten. 


Von  folgenden  Qesellsohaften  nnd  Instituten: 

Eoyal  Society  of  South-Äusträlia  in  Adelaide: 
Transactions.    Vol.  XX,  part  2.     1897.    8®. 

SĂĽdslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 
Rad.    Vol.  182.  133.     1897.    8^. 

Monom enta  spectantia  historiam  Slayornm  merid.    Vol.  XXIX.   1897.   8^. 
Djela.    Vol.  XVIII.    1897.    4». 

Natko  Nodilo,  Znanstvena  djela.    Knjiga  I.     1898.    8^. 
Ant.  Radic,  Zbomik.    Svezak  2.     1897.    80. 

Oeschichts-  und  Alterthums forschende  Gesellschaft  des  Osterlandes 

in  Altenburg: 

Mittheilungen.    Band  XI,  Heft  1.    1898.    8^. 

SocUU  des  Antiquair  es  de  Picardie  in  Amiens: 
Memoires  Documenta  in^dits.    Tome  XIV,  fasc.  1.     1897.    4^. 
Album  arch^logique.     Fase.  12.     1897.    fol. 
Notice  historique  sur   le  canton  de  Bernaville  (Somme)  par  Tbeodose 

Lef^vre.     1897.    S®. 
Bulletin.    Ann^e  1896  No.  2—4;  1897  No.  1.  2.    6^. 

Historischer  Verein  fĂĽr  Schwaben  und  Neuburg  in  Augsburg: 
Zeitschrift.     Band  XXIV.     1897.    S®. 

Johns  Hopkins  ĂĽniversity  in  BcUtimore: 
Studies  in  Historical  and  Political  Science.    Ser.  XV,  No.  6—12.    1897.   8^. 
Circulars.     Vol.  XVII,  No.  184.  185.     1898.    4®. 
American  Journal  of  Mathematics.    Vol.  XIX,  4;  XX,  1.     1897/98.    40. 
The  American  Journal  of  Philology.     Vol.  XVIII,  1-3.     1897.    8«. 
American   Chemical   Journal.     Vol.  XIX,   No.  6 — 10;   Vol.  XX,   No.  1. 

1897/98.    8^. 
Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital.    Vol.  VHI,  No.  81,  1897,  Vol.  IX. 

No.  82-86.    1898.    40. 
The  Johns  Hopkins  Hospital  Reports.    Vol.  VI.     1897.    40. 

Maryland  Oeological  Survey  in  Baltimore: 
Survey.    Vol.  I.     1897.    40. 


340  Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Kgl,  Bihlioihelc  in  Bamberg: 
Katalog  der  Handschriften.     Bd.  I,  Abth.  1,  Lfg.  2.     1898.    ^. 

Historischer  Verein  in  Bamberg: 
68.  Bericht  för  das  Jahr  1897.     1898.    8» 

R.  Ă„cademia  de  ciencias  in  Barcelona: 
Boletfn.     Ano  I,  Vol.  1,  No.  1.     1892.    4®. 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  in  Basel: 
22.  Jahresbericht  1896/97.     1897.    8«. 

Bataviaasch  Genootschap  van  KĂĽnsten  en  Wetenschappen  in  Batavia: 
Tijdechrift.    Deel  40.  afi.  1  en  2.     1897.    8°. 
Notulen.     Deel  35,  aĂź.  1.  2.     1897.    &^, 
Verhandelingen.    Deel  49,  stak  3.     1897.    4^ 
Nederiandsch-Indisch-Plakaatboek.    Deel  XVI.     1897.    8^. 

Historischer  Verein  in  Bayreuth: 
ArchiT.    Band  XX.  2.     1897.    8**. 

K.  Serbische  Akademie  in  Belgrad: 
Glas.    No.  LHI.     1898.    8«. 
Spomenik.    No.  XXXI.     1898.    4^. 
Godischnijak  X,  1897.     1898.    BP. 
M.  Tsch.  MiliUchewitsch  Manastir  Ealenitach  1898.    S9. 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 

G.  0.  Sars,  An  Account  of  the  Crustacea.    Vol.  II,  part  9.  10.    1898.     4<>. 
Aarbog  for  1897.     1898.    8» 

K.  preussische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 
Politische  Correspondenz  Friedrichs  des  Grossen.     Bd.  XXIV.    1897.    8^. 
Acta  bornssica.    Bd.  II  der  BehOrdenorganisation.     1898.    8^. 
Abhandlungen  aus  dem  Jahre  1897.    4^. 

Sitzungsberichte.     1897,  No.  XL-LIIl;  1898,  No.  I— XXIIl.    4®. 
Corpus  inscriptionum  latinarum.    Vol.  IV,  Supplementum.     1898.    fol. 

K.  geolog.  Landesanstalt  und  Bergakademie  in  Berlin: 
Abhandlungen.     N.  F.    Heft  26—28.     1897.    40. 

Central- Bureau  der  internationalen  Erdmessung  in  Berlin: 
Bericht   ĂĽber  den  Stand   der  Erforschung  der  Breitenvariation  im  Des. 
1897  V.  Th.  Albrecht.     1898.    4«. 

Deutsche  chemische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.    80.  Jahrg.,  No.  19.  20;  31.  Jahrg.,  No.  1—10.     1898.    8®. 

Deutsche  geologische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeitschrift.     Band  49,  Heft  3.  4.     1897.    8». 

Medicinische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Verhandlungen  1897.     Band  28.     1898.    8®. 

Physikalische  Gesellschaft  in  Berlin: 

Die  Fortschritte   der  Physik  im  Jahre  1892,  8  Bände.     Braonschweiff 

1898.    8<>. 
Verhandlungen.   Jahrg.  16,  1897,  No.  11. 12;  Jahrg.  17,  1898,  No.  1—6.    BP. 
Namenregister  zu  Bd.  21—43.    II.  Hälfte.     1898.    S^. 

PhysiologiscJie  Gesellschaft  in  Berlin: 
Centralblatt  fttr  Physiologie.    Bd.  XI,  No.  20—26;  Bd.  XII,   No.  1—7. 

1897/98.    8«. 
Verhandlungen.    Jahrg.  1897—98,  No.  1—4.     1897.    8<>. 


VerzeichnUs  der  eingelaufenen  Drucksehriften,  341 

K,  technische  HochschiĂĽe  in  Berlin: 
Otto  N.  Witt,  Die  Lebensbedingungen  der  modernen  chemiicben  Industrie. 
Rede.     1898.    4». 

Kaiserlich  deutsches  archäologisches  Institut  in  Berlin: 
Jahrbuch.    Band  XH,  4;  Xllf,  1.    1898.    40.    Erg&uzungsband  IV  Alter- 

thämer  von  Hierapolis. 
Mittheilungen  (römische  Abtheilung).    Bd.  XIII,  fasc.  1.    Rom  1898.    8^. 

K.  preuss.  meteorologisches  Institut  in  Berlin: 
Die  Feier  des  50j&hrigen  Bestehens  des  k.   meteorologischen  Instituts 

am  16.  Oktober  1897.     1898.    4®. 
Veröffentlichungen  1896.    Heft  2.     1898.    4». 
Ergebnisse  der  meteorolog    Beobachtungen  in  Potsdam  im  Jahre  1896. 

1898.    40. 
Ergebnisse  der  Gewitterbeobachtungen  in  den  Jahren  1895  u.  96.    1898.    4<^. 
Verhandlungen  der  Konferenz  der  Vorstände  deutscher  meteorologischer 

Zentralstellen,  Oktober  1897.    S^. 

Jahrbuch  Ober  die  Fortschritte  der  Mathematik  in  Berlin: 
Jahrbuch.     Band  XXVI,  Heft  4.    1898.    8®. 

Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  preuss,  Staaten 

in  Berlin: 
Katalog  der  Bibliothek,  VI.  Auflage.     1897.    8®. 
Gartenflora.    Jahrg   1898,  Heft  1—13.    B^. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 
Forschungen  zur  Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte.   Bd.  XI, 
1.  Hälfte.    Leipzig  1898.    8«. 

Naturwissenschaftliche  Wochenschrift  in  Berlin: 
Wochenschrift.    Band  XI II,  Heft  1-6.     1898.    4». 

Zeitschrift  fĂĽr  Instrumentenkunde  in  Berlin: 
Zeitschrift.     18.  Jahrg.,  1898,  Heft  1-6.    4«. 

Sociele  d* Emulation  du  Doubs  in  Besangon: 
M^moires.    VI.  S^rie,  Vol.  10.   1895.   1896.   8«.  VII.  Särie,  Vol.  1.    1896. 
1897.    80. 

Gewerbeschule  in  B istritz: 
XXII.  Jahresbericht  für  1896/97.     1897.    8®. 

Obsercatorio  in  Bogota: 
Latitud  del  Observatorio  de  Bogota.     Por^ulio  Garavito  1897.    8®. 

R,  Ă„ccademia  delle  Scienze  delV  Istituto  Bologna: 
Memorie.     8er.  V,  Tom.  5,  fasc  1—4.     1895—96.    4^. 
Renticonto.     Nuova  Serie,  Vol.  1,  1896—97.     1897.    8<>. 

B.  Deputazione  di  storia  patria  per  le  Provincie  di  Eomagna 

in  Bologna: 

Atti  e  Memorie.    Serie  III,  VoL  XV,  1-3.     1897.    4«. 

Niedeirheinische  Gesellschaft  fĂĽr  Natur-  und  HeĂĽkufide  in  Bonn: 
Sitzungsberichte  1897,  II.  Hälfte.    8^. 

Verein  von  Ă„lterthumsfreunden  im  Rheinlande  in  Bonn: 
Bonner  JahrbĂĽcher.     Hefe  102.     1898.     4<>. 

Naturhistorischer  Verein  der  preitssischen  Rheinlande  in  Bonn: 
Verhandlungen.    54.  Jahrg.,  II.  Hälfte.     1897.    8®. 


342  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

SocUti  des  sciences  physiques  et  naturelles  in  Bordeaux: 
Proc^-yerbaux  des  s^nces  1894/95,  1895/96  et  1896/97.    09. 
Esquisse  d^une  carte  gMogique  des  environs  de  Bordeaux  par  ÂŁ.  Fallot. 

(1  Blatt.)    1895. 
M^moires.    V.  S^rie,  Tome  1,  cahier  1. 2;  Tome  2,  cahier  1.  2.    1895/96.   S^. 
Obseryations  pluviom^triqoes  1894/95,  1895/96.     1896/97.    8*^. 

SociStS  Linnienne  in  Bordeaux: 
Actes.    Vol.  50.     1896.    8«. 

Societi  de  gSographie  eommercidle  in  Bordeaux: 
Bulletin.     1897,  No.  23.  24;  1898,  No.  1—12.     1897/98.    8». 

American  Ă„cademy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 
Proceedings.    Vol.  33,  No.  5—12.    1897/98.    8^. 

American  FhHological  Association  in  Boston: 
Transactions.    Vol.  28.     1897.    8®. 

Geschäftsführung  der  69,  Plenarversamnüung  deutscher  Naturforscher 

und  Aerzte  in  Braunschweig: 

Festschrift  der  herzogl.  technischen  Hochschule.     1897.    8^. 

Die  medicin.  Festschrift :  Beitr&ge  zur  wissenscbaftl.  Medicin.    1897.    8^. 

Festgruss  des  Vereins  fĂĽr  Naturwissenschaft.     1897.    8^. 

Tageblatt  der  Versammlung.     1897.    4^. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Bremen: 
Abhandlungen.     Band  XIV,  3.     1898.    8^. 
Beitr&ge  s.  nordwestdeutschen  Volks-  und  Landeskunde.   Heft  2.    1897.    8^. 

Queefvsland  Museum  in  Brisbane: 
Annais  No.  4.    1897.    8<>. 

Verein  für  die  Geschichte  Mährens  und  Schlesiens  in  Brunn: 
Zeitschrift.    2.  Jahrg.,  1.  u.  2.  Hea.     1898.    8^, 

Natur  forschender  Verein  in  Brunn: 
Verhandlungen.    Band  35,  1896.     1897.    &^, 
XV.  Bericht  der  meteorol.  Commission,  1895.     1897.    8^. 

Acadimie  Boyaie  de  mSdecine  in  BrĂĽssel: 
Mdmoires  couronnds.    Tome  XV,  fasc.  2.  3.     1898.    8^. 
Bulletin.     IV.  Sdrie,   Tome  XI,   No.  11.     1897.     Tome  XII,  No.  1—5. 
1898.    8«. 

Acadimie  Boyaie  des  sciences  in  BrĂĽssel: 
Bulletin.    3.  Serie,  Tome  84,  No.  12,  1897;  Tome  85,  No.  1—5.    1898.   8<>. 
Annuaire  1898.     64«  ann^e.     S^. 
Programme  du  concours  1898  et  1899.     1898.    8^. 
Classe  des  lettres.    Concours  pour  les  anndes  1897—99.     1897.    8®. 

SocietS  des  Bollandistes  in  BrĂĽssel: 

Analecta   Bollandiana.    Tome  16,   fasc.  4.     1897.    Tome  17,   fasc.  1.   2. 
1898.    8^ 

Sociiti  entomologique  de  Belgique  in  BrĂĽssel: 
Annales.    Tome  41.     1897.    8^ 
Mämoires.    Tome  6.     1897.    Bfi, 

SocUtS  beige  de  gSologie  in  BrĂĽssel: 
Bulletin.    Tome  X,  2.  8.   XI.     1898.    8^. 


Verzeichnias  der  eingelaufenen  Druckschriften,  343 

Observaioire  Royale  in  BrĂĽssel: 

Annales.    Nouy.  S^r. 
Annales  asironomique.    Tome  7. 
Annales  mät^orologiqae.    Tome  3.  4.     1895 — 96.    4^. 
Annuaire.    Ann^e  66-64.     1889—97.    8^, 

Bibliographie  generale  de  Tastronomie  par  J.  G.  Honzeaa  et~A.  Lancaster. 
Tome  I,  2.     1889.    4». 

K,  ungarische  geologische  Anstalt  in  Budapest: 

Mittheilungen.    Band  XI,  6—8.    1897.    4^ 

Földtani  Közlöny.    Bd.  87,  10-12.     1897.    Bd.  38,  1—4.     1898.    4« 

Jahresbericht  fĂĽr  1895.     1898.    4<>. 

K,  ungarisches  Ă„ckerbauministerium  in  Budapest: 

Landwirthichaftliche  Statistik  der  Länder  der  ungarischen  Krone.    Bd.  II. 
III.    1897.    40. 

Officina  meteorologica  Argentina  in  Buenos  Aires: 
Anales.    Toma  XI.    1897.    4^. 

Botanischer  Garten  in  Buitenzorg  (Java): 
Mededeelingen.    No.  XXII— XXIV.    1898.    4^. 

Academia  Bomana  m  Bukarest: 

Analele.    Ser.  IL   Vol.  XV,  Sect.  iator;  Vol.  XVI,  Sect.  istor.  sciintif.; 

Vol.  XVII,  Partea  administrat.  Sect.  istor.     1895.    4**. 
Actes  et  Documents  rel.  &  Thistoire  de  la  rdg^n^ration  de  la  Ronmanie. 

Vol.  I,  2;  II— V;  VI,  1;  VII.     1888—92.    8^. 
N.  Manolescu,  Igiena  t^ranĂĽlĂĽi.     1895.    8^. 
0.  Cräiniceanu,  Igiena  t^ranülüi  Rom&n.    1895.    8^. 

Bumänisehes  meteorologisches  Institut  in  Bukarest: 

Analele.    Tom.  XII,  1896.    1898.    4^. 
Buletinul.    Anul  VI,  1897.     1898.    4P. 

Sociiti  Linneenne  de  Normandie  in  Caen: 
Bulletin.    4*  S^r.,  Vol.  10,  fasc.  3.  4;  5«  Sdr.,  Vol.  1,  fasc.  1.     1897.    8P. 

Meteorological  Department  of  the  Government  of  India  in  Calcutta: 

Monthly  Weather  Review.    August-Dezember  1897.    Januar  1898.    fol. 
Rainfall  of  India  5^  year  1895.     1896-    fol. 

Asiatic  Society  of  B  eng  cd  in  Calcutta: 

Bibliotheca  Indica.    New  8er.,  No.  901—909.    1897.    8^. 

Journal.    No.  362-369.     1897/98.    8«. 

Proceedings.     1897,  No.  V— XI.     1898,  No.  I— IV.    8«. 

The   Ea9mira9abdämrta,   a  Kä9mirl  graifiar  by  I9vara-Kaula.'![  £d.  by 
G.  A.  Grierson.    Part  I.     1897.    4» 

Geological  Survey  of  India  in  Calcutta: 

Memoire.    Vol.  25.  26.     1895—96.    27,  part  2.     1898.    4». 
Palaeontologica  Indica.    Ser.  XV,  Vol.  I,  4,  Vol.  II,  1,  Ser.  XVI,  Vol.  I, 
part  1—3.     1895/97.    fol. 

Astronomical  Observatory  of  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass, : 
Annais.    Vol.  41,  No.  5.    1898.    Vol.  42,  part  1.    1897.    4» 


344  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Philosophical  Society  in  Cambridge: 
Proceedings.    Vol.  IX.  7.  8.     1898.    8«. 
Transactions.    Vol.  XVI,  3.  4.     1898.    4». 

Museum  of  comparative  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.: 

Bulletin.     Vol.  28,   No.   4.  5;  Vol.  31,   No.  5—7;  Vol.  32,   No.   1-5. 
1897/98.    8». 

Ă„ccademia  Crioenia  di  scienze  naturaJi  in  Catania: 
Atti.    Serie  IV,  Vol.  10.     Anno  74.     1897.    40. 
Bullettino  mensile.    Nuova  Ser.,  fasc.  50—52.     1898.    ^9. 

Physikalisch  technische  Reichsanstält  in  Charlottenburg: 

Die  Tbätif^keit  der  physikalisch-technischen  Reichsanstält  im  Jahre  1897. 
Berlin  1898.    4«. 

K,  sächsisches  meteorologisches  Institut  in  Chemnitz: 

Jahrbuch.     XIII.  Jahrg.  1895,  II.  Hälfte;  XIV.  Jahrg.  1896,  Abih.  1.  2. 
1896/97.    40. 

Sociiti  des  sciences  naturelles  in  Cherbourg: 

M^moires.    Tome  30.    Paris  1896—97.    8« 

John  Crerar  Library  in  Chicago: 

3^  annual  Report  for  1897. 

Field  Colunibian  Museum  in  Chicago: 

Publications.    No.  22.  24.  25.     1897.    8». 

Zeitschrift  „The  Monist*'  in  Chicago: 

The  Monist.    Vol.  8,  No.  2—4.     1898.    8«. 

Zeitschrift  „The  Open  Court"  in  Chicago: 

The  Open  Court.    Vol.  XII,  No.  1—7.     1898.    4». 

Norsk  Folkemuseum  in  Christiania: 

Aarsberetning  1897.     1898.    4^. 

Chemiker-Zeitung  in  Cöthen: 

Chemiker-Zeitung  1898.    No.  1—42.  45—52.    fol. 

Äcademia  nacioncU  de  ciencias  in  Cördoha  CRepübl,  ÄrgentJ: 
Boletin.    Tom.  14,  No.  2.    1894.    15,  No.  4.     Buenos  Aires  1898.    80. 

Franz-JosephS' Universität  in  Czemowitz: 

Verzeichniss  der  Vorlesungen.    Sommer-Semester  1898.    8®. 

Die  feierliche  Inauguration  des  Rektors  am  4.  Oktober  1897.     1898.    8^. 

Historischer  Verein  fĂĽr  das  Grossher zogthum  Hessen  in  Darmstadt: 
Quartalblätter.     N.  F.,  1896,  No.  1—4.     1897,  No.  1—4.    8«. 

ijcole  polytechnique  in  Delft: 
Annales.    Tome  VIII,  3.  4.    Leiden  1897.    4<>. 

Colorado  Scientific  Society  in  Denver,  Colorado: 
The  Proceedings.     Vol   6.     1894—96.    8^. 
Bulletin.     No.  10  and  11  of  1897;  No.  1  of  1898.    B^. 

Acadtmie  des  Sciences  in  Dijon: 
Mdmoires.    IV.  S^rie.     Tome  5.     1896.    S^, 

Union  geographique  du  Nord  de  la  France  in  Douai: 
Bulletin.    Vol.  18,  trimestre  4.    1897.    Vol.  19,  trimestre  1.    1898.    B9, 


VerzHehniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  345 

Boy  dl  Irish  Ă„cademy  in  Dublin: 
Proceedinf(8.    Ser.  ĂśI.   Vol.  IV,  4,  5.     1897/98     S^. 
Transactiong.     Vol.  31,  pari  1—6.     1896—98.    4®. 
List  of  the  Membera.     1898.    S^, 

Boyal  Dublin  Society  in  Dublin: 
The  Scientific  Proceedings.    N.  S.    Vol.  VIII,  part  6.     1897.    b^ 
The  Scientific  Transactions.  Seriee  IL  Vol.  V,  No.  13;  Vol.  VI,  No.  2—13. 
1896-97.    40. 

American  Chemical  Society  in  Easton,  Pa,: 
The  Journal.    Vol.  XX,  No.  1—7.     1898.    S^. 

BoyaJ  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Vol.  XXI,  p.  473-549.    1897.   Vol.  XXII,  No.  1.    1898.   8«. 
Transactions.    Vol.  28,  part  III,  IV;  Vol.  29,  part  I.     1896—98.    4«. 

Geologicai  Society  in  Edinburgh: 

Transactions.    Vol.  VII,  3.    1897.    8^. 

Rolland  Lans  of  the  Edinburgh  Geologicai  Society.     1897.    8<^. 

Scottish  Microseopical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Vol.  2,  No.  2.    1897.    8<>. 

Boyal  Physical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Session  1896—97.     1897.    8®. 

Karl  FriedrichS'Gymnasium  zu  Eisenach: 
Jahresbericht  f.  d.  J.  1897—98.     1898.    4». 

K,  Akademie  gemeinnĂĽtziger  Wissenschaften  in  Erfurt: 
Jahrbücher.    N.  F.    Heft  24.     1898.    8«. 

Senckeiibergische  naturforschende  Gesellschaft  in  Frankfurt  ajM,: 
Abbandlungen.    Band  XXI,  1;  XXIV,  1.  2.     1897.    49. 
KaUlog  der  Reptilien-Sammlung,  Theil  IL     1898.    B^. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Frankfurt  ajO.: 

Helios.    Band  XV.    Berlin  1898.    S^. 

Societatum  Litterae.    Jahrg.  XI,  1897,  No.  7—12;   XII,  1898,  1—4.    8®. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Freiburg  ijBr.: 
Berichte.    Bd.  X,  Heft  1—8.    1897—98.    8«. 

Kirchlich-historischer  Verein  in  Freiburg  i/Br.: 

Freiburger  Diöcesan- Archiv.    26.  Band.     1898.    S^. 

Universität  Freiburg  in  der  Schweiz: 

Index  lectionum  per  menses  aestivos  anni  1898.    8^. 
Behörden,  Lehrer  und  Studirende.    Sommer-Semester  1898.    8^. 

K.  Gymnasium  in  FĂĽrth: 

Jahresbericht  für  1896/97.     1897.    S«. 

Societi  d^histoire  et  d'arcMologie  in  Genf: 
Bulletin.     Tome  II,  livr.  1.     1898.    8^. 

Museo  civico  di  storia  naturale  in  Genua: 
Annali.    Serie  IL    Vol.  XVIII.    1897.    8^. 

Oberhessischer  Geschichtsverein  in  Gfiessen: 
Mittheilungen.    N.  F.    7.  Band.     1898.    8«. 


346  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Oherlauaitzische  Gesellschaft  dtr  Wissenschaften  in  Görlitz: 

Neues  Lausitzisches  Magazin.    Band  73,  Heft  2.    1897.    Band  74,  Heft  1. 
1898.    8«. 

JT.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Gottingen: 

GOttingische  gelehrte  Anzeigen.     1898.    No.  I— VII.    Berlin.    4<^. 
Nachrichten,    a)  Mathem.  -  phjB.  Glasse.     1897,   Heft  8.     1898,   Heft  1. 

Berlin.    4Ă–. 

b)  Philol.-hist.  Clasee.  1897,  Heft  3.  1898,  Heft  1.  Berlin.  4«. 

c)  Philos.-hist.  Glasse.    Geschäftliche  Mittheilungen.    1897, 
Heft  2.    1898,  Heft  1.    Berlin.    4^. 

Abhandlungen.   N.  F.   Bd.  I,  No.  1  u.  2.   N.  F.   Bd.  II,  No.  4-6.    Berlin 
1898.    40.    Mathem.-physikal.  Glasie. 

The  Journal  of  Comparative  Neurology  in  GranvĂĽle  (U.St.A.J: 
The  Journal.    Vol.  VII,  No.  3.  4.     1898.    8^. 

Scientific  Laboratories  of  Denison  ĂĽniversity  in  GranvĂĽle,  Ohio: 
Bulletin.     Vol.  IX,  part  2.     1897.    8». 

Naturwissenschaftlicher  Verein  fĂĽr  Neu- Vorpommern  in  Greifswaid: 
Mittheilungen.    29.  Jahrgang  1897.    Berlin  1898.    8^. 

Fiersten-  und  Landesschule  in  Cfrimma: 
Jahresbericht  von  1897—98.     1898.    40. 

K,  Instituut  voor  de  Taäl-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandscli-Indie 

im  Haag: 
Bijdragen.    VI.  Reeks.    Deel  V,  aflev.  1.  2.    1898.    8^. 
Naamlijst  der  leden.     1898.    8^. 

SocUtS  Hollandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 
Archives  Näerlandaises  des  sciences  exactes.    S^r.  II.    Tome  1,  livr.  4.  5. 
La  Haye  1898.    8«. 

Nova  Scotian  Institute  of  Science  in  Halifax: 
The  Proceedings  and  Transactions.     Vol.  IX,  part  3.     1897.    8^ 

K.  K.  Obergymnasium  zu  Hall  in  Tirol: 
Programm  ftlr  das  Jahr  1897/98.    Innsbruck  1898.    8®. 

Kaiserl,  Leopoldinisch-Cardinische  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher 

in  Halle: 
Leopoldina.    Heft  33,  No.  12.    1897.    Heft  84,  No.  1—6.    1898.    4«. 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 
Zeitschrift.    Band  51,  Heft  4.   1897.    Band  52,  Heft  1.   1898.   Leipzig.   8<>. 
Indische  Studien.    Bd.  XVIII.    Leipzig  1898.     8<>. 

Universität  in  Halle: 
Verzeichniss  der  Vorlesungen.     Sommer-Halbjahr  1898.    8^. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  fĂĽr  Sachsen  und  ThĂĽringen  in  Halle: 
Zeitschrift  für  Naturwissenschaften.    Bd.  70,  Heft  3—6.    Leipzig  1898.    8«. 

ThĂĽring, -Sachs.  Geschichts-  und  AU erthums- Verein  in  Halle: 
Neue  Mittheilungen.     Band  19,  Heft  1.     1898.    QP. 

Mathematische  Gesellschaft  in  Hamburg: 
Mitteilungen.    Band  III,  8.    Leipzig  1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  Hamhurgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Mitteilungen.     18.  Jahrgang  1896/97.     1897.    8^. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschrifteft   .  347 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Hamburg: 
Verhandlungen.     1897.    IV.  Folge.    V.    1898.    80. 

Naturhistorische  Gesellschaft  in  Hannover: 
Festschrift  zur  Feier  des  lOOj&hrigen  Bestehens.     1897.    8^ 
Flora  der  Provinz  Hannover  von  W.  Brandes.     1897.    8^. 
Verzeichnis  der  im  Provinzialmuseam  za  Hannover  vorhandenen  Säuge- 
tiere.    1897.    8». 
Katalog  der  Vogel  Sammlung  aus  der  Provinz  Hannover.     1897.    8^. 
Katalog  der  systematischen  Vogelsammlung  des  Provinzialmuseums^in 
Hannover.    1897.    S^, 

Historischer  Verein  fĂĽr  Niedersachsen  in  Hannover: 
Zeitschrift.    Jahrgang  1897.    8^. 

Historisch-philosophischer  Verein  in  Heidelberg: 
Neue  Heidelberger  Jahrbücher.    Jahrg.  VIII,  Heft  1.    1898.    8®. 
Geschäftsfahrender  Ausschtiss  der  Beichslimeshommission  in  Heidelberg: 

Der  Obergermanisch-Baetiscbe  Limes.    Lfg.  I — VIII.     1894—97.    4P, 
Limesblatt.    No.  1-28.    Trier  1892—98.    8^. 

Finländisehe  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Helsingfors: 

Observations  de  Tlnstitut  mät^orologique  central.    Vol.  XV,  livr.  1  und 
Räsumd  des  annäes  1881—90.     1897.    fol. 

Verein  fĂĽr  siebenbĂĽrgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 

Archiv.    N.  F.    Band  XXVHI,  Heft  1.     1898.    S«. 
Urkundenbuch  zur  Geschichte  der  Deutschen  in  SiebenbĂĽrgen.     Band  II. 
1897.    gr.-80 

Verein  fĂĽr  Meiningisehe  Geschichte  und  Landeskunde  in  Hildburghausen: 
Schriften.    28.  u.  29.  Heft.     1897/98.    8^. 

Ungarischer  Karpathen- Verein  in  Iglö: 
Jahrbuch.    XXV.  Jahrg.     1898.    8®. 

Ostsibirische  Ă„btheilung  der  Kaiserlich  russischen  Geographischen  Gesell- 
schaft in  Irkutsk: 

Isweatija.     Bd.  28,  No.  4.     1897.     Bd.  29,  No.  1.     1898.    8^. 

Sapiski.     Tom.  I,  Heft  1.  3;    II.  Heft  1.  3;    III,  Heft  1.     1889-96.    8». 

Journal  of  Physical  Chemistry  in  Ithaca,  NY,: 
The  Journal.    Vol.  I,  No.  12.    1897.    Vol.  II,  No.  1—3.  6-6.    1898.    8«. 

Medicinisch-naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  Jena: 

Jenaische  Zeitschrift  fĂĽr   Naturwissenschaft.     Band  XXXI,   Heft  3  u.  4. 
Band  XXXII.     1898.    S^. 

Naturforschende  Gesellschaft  bei  der  Universität  Jurjew  (Dorpat): 
Sitzungsberichte.    Band  XI.    Jurjew  1898.    8^. 

Centralbureau  fĂĽr  Meteorologie  etc.  in  Karlsruhe: 
Jahresbericht  des  Centralbureaus  f.  d.  J.  1897.     1898.    4^. 

Socictd  physico-mathematique  in  Kasan: 
Bulletin.     IL  Serie.     Tome  VII,  No.  4;  VIII,  No.  1.     1898.    S«. 

Universität  Kasan: 
Utschenia  Sapiski.   Bd.  64,  Heft  12.    1897.     Bd.  66,  Heft  1-4.    1898.    8«. 
7  medicinische  Dissertationen  von  1897/98. 


348  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Verein  fĂĽr  hessische  Geschichte  und  Landeskunde  in  Kassel: 

Zeitschrift.    N.  F.     Band  XXIf.     1897.    8«. 
Mittheilungen.    Jahrgang  1896.     1897.    8^. 

Verein  fĂĽr  Naturkunde  in  Kassel: 
Abhandlungen  und  Bericht  XLII.     1897.    S^. 

SocUti  mathimatique  in  Kharkow: 
Communications.    2«  S^rie,  Tome  VI,  No.  2.  3.     1897.    4<>. 

SociSte  de  tnidecine  in  Kharkow: 

Travaux  1896.    No.  1.     1897.    S®. 

Universiti  Imperiale  in  Kharkow: 

Sapiski  1898.    Band  1—3.    8^. 
Annales  1897.    Heft  4.    8«. 

Universität  in  Kiew: 
Iswestija.    Band  87,  No.  11.  12.    1897.    Band  88,  No.  1-6.    1898.    8». 

Medicrnaturunssenschaftl,  Sektion  des  Museumsvereins  in  Klausenburg: 
firtesitö.    2  Hefte.     1897.    8<>. 

Physikaiisch-ökonomische  Gesellschaft  in  Königsberg: 
Schriften.     88.  Jahrgang.     1897.     4^ 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Oversigt.     1897,  No.  6;  1898,  No.  1-8.     8». 

M^moires.     6®  S^rie.     Section  des  Lettres,    Tome  IV,  4;    Section   des 
Sciences,  Tome  VIII,  6.     1898.    4<>. 

Nordiska  Museet  in  Kopenhagen: 

Samfundet  fOr   Nordiska  Museets  främjande  1895  och  1896.     1897.     8^ 
nebst  5  kleineren  Schriften. 

Gesellschaft  fĂĽr  nordische  Alterthumskunde  in  Kopenhagen: 

Aarböger.     II.  Eaekke,  12.  Bind,  4.  Heft  und  Tillaeg.     1897.     13.  Bind, 

1.  Heft.     1898.    8». 
Mämoires.    Nouv.  Sdr.  1897.     1898.    8^. 

Genealogisk  Institut  in  Kopenhagen: 
Etatsraad  Knud  Nicolai  Enudsens  Ungdomserindringer.    I  uddrag  med- 
delte  af  Sofus  Elvius.     1898.    8<>. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 
Anzeiger.     1897,  December;  1898,  Januar— Mai.    8®. 
Rozprawy.     Ser.  II.    Tom.  11.     1897.    8». 
BibHoteka  pisarzow  polskich.    Tom.  84.  35.     1897.    8®. 
Bocznik.     Rok  1896/97.     1897.    8«. 
Scriptores  rerum  Polonicarum.     Tom.  16.     1897.    B9, 
Acta  Rectoralia.     Tom.  1,  fasc.  4.     1897.     S^. 
Sprawozdanie  komisji  fizjograf.    Tom.  32.     1897.    8®. 
M.  Federowski,  Lud  Biatoruski.    Tom.  1.     1897.    8^. 
F.  KiekosiĂĽski,  Rycerstwo  Polskie.     Tom.  1.  2.     1896.    8^. 

Botanischer  Verein  in  Landshut: 
16.  Bericht  über  d.  J.  1896—97.    S^. 

Societi  Vaudoise  des  sciences  naturelles  in  Lausanne: 
Bulletin.    IV.  Sdrie,  Vol.  83.  No.  126.  127.     1897/98.    8». 


..-.  ^ 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  349 

Kansas  Academy  of  Science  in  Lawrence,  Kansas: 
Transactions.    Vol.  XV.    Topeka  1898.    8^. 

Kansas  University  in  Lawrence,  Kansas: 
The  Kansas  University  Qaarterly.    Vol.  VI,  No.  4,  Serie«  A  u.  ß.     1897. 
Vol.  VII,  Serie  A,  No.  1.     1898.    8^ 

Maatsdiappij  van  Nederlandsche  Letterkunde  in  Leiden: 
Tijdschrift.    N.  Serie.    Deel  XVII,  1.  2.     1898.    8®. 

Archiv  der  Mathematik  und  Physik  in  Leipzig: 
Archiv.    II.  Reihe.    Band  16,  Heft  2.     1898.    8^ 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 

Abhandlungen  der  math.-phys.  Classe.    Bd.  XXIV,  No.  2.  3.     1898.    4^. 

Berichte  der  philol.-hist.  Classe.    Band  50,  No.  2. 

Berichte  der  mathem.-physik.  Classe.    1897,  V,  VI.     1898,  I.  II.    8<>. 

Journal  fĂĽr  praktische  Chemie  in  Leipzig: 
Journal.    N.  F.    Bd.  56,  Heft  10—12;  Bd.  57,  Heft  1—9.     1897/98.    ^. 

Verein  fĂĽr  Ei'dkunde  in  Leipzig: 
Mittheilungen  1897.     1898.    8®. 

Anthropologischer  Verein  in  Lemherg: 

Lud.      Organ   des   anthropologischen   Vereins   in    Lemberg.     Tom.  IV, 
Heft  1.  2.     1898.    8^. 

Sociedade  de  geographia  in  Lissabon: 
Boletin.     16.  Serie,  No.  7.  8.    1897.    8^. 

ĂĽniversitS  Catholique  in  Loewen: 
Annuaire  1898.    8^. 
Schriften  der  Universität  a.  d.  J.  1891—97.    8<>. 

Zeitschrift  „La  Cellute"  in  Loewen: 
La  Cellule.    Tome  XHI,  2.     1897.    Tome  XIV,  1.    4«. 

Boycd  Institution  of  Great  Britain  in  London: 
Proceedings.     Vol.  XV,  part  2.     1898.    8<>. 

The  English  Historicdl  Review  in  London: 
Historical  Review.    Vol.  XIII,  No.  49.  50.    1898.    8^. 

Boyal  Society  in  London: 
Year-Book  1897—8.    8». 
Proceedings.    Vol.  62,  No.  382—388.    Vol.  63,  No.  389—398.     1898.    8®. 

R,  Astronomical  Society  in  London: 
Monthly  Notices.     Vol.  58,  No.  2—7.     1897/98.    8». 

Chemical  Society  in  London: 

Journal.     No.  42*2—427  (January— June  1898).    e9, 
Proceedings.    No.  187—197.    Session  1897/98.    8«. 

Geological  Society  in  London: 
The  quarterly  Journal.    Vol.  53,  part  1—4.     1897.    8^, 
Geological  Literature  1896.     1897.    8^. 

Royal  Microscopical  Society  in  London: 
Journal.     1898,  part  1—8.    8®. 


350  Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Zoölogical  Society  in  London: 

Proceedings.     1897.    Part  IV.     1898.    Part  I.     1898.    8®. 
Transactions.     Vol.  XIV,  pari  5.  6.    4^. 

Zeitschrift  „Nature"  in  London: 

Nature.    No.  1472—1496.     1898.    4®. 

Missouri  Botaniccd  Garden  in  St,  Louis: 
8^  and  9^^  annual  Report.    1892  n.  1898.    S^. 

SocUtS  gSologique  de  Belgique  in  Luttich: 

Annales.    Tome  22,  livr.  3;  Tome  23,  livr.  3;  Tome  24,  livr.  2;  Tome  25, 
livr.  1.     1894—98.    8». 

Sociiti  Boyale  des  Sciences  in  LĂĽttich: 
Mämoires.    II.  S^rie,  Tome  20.    Bruxelles  1898.    8®. 

Universität  in  Lund: 
Acta  Universitatis  Lnndensis.    Tom.  33,  afdel.  1.  2.    1897.    4^. 

SocUte  botanique  in  Luxemburg: 
R^cueil  des  m^moires  et  des  travaux.    No.  XIII.     1890—96.    1897.    8^. 

Acadimie  des  sciences  in  Lyon: 
Mämoires.    Sciences  et  Lettres.   III«  S^rie.   Tome  4.   Paris  1896.   gr.-8^. 

SocietS  d'agriculture  science  et  industrie  in  Lyon: 
Annales.    VII.  S^rie.    Tome  4.    1896.     1897.    gr.-Sf^. 

Sociiti  Linneenne  in  Lyon: 
Annales.    Tome  43.     1896.    gr.^S^. 

B,  Ă„cademia  de  ciencias  exactas  in  Madrid: 
Memorias.    Tomo  XVlf.     1897.    4<>. 

Discursos  leidos  en  la  recepciön  publica  de  Pr.  M.  Sagasta.     1897.    4^. 
Annario  1898.    ^, 

B.  Ă„cademia  de  la  historia  4n  Madrid: 
Boletin.    Tomo  82,  cuad.  1—6.    1898.    8». 

Biblioteca  liazionaie  di  Brera  in  MaĂĽand: 
Lud.  Frati,  I  Ck>dici  Morbio  della  R.  Biblioteca  di  Brera.   Forli  1897.   49. 

B.  Istituto  Lombardo  di  scienze  in  Mailand: 
Memorie.    Vol.  XVIII,  fasc.  5.     1898.    4«. 

B.  Osseroatorio  astronomico  in  MctUand: 
Osservazioni  meteoroloji^iche  eseguite  neir  anno  1897.     1898.    4®. 

Societä  Italiana  di  scienze  naturali  in  Maüand: 
Atti.    Vol.  37,  fasc.  2.    1898.    80. 

Societä  Storica  Lombarda  in  Maüand: 

Archiyio  Storico  Lombardo.    Ser.  III.    Anno  24,  fasc.  16.    1897.    Anno  25, 
fasc.  17.  18.     1898.    8«. 

Ortsausschuss  fĂĽr  deutsche  Nationalfeste  in  Mainz: 
Die  Reicbsfeststätte  bei  Mainz.    Denkschrift.     1897.     8^. 

Liter ary  and  phĂĽosophical  Society  in  Manchester: 
Memoirs  and  Proceedings.    Vol.  42,  pari  I.  II.     1898.    8*. 

Faculte  des  sciences  in  Marseäle: 
Annales.    Tome  VIII,  fasc.  5—10  et  tables.    1898.    4». 


Vereeichnias  der  eingelaufenen  JDrackachnften.  351 

FĂĽrsten'  und  Landesaehule  8t,  Ă„fra  in  Meisaen: 

Jahresbericht  fĂĽr  das  Jahr  1897/98.     1898.    4^, 

Boy  cd  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 

Transactions  and  Proceedinffs.    Vol.  XXII.  XXIII,  XXIV,  part  I.  II.    New 
Series.    Vol.  1-IX,  X,  part  I.     1888—97.    8». 

Bivista  di  Storia  Ă„ntica  in  Messina: 
RiviBta.     Anno  III,  fasc.  1.     1898.    8^. 

Ohservatorio  meteorolögico-magnStico  central  in  Mixico: 

Boletin  mensual.     Octubre— Diciembre  1897.    Enero,  Febrero  1898.    4®. 
Resnmenes  mensnales  de  1891  j  1892.     1897.    4<^. 

Sociedad  cientifica  „Antonio  Alzate**  in  Mexico: 

Memorias.    Tomo  10,  No.  6-10.     1897.    Tomo  11,  No.  1— 4.     1898.    S^. 

Ă„mministrazione  delle  Pubblicazioni  Cassinesi  in  Montecassino  (Caserta): 

Spicilegium  Casinense.    Tomas  III,  pars  prior.     1897.    4^ 

Internationales  Tausch-Bureau  der  Bepublik  Uruguay  in  Montevideo: 

Anuario  estadfstico  de  rĂĽmgnay.    Afio  1896.     1898.    40. 

Ă„cadSmie  de  sciences  et  lettres  in  Montpellier: 

M^moires.    Section  des  lettres.    2*  Särie.    Tome  1,  No.  5 — 7.    Tome  2, 

No.  1. 
Section  des  sciences.  2«  86t.  Tome  2,  No.  2—4.  1896—97.  8^. 

Numismatic  and  Ă„ntiquarian  Society  in  Montreal: 
The  Canadian  Ă„ntiquarian.     III^  Series.     Vol.  I,  No.  2.     1898.    8^. 

SociHi  Imphriale  des  Naturalistes  in  Moskau: 
Bulletin.    Annöe  1897,  No.  2—4.     1897/98.    8». 

Mathematische  Gesellschaft  in  Moskau: 
Matematitscheskij  Sbornik.    Band  I— XX.     1866—97.    8^. 

Statistisches  Amt  der  Stadt  MĂĽnchen: 
Münchener  Jahresübersichten  für  1896  (Mitteilungen  XVI,  1).    1898.   4«. 

Deutsche  Gesellschaft  fĂĽr  Anthropologie  in  Berlin  und  MĂĽnchen: 
Correspondenzblatt.    Jahrg.  28,  No.  11.  12.    1897.    Jahrg.  29,  No.  1—6. 
1898.    40. 

K.  Armeebibliothek  in  MĂĽnchen: 
I.  Nachtrag  zum  BĂĽcherkatalog  der  k.  Armeebibliothek  vom  Jahr  1885. 
1898.    8<>. 

K.  bayer.  technisclhc  Hochschvie  in  MĂĽnchen: 
Personalstand.    Sommer-Semester  1898.    8®. 

Metropolitan- Kapitel  MĂĽnchen-Freising  in  MĂĽnchen: 

Schematismus  der  Geistlichkeit  fĂĽr  das  Jahr  1898.    8^. 

Amtsblatt  der  Erzdiözese  München  und  Freising.     1898,  No.  1—18.    8<>. 

K.  Staatsministerium  des  Innern  fĂĽr  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten 

in  MĂĽnchen: 
Ergebnisse   der  Untersuchung   der  Hochwasser  Verhältnisse  im  deutschen 
Rheingebiete.     Heft  V.    Beriin  1898.    fol. 

Universität  in  München: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4^  u.  S^, 

Amtliches  Verzeichniss  des  Personals.    Sommer-Semester  1898.    8®. 
Verzeichniss  der  Vorlesungen.    Sommer- Semester  1898.   Winter-Semester 
1898/99.    40. 

1808.  Bitiuigsb.  d.  mailL-phys.  Ol.  23 


352  Verzeichnias  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Ă„er etlicher  Verein  in  MĂĽnchen: 
Sitzungsberichte.    Vol.  VII,  1897.     1898.    S«. 

Historischer  Verein  in  MĂĽnchen: 
Monatsschrift.     1898,  No.  1—4.    8^. 

K,  Oherhergamt  in  MĂĽnchen: 
Geognostische  Jahresbefte.    IX.  Jahrgang  1896.    Cassel  1897.    4^. 

Verlag  der  Hochschttl' Nachrichten  in  MĂĽnchen: 
Hochschul-Nachrichten.     1898,  No.  88—98  (Januar— Juni).     4<>. 

K.  hayer.  meteorologische  Zentralstation  in  MĂĽnchen: 
Beobachtungen  der  meteorologischen  Stationen  des  Königreichs  Bayern. 

19.  Jahrgang,  Heft  1—3.     1897/98.    4^. 
üebersicht  über  die  Witterungsverhaitniase.    1897,  November— December. 

1898,  Januar— Mai.    fol. 

Westphal.  ProvinziaH'Verein  fĂĽr  Wissenschaft  und  Kunst  in  MĂĽnster: 
25.  Jahresbericht  für  1896/97.     1897.    8«. 

Acadimie  de  Stanislas  in  Nancy: 
M^moires.     5*  S^rie.    Tome  14.     1897.    8®. 

SociH6  des  sciences  in  Nancy: 
Bulletin.     Särie  II.     Tome  14,  fasc.  31,  1896.     1897.    8^. 

Reale  Ă„ccademia  di  scienze  moraJi  et  politiche  in  Neapel: 
Atti.    Vol.  29.     1898.    8^ 
Rendiconto.     Anno  36.     1897.    8^. 

Ă„ccademia  delle  scienze  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Rendiconto.   Serie  8.  Vol.  3,  fasc.  12.   1897.   Vol.  4,  fasc.  1—5.   1898.   4». 

Zoologische  Station  in  Neapel: 
Mittheilungen.     13.  Band,  Heft  1  u.  2.    Berlin  1898.    8^. 
North  of  England  Institute  of  Engineers  in  New-Castle  (upon-Tyne) : 
Transactions.    Vol.  46,  part  6;    Vol.  47,  part  2.  3.     1898.    8^. 
An  Account  of  the  Strata  of  Northumberland  U — Z.     1897.    8®. 

The  American  Journal  of  Science  in  New-Haven: 

Journal.    IV.  Series.     Vol.  V,   No.  25—29.    Vol.  VI,  No.  31.     1898.    S^. 

American  Museum  of  Natural  History  in  Neto-York: 

Bulletin.     Vol.  IX.     1897.    8^ 

American  Oeographical  Society  in  New- York: 

Bulletin.    Vol.  29,  No.  4.     1897.    Vol.  30,  No.  1.  2.     1898.    8<>. 

Archaeological  Institute  of  America  in  New -York: 

American  Journal  of  Archaeology.     Vol.  Xf,    No.  4.     (Oct.  — Dec.  1896.) 
II.  Series.     Vol.  I,  No.  1.  2.  4.  5.     1897/98.    S®. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  der  Stadt  NĂĽrnberg: 

Jahresbericht  1895,  1896  u.  1897.     1896—98.     8«. 
Mittheilungen.    Heft  XII,  Abth.  1.  2.     1896—98.    8» 
Des  Hieronymus  Braun  Prospekt  der  Stadt  NĂĽrnberg   vom  Jahre  1608. 
1896.    fol. 

Germaniaches  Nationalmuseum  in  NĂĽrnberg: 

Anzeiger.    Jahrgang  1897.    8®. 

Mittheilungen.    Jahrgang  1897.    8^. 

Katalog  der  Gewebesammlung.    Th.  I.     1897.    8^. 


Versseiehniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  353 

Neuru88i8che  naturforschende  Gesellschaft  in  Odessa: 
Sapiiki.    Tom.  XVUI,  XXI,  2;  XXII,  1.     1897—98.    8». 

Historischer  Verein  in  OsnabrĂĽck: 
OsnabrĂĽcker  Oeschichtsqnellen.    Band  III,  Heft  1.     1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  und  Landeskunde  in  OsnabrĂĽck: 
Mittheilungen.    22.  Band,  1897.     1898.    8«. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  und  Altertumskunde  Westfalens  in  Paderborn: 

Zeitschrift  für  vaterländische  Geschichte.     Bd.  66  und  Ergänzungsheft  I, 
Liefg.  4.    MĂĽnster  1897.    8^. 

B.  Ă„ccademia  di  scienze  in  Padua: 
Atti  e  Memorie.    Nuova  Serie.    Vol.  Xm.    1897.    8«. 

Circolo  matematico  in  Palermo: 
Rendiconti.    Tomo  XII,  fasc.  1—4.    1898.    4«. 

Collegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 
Atti.  Anno  1897,  Agosto— Dicembre.  1898,  Gennaio— Aprile.  1897—98.  49. 

Ă„cadSmie  de  midecine  in  Paris: 

Rapport  sur  les  vaccinations  pendant  Tannäe  1894  et  1895.  Melun  1896.  4^. 
Rapports  annuels  de  la  Commission  permanente  de  Thygibne  de  Tenfance 

pour  rannte  1895  et  1896.     1895/96.    8^. 
Memoires.    Tome  86,  fasc.  1.  2;  Tome  87,  fesc.  1.  2.     1891—95.    4®. 
Bulletin.     1898,  No.  1—27.    8^. 

JcadSmie  des  sciences  in  Paris: 
Oeuvres  complMes  d*Augustin  Cauchy.    Särie  I.    Tome  9.  10.    1896/97. 

Sdrie  IL    Tome  3.     1897.    40. 
Comptes  renduB.    Tome  126,  No.  1—26.     1898.    4°. 

Btbliothkque  nationaie  in  Paris: 
Notice  sur  les  manuscrits  syriaques  acquis  depuis  1874.   Par  J.  B.  Chabot. 
1896.    40. 

£cole  pölytechnique  in  Paris: 
Journal.    II.  Särie.    2«  cahier.     1897.    4®. 

Comiti  international  des  poids  et  mesures  in  Paris: 
Procbs-verbauz  des  sdances  de  1897.    8^. 

Minister e  de  Vinstruction  publique  in  Paris: 
Bibliographie  des  travaux  scientifiques  des  soci^t^s  savantes  de  la  France 
par  J.  Deniker.    Tome  1,  livr.  2.     1897.    4«. 

Moniteur  Scientifique  in  Paris: 
Moniteur.    Livr.  671  (Nov.  1897),  Livr.  674-679  (F^vrier-Juillet  1898).    40. 

Musie  Guimet  in  Paris: 
Petit  Guide  illustrd,  par  L.  de  Millou^.     Nouv.  r^cension.     1894.    8^. 
Annales  in  4».     Tome  XXVI,  part  2.  3.     1897. 

Revue  de  l'histoire  des  räligione.     Tome  33,  No.  3;  Tome  34,  No.  1 — 3; 
Tome  35,  No.  1-3;  Tome  86,  No.  1.  2.     1896/97.    8^. 

Musium  d'histoire  naturelle  in  Paris: 
Bulletin.    Annöe  1896,  No.  7.  8.    Annde  1897,  No.  1—8.    8^. 
Nouvelles  Archivee.    86r.  lU.  Tome  VUI,  fwc.  1.  2.     1896.    Tome  IX, 
fasc.  1.     1897.     40. 


354  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

SocUtS  cPanthropologie  in  Paris: 
Bulletins.    IV.  Sörie,  Tome  VII,  6.  6.   1896.   Tome  VIII,  1—4.    1897.   8^ 

SociiU  des  itudes  JUstoriques  in  Paris: 
Reyne.    63«  annde  1897,  No.  4,  64«  ann^e  1898,  No.  1—3.    ^, 

SociiU  de  giographie  in  Paris: 
Comptes  rendus.     1897,  No.  18—20;  1898,  No.  1—5.    ^, 
Bulletin.     VII.  Särie.    Tome  17,   4fi  trimestre;  Tome  18,  3«  trimestre 
Tome  19,  1«  trimestre.     1896/98.    8«. 

SociiU  mathimatique  de  France  in  Paris: 

Bulletin.      Tome  26,  No.  8.  9  et  demier.     1897.    Tome  26,   No.  1—3 
1898.    8». 

Ă„cadimie  Imphiale  des  sciences  in  St,  Petersburg: 

M^moires.    VIII*  S^rie.     1.  Glaase  historico-philologique,   Vol.  I,   No.  7 

Vol.  II,  No.  1.  2.    2.  Classe  physico-math^matique,  Tome  5,  No.  6 — 19 

Tom.  6,  No.  1—3.  6.     1897—98.    4«. 
Byzantina  Chronika.     Tom.  IV,  3  u.  4.     1897.    40. 
Bulletin.    V.  S^rie,  Tome  VII,  No.  2. 

Comiti  giologique  in  St.  Petersburg: 

BuUetins.     1897,  XVI,  3—9.    ^, 

Kaiserlich  russische  archäologische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 

Sapiski.    Orientalische  Abtheilung.    Bd.  10,  Heft  1—4.     1897.    4^. 

Kaiserl,  mineralogische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 

Verhandlungen.    II.  Serie.    Bd.  35,  Lfg.  1.     1897.    8<>. 

Sach-  und  Namenregister  der  11.  Serie  1885—1895.     1898.    8^. 

Physikalisch-chemische  Gesellschaft  an  der  kaiserl,  Universität 

in  St,  Petersburg: 

Schumal.    Tom.  29,  No.  9,  1897;  Tom.  30,  No.  1  u.  2.  3.    1898.    8<>. 

Musie  eoologique  de  VĂ„cademie  Imperiale  in  St.  Petersburg: 

Annuaire  1897.    No.  4.    8<>. 

Physikalisches  Central-Observatorium  in  St.  Petersburg: 

Annalen.    Jahrg.  1896,  partie  I.  II.     1897.    4^. 

Kaiserliche  Universität  in  St,  Petersburg: 

Godischni  Akt  (Jahrbuch).     1898.    8^. 

Ă„cademy  of  natural  Sciences  in  Philadelphia: 

Proceedinga.     1897,  part  II.  III.    8^. 

American  pharmaceuticcU  Association  in  Philadelphia: 

Proceedings.    45^^  Meeting  at  Lake  Minnetonka,  August  1897.    8^. 

Geographica!  Society  in  Philadelphia: 

Charter,  By-Laws,  List  of  Members.     1898.    8^. 

Alumni  Association  of  the  College  of  Pharmacy  in  Philadelphia: 

Alumni  Report    Vol.  34,  No.  1—5.     1898.    S« 

American  Philosophical  Society  in  Philadelphia: 

Proceedings.    Vol.  36,  No.  156.     1897.    8^. 

22.  Scuola  normale  superiore  di  Pisa: 

Annali.     Vol.  XIX.     1897.    8^. 

Societa  Toscana  di  sdenee  naturali  in  Pisa: 
Atti.   Processi  verbali.  Vol.X,p.  243-292;  Vol.  XI,  p.  1—10.  1897-98.  4 


Verzeichnias  der  eingelaufenen  Druckschriften,  355 

K.  Gymnasium  in  Plauen: 
Jahresbericht  fOr  1897/98  nebst  Programm.    1898.    A^. 

Historische  Gesellschaft  in  Posen: 
Zeitschrift.    12.  Jahrg.,  Heft  2—4.    1897.    8<>. 

K,  geodätisches  Institut  in  Potsdam: 
Die  Polböhe  yon  Potsdam,  Heft  I.    Berlin  1898.    4<>. 
Bestimmungen  Yon  Azimuten  im  Harzgebiete.     Berlin  1898.    4^. 

Ă„strophysikdlisches  Observatorium  in  Potsdam: 
Publicationen.    Bd.  XL     1898.    4^ 

Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und 

Literatur  in  Prag: 

Beiträge  zur  deatscb-böhmischen  Volkskunde.     Bd.  I,  3;  II,  1.    1898.    8^. 
Mittbeilung.    No.  VTH.     1898.    8». 
Rechenschaftsbericht  fĂĽr  das  Jahr  1897.     1898.    ^. 

K,  Böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Prag: 

Pam&tnfk  na  oslavu  st^ch  narozenin  FrantiSka  Palackeko.     1898.    8^. 
Jahresbericht  fĂĽr  das  Jahr  1897.     1898.    8^. 

Sitzungsberichte    1897.    a)  Classe  fdr  Philosophie,    1897.     b)   Mathem.* 
naturw.  Classe,  1897.  I.  IL     1898.    S^. 

Mathematisch-physikalische  Gesellschaft  in  Prag: 

Ă–asopis.    Bd.  26,  No.  4;  Bd.  27,  No.  8  u.  6.    1898.    Q^. 

Lese-  und  Bedehalle  der  deutschen  Studenten  in  Prag: 

Bericht  ĂĽber  das  Jahr  1897.     1898.    8^. 

Museum  des  Königreichs  Böhmen  in  Prag: 

Pam&tky.    Vol.  17,  sesit  4—8;  Vol.  18,  sesit  1.  2.     1896—98.    4». 
Ă–asopis.    Bd.  71,  Heft  1-6.     1897.    8^ 

K,  K,  Sternwarte  in  Prag: 

Magnetische  und  meteorologische  Beobachtungen  im  Jahre  1897.   58.  Jahr- 
gang.    1898.    40. 

Deutsche  Carl -Ferdinands -Universität  in  Prag: 

Die  feierliche  Installation  des  Bectors  fĂĽr  das  Jahr  1897/98.     1897.    ^. 
Ordnung  der  Vorlesungen.    Sommer-Semester  1898.    8^. 

Zeitschrift  „Kr 6k"  in  Prag: 

.Krok*.     Bd.  XII,  No.  1—3.     1898.    8». 

Verein  fĂĽr  Natur-  und  Heilkunde  in  Presshurg: 

Verhandlungen.    Jahrg.  1894—96,  N.  Folge,  Heft  9.     1897.    8^. 

Archaeologicdl  Institute  of  America  in  Princeton  (New- Jersey): 
American  Journal   of  Archaeology.    Vol.  XI,   No.  1—4;   XII,   No.  1—4. 
1895-96.    80. 

B.  Ă„ccademia  dei  Lincei  in  Born: 
Atti.    Ser.  V.   Classe  di  scienze  fisiche.   Rendiconti.   Vol.  VI,  Semestre  2, 

fasc.  12;  Vol.  VII,  Semestre  1,  fasc.  1—11.    1897—98.    40. 
Atti.    Ser.  V.    Classe  di   scienze   morali.    Vol.  4,   parte   1.     Memorie. 

Vol.  5,   parte  2.    Notizie  degli  scayi.    Novembre  -  Decembre   1897. 

Gennaio-Marzo  1898.    4<>. 
Rendiconti.     Classe  di   scienze  morali.     Serie  V.   Vol.  VI,   fasc.  11.  12. 

1897.    Vol.  VIL  fasc.  1—4.    189a    8». 
Annuario  295  (1898).    8^. 


356  Verzei^nisa  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Ă„ccademia  Pontificia  de*  Nuovi  Lincei  in  Rom: 
Atti.    Anno  61,  Sessione  I— III.     1897/98.    4^ 

B.  Comitato  geölogico  d^Italia  in  Born: 
Bollettino.     Anno  1897,  No.  3.  4.    S^. 

Kais,  deutsches  archäologisches  InstittU  (röm,  Äbth,)  in  Bom: 
Mittheilonf^en.    Band  XII,  fasc.  3.  4.     1898.    8^. 

B.  Ministero  della  Istruzione  pubblica  in  Bom: 
Indici  e  cataloghi  IV.    I.  codici  Palatini.    Vol.  2,  fasc.  5.     1897.    8^. 
Le  opere  di  Galileo  Galilei.    Vol.  VII.    Firenze  1897.    4» 

B.  Corpo  delle  miniere,  Ufficio  geölogico  in  Bom: 
Carta  geologica  delle  Alpi  Apaane  in  4  fogli  e  3  tavole  di  sezioni.  1897.  fol. 

Service  de  la  carte  giologique  d*Itdlie  in  Bom: 
Garte  g^ologiqae  d*IUlie  fenilles  236—288,  241—248,  245—247,  255,  263, 
264  et  Table  1.  2.     1897.    fol. 

B.  Societä  Bomana  di  storia  patria  in  Bom: 
Archivio.     Vol.  XX,  fasc.  3.  4.    1897.    8®. 

Societi  Batave  de  philosophie  experimentcde  in  Botterdam: 
Programme  1897.    8®. 

Ă„cadimie  des  sdences  in  Bouen: 
Pr^cis  analytique  des  travaux.   Annäe  1895—96.     1897.    8^. 

B.  Ă„ccademia  di  scienze  degli  AgiaH  in  Bovereto: 
Atti.    Serie  DI,  Vol.  3,  fagc.  4.    80. 

Essex  Institute  in  Salem: 
Bulletin.    Vol.  26,   p.  65—202;   Vol.  27,   p.  1—147;  Vol.  28,  p.  1—56; 
Vol.  29,  p.  1—49.     1894/97.    8«. 

Gesellschaft  fĂĽr  Salzburger  Landeskunde  in  Salzburg: 
MittheĂĽongen.    37.  Vereinsjahr.     1897.    8^. 

Historischer  Verein  in  St.  GaUen: 
Die  Vadianische   Briefsammlung  der   Stadtbibliothek   St.   Gallen.    III. 

Heraosg.  v.  Emil  Arbenz.     1897.    B^, 
Ferdinand  FĂĽrchtegott  Huber  v.  Karl  Nef.     1898.    4^. 

Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  St,  Gallen: 
Bericht  über  das  Jahr  1895—96.     1897.    80. 

Instituto  y  Observatorio  de  marina  de  San  Fernando  (Cadiz): 
Almanaque  naĂĽtico  1899.     1897.    09. 

Californio  Academy  of  Sciences  in  San  Francisco: 

Contributions  to  Biology.    No.  X,  XL     1897.    8«. 

Proceedings.    III^  Series,  Zoology,  Vol.  I,  No.  5;  Botany,  Vol.  1,  No.  2; 
Geology,  Vol.  1,  No.  3.     1897.     4°. 

Museu  Patdista  in  S.  Paulo: 
Revista  do  Museu  Paulista.    Vol.  2.    1897.    8^. 

Bosnisch-Herzegowinische  Landesregierung  in  Sarajevo: 
Ergebnisse  der  meteorologischen  Beobachtungen  im  Jahre  1896.    Wien 
1897.    40. 


Vergeichnias  der  eingelaufenen  Drueksehriften,  357 

Verein  fĂĽr  mecklenburgische  Geschichte  in  Schwerin: 
Mecklenburgisches  Urkundenbacb.    Band  17.  18.     1897.    4<>. 

K.  K,  archäologisches  Museum  in  Spalato: 

Bullettino    di    Arcbeologia.      Anno   XX,    1897,    No.    12;    XXI,    1898, 
No.  1—3.    80. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  und  Ă„lterthĂĽmer  in  Stade: 
Qeschicbte  der  Stadt  Stade,  y.  M.  Bahrfeldt.     1897.    8^. 

Gesellschaft  fĂĽr  Pommer^sche  Geschichte  in  Stettin: 
Baltische  Stadien.    Neue  Folge,  Band  1.     1897.    8^. 

JT.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 
Handlingar.    N.  F.    Band  29.     1896—97.    4». 

K,  Vitterhets  Historie  och  Ă„ntiquitets  Akademie  in  Stockholm: 

M^nadsblad.    28.  Jahrg.  1894.     1897-98.    8». 

Antiquarisk  Tidskrift  för  Sverige.    Bd.  XVI.  4.     1895—98.    8^. 

K.  öffentliche  Bibliothek  in  Stockholm: 

Register  1886—95.     1896—98.    S^. 

Sveriges  offentliga  bibliotek  Accessions- Katalog  12.    1897.     1898.    8^. 

Geologiska  Förening  in  Stockholm: 
Förhandlingar.    Band  XIX,  Heft  7;  Band  XX,  Heft  1—4.     1898.    8«. 

Institut  Royal  giologique  in  Stockholm: 

Sveriges  geologiska  undersökning.   SeriesC,  No.  161.  163 — 171.  173  —  175. 
1896—97.    8<>. 

Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  in  Strassburg: 
Monatsbericht.    Bd.  31,  No.  8—10.    1897.    Bd.  32,  No.  1—4.    1898.    8^. 

K.  WĂĽrttewh.  statistisches  Landesamt  in  Stuttgart: 
WĂĽrttembergische  JahrbĂĽcher  fĂĽr  Statistik.    Jahrg.  1897.     1898.    4^. 

Department  of  Mines  and  Agrictdture  of  New -South -Wales  in  Sydney: 

Records.    Vol.  5,  part  4.     1898.    4«. 
Mineral  Resources,  No.  1.  2.     1898.    8<>. 

Observatorio  astronömico  nacional  in  Tacubaya: 

Boletfn.    Tomo  2,  No.  3.     Mexico  1898.    4^. 
Anuario.    Ano  XVIII.     Aiio  de  1898.     1897.    8«. 

Kaiserliche  Universität  Tokyo  (Japan): 
Mittheilungen  aus  der  medicinischen  Facultät.   Bd.  III,  No.  3.    1897.    4^. 

Canadian  Institute  in  Toronto: 

Proceedings.     Vol.  I,  parts  4  and  5.     1898.    8®. 
Transactions.     Vol.  V,  part  2.     1898.    8®. 

Facuite  des  sciences  in  Toidouse: 

Annales.     Tome  11,  Ann^e  1897;  12,  Ann^e  1898.    4^. 

R.  Accademia  delle  scienze  in  Turin: 

Atti.    Vol.  83,  disp.  1—18.    1897—98.    8*\ 


h 


IL 


358  Verteichnita  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Qeaelhchaft  „Eranos"  in  Upsala: 
Eranoa.    Acta  philotogic«  Lnecana.   Toi.  II,  hac.  8.  4;  Vol.  Ill,  f^c.  1, 
1897—98.    8«. 

Humanistika  VetenkapOiamfund  >n  ĂĽpgala: 
Skrifter.    Band  Y.     1897.    6«. 

Meteorohg.  Observatorium  der  Unioersität  Upsala: 
Balletin  mensuel  de  l'obBerratoire  mät^roloitique.  Vol.  XXIX,  Annäe  18' 
1897—98.    fol. 

Bistorisek  Qenootsekap  in  Utrecht: 
Werken.   8er.  Ill,  No.  8,  1897;  N.  Ser.,  No.  60,  1898.    »'OraTeDhage. 

Provindal  VtreektscH  Oenootsehap  in  Utrecht! 
AanteekeDingen  1897.    80. 
Tenlag.     1897.    8". 

Bureau  of  American  Ethnologif  in  WaAington: 
XVItb  aunaal  Eeport  for  1894—96.     1897.    4". 

U.  S.  Department  of  Agricutture  in  Washington: 
Yearbook  1897.    1898.    8^. 

1  Washington: 

U.  S.  Coast  and  Geodetie  Survey  in  Washington: 
Report  for  1896.     1897.    i". 

Smithsonian  Institution  in  Washington : 
Miacellaoeoiu  Collection«.    No.  1084.  1087.     1898.    8°. 
Hiatorj  of  the  Snt  half  Century  of  tbe  Smitfasonian  Institution  1846—! 
1897.    4,". 

Surgeon  General'»  Office,  U.  S.  Artny  in  Washington: 
Indei-Catalogae.    II.  Seriea.    Vol.  2.    1897.    if. 

United  States  Geaiogical  Survey  in  Washington: 
Bulletin.    No.  87.  127.  130.  135—148.     1897.    8". 

MonOKT»ph».     No.  XXV— XXVilt  nnd  1   Atlas  in  fol.     1896-97.     4«. 
XVil^  annual  Beport  for  1895--9G.     Part  I.  II.     1896.     4«. 

K.  K.  geologische  Beichsanstalt  in  Wien: 
Jahrboch.     Jahrg.  1897.     Band  47.  Heft  2.     1897.     4». 
Verhandlongen.     1897,  No.  14-18;  1998,  No,  1-8.    4». 
Abbandlangen.    Band  XTII,  Heft  4.     1897.    fol. 

Geographische  OesellachaĂź  in  Wien: 
HittheiluDgen.    Band  40.    1897.    &>. 

K.  K.  Gradmessungs-Gommission  in  Wien: 
Astronomiacbe  Arbeiten.     Band  IX.     1897.    i". 

K.  K.  GesellsAaft  der  Aertte  in  Wien; 
Wiener  kliniacbe  Wochenschrift.     1898,  No.  1—26.    4°. 
Anthropologische  Gesellschaft  in  Wien: 
Hittheilongen.    Band  XXVII,  6.     1897.    Band  XXVUl,  1—3.    1898.    . 


Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften.  359 

Zoologisch-botanische  Gesellschaft  in  Wien: 
Verhandlungen.    Band  47,  Heft  10;  Band  48,  Heft  1-6.     1898.    09, 

K.  K,  rnüitär-geographisches  Institut  in  Wien: 
Astronomisch-geodätische  Arbeiten.    Band  X  a.  XL     1897.    4^. 

K.  K,  naturhistorisches  Hofmuseum  in  Wien: 
Annalen.     Band  XII,  2—4.     1897.    40. 

Verein  fĂĽr  Nassauische  Ă„lterthumskunde  etc,  in  Wiesbaden: 
Mittheilangen.     1898,  No.  8  a.  4.    4^. 

Oriental  NohĂĽity  Institute  in  Woking: 
Vidyodaya.    Vol.  26,  No.  12;  Vol.  27,  No.  1—6.     1897/98.    8°. 

Ortsverein  fĂĽr  Geschichte  und  Ă„lterthumskunde  in  WolfenbĂĽttel: 
Brannschweigisches  Magazin.    8.  Band,    1897.     Braanschweig  1897.    4^. 

Physikalisch-mediciniscJie  Gesellschaft  in  WĂĽrzhurg: 

Verhandlungen.    N.  F.    Band  XXXI,  No.  8.    1898.    8^. 
Sitzungsberichte.    Jahrg.  1897,  No.  8—9.    8^. 

Historischer  Verein  von  ĂĽnterfranken  in  WĂĽrzhurg: 

Archiv.    89.  Jahrgang.     1897.    8^. 
Jahresbericht  fOr  1896.     1897.    8^ 

Antiquarische  Gesellschaft  in  ZĂĽrich: 
Mittheilungen.    Band  XXIV,  6.     1898.    4«. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  ZĂĽrich: 

Vierteljahrsschrifb.     42.  Jahrg.,    1897,    Heft  3   u.  4;    48.  Jahrg.,    1898, 
Heft  1.    1898.    &. 

Physikalische  Gesellschaft  in  ZĂĽrich: 
9.  Jahresbericht.     1896  u.  1897.    Uster-Zflrich  1898.    8^. 

Sternwarte  in  ZĂĽrich: 
Astronomische  Mitteilungen.     No.  89.     1898.    8®. 

Universität  in  Zürich: 
Schriften  a.  d.  J.  1897-98  in  4*  u.  8^. 

Schweizerische  meteorologische  Zentralstation  in  ZĂĽrich: 
Annalen.    82.  Jahrgang,  1896.     1897.    4<>. 


Verteiehnw  der  eingelaufetKn  Druckschriften. 


Von  folgenden  FrlTatpersonen: 

Prinz  Albert  I.  von  Monaco: 
Snr  la  qnatribme  campa^e  scieatifiqae  de  U  .Princesse  Alice*.     Pf 

1898.     4". 
Sar  lee  obBervations  m^t^rologiques  de  l'Ocäan  Atiantique.  Paria  1898- 

Boberl  Ball  in  Dublin: 
The  XIIU>  and  conclading  Hemoir  on  the  Theorie  of  Screws.     Dnl 
1898.    4<>. 

Ă„ttlonio  Cabreira  in  LisBabon: 
SoT  l'aire  des  poljgonei.     Lisbonne  1897.     8". 
Snr  les  Titeiae«  aar  la  apirale.    Ligbonne  1896.    8". 

Auguste  Daubrie'g  Relieten  in  Paris: 
Augaate  Daabröe  aS.  Jnin  1614  bia  29.  Mai  1896.     Paria  1897.     i". 

Ja.  Denisov  in  Kharkom: 
Die  Dochmien  bei  AeRchylua  (ruaa.).     Kharkow   1698.     S". 

Alexander  Biete  in  Frankfurt  ajM.: 
Frankfurter  BOigerbucfa.    Frankfurt  1897.    4?>. 

Chnrlea  Janet  in  Baueaie  (Oi»e): 
ätudes  snr  lea  founnia  No.  14—16;  Limogea,  Parit,  Lille  1897.    6". 
Motice  aar  lei  travaui  acientifiqoea  de  M.  CharleB  Janet    Lille  1896. 
Friedrieh  Keinz  in  MĂĽnchen: 


A.  LacToix  in  Paris: 
A    des  Cloiieani  1617-1897.    Paria  1897.    i". 

Vito  La  Mantia  in  Palermo: 
Cnnanetndini  di  Trapani.     Trapuii  1B9B— 97.     &. 
',  CoDBolato  del  mare  e  dei  mercanti.     Palermo  1897.    8**. 

PriTilegi  inediti  di  Heaaina.     Palenno   1897.     &>. 
[  Auguste  Le  Jolis  in  Gherbourg: 

\  Remarqnea  eur  la  Noineiiclature  algologique.     Paria  1696.    8". 

Tito  Martini  in  Venedig: 
Intomo  al  calore  che  ai  BTĂśappa  nel  bagnare  le  polveri  UDOve  ricerci 
Venezia  1896.     8°. 

Gabriel  Monod  in  Versailles: 
'  Bevae  biatoriqoe.   Tome  66,  No.  L  11;  Tome  67,  No.  l.  II.  Paria  1898. 

Giovanni  Omboni  in  Padua: 
I  II  gabinatto  di  geologia  della  B.  Univerait^  di  PadoTa.    Padova  1898. 

Ed.  Piette  in  Rumigny,  Ardennes: 
fitudea  d'ethnographie  prfliiatorique.     Paria  1697.     ffl. 
Dietrich  Reimer  in  Berlin: 


Vergeiehniss  der  eingelaufenen  Druckechriften,  361 

Httgo  Sehitchardt  in  Gras: 
Tch^qaes  et  Allemands.    Paris  1898.    8^. 

Jr,  Skworteow  in  Kharkow: 

Soleil,  terre  et  ^lectricit^.    Kharkow  1898.    8®  (in  französischer  und  in 
russischer  Sprache). 

Jerge  Socolow  in  Moskau: 

Nouvelles  recherches  astronomiques.    Moscou  1896.    8^. 
Des  planstes  se  tronvant  yraisemblablement  au  delk  de  Mercure  et  de 
Neptune.    Moscou  1897.    8^. 

Bila  Szentesy  in  Budapest: 
Die  geistige  Ueberanstrengung  des  Kindes.    Budapest  1898.    8^. 

A.  ThievXlen  m  Paris: 
Les  vdritables  instruments  usuels  de  Tage  de  la  pierre.    Paris  1897.   4P, 

N.  Wecklein  in  MĂĽnchen: 
Euripidis  fabulae.    Vol.  I,  pars  4,  Electra.    Lips.  1898.    8^. 

Melchior  Weiss  in  Freising: 

Ueber  mariologische  Schriften  des  seligen  Albertus.    Paris  1898.    8^. 
Primordi  noyae  bibliographiae  Alberti  Magni.    Parisiis  1898.    8^. 


1898.   Sitzungsber.  d.  math.-phys.  Cl.  T*^'/-  -'• 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  2.  Juli  1898. 

1.  Herr  H.  Seeliger  hält  den  in  der  Juni-Sitzung  zurück- 
gestellten, für  die  Denkschriften  bestimmten  Vortrag:  »Be- 
trachtungen über  die  räumliche  Vertheilung  der  Fix- 
sterne/ 

2.  Herr  Gustav  Bauer  beantragt  eine  in  dem  Nachlasse 
des  verstorbenen  ordentlichen  Mitgliedes  der  Classe,  Ludwig 
V.  Seidel,  gefundene  Abhandlung:  ,,TJeber  die  Bedingungen 
möglichst  präciser  Abbildung  eines  Objekts  von  end- 
licher scheinbarer  Grösse  durch  einen  dioptrischen 
Apparat",  welche  in  der  Classen-Sitzung  vom  6.  März  1880 
vorgetragen  und  zur  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  bestimmt 
worden  war,  aber  nicht  zur  Publikation  gelangte,  in  den 
Sitzungsberichten  zu  veröffentlichen ;  Herr  Professor  Dr.  Sebastian 
FiNSTERWALDER  hatte  die  GĂĽte,  dieselbe  durchzusehen  und  eine 
Einleitung  dazu  zu  schreiben.  ^ 

1898.   Sitznngsb.  d.  mAth.-phyt.  Ol.  24 


Sitiung  dar  malh.-fhy».  CloMe  vom  2.  Jtdi  189B. 


3.  Herr  Eugen  v.  Lomjjel  ĂĽberreicht  eine  Abbandlu 
Herrn  Dr.  Lunwio  Fomm,  Assistenten  am  physikalischen  1 
der  Universität :  ,TJeber  eine  neue  Erscheinung  bei 
triscbeii  Entladungen  in  verdĂĽnnten  Oasen.' 

4.  Herr  Walter  Dyck  legt  eine  Abhandlung  des 
Dr.  Eduard  v.  Werbb,  Privatdozenten  an  der  Univ 
,Ueber  Schaaren  von  Bilinearformen",  vor. 


365 


ĂĽeber  eine  neue  Erscheinung  bei  elektrischen 
Entladungen  in  verdĂĽnnten  Gasen. 

Von  Dr.  Ludwig  Fonmi. 

Legt  man  um  eine  Glasröhre  zwei  Ringe  von  dünnem 
Drahte  und  verbindet  dieselben  mit  den  Polen  eines  Induk- 
toriums,  so  zeigen  sich  beim  Evakuieren  der  Röhre  folgende 
Erscheinungen: 

Die  Glasröhre  hatte  eine  Länge  von  20  cm,  einen  Durch- 
messer von  3  cm  und  war  mittelst  eines  seitlich  angeblasenen 
Rohres  mit  einer  Quecksilberluftpumpe  in  Verbindung.  Die 
Ringe  aus  0,5  mm  starkem  Aluminiumdrahte  waren  in  gegen- 
seitiger  Entfernung  von  15  cm  angebracht  und  mit  den  Polen 
eines  Induktoriums  von  15  cm  Maximal-Funkenlänge  in  Ver- 
bindung. 

Bei  den  ersten  Pumpenzügen  hat  man  ganz  ähnliche 
Erscheinungen,  wie  bei  den  gewöhnlichen  Geissler- Röhren. 
Zuerst  funkenartige  Entladung,  dann  Auftreten  von  positivem 
und  negativem  Licht,  Bildung  eines  dunklen  Raumes  und 
Schichtung  des  positiven  Lichtes. 

In  Röhren  mit  äusseren  Elektroden  treten  nur  oscilla- 
torische  Entladungen  auf,  da  die  Elektroden,  in  unserem  Falle 
die  Ringe,  die  eine  Belegung,  das  leitende  Gas  die  andere  Be- 
legung  eines  Kondensators   darstellen,    während   das  Glas   die 

Rolle  des  Dielektrikums  ĂĽbernimmt. 

24* 


366  SUeung  der  ma^.-phya,  Classe  vom  2,  Juli  1898, 

Bei  solchen  Entladungen  erscheinen  beide  Elektroden  fĂĽr 
das  Auge  gleichzeitig  als  Anode  und  Kathode.  Mit  HĂĽlfe 
eines  Magneten,  dessen  Kraftlinien  senkrecht  zur  K()hrenaxe 
verlaufen,  lassen  sich  jedoch  leicht  die  ĂĽbereinander  gelagerten 
Erscheinungen  trennen. 

Bei  weiterem  Evakuieren  bildet  sich  konzentrisch  zu  den 
Ringen  an  der  inneren  Glaswand  ein  blauer  Ring  und  aus  der 
Mitte  desselben  quillt  scheinbar  positives  Licht,  den  ganzen 
Querschnitt  der  Röhre  erfüllend  und  sich  allmählich  schichtend. 

Das  blaue  Licht  unter  den  Ringen  wächst  dann  sowohl 
seitlich  als  gegen  die  Röhrenaxe  hin,  bis  es  den  Querschnitt 
ganz  ausfüllt,  während  das  positive  Licht  allmählich  verschwindet. 

Jetzt  tritt  eine  merkwürdige  Erscheinung  auf.  Während 
das  Vakuum  höher  wird,  löst  sich  das  blaue  Licht  unter  den 
Ringen  von  den  Glaswänden  los  und  schnürt  sich  in  der  Ring- 
ebene gegen  deren  Mittelpunkt  zusammen,  so  dass  ein  Doppel- 
kegel entsteht,  dessen  Spitze  im  Mittelpunkt  des  Ringes  sitzt. 

Der  vordere  Theil  verwandelt  sich  dann  in  einen  lang- 
gestreckten graublauen  Strahl,  während  der  hintere  Kegel, 
d.  h.  der  der  anderen  Elektrode  abgewandte  Kegel,  zu  einem 
wulstartigen  Gebilde  wird. 

Diese  blaugrauen  Strahlen  zeigen  nun  alle  Eigenschaften 
von  Kathodenstrahlen.  Sie  breiten  sich  unbekĂĽmmert  um  die 
Stellung  des  zweiten  Ringes  aus,  stehen  in  ihrer  Hauptmasse 
senkrecht  zur  Ringebene,  gleichgĂĽltig,  welche  Neigung  die- 
selbe zur  Axe  der  Glasröhre  haben  mag,  erwecken,  wo  sie  an 
die  Glaswand  treffen,  lebhafte  Phosphorescenz,  setzen  ein  in 
ihren  Weg  gestelltes  Rädchen  in  Bewegung  und  werden  vom 
Magneten  abgelenkt,  wobei  sie  sich  um  den  Mittelpunkt  des 
Ringes  als  Ausgangspunkt  drehen.  Der  Wulst  dagegen,  der 
als  rückwärtige  Fortsetzung  dieser  Strahlen  zu  betrachten  ist, 
unterliegt  dem  Einfluss  des  Magneten  weniger  und  erregt  die 
Glaswand  zu  rothgelber  Phosphorescenz. 

Bei  Anwendung  von  zwei  Ringen  als  Elektroden  ent- 
stehen diese  blaugrauen  Strahlen  nur  in  dem  Räume  zwischen 
den    beiden    Elektroden.      Verbindet   man    dagegen    nur   einen 


L.  Fomm:  lieber  eine  neue  Erscheinung  etc.  367 

Ring  mit  dem  Induktorium,  während  man  den  freien  Pol  des 
Letzteren  zur  Erde  ableitet,  so  treten  diese  Strahlen  auf  beiden 
Seiten  des  Ringes  auf. 

.  Ist  das  Vakuum  hoch  genug,  so  werden  diese  Strahlen 
allmählich  unsichtbar  und  sind  nur  mehr  an  ihrer  phosphores- 
cenzerregenden  Wirkung  zu  erkennen;  zugleich  bildet  sich  zu 
beiden  Seiten  der  Ringe  ein  dunkler  Streifen  auf  dem  Glase, 
dem  ein  breiter  phosphorescierender  sich  anschliesst. 

Schaltet  man  zwischen  die  Ringe  eine  metallische  Platte, 
welche  die  Röhre  ziemlich  gut  abschliesst,  so  verhält  sich 
diese  wie  eine  metallische  Trennungsfläche  in  einem  Elektro- 
lyten. Die  Platte  wird  zur  Elektrode  und  sendet  intensive 
Strahlen  aus  senkrecht  zu  ihrer  Oberfläche  und  zwar  aus  ihrem 
Mittelpunkte,  welche  lebhafte  Phosphorescenz  und  Röntgen- 
strahlen erzeugen.  Dasselbe  findet  auch  statt,  wenn  die  Platte 
in  ihrer  Mitte  durchbohrt  ist. 

Was  fĂĽr  eine  Metallplatte  gilt,  findet  auch  bei  mehreren 
statt;  sobald  dieselben  als  Trennungsflächen  auftreten,  über- 
nehmen sie  die  Rolle  von  Elektroden. 


369 


Ueber  Schaaren  von  Bilinearformen. 

Von  E.  Yon  Weber. 

In  der  vorliegenden  Mitteilung  soll  die  Invariantentheorie 
einer  Schaar  von  Bilinearformen 

(1)  tl'lijaafiXayß+  vJ^baßXat/ft     (o /?  =  1,  2  .  .  .  «) 

aft  aĂź 

fĂĽr  den  Fall  entwickelt  werden,  dass  die  Formen  (l)  schief- 
symmetrisch  sind,  d.  h.  den  Relationen 

(2)  a„/?  =  —  ttßa'i  Kß  =  —  hßa 

unterliegen,  und  dass  nur  congruente  lineare  Transformationen 
der  beiden  Variabeingruppen  x  und  y  in  Betracht  gezogen 
werden.  Dieser  Fall,  dem  u.  a.  in  der  allgemeinen  Theorie 
der  Systeme  Pfaflf'scher  Gleichungen  eine  hervorragende  Wich- 
tigkeit zukommt,  erscheint  umsomehr  einer  besonderen  Unter- 
suchung bedĂĽrftig,  als  auf  ihn  die  von  Weierstrass  *)  und  Kron- 
ecker*) angegebenen  Keductionsmethoden  nicht  ohne  wesent- 
liche Modificationen  anwendbar  sind. 

I. 
1.    Es  sei  r  der  Rang  der  Matrix 

(3)  '  upik  -\-vqik}  (i  =  1,  .  . .  r;  äj  =  1  . . .  s), 

d.  h.  es  mögen  alle  t  +  1 -reihigen,  nicht  aber  alle  t- reihigen 
Determinanten    dieser    Matrix    fĂĽr    beliebige  Werte  m,  v    vor- 


1)  Berl.  Monatsber.  1868  =  Werke  II  p.  19. 

2)  Sitzungaber.  Berl.  Ak.  1890  p.  1225. 


370  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  2,  J%Hi  1898. 

schwinden.  Ist  femer  a  =  uv — vu  ein  gemeinsamer  Linear- 
faktor aller  r-reihigen  Determinanten  von  (3),  so  werde  fĂĽr 
A  =  T,  T  —  1,  ...  2,  1  die  höchste  Potenz  von  a,  die  in  den 
grössten  gemeinschaftlichen  Divisor  aller  A- reihigen  Deter- 
minanten von  (3)  aufgeht,  mit  a^*  bezeichnet. 

Nennt  man  dann  eine  A- reihige  Determinante  von  (3) 
hinsichtlich  a  „regulär",  falls  sie  a  genau  in  der  t^*®"  Potenz 
enthält,  so  gilt  nach  Herrn  Frobenius*)  der  Satz,  dass  jede 
reguläre  A- reihige  Determinante  von  (3)  eine  reguläre  A — 1- 
reihige  Determinante  als  Unterdeterminante  enthält. 

2.  Dies  vorausgeschickt,  sei  2q  der  Rang  der  schief- 
symmetrischen  Matrix 

0,  uai2  +  vbi2  .  .  .  uain  +  vbi^ 

,,v  ,wa2i  +  v62i,  0  ,..ua2n  +  vb2i 


Uan\  +  Vbnl,    Uan2  +  vbn2   ...  0 

wir  setzen 

(ik)  =  —  (jki)  =  ua    +  vbik 

und  definieren  den  Ausdruck  (ii,  ^2  • . .  iik)  in  bekannter  Weise 
durch  die  Recursionsformel 

(5)  (iik  '"  kk)  =  S^""^ (ii  is) (^3  . . .  ku)] 

darin  bedeuten  ii,  (2. . .  irgend  2k  Zahlen  der  Reihe  1  bis  w, 
und  2j  ist  eine  Summe  von  2  k  —  1  Gliedern,  die  alle  aus 
dem  ersten  Glied  durch  einmalige,  zweimalige  ...  2k  —  2- 
malige  cyclische  Vertauschung  der  Zahlen  i2,  h  -  -  -  hk  ent- 
stehen. Der  Ausdruck  (5)  werde  ein  „Pfaff'sches  Aggregat* 
der  Ordnung  2  k  genannt;  er  ist  eine  binäre  Form  vom  Grade  k 
in  den  Variabein  «,  v  und  sein  Quadrat  ist  eine  2  Ä- reihige 
Hauptunterdeterminante  der  Matrix  (4).     Es  gilt  nun  der  Satz: 

„Ist  d^  der  grösste  gemeinschaftliche  Divisor  aller  PfaflT- 
schen  Aggregate  der  Form 

{ii  ^2  .  •  .  ho), 

1)  Sitzungsber.  Berl.  Ak.  1894  p.  31. 


E,  V,  Weber:  lieber  Schaaren  von  BĂĽinearfarmen,  371 

also  d^  der  grosste  gemeinschaftliche  Divisor  aller  2  ^-reihigen 
Hauptunterdeterminanten  von  (4),  so  ist  d^  auch  der  grösste 
gemeinschaftliche  Divisor  aller  2  ^ -reihigen  Unterdeter- 
minanten von  (4).** 

In  der  That,  ist  Ă„  eine  2^ -reihige  Unterdeterminante 
von  (4),  und  sind  D  bezw.  D'  diejenigen  2Ăź-reihigen  Haupt- 
unterdeterminanten, die  aus  denselben  Horizontalreihen  bezw. 
Vertikalreihen  entnommen  sind,  wie  Ă„,  ferner  A*  die  2  Ăź-reihige 
Determinante,  deren  Elemente  zu  denen  von  Ă„  symmetrisch 
liegen,  so  hat  man,  da  2^  der  Rang  von  (4)^): 

DD'  =  Ă„Ă„  =  A\ 

Damach  ist  A^  durch  df*,  also  A  durch  dfj  teilbar,  und 
da  auch  umgekehrt  der  grösste  gemeinsame  Divisor  aller  Deter- 
minanten A  in  dl  aufgeht,  so  ist  unsere  Behauptung  erwiesen. 

3.  Es  enthalte  nun  dg  den  Linearfaktor  a  in  der  Potenz  X^,, 
Wir  können  dann,  um  die  Ideen  zu.  fixieren,  annehmen,  dass 
insbesondere  das  Aggregat 

(1,  2...2e) 

keine  höhere  Potenz  von  a  enthalte,  dass  also  die  Determinante 

(6)  DiQ  —  I  uaik  +  vhn  \  (i,  äj  =  1,  2  . . .  2  ^) 

hinsichtlich  a  regulär  sei.    Der  grösste  gemeinschaftliche  Divisor 
aller  Pfaflf 'sehen  Aggregate  der  Form: 

wo  ii  .  . .  i2fc  irgend  2  h  Zahlen  der  Reihe  1  ...  2  ^  bedeuten, 
enthalte  a  in  der  Potenz  Xk. 

Es  seien  nun  mit  Aik  die  2q — 1- reihigen  Minoren  der 
Determinante  D^q  bezeichnet.  Nach  bekannten  Sätzen  hat 
man  dann: 

AüAkk  —  Aik  Aki  :^  Afk  =^  Die  ^^-2, 

wo  D%o-2  eine  2^  —  2-reLhige  Hauptunterdeterminante  von  D%q 
bezeichnet.     Damach  ist  der  grösste  gemeinschaftliche  Divisor 

1}  Frobenius,  Crelle's  J.  82  p.  240  f. 


372  Siizung  der  mathrphys.  Classe  vom  2.  Juli  1898, 

aller  A^^  durch  die  Potenz  a^e+^«?-i  und  durch  keine  höhere 
Potenz  von  a  teilbar;  wir  wissen  nach  Nr.  1  ĂĽberdies,  dass 
eine  der  Determinanten  Aik  hinsichtlich  a  regulär  ist. 

Es  seien  jetzt  ij ,  ij ;  Ă„j ,  Jc^  irgend  welche  Zahlen  der  Reihe 
1  ...  2  ^ ;  dann  hat  man : 

wo  A'  eine  2^  —  2-reiliige  Unterdeterminante  von  Di^  be- 
zeichnet. Alle  diese  Unterdeterminanten  sind  darnach  durch 
ar^e-i  teilbar,  und  eine  derselben  ist  nach  Nr.  1  regulär. 
Da  aber  eine  der  Hauptunterdeterminanten  D25-2  durch  keine 
höhere  Potenz  von  a  teilbar  ist,  als  a^^e-i,  so  ergibt  sich, 
dass  Dzq  eine  reguläre  Hauptunterdeterminante  Dje-2  enthält. 

4.  Auf  die  letztere  lassen  sich  nun  offenbar  dieselben 
SchlĂĽsse  anwenden,  wie  auf  D^^;  man  findet,  dass  a  in  den 
grössten  gemeinsamen  Divisor  aller  2q  —  3-reiliigen  Unter- 
determinanten von  D2fj-2  in  der  Potenz  a\'-i+^(>-2  aufgeht, 
und  dass  eine  dieser  Determinanten,  also  auch  eine  2^  —  4- 
reihige  Hauptunterdeterminante  von  2)20-2  regulär  ist.  Durch 
Wiederholung  dieser  Schlussweise  erhält   man   folgende  Sätze: 

„Ist  dfi  der  grösste  gemeinsame  Divisor  aller 
Pfaff'schen  Aggregate  der  Form: 

(7)  (ii  ir2  ' '  '  hh)         (ii ,  ^2  . . .  =  1  .  . .  n;  A  <  q), 

so  ist  dli  der  grösste  gemeinschaftliche  Divisor  aller 
2A-reihigen  Unterdeterminanten,  und  dh'dh-\^)  der- 
jenige aller  2A — 1-reihigen  Unterdeterminanten  der 
schiefsymmetrischen  Matrix  (4)." 

„Ist  2o  der  Rang  der  Matrix  (4),  und  geht  der 
Linearfaktor  a  in  dh  in  der  Potenz  kh  auf,  so  kann 
man  die  Zeilen  und  Colonnen  der  Matrix  (4)  so  an- 
ordnen, dass  die  g  Pfaff'schen  Aggregate 

P(0  =  (2  i  +  1,  2i  4-  2  . . .  2 (>)  (i  =  0,  1  ...  ^  —  1) 

bezw.  durch  a^o,  a\>-i,...a^i  und  durch  keine  höhere 
Potenz  von  a  teilbar  sind." 

')  t/n  =   1. 


E.  v.  Weher:  lieber  Schaaren  von  BĂĽinearformen,  373 

5.  Wir  setzen  zur  AbkĂĽrzung 

(p  =  IjaaĂźXaPĂź;    tp  =  JjbaĂźXayĂź 

f=w<p—xp;    w  =  —  j. 

Offenbar  lässt  sich  die  Form  q)  von  vorneherein  so  aus 
der  Schaar  (1)  auswählen,  dass  die  2  ^ -reihigen  Determinanten 
der  Matrix  (4)  für  v  =  0  nicht  sämtlich  verschwinden.  Dann 
können  wir  schreiben: 

d^  =  (—  v)  •     "  .  (-w  —  u^^)/h^  (w  —  uß^fh^  ...{w  —  uf^'^fh\ 

indem  wir  die  Anzahl  der  verschiedenen  Linearfaktoren  von 
df,  mit  r  bezeichnen.     Setzt  man 

4")  =  0;     ^r  -  Alrli  =  e^i*+.  (A  =  e,  e  - 1  . . .  1), 

so  sind  nach  Nr.  4  die  Eleraentarteiler  der  Matrix  (4)  die 
folgenden : 

Jr)  Jy)  Ay)  Jy) 

(w  —  !<;<»'))  «  ,  (w;  —  «;<"))  i  ;  (w  —  w;^''))  »  ,  (w  —  w;^''))  »  ;  . . . 

(v  =  1,  2  . . .  r), 

sie  sind  also  paarweise  identisch. 

6.  Ist   der  Rang  2^    der  Matrix  (4)   kleiner   als   «,   und 

schreiben  wir 

n  —  2q  =  (o; 

dw  dw       —  dw       —  dxi) 

SO  bestehen  zwischen  den  Ausdrücken  w  q>i  —  x^u  genau  (b  linear 
unabhängige  lineare  Identitäten,  deren  Coefficienten  ganze  Funk- 
tionen von  w  sind;  wir  wollen  sie  in  der  Form  schreiben: 


n     "»« 


(8)  & I>4'^m;*(u;(^*  —  V*)  =  0  (5  =  1,  2, . . .  d>). 

1     ĂĽ 

NatĂĽrlich  hat  man  aus  SymmetriegrĂĽnden  ebenso 


n     »"« 


(9)  l>l>c^iW{wcp^  —  xpk)^0  (5=1,2. ..d>). 

1      0 


374  SUeung  der  mathrphys.  Classe  vom  2,  Juli  1898, 

Wir  dürfen  voraussetzen,  dass  diese  Identitäten  von  vorn- 
herein auf  eine  solche  Form  gebracht  wurden,  dass  die  Zahlen 
mj . . .  ma,  so  klein  als  möglich  ausfallen. 

Nach  den  allgemeinen  Untersuchungen  von  Weierstrass 
und  Kronecker  lässt  sich  daher  die  Schaar  W(p  —  tp  auf  die 
folgende  Normalform  bringen: 


tö    "'« 


(10)       '   "       .    , 

+  L'  ÂŁ/<  [(w  -  w'")  <'  -  Wl:'] ; 


dabei  ist  gesetzt 

<' = S  (x<;i  r;l  -  x^i  Y<;>) 

(o  +  T  =  e{r>-l;   0  =  0,1. ..c^'-l); 

(o  +  r  =  ej:^  —  2;   a  =  0,  1  .  . .  ejT^  —  2), 

und  es  ist  S^f^  =  0  zu  setzen,  wenn  e^/'J  =  1 ,  femer  $Jr^  =  !Pjr^  =  0, 
falls  ej^=0;  auch  ist  in  der  ersten  Doppelsumme  (10)  die 
Summation  nur  auf  diejenigen  Indices  s  zu  erstrecken,  fĂĽr  die 
m,  >  0  ist. 

Die  mit  X,  36,  X,  X  bezeichneten  Grössen  sind  linear 
unabhängige  Linearfunktionen  der  Variabein  Xi  .  .  .  a;„,  die 
9),  3,  1^,  Y  ebenso  linear  unabhängige  Linearfunktionen  der  y. 
Ferner  hat  man: 

(11)  n  =  L.  (2  m,  +  1)  +  21>.i:.ejr>, 


mithin 


also 


7* 

1      1 


ti)  o        r 


2e  =  S«2m, +  ^.£.2eW, 


1      1 


(12)  e  =  M+^^\ 


wenn 

(13)  31=  mi  +  W2  +  •  •  •  +  wi,5 


E,  V,  Weher:  ĂĽeber  Schaaren  wm  BĂĽinearformen,  375 

gesetzt  wird.  Die  Normalform  (10)  hat,  wie  man  sieht,  die 
schiefsymmetrische  Form;  es  ist  aber  zu  zeigen,  dass  diese 
Normalform  stets  durch  congruente  lineare  Transformationen 
der  X  und  y  hergestellt  werden  kann,  d.  h.  dass  die  3E,  I, 
X,  X  ebenso  von  Xi  . , ,  Xn  abhängen,  wie  die  entsprechenden 
9),  %  Z,  Y  von  den  Variabein  yi  . . .  y« . 

n. 

7.    Um    die    soeben    ausgesprochene   Behauptung    zu    er- 
weisen, betrachten  wir  zunächst  den  Fall,  dass  die  Determinante 

D  =  I  watk  —  bik  I   (i,  A;  =  1,  2,  . . .  n) 

nicht  fĂĽr  beliebiges  w  verschwindet,  dass  also  n  gerade,  und 
die  oben  mit  2  g  bezeichnete  Zahl  =  n  ist.    Aus  den  Identitäten 

tVq)ß  —  Xpß  =^{waaß haß)Xa 


a 


XV(pa  —  ipa  =  lj(W(^aß  —  Kß)yß 

Ăź 

gewinnen  wir,  wenn  mit 

{-ly-^ĂźD.Ăź 

die  aus  D  durch  Streichung  der  a*®"  Zeile  und  der  /^"  Colonne  ent- 
stehende Unterdeterminante  bezeichnet  wird,  folgende  Formeln:*) 

BaĂź 


X->    BaĂź  f  V 

Ăź     JJ 

<P  =  lj(Pßyß=lj  -jf  (^''  ^f^  9^«  ~  9^ßWa) 
Ăź  aĂź      -Lf 

a  aĂź      -Lf 

wq)  +  ^»  =  ]C  —^  (w^(pa(Pß  —  V«  W)' 

aĂź       -Lf 


*)  Weierstrasa,  Werke  II  p.  24. 


376  SĂĽzung  der  math.-phys.  Claaae  vom  2,  Juli  1898, 

Wir  schliessen    daraus   mit  Weierstrass,   dass,    wenn    der 
Ausdruck 


F(^i  . . .  fn  I  ^1  . . .  ^i»)  =  S  ~^rr  Va  iß 

aĂź 


—  ^Daß 

D 


nach  fallenden  Potenzen  von  w  in  der  Form: 

entwickelt  wird,  fĂĽr  q?  und  ip  sich  die  folgenden  Darstellungen 
ergeben : 

/i  i\  I  Y'  --1  VY'l  •  •  •  9^n  I  9^1  •  •  •  ^n) 


{9?  =  Fj  (9?j . .  . 


(Pn\(Pi"  '  fpn)' 


8.  Indem  wir  in  den  Bezeichnungen  der  Nr.  2  ĂĽberall  u 
durch  %v  und  v  durch  —  1  ersetzen,  können  wir  schreiben : 

P=(l,2,...n);  D  —  P\ 
Ist  femer  a  <  /?,  so  verstehen  wir  unter : 

dasjenige  Pfaff'sche  Aggregat  der  Ordnung  n  —  2,  das  aus  P 
durch  Weglassung  der  Ziffern  a  und  Ăź  entsteht;  ferner  sei 
allgemein 

Pa^=  PĂźa]    Paa  =  0. 

Dann  hat  man 

DaĂź=  P  '  PaĂźi 

und  die  Funktion  F  wird 

F=^-Y-VaSĂź' 

Diesen  Ausdruck  wollen  wir  nun  als  rationale  Funktion 
von  w  in  PartialbrĂĽche  zerlegen. 

Zu  diesem  Zwecke  betrachten  wir  irgend  eine  vierreihige 
Hauptunterdeterminante  der  zu  D  adjungierten,  schiefsymme- 
trischen Determinante 

I  I^aĂź  I     a,  Ăź  =  1 , , ,  n. 


E,  V,  Weher:  ĂĽeher  Schaaren  von  BĂĽinearformen,  377 

Eine   solche   Hauptunterdeterminante    lässt   sich   dann   in 
den  beiden  Formen 

(15)  (DaĂźDys  +  DayDsĂź+  DasDĂźyy  =  D'D'' 

darstellen,  wo  D"  diejenige  Hauptunterdeterminante  der  Ordnung 
n  —  4  darstellt,  die  aus  D  durch  Streichung  der  Zeilen  und 
Colonnen  mit  den  Indices  aĂź  yd  entsteht.  Wir  nehmen  an, 
dass  a  <  /?  <  y  <  ^  sei,  und  verstehen  unter  dem  Ausdruck 

dasjenige  Pfaflf'sche  Aggi'egat,  das  aus  P  durch  Weglassung 
der  Ziffern  aĂź  yd  entsteht.     Dann  folgt  aus  (15): 

(16)  PaĂźPyd  +  PayPsĂź  +  PadPĂźy^=  sP  '  PaĂźyS, 

WO  ÂŁ  =  +  1  ist.  Um  dies  Zeichen  zu  bestimmen,  bemerken 
wir,  dass  der  CoefBcient  von  ĂĽaĂź  in  der  Entwickelung  von  P 
mit  P„ß  identisch  ist.  Daraus  folgt  sofort,  dass  der  Coefficient 
des  Produkts  UaĂź  ttys  in  der  Entwickelung  von  P  mit  PaĂźyd 
identisch  wird.  Der  Coefficient  dieses  Produkts  auf  der  rechten 
Seite  von  (16)  ist  sonach  ePaĂźys^  und  auf  der  linken  PaĂźyd  i 
woraus  e  =  +  1  folgt.  Setzt  man  ausserdem  fest,  dass  der 
Ausdruck  PaĂźyd  sein  Zeichen  wechsele,  wenn  zwei  seiner 
Indices  vertauscht  werden,  also  null  sei,  wenn  er  zwei  gleiche 
Indices  enthält,  so  folgt  allgemein: 

(17)  PaĂźPyd  +  PayPdĂź  +  PadPĂźy  =  P  '  PaĂźyd 

fĂĽr  4  beliebige  Indices  aĂźyd  der  Reihe  1  bis  w. 
9.  Wir  verstehen  nun  unter 

pw  1) 

dasjenige  Pfaff'sche  Aggregat  der  Ordnung  n  —  2  x ,  das  aus 
P  durch  Weglassung  der  ZiflFem  1 ,  2  ...  2  x  entsteht,  und  setzen 
p(ü)  ==  p(J«)  =  1.     Ferner  bezeichne  der  Ausdruck 

(18)  (_l)«+/?+ip(;0 


»)  PC")  =  P,  iXD  =  p'  etc. 


378  SĂĽsung  der  mcUh.-phya.  Claase  vom  2,  Jtdi  1893, 

falls  /8  >  a  >  2  X  dasjenige  Pfaff 'sehe  Aggregat  der  Ordnung 
2  w  —  2x  —  2,  das  aus  P^*"^  durch  Weglassung  der  Ziffern  a 
und  Ăź  entsteht;  allgemein  sei 

pJr;  =  _pW;   it!  =  0  (a,/?=l...n); 

endlich  wollen  wir  festsetzen,  dass  der  Ausdruck  (18)  immer 
dann  verschwinde,  wenn  eine  der  Zahlen  a,  ß  nicht  grösser 
als  2x  ist.  Die  wiederholte  Anwendung  des  Satzes  (17)  fĂĽhrt 
dann  auf  die  folgende  Serie  von  Relationen: 

J*12  Paß  •+-  Pia  P/?2  -\-  Pl /i  Pia  ^  PP'aßi 
PUP'aĂź  +   PaaP'ĂźA  +   PsĂźPin-^  P' PLĂź 


WO  A   die  Werte  0,  1  ...  Ăź    annehmen    kann,    wenn  Pa,Ăź  null 
gesetzt  wird. 

Man  findet  hieraus: 

T^A-l)               T>(A-1)         p(A-l)  WA-l)         p(A-l)  p(A) 

^o/?         -^A~l,a  •  ^A,/?    ^A-l./g' -^^2A,a         ,       -t^ 

JKk-\)    —  P(A-1)  P(A)  "•       JP(A)  ' 

woraus  sich  ergibt: 

p                 (?       p(A-l)      7>(A-1)  7>(*-l)  p(*-l) 

^a/?    y^     -f2A-l,a^2A,//    ^th-\J  '  ^2h,a 

P      ~  Y  P(*-0  P(A) 

Setzt  man  nun 

n  n 

2A+1  2A  +  1 

2A4-1  2A  +  1 

(Ă„  =  0, 1, 2, . . .  e  - 1), 

so  erhält  man: 

-t  v^^j  .  .  .  gn  I  //i  .  .  .  ?/„;  —  />  P'  '  7>'  p-  T  •  •  • ' 

die  Summe  auf  der  rechten  Seite  besteht  aus  J  n  Gliedern. 


E,  V,  Weber:  ĂĽeber  Schaaren  von  BĂĽmearformen.  379 

10.    Es  sei  nun 

w  —  w^''^ 

irgend  einer  der  r  Linearfaktoren  von  D,  und  ei\  ej  ...  4*^ 
seien  die  zu  demselben  gehörigen,  in  Nr.  5  definierten  Exponenten ; 

femer   sei  ^r^>0.     Dann    ist  P^~^^  als  Pfaflf'sches  Aggregat 

der  Ordnung  n  —  2^  +  2  durch  die  A^-^^.  i    Potenz  von  tv  —  w   , 

ebenso  P^^  durch  die  ^-i«***  Potenz   von  w  —  w^''^  teilbar;   wir 

dĂĽrfen   nach  Nr.  4   ĂĽberdies   annehmen,    dass  i^*"^^  und  P^^ 

durch    keine    höheren    Potenzen    von    w  —  w^      teilbar    sind. 

Ferner   sind   die  AusdrĂĽcke  t^^'\  3E^'~'\  9)^*"'^  %^'~'^  samt- 

lieh  durch  die  4*1/«**  Potenz  von  w  —  w^''^  teilbar.  Erinnern 
wir  noch  daran,  dass  nach  Nr.  5 

zu  setzen  ist,  so  erkennt  man,  dass,  wenn  man  die  AusdrĂĽcke 
j>(/*-i)    pO«)    j(a*-i)    j(/*-i)    5)(a*-1)    5j(i^-») 

nach  steigenden  Potenzen  von  w  —  w^^^  entwickelt,  das  Anfangs- 
glied der  ersten  dieser  Entwickelungen  um  eJ,  Einheiten  grösser 
ist,  als  dasjenige  aller  ĂĽbrigen.  Hieraus  folgt  fĂĽr  genĂĽgend 
kleine  Werte  des  absoluten  Betrages  von  w  —  w^""^: 


(19) 


yilr,n«  =<"-""''  ''•?*'' 


=  iw— m;<'))    *  */«  .  S"  X'-;i  (w  —  td^'^y-, 


I(^-'>  ,  ,..-i«<"  ^  ^ 


=  (w— id-)y~  *  '/• .  S"  x^;i  (w  -  f«w)' ; 


=  («;—«;<''))"*>  •  S'  r^;'  (tp  -  m;('))'; 


=  (m> — w('))~ '  >  .  L-  r;v  (to — tpwy ; 


l  l/p(/'-l) .  Pd») 

1898.  Sitiongtb.  d.  math.-pb]r(.  CL  26 


380  SĂĽzung  der  mathrphya.  Claaae  vom  2.  Juli  1898. 

dabei  ist: 


(20) 


^fto  =      r~ \ykn-\,fA,o  f 2/4-1  +  ^2/«,/i,a  f  2/«  +  •  •  •  +  Cn./i.a  ChJ  ; 

I   i^/a  =  ^rrT-  [^2iu-l,A4,a^2/i-l  +  C2''^,/4,a^2|«  +  .  •  •  +  C|«%,a  l?«]  ; 

(21)1  _         '^^'"   _ 

worin    die   Constanten  C  ganze   Funktionen   der  Grössen  u'^''\ 
«ijk,  6ijk  bedeuten. 

Aus  den  Identitäten  (19)  folgt: 

= s°(  1^.:'.  xj,-?,  -  Y?,:i  x<:;'„)  (,r  -  ti^'-r + '  -  <! 


O.T 


Bilden  wir  daher  die  Summe: 

I  O,  T 

worin   sich  die  Summation   hinsichtlich  /i   nur   auf   diejenigen 

Werte  zu  erstrecken  hat,  fĂĽr  die  e^  >  0  ist,  so  stimmt  diese 
Reihe  mit  der  Reihenentwickelung  von  F  in  allen  Gliedern 
ĂĽberein,  die  fĂĽr  w  =  w;^**^  unendlich  werden.  Denkt  man  sich 
nun  für  jeden  der  r  verschiedenen  Linearfaktoren  w  —  «^"^  der 
Determinante  J)  die  analoge  Entwickelung  durchgefĂĽhrt,  wobei 
natĂĽrlich  fĂĽr  jede  einzelne  Wurzel  x^"^  die  Determinante  durch 
congruente  Vertauschungen  der  Zeilen  und  Colonnen  nötigen- 
falls erst  so  umgeformt  werden  muss,  dass  die  Pfaff 'sehen 
Aggregate  P^  P  .  ,  .  der  Bedingung  der  Nr.  4  genĂĽgen,  so 
ergibt  sich,  da  F  fiir  w  =  co  verschwindet: 


E.  V,  Weber:  Ueber  Schaaren  van  Bäinearfarmen,  381 

1  I  O.T 

(o  +  T<e5:>;  ^,v  =  0,l,2,...e<:'-l), 

wobei  die  Summation  hinsichtlich  /i  auf  alle  Werte  zu  erstrecken 
ist,  fĂĽr  die  ejT^  >  0. 

11.  Verstehen  wir  jetzt  unter  X^„^  XjTl  diejenigen  linearen 
homogenen  AusdrĂĽcke  der  ursprĂĽnglichen  Variabein  x^ , , ,  Xn, 
die   sich   aus  (20)   ergeben,   wenn    man   darin  f  j  .  . .  f »   bezw. 

durch  9?i  9?2 . . .  9?n  ersetzt,  dagegen  unter  YJ^l ,  Y^l "]  die  Linear- 
funktionen der  ^j  .  . .  y,M  in  welche  die  AusdrĂĽcke  (21)  ĂĽber- 
gehen, wenn  man  rj^  . .  ,  rjn  bezw.  durch  —  9?^ ,  —  99^...  —  (pn 
ersetzt,  so  werden  die  X,  X  in  der  gleichen  Weise  von  den  x 
abhängen,  wie  die  entsprechenden  Y,  Y  von  den  y,  Mittels 
der  Identitäten  (14)  erhält  man  nunmehr  für  die  Schaar  wq)  — yf 
die  Darstellung: 

S^i>[(ic;-u;^^>)<-!P;^^], 
1      1 

wo   die  $,  W  aus   Nr.  6   zu    entnehmen   sind.     Da   sich  jetzt 

hinterher  leicht  zeigen  lässt,  dass  die  Variabein  XJ^«,,  X/fa  ge- 
nau tj  linear  unabhängige  Linearformen  der  x  darstellen,^)  und 

analoges  fĂĽr  die  Fi*]?,  F//^^  gilt,  so  haben  wir  den  Satz  bewiesen : 

„Jede  schiefsymmetrische  Schaar  von  Bilinear- 
formen  W(p  —  ip  mit  nicht  verschwindender  Deter- 
minante lässt  sich  durch  congruente  lineare  Trans- 
formationen der  X  und  y  in  eine  Summe  von  „elemen- 
taren" schiefsymmetrischen  Schaaren 

ĂĽberfĂĽhren." 

Eine  solche  Formenscliaar  bezeichnen  wir  als  „elementar", 
weil  sie  nur  zwei  (identische)  Elementarteiler  besitzt,  und  weil 


*)  Weierstrass,  Werke  II  p.  29. 

25 


382  SiUung  der  maih.-phys.  Claase  vom  2,  Juli  1898. 

dies  nach  Nr.  5  die  Minimalzahl  von  Elementarteilem  ist,  die 
bei  einer  schiefsjmmetrischen  Schaar  auftreten  kann. 

Wir  wollen  noch  die  fĂĽr  das  folgende  wichtige  Bemerkung 
hinzufĂĽgen,  dass  alle  Formen  der  Schaar  (1),  falls  die  Deter- 
minante (4)  nicht  null  ist,  durch  \n  congruente  lineare  Gleichungs- 
paare,  in   der  a:,  und  y^  zum  Verschwinden   gebracht   werden 

können;  z.  B.  dadurch,  dass  man  alle  Ausdrücke  X^lj  ^/i« 
null  setzt. 

m. 

12.  Indem  wir  uns  nunmehr  zu  der  Betrachtung  des 
allgemeineren  Falles  wenden,^)  dass  der  Rang  2  q  der  Matrix  (4) 
kleiner  als  n  ist,  und  die  Bezeichnungen  der  Nr.  6  beibehalten, 
bemerken  wir  zunächst,  dass  die  Jfcf  +  d>  Grössensysteme 

€k\  Ckl  . . .  ci'l  (A  =  0, 1  . . .  m,;  5  =  1,  2, . . .  ö>) 

linear  unabhängig  sind.  Andernfalls  könnte  man  nämlich 
das  System  der  Identitäten  (8)  durch  ein  anderes  ersetzen,  in 
welchem  die  Summe  der  Gradzahlen  <  M  wäre,*)  was  mit  der 
ĂĽber  die  Zahlen  m,  gemachten  Annahme  in  Widerspruch  steht. 

Darnach  können  wir  durch  die  congruenten  Transfor- 
mationen 


mt  ""tti 


0  0  jr+oi+i 

statt  der  x,  y  die  neuen  Variabein 

X<»)      -y        tH»)     TT 

^)  Wir  beziehen  uns  im  Folgenden  mehrfach  auf  die  Darstellung, 
die  Herr  Sau  vage  (Ec.  Norm.  1893)  von  den  pag.  369  citierien  Kron- 
ecker'schen  Untersuchungen  ĂĽber  Ăźilinearformen  mit  verschwindender 
Determinante  geliefert  hat. 

')  Sauvage,  1.  c.  pag.  12  ff. 


E.  V,  Weber:  Ueher  Schaaren  von  BĂĽinearformen,  383 

in  die  Schaaru;^?  —  tp  einführen.  Die  Constanten  C,  sind  nur 
der  Bedingung  unterworfen,  dass  die  Determinante  der  obigen 
Substitution  nicht  null  sei,  im  ĂĽbrigen  aber  willkĂĽrlich. 

Gehen  nun  durch  diese  Substitutionen  die  Formen  97,  tp  und  :* 

f^wtp  —  tp 
bezw.  ĂĽber  in  *,  !?,  F,  so  hat  man 

dF   _  "  .  df    ^,j       dF   _  "     df    ^.j 
also  ist  nach  (8): 

Diese  lielationen  drĂĽcken  aus,   dass  JF  die  Variabein  X*  , 
bezw.  F^*\  fĂĽr  welche  m,  >  0  ist,  nur  in  den  Verbindungen 

te^Xi'i,  —  Xi'^  bezw.  w  Y^l.x  —  ll'^  (A  =  1,  2, . . .  m.), 

während  die  Variabein  Xo*\  ro'\  für  die  m,  =  0  ist,  in  F  über- 
haupt nicht  vorkommen.     Daraus  folgt  sofort,  dass  in  F  keine 

der  Variabein  Xj*  mit  einer  der  Variabein  YI^  multipliciert 
auftreten  kann,  da  andernfalls  F  in  xc  quadratisch  wäre.  Mit 
RĂĽcksicht  auf  die  schiefe  Symmetrie  von  F  dĂĽrfen  wir  daher 
setzen : 


iO         »"« 


(23)      '   '  +,^(P'_r, 

worin  die  Xi*\  Yi['^  congruente  Linearformen  der  vorhin  mit 
Xr,  Yr  bezeichneten  Variabein,  femer  *',  T'  schiefsymmetrische 
Bilinearformen  derselben  Grössen  bezeichnen.  Die  Summation 
hinsichtlich  s  ist  in  (23)  natĂĽrlich  nur  auf  diejenigen  Zahlen 
1  . . .  c5  zu  erstrecken,  fĂĽr  die  m,  ^  1  ist. 

13.  Wir  bemerken  vorab,  dass  die  Coefficienten  der  Linear- 
formen Xy[*\  Yh^  von  w  nicht  abhängen  können.     Li  der  That, 


384 


SitMung  der  math.-phys.  Glosse  vom  2.  Juli  1898. 


es  muss  zunächst  X2   von  w  frei  sein,  da  sonst  F  die  Grösse  w 

in  einer  höheren  als  der  ersten  Potenz  enthielte,  ferner  können 
die  AusdrĂĽcke: 

XS:i_,«)-XS:i,  lC\-2  ■  w  -  XÜ\.,   etc. 

die  Grösse  w  nur  in  der  ersten  Potenz  enthalten,  woraus  der 
Reihe  nach  folgt,  dass  die  Formen 

-Xii,-i»  Xm^^2  etc. 

von  w  frei  sein  mĂĽssen. 

14.   Nach  Nr.  6  und  12  enthält  der  Ausdruck  Fv  Variable 

Xi'\  Xr  und  ebenso  viele  Variable  Yh*\  17,  wenn  mit  n  —  v 
die  Anzahl  der  verschwindenden  unter  den  Zahlen  m^  bezeichnet 
wird.  Es  ist  nun  leicht  zu  zeigen,  dass  auch  umgekehrt,  wenn 
die  Schaar  /  durch  congruente  lineare  Substitutionen  der  x 
und  y  auf  eine  Form  mit  v  (und  nicht  weniger)  Variabein- 
paaren reducierbar  sein  soll,  genau  n  —  v  der  Zahlen  w,  ver- 
schwinden mĂĽssen,  oder  anders  ausgedrĂĽckt,  dass  dann  der 
Rang  der  Matrix: 

I   0    a\2  . . .  tiiM    0    b]2  . .  ^  bin 

021     0    .  .  .  02»  621     0    ...  62» 


fl^M  1  fl^n  2 . .  •   0  buih^o  • . .    0 


gleich    V  sein   muss.      In    der   That,    soU   vermöge   der   Sub- 
stitution 


Xi  =  S*  YikX'k  +  L»-  YirXr 
1  y+1 

y  n 

1  v+l 


(i  =  1 ,  2, . . .  n) 


die   transformirte   Schaar  f  von  Xy^i  , , ,  x^^   y^+i  . . .  y»    frei 
werden,  so  muss  man  haben: 


Al^ 


E,  V,  Weber:  Ueber  Schaaren  von  Bäinearformen,  385 

Aus  diesen  Bedingungen  erhält  man  unmittelbar  die  fol- 
genden 

n  H 

£•  a.*  yir  =  0,     £•' 6/fc  j'.T  =  0  (ä  =  1  . . .  n;   r  =  v  -f-  1  . . .  n), 
1  1 

woraus  die  obige  Behauptung  ohne  weiteres  hervorgeht. 

Wir  schliessen  daraus,  dass  die  Zahl  der  Variabein  in  dem 
Ausdruck  (23)  durch  congruente  Transformationen  der  X  und  Y 
nicht  vermindert  werden  kann. 

15.    Die   in    (23)   auftretenden   M  Linearformen  Xi     der 

Variabein  Xr,   und  ebenso  die  M  Linearformen  Yi     sind   von 
einander  linear  unabhängig.     Man  hat  nämlich: 

■^^""^^"  ^  —  ^"•• 

^^    =«;Xi!}.,-^"   (A  =  l,2,  ...w.-!), 


und  hieraus: 


tn^—h  __ 

•  dF 


Xi"  =  ÂŁâ–   (-  l)'+>  to'  -^.-   (A  =  1,  2, . . .  m.). 
Bestände  also  eine  Relation  der  Form: 

dt      *"• 

(24)  ÂŁ.  5>  al,"  Xi"  =  0 

1  1 

mit  Constanten  Coefficienten  ai* ,  so  erhielte  man  daraus  zwischen 

dF 

den   Ableitungen  ,     eine   lineare   Identität,    deren   Coeffi- 

cienten  ganze  Funktionen  von  w  wären.  Diese  Identität  müsste 
sich  andererseits  auch  dadurch  gewinnen  lassen,  dass  man  die 
linken  Seiten  der  Identitäten  (22)  mit  gewissen  Funktionen 
von  w  multiplicierte  und  addierte ;  dies  ist  aber  unmöglich,  da 

dF 

die  Identität  (24)  die  Ableitungen r-r  nicht  enthält. 


386  Sitzung  der  tnath.-phys.  Glosse  vom  2,  Juli  1898. 

16.  Nach  dem  soeben  Bewiesenen  können  wir  die  Aus- 
drĂĽcke Xi'\  Yk^  als  neue  Variable  statt  ebenso  vieler  Xr,  Yr 
einfĂĽhren,  was  auf  congruente  lineare  Transformationen  der 
beiden  Variabeingruppen  X, ,  Yr  hinaus  konmit.  Der  bequemeren 
Schreibweise  halber  wollen  wir  die  Variabein 

Y<^)  Y<')        Y<2)  -yii)  yid>)  -^w) 

.A.J     .  .  .  .i\.mi »   -**-|      •  •  •  -**-m2  •  •  •  -**i      •  •  •  '^••fti 

in  dieser  Reihenfolge  mit 

lilj  ...  |j^  (-af=ÂŁm,) 
und   ebenso   die  Variabein  Yi     in   derselben   Reihenfolge   mit: 

bezeichnen.     Femer   wollen    wir    die    noch    ĂĽbrig    bleibenden 
Variabein  Xr,  Yr  mit 


'  -'  --'  (d 


bezw.    yxyz  '->  Vn  i  m." 

bezeichnen.     Die  in  (23)  auftretende  Schaar  von  Bilinearformen 

JE"  =  w^'  —W 
nimmt  dann  die  Form  an 
(25)      F'  =  F'{w\  fi . . .  lir,  a;!  .  . .  a;ir  I  i;i .  . .  i;jf,  y\  . . ,  y'n), 

17.  Um  den  Ausdruck  F  weiter  zu  behandeln,  schicken 
wir  folgenden  HĂĽlfssatz  voraus: 

,,Ist  T<|^n,  und  verschwinden  alle  Formen  einer 
schiefsymmetrischen  Schaar  (1)  identisch  vermöge  eines 
Systems  von  t  unabhängigen,  congruenten  Relationen- 
paaren: 

n  n 

Ui  =  ^ai^Xk  =  Q,   F,  =  l>a,*y*  =  0  (i=l,2...T), 
i  1 

so  ist  der  Rang  der  Matrix  (4)  höchstens  gleich  2t.* 

Unter  der  gemachten  Annahme  sind  nämlich  die  Formen 
9^,  rp  in  folgender  Weise  darstellbar: 


E,  V,  Weber:  lieber  Schaaren  von  BUinearformen,  387 

<p-.i'iU.Vr+.-r.Ur+.) 

l 

rp=i>(U.rr+.-r.U'+.) 

'    .  1 

wonn: 

C/y+a  =  i8,i  a?!  +  .  .  .  +  ßtnXn\    F^+t  ^  ^8,1  ^i  +  •  •  •  +  ßtnyn\ 
U',^9  =  y.l  ^1  +  •  •  •  +  y«»^»;     Fr+t  =  Y$\yi  +  '"  +  Y^nVn 

gesetzt  ist,  und  die  Ăź,  y  gewisse  Constante  bedeuten. 
Man  hat  daher: 

waik  —  bik  =  I>  [a,i  (wß,k  —  Y^k)  —  a,k  (wß^i  —  y,^)]. 

1 

Die  Matrix  (4)  entsteht  also  durch  Zeilencomposition  der 
folgenden  beiden  Matrices: 

Oll  021  •  Ori   wßn  —  yii,  wßsi  —  y2i  . . .  wß^i  —  y^i 

012  022*^72    Wßi2  —  yi2,    «^^822 Yn  *  »  -  ^ ßx2  —  yT2 


rn 


Cllnain'  CLxnW  ßin  —  Y^H^W  ß2n—  Y^n  -  -  -  "f^ßm  —  Y^ 

IjW'/Jll    —  yil,    Wß2\  721  ...Wßrl—  Yzli  «11»  —«21,  ...  Orl 

li 

woraus  obiger  Satz  sofort  folgt. 

18.  Wir  nehmen  nun  zunächst  an,  dass  in  dem  Ausdruck 
F*  keine  der  Variabein  x  mit  einer  Variabeln  y  multipliciert 
auftritt.  Dann  treten  die  Variabein  x\  y  in  jF*  ĂĽberhaupt 
nicht  auf;  denn  es  verschwindet  jetzt  die  Schaar  F  oder  f 
identisch,  wenn  man  alle  Variabein  f,  ly  null  setzt,  was  M. 
congruente  lineare  Relationenpaare  in  den  a:,  y  liefert.  Nach 
dem  soeben  bewiesenen  Satze  hat  man  daher 


O) 


(26)  2^<i:»2m.; 

i 

andererseits  aber  ist  nach  Nr.  6: 

2^  >  ]S2m,. 


388  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  2,  JtUi  1898. 

Also  gilt  in  (26)  das  Gleichheitszeichen,  und  man  hat: 


CO 


(27)  n  =  E'(2m,+  l);  cl:*  =  0; 

1 

d.  h.  die  Schaar  (23)  enthält  überhaupt  nur  die  Variabein 

X(s)      vi»)      xH»)     xr(«) 
h  ,    -Ä-A  ,    Za  ,   J:a  • 

Nun  lässt  sich  die  schiefsymmetrische  Schaar  von  Bilinear- 
formen 

stets  in  der  Form  schreiben: 

M  M 

(28)  S.  I,  (w  P,_,  -  P.)  - 1:*  f],  (w  Q,  -  g,_ ,) 

1  1 

worin: 

(2,-  =  An  f  I  +  ^,->  ^2  +  .  .  .  +  Ă„in  fw 

gesetzt  ist,   und  die  Constanten  Ă„ik  von  m;  frei  sind.     In  der 
That,  ist 

M       M 

JF'  =  5>  S«  (w  aa  —  ßik)  f.  Vk  i 
1      1 

so   liefert  die  Vergleichung  der   beiden  Darstellungen   von  F' 
fĂĽr  die  Unbekannten  Ă„ik  die  Gleichungen: 

(29)  /'*    ~  /*'   ^  T   (»,  *  =  1,  2, . . .  M), 

A-l,fc -^A-l,i  =  Pik 

die   sich   auf  M{M — 1)    unabhängige    reducieren.      Schreibt 
man  die  zweite  Gleichung  (29)  in  der  Form 

und  subtrahiert  von  ihr  die  erste  Relation  (29),   so  folgen  die 
Bedingungen 

Aki  —  Ak-\,i^\  =  ßij^\,k  —  cia  {i  =^  1,  ...-af— 1;  Ä;=  1 . . .  Jf), 

die  ebenfalls  M(M — 1)  unabhängige  Gleichungen    darstellen, 
also  mit  (29)  aequivalent  sind.    Man  kennt  sonach  in  dem  Schema 


E,  V,  Weber:  lieber  Schaaren  von  BUinearfonnen,  389 

-4.11  ,  ,  ,  Ă„iM 


Am\  Äm2  •  •  .  Amm 

den  Unterschied  irgend  zweier  benachbarter  Elemente  in  der- 
selben von  rechts  oben  nach  links  unten  verlaufenden  Diagonal- 
reihe, und  kann  mithin  Aqi  . , ,  Ă„qji,  Aim  -  -  -  Amm  willkĂĽrlich 
wählen,  worauf  die  übrigen  Äik  eindeutig  bestimmt  sind. 

Schreibt   man  jetzt   statt   der  f,  rj   wieder  Xa,  Ya*,    und 
vereinigt  man  diejenigen  Glieder  der  ersten  Doppelsumme  von 

(23)   und    des  Ausdrucks  (28),    die   mit   demselben  X}*    bezw. 

Yk  multipliciert  sind,  so  erhält  man  durch  einfache  Aenderung 
der  Bezeichnungsweise  für  die  Schaar  wcp  —  tp  die  folgende 
Darstellung 


di     •"» 


(30)      s«  £*  [Ü"  (w  ^ti  -  ?)i")  -  ?)i"  («;  li'l,  -  30.")] , 

I         1 

worin  die  3£,  j   unabhängige  Linearformen   von  x^  . . .  x^  imd 

die  9),  ^  die  dazu  congruenten  Linearformen  der  y  bedeuten. 
Diese  Darstellung  gilt  natĂĽrlich  nur  fĂĽr  den  Fall,  dass  die 
Bedingungen  (27)  erfĂĽllt  sind,  die  Matrix  (4)  also  ĂĽberhaupt 
keinen  Elementarteiler  besitzt. 

19.  Wir  betrachten  nun  zweitens  den  Fall,  dass  der  Aus- 
druck (25)  die  Variabein  x\  y  wirklich  enthält;  denn  zerlegt 
sich  i^  in  3  Bestandteile 

(31)      F^(iv\  Ci . . .  Cjr|  i?i . . .  ^jr)  +  -f'i  +  F<i(w\  a;i . . . x's\y[ . .  .yir), 

worin  JFj  die  Form  hat: 

u     N 

F^  EE  £•  S*  (jJiik  w  —  va)  (f .  yi  —  rjk  xi) 

1     i 

und  die  /i,*,  v,*  Constante  bedeuten;  die  AusdrĂĽcke  Fq,  F^,  F^ 
sind  Schaaren  schiefsymmetrischer  Bilinearformen. 

Es  lässt  sich  nun  leicht  einsehen,  dass  die  Determinante 
der  Formenschaar  F^  nicht  fĂĽr  jedes  w  verschwindet.     Li  der 


390  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  2.  JiUi  1898, 

That,  verschwindet  die  Determinante  von  F^  nicht  identisch, 
so  lässt  sich  nach  der  Schlussbemerkung  von  §  II  die  Form  F^ 
durch  ^  N  congruente  Paare  von  Gleichungen  annullieren,  und 
indem  man  diesen  Gleichungen  die  Relationen  f ,  =  0,  »;,  =  0 
hinzufĂĽgt,  kommt  man  zu  dem  Resultat,  dass  sich  alle  Formen 
wq)  —  xp  durch 

congruente  Relationenpaare  in  x  und  y  annullieren  lassen. 
Verschwände  nun  aber  die  Determinante  P  von  JFg,  und  wäre 
2  Q  (<  N)  ihr  Rang,  so  könnte  man  auf  F^  dieselbe  Schluss- 
weise anwenden  wie  vorher  auf  die  Schaar /*=  t<;9?  —  yf;  d.  h. 
man  könnte  F2  in  4  Bestandteile  *  +  JFo  -}-  i^  +  2^  zerlegen, 
wo  <P  die  Form  (30)  besässe,  während  JFo»  -Fi,  -F2  den  vorhin 
mit  Fq,  F^,  JFj  bezeichneten  Formenschaaren  analog  wären. 
Wäre  dann  F2  identisch  null,  so  könnte  man  nach  Nr.  18  die 
Formenschaar  F^  durch  g  congruente  Relationenpaare  annul- 
lieren; das  Gleiche  wäre  der  Fall,  wenn  die  Determinante  von 
F2  nicht  null  wäre.  Unter  der  Annahme  endlich,  dass  die 
Determinante  von  F2  identisch  null  wäre,  konnte  man  auf  F2 
die  gleiche  Ueberlegung  anwenden  wie  auf  2^,,  etc.  In  allen 
Fällen  käme  man  zu  dem  Resultate,  dass  F^  durch  g  oder 
weniger  congruente  Relationenpaare  zum  Verschwinden  gebracht 
werden  könnte;  dann  aber  wäre  die  Schaar  wtp  —  xp  vermöge 
weniger  als  g  congruenter  Relationenpaare  identisch  null,  was 
nach  Nr.  17  mit  der  Voraussetzung,  dass  2^  der  Rang  der 
Matrix  (4)  sei,  in  Widerspruch  steht.     Setzt  man  also 

N      N 

(32)  F^  --^  £.•  i:»  {wpi,  —  qa)  Xi  yL , 

1     1 

so  ist  die  Determinante 

(33)  I  tvpik  —  qik\    ihk=l  ..,  N) 

nicht  fĂĽr  jedes  w  null. 

Beiläufig  ergibt  sich  hieraus  noch  der  Satz:   „Damit  alle 
Formen  der  Schaar  e(;9? — yj  durch  g  und  nicht  weniger 


E.  V.  Weber:  Ăśeber  Schaaren  von  BĂĽinearformen.  391 

unabhängige,  lineare,  congruente  Paare  von  Gleich- 
ungen zwischen  den  x  und  den  y  zum  Verschwinden 
gebracht  werden  können,  ist  nicht  nur  notwendig, 
sondern  auch  hinreichend,  dass  der  Rang  der  Matrix  (4) 
gleich  2q  sei." 

20.    Es  sei  jetzt: 
(34)       «,  =  }t>  S*  c':\  Xi'>  +  2>  S*  c':]  Xi"  +  L»  ci ,  xl 

10  11  1 

(i=l,2,...n) 

die  lineare  Substitution,  welche  den  Uebergang  von  den  ur- 
sprĂĽnglichen X  zu  den  neuen  Variabein  Xi  ,  Xi  ,  xl  vermittelt. 

Die  Constanten  ci,  sind  dabei  dieselben,  wie  diejenigen,  die  in 
den  Identitäten  (8),  (9)  auftreten.  Ersetzt  man  nun  in  der 
Schaar  f  den  Parameter  w  durch  w  -\-  Wf^,  wo  Wq  eine  Con- 
stante  bedeutet,  so  verwandeln  sich  die  Identitäten  (8)  in  die 
folgenden : 


's         H 


ĂĽ      i 
worin 


£*  i>  Chi  w  [w  q?k  —  iWk  —  t(\i (pk)]  =  0, 


m. 


c^  =  SK0t^!^4 


-h 


gesetzt  ist.     Die  Linearformen 


Xi"^I>  cÄv»   (A  =  1,  2,  . . .  m.) 


1 

verwandeln  sich  hierdurch  in  die  folgenden: 


"•» 


1  k 

hieraus  folgt  ohne  weiteres:  die  Ersetzung  des  Parameters  w 
durch  tv  +  Wq  kommt  darauf  hinaus,  in  der  n- reihigen  Deter- 
minante der  linearen  Substitution  (34)  jede  der  Colonnen: 

(ob)  Ck\Ch2  '  "  Ckn 


392  Sitzung  der  matK-pkya,  Glosse  vom  ^.  Juli  1898, 

bezw.  durch  die  Colonnen 

und  ebenso  jede  der  Colonnen 

(ob)  ChiCh2  '  .  .  Ca» 

durch  eine  lineare  Combination  der  mit  demselben  Index  s  ver- 
sehenen Colonnen  (36)  zu  ersetzen.  Hierdurch  erfahren  aber 
die  aus  (34)  zu  berechnenden  AusdrĂĽcke  der  x  keine  Aenderung. 

Ersetzt  man  in  der  Schaar /"  die  Grösse  z(;  durch  — ,  so  kommt 

w 

dies  nach  (8)  offenbar  darauf  hinaus,  in  der  Determinante  von 
(34)  die  Colonnen  (35),  (36)  in  gewisser  Weise  zu  vertauschen. 
Schreibt  man  endlich  in  der  Schaar  (l)  aw  statt  tv,  so  werden 
die  Colonnen  (35)  und  (36)  mit  gewissen  Potenzen  von  a 
multipliciert.  Beide  Substitutionen  aber  lassen  die  aus  (34) 
folgenden  Darstellungen  der  Variabein  x\  . , ,  x's  vollkommen  un- 
geändei-t.  Da  nun  jede  lineargebrochene  Substitution  des  Para- 
meters w  sich  aus  den  drei  genannten  zusammensetzen  lässt, 
so  haben  wir  den  Satz: 

Eine   lineargebrochene  Transformation    des   Parameters  w 
unserer  Schaar  (1)  ist  aequivalent  mit  einer  gewissen  linearen 

Transformation    der  Variabein  Xi  ,  Xi    unter   sich,    wobei   die 

Variabein  Ya*\  Yh^  die  congruente  Substitution  erleiden,  während 
die  Veränderlichen  x\  y   völlig  ungeändert  bleiben. 

Wir   dĂĽrfen    in  Folge   davon    annehmen,    dass   keine   der 
beiden  Determinanten 

\Pik\'i  \(lik\    (i,  Ă„=  l,2...iV) 

verschwinde.  In  der  That,  wäre  eine  dieser  Determinanten 
(oder  beide)  null,  so  könnten  wir  nach  Nr.  19  zwei  Zahlen  tv^ 
und  M',  so  wählen,  dass  die  Determinante  (33)  weder  für  u;  =  tv^ 
noch  fĂĽr  tc  =  n\  verschwindet.  Ersetzt  man  dann  in  der 
Formenschaar  f  den  Parameter  tv  durch 

w  —  1 


E.  «.  Weber:  lieber  Schaaren  von  Büinearformen,  393 

und  fĂĽhrt  man  in  den  Coefficienten  der  Substitution  (34)  die 
dieser  Substitution  entsprechenden  Aenderungen  aus,  so  ver- 
wandelt sich  JFj  in  eine  Formenschaar,  die  den  gestellten  An- 
forderungen genĂĽgt. 

21.  Dies  vorausgesetzt,  wollen  wir  nun  durch  congruente 
lineare  Transformationen  der  x  und  y  aus  dem  Ausdruck  (31)  die 
Terme  Fq  und  jF\  wegschaffen.    Wir  setzen  zu  diesem  Zwecke:*) 

a:;  =  a:;  +  fl;;  yi=y:  +  Ki  ii  =  l..,N) 

Hl  =  Xi\  f  1  +  Xi2  f 2  +  .  .  .  +  XiM  f  jf 
Ki  =  XiiTJi  +  i|2 ^2  -}-...  +  hu^lMi 

wodurch  der  Ausdruck  (31)  in  die  Summe  der  drei  folgenden 
ĂĽbergeht: 

M     N  NN 

11  11 

M    N  M      N 

2.  iI«L«(/i/a«<?  -V,^{^iya—riiXa)  -[-^''}j^(j>aßW~q„ß)(XaKß  ¥yaHß) 

11  11 

N      N 

3.  ^^{PaĂźW-'qaĂź)XayĂź. 

1         1 

Wir  wollen  nun  die  Unbekannten  Xik  so  bestimmen,  dass 
der  Ausdruck  (2)  die  Form  annimmt: 

(37)  L I,  {XV  P,^i  —  P.)  -  S  ^,  (u;  (2,_i  -  Q) 


n   t  n 


WO  die  P,  Q  congruente  Linearformen  der  y  bezw.  x  bedeuten, 
oder  also,  dass  der  Coefficient  von  f » •  w  in  dem  Ausdruck  (2) 
mit  demjenigen  von  —  f,_i  und  ebenso  natürlich  der  Coefficient 
von  r;,tr  mit  demjenigen  von  — i;,_i  identisch  sei.  Dies  liefert 
die  Bedingungen: 

N  N 

(38)  /^,s  +  i:*i)skA»,=  n_,..  +  ^^^skKi-i 

I  1 

(,9=l,2,...iV^;  i  =  2,3...Jtf). 


*)  Sauvage  1.  c.  p.  20  f. 


394  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  2.  Juli  1698, 

Da  nun  die  Determinante  der  q^k  nicht  null  ist,  kann  man 
hieraus  die  Unbekannten  ii,,_i . . .  Ajv;/-!  berechnen,  wenn  Jin 
. . .  l^i  bekannt  sind.  Wir  können  also  ili  ^ .  . .  ^nm  willkürlich 
annehmen,  worauf  alle  andern  lik  durch  (38)  eindeutig  bestimmt 
sind.  Nunmehr  lassen  sich  die  Terme  (37)  mit  den  ent- 
sprechenden Tennen  der  Doppelsumme  in  (23)  vereinigen  (vgl. 
Nr.  18).  Ferner  können  wir  jetzt  auch  den  Ausdruck  (1)  als 
Schaar  von  Bilinearformen  der  Variabein  f,  t]  wie  in  Nr.  18 
in  der  Form  (37)  darstellen  und  mit  der  Doppelsumme  in  (23) 
vereinigen,  worauf  die  Schaar  W(p  —  rp  dargestellt  ist  als  eine 
Summe  zweier  AusdrĂĽcke,  von  denen  der  erste  die  Form  (30) 
besitzt,  während  der  zweite  mit  der  Formenschaar  3.  pag.  393 
identisch  ist.  Da  nun  die  Detenninante  der  p^fi  nicht  null  ist, 
lassen  sich  auf  diese  letztere  Fomienschaar  unmittelbar  die 
Entwickelungen  des  §  II  anwenden,  und  wir  kommen  schliess- 
lich zu  dem  Resultat: 

„Jede  Schaar  w<p  —  y^  von  schiefsjmmetrischen 
Bilinearformen  lässt  sich  durch  congruente  lineare 
Transformationen  der  beiden  Variabeinsysteme  x  und  y 
als  eine  Summe  (10)  von  elementaren  schiefsymme- 
trischen Schaaren  darstellen.** 

Man  schliesst  daraus  in  bekannter  Weise,*)  dass  das  volle 
Invariantensystem  einer  schiefsymmetrischen  Schaar  utp  —  vy^ 
gegenĂĽber  congruenten  Transformationen  der  x  und  y  und 
linearen  Transformationen  von  u,  v  durch  die  ganzen  Zahlen  m, 

und  e),l\   sowie  durch  die  r  —  3  unabhängigen  Doppelverhält- 
nisse der  Zahlen  id^\  w^^^  .  .  .  w^*^  dargestellt  wird. 


1)  Kronecker  1.  c.  pag.  1233. 


395 


Ueber  die  Bedingungen  möglichst  präziser  Abbildung 
eines  Objekts  von  endlicher  scheinbarer  Grösse  durch 

einen  dioptrischen  Apparat. 

Von  L.  T.  Seidel. 

Aus  dem  Nachlasse  herausgegeben  von  S.  Finsterwalder. 

{Singdauftn  4.  Oktober.) 


Vorbemerkung  des  Herausgebers. 

Die  vorliegende  Arbeit  fand  sich  im  Nachlasse  Ludwig 
V.  SeideTs  in  nahezu  druckfertiger  Form  (redigiert  im  Jahre  1881) 
vor.  Ihr  Inhalt  wurde  bereits  in  der  Akademie-Sitzung  vom 
6.  März  1880  vorgetragen.  Sie  bot  zur  Zeit  ihrer  Entstehung 
entschieden  viel  Neues  und,  wenn  auch  in  den  18  Jahren, 
während  welcher  sie  im  Schreibtische  geruht  hat,  das  Meiste 
davon  wieder  entdeckt  wurde,  so  ist  sie  doch  fĂĽr  die  Stellung 
des  Verfassers  in  der  Dioptrik  so  charakteristisch,  dass  sich  ihre 
Veröffentlichung  auch  jetzt  noch  verlohnt.  Sei del's  Verdienste 
um  die  rechnende  Dioptrik  liegen  nach  zwei  Richtungen;  er 
hat  einerseits  praktische  Formeln  nebst  Controlen  zur  strengen 
trigonometrischen  Durchrechnung  einzelner  Strahlen  in  und 
ausser  der  Axenebene  eines  zentrierten  Systems  angegeben, 
welche  gegenwärtig  allgemein  benutzt  werden;  andrerseits  hat 
er  aber  auch  Näherungsformeln  (Reihenentwicklungen)  aufge- 
stellt, welche  mit  für  viele  Fälle  ausreichender  Genauigkeit 
die  Gesamtheit  des  Strahlengangs  in  seiner  Abhängigkeit  von 
den  Componenten  des  Linsensystemes  darstellen  und  SchlĂĽsse 
allgemeiner  Natur  gestatten.  Im  Bereiche  der  letzteren  Nähe- 
rungsformeln  bewegt  sich   die  vorliegende  Untersuchung,   die 

1898.  Sitzungsb.  d.  niAtb.-phys.  Ol.  26 


396  Sitzung  der  mcUK-phys,  Classe  vom  2,  Juli  1698. 

durch  den  Abbe'schen  Sinussatz  angeregt  war  und  zunächst 
das  Ziel  verfolgt,  dessen  Uebereinstimraung  mit  der  sogenannten 
Fraunhoferbedingung  zu  zeigen.  Nebenher  wurden  die  bereits 
frĂĽher  aus  den  Formeln  gezogenen  Resultate  zusammengefasst 
und  ergänzt;  offenbar  in  der  Absicht,  die  Brauchbarkeit  der 
Formeln,  die,  trotzdem  sie  bereits  vor  einem  Vierteljahrhundert 
veröffentlicht  waren,  kaum  Beachtung  gefunden  hatten,  aufs 
neue  zu  zeigen.  Zu  dieser  Inslichtstellung  seiner  Erfolge  hatte 
V.  Seidel  allen  Grund,  denn  das  in  seinen  Formeln  längst 
gelöste  Problem  ist  von  verschiedenen  Seiten  wiederholt  auf- 
gegriffen worden,  ohne  dass  die  von  ihm  von  Anfang  an  ge- 
wollte und  erzielte  Vollständigkeit  und  Eleganz  der  Resultate 
wieder  erreicht  wurde.  Keiner  von  den  Späteren  hat  an 
Seide l's  Untersuchungen  angeknĂĽpft,  ja  sie  auch  nur  genannt 
und  dem  Verfasser  dieser  Bemerkungen  blieb  es  vorbehalten, 
nach  35  Jahren  auf  dem  von  Seidel  gelegten  Grunde  weiter 
zu  bauen.^)  Indessen  hat  auch  Seidel  einen  ihm  unbekannt 
gebliebenen  Vorgänger  auf  dem  Gebiete  der  Dioptrik  gehabt, 
dessen  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  allerdings  selbst  heute 
noch  gar  nicht  gewĂĽrdigt  werden  und  dessen  Unbekanntheit 
bei  Seidel  um  so  weniger  ins  Gewicht  fällt,  als  er  über  seine 
Leistungen  nur  einen  vorläufigen,  in  seiner  Kürze  schwer  ver- 
ständlichen Bericht  der  Oeffentlichkeit  übergeben  hat.  Der 
Genannte  ist  kein  Geringerer  als  William  R.  Hamilton, 
der  Entdecker  des  nach  ihm  benannten  mechanischen  Princips. 
Der  erwähnte  Bericht  findet  sich  im  Report  of  the  third 
mceting  of  the  British  Association  held  at  Cambridge  in  1833. 
London  1834,  S.  360—370  (On  some  Results  of  the  View  of 
a  Characteristic  Function  in  Optics).  Herr  F.  Klein  in 
Göttingen  hat  in  einem  Vortrage  gelegentlich  der  Natur- 
forscher-Versammlung in  Halle  1891  die  Fäden  aufgedeckt, 
welche  die  wohlbekannten  allgemeinen  Untersuchungen  Hamil- 

^)  Die  von  optischen  Systemen  grösserer  Oeffnung  und  grösseren 
Gesichtsfeldes  erzeugten  Bilder.  Auf  gnmd  der  SeideTschen  Formeln 
untersucht  von  S.  Finsterwald  er.  Abhandl.  der  k.  b.  Akad.  d.  Wiss., 
II.  Cl.,  XVII.  I3d.,  III.  Abth.  1891. 


X.  V,  Seidel:  Ăśeher  die  Bedingungen  etc,  397 

ton^s  ĂĽber  Strahlensysteme  mit  seiner  Integrationstheorie  der 
mechanischen  Differentialgleichungen  verknĂĽpfen ,  und  dar- 
gethan,  wie  erstere  rein  analytisch  betrachtet  einen  speciellen 
Fall  der  letzteren  betreffen.  Ihm  verdanke  ich  auch  den  Hin- 
weis auf  den  oben  erwähnten  Bericht.  Das  Studium  dieses 
Berichtes  ĂĽberzeugte  mich,  dass  Hamilton  in  der  Theorie  der 
Aberrationen  eines  dioptrischen  Apparates  nicht  nur  weiter 
vorgedrimgen  war,  als  Seidel  in  seinen  bereits  frĂĽher  ver- 
öffentlichten Untersuchungen,  sondern  auch  in  der  hier  vor- 
Kegenden.  Von  den  Resultaten,  die  ich  s.elber  im  Jahre  1891 
auf  grund  der  SeideTschen  Formeln  entwickelt  habe,  sind 
fast  alle,  die  sich  nicht  auf  die  Verteilung  der  Helligkeit  des 
Lichtfleckes  und  die  Aenderung  desselben  bei  veränderter  Ab- 
biendung beziehen,  angedeutet.  Die  Hamilton^sche  Methode 
zur  Herleitung  der  Formeln  ist  bei  weitem  umfassender  als 
die  SeideTsche,  obschon  letztere  im  Gegensatz  zur  ersteren 
die  Formeln  in  unmittelbar  praktisch  verwendbarer  Gestalt 
liefert;  sie  ist  von  Herrn  Thiesen^)  im  Jahre  1890  von  neuem 
entdeckt  worden.  In  jĂĽngster  Zeit  wurde  sie  noch  ĂĽbertroffen 
durch  die  Theorie  des  Eikonals*)  von  Herrn  H.  Bruns,  der 
Lie's  Lehre  von  den  BerĂĽhrungstransformationen  fĂĽr  die  Diop- 
trik  fruchtbar  gemacht  hat. 

Hiemach  stellt  sich  die  Geschichte  der  Entdeckung  der 
Aberrationen  3.  Ordnung  kurz  folgendermassen.  Nachdem 
Euler  in  den  Jahren  1757 — 61  die  Aberration  in  der  Axe 
systematisch  berechnen  gelehrt  hatte,  erkannte  Fraunhofer 
etwa  im  Jahre  1825  den  Einfluss  des  in  der  Praxis  erheb- 
lichsten Gliedes  der  Aberrationen  ausser  der  Axe  und  verstand 
es,  ihn  praktisch  zu  beseitigen.  Im  Jahre  1833  fand  Hamilton, 
weit  seiner  Zeit  vorauseilend,  die  allgemeine  Gestalt  der  For- 
meln, welche  sämmtliche  5  Aberrationen  in  und  ausser  der 
Axe  dai-stellen,    mittels   der  ihm   eigentĂĽmlichen  Methode    der 


*)  Beiträge   zur  Dioptrik.     Sitzungaber.   der  k.  Akad.   d.  Wiss.   zu 
Berlin  1890. 

'*')  Das   Eikonal   von   Heinrich  Bruna.     Abhandl.   der  math.-phys. 
Classe  der  k.  sächs.  Akad.  d.  Wiss.,  21.  Bd.     Leipzig  1895. 

26* 


398  Sitzung  der  nuUh.-phya.  Glosse  vom  2,  Juli  1898. 

Variation  einer  charakteristischen  Funktion  (in  diesem  Falle 
der  Zeit,  die  das  Licht  braucht,  um  von  einem  Pimkte  des 
Weges  zu  einem  andern  zu  kommen).  Doch  hat  er  vermutlich 
den  Zusammenhang  der  Constanten  seiner  Formeln  mit  den 
BestimmungsstĂĽcken  des  dioptrischen  Apparates  nicht  abge- 
leitet, wie  er  ĂĽberhaupt  seinen  diesbezĂĽglichen  Untersuchungen 
mehr  theoretisches  als  praktisches  Interesse  beinusst.  Be- 
wundernswert bleibt  die  uns  im  Detail  allerdings  unbekannte 
vollständige  Diskussion  der  Formeln,  die  auf  nichts  weniger 
als  die  Bestimmung  der  Gestalt  der  Centrafläche  einer  Fläche 
2.  Grades  hinauskommt.  Unter  dem  EinflĂĽsse  von  Gauss^ 
dioptrischen  Untersuchungen  1838 — 43  hat  Seidel  die  Reihen- 
entwicklung der  BestimmungsstĂĽcke  eines  Strahles,  die  dort 
beim  2.  Gliede  abbricht,  auf  Glieder  3.  Ordnung  ausgedehnt 
und  die  zur  numerischen  Berechnung  aufs  beste  vorbereiteten 
Formeln  im  Jahre  1855  pubhciert.  Auf  ähnlichem  Wege  war 
seit  1842  bereits  Petzval  in  Wien  vorgegangen,  aber  trotz 
unendlichen  Itechenaufwandes,  der  allerdings  zu  dem  praktisch 
höchst  bedeutsamen  PetzvaTschen  Porträtobjektiv  führte,  ge- 
langte er  nicht  zu  sicheren  Resultaten  allgemeinerer  Natur. 
Ohne  von  Seidel's  Resultaten  Kenntnis  zu  besitzen,  hat  sich 
Zinken-Sommer^)  in  Braunschweig  im  Jahre  1870  das  gleiche 
Ziel  gesetzt,  dasselbe  indessen  in  ähnlicher  Vollkommenheit  wie 
Seidel  nicht  erreicht.  Durch  eine  Betrachtung  von  Clausius 
aus  dem  Jahre  1864,  die  sich  auf  den  2.  Hauptsatz  der 
mechanischen  Wärmetheorie  stützt,  war  ein  wichtiger  diop- 
trischer  Satz  vorbereitet  worden,  dessen  weittragende  Bedeutung 
allerdings  erst  von  Abbe  (1873)  und  Helmholtz  (1874)  er- 
kannt worden  war  und  der  heute  den  Namen  des  Abbe 'sehen 
Sinussatzes  fĂĽhrt.  Dieser  gibt  die  Bedingung  an,  die  zu  der 
Vernichtung  der  Kugelabweichung  hinzutreten  muss,  damit 
beliebig  weit  geöffnete  Büschel  nicht  nur  einen  Punkt  der  Axe 
selbst,  sondern  aucli  noch  benachbjirte  Punkte  scharf  abbilden. 


^)  ĂĽntersuchunp^en   ĂĽber  die  Dioptrik  der  Linsensysteme.     Braun- 
schweig 1870. 


Xr.  V,  Seidel:  Ueher  die  Bedingungen  etc.  399 

Seine  TJebereinstimmung  mit  der  Fraunhoferbedirigung  auf  dem 
beschränkten  Gebiet  der  Aberrationen  3.  Ordnung  zeigt  Seidel 
in  vorliegender  Abhandlung.  Aus  etwas  späterer  Zeit  dürfte 
die  auf  Abbe  zurĂĽckgehende  getrennte  Behandlung  der  ein- 
zelnen Aberi'ationen  stammen,  welche  durch  Herrn  Czapski 
1893  an  die  OefFentlichkeit  gekommen  ist.  Ganz  unbeein- 
flusst  von  Seidel's  Arbeiten  ist  die  Wiederentdeckung  des 
Hamilton 'sehen  Weges  zur  Ableitung  der  Aberrationen  durch 
Herrn  Thiesen  1890,  welche  durch  Helmholtz  angeregt  war. 
Aber  auch  sie  fĂĽhrte  nicht  zu  unmittelbar  numerisch 
verwertbaren  Formeln.  Die  gleiche  Bemerkung  gilt  von  der 
methodisch  am  höchsten  stehenden  Arbeit  des  Herrn  H.  Bruns 
vom  Jahre  1895.  Herr  Abbe  hat  seit  Beginn  der  70er  Jahre 
die  gewöhnliche  Näherungstheorie  der  optischen  Instrumente 
auf  grund  der  Bemerkung  entwickelt,  dass  dieselben  eine 
strahlen-  und  punktweise  Abbildung  des  Objekt-  und  Bild- 
raumes vermitteln.  Lässt  man  die  Eigenschaft  der  punktweisen 
Abbildung  fallen  und  fĂĽhrt  man  dafĂĽr  jene  ein:  Nomalen- 
sjsteme  des  Objektraumes  in  solche  des  Bildraumes  ĂĽberzu- 
fĂĽhren, so  kommt  man  zu  einer  Erweiterung  der  Abbe'schen 
Auffassung,  welche  auch  die  Theorie  der  Aberrationen  ein- 
schliesst.  Herr  Bruns  hat  diesen  Schritt  gemacht  und  gezeigt, 
dass  sicli  die  Abbildungsformeln,  dann  immer  aus  einer 
erzeugenden  Funktion  (Eikonal)  der  Strahlencoordinaten  in 
analoger  Weise  durch  DifFerentiieren  ableiten  lassen,  wie  die 
Formeln  fĂĽr  die  Componenten  der  Kraft  aus  dem  Potential. 
Er  ist  sich,  wie  aus  seinen  einleitenden  Bemerkungen  hervor- 
geht, der  nahen  Verwandtschaft  seiner  Methode  mit  dem 
mechanischen  Principe  Hamilton 's  wohl    bewusst,    ahnt  aber 


^)  Aus  dem  Jahre  1893  nach  dein  Erscheinen  meiner  eigenen  an 
Seidel  anknĂĽpfenden  Untersuchung  (1891)  ist  mir  eine  Arbeit  von 
Heim  M.  L.  V.  Charlier  bekannt  geworden,  aus  welcher  hervorgeht, 
dass  derselbe  wenigstens  die  allgemeine  Gestalt  der  Formeln  fĂĽr  die 
Aberrationen  3.  Ordnung  wieder  entwickelt  hat,  ohne  seine  Vorgänger 
zu  kennen  (Sur  la  marche  de  la  lumiere  a  travers  un  Systeme  de  len- 
tilles  spheriques.     Comptes  Rendus  de  l'Acad.  des  Sciences  1893,    S.  58. 


400  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  2.  Jtdi  1898, 

nicht,  dass  der  Urheber  jenes  Princips  schon  vor  60  Jahren 
das  gleiche  Problem  mit  ähnlichen  Mitteln  behandelt  hat. 
Auch  die  Entwicklungen  Seidel's,  Zinken-Sommer's  und 
Thiesen's  finden  keine  Erwähnung  bei  Bruns,  wenn  man 
nicht  annehmen  will,  dass  er  sie  unter  die  „in  der  Literatur 
gelegentlich  vorkommenden  langathmigen  Ent Wickelungen,  die 
die  Schwierigkeit  der  numerischen  Berechnung  ĂĽberwunden  zu 
haben  vorgeben,"  zählt.  Dieses  harte  Urteil  würde  am  aller- 
wenigsten auf  Seidel's  Leistungen  in  der  Dioptrik  passen. 


In  einem  im  November  1879  veröflfentlichten  Aufsatz*) 
bespricht  Herr  Abbe  in  Jena,  dessen  scharfsinnige  Unter- 
suchungen der  Vervollkommnung  der  Optik  sowohl  auf  theo- 
retischem wie  auf  praktischem  Gebiete  zugewendet  sind,  die 
bekanntlich  zuerst  von  Fraunho^r  ins  Auge  gefasste  und 
der  Konstruktion  seines  Femrohrobjektivs  zu  grĂĽnde  gelegte 
Bedingung,  gemäss  welcher  die  genaue  Vereinigung  der  Licht- 
strahlen von  mittlerer  Brechbarkeit  zu  einem  Bildpunkte,  wie 
sie  durch  Aufhebung  der  sogenannten  sphärischen  Aberration 
fĂĽr  die  Mitte  des  Gesichtsfeldes  erzielt  ist,  nunmehr  auch 
herbeigeführt  wird  für  die  die  Mitte  zunächst  umgebenden 
Regionen  des  Sehfeldes.  Wenn  man  sich  erlaubt,  nach  abge- 
kĂĽrzter Redeweise,  in  dem  Fall,  in  welchem  die  erste  Be- 
dingung zur  Aufhebung  der  Kugelabweichung  erfĂĽllt  ist,  zu 
sagen,  dass  infolgedessen  ein  LichtbĂĽschel  von  endlicher  Oeff- 
nung  zur  strengen  Konvergenz  gebracht  werde,  so  darf  man 
in  ganz  analogem  Sinn  die  Fraunhofer 'sehe  Bedingung  als 
diejenige  bezeichnen,  durch  deren  Hinzutritt  ein  Objekt  von 
endlicher  Grösse  zur  präzisen  Abbildung  gelangt.  Faktisch 
wird  man  dabei  nicht  vergessen,  dass,  da  das  LichtbĂĽschel 
unendlich  viele  Strahlen  enthält,  zur  mathematisch  strengen 
Vereinigung  aller  in   einen  Konvergenzpunkt   unendlich   viele 


^)  Ueber  die  Bedingungen  des   Aplanatismus  der   Linsensystemc, 
Sitzungsber.  der  Jen.  Ges.  f.  Med.  u.  Naturw.  1879  Nov. 


Xf.  V.  Seidel:  ĂĽeber  die  Bedingungen  etc,  401 

Bedingungen  erfĂĽllt  sein  mĂĽssten,  und  dass  ebenso  auch  die 
Ausdehnung  der  fĂĽr  einen  leuchtenden  Punkt  erst  erreichten 
Genauigkeit  auf  ein  endliches  Gesichtsfeld  stricte  genommen 
unendlich  viele  Bedingungen  erfordern  wĂĽrde.  Unsere  diop- 
trische  Theorie,  soweit  sie  einen  analytischen  Charakter  trägt 
und  nicht  lediglich  Vorschriften  zur  Zahlenrechnung  aufstellt, 
setzt  bekanntlich  voraus,  dass  das  anguläre  Mass  des  Gesichts- 
feldes und  ebenso  das  entsprechende  der  OeflFnung  des  Apparats 
kleine  Grössen  sind,  nach  deren  Potenzen  die  für  die  Unter- 
suchung massgebenden  Grössen  in  rasch  konvergierende  Reihen 
entwickelt  werden  können.  Berücksichtigt  man  von  diesen 
Reihen  nur  die  Glieder  der  niedrigsten  Ordnung,  so  ergeben 
sich  bekanntlich  die  Näherungsformeln,  wie  sie  in  vorzüg- 
lichster Eleganz  in  den  „ dioptrischen  Untersuchungen*  von 
Gauss  gegeben  sind:  Formeln,  die  als  eine  erste  Approxi- 
mation fĂĽr  jeden  Apparat  gelten,  die  aber  zugleich  das  Ideal 
für  den  Optiker  repräsentieren,  weil  der  Apparat  allen  An- 
sprĂĽchen, die  man  an  seine  Leistungen  stellen  kann,  dann  voll- 
kommen entsprechen  wĂĽrde,  wenn  seine  Wirkung  durch  jene 
Näherungsformeln  genau  dargestellt  wäre.  Unter  den  vorhin 
gemachten  Voraussetzungen  erscheinen  die  Dimensionen  des  auf 
irgend  einer  Trausversalebene  aufgefangenen  Bildes  von  einem 
endlichen  Objekt  als  kleine  Grössen  erster  Ordnung,  welche 
man  aus  jenen  Näherungsformeln  erhält.  Die  Fehler  in  diesem 
Bild,  d.  h.  die  Differenzen  zwischen  den  Punkten,  in  welchen 
die  Transversalebene  von  den  aus  dem  Apparat  hervorgehenden 
Lichtstrahlen  wirklich  passiert  wird,  und  den  Stellen,  an  welchen 
dieser  Durchgang  stattfinden  müsste,  um  eine  präzise  Abbil- 
dung der  leuchtenden  Punkte  zu  erzeugen,  sind  durch  kleine 
Grössen  von  der  dritten  Ordnung  dargestellt,  da  ihre  voll- 
ständige Reihenentwicklung  überhaupt  nur  Glieder  ungerader 
Dimension  enthält,  und  sonach  der  Ausdruck  dessen,  was  den 
Unterschied  zwischen  der  Aberration  und  der  genauen  Betrach- 
tung enthält,  in  der  dritten  Ordnung,  als  seiner  niedrigsten, 
und  unter  den  vorausgesetzten  Verhältnissen  wichtigsten,  be- 
ginnen muss.     Soll  die  Leistung  des  optischen  Apparats  ihrem 


402  SĂĽsung  der  mathrphys.  Glosse  vom  2.  Jtdi  1898, 

Ideal  möglichst  nahe  gebracht  werden,  so  handelt  es  sich  zu- 
nächst um  die  Aufhebung  dieser  Glieder  dritter  Ordnung  als 
der  wichtigsten  Bestandteile  der  AusdrĂĽcke  fĂĽr  die  im  Bild 
zur  Entstehung  kommenden  Fehler.  Ihre  Vernichtung,  soweit 
dieselbe  mit  disponiblen  Mitteln  erreichbar  ist,  muss  bewirkt 
werden  durch  die  Disposition  ĂĽber  die  optischen  Elemente  des 
herzustellenden  Apparats,  d.  i.  solche  Eonstanten,  welche  die 
Krümmungen  und  die  gegenseitigen  Abstände  der  den  Apparat 
konstituierenden,    zentrierten   sphärischen  Flächen   bestimmen. 

Die  alten  AusdrĂĽcke,  wie  sie  zuerst  von  Euler  fĂĽr  die 
Berechnung  und  Aufhebung  der  sog.  sphärischen  Aberration, 
als  des  unter  gewöhnlichen  Umständen  wichtigsten  unter  den 
Fehlergliedem  dritter  Ordnung,  aufgestellt  worden  sind,  stellen 
dieselbe  nicht  expHcite  durch  die  Elemente  des  optischen 
Systems  dar  und  sind  ausserdem  ungenau  wegen  der  Vernach- 
lässigung der  Dicke  der  Glaslinsen.  Vermöge  dieser  Vernach- 
lässigung und  durch  Einführung  von  gewissen,  sehr  sinnreich  ge- 
wählten, für  die  Form  der  Linsen  massgebenden  Hilfegrössen 
(die  man,  verbunden  mit  den  Brennweiten  als  die  von  ihm 
angewandten  Elemente  des  Systems  betrachten  kann)  hat 
übrigens  Euler  zunächst  für  den  Fall  des  nur  aus  zwei  Linsen 
bestehenden  Doppelobjektivs  der  Bedingung  fĂĽr  die  Aufhebung 
der  Kugelabweichung  die  bekannte,  für  den  Gebrauch  hinläng- 
lich bequeme,  und  viel  benutzte  Gestalt  gegeben.  Ich  glaube 
der  erste  zu  sein,  der  den  Ausdruck  dieser  Grösse  vollständig, 
ohne  Vernachlässigung  der  Dicke  der  Gläser,  und  für  beliebig 
viele  brechende  Flächen  gegeben  hat,^)  und  zwar  explicite 
durch  das  ursprünglich  zunächst  zu  diesem  Zwecke  einge- 
führte Elementensystem,  nämlich  durch  die  von  mir  mit  o 
und  h  bezeichneten  Grössen,  für  welche  ich  später  den  Namen 
der  auf  eine  bestimmte  Objektebene  bezogenen  Ele- 
mente des  Apparats  vorgeschlagen  habe.*) 

Mit  Hilfe  eben  dieser  Elemente  lassen  sich  in  gleicher 
Weise  die  sämtlichen  Glieder  dritter  Ordnung  explicite  in  über- 

^)  Astr.  Nachr.  Nr.  835,  Aufsatz  vom  24.  Aug.  1852. 
«)  Aatr.  Nachr.  Nr.  1027  ff. 


Xf.  V,  Seidel:  Ueher  die  Bedingungen  etc.  403 

sichtlichen  AusdrĂĽcken  darstellen,  welche  die  Fehler  in  der 
Abbildung  irgend  eines  Objekts  durch  den  aus  sphärischen  und 
gegen  einander  centrierten  Flächen  bestehenden  Apparat  dar- 
stellen, und  zwar  in  solcher  Weise,  dass  die  Untersuchung  in 
gleicher  Weise  die  in  der  Theorie  frĂĽher  beiseite  gelassenen 
zur  Axe  „windschiefen"  Strahlen  umfasst,  wie  diejenigen, 
welche  sich  in  einer  durch  die  optische  Axe  gelegten  Ebene 
fortpflanzen.  Die  vollständig  entwickelten  Ausdrücke  habe  ich 
in  den  Nummern  1027 — 1029  der  Astr.  Nachr.  in  einem  Auf- 
satz vom  6.  April  1855  gegeben.*)  Mit  Hilfe  dieser  AusdrĂĽcke 
wird  also  die  Lage  jedes  austretenden  Strahls  explicite  durch 
die  Grössen,  welche  seine  Lage  vor  dem  Eintritt  in  den  Apparat 
angeben,  und  durch  die  Elemente  des  Systems  soweit  dargestellt, 
dass  die  vernachlässigten  Bestandteile  in  den  Fehlem  des  Bildes 
nurmehr  von  der  5.  Ordnung  sind.  Auch  gewisse  Konsequenzen 
findet  man  a.  a.  0.  bereits  zur  Sprache  gebracht  in  betreff  von 
Hindernissen,  die  sich  vollständiger  Aufhebung  aller  Fehler 
dritter  Ordnung  entgegenstellen,  ebenso  die  gĂĽnstigere  Aus- 
nahmestellung, welche  einerseits  ein  Apparat,  der  zur  Abbil- 
dung eines  Objekts  in  Naturgrösse  zu  dienen  hat,  und  andrer- 
seits das  Femrohr,  als  ein  Ganzes  betrachtet,  in  Anspruch 
nehmen.  Zur  Bestimmung  der  ursprĂĽnglichen  Lage  des  Strahls, 
sowie  derjenigen,  die  er  nach  beliebig  vielen  Brechungen  an- 
genommen hat,  erscheint  es  passend,  die  Koordinaten  der  Punkte 
einzufĂĽhren,  in  welchen  zwei  verschiedene,  auf  der  Axe  stehende 
Ebenen  von  ihm  durchdrungen  werden.  Dabei  erweist  es  sich 
als  nĂĽtzlich,  nicht  dieselben  Ebenenpaare  fĂĽr  den  einfallenden 
und  den  gebrochenen  Strahl  zu  betrachten,  sondern  die  Ebenen, 
welche  fĂĽr  den  gebrochenen  Strahl  dienen,  an  jene  Stellen  zu 
legen,  wo  durch  den  Apparat  selbst  die  fĂĽr  den  einfallenden 
Strahl  beliebig  gewählten  Ebenen  ihre  Abbilder  finden  würden. 


^)  feinen  vorläufigen  Bericht  über  diese  Arbeit,  worin  insbesondere 
die  ^Fraunhofer'scbe  Bedingung"  zur  Sprache  kommt,  ist  schon  gegeben 
in  den  Ă–itzungsber.  der  hies.  Akad.  v.  Jan.  1855,  eine  weitere  Besprechung 
der  abgeleiteten  Resultate  habe  ich  gegeben  in  den  Abh.  der  naturw. 
teehn.  Kommission  bei  der  kgl.  Akad.  d.  Wiss.,  Bd.  1,  pag.  227. 


404  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  2,  Jtdi  1898, 

sodass  für  das  ganze  System  brechender  Flächen  und  Medien 
zwei  Systeme  von  Transversalebenen  sich  ergeben,  deren  jedes 
durch  seine  Grundebenen  fĂĽr  jeden  bestimmten  Apparat  be- 
stimmt ist.  In  den  gewöhnlichen  Fällen  lässt  man  am  passend- 
sten die  Grundebene  des  einen  Systems  auf  das  Objekt  fallen, 
die  des  zweiten  aber  die  erste  brechende  Fläche  in  ihrer  Mitte 
berĂĽhren.  Mit  der  EinfĂĽhrung  dieser  beiden  Ebenensysteme 
stellt  sich  sozusagen  von  selbst  auch  der  gleichzeitige  Gebrauch 
zweier  verschieden  gewählten  Koordinatensysteme  für  den  Ap- 
parat ein,  nämlich  derjenigen,  welche  nach  dem  obigen  Sprach- 
gebrauch auf  die  Qrundebene  des  einen  und  des  andern  Systems 
bezogen  sind:  Es  ist  aber  ein  Hauptvorteil  von  der  Anwendung 
dieser  Art  Elemente,  dass  zwischen  ihren  Systemen  einfache 
Verbindungsgleichungen  bestehen,  sodass  man  (wie  ich  gethan 
habe)  in  den  Endformeln  alles  durch  die  Grössen  des  einen 
Systems  allein  ausdrĂĽcken  kann,*)  wodurch  die  Zahl  der  Varia- 
bein auf  das  notwendige  und  ausreichende  Mass  reduziert  wird. 
Gleichfalls  in  Verbindung  mit  dem  Gebrauch  dieser  Ebenen- 
systeme steht,  zur  Bestimmung  der  Punkte,  in  welchen  die 
Lichtstrahlen  die  Transversalebenen  durchsetzen,  die  EinfĂĽhrung 
eines  von  Medium  zu  Medium  innerhalb  jedes  Ebenensystems 
sich  ändernden  Massstabs  für  die  linearen  Koordinaten  jener 
Punkte,  oder  die  EinfĂĽhrung  reduzierter  Werte  fĂĽr  die 
Koordinaten,  mittels  deren  bewirkt  wird,  dass  (mit  Ausschluss 
ihrer  Korrektionsglieder  dritter  Ordnung)  die  erwähnten  Ko- 
ordinaten konstant  fĂĽr  alle  (den  verschiedenen  Medien  zuge- 
hörigen) Ebenen  eines  jeden  der  beiden  Systeme  werden,  wobei 
sie  auch  endlich  bleiben  an  unendlich  entfernten  Objekten  von 
endlicher  scheinbarer  Grösse.  Führt  man  nun  diese  reduzierten 
Grössen  als  Mass  für  die  transversalen  (das  ist  auf  der  op- 
tischen Axe  senkrecht  stehenden)  Koordinaten  in  den  beiden 
Grundebenen  ein,  die  hier  der  KĂĽrze  wegen  als  Objektebene 


^)  Diese  Gleichungen  habe  ich  abgeleitet  in  Nr.  871  der  Astr. 
Nachr.,  ihre  umfassende  Anwendung  zu  obigem  Zweck  in  dem  späteren 
Aufsatz  Nr.  1027  ff.  dess.  Journ. 


L,  V.  Seidel:  lieber  die  Bedingungen  etc.  405 

und  als  Oeffnungsebene  benannt  werden  mögen,  und  be- 
zeichnet man  in  den  hiedurch  vorgeschriebenen  Massen  mit  R 
in  der  Objektebene  den  Abstand  eines  bestimmten  leuchtenden 
Punktes  von  der  optischen  Axe,  dagegen  in  der  Oeffnungs- 
ebene mit  X  die  dem  R  parallel  gezählte,  oder,  wie  sie  hier 
heissen  soll,  radiale,  mit  y  die  auf  ersterer  senkrechte,  oder 
laterale  Koordinate  des  Punktes,  in  welchem  im  speziellen 
der  von  jenem  leuchtenden  Punkt  kommende  Strahl  die  Oeff"- 
nungsebene  trifft,  so  werden  zufolge  des  frĂĽher  Gesagten  R,  a:,  y 
als  kleine  Grössen  erster  Ordnung  angesehen  im  Vergleich  mit 
den  der  Axe  parallel  gezählten  Längen,  welche  beim  Apparat 
in  Betracht  kommen.  Wäre  nun  der  ideale  Grenzfall  genau 
gegeben,  welchen  die  bekannten  Näherungsformeln  repräsen- 
tieren, so  wĂĽrden  alle  von  dem  Punkte  R  kommenden  Strahlen 
einer  gewissen  Bildebene,  welche  zugleich  die  letzte  Ebene 
unseres  ersten  Systems  ist  (und  ebenso  auch  jede  einzelne 
frĂĽhere  Ebene  dieses  Systems),  in  einem  und  demselben,  von 
X  und  y  ganz  unabhängigen  Punkt  durchstossen  und  hier  das 
präzise  Bild  des  leuchtenden  Punktes  erzeugen,  dessen  radiale 
Koordinate  in  dem  hier  geltenden,  reduzierten  Mass  ausgedrĂĽckt 
gleichfalls  R,  und  dessen  laterale  Koordinate  0  wäre.  In 
Wirklichkeit  aber  treten  zu  diesen  beiden  Koordinatenwerten 
die  mit  Gliedern  dritter  Ordnung  der  kleinen  Grössen  be- 
ginnenden Korrekturen  hinzu,  welche  von  x  und  y  abhängig, 
also  fĂĽr  die  verschiedenen,  von  dem  leuchtenden  Punkte  kom- 
menden Strahlen  verschieden  sind,  und  sonach  die  Undeutlich- 
keit  des  Bildes,  sowie  auch  nach  Umständen  eine  Verzerrung 
in  demselben  bedingen.  Unsere  drei  Grössen  ü,  x*,  y  liefern 
folgende  10  Produkte  dritter  Ordnung: 

x^        x^y        xy^        y^ 

x^R      xyR      y'^R 

xR^       yR} 

R^ 

und  in  den  Hauptgliedern  dritter  Ordnung,  welche  als  Kor- 
rektionen  zur   radialen   Koordinate  R   und   zur   lateralen  Ko- 


406  SĂĽeung  der  math.-phya,  Classe  vom  2,  Juli  1898. 

Ordinate  0  in  der  Bildebene  hinzutreten,  hat  man  also  neben- 
einander die  10  Produkte  zu  erwarten,  jedes  multipliziert  mit 
einem  von  den  Elementen  des  Apparats  abhängenden  Koeffi- 
zienten. Die  Entwicklung  dieser  verschiedenen  Koeffizienten 
bildet  die  eigentliche  Schwierigkeit  der  Aufgabe.  Aus  der 
Symmetrie,  welche  beiderseits  derjenigen  Ebene  notwendig  statt- 
findet, die  zugleich  die  optische  Axe  und  den  leuchtenden 
Punkt  enthält,  und  in  welche  unsere  radialen  Koordinaten 
fallen,  während  die  lateralen  auf  ihr  senkrecht  stehen,  ist 
ĂĽbrigens  sofort  zu  erkennen,  dass  die  radialen  Fehlerabwei- 
chungen im  Bilde  gerade,  die  lateralen  ungerade  Funktionen 
von  y  sein  mĂĽssen,  dass  also  unsere  10  Produkte  in  der  Weise 
in  zwei  Hauptgruppen  zerfallen  mĂĽssen,  dass  nur  vorkommen 
können  in  dem  Ausdruck  der  radialen  Fehler  des  Bildes  die 
6  Glieder  mit  x',  xy^,  Rx^,  iZy*,  R^x,  iZ*,  und  in  dem  der 
lateralen  Fehler  die  4  Glieder  mit  x'^y,  y^,  Rxy,  R^y.  In 
der  That  finden  sich  auch  in  den  ersten  AusdrĂĽcken  jene  6, 
in  den  zweiten  die  letzteren  4  wirklich  alle  vor.  Die  Anzahl 
von  10  Koeffizienten,  welche  zur  vollständigen  Kenntnis  der 
Fehlerbestandteile  dritter  Ordnung  durch  die  Elemente  des 
optischen  Systems  demgemäss  darzustellen  waren,  reduziert 
sich  jedoch  erheblich.  Aus  der  Erwägung,  dass  in  dem  ein- 
fachen Hauptfalle  R  =  o,  wo  der  leuchtende  Punkt  sich  in 
der  Aie  selbst  befindet,  der  Strahl  die  Ebene  nicht  verlassen 
kann,  welche  die  Axe  und  seine  erste  Richtung  enthält,  und 
dass  die  absolute  Grösse  der  ganzen  Abweichung,  die  er  im 
Bilde  zeigt,  hier  notwendig  proportional  wird  der  dritten  Po- 
tenz des  Abstandes  von  der  Axe,  in  welchem  er  die  Oeffiiungs- 
ebene  trifft,  ergibt  sich,  dass  nachbenannte  4  Glieder  alle  ein 
und  denselben  Koeffizienten  haben  müssen,  nämlich  die  beiden 
mit  X '  .r^  und  x  -  y^  im  ersten,  und  die  beiden  mit  y  •  .z'*  und 
y  '  y^  im  zweiten  Ausdruck.  Mit  der  Vernichtung  des  gemein- 
schaftlichen Koeffizienten  dieser  4  Glieder  wird  fĂĽr  die  Mitte 
des  Gesichtsfeldes  R  =  o  die  Kugelabweichung  (genauer  gesagt 
ihr  Bestandteil  dritter  Ordnung)  völlig  aufgehoben:  in  der 
That   hat  sich    die  Bedingungsgleichung   fĂĽr   die   Beseitigung 


X.  V,  Seidel:  Ueber  die  Bedingungen  etc.  407 

dieses  Fehlers  aus  der  auf  den  Baum  ausgedehnten  Unter- 
suchung in  den  Astr.  Nachr.  No.  1027  ff.  genau  ebenso  er- 
geben, wie  ich  sie  frĂĽher  auf  wesentlich  anderem  Wege  in 
No.  835  fĂĽr  sich  allein  abgeleitet  hatte.  Durch  diese  not- 
wendigen Beziehungen  vermindert  sich  die  Anzahl  der  Koeffi- 
zienten fĂĽr  unsere  6  -f-  4  Produkte  von  10  auf  7.  Dass  diese 
Anzahl  sich  noch  weiter  vermindert,  nämlich  von  7  auf  5,  ist 
ein  Umstand,  von  welchem  es  nicht  scheint,  dass  auch  er  sich 
als  notwendig  a  priori  ohne  Rechnung  oder  eine  dieselbe  er- 
setzende Deduktion  erkennen  lasse.  Wirklich  verhält  es  sich 
so,  da  die  Entwicklung  der  Werte  all  dieser  Koordinaten  dar- 
gethan  hat,  dass  in  dem  Ausdruck  der  radialen  Fehler  die 
beiden  Produkte  Rx^  und  Ry^  nur  in  der  Verbindung  auf- 
treten 2i(3x*  +  y*),  und  weiter,  dass  diese  Verbindung  mit 
demselben  Koeffizienten  multipliziert  erscheint,  welcher  in  dem 
Ausdruck  der  lateralen  Fehler  das  Produkt  2  Rxy  enthält. 

Sonach  treten  im  ganzen  im  Ausdruck  der  radialen  Fehler 
4  Koeffizienten  auf,  multipbziert  mit  den  Grössen  x  (a;*  +  y*), 
i2(3x*-ry*)»  R^^  und  R^,  in  dem  Ausdruck  der  lateralen 
Fehler  aber  drei  Koeffizienten,  multipliziert  mit  den  Grössen 
y  {x'^  +  y^),  2  R  x  y,  R^  y,  und  dabei  ist  der  erste  Koeffizient 
des  einen  Ausdrucks  dem  ersten  des  andern,  ebenso  der  zweite 
des  einen  dem  zweiten  des  andern  gleich,  während  die  Koeffi- 
zienten der  beiderseitigen  dritten  Glieder  verschieden  sind. 
Das  vierte  mit  JR*  multiplizierte  Glied  im  Ausdruck  der  radialen 
Abweichung  steht  ebenfalls  isoliert.  Da  dieses  Glied  fĂĽr  alle 
von  demselben  leuchtenden  Punkt  kommenden  {R  =  const.), 
an  den  verschiedenen  Stellen  der  Oeffnungsebene  auffallenden 
Strahlen  konstant  ist,  so  bewirkt  es  nur  eine  Verschiebung 
im  radialen  Sinn  des  ganzen,  in  der  Bildebene  von  jenem 
leuchtenden  Punkt  herrĂĽhrenden  Lichtphantom,  hat  aber  auf 
die  Ausdehnung  desselben  keinen  Einfluss,  oder  mit  andern 
Worten,  dieses  Glied  ist  nicht  für  die  Schärfe  der  Abbildung, 
sondern  nur  fĂĽr  die  Richtigkeit  ihrer  Perspektive  von  Einfluss. 
Bezeichnen  wir  die  5  Koeffizienten  mit  Ă„,  B . , .  Ey  die  radiale 
Abweichung,  welche  der  durch  JB,  x,  y  bestinmite  Strahl  schliess- 


408  Sitzung  der  mathrjihys,  Classe  vom  2,  Juli  1898, 

lieh  in  der  Bildebene  erleidet,  durch  f,  die  laterale  durch  17, 
so  hat  man  nach  dem  Gesagten 

I.  S  =  Ă„x(x^  +  y^)  +  B R{3 X*  -\-  y*)  +  CB}x  -f  ER^ 
n.  7]  =  Ay{x^  +  y'')  +  2BRxy  +  DR^y, 

Die  Ausdrücke  der  Koeffizienten  Ä — E  durch  die  Elemente 
a,  h  des  optischen  Systems  findet  man  entwickelt  in  der  schon 
zitierten  Abh.  No.  1027  der  Astr.  Nachr.  Ich  habe  sie  dort 
in  doppelter  Form  gegeben,  —  unter  gleichzeitiger  Anwen- 
dung der  Elemente  a,  A,  die  sich  auf  das  der  Objektebene  zu- 
gehörige Ebenensystem  beziehen,  und  der  Elemente  a',  h\ 
welche  in  ganz  gleicher  Weise  auf  das  System  der  OeflFnungs- 
ebene  Bezug  haben  (siehe  die  Formeln  I — VU  a.  a.  0.)  — 
sodann  aber,  weil  selbstverständlich  die  Grössen  a',  h'  in  not- 
wendiger Verbindung  mit  a,  h  stehen,  nach  Elimination  der 
erstgenannten  durch  letztere  allein  (siehe  die  AusdrĂĽcke  VIII 
und  IX  a.  a.  0.).  Für  die  meisten  Fälle,  aber  nicht  für  alle, 
ist  die  letztere  Darstellung  die  bequemere.')  In  jener  Ab- 
handlung habe  ich  ĂĽbrigens  statt  der  rechtwinkligen  Koordi- 
naten x,  y  in  der  OeflFnungsebene  Polarkoordinaten  angewendet. 
FĂĽr  die  Vergleichung  ist  zu  bemerken,  dass  unser  x  dem  dor- 
tigen K  cos  (v  —  y),  unser  y  dem  dortigen  R  sin  {v  —  r) 
gleich  ist. 

Bei  Apparaten  von  sehr  kleinem,  angulärem  Radius  des 
Gesichtsfeldes  und  verhältnismJissig  beträchtlicher  OefiFnung 
(d.  i.  fĂĽr  ganz  kleine  Werte  des  Winkels,  unter  welchem  der 
Halbmesser  von  ihrem  KrĂĽmmungsmittelpunkt  aus  erscheint,) 
bleibt  der  extreme  Wert  von  R,  der  fĂĽr  den  Rand  des  Gesichts- 
feldes gilt,  sehr  wesentlich  kleiner  als  die  dem  Rand  der  OefiF- 
nung zugehörigen  Werte  x,  y.  In  diesem  Fall,  welcher  u.  a. 
derjenige    eines    Fernrohrs    von    stärkerer    Vergrösserung    ist, 


^)  Ein  paar  Fehler,  welche  sich  im  Abdruck  der  erstgenannten 
Formeln  befinden  und  welche  auch  bei  der  Vergleichung  mit  dem  oben 
Gesagten  ohne  Belang  sind,  werden  am  Schluss  des  vorliegenden  Auf- 
satzes berichtigt.  (Diese  Berichtigung  hat  der  Herausgeber  in  der  S.  306 
citierten  Arbeit  bereits  vorgenommen.) 


L.  V,  Seidd:  Ueber  die  Bedingungen  etc.  409 

werden  in  den  AusdrĂĽcken  I.  und  ĂĽ.  die  Glieder  an  Wichtig- 
keit der  Ăźeibe  nach  abnehmen,  wenn  in  ihnen  die  Ordnung 
der  Grössen  x  und  y  sinkt  und  dagegen  die  von  R  sich  erhebt. 
Seitdem  die  präzis  rechnende  Optik  sich  auch  mit  der  Her- 
stellung von  Apparaten  von  sehr  beträchtlichem  Gesichtsfeld 
zu  beschäftigen  hat  (z.  B.  für  photographische  Zwecke),  kann 
zwar  nicht  behauptet  werden,  dass  auch  fĂĽr  solche  durchaus 
die  Anfangsglieder  unserer  AusdrĂĽcke,  wenn  sie  nicht  auf- 
gehoben sind,  die  grössten  Bestandteile  der  Fehler  im  Bilde 
liefern  werden,  aber  auch,  wenn  vermöge  der  Ausdehnung  des 
Gesichtsfeldes,  d.  h.  der  Grösse  des  Maximalwertes  von  R,  in 
den  äusseren  Partieen  die  späteren  Glieder  die  vorwiegenden 
werden  sollten,  mĂĽssen  doch  nach  bekannten  mathematischen 
Gesetzen  für  hinlänglich  kleine  Werte  von  R  die  Glieder  der 
lleihen  I.  und  IL  stetig  abnehmen,  und  da  die  mittleren  Teile 
des  Gesichtsfeldes,  fĂĽr  welche  dies  gilt,  kaum  je  bei  einem 
Apparat  in  Wegfall  kommen,  vielmehr  fast  immer  diejenigen 
sein  werden,  auf  welche  die  Aufmerksamkeit  zuvörderst  zu 
richten  ist,  so  ist  es  hiedurch  klar,  dass  man  vor  allem  A, 
dann  B  u.  s.  w.  vernichten  muss,  um  das  Bild  möglichst  zu 
vervollkommnen.  Man  kann  dabei  auch  dies  geltend  machen, 
dass  durch  die  Vernichtung  jeder  einzelnen  der  beiden  Grössen 
das  Lichtphantom  gleichzeitig  in  der  radialen  und  in  der  lateralen 
Dimension  verkleinert  wird,  während  C  =^  o  nur  in  der  ersteren, 
2)  =  0  nur  in  der  letzteren  Richtung  einen  Vorteil  gewährt. 
Die  Bedingung  Ă„  =  o  ist  die  alte  Eulers 'che  fĂĽr  die  Auf- 
hebung der  Kugelabweichung.  Nur  hat  Euler  bekanntlich 
bei  der  Ableitung  ihres  Ausdrucks  sich  genötigt  gesehen,  die 
Dicke  der  Glaslinsen  zu  vernachlässigen,  während  er  der 
Schwierigkeit,  welche  bei  Anwendung  seiner  Formel  aus  dem 
Umstand  entspringt,  dass  nicht  alles  explicite  durch  die  Ele- 
mente des  Apparats  ausgedrĂĽckt  ist,  Herr  zu  werden  gewusst 
hat  durch  die  EinfĂĽhrung  gewisser  besonderer,  gerade  auf  das 
Mtiss  der  Kugelabweichung  bei  den  einzelnen  Linsen  bezĂĽg- 
lichen Grössen,  die  man  in  Verbindung  mit  den  Brennweiten 
als  Euler 'sehe  Elemente  des  Apparats  bezeichnen  könnte.  Durch 


410  Sitzung  der  math.-phya,  Clasae  vom  2,  Juli  1898, 

die  Elemente  o  und  h  habe  ich  die  Gleichung  Ă„==iO  yoU- 
kommen  explicite  zuerst  ausgedrĂĽckt  (No.  835  der  Aatr.  Nachr. 
Gleichung  I),  und  es  war  dabei,  sowie  in  den  femer  auf  diese 
Elemente  basierten  Entwicklungen  nicht  nötig,  die  Gläserdicken 
ausser  acht  zu  lassen.  Die  nächstfolgende  Bedingung  für  die 
Aufhebung  der  Fehler  ist  nach  der  Reihenfolge  die  Gleichung 
B  =  0.  Da  sie  die  erste  ist,  welche  dadurch  hinzutritt,  dass 
nicht  mehr  fĂĽr  den  Punkt  in  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes 
(iJ  =  o)  allein  vorgesorgt  wird,  kann  man  in  der  anfangs  fest- 
gestellten Ausdrucksweise  sagen,  dass  durch  ihre  ErfĂĽllung  die 
Aufhebung  der  Kugelabweichung  auf  ein  endliches  Gesichtsfeld 
ausgedehnt  wird.  Man  muss  nach  den  Mitteilungen,  die  von 
Utzschneider  nach  Fraunhofer's  Tode  gegeben  worden  sind, 
annehmen,  dass  der  letztere  bei  der  Ausrechnung  seines  Fern- 
rohrobjektivs diese  Vervollkommnung  des  Bildes  bezweckt  habe, 
und  da  nach  Aufstellung  des  mathematischen  Ausdrucks  fĂĽr 
dieselbe^)  sich  ergeben  hat,  dass  in  der  That  die  Bedingung 
jB  =  o  durch  das  Fraunhofer 'sehe  Objektiv  sehr  genau  erfĂĽllt 
ist,  so  habe  ich  derselben  den  Namen  „Fraunhofer 'sehe  Be- 
dingung** gegeben.  Uebrigens  haben  bekanntlich  theoretische 
Untersuchungen  Verschiedener,  welche  alle  neueren  Datums 
sind  als  Fraunhof  er's  Leistung,  gezeigt,  dass  sein  Objektiv  eine 
so  bedeutende  Anzahl  wichtiger  VorzĂĽge  vereinigt,  dass  mit 
den  gegebenen  Mitteln  geradezu  ein  Maximum  des  Erfolgs  von 
ihm  in  so  glänzender  Weise  erreicht  worden  ist,  wie  vielleicht 
niemals  sonst  in  dem  Gebiete  der  höheren  Technik.  (Ver- 
gleiche darĂĽber  den  Aufsatz  von  Dr.  Adolf  Stein  heil,  welcher 
zugleich  Bezug  nimmt  auf  die  einschlägigen  Untersuchungen 
von  J.  Her  sc  hei,  von  Biot  und  von  mir.  Diese  Berichte 
2.  Bd.   S.  284,  1867.) 

Prof.  Abbe  hat  neuerlich*)  fĂĽr  die  Fraunhof  er 'sehe  Be- 
dingung ii  =  0 ,  nach  den  im  Ergebnis  ĂĽbereinstimmenden, 
wiewohl  auf  selir  verschiedener  Art  der  Betrachtung  beruhen- 

^)  Siehe  meine  mehrfach  citierte  Abh.  v.  6.  April  185B,  Astr.  Nachr. 
Nr.  1027. 

*)  Sitzungsber.  der  Jen.  Ges.  f.  Med.  u.  Naturw.  v.   28.  Nov.  1879. 


L.  V,  Sfidel:  lieber  die  Bedingungen  etc,  411 

den  Untersuchungen  von  Helmholtz  und  von  ihm  selbst, 
einen  Ausdruck  gegeben,  welcher  durch  seine  elegante  For- 
mulierung bemerkenswert  ist.  Zwar  setzt  diese  Formulierung 
nur  an  Stelle  des  Postulats,  dass  auch  die  zunächst  seitwärts 
von  der  Mitte  befindlichen  Punkte  im  Gesichtsfeld  ihre  Kugel- 
abweichung verlieren  sollen,  das  andere  Postulat,  dass  fĂĽr  alle 
von  der  Mitte  des  Gesichtsfelds  ausgehenden  Strahlen  das  Ver- 
hältnis der  Sinuse  ihrer  letzten  Winkel  mit  der  Axe  zum  Sinus 
ihrer  ersten  Winkel  mit  derselben  ein  konstantes  sei,  ohne 
dass  durch  Aufstellung  einer  zwischen  den  Elementen  des 
Apparats  zu  erfüllenden  Gleichung  ersichtlich  wäre,  auf  welche 
Art  die  Forderung  erreicht  werden  soll.  Indessen  ist,  auch 
abgesehen  von  der  theoretischen  Eleganz  des  Satzes,  die  neue 
Formulierung  immerhin  bequemer  fĂĽr  den  auf  dem  Weg  der 
Versuche  vorgehenden  Rechner,  als  die  ursprĂĽngliche.  Be- 
sonders interessant  ist  aus  dem  Aufsatz  des  Herrn  Abbe  auch 
die  Mitteilung,  dass  die  Mikroskopobjektive  aus  den  verschie- 
densten Bezugsquellen,  welche  sich  die  Anerkennung  ihrer 
GĂĽte  durch  den  Erfolg  erworben  haben,  ĂĽbereinstimmend 
unserer  Bedingung  genĂĽgen.^)  Es  ist  sonach  die  Wichtigkeit 
derselben  auch  schon  durch  eine  umfangreiche  Erfahrung,  selbst 
auf  dem  Felde  der  praktischen  Optik  bestätigt,  auf  welchem 
dieselbe  bis  in  die  neueste  Zeit  fast  nur  tatonnierend  zu  Werke 
geht.  Diejenigen  ihrer  Produktionen,  welche  sich  ohne  Wissen 
ihrer  Verfertiger,  die  selbst  nur  nach  dem  Effekt  kombinierten, 
unserer  Bedingung  anschlössen,  haben  vermöge  ihrer  besseren 
Leistung  in  der  Konkurrenz  die  andern  aus  dem  Felde  geschlagen. 
Es  ist  von  Interesse,  die  Abbe-Helmholtz'sche  Fassung 
unserer  Bedingimg,  d.  i.  die  Forderung  der  vorhin  erwähnten 
Proportionalität  des  Sinus,  mit  derjenigen  Form  zu  vergleichen, 
in  welcher  ich  a.  o.  0.  bereits  vor  25  Jahren  dieselbe  Be- 
dingung aufgestellt  habe.     In  dieser  älteren  Gestalt  ist,  durch- 

^)  Seidel's  Fraunhoferbedingung  ist,  wie  der  Herausgeber  bereits 
in  der  Einleitung  hervorhob,  apecieller  als  der  Abb  e'sche  Sinussatz  und 
wĂĽrde  bei  der  Berechnung  von  Mikroskopobjektiven  sehr  grosser  OeflPhung 
nicht  ausreichen. 

189a   SiUnngsb.  d.  math  -phy8.  Gl.  27 


412  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  j9.  Juli  1898, 

aus  verschieden  von  der  neueren,  alles  durch  die  Elemente  a,  h 
des  Linsensysiems  ausgedrĂĽckt,  so  dass  die  zwischen  diesen  zu 
erfĂĽllende  Gleichung  explicite  vorliegt.  Nach  der  abbrevierten 
Bezeichnung  in  den  Astr.  Nachr.  Nr.  1028  ist  es  die  Gleichung 
S  (2)  =  0.  Der  neue  Ausdruck  der  Bedingung  giebt  kein  Mittel 
an  die  Hand,  dieselbe  durch  die  Elemente  darzustellen  —  um- 
gekehrt aber  ist  es  leicht,  von  meinen  Gleichungen  ausgehend 
auch  das  Verhältnis  der  Sinus  zu  ermitteln  und  zu  versuchen, 
ob  dasselbe  konstant  wird,  wenn  die  Bedingung  B=  0  nach 
der  oben  gebrauchten  Bezeichnungsweise  erfĂĽllt  ist.  Nach 
meinen  in  dem  oft  zitierten  Aufsatz  angewendeten  Bezeich- 
nungen passiert  irgend  ein  Strahl,  der  von  der  Mitte  des  Ge- 
sichtsfeldes ausgeht,  in  seiner  ursprĂĽnglichen  Lage  die  optische 
Axe  in  dem  Punkt,  dessen  Abszisse  ist  Ao :  o_r,  die  der  KĂĽrze 
halber  hier  von  uns  so  genannte  Oeflfnungsebene  hat,  vom 
gleichen  Anfangspunkt  aus  gezählt,  die  Abszisse  ho  :  aLi .  Diese 
Ebene  wird  von  unserm  Strahl  getroflFen  in  einem  Punkt,  dessen 

Abstand  von  der  Axe  ist  rLi  =  ü- — p-  (wobei  JB'  der  „redu- 

zierte  Abstand**  des  Durchschnittspunktes  von  der  Axe  ist); 
daher  ist  die  Tangente  des  Winkels  w^\,  den  der  Strahl 
ursprĂĽnglich  mit  der  Axe  bildet:*) 

_,  r_i     f  ho  ho  \        j^'   ö-i 

In  g<anz  analoger  Weise  ist  bei  dem  Strahle,   welcher  die 
seine  ursprĂĽngliche  Richtung  und  die  Axe  enthaltende  Ebene 

nicht  verlässt,    die  Abszisse  des  Punktes,    in  welchem  er  nach 

h 
allen   Brechungen    die   Axe   schneidet,    gleich   — ^   (wenn    der 

Asteriskus  als  Index  der  letzten  Grösse  ihrer  Art  gebraucht 
wird)   ohne    hinzutretendes   Korrektionsglied,    weil    bei   dieser 


^)  Eine  nähere  Feststellung  des  Sinnes,  in  welchem  die  Winkel 
hier  positiv  gezählt  sind,  ist  unnötig,  da  es  sich  nur  um  die  Prüfung 
einer  Proportionalität  handelt.  Im  übrigen  verweise  ich  wegen  der 
Bedeutung  aller  hier  nicht  besonders  erwähnten  Grössen  auf  die  Astr. 
Nachr.  Nr.  1027. 


^* 


X.  V.  SeiM:  Ăśeber  die  Bedingungen  etc,  41 S 

Betrachtung  fĂĽr  die  Strahlen  des  in  Betracht  gezogenen  Licht- 
kegels die  Kugelabweichungen  als  aufgehoben  vorausgesetzt 
sind  {Ă„  =  0).     In  der  gleichen  Finallage  passiert  der  Strahl 

diejenige  Ebene,  deren  Abszisse  ist  -/*   (die  das  reduzierte  Bild 

der  OeflFnungsebene  ♦  enthält)  in  einem  Abstand  von  der  Axe 

und  es  findet  sich  hieraus  fĂĽr  den  letzten  Winkel  des  Strahles 
mit  der  Axe 

weil  die  Grösse 

ho—h'o  ^rp 

V 

konstant  bleibt  bei  jeden!  der  analogen  Uebergänge,  sowohl 
von  dem  vor  einer  bestimmten  Fläche  (deren  Indices  die  7i,  A' 
tragen),  liegenden  zu  einem  hinter  ihr  liegenden  Medium,  als 
auch  von  der  vorderen  der  beiden  ein  bestimmtes  Medium  (dessen 
Index  die  o,  o\  v  tragen)  begrenzenden  Fläche  zur  hinteren,  nach 
einer  von  mir  bereits  in  den  Astr.  Nachr.  bewiesenen  Qrund- 
relation,   welche  sozusagen  das  GegenstĂĽck  zu  dem  eben  dort 

T  •  O 

gegebenen  Satz  von  der  ün Veränderlichkeit  der  Grösse =  R 

durch  alle  Medien  vorstellt.  Dabei  enthält  die  Grösse  A  R'^ 
den  Bestandteil  dritter  Ordnung,  um  welchen  radiale  Distanz 
JfZ'  -|-  J  R\  sich  von  dem  Näherungswert  R  unterscheidet. 
Man  hat  nun: 


sintv^  ^   igw^  1  /  1  +  tg^ 
sint<;_i         tgtt;_i  Y     1  +  tg* 


1 


Da   hier   die   betreflfenden  Winkel   kleine   Grössen    dritter 

Ordnung   sind,    so   besteht   das  Verhältnis   aus   Gliedern    0*®', 

2t6r^  4tor  Ordnung    derselben.      Substituiert    man    fĂĽr    die 

Tangenten   ihre   vorgegebenen  Ausdrücke,    so   lässt   sich   alles 

nach  R'  ordnen,  an  welchem  die  Korrektur  A  R\  (s.  sogleich) 

eine  Funktion  dritter  Ordnung  ist.     Man  erhält: 

27» 


414  SĂĽgung  der  math.-phys.  Glosse  vom  2.  Juli  1898. 

wobei  die  ausgeschriebenen  Glieder  die  Grösse  zweiter  Ordnung 
vollständig  enthalten.  Soll  das  Verhältnis  dieser  Sinus  kon- 
stant für  den  ganzen  Strahlenbündel,  also  unabhängig  von  It 

AR' 

sein,   so   muss   man   haben   (da   auch  — ^—  zu    den   Gliedern 

zweiter  Ordnung  nach  JB'  zählt): 

und  diese  Gleichung  ist,  in  den  von  mir  eingeführten  Grössen 
ausgedrĂĽckt,  die  Formulierung  der  Abbe- Hei mholtz'schen 
Forderung.  Sie  muss  sich  also  als  identisch  erweisen  mit  meiner 
alten  Formulierung  der  Fraunhofer'schen  Bedingung  JB  =  0, 
wenn  unsere  Ergebnisse  unter  sich  in  Einklang  stehen. 

Dass  dies  in  der  That  der  Fall  ist,  ergiebt  sich,  wenn 
man  fĂĽr  das  Korrektionsglied  dritter  Ordnung  ^i?'*  seinen 
Ausdruck  aus  meinen  Entwicklungen  a.  a.  0.  nimmt.  Man 
erhält  denselben,  wenn  man  in  der  Gleichung  (Astr.  Nachr.  1028, 
Zeile  I — IV)  die  nicht  accentuierten  und  die  accentuierten 
Grössen  JB,  o,  li  gegenseitig  vertauscht,  bei  welcher  Vertauschung 
T  in  —  T  übergeht,  darnach  ü  ^  0  setzt  (weil  der  in  Be- 
tracht gezogene  Lichtkegel  von  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes 
kommt,  wodurch  sich  der  ganze  Ausdruck  auf  das  in  Zeile  IV 
stehende  Glied  reduziert,  und  endlich  über  alle  Flächen  des 
Apparats  die  durch  S  angedeutete  Summation  erstreckt.  Wenn 
dabei,  wie  a.  a.  0.  im  allgemeinen  Gliede  der  Summe,  bei  A 
der  Index  der  Fläche  weggelassen,  bei  den  Grössen  o  und  v, 
wo  das  der  Fläche  vorangehende  Medium  kurz  durch  — ,  der 
des  ihr  nachfolgenden  durch  +  vertreten  wird,  so  erhält  man 

^^'fr=«|?(--];*)(!!-rJ-4v(rrr-);- 

welcher  Ausdruck  in  Gleichung  III.  zu  substituieren  ist.  Um 
das  Ergebnis  auf  die  eine  oder  die  andere  der  beiden  Formen 
zurĂĽckzufĂĽhren,   in  welcher  ich  den  Koeffizienten  -B  einerseits 


X.  V,  Seidel:  Ueber  die  Bedingungen  etc,  415 

in  Zeile  II  des  vorhin  angefĂĽhrten  Ausdruckes  fĂĽr  dTt\^ 
andrerseits  in  der  entsprechenden  Zeile  von  Gleichung  VIII 
a.  a.  0.  aufgestellt  habe,  ist  noch  eine  Umgestaltung  erforder- 
lich, zu  welcher  die  Gleichung  19)  daselbst  die  Mittel  enthält. 
Man  erhält  die  erste  der  von  mir  für  die  Fraunhofer'sche 
Bedingung  aufgestellten  Formen  (nach  welcher  Zeile  II  a.  a.  0.  in 
der  Summe  über  alle  Flächen  verschwindet),  wenn  man  im  zuletzt 
gegebenen  Ausddruck  statt  Ä'  /o  —  o\  schreibt  h  /o — a\  —  NT, 

was  nach  den  zitierten  Gleichungen  dasselbe  ist,  und  dann 
das  zweite  der  so  erhaltenen  Glieder  mit  dem  letzten  in  dem 

AB* 

Ausdrucke   von   2T* — ^z—   vereinigt,    wovon    der   EflFekt   ist, 

dass  nach  geschehener  Summation  diese  GKeder  in  Gleichung  III. 
gegen  die  Glieder  o*  —  a*  sich  gegen  einander  aufheben.    Da- 

gegen  gelangt  man  von  der  Form  lH  aus  zur  zweiten  meiner 
Formen  f ĂĽr  die  F  r  a  u  n  h  o  f  e  r'sche  Bedingung  (Gleichung  VIII 1.  c.) 

oder,  da  die  Gleichung  S^  =  0  fĂĽr  die  Aufhebung  der  Kugel- 
abweichung in  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes  als  erfĂĽllt  hier 
angenommen  wird,  zur  Bedingung  S^  =  0,  wenn  man  in  dem 

vorhin  mitgeteilten  Ausdruck  für  AR^,  die  Grösse  -=f  ersetzt 

durch  h  '  rk  —  hü  gemäss  der  letzten  der  Gleichungen  19)  1.  c. 

und  auch   hier  das  mit  vo  —  vo  multiplizierte  Glied  vermöge 

-+     +- 
der  Gleichung   —  f  va  —  va\  =va  —  vo  —  N ( o  —  o\    mit 

\-+    -+y      —     ++         V-     +/ 
dem  andern  verschmilzt.     Hiernach  kommt  die  linke  Seite  der 

Gleichung  III    nach    AusfĂĽhrung    der    Summation    auf   meine 

Form  zurĂĽck,  welche  in  den  Zeichen  der  Astr.  Nachr.  Nr.  1028 

Gleichung  X  und  XI  einfach  so  steht: 

-|S(1)  +  5Ăś-(1), 

oder  man  erhält  die  Fraunhofer'sche  Bedingung  in  der  Form 
;i^/S(l)  +  T>S(2)  =  0,  was  zu  beweisen  war. 


4.16  SUzung  der  mcUh^-phys.  Glosse  vom  2,  Juli  1898. 

Die  sachliche  Uebereinstimmung  zweierlei  Formulierungen 
der  Bedingung  fĂĽr  die  Aufhebung  der  Kugelgestalt  in  einem 
Gesichtsfeld  von  endlicher  Ausdehnung  ist  also  dargethan. 
Herr  Abbe  schlägt  in  dem  zitierten  Aufsatz  für  ein  Objektiv, 
welches  neben  den  gewöhnlichen  Bedingungen  der  Aufhebung 
von  Kugelabweichung  und  Farbenzerstreuung  noch  diese  dritte 
erfĂĽllt,  den  Namen  eines  aplanatischen  vor,  indem  er  dem 
bisher  ziemlich  unbestimmten  Ausdruck,  welcher  bald  weniger, 
bald  auch,  wie  z.  B.  beim  Steilheiischen  „Aplanat"  mehr  be- 
sagen sollte,  als  hier  mit  dem  Worte  gemeint  ist,  diesen  be- 
simmten  Sinn  fĂĽr  die  Zukunft  vindizieren  will.  Ich  habe 
jedoch  für  die  Bedingung  2?  =  o  als  die  „Fraunhofersche*  das 
Recht  der  Namengebung  als  der  erste,  der  ihren  entsprechen- 
den Ausdruck  aufgestellt  hat,  schon  vor  25  Jahren  geĂĽbt,  und 
wie  ich  glaube,  in  der  angemessensten  Weise  zu  Ehren  dessen, 
der  sie  zuerst  zu  erfĂĽllen  verstand,  wĂĽrde  es  auch  nicht  fĂĽr 
ratsam  halten,  aus  dem  Sprachschatz  gerade  ein  Wort  von 
bisher  so  schwankender  Bedeutung  fĂĽr  eine  nun  definitive 
Sache  zu  wählen.  Ein  gutes  Objektiv  soll  übrigens  (wie  auch 
das  Fraunhofersche  bereits  thut)  ausser  jenen  drei  Bedingungen 
auch  mindestens  noch  der  vierten  genĂĽgen,  die  durch  das  Ver- 
hältnis der  Dicken  seiner  Medien  erfüllt  werden  kann,  dass 
die  verschiedenen  farbigen  Bilder  gleich  gross  werden,  eine 
Bedingung,  welche  zur  gewöhnlichen  Achromasie  in  ganz  ähn- 
licher Beziehung  steht,  wie  die  Fraunhofersche  zur  Eulerschen 
wegen  der  Aufhebung  der  Kugelabweichung. ^) 

Um  die  Gestalt  derjenigen  kleinen  Lichtkurven  kennen 
zu  lernen,  die  in  der  Bildebene  verzeichnet  werden  von  solchen 
Strahlen  unseres  leuchtenden  Punktes,  welche  die  OeflFnungs- 
ebcne  an  der  Peripherie  eines  zur  Axe  zentrischen  Kreises  vom 


1)  Auch  die  mathematische  Form  jener  zweiten  auf  die  Farben 
bezĂĽglichen  Bedingung,  die  ich  bereits  in  den  Astr.  Nachr.  Nr.  871 
gegeben  habe,  zeigt  zu  derjenigen  der  ersten  genau  dieselbe  Art  von 
Verwandtschaft,  wie  der  Ausdruck  der  Fraunhofer'schen  Bedingung 
B  =  0  zur  Euler'schen  J.  =  0,  wie  ich  an  anderem  Orte  erweisen  werde. 
Anmerkung  vom  Jahre  1881.   (Ist  nicht  mehr  geschehen.  Anm.  d.  Hrsgb.) 


L.  V.  Seidel:  Ueher  die  Bedingungen  etc,  417 

Radius  R  treflFen,  hat  man  in  unseren  Gleichungen  I  und  II 
zu  setzen  x==  Rcos<p        y  =  R  än<p 

und  R  konstant  zu  nehmen.  Man  darf  jedoch  nicht  glauben, 
dass  etwa  diejenige  Kurve  solcher  Art,  welche  dem  Werte  von 
R  des  OeflFnungsrandes  zugehört,  in  der  Bildebene  die  äussere 
Umfassung  des  ganzen  von  leuchtenden  Punkten  erzeugten 
Lichtphantoms  vorstellen  wird,  denn  im  allgemeinen  werden  die 
verschiedenen,  R  zugehörigen  solchen  Kurven  nicht  nach  der 
Grösse  ihrer  R  eine  die  andere  ganz  umschliessen,  sondern 
vielmehr  einander  schneiden  und  die  dabei  entstehende  imi- 
hĂĽUende  Linie  (zugleich  Durchschnitt  der  vom  leuchtenden 
Punkt  erzeugten  Brennfläche  mit  der  Bildebene  und  vermöge 
dieser  Qualität  hervorstechend  durch  ihre  Helligkeit)  wird 
zum  einen  Teil,  die  Extreme  unserer  Linien  R  =  const.  und 
zum  andern  jene  Umfassung  bilden.^)     Mit  der  Substitution 

X  =  R  cos  q)         y  =  R  sin(p 
erhält  man  aus  den  Gleichungen  I.  und  11.: 

IV.  ^—EB'—2BRR^={AR^+CR^)Rcos(p  +  BRR^cos2(p 
V t]={Ă„R^+DR^)Rsin(p-['BRR^sm2(p. 

Man  ersieht  hieraus,  dass  die  Kurve  R  =  const.  auf  fol- 
gende Art  erzeugt  werden  kann,  welche  der  Epicykelkon- 
struktion  ganz  nahe  verwandt  ist:  Man  denke  sich  eine  Ellipse 
konstruirt,    deren  Mittelpunkt,    in   der  radialen  Axe  der  |  ge- 

^)  Die  Brennfläche  selbst  habe  ich  in  den  , Gelehrten  Anzeigen* 
dieser  Akademie  von  1857  Nr.  30  u.  31  besprochen  und  ihre  Gleichungen 
ausgedrĂĽckt  durch  eine  Hilfsvariable,  nebst  Betrachtungen  ĂĽber  ihre 
Beziehung  zur  Wellenfläche  in  einem  Briefe  an  Herrn  Kummer,  abge- 
druckt in  den  Berliner  Monatsber.  v.  18.  Dez.  1862,  mitgeteilt.  SeiUlem 
hat  danach  Herr  Brill  ihr  Modell  in  Gips  feststellen  lassen  und  ver- 
öffentlicht. In  meiner  betreffenden  Publikation  ist  übrigens  als  Haupt- 
axe  statt  der  optischen  Axe  der  „ausgezeichnete  Strahl*  eingeführt,  um 
welche  her  die  Brennfläche  als  symmetrisch  sich  darstellt.  Die  auf 
dieser  senkrechten  Querschnitte,  welche  dort  zunächst  besprochen  werden, 
enthalten  also  nicht  unter  sich  den  im  Text  in  Frage  kommenden  Schnitt 
mit  der  auf  der  optischen  Axe  senkrechten  Ebene  des  , idealen  Bildes.* 
(Sie  weichen  aber  nur  um  Grössen  6.  0.  ab,  die  hier  schon  vernachlässigt 
sind.    Anm.  d.  Hrsgb.) 


418  Siigutig  der  mathrphya.  Classe  vom  2.  Juli  1898, 

legen,  von  dem  idealen  Bild  des  leuchtenden  Punktes  den 
reduzierten  Abstand  hat:  ER^  -\-  2-B7JJB'*,  und  deren  erste 
Halbaxe  (radiale)  ist  a  =  (^  JF?*  -|-  CJB*)  R,  wahrend  die  zweite 
(laterale)  6  =  (Ă„R^  4"  DR^)  R-  Den  Mittelpunkt  eines  Kreises 
vom  Radius  BRR^  fĂĽhre  man  auf  der  Peripherie  der  Ellipse 
herum,  indem  man  zugleich  die  Peripherie  des  Kreises  selbst 
von  einem  Punkt  P  so  umlaufen  lässt,  dass  in  dem  Moment, 
wo  die  Koordinaten  des  Kreismittelpunktes,  vom  festen  Mittel- 
punkt der  Ellipse  aus  gezählt,  a  cos  9?,  6  sin  9?  sind,  der  nach  P 
gezogene  Radius  des  Kreises  mit  der  Richtung  der  Axe  a  den 
Winkel  2  (p  einschliesst.  Bei  dieser  Bewegung  beschreibt  der 
Punkt  P  unsere  Kurve.  Man  kann  hienach  auch  eine  ziemlich 
einfache  geometrische  Konstruktion  fĂĽr  beliebig  viele  Punkte 
unserer  Linie  aufstellen,  welche  mit  bekannten  Epicykloiden 
und  Konchoiden  eine  Analogie  darbietet. 

Die  für  unsere  Anwendung  wichtigsten  Fälle  sind  beson- 
derer Besprechung  wĂĽrdig. 

1.  Wenn  man  annimmt,  dass  A  nicht  gleich  Null  ist, 
d.  h.  dass  die  Kugelabweichung  nicht  gehoben  ist,  und  zu- 
gleich, dass  die  durch  ü'  gemessene  Grösse  der  OeflRnung  über- 
wiegend ist  gegen  die  durch  R  gemessene  Grösse  des  Gesichts- 
feldes, so  zwar,  dass  die  Glieder  mit  2?,  C,  D  ausser  acht 
gelassen  werden  können  gegen  diejenigen  mit  A^  so  wird 
unsere  Kurve  zum  Kreis  (in  welchem  die  Ellipse  der  allge- 
meinen Figur  übergeht,  während  der  Epicykel  verschwindet) 
und  die  zu  den  verschiedenen  ü'  gehörigen  Kreise  erscheinen 
als  konzentrisch;  man  erhält  also  in  diesem  Fall  die  Sterne 
in  der  Ebene  des  idealen  Bildes  dargestellt  als  kleine  kreis- 
runde Scheiben,  deren  Dimensionen  unabhängig  sind  von  12, 
also  von  den  sclieinbaren  Abständen  der  verschiedenen  Sterne 
von  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes.  Infolge  der  Proportionalität 
der  Radien  dieser  vScheiben  mit  R!^  sind  dieselben  ĂĽbrigens  nicht 
gleichmässig  erleuchtet,  sondern  das  Licht  ist  in  der  Mitte  am 
stärksten  konzentriert  und  nimmt  nach  aussen  ab,  weshalb  für 
das  Auge  die  Dimensionen  der  Phantome  schwacher  Sterne 
von  der  Helligkeit  abhängig  erscheinen  werden. 


L.  V,  Seidel:  ĂĽeber  die  Bedingungen  etc,  419 

2.  Nimmt  man  an,  dass  die  E  ul  er 'sehe  Bedingung  ^  =  o 
fĂĽr  die  Aufhebung  der  Kugelabweichung  erfĂĽllt  ist,  nicht  aber 
auch  die  Fraunhofer'sche  Bedingung  B  =  o,  und  hält  man 
über  die  extremen  Grössen  von  R  und  R  die.  vorigen  Voraus- 
setzungen fest,  vermöge  deren  diesmal  die  Glieder  in  B  allein 
in  betracht  gezogen  werden,  so  wird  aus  I.  und  11. 

VI.  S  —  2BBR^  =  BRR^co82(p 

Vn rj  =  BRR^sm2<p, 

woraus  sich  ergibt,  dass  in  der  Bildebene  die  Erleuchtungs- 
kurve derjenigen  Strahlen,  welche  in  der  OeflRnungsebene  auf 
der  Peripherie  des  Kreises  R  =  const.  aufgefallen  sind,  ein 
kleiner  Kreis  ist  vom  Radius -B  2i  i?*,  welcher  zweimal  durch- 
laufen wird,  während  der  Auffallpunkt  in  der  OeflFnungsebene 
die  Peripherie  des  Kreises  einmal  durchläuft.  Die  zu  ver- 
schiedenen R,  d.  h.  zu  konzentrischen  Kreisen  als  Auffallörtem 
in  der  Oeflftiungsebene  gehörigen  Erleuchtungskreise  sind  aber 
nicht  konzentrisch,  sondern  ihre  Mittelpunkte  haben  von  dem 
festen  Anfangspunkt  der  f,  nämlich  dem  idealen  Bild  des 
leuchtenden  Punktes,  Abstände,  welche  dem  Quadrat  von  R 
proportional  und  fĂĽr  jeden  einzelnen  unserer  Kreise  gleich 
seinem  Durchmesser  2BRR  sind.  Daraus  geht  hervor,  dass 
alle  diese  Kreise  zu  gemeinsamen  BerĂĽhrenden,  als  zu  Um- 
hĂĽllenden, zwei  gerade  Linien  haben,  welche  durch  den  An- 
fangspunkt der  t  gehen  und  mit  der  Axe  der  letzteren  nach 
der  einen  und  der  andern  Seite  Winkel  von  je  30°  (=  aresin  |), 
miteinander  also  einen  Winkel  von  60°  einschliessen.  Das 
ganze,  von  dem  leuchtenden  Punkt  in  der  Bildebene  erhellte 
Liehtphantom  erhält  daher  seine  Begrenzung  auf  zwei  Seiten 
durch  diese  beiden  unter  60°  zusammenlaufenden  Geraden  und 
auf  der  dritten  durch  ein  StĂĽck  der  Peripherie  des  letzten 
oder  zum  grössten  Wert  von  R  gehörigen  unter  unseren  vor- 
her beschriebenen  Kreisen,  nämlich  durch  diejenigen  |  seiner 
Peripherie,  welche  auf  der  vom  Konvergenzpunkt  der  beiden 
Geraden  abgewendeten  Seite  vom  BerĂĽhrungspunkt  mit  der 
einen  Geraden  bis  zu  demjenigen  mit  der  andern  sich  erstrecken. 
Die  beiden  Geraden  selbst  sind  nach  der  einen  Seite  nicht  ĂĽber 


420  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  2,  JuHi  1898, 

diese  BerĂĽhrungspunkte  mit  dem  ersten  Kreis,  nach  der  andern 
nicht  über  ihren  Konvergenzpunkt  hinaus  zu  verlängern.  In 
der  Nähe  der  beiden  umhüllenden  Geraden,  welche  Durch- 
schnitte der  Bildebene  mit  der  Brennfläche  sind,  und  ganz 
besonders  in  der  Gegend  ihres  Durchschnitts  erscheint  die 
Lichtintensität  der  auf  dieser  Seite  spitzen  und  der  entgegen- 
gesetzten abgerundeten  Lichtfigur  am  grössten.*)  Auch  der- 
jenige Teil  des  letzten  unserer  Kreise,  welcher  nicht  zur  Be- 
grenzung der  Figur  kontribuirt,  sondern  ins  Innere  derselben 
fallt,  muss  aus  leicht  zu  erkennenden  GrĂĽnden  Ort  einer  dis- 
kontinuirlichen  Abschwächung  der  Helligkeit  in  der  Figur 
sein:  Je  nach  dem  Vorzeichen,  welches  die  Grösse  JB  vermöge 
der  Anordnung  des  Apparats  hat,  werden  die  Spitzen  der 
durch  sie  erzeugten  Lichtphantome  entweder  der  Mitte  des 
Gesichtsfeldes  oder  dem  Rande  zugekehrt  sein.  Dabei  ist  es 
interessant,  dass  derjenige  Strahl,  welcher  von  einem  ausser 
der  optischen  Axe  gelegenen  leuchtenden  Punkt  in  der  Mitte 
der  OeflFhungsebene  R  =  o  aufTallt,  nicht  etwa  an  irgend  eine 
Stelle  im  Innern  der  Lichtfigur  gelangt,  sondern  ganz  extrem 
an  ihre  Spitze.  Eine  Verdeckung  des  mittleren  Teils  des 
Apparats  durch  eine  kleine  kreisrunde  Scheibe  wĂĽrde  das 
Lichtphantom  der  Spitze  und  der  ihr  anliegenden  hellsten 
Partieen  berauben  und  auf  dieser  Seite  eine  ähnliche,  nach 
aussen  konvexe  Abrundung  der  Figur  durch  einen  an  beiden 
Geraden  berĂĽhrenden  Kreis  bedingen,  wie  die  entgegengesetzte 
Begrenzung  sie  darbietet.  In  diesen  Gleichungen  VI.  und  VIL 
werden,  wie  man  leicht  erkennt,  f  und  >;  zu  Koordinaten  des 
BerĂĽhrungspunktes  des  kleinen  Lichtkreises  in  den  beiden  um- 

*)  Für  die  Gestalt  der  Brennfläche  selbst  bildet  der  hier  in  Rede 
stehende  Fall,  wo  X  =  0  ist,  den  Ausnahmefall,  auf  dessen  Vorhanden- 
sein ich  in  dem  Aufsatz  der  ^.Gelehrten  Anzeigen"  Nr.  18  hingedeutet 
habe,  ohne  ihn  dort  näher  zu  besprechen.  (Der  Herausgeber  hat  in  der 
auf  der  Anmerkung  S.  39G  citierten  Arbeit  diesen  Ausnahmefall  voll- 
ständig diskutiert;  vgl.  §  3  S.  29  (545),  ferner  S.  4G  (562),  S.  52  (568), 
S.  58  (574).  Der  Unterschied  der  Figuren  gegenĂĽber  der  SeideTschen 
Beschreibung  des  Lichtphantoms  rĂĽhrt  davon  her,  dass  Seidel  die 
Grössen  C,  D^  E  vernachlässigt,  der  Herausgeber  dagegen  nicht.) 


L,  V.  Seidel:  ĂĽeber  die  Bedingungen  ete,  421 

hüllenden  Geraden  dann,  wenn  29?  =  +  120®,  also  9?  =  +  60*^ 
ist,  und  zwar  gleichzeitig  fĂĽr  alle  Werte  von  R.  Befindet 
sich  daher  der  leuchtende  Punkt  gerade  ĂĽber  oder  auch  gerade 
unter  der  optischen  Axe,  so  werden  diejenigen  Stellen  der 
OeflFnungsfläche,  an  welchen  die  schliesslich  durch  unsere  Ge- 
raden passirenden  Strahlen  auffallen,  Positionswinkel  von  60° 
resp.  120*^  nach  der  einen  oder  andern  Seite  gegen  die  Verti- 
kale haben  und  man  wĂĽrde  von  dem  Lichtphantom  seine  beiden 
Durchschnitte  mit  der  Brennfläche  weglöschen,  wenn  man  vor 
der  Oefihungsfläche  zwei  sich  zentrisch  kreuzende,  undurch- 
sichtige, schmale  Streifen  so  anbringen  wĂĽrde,  dass  ihre  Enden 
nach  vier  Spitzen  eines  auf  der  Fläche  beschriebenen  regulären 
Sechsecks  laufen  wĂĽrden,  dessen  zwei  ĂĽbrige  Spitzen  in  dem 
vertikalen  Durchmeaser  der  Oefihungsfläche  gelegen  wären. 
Im  ĂĽbrigen  sind  die  von  den  verschiedenen  leuchtenden  Punkten 
herrührenden  Lichtphantome  alle  einander  ähnlich  und  ihre 
Dimensionen  sind  proportional  dem  Abstand  R  des  leuchten- 
den Punktes  von  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes. 

3.  Wenn  neben  der  Euler 'sehen  Bedingung  auch  die 
Fraunhofer 'sehe  Bedingung  JB  =  0  erfüllt  ist,  so  erhält  man 
unter  Beibehaltung  aller  ĂĽbrigen  Glieder  dritter  Ordnung  aus 
IV  und  V: 

tj  =  DB^  R  sin  9?. 

Die  Strahlen,  welche  in  der  Oeffnungsebene  auf  die  Peri- 
pherie des  Kreises  R  =  const.  auflallen,  bezeichnen  also  in 
der  Bildebene  eine  kleine  Ellipse  von  den  Halbaxen  C  R^  R 
und  B  R^  R  (in  den  gewöhnlichen  Fällen,  wo  beträchtliche 
Dicken  der  Medien  nicht  in  Betracht  kommen,  ist  die  erste 
oder  radiale  Axe  die  grössere),  da  die  verschiedenen  von  leuch- 
tenden Punkten  erzeugten  Ellipsen  konzentrisch,  ähnlich  und 
ähnlich  liegend,  und  ihre  Flächeninhalte  auch  denjenigen  der 
zugehörigen  Kreise  in  der  Oeffnungsebene  gleich  sind.  So 
bildet  die  zum  grössten  R  gehörige  unter  ihnen  den  Umriss 
des  grossen  Lichtphantoms  und  das  Innere  desselben  ist  durch- 
aus gleichmässig  erleuchtet,    ohne  dass  Brennlinien  entstehen: 


422  SĂĽeung  der  mathrphys.  Glosse  vom  2.  Juli  1898. 

Der  im  Mittelpunkt  der  Oeffhungsfläclie  auffallende  Strahl 
R  =  0  gelangt  dabei  in  den  Mittelpunkt  der  Ellipse.  Auch 
alle  von  verschiedenen  leuchtenden  Punkten  herrĂĽhrenden  Licht- 
phantome sind  einander  ähnlich,  jedoch  wachsen  die  Dimen- 
sionen der  sie  einschliessenden  Ellipsen  bei  wachsendem  Ab- 
stand R  des  leuchtenden  Punkts  von  der  Axe  und  zwar 
proportional  dem  Quadrat  desselben,  wodurch  bedingt  wird, 
dass  sie  in  nächster  Umgebung  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes 
noch  sehr  klein  bleiben,  weiter  aussen  aber  sehr  rasch  zu- 
nehmen. Der  Umstand,  dass  in  diesem  Fall  keine  Brennfigur 
zustande  kommt  und  die  Mitte  des  Lichtphantoms  von  den  in 
der  Mitte  des  Gesichtsfeldes  auffallenden  Strahlen  eingenommen 
wird,  begrĂĽndet  an  sich  sehr  wesentliche  VorzĂĽge  der  Fraun- 
hofer'sehen  Konstruktion,  besonders  fĂĽr  Messinstrumente.  Ich 
habe  an  anderem  Ort  erläutert,  dass,  wenn  man  die  Unter- 
suchung der  Lage  der  Strahlen  auch  auf  Ebenen  ausdehnt, 
welche  unserer  Bildebene  nur  benachbart  sind,  sich  ergibt, 
dass  die  im  allgemeinen  Fall  entstehende  Brennfläche,  welche 
zwei  Schalen  und  an  denselben  zwei  Schneiden  zeigt,  fĂĽr  das 
Fraunhofer 'sehe  Objektiv  sich  reduziert  auf  zwei  kurze, 
nicht  in  einer  Ebene  gelegene,  aber  auf  einander  senkrecht 
gerichtete  gerade  Linien,  die  letzten  Reste  der  im  andern  Falle 
existierenden  Schneiden  der  Fläche.  Vermöge  des  verschiede- 
nen Abstandes,  welchen  beide  von  der  Ebene  unseres  idealen 
Bildes  haben,  kommt  die  Erscheinung,  welche  man  jetzt 
„Astigmatismus*  nennt,  mögUchst  scharf  in  der  Art  zu  stände, 
dass  es  zwei  verschiedene  Einstellungen  fĂĽr  ein  Okular  gibt, 
bei  deren  einer  der  exzentrisch  im  Gesichtsfeld  befindliche 
leuchtende  Punkt  als  kurzer  radialer,  und  bei  deren  andrer  er 
als  kurzer  lateraler  Strich  gesehen  wird.  Dass  ein  Apparat, 
der  die  nächste  Stufe  der  Verbesserung  über  die  Euler'sche 
Gleichung  Ă„  =  o  hinaus  erreicht  hat,  diese  Erscheinung  dar- 
bieten wird,  hat  bereits  Anfang  der  sechziger  Jahre  Petzval 
in  der  damals  erschienenen  ersten  AnkĂĽndigung  seiner  dioptri- 
schen  Untersuchungen  ausgesprochen. 


423 


Oeffentliche  Sitzung 

zur  Feier  des  139.  Stiftungstages 
am  15.  März  1898. 

Der  Präsident  der  Akademie,  Herr  M.  v.  Pettenkofer, 
eröflFnet  die  Sitzung  mit  folgender  Ansprache: 

Die  heutige  öffentL'che  Festsitzung  der  k.  b.  Akademie  der 
Wissenschaften  im  Monate  März  ist  jährlich  zur  Feier  ihrer 
Stiftung  angeordnet  und  dient  zur  YerkĂĽndung  von  Thatsachen, 
welche  mit  dem  Stifiaingszwecke  zusammenhängen. 

Zunächst  erwähne  ich,  dass  ein  ausländischer,  ein  grie- 
chischer Gelehrter  sein  ganzes  beträchtliches  Vermögen  unserer 
Akademie  testamentarisch  vermacht  hat  mit  der  Bedingung, 
wissenschaftliche  Arbeiten  bayrischer  und  griechischer  Gelehrter 
ĂĽber  Geschichte,  Sprache,  Literatur  oder  Kunst  der  Griechen 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Eroberung  Konstantinopels 
durch  die  Türken  zu  fördern  und  auszuzeichnen. 

Die  Schenkung  führt  den  Namen  Thereianös-Fond  und 
beträgt  rund  260,000  Mark. 

Dionysios  Thereianös,  am  28.  August  1834  auf  der 
liebreizenden  Insel  Zante  geboren,  besuchte  als  Knabe  das  Gym- 
nasium in  Korfu.  Zum  JĂĽngling  herangewachsen  siedelte  er 
mit  seinem  Vater  nach  Triest  ĂĽber,  wo  er  seit  dieser  Zeit 
ständig  gelebt  hat.  Nachdem  er  eine  Zeit  lang  als  Beamter 
einer  Versicherungsgesellschaft  gearbeitet  hatte,  trat  er  im 
Jahre  1855  in  die  Redaktion  der  damals  in  Triest  erscheinen- 
den griechischen  Zeitung  Imera  ein.  Sechs  Jahre  später 
gründete  er  die  Zeitung  Kliö,  die  er  bald  zum  vornehmsten 
Organ  der  griechischen  Presse  erhob.  —  Im  Jahre  1883  liess 
er  die  Kli(5  eingehen,  um  mehr  Zeit  fĂĽr  seine  gelehrten  Stu- 


424  OeffeMliche  Sitzung  vom  15.  März  1898, 

dien  zu  gewinnen.  Doch  hatte  er  auch  später  noch  Gelegen- 
heit, seine  grosse  journalistische  Begabung  zu  bethätigen;  er 
war  bis  zu  seinem  Tode  der  treueste  Mitarbeiter  einer  neu 
gegrĂĽndeten  griechischen  Zeitschrift,  der  N^a  Ira^ra. 

Obschon  Thereianös  nie  eine  Universität  besuchte,  ist  er 
auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  nicht  minder  thätig  gewesen, 
als  auf  dem  Felde  der  Journalistik.  Von  frĂĽher  Jugend  an 
benützte  er  die  kärgliche  Müsse,  die  ihm  seine  Berufsthätig- 
keit  gewährte,  zur  Erlernung  der  wichtigsten  modernen  Sprachen 
und  zu  grĂĽndlichen  Studien  auf  dem  Gebiete  der  altgriechischen, 
byzantinischen  und  neugriechischen  Philologie.  Die  erste  wissen- 
schaftliche Schrift,  mit  welcher  Thereianös  an  die  OeflFentlich- 
keit  trat,  war  eine  Untersuchung  ĂĽber  die  homerische  Frage 
(1866).  Zu  grösseren  Arbeiten  fand  er  erst  Zeit  als  er  von 
den  Redaktionsgeschäften  befreit  war. 

Nun  aber  folgten  rasch  mehrere  Werke  aufeinander.  Im 
Jahre  1885  veröffentlichte  er  eine  Sammlung  verschiedener 
Abhandlungen  unter  dem  Titel  „Philologische  Skizzen".  Vier 
Jahre  später  erschien  die  dreibändige  Biographie  des  Be- 
grĂĽnders der  neugriechischen  Literatur,  Adamantios 
Korais,  ein  Werk,  das  ebenso  durch  umfassende  Kenntnisse 
als  auch  durch  scharfes  Urtheil  ausgezeichnet  ist.  Im  Jahre 
1892  veröffentlichte  Thereianös  einen  „Abriss  der  stoischen 
Philosophie*,  ein  Buch,  das  in  der  Fachliteratur  nicht  minder 
als  die  Biographie  des  Korais  anerkannt  wurde,  welches  Buch 
ihm  auch  eine  äussere  Ehrung  brachte.  Die  griechische  Re- 
gierung forderte  den  Verfasser  auf,  den  Lehrstuhl  fĂĽr  Geschichte 
der  Philosophie  an  der  Universität  Athen  zu  übernehmen;  doch 
hat  Thereianös  den  Ruf  abgelehnt.  In  den  letzten  Jahren 
seines  Lebens  sammelte  er  Material  fĂĽr  zwei  Werke,  die  er 
leider  nicht  vollenden  konnte,  fĂĽr  eine  Darstellung  der  Person 
und  Thätigkeit  des  Demosthenes  und  für  eine  Untersuchung 
ĂĽber  diis  Wesen  des  Bilderstreites. 

Ausserdem  hat  Thereianös  zahllose  kleinere  Arbeiten  in 
den  Zeitungen  Kliö  und  Xea  Imera  veröffentlicht.  Durch  diese 
bescheidenen  Zeitungsartikel,    in    welchen   er   ĂĽber   die  bedeu- 


V,  Pettehkofer:  Ansprache.  425 

tendsten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  griechischen 
Philologie  Bericht  erstattete,  hat  er  eine  unberechenbare, 
fruchtbringende  Wirkung  auf  die  Bildung  seines  Volkes  aus- 
geübt. Seine  letztere  grössere  Publikation  war  eine  sehr  ein- 
gehende, durch  grĂĽndliche  Sachkenntniss  ausgezeichnete  Be- 
sprechung der  zweiten  Auflage  der  Geschichte  der  byzan- 
tinischen Literatur  E.  Krumbacher^s,  unseres  hochverdienten 
Kollegen. 

Nach  kurzer  Krankheit  starb  der  unermĂĽdliche  edle  Mann 
am  15.  März  1897  —  also  gerade  heute  vor  einem  Jahre,  ein 
herrliches  Zeugniss  seiner  idealen  Gesinnung  und  seiner  tiefen 
Einsicht  in  seinem  Testamente  niederlegend,  das  einen  wĂĽr- 
digen Abschluss  dieses  der  Wahrheit  und  Wissenschaft  gewid- 
meten Lebens  bildet.  Der  Thereinös-Pond  ist  für  den  Dahin- 
geschiedenen ein  unvergängliches  Denkmal,  ein  Monumentum 
aere  perennius. 

Aus  dem  seit  1877  bestehenden  Zographos-Fond  hat  die 
k.  Akademie  auf  Anregung  der  philosophisch-philologischen 
Klasse  im  Jahre  1895  einen  Preis  von  1500  Mark  für  „Neue 
textkritische  Ausgabe  der  Werke  des  Historikers  Prokop  mit 
Einschluss  der  Geheimgeschichte  auf  Grund  der  besten  Hand- 
schriften-  ausgesetzt.  Eine  Bearbeitung  mit  dem  Motto  ,Die 
Nachwelt  hat  sich  GlĂĽck  zu  wĂĽnschen  etc.^  ist  rechtzeitig 
eingelaufen.  Der  Verfasser  Dr.  Jakob  Haury,  Gymnasiallehrer 
am  k.  Wilhelmsgymnasium  in  MĂĽnchen,  erhielt  den  Preis. 

Als  neue  Preisaufgabe  mit  dem  Einlieferungstermin  31.  De- 
zember 1900  mit  einem  Preis  von  1500  Mark  ist  gestellt: 
9  Abfassung  eines  Lexikons  der  byzantinischen  Familiennamen 
mit  einer  Untersuchung  der  historischen  Entwicklung  ihrer 
Form  und  Bedeutung*. 

Aus  den  Zinsen  der  MĂĽnchener  BĂĽrger-Stiftung  und  der 
Cramer-Klett-Stiftung  werden  in  diesem  Jahre  zwei  wichtige 
Forschungen,  von  der  mathematisch-physikalischen  Klasse  be- 
antragt, unterstĂĽtzt  werden.  Herr  Dr.  Ernst  Weinschenk, 
Privatdozent  an  der  Universität,  hat  in  den  letzten  Jahren 
ausgedehnte  Untersuchungen   über  Gesteine   und  Lagerstätten 


426  OeffenUiche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

nutzbarer  Mineralien  in  Bayern  ausgefĂĽhrt:  er  wird  nun  unter 
Konservator  Groth's  Leitung  dieselben  in  benachbarten  Gebieten, 
im  Taunus,  in  der  Monterosagruppe,  in  den  piemontesischen 
Alpen  und  in  der  Montblancgruppe  fortsetzen  und  Vergleichs- 
material sammehi,  was  unserer  geologischen  und  mineralogischen 
Sanunlung  zugute  konunen  wird. 

Die  Konservatoren  von  Kupffer  und  Hertwig  beantragten 
im  Interesse  der  anatomischen  Anstalt  und  des  zoologischen 
Instituts,  embryologische  und  systematische  Forschungen  ĂĽber 
bestimmte  Meerthiere  durchzufĂĽhren,  behufs  welcher  Herr 
Dr.  Franz  Doflein,  Assistent  des  zoologischen  Instituts,  sich 
nach  den  Antillen,  nach  Mexiko  und  Kalifornien  begeben  wird, 
um  das  nöthige  Untersuchungsmaterial  aufzusammeln  und  hieher 
zu  bringen. 

Konservator  Göbel  beabsichtigt  im  Interesse  des  botanischen 
Instituts  höchst  werthvolles  Material  aus  Java  und  Australien 
zu  gewinnen  und  konnte  ihm  hiefĂĽr  ein  Beitrag  aus  Renten 
der  Akademie  in  Aussicht  gestellt  werden. 

Das  mit  der  Akademie  der  Wissenschaften  verbundene 
Generalkonservatorium  der  wissenschaftlichen  Sanunlungen  des 
Staates  hat  auch  im  abgelaufenen  Jahre  wieder  werthvoUe 
Geschenke  von  Privaten  erhalten.  Ich  habe  bereits  in  meiner 
Ansprache  gelegentlich  der  Festsitzung  am  15.  November  1897 
zu  Ehren  unseres  allverehrten  Protektors  Sr.  Königlichen  Ho- 
heit des  Prinz-Regenten  Luitpold,  des  Königreichs  Bayern  Ver- 
weser, hervorgehoben,  wie  wichtig  es  sei,  dass  unsere  mathe- 
matisch-physikalische Sammlung  auch  ein  historisches  Museum 
werde,  um  ein  vollständiges  und  getreues  Bild  der  physikali- 
schen Forschungen  bayrischer  Gelehrter  und  der  Thätigkeit 
bayrischer  Werkstätten  für  wissenschaftliche  Instrumente  zu 
liefern.  Die  Idee  dazu  ging  von  Herrn  Dr.  Ernst  Voit,  Pro- 
fessor der  angewandten  Physik  an  der  hiesigen  Technischen 
Hochschule,  aus  und  es  gelang,  zunächst  Herrn  Rentier  Sigmund 
Ritter  von  Merz  anzuregen,  das  weltberĂĽhmte  Original-Spektro- 
meter  von  Fraunhofer,  sowie  Manuskripte  von  Fraunhofer's 
Abhandlungen    und    eine    Kollektion    Fraunhofer -Glasprismen 


V.  Pettehkofer:  Ansprache.  427 

grossmĂĽthig  zu  schenken.  Dieses  Spektroskop  ist  das  Instru- 
ment,  welches  jĂĽngst  auch  Gegenstand  eines  im  hiesigen  Kunst- 
verein viel  bewunderten  grossen  Oelgemäldes  von  Herrn  Pro- 
fessor Rudolf  Wimmer  war,  auf  welchem  dargestellt  ist,  wie 
der  junge  Fraunhofer  seine  Erfindung  Utzschneider  und  Reichen- 
bach demonstrirt,  welche  beide  wirklich  spornstreichs  von 
MĂĽnchen  nach  Benediktbeuren  geritten  waren,  um  in  der 
dortigen  optischen  Anstalt  das  merkwĂĽrdige  Instrument  zu 
besichtigen,  mit  dem  es  gelang,  das  Licht  in  seine  einzelnen 
Theile  zu  zerlegen. 

Dem  Beispiele  des  Herrn  von  Merz,  der  bekanntlich  ein 
Nachfolger  Fraunhofer's  in  der  optischen  Anstalt  geworden, 
folgte  nun  auch  ein  Urenkel  des  geheimen  Rathes  von  Utz- 
schneider, Herr  Adalbert  Knorr,  Hauptmann  a.  D.  und  Rech- 
nungsrath  im  k.  Eriegsministerium  dahier.  Utzschneider  war 
ia  bekanntlich  der  erfolgreiche  Protektor  und  Mitarbeiter  von 
Fraunhofer  und  Reichenbach  und  ihm  hat  die  bayrische  In- 
dustrie ĂĽberhaupt  in  mehreren  Richtungen  einen  wesentlichen 
Aufschwung  zu  danken.  Herr  Hauptmann  Knorr  schenkte 
aus  dem  Nachlass  seines  Urgrossvaters  fĂĽr  die  historische  Ab- 
theilung der  mathematisch-physikalischen  Sammlung  ein  Mikro- 
skop von  Fraunhofer,  eine  Camera  lucida,  zwei  Handfemrohre 
und  einen  grösseren  Tubus  von  Fraunhofer,  femer  eine  Me- 
daille, Utzschneider  zu  Ehren  geprägt,  sowie  Porträte  von 
Utzschneider  und  Schiegg  und  schriftliche  Aufzeichnungen  mit 
höchst  werthvollen  Mittheilungen  über  ölasfabrikation  und 
Berechnung  von  Objektiven. 

Frau  Stadtbaurath  Preisser  in  Landshut,  eine  Tochter  des 
rĂĽhmlich  bekannten  Mechanikers  Liebherr,  schenkte  aus  dem 
Nachlass  ihres  Vaters  eine  Mappe  mit  Zeichnungen  von  Instru- 
menten von  J.  Liebherr,  Mahler  und  Fraunhofer  aus  den  Utz- 
schneider-Fraunhofer'schen  undUtzschneider-Reichenbach'schen 
Instituten,  sowie  das  Porträt  von  B.  Liebherr. 

FĂĽr  das  k.  MĂĽnzkabinet  schenkten  die  Herren  Kommerzien- 
ratli  Anton  Seidl,  Architekt,  und  Professor  Emanuel  Seidl  und 
Ai'chitekt  und  Professor  Gabriel  Seidl    eine   schöne  Kollektion 

ieU8.  SiUnogsb.  d.  math.-phys.  Cl.  28 


428  OeffetUlicke  SUßung  wm  16.  Märe  1898, 

von  altrömisclien  Schwermünzen  (aes  graye),  wodurch  diese  Ab- 
theĂĽung  des  MĂĽnzkabinets  mit  dem  bereits  darin  Vorhandenen 
zu  einer  hervorragend  interessanten  geworden  ist. 

Für  die  anthropologisch-prähistorische  Sammlung  schenkte 
unser  Mitglied  Professor  Emil  Selenka  seine  grosse  Sammlung 
von  Schädeln  yon  sogenannten  Menschenaffen,  220  Schädel  von 
Orangutans  und  65  Schädel  des  Gibbon. 

FĂĽr  das  pflanzenphjsiologische  Institut,  beziehungsweise 
fĂĽr  das  Eiyptogamen-Herbarium,  schenkte  Herr  Dr.  Melchior 
Treub,  Direktor  der  vereinigten  kolländischen  wissenschaftlichen 
botanischen  Anstalten  in  Buitenzorg  auf  Java,  eine  sehr  werth- 
volle  Sammlung  von  mehr  als  500  Exemplaren  javanischer 
Farne. 

Das  Wachsthum  unserer  Staatssammlungen  zu  sehen  ist 
sehr  erfreulich  und  wir  hoffen  auf  deren  stetiges  Fortschreiten, 
welches  auch  von  unserer  Staatsregierung  möglichst  unterstützt 
wird.  FĂĽr  die  historische  Abtheilung  der  mathematisch-physi- 
kalischen Sammlung  hoffen  wir  bald  auch  die  berĂĽhmte  Kreis- 
theilmaschine  von  Reichenbach  zu  erhalten,  fĂĽr  deren  Erwer- 
bung das  k.  Staatsministerium  fĂĽr  Kirchen-  und  Schulange- 
legenheiten an  den  zur  Zeit  tagenden  bayrischen  Landtag  ein 
Nachtragspostulat  eingebracht  hat. 

Die  verschiedenen  Attribute  des  Generalkonservatoriums 
sind  zur  Zeit  in  dem  sogenannten  Wilhelminischen  Gebäude 
nothdĂĽrftig  untergebracht.  Das  BedĂĽrfniss  nach  weiteren 
Räumen  macht  sich  von  Jahr  zu  Jahr  fühlbarer.  Insbesondere 
bedarf  die  zoologische  Sammlung  dringend  weiterer  Räume, 
wenn  ein  altes  Desiderat,  die  Aufstellung  einer  bayrischen 
Landesfauna  und  einer  zoologischen  Lehrsammlung  verwirklicht 
werden  soll. 

Schon  vor  zwei  Jahren  hatte  das  G^neralkonservatorium 
bei  dem  vorgesetzten  k.  Staatsministerium  angeregt,  es  möchten 
zu  diesem  Zwecke  der  zoologischen  Sammlung  die  an  diese 
Sammlung  anstossenden,  dermalen  von  der  mathematisch-physi- 
kalischen Sammlung  eingenommenen  Räume  überwiesen  und 
fĂĽr  letztere  Sammlung  anderweitiger  Ersatz  geschaffen  werden. 


V.  Pett^kofer:  Ansprache.  429 

Als  im  vorigen  Jahre  das  neue  Justizgebäude  bezogen  und  da« 
durch  ein  grösserer  Theil  der  bisher  von  der  Justizverwaltung 
benützten  Räume  in  dem  an  der  Maxburgstrasse  gelegenen 
Flügel  des  Wilhelminischen  Gebäudes  frei  wurde,  sah  sich  das 
k.  Generalkonservatorium  veranlasst,  auf  diese  Frage  zurĂĽck- 
zukommen. 

Darauf  ging  uns  mit  Ministerialentschliessung  vom  16.  Juli 
1897  die  erfreuliche  Mittheilung  zu,  dass  die  bisherigen  Räume 
des  Oberlandesgerichts  MĂĽnchen  im  zweiten  Stocke  des  Wil- 
helminischen Gebäudes  an  der  Maxburgstrasse  nach  Ueberein- 
kommen  der  betheiligten  k.  Staatsministerien  dem  Kultusmini- 
sterium fĂĽr  Zwecke  der  Staatssammlungen  unter  gewissen 
Modalitäten  überlassen  seien. 

Damit  war  ein  erster  Schritt  zur  Verbesserung  der  da- 
maligen unzulänglichen  Raumverhältnisse  geschehen.  Wir  ver- 
danken dieses  dem  lebhaften  Interesse,  welches  der  Chef  der 
bayerischen  Unterrichtsverwaltung,  Seine  Excellenz  der  Herr 
Staatsminister  Dr.  von  Landmann  unserer  Angelegenheit  ent- 
gegenbringt und  ich  erfĂĽlle  nur  eine  angenehme  Pflicht,  wenn 
ich  heute  diesem  unserem  Danke  auch  öffentlichen  Aus- 
druck gebe. 

Freilich  sind  noch  nicht  alle  Schwierigkeiten  beseitigt. 
Die  Ueberlassung  der  bezeichneten  Räume  für  Zwecke  der 
Staatssammlungen  erfolgte  nicht  endgiltig,  sondern  mit  dem 
Vorbehalte,  dass  sie  an  die  Justizverwaltung  zurĂĽckgegeben 
werden  sollen,  wenn  diese  sie  wieder  fĂĽr  ihre  eigenen  Zwecke 
benöthiget.  Und  wenn  es  anfänglich  schien  und  wir  ims  gerne 
der  Hoffnung  hingaben,  dass  wir  wenigstens  fĂĽr  absehbare 
Zeit  dort  Unterkommen  finden  wĂĽrden,  so  ist  dies  neuerdings 
wieder  zweifelhaft  geworden;  denn  es  verlautet,  dass  die  Justiz- 
verwaltung möglicher  Weise  sehr  bald  und  früher,  als  sie 
selbst  annahm,  in  die  Lage  kommen  werde,  die  fraglichen 
Räume  wieder  für  ihre  eigenen  Bedürfhisse  in  Anspruch  nehmen 
zu  mĂĽssen. 

Aber  auch  wenn  dies  sich  so  verhalten  sollte,  möchten  wir 
unsere  Hoffnung  auf  Besserung  der  Verhältnisse  nicht  sinken 

28* 


43Ö  OeffentUche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

lassen.  Wir  vertrauen  auf  die  bewährte  Einsicht  der  k.  Staats- 
regierung und  die  ĂĽbrigen  betheiligten  Faktoren,  dass  Mittel 
und  Wege  gefunden  werden,  den  BedĂĽrftiissen  unserer  Samm- 
lungen gerecht  zu  werden. 

Das  Einfachste  wäre,  wenn  das  ganze  Wilhelmi- 
nische Gebäude  den  im  Geueralkonservatorium  ver- 
tretenen Staatssammlungen  eingeräumt,  und  wenn 
das  nicht  möglich  ist,  wenn  dann  ein  den  Zwecken  des 
Generalkonservatoriums  entsprechender  Neubau  auf- 
gefĂĽhrt wĂĽrde.  Aber  dass  das  eine  oder  das  andere 
geschieht,  ist  eine  Lebensfrage  der  wissenschaftlichen 
Staatssammlungen. 

An  dem  heutigen  akademischen  Festtage  ist  es  auch  ĂĽb- 
lich, der  im  Laufe  des  Jahres  verstorbenen  Mitglieder  zu  ge- 
denken, worüber  die  Herren  Classensekretäre  vortragen  werden. 
Die  historische  Classe  verlor  ein  Mitglied,  welches  auch  mit 
dem  Präsidium  und  dem  Generalkonservatorium  in  innigster 
Beziehung  stand.  Professor  Dr.  Max  Lossen  war  auch  Sekretär 
der  Akademie.  Ich  will  dem  Berichte  des  Herrn  Classensekretärs 
ĂĽber  den  Historiker  Lossen  nicht  vorgreifen,  aber  fĂĽhle  mich 
verpflichtet,  meinerseits  hervorzuheben,  dass  der  Verstorbene 
nicht  bloss  ein  grĂĽndlicher  Gelehrter,  sondern  zugleich  auch 
ein  vorzüglicher  Beamter  und  Geschäftsmann  war,  der  die  zahl- 
reichen, vielseitigen  Beziehungen  des  Sekretariats  treflFlich  ge- 
ordnet und  musterhaft  gestaltet  hat. 


Darauf  theilte  der  Classensekretär,  Herr  C.  v.  Voit,  die 
Verluste  mit,  welche  die  mathematisch-physikalische  Classe  in 
dem  vergangenen  Jahre  erlitten  hat;  es  sind  ihr  durch  den 
Tod  elf  Mitglieder  entrissen  worden,  nämlich:  zwei  einheimische 
ordentliche  Mitglieder,  Ludwig  Andreas  Buchner  und  Leon- 
hard  Sohncke;  femer  neun  auswärtige  und  correspondirende 
Mitglieder:  der  Mathematiker  Francesco  Brioschi  in  Mailand, 
die  Chemiker    Karl    Remigius   Fresenius   in  Wiesbaden    und 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Ludwig  Andreas  Buchner,  431 

Victor  Meyer  in  Heidelberg,  der  Physiologe  Rudolf  Heiden- 
hain in  Breslau,  die  Zoologen  Rudolf  Leuckart  in  Leipzig 
und  Johann  Japetus  Steenstrup  in  Kopenhagen,  der  Botaniker 
Julius  Y.  Sachs  in  Würzburg,  der  Paläontologe  Edward  Cope 
in  Philadelphia  und  der  Mineraloge  Alfred  Ludwig  Prosper 
Descloizeaux  in  Paris. 


Ludwig  Andreas  Bachner. 

Am  23.  Oktober  1897  ist  das  älteste  Mitglied  unserer 
Classe,  zugleich  der  Senior  der  Gesammtakademie,  Ludwig 
Andreas  Buchner,  im  hohen  Alter  von  84  Jahren  aus  dem 
Leben  geschieden.  Er  gehörte  seit  dem  Jahre  1846  der  Aka- 
demie an  und  er  hat  seitdem  wohl  bei  keiner  ihrer  Sitzungen 
gefehlt.  Man  war  so  sehr  gewohnt,  den  rĂĽstigen  liebens- 
würdigen Greis,  der  uns  an  eine  längst  vergangene  Zeit  der 
Akademie,  in  welcher  noch  Fuchs,  Martins,  Steinheil  thätig 
waren,  erinnerte,  stets  an  der  gleichen  Stelle,  aufmerksam  den 
Verhandlungen  folgend,  zu  sehen,  dass  wir  ihn  schmerzlichst 
in  unserem  Kreise  vermissen. 

Bu ebner  hat  zahlreiche  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete 
der  Chemie  und  Pharmazie  gemacht;  seine  Arbeiten  haben  der 
Wissenschaft  zwar  keine  neuen  Bahnen  gewiesen,  aber  es  finden 
sich  darin  viele  gute  Beobachtungen  und  werthvolle  Thatsachen, 
welche  das  Wissen  förderten. 

Der  Lebensgang  Ludwig  Andreas  Buchner 's  war  ganz 
wesentlich  bestimmt  durch  das  Vorbild  seines  Vaters  Johann 
Andreas  Buchner,  des  verdienten,  ebenfalls  unserer  Akademie 
angehörigen  Pharmazeuten;  ihm  hat  der  Sohn  bei  der  16.  General- 
versammlung des  Deutschen  Apothekervereins  zu  MĂĽnchen  am 
31.  August  1887  zur  Erinnerung  an  seinen  104,  Geburtstag 
pietätvolle  Worte  gewidmet. 

Der  Vater  Bu ebner,  der  Sohn  einfacher  Gärtnersleute 
dahier,  hatte  seine  Ausbildung  besonders  in  dem  pharmazeu- 
tischen Institute  des  ausgezeichneten  Chemikers  und  Pharma- 
kologen  Johann  Bartholomäus  TromsdorflF  in  Erfurt   erhalten, 


432  Oeffenüiche  SiUung  vom  15.  März  1898, 

war  dann  Oberapotheker  der  Centralapotheke  des  allgemeinen 
Krankenhauses  dahier  geworden,  wo  der  strebsame  Mann  trotz 
seiner  vielfachen  Amtsgeschäfte  —  er  musste  bei  den  täglichen 
Krankenbesuchen  der  Aerzte  zur  Aufnahme  der  Ordination 
anwesend  sein  —  die  Zeit  zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
erĂĽbrigte.  Er  hatte  sich  dadurch,  sowie  durch  die  GrĂĽndung 
des  angesehenen  Repertoriums  fĂĽr  die  Pharmazie,  welches  er 
während  36  Jahren  redigirte  und  das  geradezu  die  Geschichte 
der  Pharmazie  während  dieses  Zeitraums  enthält,  so  tüchtig 
erwiesen,  dass  man  ihn  nach  dem  Tode  des  Professors  der 
Arzneimittellehre  Bertele  an  der  Universität  Landshut  zum 
ausserordentlichen  Professor  der  Pharmazie  in  der  dortigen 
medizinischen  Fakultät  erwählte.  In  Folge  eines  Rufes  nach 
Freiburg  im  Breisgau  wurde  er  bald  ordentlicher  Professor  der 
Pharmazie,  nachdem  ihn  vorher  die  medizinische  Fakultät  der 
neu  gegründeten  Universität  zu  Bonn  bei  der  Feier  ihrer  ersten 
Doktorpromotion  zum  Doktor  der  Medizin  ernannt  hatte.  Mit 
der  Uebersiedlung  der  Universität  von  Landshut  nach  München 
kam  er  hierher,  musste  sich  aber  noch  längere  Zeit  kümmer- 
lich behelfen,  bis  ihm  endlich  ein  fĂĽr  damals  genĂĽgendes 
Laboratorium  eingeräumt  wurde. 

Von  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  sind  mehrere  von 
Bedeutung  geworden.  Bei  der  Untersuchung  des  Bergöls  von 
Tegemsee,  des  sogenannten  St.  Quirinöls,  beschrieb  er  einen 
darin  gelösten,  in  der  Kälte  sich  in  festem  Zustande  abschei- 
denden StoflF  als  Bergfett,  welcher  Kohlenwasserstoff  sich  als 
identisch  mit  dem  später  von  ßeichenbach  aus  demi  Theer 
gewonnenen,  jetzt  allbekannten  und  viel  verwendeten  Paraffin 
erwies.  Er  hatte  ferner  aus  dem  Extrakte  der  Weidenrinde 
einen  in  nadeiförmigen  Kiystallen  sich  ausscheidenden,  intensiv 
bitteren  Stoff  erhalten,  den  er  Salicin  nannte;  dieses  Salicin 
ist  später  von  dem  italienischen  Chemiker  Piria  in  seine  zwei 
Componenten,  in  Zucker  und  in  Saligenin,  zerlegt  und  so  als 
erstes  Glied  der  interessanten  Gruppe  der  Glucoside  erkannt 
worden ;  dem  Salicin  entstammt  die  fĂĽr  die  theoretische  Chemie 
und  durch  die  praktische  Anwendung  so   wichtig  gewordene 


C.  VoU:  Nekrolog  auf  Ludwig  Andrecu  Buchner.  483 

Salicjlsäure.  Auch  die  Entdeckung  des  Berberins,  eines  in 
gelben  seidenglänzenden  Nadeln  krystallisirenden  Bittei*stoffs, 
einer  stickstoffhaltigen  Pflanzenbase,  in  der  Wurzelrinde  und 
in  dem  Holze  von  Berberis  vulgaris  oder  des  Sauerdoms  hat 
seinen  Namen  bekannt  gemacht. 

Buch n er  hat  durch  diese  seine  Thätigkeit  die  wissen- 
schaftliche Entwicklung  der  Pharmazie  sehr  gefordert,  so  dass 
Pettenkofer  an  seinem  Grabe,  in  Zusammenfassung  seines  Wirkens, 
aussprechen  konnte:  er  habe  die  Idee  verfolgt,  das  Apotheker- 
gewerbe durch  strenge  Wissenschaftlichkeit  in  seinen  Grund- 
lagen zu  adeln.  Diesem  vortrefflichen,  bescheiden  nur  fĂĽr  die 
Wissenschaft  lebenden,  fĂĽr  seine  SchĂĽler  liebevoll  besorgten 
Vater  eiferte  der  Sohn  nach;  er  ward  sein  bester  SchĂĽler, 
lernte  von  ihm  den  emsigen  Fleiss  und  die  Liebe  zur  Wissen- 
schaft, so  dass  er  die  von  ihm  hinterlassene  Erbschaft  an 
der  Universität  mit  vollem  Fug  und  Kecht  anzutreten  ver- 
mochte. 

Ludwig  Andreas  Buchner  wurde  am  13.  Juli  1813  in 
MĂĽnchen  geboren.  In  Landshut  begann  er  die  Gymnasial- 
studien und  setzte  sie  in  MĂĽnchen  fort,  aber  nur  bis  zur 
zweiten  Gjmnasialklasse,  um  sich  dann  der  praktischen  Phar- 
mazie zu  widmen;  der  Entschluss  zur  wissenschaftlichen  und 
akademischen  Laufbahn  erwuchs  erst  später  aus  den  Erfolgen 
seiner  Studien.  Er  machte  zunächst  eine  dreijährige  Lehrzeit 
bei  dem  trefflichen  Apotheker  Bachmann  in  der  Mohren- 
Apotheke  in  NĂĽrnberg  durch,  verblieb  daselbst  noch  ein  halbes 
Jahr  als  Gehilfe  und  trat  dann  fĂĽr  Vl%  Jahre  in  die  Ober- 
lin'sche  Apotheke  in  Strassburg  im  Elsass  ein,  woselbst  er 
seine  erste  wissenschaftliche  Arbeit:  „Versuche  über  das  Ver- 
halten chemischer  Stoffe  zu  Reagentien  bei  verschiedenen  Graden 
von  VerdĂĽnnung,  sowie  ĂĽber  die  Grenzen  der  Wahrnehmbar- 
keit chemischer  Reaktionen"  zur  Lösung  einer  von  dem  Verein 
studirender  Pharmazeuten  in  MĂĽnchen  gegebenen  Preisaufgabe 
ausfĂĽhrte,  welche  Arbeit  mit  dem  ersten  Preise  belohnt  wurde. 
Von  Strassburg  aus  wanderte  er  nach  Paris,  um  in  der  höheren 
pharmazeutischen    Schule,    an    welcher    damals    als    Direktor 


434  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  März  1898. 

Robiquet  und  als  Professor  der  Chemie  Bussy  angestellt  war, 
seine  Kenntnisse  zu  erweitem;  der  Letztere  verwendete  ihn, 
seine  TĂĽchtigkeit  erkennend,  bald  als  Privatassistent  bei  seinen 
organisch -chemischen  Untersuchungen.  Dabei  versäumte  er 
jedoch  nicht,  die  Vorlesungen  der  beiden  berĂĽhmten  Chemiker, 
von  Gay-Lussac,  dem  Lehrer  Liebig's,  und  von  Chevreul,  dem 
Entdecker  der  Constitution  der  Fette,  zu  hören;  öfter  erzählte 
er  später  über  die  durch  sie  erhaltenen  Eindrücke. 

Nach  der  RĂĽckkehr  in  die  Heimath  schrieb  er  sich  als 
Candidat  der  Pharmazie  an  der  Universität  ein,  um  die  phar- 
mazeutische ApprobationsprĂĽfung  zu  machen;  schon  nach  zwei 
Semestern  erhielt  er,  seiner  vorzüglichen  und  längeren  Aus- 
bildung halber,  unter  Dispens  von  den  ĂĽbrigen  beiden  Semestern 
die  Zulassung  zu  der  PrĂĽfung,  welche  er  mit  der  Note  der 
ausgezeichneten  Befähigung  bestand.  Er  wurde  hierauf  Assistent 
am  pharmazeutischen  Institut  der  Universität  bei  seinem  Vater. 
Aber  der  strebsame  Jüngling  hatte  mittlerweile  höhere  Ziele 
ins  Auge  gefasst;  er  benĂĽtzte  jede  freie  Zeit  zur  Vorbereitung 
auf  die  Maturitätsprüfung,  der  er  sich  nach  zwei  Jahren  mit 
Erfolg  unterzog.  Jetzt  erst  konnte  er  sich  als  Candidat  der 
Philosophie  an  der  Universität  immatrikuliren  und  mit  der 
Dissertation:  „Betrachtungen  über  die  isomerischen  Körper 
sowie  ĂĽber  die  Ursachen  der  Isomerie**  den  Grad  eines  Doktors 
der  Philosophie  erlangen.  Da  dazumal  die  Pharmazie  noch 
ein  Fach  der  medizinischen  Fakultät  war,  so  setzte  er  das 
inzwischen  schon  begonnene  Studium  der  Medizin  fort  und 
wurde  nach  Vollendung  desselben  zum  Doktor  der  gesammten 
Medizin  promovirt,  wozu  er  eine  Dissertation:  „Neue  chemische 
Untersuchung  der  Angelikawurzel '^  vorgelegt  hatte,  welche 
Wurzel  unter  dem  Namen  „Engelwurz*  als  beliebtes  Haus- 
mittel in  Gebirgsgegenden  gebräuchlich  ist;  er  entdeckte  darin 
eine  neue  zur  Oelsäurereihe  gehörige,  flüchtige,  schön  krystal- 
lisirende  Säure,  die  Angelikasäure  und  daneben  ein  krystal- 
lisirbares  Harz,  das  Angelicin.  Nun  folgte  die  Habilitation 
als  Privatdozent  fĂĽr  physiologische  und  pathologische  Chemie 
an  der  medizinischen  Fakultät,   wozu  er    als  Probeschrift  eine 


C.  VoU:  Nekrolog  auf  Ludwig  Andreas  Buchner.  435 

Abhandlung:  „Dissertatio  medico-chemica  de  aqua  salsa  Rosen- 
heimensi**  verfasst  hatte. 

Bevor  er  seine  Lehrthätigkeit  begann,  begab  er  sich,  in 
Erfüllung  eines  länger  gehegten  Wunsches,  auf  ein  Semester 
nach  Giessen,  wo  damals  Liebig  begeisterte  SchĂĽler  aus  allen 
Ländern  um  sich  versammelt  hatte.  Er  hielt  darauf  Vor- 
lesungen ĂĽber  physiologische  und  pathologische  Chemie,  ĂĽber 
analytische  Chemie  fĂĽr  Pharmazeuten  und  leitete  die  TJebungen 
im  pharmazeutisch-chemischen  Laboratorium.  Nachdem  er  mit 
Hilfe  eines  Staatsstipendiums  nochmals  Giessen  besucht  und 
die  chemischen  Laboratorien  von  Göttingen,  Berlin,  Leipzig 
und  Wien  gesehen  hatte,  erhielt  er  die  Anstellung  als  ausser- 
ordentlicher Professor  an  der  medizinischen  Fakultät  mit  dem 
Auftrage,  die  pathologisch-chemischen  Untersuchungen  an  den 
drei  Kliniken  vorzunehmen.  Als  der  Vater  starb,  konnte  kein 
besserer  an  seine  Stelle  als  ordentlicher  Professor  der  Phar- 
mazie an  der  medizinischen  Fakultät  gewählt  werden  wie 
sein  Sohn. 

An  dieser  Stelle  wirkte  er  vierzig  Jahre  lang  in  uner- 
müdlicher Thätigkeit,  lehrend  und  forschend.  Er  fasste  seine 
Aufgabe  als  Vertreter  der  Pharmazie  an  der  Universität  ernst 
auf  und  seine  Schüler,  für  die  er  stets  väterlich  besorgt  war, 
fĂĽhlten,  wie  gut  er  es  mit  ihnen  meinte  und  dass  sein  eifrigstes 
Bestreben  war,  ihnen  die  richtigen  Kenntnisse  fĂĽr  ihren  wich- 
tigen Beruf  beizubringen.  Bei  seiner  grossen  GrĂĽndlichkeit, 
seinen  umfassenden  Kenntnissen  und  Erfahrungen  war  er  ein 
guter  Lehrer,  wie  die  Anhänglichkeit  und  Hochachtung  be- 
zeugt, welche  die  vielen  von  ihm  ausgebildeten  tĂĽchtigen  Phar- 
mazeuten ihm,  dem  Vater  Buchner,  entgegenbrachten.  Man 
könnte  ihm  höchstens  den  Vorwurf  machen,  zuweilen  allzu 
nachsichtig  gegen  seine  SchĂĽler  gewesen  zu  sein.  Allerdings 
hörte  man  später  hie  und  da  sagen,  sein  Laboratorium  wäre 
veraltet  und  entspreche  nicht  mehr  den  Fortschritten  der  Zeit, 
aber  solche  Tadler  wussten  nicht,  wie  oft  es  Buchner  frĂĽher 
vergebens  versucht  hat,  Mittel  fĂĽr  Verbesserung  des  Labora- 
toriums und  iiir  neue  Apparate  zu  bekommen. 


436  OeffenUiehe  Sitzung  vom  16.  März  1898. 

Ausser  seinem  Lehramt  hatte  er  als  Mitglied  des  Medizinal- 
Comite's  an  der  hiesigen  Universität  die  gerichtlich-chemischen 
Untersuchungen  zu  machen,  die  er  mit  unĂĽbertroffener  Gewissen- 
haftigkeit ausfĂĽhrte  und  mit  ĂĽberzeugender  Klarheit  yor  dem 
Schwurgerichte  vertrat.  Wie  ofk  hing  hierbei  von  seiner  Ge- 
schicklichkeit die  Entscheidung  über  Leben  und  Tod  ab;  häufig 
ist  er  in  das  physiologische  Institut  gekommen,  um  die  er- 
haltenen Extrakte  durch  den  Versuch  am  Thier  auf  giftige 
Stoffe  zu  prĂĽfen.  Auch  im  Obermedizinal-Ausschusse,  wo  ihm 
die  oft  recht  verwickelten  Referate  ĂĽber  die  Verleihung  der 
Apotheken  ĂĽbertragen  waren,  ĂĽbte  er  durch  seine  Unpartei- 
lichkeit und  Sachkenntniss  eine  gedeihliche  Wirksamkeit  aus. 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  Buchner 's  verfolgten 
besonders  diejenige  Richtung  in  der  Chemie,  welche  man  die 
medizinisch- pharmazeutische  nennen  könnte.  Es  sollen  hier 
nur  einige  derselben  hervorgehoben  werden,  um  ein  Bild  seiner 
Bedeutung  fĂĽr  die  Chemie  zu  geben. 

Eine  seiner  ersten  Veröffentlichungen  war  die  „sehr  gründ- 
liche** Untersuchung,  wie  sie  in  Liebig's  Annalen  genannt  wird, 
ĂĽber  die  wechselseitige  Wirkung  des  Schwefelwasserstoflfe  auf 
die  Carbonate  der  Alkalien  und  alkalischen  Erden,  sowie  ĂĽber 
die  der  Kohlensäure  auf  Sulf  hydrate,  welche  unsere  Kenntnisse 
über  die  sogenannten  chemischen  Massenwirkungen  beträchtlich 
erweiterten. 

Durch  seine  Untersuchungen  zahlreicher  Pflanzen  und 
Pflanzentheile  bereicherte  Buchner  die  organische  Chemie  mit 
einigen  neuen  interessanten  Stoffen. 

Von  der  Entdeckung  der  Angelikasäure  ist  vorher  schon 
die  Rede  gewesen. 

Er  war  ferner  der  Erste,  welcher  die  in  dem  giftigen 
Eisenhut  enthaltene,  an  Kalk  gebundene  Säure,  die  Akonit- 
säure  einer  genaueren  Prüfung  unterwarf,  wobei  er  fand,  dass 
sie  zwar  dieselbe  Zusammensetzung  besitze  wie  die  bei  der 
trockenen  Destillation  von  Aepfelsäure  entstehende  Fumarsäure 
und  Maleinsäure,  dass  sie  aber  dennoch  in  ihren  Eigenschaften 
von   diesen  Säuren   so   sehr  abweiche,   dass   man  sie   als  eine 


C,  VoU:  Nekrolog  auf  Ludwig  Andreas  Buchner.  437 

besondere  Säure  ansehen  müsste.  Diese  Arbeit  Buchner 's 
erregte  die  besondere  Aufmerksamkeit  von  Berzelius,  welcher 
sie  als  Anhaltspunkt  bei  der  Untersuchung  einer  beim  Erhitzen 
der  Citronensäure  entstehenden  Säure  benutzte,  wobei  er  sich 
von  der  Identität  dieser  Säure  mit  der  Aconitsäure  überzeugte. 

Aus  der  Rinde  des  Faulbaums  (Rhamnus  Frangula)  isoHrte 
er  einen  sehr  schönen  sublimirbaren  Farbstoff,  das  Rhamno- 
xanthin  oder  Frangulin  und  später  noch  einen  rothen,  dem 
Alizarin  ähnlichen,  ebenfalls  sublimirbaren  Farbstoff. 

Mehrere  ätherische  Oele  und  verwandte  Stoffe  wurden  von 
ihm  und  seinen  SchĂĽlern  genau  untersucht  und  beschrieben, 
so  dasjenige  von  Pinus  Pumilio  Haenke,  der  sogenannten 
Latsche,  femer  das  ätherische  Oel  aus  den  Früchten  der  zu 
den  Fichten  gehörigen  Abies  Reginae  Amaliae,  und  der  Porst- 
Campher,  welcher  aus  dem  ätherischen  Oele  von  Ledum  palustre, 
dem   zu   der  Erikagruppe   gehörigen  Porst   herauskrystallisirt. 

Von  besonderem  chemischem  und  pflanzenphysiologischem 
Interesse  sind  seine  Beobachtungen  ĂĽber  die  Bildung  der  sali- 
cyligen  Säure  in  den  Blüthen  der  Spierstaude,  der  Spiraea 
Ulmaria,  welche  uns  das  Entstehen  mancher  aromatischer 
Pflanzenstoffe  durch  Oxydation  erklären.  Er  hat  zuerst  er- 
kannt, dass  das  ätherische,  aromatisch  riechende  Oel  der  Blüthen 
der  Spiräa-Arten  identisch  mit  der,  jetzt  Salicyl-Aldehyd  ge- 
nannten, salicyligen  Säure  ist,  welche  man  auch  durch  Oxy- 
dation des  vorher  erwähnten  Salicins  und  Saligenins  erhalten 
kann.  Und  er  that  dann  durch  ĂĽberzeugende  Versuche  dar, 
dass  in  den  Ejiospen  der  genannten  BlĂĽthen  eine  Salicyl- 
verbindung  vorkommt,  aus  welcher  durch  die  oxydirende  Wir- 
kung der  Chromsäure  eben  so  gut  das  flüchtige  Oel  der  Spiraea 
entwickelt  werden  kann  wie  durch  den  Vegetationsprocess. 

Von  chemischen  Verbindungen,  welche  Buchner  zuerst 
dargestellt  und  analysirt  hat,  sei  der  Ammoniak-Brechwein- 
stein namhaft  gemacht,  welches  Salz  dem  gewöhnlichen  (Kali-) 
Brech  Weinstein  isomorph  ist. 

Von  Bedeutung  sind  die  Abhandlungen  über  Gährungs- 
und  Verwesungserscheinungen  von  im  Thierkörper  vorkonunen- 


438  Oeffenakhe  Sitzung  vom  15,  März  1898. 

den  organischen  Stoffen.  AnknĂĽpfend  an  eine  unter  seiner 
Leitung  von  Herrn  v.  Gorup-Besanez  unternommene  Arbeit 
über  die  Galle,  verfolgte  Buchner  die  Veränderungen,  welche 
das  bei  der  Fäulniss  der  GciUe  aus  der  Taurocholsäure  frei 
gewordene  schwefelhaltige  Taurin  bei  weiterer  Fäulniss  erleidet; 
er  wies  nach,  dass  dieser  schöne  Körper,  welchen  man  für 
einen  der  unveränderlichsten  der  organischen  Chemie  gehalten 
hat,  zu  den  gährungsfähigen  Stoffen  gezählt  werden  muss,  und 
ermittelte  genau  die  Bedingungen  und  die  Art  seiner  Ver- 
änderungen unter  solchen  Verhältnissen.  Auch  noch  zwei 
weitere  Arten  der  Gährung,  die  der  im  Harn  der  pflanzen- 
fressenden Säugethiere  vorkommenden  Hippursäure  und  die  des 
Glykokolls,  welches  mit  der  Benzoesäure  ein  Component  der 
Hippursäure  ist  und  auch  aus  dem  Leim  durch  Zersetzung  mit 
Säuren  dargestellt  werden  kann,  werden  in  diesen  Abhand- 
lungen beschrieben.  Ueberhaupt  bieten  diese  an  neuen  That- 
sachen  reichen  Arbeiten  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Kenntniss 
eines  der  wichtigsten  Kapitel  der  organischen  Chemie. 

Ein  nicht  zu  unterschätzendes  Verdienst  hat  sich  weiterhin 
Buchner  um  die  Kenntniss  einer  Anzahl  von  Mineralwässern 
durch  sorgfältige  Analysen  derselben  erworben.  Er  hat  das 
Brom  in  der  jodhaltigen  Adelheidsquelle  zu  Heilbrunn  auf- 
gefunden, und  das  Vorkommen  von  Jod  in  anderen  Wässern 
wie  in  Sulzbrunn  im  Kemptener  Wald,  in  Hall  in  Oberöster- 
reich, in  Wildegg  in  der  Schweiz  nachgewiesen ;  auch  ermittelte 
er  die  Zusammensetzung  unserer  oberbayerischen  Salzsoolen  in 
Reichenhall  und  Rosenheim  nach  den  neueren  analytischen 
Methoden.  Er  untersuchte  femer  das  Wasser  der  Schwefel- 
quelle zu  Oberdorf  im  AUgäu  und  dasjenige  der  eisenhaltigen 
Schwefelquelle  zu  Neumarkt  in  der  Oberpfalz;  in  der  Abhand- 
lung ĂĽber  letztere  Untersuchung  sind  interessante  Beobach- 
tungen ĂĽber  die  Bildung  des  kohlensauren  Eisenoxyduls  und 
des  Schwefelwasserstoffes  in  derartigen  Quellen  mitgetheilt. 
Das  MĂĽnchener  Wasser  hat  er  zwei  Male  zum  Gegenstande 
eines  eingehenden  Studiums  gemacht,  wobei  er  in  demselben 
Jod  und  Brom  nachweisen  konnte,  indem  er  sich  in  sinnreicher 


C.  VoU:  Nekrolog  auf  Ludwig  Andreas  Buchner.  439 

Weise  grösserer  Mengen  Kesselsteins  bediente;  es  ist  dieser 
Nachweis  von  Bedeutung,  nachdem  wir  jetzt  durch  Baumann^s 
glänzende  Entdeckung  wissen,  dass  das  Jod  in  dem  Jodothyrin 
der  SchilddrĂĽse  zu  den  normalen  Stoffen  des  thierischen  Orga- 
nismus gehört  und  es  daher  wichtig  geworden  ist  zu  erfahren, 
auf  welchen  Wegen  es  in  denselben  gelangt. 

Bei  den  gerichtlich -chemischen  Untersuchungen  hatte  er 
vielfach  Gelegenheit,  die  Methoden  des  Nachweises  giftiger 
Stoffe  auszubilden  und  bemerkenswerthe  neue  Beobachtungen 
für  forense  Chemie  und  Medizin  zu  machen.  Es  gehören  hier- 
her seine  Abhandlungen  ĂĽber  Arsenreduktion  bei  gerichtlich- 
chemischen Fällen,  über  die  Arsenik -Ausmittlung,  über  die 
Anwendung  der  Dialyse  zu  gerichtlich-chemischer  Ausmittlung 
der  arsenigen  Säure,  über  die  Bildung  von  Schwefel-Ai-senik 
in  den  Leichen  mit  arseniger  Säure  Vergifteten,  über  eine 
Vergiftung  mit  ätzendem  Quecksilbersublimat,  über  Vergiftung 
durch  ätzende  Säuren  und  deren  chemischer  Ausmittelung,  über 
Vergiftungen  durch  Morphium  und  deren  chemische  Ausmitte- 
lung, ĂĽber  die  Beschaffenheit  des  Blutes  nach  einer  Vergiftung 
mit  Blausäure. 

Es  dĂĽrfen  femer  auch  Buchner 's  BemĂĽhungen,  wissen- 
schaftliche Prinzipien  fĂĽr  die  Praxis  nutzbar  zu  machen,  nicht 
unerwähnt  bleiben.  Ihnen  verdankt  man  eine  Arbeit  über 
das  pyrophosphorsaure  Eisenoxydnatron  als  Arzneimittel  und 
eine  leicht  ausfĂĽhrbare  Methode  eine  arsenhaltige  Schwefel- 
säure von  Arsenik  zu  befreien.  Durch  seine  in  den  Abhand- 
lungen der  naturwissenschaftlich -technischen  Commission  der 
Akademie  publizirte  Arbeit  ĂĽber  die  Bereitung  und  Anwendung 
des  Natronwasserglases,  worin  eine  neue  sehr  praktische  Methode 
zur  Darstellung  dieses  nĂĽtzlichen  Produktes  im  Grossen  be- 
schrieben ist,  hat  Buchner  auf  den  Dank  der  Technik  An- 
spruch zu  machen,  fĂĽr  welche  er  schon  in  frĂĽheren  Jahren 
durch  seine  mit  zahlreichen  Anmerkungen  und  Zusätzen  ver- 
seliene  Uebersetzung  der  drei  letzten  Bände  des  grossen  Werkes 
von  Dumas:  „Traite  de  Cliimie  appliquee  aux  arts"  ein  leb- 
haftes Interesse  an  den  Tag  gelegt. 


440  Oeffefiiliehe  Sitzung  vom  15.  Märe  1898. 

Endlich  ist  der  Fortführung  des  neuen  Kepertoriuros  fär 
Pharmazie,  welches  er  nach  dem  Tode  seines  Vaters  während 
25  Jahren  leitete,  sowie  der  Herausgabe  seines  grossen  Com- 
mentars  zur  Pharmacopoea  Germanica  in  zwei  Bänden  zu 
gedenken. 

Diese  seine  Arbeiten  sichern  ihm  wie  seinem  Vater  eine 
ehrenvolle  Stellung  in  der  Geschichte  der  Pharmazie. 

Buchner  hat  ein  arbeitsreiches,  gesegnetes  Leben  gefĂĽhrt; 
in  stiller  Thätigkeit  suchte  er  innere  Befriedigung.  Die  Er- 
fĂĽllung der  Pflicht  gieng  ihm  ĂĽber  Alles  und  noch  wenige 
Tage  vor  seinem  Tode  trug  er,  fast  als  Sterbender,  ein  muster- 
haftes Gutachten  im  Obermedizinalausschusse  vor;  ja  er  war 
getreu  bis  in  den  Tod. 

KörperUch  und  geistig  rüstig  und  frisch  bis  ins  hohe 
Alter,  bewahrte  er  sich  eine  jugendliche  Heiterkeit  und  eine 
Lebensauffassung,  die  das  Gute  in  Allem  herausfand.  Bei  einer 
Feier,  bei  welcher  sein  glückliches  Alter  gepriesen  ward,  äusserte 
er  sich  in  charakteristischer  Weise:  alt  werden  ist  nicht  schwer, 
aber  alt  werden  und  jung  bleiben,  das  ist  nicht  so  leicht. 

Was  wir  aber  noch  besonders  an  ihm  schätzten,  das  ist, 
dass  er  einer  der  besten  Menschen  war,  geliebt  und  verehrt 
von  Allen,  die  ihn  kannten,  wegen  seiner  Freundlichkeit,  seiner 
GĂĽte,  seiner  Milde  und  seiner  Treue.  Niemals  hat  er  Jemandem 
etwas  zu  Leide  gethan.  Darum  werden  wir  auch  den  guten 
Collegen  Buchner  nicht  vergessen  und  ihm  ein  ehrendes 
Andenken  bewahren. 

Leonhard  Sohncke.^) 

Das  zweite  ordentliche  Mitglied,  welches  die  mathematisch- 
physikalische Klasse  im  vergangenen  Jahre  (am  2.  November 
1897)  durch  den  Tod  verloren  hat,  ist  der  Professor  der  Physik 


*)  Mit  BenĂĽtzung  der  Nekrologe  von  S.  Finsterwalder  (MĂĽnchener 
Neueste  Nachrichten  vom  10.  November  1897)  und  von  S.  GĂĽnther  (Bei- 
lage zur  Allgemeinen  Zeitung  vom  4.  Dezember  1897). 


C.  VoĂĽ:  Nekrolog  auf  Leonhard  Sdhncke.  441 

an  der  technischen  Hochschule,  Leonhard  Sohncke.  Aber 
während  es  sich  im  ersten  Falle  um  einen  hochbetagten  Greis 
handelte,  der  sein  Tagewerk  hienieden  vollendet  hatte  und  den 
wir  ob  seines  freundlichen  Greschickes  glĂĽcklich  preisen  durften, 
betrauern  wir  hier  voll  Wehmuth  einen  Collegen,  welcher  noch 
mitten  im  kräftigsten  Schaffen  war  und  von  dem  die  Wissen- 
schaft noch  so  manche  Förderung  erwarten  konnte. 

Leonhard  Sohncke  wurde  am  22.  Februar  des  Jahres  1842 
als  der  zweite  Sohn  des  verdienten  Professors  der  Mathematik 
an  der  Universität  Halle,  Ludwig  Adolf  Sohncke,  geboren. 
Es  ist  ihm  frĂĽh  der  Ernst  des  Lebens  nahe  getreten  und  er 
musste  sich  durch  eigene  Kraft  emporarbeiten,  denn  bei  dem 
kärglichen  Gehalte  war  der  Vater  Sohncke *s  genöthiget,  den 
Lebensunterhalt  fĂĽr  seine  Familie  durch  literarische  Lohnarbeit, 
durch  TJebersetzungen  und  dergleichen,  zu  verdienen.  Und  als 
bald  der  Vater  starb,  hinterliess  er  die  Seinen  in  recht  dĂĽrftigen 
Verhältnissen. 

Aber  der,  nach  dem  grossen  Mathematiker  Leonhard  Euler, 
Leonhard  genannte  Sohn  wusste  durch  sein  Talent  und  seinen 
Eifer  die  seiner  Ausbildung  entgegenstehenden  Hindernisse  zu 
besiegen.  Auch  ihm  diente,  wie  so  Vielen,  das  schwere  Ringen 
um  das  tägliche  Brod  zum  Glücke,  indem  es  ihm  die  Liebe  zur 
Arbeit  und  zur  tieferen  Erkenntniss  lehrte.  Nachdem  er  die 
Schulen  der  Franke'schen  Stiftungen  besucht  und  schon  im 
17.  Lebensjahre  das  Gymnasium  absolvirt  hatte,  bezog  er  die 
Universität  seiner  Vaterstadt,  um  sich  dem  Studium  der  Mathe- 
matik zu  widmen,  zu  welchem  er  von  frĂĽh  an,  dem  Beispiel 
des  Vaters  folgend,  eine  besondere  Neigung  hatte. 

An  der  Universität  Halle  waren  seine  Lehrer  in  der  Mathe- 
matik Eduard  Heine,  der  sich  vornehmlich  durch  seine  Arbeiten 
ĂĽber  die  Kugelfunktionen  bekannt  gemacht  hat,  und  dann  der 
junge  Karl  Neumann,  der  Sohn  des  BegrĂĽnders  der  theoretischen 
Physik  in  Deutschland,  Franz  Neumann  in  Königsberg,  welcher 
sich  kurz  vorher  in  Halle  habilitirt  hatte.  Sohncke  musste 
darnach  tracliten,  sich  die  Mittel  fĂĽr  sein  Studium  und  einen 
baldigen  Verdienst   zu   verschaffen,   wessbalb   er   sich   auf  die 


442  Oeffentliche  Sitzung  ĂĽom  15,  Mars  1898. 

PrĂĽfung  fĂĽr  das  mathematische  Lehramt  in  Mittelschulen  vor- 
bereitete. Inzwischen  half  ihm  eine  Stelle  als  Hilfsassistent 
an  der  mineralogischen  Sammlung  der  Universität  über  die 
ersten  Schwierigkeiten  hinweg;  noch  am  Gymnasium  hatte  er 
durch  den  Einfluss  eines  treflFbchen  Lehrers  ein  lebhaftes  Inter- 
esse fĂĽr  die  so  anziehende  Krystallographie  gewonnen  und 
nun  konnte  er  an  dem  Mineralienkabinet  seine  Kenntnisse  der 
Mineralien  erweitem,  was  seinen  späteren  wissenschaftlichen 
Arbeiten  eine  bestimmte  Richtung  gab  und  ihnen  von  grösstem 
Nutzen  war.  Nachdem  er  im  Alter  von  20  Jahren  die  Lehr- 
amtsprüfung glänzend  bestanden  und  noch  in  Halle  mit  der 
mathematischen  Dissertation:  „de  aequatione  differentiali  seriei 
hypergeometricae*  promovirt  hatte,  begab  er  sich  an  die  Uni- 
vei*sität  Königsberg,  um  seine  Studien  fortzusetzen  und  das 
Probejahr  abzuleisten,  woselbst  er  auch  nach  drei  Jahren  die 
erste  Anstellung  als  Gymnasiallehrer  erhielt. 

In  Königsberg  trieb  er  zuerst  noch  Mathematik  bei  Richelot, 
bald  aber  gewann  der  Physiker  Franz  Neumann,  der  so  viele 
JĂĽnger  fĂĽr  sein  Fach  angeregt  und  begeistert  hat,  einen  solchen 
Einfluss  auf  ihn,  dass  er  sich  ganz  der  theoretischen  Physik 
zuwandte.  Die  dortige  Schule  war  damals  der  Mittelpunkt  der 
physikalischen  Forschung  in  Deutschland;  die  bedeutendsten 
Mathematiker  und  Physiker  sind  aus  ihr  hervorgegangen.  Es 
war  ein  gĂĽnstiges  Zusammentreffen,  dass  Neumann  sich  in 
hervorragender  Weise  mit  der  Erforschung  der  Krystallfonnen 
beschäftiget  hatte  und  die  Neigung  seines  Schülers  Sohncke 
zur  Krystallographie  förderte. 

Anfangs  veröffentlichte  er  noch  einige  mathematische  Ab- 
handlungen: über  regelmässige  Polyeder  und  über  die  durch 
Umdrehung  eines  regelmässigen  Vierecks  um  eine  Diagonale 
entstehenden  Gebilde;  dann  fing  er  aber  an,  in  einem  Winkel 
seiner  Wohnung  mit  den  bescheidensten  Mitteln  physikalische 
Untersuchungen  zu  machen,  obwohl  er  an  dem  Gymnasium 
wöchentlich  22  Stunden  Unterricht  ertheilen  musste.  So  ent- 
stand seine  erste  experimentell-physikalische  Arbeit:  „über  die 
Kohäsion    des   Steinsalzes   in   krystallographisch  verschiedenen 


.  J- 


C  Foit;  Nekrolog  auf  Leonhard  Sohneke.  443 

Richtungen**,  mit  welcher  er  sich  als  Privatdozent  fĂĽr  Physik 
an  der  Universität  habilitirte. 

Ein  glĂĽcklicher  Zufall  brachte  in  seinen  Lebenslauf  eine 
entscheidende  Wendung,  die  ihn  ganz  der  Hochschule  zufĂĽhrte. 
Gustav  Kirchhoff,  der  geistvolle  Physiker  an  der  Heidelberger 
Universität,  ebenfalls  ein  Schüler  Neumann's,  sah  bei  einem 
Besuche  in  Königsberg  den  jungen  Gelehrten  und  erkannte 
sein  Talent.  Er  empfahl  ihn,  als  durch  den  Tod  Eisenlohr's 
die  Professur  der  Physik  an  der  polytechnischen  Schule  in 
Karlsruhe  erlediget  war.  Sohncke  erhielt  den  Ruf  und  er- 
langte dadurch  einen  weiten,  lohnenden  Wirkungskreis:  er 
hatte  die  grosse  Vorlesung  ĂĽber  Experimentalphysik  abzuhalten 
sowie  die  Vorlesung  ĂĽber  theoretische  Physik.  Auch  kam  er 
in  einen  ihm  zusagenden  Kreis  von  CoUegen,  von  denen  er 
namentlich  dem  Mineralogen  Knop  und  dem  Vertreter  der  dar- 
stellenden Geometrie  Chr.  Wiener  wegen  der  gleichen  wissen- 
schaftlichen Interessen  näher  trat. 

Im  Verkehr  mit  diesen  beiden  entstand  sein  bedeutendstes 
Werk:  die  Entwickelung  einer  neuen  Theorie  der  Krystall- 
struktur.  Es  war  dies  der  Anfang  einer  Reihe  werthvoller 
Forschungen,  durch  welche  er  verschiedene  Gebiete  der  physi- 
kalischen Wissenschaft,  insbesondere  der  Krystallographie  und 
der  Optik,  durch  neue  Thatsachen  und  fruchtbare  Theorien 
bereichert  hat. 

Mit  der  Professur  fĂĽr  Physik  war  damals  noch  die  Leitung 
des  badischen  meteorologischen  Dienstes  verbunden ;  diese  Nöthi- 
gung  sich  mit  Fragen  der  Meteorologie  zu  befassen,  fĂĽhrten 
ihn  auf  ein  anderes  Gebiet  der  Forschung,  in  dem  er  besonders 
durch  eine  Theorie  der  Gewitterelektrizität  Bedeutendes  leistete. 

Bald  verliess  er  Karlsruhe,  um  einem  Rufe  an  die  Uni- 
versität Jena  zu  folgen;  er  wünschte  von  den  lästigen  meteoro- 
logischen Geschäften  befreit  zu  werden.  In  Jena,  wo  er  an- 
fangs mit  dem  Ausbau  und  der  inneren  Einrichtung  des  neuen 
physikalischen  Instituts  beschäftiget  war,  verlebte  er  wohl  die 
glĂĽcklichsten  Tage;  die  freie  Auffassung  an  dieser  altberĂĽhmten 
schönen  Stätte    der  Wissenschaft    und    das    innige   Zusammen- 

1898.  Sitzungsb.  d.  math.-phya.  GL  29 


444  Oeffefitliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

leben  mit  einer  Anzahl  gleich  gesinnter  CoUegen  und  Freunde 
entsprach  ganz  seinen  Neigungen.  Es  wurde  ihm  daher,  als 
er  nach  wenigen  Jahren  unter  glänzenden  Bedingungen  an  die 
aufblĂĽhende  hiesige  technische  Hochschule  gerufen  wurde,  der 
Entscheid  recht  schwer.  Er  sollte  der  Nachfolger  des  vor- 
treflFlichen  Beetz  werden,  der  die  Sammlung  und  das  Labora- 
torium musterhaft  eingerichtet  und  geleitet  hatte;  er  entschied 
sich  fĂĽr  MĂĽnchen  und  es  hat  dieser  Entschluss  ihm  und  der 
Hochschule  nur  zum  Besten  gereicht.  Er  hielt  die  Vorlesung 
ĂĽber  Experimentalphysik  mit  steigendem  Erfolge,  denn  er  war 
ein  gewissenhafter  Lehrer,  der  in  klarem,  ernstem  Vortrage, 
unterstĂĽtzt  durch  die  richtigen  Versuche,  sein  Bestes  gab. 
Die  Uebungen  im  Laboratorium,  an  welchen  sich  zahlreiche 
SchĂĽler  betheiligten,  waren  so  eingerichtet,  dass  Jeder  die 
Naturerscheinungen  genau  beobachten  und  messend  verfolgen 
lernte.  So  entfaltete  er  dahier,  allerdings  unter  fast  ĂĽber- 
mässiger Anstrengung,  eine  äusserst  gedeihliche  Wirksamkeit, 
bei  der  auch  die  wissenschaftliche  Forschung  eifrig  fortge- 
setzt wurde. 

Ueberblickt  man  in  dieser  Richtung  die  Leistungen  S  o  h  n  c  k  e  's, 
sie  ist  vor  Allem  die  schon  erwähnte  Abhandlung:  „die  unbe- 
grenzten regelmässigen  Punktsysteme  als  Grundlage  einer  Theorie 
der  Krystallstruktur"  zu  nennen.  Schon  Viele  waren  bestrebt, 
zu  ergründen,  wie  die  schönen  regelmässigen  Formen  der 
Krystalle  entstehen  und  warum  dieselben  in  einer  bestimmten 
Richtung  die  gleichen,  in  anderen  Richtungen  aber  andere 
Eigenschaften  zeigen.  Da  hatte,  neben  Delafosse  und  Franken- 
heim, besonders  der  französische  Mineraloge  Bravais,  an  frühere 
Anschauungen  von  Hauy,  des  BegrĂĽnders  der  mathematischen 
Krystallographie,  sich  anschliessend,  den  Gedanken,  jene  Eigen- 
thĂĽmlichkeiten  auf  eine  gitterartige  Struktur  der  krystallisirten 
Materie  zurĂĽckzufĂĽhren,  indem  er  annahm,  dass  die  Krystalle 
aus  vielen  gleichgeformten  und  gleichgestellten  Bausteinen  auf- 
gebaut sind;  es  gelang  ihm  auch  die  Uebereinstimmung  der 
an  vollflächigen  oder  holoedrischen  Krystallen  beobachteten 
Symmetrieverhältuissc    mit    den    möglichen    Synmietrieverhält- 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Leonhard  Sohncke.  445 

nissen  solcher  Gitterstrukturen  nachzuweisen.  Jedoch  war  er 
nicht  im  Stande,  für  die  halbflächigen  oder  hemiedrischen 
Krystalle,  welche  als  die  Hälften  der  vollflächigen  Gestalten 
erscheinen,  eine  solche  Gitterstruktur  zu  finden.  Später  zeigte 
nun  Chr.  Wiener,  der  Genosse  Sohncke 's,  dass  man  regel- 
mässige Punktsysteme  herzustellen  vermöge,  deren  Elemente 
zwar  gleichgeformt,  aber  nicht  gleichgestellt  sind;  und  der 
französische  Mathematiker  Camille  Jordan  erdachte  eine  Methode 
zur  Auffindung  aller  derartigen  Punktsysteme.  An  diese  Vor- 
stellungen knĂĽpfte  Sohncke  an;  indem  er  aus  Jordan's  Methode 
die  unmöglichen  Fälle  ausschied,  leitete  er  aus  jener  Grund- 
vorstellung die  möglichen  Krystallsysteme  streng  und  voll- 
ständig ab,  mit  Einschluss  derer  der  halbflächigen  Krystalle. 
Die  schöne  Theorie,  mit  allen  bekannten  morphologischen  und 
physikalischen  Eigenschaften  der  krystallisirten  Körper  im  Ein- 
klang, wirft  auf  mehrere  derselben  ein  ĂĽberraschendes  Licht. 
Unserem  korrespondirenden  Mitgliede  Eugraph*v.  Fedorow  ge- 
lang es  später,  in  äusserst  einfacher  Weise  die  Hauptstruktur- 
fläche auf  experimentellem  Wege  zu  bestimmen.  Eine  Anzahl 
weiterer  Untersuchungen  Sohncke 's  beschäftigt  sich  mit  dem 
gleichen  Thema;  immer  von  Neuem  suchte  er  seine  Theorie 
der  Krystallstruktur  mit  den  Beobachtungen  in  Einklang  zu 
bringen,  wie  z.  B.  in  den  Abhandlungen:  elementarer  Nach- 
weis einer  Eigenschaft  parallepipedischer  Punktsysteme,  ĂĽber 
Spaltungsflächen  und  natürliche  Krystallflächen,  und  Erweite- 
rung der  Theorie  der  Krystallstruktur.  Inhaltlich  nahe  ver- 
wandt mit  diesen  Arbeiten  ist  die  schon  angegebene  ĂĽber  die 
Cohäsion  des  Steinsalzes  in  krystallographisch  verschiedenen 
Richtungen,  dann  die  ĂĽber  die  Aetzfiguren  an  SteinsalzwĂĽrfeln 
und  die  ĂĽber  das  Verwitterungsellipsoid  rhomboedrischer  Kry- 
stalle; in  der  letzteren  führte  er  den  Nachweis,  dass  die  Fläche, 
welche  in  einem  gegebenen  Moment  den  verwitterten  von  dem 
intakten  Theile  scheidet,  je  nach  der  Natur  der  betreffenden  Sub- 
stanz abgeplattete  und  verlängerte  Rotationssphäroidesein  können. 
Eine  zweite  Gruppe  von  Untersuchungen  ist  optischer 
Natur  und   bezieht  sich  auf  die  Erscheinungen  der  Rotations- 

29* 


446  Oe  ff  entliche  Sitzung  vom  15,  JMärz  1898. 

Polarisation.  In  einer  ausfĂĽhrlichen  Abhandlung  wird  von 
Sohncke  die  Glimmercombination,  durch  welche  der  TĂĽbinger 
Physiker  Reusch  das  Drehungsvermögen  des  Quarzes  nach- 
geahmt hatte,  indem  er  kĂĽnstliche  Krystalle  durch  Aufeinander- 
legen gleichartiger  Glimmerplättchen,  deren  jedes  gegen  das 
obere  und  untere  nächstfolgende  um  einen  gewissen  Winkel 
gedreht  erscheint,  herstellte,  experimentell  und  theoretisch 
untersucht  und  hieran  der  Versuch  geknĂĽpft,  einen  Einblick 
in  den  Zusammenhang  des  Drehungsvermögens  der  Krystalle 
mit  ihrer  molekularen  Struktur  zu  gewinnen.  Eine  weitere 
Experimentalarbeit  der  Art  ĂĽber  den  Einfluss  der  Temperatur 
auf  das  optische  Drehungsvermögen  des  Quarzes  stellt  fest, 
dass  dieses  Vermögen  nicht,  wie  man  bis  dahin  annahm,  in 
geradem,  sondern  in  rascherem  Verhältnisse  mit  der  Temperatur 
zunimmt.  Femer  wird  durch  sehr  sinnreiche  Versuche  in  einer 
Abhandlung  ĂĽber  die  elektromagnetische  Drehung  natĂĽrlichen 
Lichtes  nachgewiesen,  dass  diese  Wirkung,  welche  man  nur 
an  polarisirtem  Lichte  kannte,  in  der  That  auch  bei  natĂĽr- 
lichem Lichte  stattfindet.  Hierher  gehört  auch  die  Unter- 
suchung ĂĽber  polarisirte  Fluorescenz,  ein  Beitrag  zur  kine- 
tischen Theorie  der  festen  Körper. 

In  einer  dritten  Reihe  von  ebenfalls  optischen  Abhjind- 
lungen  werden  die  prächtigen  Interferenzerscheinungen  an 
dünnen,  insbesondere  keilförmigen  Blättchen  sowie  der  New- 
ton'schen  Ringe  behandelt,  zum  Theil  im  Verein  mit  seinem 
Freunde  Wangerin,  welcher  die  theoretische  Seite  der  Aufgabe 
bearbeitete,  während  Sohncke  die  Beobachtungen  und  Mes- 
sungen mit  einem  zweckmässig  erdachten  Apparate  ausführte. 
Auch  diesem  schon  so  vielfach  behandelten  Gegenstände  wurden 
bemerkenswerthe  neue  Resultate  abgewonnen  und  wurde  ins- 
besondere gezeigt,  dass  die  Ringe  Curven  doppelter  KrĂĽmmung 
sind,  welche  auf  einer  Kugelfläche  dritter  Ordnung  liegen. 

Sohncke  hat  auch  einmal,  im  Anschluss  an  die  von 
Clausius  aufgestellte  Hypothese,  eine  Anschauung  ĂĽber  die  Ent- 
stehung des  Stroms  in  der  galvanischen  Kette  ausgesprochen, 
welche    werthvoUe   neue  Gesichtspunkte    in    dieser  alten,    aber 


G,  Voit:  Nekrolog  auf  Leonhard  Sohncke.  447 

noch  immer  nicht  endgiltig  ausgetragenen  Streitfrage  liefert.  — 
Seine  letzte  in  der  Julisitzung  des  vorigen  Jahres  in  der  Aka- 
demie vorgetragene  Arbeit  befasst  sich  mit  der  Aenderung  der 
^spezifischen  Wärme  mit  der  Temperatur,  welche  eine  Mit- 
theilung unseres  CoUegen  Carl  Linde  über  die  Veränderlichkeit 
der  spezifischen  Wärme  der  Gase  veranlasste,  die  Sohncke 
nicht  mehr  erlebte. 

In  eine  vierte  Gruppe  endlich  gehören  seine  vorher  er- 
wähnten werthvollen  Studien  auf  dem  Gebiete  der  Meteorologie, 
welche  er  bis  in  die  letzte  Zeit  seines  Lebens  fortsetzte.  Es 
handelte  sich  dabei  vorzĂĽglich  um  die  elektrischen  Erschei- 
nungen der  Atmosphäre,  über  welche  er  seine  Ansichten  in 
einem  Schriftchen:  „der  Ursprung  der  Gewitter-Elektrizität  und 
der  gewöhnlichen  Elektrizität  der  Atmosphäre,  eine  meteoro- 
logisch-physikalische Untersuchung**  zusammenfasste;  er  schuf 
dadurch  eine  Theorie  der  atmosphärischen  Elektrizität,  welche 
unter  den  zahlreichen  in  diesem  schwierigen  und  räthselvollen 
Gebiete  bisher  aufgestellten  Theorien  zur  Zeit  von  sehr  vielen 
Fachleuten  als  die  den  thatsächlichen  Verhältnissen  am  meisten 
entsprechende  anerkannt  werden  dĂĽrfte  und  welche  jedenfalls 
das  Verdienst  hat,  der  Forschung  eine  bestimmte  Richtung 
gegeben  zu  haben.  Er  erblickt  die  Ursache  der  Gewitter- 
elektrizität in  der  Reibung  der  im  aufsteigenden  Luftstrom 
empor  gefĂĽhrten  Wassertheilchen  der  Cumulus-Wolken  an  den 
Eisnadeln,  aus  welchen  die  hochschwebenden  Cirrus- Wolken 
bestehen.  Dem  Ausbruch  des  Gewitters  geht  nämlich  regel- 
mässig eine  Erhitzung  der  unteren  Schichten  der  Atmosphäre, 
verbunden  mit  einer  starken  Abnahme  der  Lufttemperatur  nach 
Oben,  voraus,  so  dass  schon  in  geringer  Höhe  der  Gefrier- 
punkt erreicht,  ja  unterschritten  wird.  Die  Folgen  davon  sind 
Ueber-  und  Nebeneinanderlagerung  von  Wasser-  und  Eiswolken 
und  deren  tumultuarische  Mischung  durch  die  plötzlich  auf- 
steigenden Luftströme,  zu  deren  Entstehung  die  Wärmeschich- 
tung der  Atmosphäre  den  Anlass  gibt.  Die  Reibung  zwischen 
den  Nebeltröpfchen  der  Wa«serwolken  und  den  Eisnadeln  der 
Eiswolken   ist  dann   die  Quelle   der  Gewitterelektrizität,     Dass 


448  Oeffentliche  SUzwig  vom  15,  März  1898. 

Eis  durch  Wasserreibung  positiv  elektrisch  wird,  hat  bereits 
Faraday  durch  von  Sohncke  wiederholte  Laboratoriumsver- 
suche beobachtet.  Die  Fahrten  des  auf  seinen  Antrag  mit 
UnterstĂĽtzung  unserer  Akademie  gebauten  Luftballons  ,,  Aka- 
demie* des  hiesigen  Vereins  fĂĽr  Luftschi flffahrt  haben,  ausser 
mannigfachen  anderen  Bereicherungen  unseres  Wissens  von 
der  Atmosphäre,  seiqe  Ansichten  über  Gewitterelektrizität 
gestĂĽtzt. 

Gerne  lieh  er  seine  Kenntnisse  und  seine  Thatkraft  Be- 
strebungen ,  die  er  fĂĽr  nĂĽtzlich  hielt.  Er  war  erster  Vor- 
sitzender und  die  Seele  des  genannten  Vereins  fĂĽr  LuftschiflF- 
fahrt;  auch  betheiligte  er  sich  lebhaft  an  den  Aufgaben  des 
hiesigen  Zweigvereins  der  Deutschen  meteorologischen  Gesell- 
schaft. Sehr  tkiitig  war  er  in  dem  Verein  fĂĽr  Schulreform, 
welcher  die  Idee  der  Einheitsschule,  des  Reformgymnasiums 
mit  gemeinsamem  Unterbau,  verficht.  Er  verstand  es  auch,  in 
seltener  Weise  die  Resultate  der  wissenschaftlichen  Forschung 
weiteren  gebildeten  Kreisen  durch  gemeinverständliche  Vorträge 
aus  dem  Gebiete  der  Physik  zugänglich  zu  machen ;  neun  dieser 
Vorträge  sind,  in  einem  Hefte  gesammelt,  veröffentlicht  worden ; 
äusserst  anziehend  ist  sein  in  dem  bayerischen  Industrie-  und 
Gewerbeblatt  erschienener  Vortrag:  „aus  der  Molekülarwelt * 
geschrieben.  Endlich  muss  auch  des  von  ihm  gestifteten,  un- 
gemein anregenden  Colloquiums  gedacht  werden,  an  welchem 
alle  hiesigen  Physiker  von  Fach  sowie  die  sich  fĂĽr  die  Physik 
interessirenden  Gelehrten  anderer  Fächer  theilnahmen  und  wobei 
abwechselnd  Originalmittheilungen  gemacht  oder  zusammen- 
hängende Referate  erstattet  wurden,  woran  sich  dann  ein- 
gehende Besprechungen  anknĂĽpften. 

So  stellt  sich  uns  Sohncke  als  ein  höchst  feiner  und 
zuverlässiger  Beobachter  der  molekularen  Vorgänge  an  der 
Materie  sowie  als  geistreicher  Interpret  derselben  dar;  mit 
unablässiger  Lust  arbeitete  er  daran,  die  Erscheinungen  der 
Natur  zu  belauschen  und  beizutragen  zu  der  Erkenntniss  des 
Baueis  der  Welt.  Sein  Name  wird  in  der  Wissenschaft  stets 
ehrend  genannt  werden. 


G.  Voit:  Nekrolog  auf  Francesco  Brioschi,  449 

Die,  welche  ihn  näher  kannten,  haben  ihn  als  einen  der 
edelsten,  reinsten  Menschen  von  idealer  Gesinnung  geschätzt 
und  geliebt.  Von  ehrenfestem  und  unbeugsamem  Charakter, 
verbunden  mit  einer  wahrhaft  kindlichen  HerzensgĂĽte,  war  es 
ihm  stets  nur  um  die  Wahrheit  zu  thun.  Er  bildete  sich  in 
scharfer  PrĂĽfung  seine  eigene  Ansicht  und  Ueberzeugung  ĂĽber 
die  Dinge  und  er  wich  so  öfter  von  der  landläufigen  Meinung 
ab;  was  er  aber  fĂĽr  Recht  hielt,  das  vertrat  er  mit  der  ganzen 
Energie  seines  Wesens.  Er  war  eine  demokratisch  angelegte, 
unabhängige  Natur,  welche  die  Menschen  nicht  nach  ihrer 
zufalligen,  äusserlichen  Stellung,  sondern  nach  ihrem  inneren 
Werthe,  der  redlichen  BenĂĽtzung  der  ihnen  verliehenen  Gaben 
und  der  Reinheit  der  Gesinnung  schätzte.  Seine  Collegen  und 
Freunde  werden  seiner  als  leuchtendes  Vorbild  der  Recht- 
schaffenheit dankbarst  gedenken. 

Francesco  Brioschi.^) 

Am  13.  Dezember  1897  ist  zu  Mailand  der  angesehenste 
Mathematiker  Italiens  und  Präsident  der  R.  Accademia  dei 
Lincei,  Francesco  Brioschi,  im  73.  Lebensjahre  gestorben. 
Er  war  der  FĂĽhrer  in  der  mathematischen  Wissenschaft  in 
seinem  Vaterlande  und  er  hat  dieselbe  durch  seine  Arbeiten, 
namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Algebra  und  der  Funktionen- 
theorie, zu  einer  hohen  Stufe  erhoben. 

Geboren  am  22.  Dezember  1824  in  Mailand,  studirte  er 
an  der  Universität  zu  Pavia,  wo  er  sigh  alsbald  mit  Vorliebe 
der  Mathematik  zuwandte.  Er  erwarb  sich,  vor  Allem  durch 
das  Studium  der  grossen  französischen  Mathematiker,  ein  um- 
fangreiches Wissen  auf  allen  mathematischen  Gebieten,  wodurch 
er  später  in  den  Stand  gesetzt  war,  mit  seltener  Ausdauer  und 
Vielseitigkeit^  in  die  wichtigsten  Theile  der  mathematischen 
Forschung  einzugreifen. 

^)  Mit  BenĂĽtzunpf  des  Nekrologs  von  M.  Noether  in  Erlangen,  in 
den  mathematischen  Anualen  1898,  S.  477. 


450  OeffenÜiche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Nach  seiner  Lemzeit  war  er  zuerst  während  9  Jaliren  an 
der  Universität  Pavia  als  Professor  der  angewandten  Mathe- 
matik thätig.  Aber  sein  lebhafter,  auf  das  Allgemeine  ge- 
richteter Geist  suchte  ausser  seiner  Fachwissenschaft  eine 
weitere  Wirksamkeit  in  der  Hebung  des  Unterrichtswesens  und 
der  Förderung  der  Wissenschaften  in  Italien.  So  gründete 
und  organisirte  er  im  Auftrage  der  Regierung  das  Mailänder 
Istituto  Teenico  Superiore,  an  dem  er  bis  zu  seinem  Lebens- 
ende die  Professur  fĂĽr  Hydraulik  inne  hatte  und  das  er  als 
Direktor  in  wissenschaftlicher  und  praktischer  Beziehung  zu 
einer  Musteranstalt  erhob.  Nach  der  Einigung  seines  Vater- 
landes war  er  Senator  des  Königreichs  und  übte  als  solcher 
einen  ungemein  nĂĽtzlichen  Einfluss  auf  den  verschiedensten 
Gebieten  des  Staates  aus:  er  betheiligte  sich  eifrig  bei  allerlei 
praktischen  Bestrebungen,  förderte  das  Eisenbahnwesen,  liefei*te 
eine  umfangieiche  Arbeit  ĂĽber  die  Tiber ĂĽberschwemnmngen, 
war  als  Mitglied  des  Schulrathes  im  Unterrichtsministerium  fĂĽr 
die  Schulen  thätig,  besonders  aber  erwarb  er  sich  als  Präsident 
der  K.  Accademia  dei  Lincei  um  dieses  Institut  und  um  alle 
Wissenschaften  in  Italien  die  grössten  Verdienste.  So  ver- 
dankt man  ihm  zum  Beispiel  die  grossartig  angelegte  Publi- 
kation des  Codice  Atlantico  des  in  den  KĂĽnsten  sowie  in  der 
Technik  und  Jils  Schriftsteller  in  Mathematik  und  Physik  her- 
vorragenden Lionardo  da  Vinci,  welches  Unternehmen  fĂĽr  die 
Naturwissenschaften,  die  Mathematik  und  die  Technik  von  hoher 
Bedeutung  zu  werden  verspricht;  durch  die  Uebernahme  und 
Leitung  der  von  Tortolini  gegrĂĽndeten  Annali  di  Matematica 
gab  er  der  italienischen  mathematischen  Forschung  ein  ange- 
sehenes, auf  die  Entwicklung  der  mathematischen  Studien  in 
Italien  einflussreiches  Organ,  und  er  erzog  eine  den  «inderen 
Ländern  ebenbürtige  mathematische  Schule,  welcher  Männer 
wie  Beltrami,  Casorati   und  Cremona  angehören.  . 

Bei  seinen  ersten  mathematischen  Veröffentlichungen  war 
Brioschi  vorzĂĽglich  noch  bestrebt,  der  italienischen  Wissen- 
schaft die  Fortschritte  in  der  Mathematik  und  die  sie  be- 
wegenden Ideen  zugänglich  zu  machen.     Aber  daraus  entfaltete 


C,  VoU:  Nekrolog  auf  Francesco  Brioschi.  451 

sich  allmählich  seine  eigenartige  Thätigkeit  als  Forscher,  der 
die  in  der  Mathematik  aufkeimenden  Gedanken  Anderer  rasch 
erfasste,  durch  klare  Aufdeckung  ihres  Wesens  zugänglich 
machte  und  dadurch  zu  deren  weiterer  Entwicklung,  nament- 
lich durch  sein  Bestreben,  die  Rechnungen  und  die  Formeln 
möglichst  zu  vereinfachen,  ganz  wesentlich  beitrug. 

Anfangs  bewegten  sich  seine  Arbeiten  auf  verschiedenen 
analytischen  Gebieten.  Dann  beschäftigte  er  sich  mit  den 
Methoden  der  Determinanten-  und  Invarianten-Theorie,  deren 
er  sich  in  vollendeter  Weise  zur  Lösung  von  allerlei  Problemen 
bediente;  es  war  hauptsächlich  die  Frage  nach  gewissen  Dif- 
ferentialgleichungen für  die  Invarianten  zunächst  binärer,  dann 
«allgemeiner  Formen,  im  Anschluss  an  die  grundlegenden  Unter- 
suchungen von  Cayley,  Sylvester  und  Hermite  ĂĽber  die  alge- 
braische Formentheorie,  zu  deren  Entwicklung  er  durch  sein 
analytisches  Talent  beitrug;  auch  verdankt  man  ihm  auf  diesem 
Gebiete  wichtige  Erweiterungen  der  Hemiite'schen  Theorie  der 
associirten  Formen,  welche  Methode  Brioschi  auch  späterhin 
noch  häufig  benützte. 

Darnach  folgten  seine  Arbeiten  ĂĽber  die  Theorie  der 
Gleichungen  fĂĽnften  Grades  im  Zusammenhang  mit  der  Trans- 
formationstheorie der  elliptischen  Funktionen,  ferner  die  Theorie 
der  allgemeinen  linearen  Differentialgleichungen  und  endlich 
die  Theorie  der  hyperelliptischen  Funktionen.  In  allen  diesen 
Arbeiten  machte  er  Anwendung  von  der  Theorie  der  alge- 
braischen Formen.  Sie  gipfelten  in  seiner  höchsten  Leistung  auf 
diesem  Gebiete,  in  seinen  Beiträgen  zur  Theorie  der  Gleichungen 
fĂĽnften  Grades  und  zur  Theorie  der  Jakobi\schen  Gleichungen. 

Als  letzte  Frucht  seiner  Arbeiten  ĂĽber  die  Theorie  der 
hyperelliptischen  Funktionen  erwuchs,  auf  Grund  der  epoche- 
machenden Noten  von  Hermite  und  Kronecker  ĂĽber  die  Auf- 
lösung der  Gleichung  sechsten  Grades,  seine  Betheiligung  an 
der  Behandlung  einer  neuen  Lösung  der  Gleichung  sechsten 
Grades  mittelst  hyperelliptischer  Funktionen. 

Den  Arbeiten  Brioschi 's  ist,  neben  der  Sicherheit  des 
Eindringens   in    den  Kern    der  Frage,    die  Eleganz   der  Dar- 


452  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Stellung  in  besonderem  Maasse  eigen,  wie  sie  nur  die  voll- 
ständige Beherrschung  des  analytischen  und  hier  insbesondere 
des  algebraischen  Apparates  erreichen  lässt. 

Es  wird  ihm  der  bleibende  Dank  fiir  sein  nĂĽtzliches 
Lebenswerk  in  seinem  Vaterlande  und  ĂĽberall,  wo  die  mathe- 
matische Forschung  betrieben  wird,  gezollt  werden. 

Earl  Remigius  Fresenius.^) 

Am  11.  Juni  1897  ist  in  Wiesbaden  der  geheime  Hofrath 
Karl  Remigius  Fresenius  gestorben,  der  sich  namentlich  um 
die  Ausbildung  der  analytischen  Chemie  der  anorganischen  Ver- 
bindungen grosse  Verdienste  erworben  hat. 

Am  28.  Dezember  1818  zu  Frankfurt  a.  M.  geboren,  er- 
hielt er  den  ersten  Unterricht  in  der  Musterschule  zu  Frank- 
furt, dann  im  Bender'schen  Institut  zu  Weinheim  an  der  Berg- 
strasse und  am  Gymnasium  in  Frankfurt.  Er  widmete  sich 
anfanglich  der  Pharmazie,  indem  er  in  die  Stein'sche  Apotheke 
in  Frankfurt  als  Lehrling  eintrat;  gleichzeitig  besuchte  er 
au  dem  so  wohlthätig  wirkenden  Senckenberg'schen  Institut 
chemische  und  physikalische  Vorlesungen.  Damals  machte  er 
schon  seine  ersten  analytisch-chemischen  Versuche  in  einem 
kleinen  in  dem  Gartenhause  des  väterlichen  Anwesens  errich- 
teten Laboratorium.  Dann  ging  er  auf  ein  Jahr  an  die  Uni- 
versität Bonn,  woselbst  er  neben  der  Pharmazie  mit  grössteni 
Eifer  auch  Naturwissenschaften  studirte;  zu  dieser  Zeit  mu.sste 
er  bereits  viele  Erfahrungen  in  der  analytischen  Chemie  ge- 
sammelt haben,  denn  er  schrieb  dorten  zu  seiner  Uebung  die 
Anleitung  zur  qualitativen  chemischen  Analyse,  welche  später 
auf  den  Rath  seines  Lehrers  Marquart,  in  dessen  Privatlabo- 
ratorium er  arbeitete,  im  Druck  erschien.  Dadurch  reifte  in 
ihm    der  Entschluss,    sich   ganz   der  Chemie    zu    widmen.     Du 


*)  Mit  BenĂĽtzung  der  Nekrologe  in  den  Berichten  der  Deutschen 
ehem.  (icsellschaft  1897,  Nr.  11,  und  in  der  Zeitschrift  fĂĽr  analytische 
Chemie   1^97,  Jahrgang  30,  Heft  12. 


C.  VoU:  Nekrolog  auf  Karl  Remiffius  fVesefiius.  453 

war  es  »elbstverständlich ,  dass  er  nach  Giessen  wanderte, 
wo  unter  Liebig's  genialer  Leitung  von  den  talentvollsten 
iungen  Chemikern  mit  wahrem  Bienenfleiss  gearbeitet  wurde. 
Fresenius  nahm  alsbald  den  regsten  Antheil  an  den  Arbeiten 
des  Laboratoriums,  er  wurde  zuerst  Privatassistent  Liebig's  und 
dann  staatlicher  Unterrichtsassistent.  Zu  vielen  der  damaligen 
Schüler  trat  er  in  nähere  Beziehungen  und  in  engere  Freund- 
schaft. In  Giessen  erhielt  Fresenius  seine  letzte  Ausbildung 
in  der  analytischen  Chemie  und  die  Richtung  auf  die  Anwendung 
der  Chemie  in  Landwirthschaft  und  Technik. 

Nachdem  er  den  Doktorgrad  erworben  hatte,  habilitirte 
er  sich  als  Privatdozent  an  der  Universität.  Bald  jedoch  er- 
hielt er  einen  Ruf  als  Professor  der  Chemie,  Physik  und  Tech- 
nologie an  dem  landwirthschaftlichen  Listitut  zu  Hof-Geisberg 
bei  Wiesbaden.  In  dem  Wunsche,  SchĂĽler  in  der  Chemie  aus- 
bilden zu  können,  gründete  er  daselbst  ein  eigenes  chemisches 
Laboratorium,  das  mit  der  Zeit  grosse  Erweiterungen  erfuhr 
und  dessen  Direktor  und  viel  gesuchter  begeisternder  Lehrer 
er  sein  ganzes  ferneres  Leben  ĂĽber  blieb. 

Aus  diesem  nun  fast  ein  halbes  Jahrhundert  bestehenden 
Laboratorium  sind  viele  Arbeiten  von  ihm  und  seinen  SchĂĽlern 
hervorgegangen.  Es  ist  namentlich  auch  eine  Lehrstätte  für 
die  wissenschaftlichen  chemischen  BedĂĽrfnisse  der  Landwirth- 
schaft und  der  Industrie  geworden,  und  die  daraus  hervor- 
gegangenen SchĂĽler  haben  sich  sowohl  im  Lehramt  der  Chemie 
als  auch  insbesondere  in  der  Praxis  derselben  hervorgethan. 
Es  war  in  der  Anstalt  fĂĽr  alle  Anwendungen  der  Chemie  Sorge 
getragen:  fĂĽr  Ausbildung  und  Untersuchungen  in  der  Agri- 
kulturchemie, in  der  Chemie  der  Nahrungsmittel,  besonders 
der  der  Weine,  der  Obstarten  etc.,  in  der  Pharmazie,  im  Berg- 
bau, und  auch  in  der  Hygiene  und  Bakteriologie. 

Im  ersten  Semester  in  Giessen  erschien  die  schöne  Unter- 
suchung von  Fresenius  ĂĽber  die  traubensauren  Salze;  in 
Giessen  ermittelte  er  ferner  ein  neues,  viel  angewandtes  Ver- 
fahren zur  Unterscheidung  und  Trennung  des  Arsens  von 
Antimon  durch   die   mit   dem  Marsh'schen  Apparat  erhaltenen 


454  OeffetUliche  Sitzung  vom  15.  März  1898, 

Metallspiegel.  Die  in  Gemeinschaft  mit  Will  ausgearbeiteten 
neuen  Versuchsweisen  zur  PrĂĽfung  der  Pottasche  und  Soda, 
der  Aschen,  der  Säuren  und  des  Braunsteins  haben  in  der 
Technik  allgemeine  Anwendung  gefunden;  mit  Haidien  ver- 
öffentlichte er  eine  Abhandlung  über  die  Anwendung  des  Cyan- 
kaliums  in  der  chemischen  Analyse,  mit  Babo  ĂĽber  ein  neues 
Verfahren  zur  Ausmittelung  und  quantitativen  Bestimnmng  des 
Arsens  bei  Vergiffcungsfällen  und  mit  Will  über  die  unorga- 
nischen Bestandtheile  der  Pflanzen.  Weiter  rĂĽhren  von  ihm 
viele  sorgfaltige  Analysen  von  Mineralwässern,  namentlich  aus 
dem  Herzogthum  Nassau,  her,  ebenso  Untersuchungen  der  nas- 
sauischen Thone  und  der  wichtigsten  nassauischen  Kalksteine. 

Von  Nutzen  war  sein  Lehrbuch  der  Chemie  fĂĽr  Land- 
wirthe,  Forstmänner  und  Kameralisten.  Besonders  aber  muss 
hervorgehoben  werden  sein  zweibändiges  Werk:  »Anleitung 
der  qualitativen  und  quantitativen  chemischen  Analyse",  von 
dem  die  erstere  in  16,  die  letztere  in  6  Auflagen  erschienen 
und  in  fast  alle  lebenden  Sprachen  ĂĽbersetzt  worden  ist.  Nach 
dem  veralteten  Handbuch  der  analjrtischen  Chemie  von  Rose 
war  das  Werk  von  Fresenius  dasjenige,  nach  dem  die  Che- 
miker analytisch  arbeiteten;  es  erhielt  einen  besonderen  Werth 
dadurch,  dass  er  und  seine  SchĂĽler  die  Methoden  selbst  ge- 
prüft hatten.  Später  hat  er  dann  die  Zeitschrift  für  analy- 
tische Chemie  gegründet,  welche  jetzt  36  Jahrgänge  umfasst 
und  in  der  alle  Fortschritte  dieses  Zweiges  der  Chemie  seit 
dieser  Zeit  verzeichnet  sind. 

Der  Name  von  Fresenius  war  dadurch  allen  Chemikern 
bekannt  und  seine  Verdienste  allgemein  anerkannt.  In  der 
Ueberzeugung,  dass  die  verbesserten  analytischen  Methoden 
zum  Fortschritte  der  Chemie  nothwendig  sind,  hat  er  durch 
seine  Arbeiten  die  Entwicklung  der  Chemie  gefördert. 

Viel  Gutes  hat  er  auch  gewirkt  durch  sein  lebhaftes 
Interesse  fĂĽr  diejenigen  Theile  der  Technik  und  der  Industrie, 
auf  welche  die  Chemie  von  Einfluss  ist,  sowie  durch  seine 
Antheilnahme  an  gemeinnützigen  Bestrebungen  und  am  öffent- 
lichen Leben. 


C.  Vait:  Nekrolog  auf  Victor  Meyer,  455 

Victor  Meyer.  ^) 

Durch  den  am  8.  August  1897  erfolgten  frĂĽhzeitigen  und 
plötzlichen  Tod  des  Chemikers  Victor  Meyer  in  Heidelberg 
hat  die  Wissenschaft  einen  Gelehrten  verloren,  welchen  seine 
Fachgenossen  als  einen  der  talentvollsten  und  hervorragendsten 
Forscher  betrachteten,  von  dem  man  noch  die  grössten  Leistungen 
erwarten  durfte.  Auf  mehreren  Gebieten  der  jetzt  so  weit 
verzweigten  Chemie  hat  er  zahlreiche,  neue  Gesichtspunkte 
eröffnende  Arbeiten  gemacht,  durch  welche  er  ganz  wesentlich 
seit  dem  Ende  der  sechziger  Jahre  zu  den  Fortschritten  dieser 
Wissenschaft  beigetragen  hat. 

Victor  Meyer  wurde  am  8.  September  1848  zu  Berlin 
geboren,  woselbst  sein  Vater  eine  ansehnliche  Kattundruckerei 
besass.  Er  erhielt  zuerst  Privatunterricht  und  besuchte  dann 
das  Friedrich- Werder'sche  Gymnasium  seiner  Vaterstadt.  Er 
zeigte  zu  dieser  Zeit  zwar  ein  Interesse  fĂĽr  die  Naturwissen- 
schaften, aber  als  er  das  Maturitätsexamen  gemacht  hatte,  war 
er  noch  nicht  entschlossen,  welchem  Studium  er  sich  besonders 
widmen  wollte.  Erst  nach  einem  Besuch  in  Heidelberg,  wo 
damals  Bunsen,  Kirchhoff  und  Helmholtz  wirkten,  entschied 
er  sich  fĂĽr  die  Chemie  und  die  akademische  Laufbahn. 

An  der  Universität  in  Berlin  hörte  er  noch  eine  chemische 
Vorlesung  bei  A.  W.  Hofrnann,  dann  begab  er  sich  nach  Heidel- 
berg, wo  er  bei  dem  Altmeister  Bunsen,  der  bald  den  Werth 
des  jungen  Mannes  erkannte,  zu  arbeiten  begann.  Er  erwarb 
sich  daselbst,  noch  nicht  19  Jahre  alt,  den  Doktorgrad  und 
wurde  hierauf  Assistent  fĂĽr  Mineralwasser- Analyse  am  Labo- 
ratorium Bunsen's.  Der  Drang,  sich  in  der  organischen  Chemie 
auszubilden,  fĂĽhrte  ihn  in  die  Gewerbeakademie  zu  Berlin,  an 
der  damals  Ad.  Baeyer  durch  seine  glänzenden  Arbeiten  die 
Augen  der  Chemiker  auf  sich  zog.    In  dieser  Schule  entwickelte 


*)  Mit  BenĂĽtzung  der  Nekrologe  von  Liebermann  in  den  Berichten 
der  Deutschen  chemischen  Gesellschaft  1897,  Bd.  2,  S.  2157;  dann  in  der 
Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1897,  24.  August,  Nr.  189;  und  in 
Leopoldina  1897,  Nr.  8,  S.  118. 


456  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

er  sich  rasch;  der  Umgang  niit  einer  Anzahl  talentvoller  junger 
Forscher,  der  Einfluss  des  geistreichen  A.  W.  Hofmann  und 
der  neu  begrĂĽndeten  chemischen  Gesellschaft  brachten  viel- 
fache Anregung. 

Nach  drei  Lemjahren  habilitirte  er  sich  als  Privatdozent 
an  der  Universität.  Und  nun  begann  eine  Laufbahn,  wie  sie 
glänzender  und  ehrenvoller  kaum  gedacht  werden  kann. 

Der  alternde  Fehling  in  Stuttgart  suchte  eine  Hilfskraft 
fĂĽr  den  Unterricht  im  Laboratorium  und  fĂĽr  die  Vorlesung 
ĂĽber  organische  Chemie;  Baeyer  empfahl  Meyer  so  angelegent- 
lich, dass  er  die  Stelle  eines  Assistenten  und  Titularprofessors 
am  Polytechnikum  in  Stuttgart  erhielt.  In  dieser  Zeit  vollendete 
er  mehrere  bedeutende  Arbeiten,  die  seinen  Ruf  als  aufstrebende 
Kraft  begrĂĽndeten.  Als  Wislicenus  dem  Rufe  nach  WĂĽrzburg 
folgte,  besuchte  der  bekannte  schweizerische  Schulrath  Kappeier 
eine  Vorlesung  von  Meyer  und  fand  alsbald  an  dem  klaren 
Vortrag  des  jungen  noch  nicht  24jährigen  Mannes  solches 
Gefallen,  dass  er  ihm  ohne  Bedenken  die  ordentliche  Professur 
der  Chemie  und  das  Direktorium  des  chemischen  Laboratoriums 
am  Polytechnikum  zu  Zürich  antrug.  Nach  12  jährigem  ausser- 
ordentlich glĂĽcklichem  und  fruchtbarem  Wirken  in  ZĂĽrich  kam 
er  für  4  Jahre  nach  Göttingen,  von  wo  es  der  Heidelberger 
Universität  gelang,  den  berühmten  Forscher  als  Nachfolger 
Bunsen's  zu  gewinnen.  An  allen  diesen  Orten  hat  er  muster- 
hafte Laboratorien  eingerichtet  und  grosse  Schulen  der  Chemie 
geleitet. 

Wenn  wir  einen  Ueberblick  ĂĽber  die  wissenschaftliche 
Thätigkeit  Meyer 's  werfen,  so  ist  vor  Allem  hervorzuheben, 
dass  diese  nur  ermöglicht  war  durch  sein  umfassendes  Wissen 
in  der  Chemie,  sein  rastloses  Schaffen,  seine  eiserne  Thatkrafk, 
sein  experimentelles  Geschick  und  sein  erfinderisches  Talent. 
Mit  zäher  Ausdauer,  manchmal  viele  Jahre  hindurch,  verfolgte 
er  eine  Aufgabe,  bis  ihm  endlich  die  Lösung  derselben  gelang. 

Er  fing  seine  Karriere  mit  einigen  kleineren  Arbeiten  an, 
welche  ĂĽber  die  Constitution  des  Chloralhydrats  Und  des  Cam- 
phei*s    handelten.     Dann   kam    bald    eine    grössere    in  Liebig's 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Victor  Meyer.  457 

Annalen  veröffentlichte  Untersuchung  über  die  Stellungsfrage 
isomerer  Benzolderivate,  welche  fĂĽr  die  Theorie  der  Benzol- 
verbindungen von  Einfluss  geworden  ist  und  schon  die  ganze 
Art  und  Bedeutung  des  Autors  erkennen  lässt.  Er  zeigte  darin 
z.  B.  die  Ueberführung  der  Sulfosäuren  in  Carbonsäuren,  ebenso 
des  Dibrombenzols  in  Terephtalsäure,  und  die  richtige  Stellung 
der  Sulfo-,  Brom-  und  Oxy-Benzoesäure. 

Noch  in  Stuttgart  entdeckte  er  die  den  Salpetrigsäureestern 
isomeren  Nitroäthane,  d.  i.  die  Mononitroderivate  der  Kohlen- 
wasserstoffe der  Fettreihe,  an  denen  er  merkwĂĽrdige  Reaktionen 
nachwies.  In  ZĂĽrich  setzte  er  diese  ungemein  schwierigen  und 
auch  gefährlichen  Untersuchungen  eifrig  fort;  dieselben  haben 
eine  grosse  Ausdehnung  angenommen  und  gehören  zu  den 
fruchtbarsten  der  Experimentalchemie.  Den  Nitrokörpern  reihen 
sich  die  Nitrosokörper  und  die  den  letzteren  isomeren  Isonitroso- 
körper  an.  Dabei  zeigte  es  sich,  dass  eine  grosse  Anzahl  von 
Nitrosoverbindungen  eine  andere  Constitution  besitzen,  als  man 
allgemein  angenommen  hatte,  und  djiss  sich  diese  nicht  nur 
durch  die  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf  Wasserstoff- 
verbindungen,  sondern  noch  viel  leichter  durch  die  Reaktion 
von  Hydroxylamin  auf  sauerstoffhaltige  Körper,  z.  B.  auf  Ketone 
und  Aldehyde  darstellen  lassen,  wo])ei  die  wichtigen  Ketoxime 
und  die  Aldoxime  entstehen,  welche  später  die  Grundlage  für 
die  Lehre  von  der  räumlichen  Lagerung  der  Volenzen  des 
Stickstoff- Atoms  geliefert  haben.  Aus  dem  Nitroäthan  und 
dessen  Homologen  entwickelte  er  die  Nitrolsäuren,  die  Pseudo- 
nitrole   und   die    gemischt   aromatisch-fetten   Azo Verbindungen. 

Darauf  folgte  eine  fast  noch  glänzendere  Entdeckung, 
nämlich  die  des  Thiophens.  Er  hatte  bemerkt,  dass  das  aus 
Steinkohlentheer  dargestellte  Benzol  bei  gewissen  Reaktionen 
anders  sich  verhält  als  dtis  aus  Benzoesäure;  bei  weiterer  Ver- 
folgung der  Sache  stellte  er  aus  dem  schon  so  vielfach  unter- 
suchten Steinkohlentheer  einen  Körper  dar,  durch  den  sich  ein 
weites  neues  Gebiet,  das  der  Thiophengruppe,  der  organischen 
Chemie  erschloss.  Es  gelang  ihm  daraus  einen  ganz  ĂĽber- 
sehenen, merkwĂĽrdigen,  schwefelhaltigen  Stoff*,  der  dem  Benzol 


458  Oe/fenÜiche  Süeung  vom  15.  Märe  1898. 

glich  und  den  er  wegen  des  Schwefelgehaltes  Thiophen  nannte, 
zu  isoliren.  Seine  weiteren  Arbeiten  ergaben  die  Constitutions- 
beziehungen  des  Thiophens  zu  dem  Benzol,  viele  Abkömmlinge, 
Homologen,  Substitutions-Produkte  und  Isomeren  desselben, 
welche  er  mit  den  entsprechenden  Benzolderivaten  verglich. 

Er  ging  nun  zu  fĂĽr  die  Chemie  wichtigen  physikalischen 
Problemen  ĂĽber. 

Die  gewöhnlich  geübte  Methode  der  Bestimmung  der  Dampf- 
drähte von  A.  W.  Hofinann  versagte  wegen  der  Spannung  des 
Quecksilberdampfes  bei  einer  Temperatur  von  über  310®;  es 
war  aber  nothwendig,  bei  wesentlich  höherer  Temperatur  die 
Bestimmung  auszufĂĽhren.  Nach  Meyer's  Methode  wird  be- 
kanntlich eine  gewogene  Menge  der  zu  untersuchenden  Sub- 
stanz in  einem  geschlossenen  Räume  verdampft  und  das  durch 
den  Dampf  verdrängte  gleiche  Luftvolum  gemessen.  Indem 
er  das  Verfahren  durch  Erfinden  neuer  Apparate  und  Oefen 
immer  mehr  verbesserte,  kam  er  zu  höheren  Temperaturen,  zu- 
letzt durch  Anwendung  von  Platingefässen  zu  solchen  von 
1800°  und  noch  in  der  letzten  Zeit  hatte  er  Aussicht,  Gefasse. 
zu  bekommen,  welche  bis  zu  4000°  aushalten.  Er  hat  durch 
diese  jetzt  allgemein  gebräuchliche  Methode  die  Pyrochemie 
ganz  ungemein  gefördert. 

Durch  die  Anwendung  seiner  Methode  auf  die  Gruppe  der 
halogenen  Elemente,  welche  mit  den  Metallen  salzartige  Ver- 
bindungen bilden,  auf  Chlor,  Brom,  Jod  und  Fluor,  gelang  ihm 
durch  die  hohen  Temperaturen  die  Spaltung  oder  Dissociation 
der  HalogenmolekĂĽle  in  ihre  Atome.  Indem  er  bei  den  ver- 
schiedensten GlĂĽhtemperaturen  Versuche  ĂĽber  die  MolekĂĽlar- 
verhältnisse  des  SauerstofiPs,  des  Stickstofis,  des  Schwefels,  des 
Stickstoflbxyds,  der  Kohlensäure,  der  schwefligen  Säure,  der 
Salzsäure,  des  Zinks,  des  Quecksilbers,  des  Schwefelquecksilbers, 
der  Metallchloride  und  Bromide,  sowie  auch  der  Siede-  und 
Schmelzpunkte  anorganischer  Salze  anstellte,  brachte  er  die 
wichtigsten  AufschlĂĽsse  ĂĽber  die  MolekĂĽlarge  wich  te  der  Elemente 
und  ihrer  Verbindungen.  Ja  er  gab  sich  der  Hoffnung  hin, 
da   die   Gase   des  Quecksilbers,   des  Cadmiums,   des   Zinks   und 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Victor  Meyer.  459 

des  Jods  nur  aus  einem  Atom  bestehen,  durch  den  Versuch 
entscheiden  zu  können,  ob  wir  mit  diesen  Atomen  schon  bis 
zu  der  letzten  möglichen  Zertheilung  der  Materie  angelangt 
sind  oder  sie  in  noch  einfachere  Stoffe  zerlegen  können. 

Zu  den  chemisch -physikalischen  Arbeiten  Meyer 's  ge- 
hören auch  die  über  den  zeitlichen  Verlauf  der  Reaktion  von 
Gasen  wie  des  Jodwasserstoffs,  des  Knallgases  etc. 

In  Heidelberg  glĂĽckte  ihm  die  Darstellung  der  ersten 
Jodoso-  und  Jodoverbindung ,  sowie  der  Jodoniumbasen ,  in 
welchen  das  Jod  die  Rolle  des  Stickstoffs  in  den  Ammonium- 
basen spielt.  Seine  letzte  Arbeit  war  die  ĂĽber  die  diortho- 
substituirten  Benzoe-Säuren,  wobei  sich  viele  Aufschlüsse  über 
die  Stereochemie,  sowie  das  sogenannte  Esterificirungs-Gesetz 
ergaben. 

Erwähnt  zu  werden  verdient  noch  das  mit  P.  Jacobson 
herausgegebene  grosse  Lehrbuch  der  organischen  Chemie,  ein 
vorzĂĽgliches  Werk,  in  dem  die  Kohlenstoffverbindungen  ein- 
heitlich von  grossen  Gesichtspunkten  aus  dargestellt  sind. 

Meyer  liebte  es  auch,  die  allgemein  wichtigen  Resultate 
der  chemischen  Forschung  fĂĽr  weitere  wissenschaftliche  Kreise 
zusammenzufassen;  so  hielt  er  in  einer  allgemeinen  Sitzung 
der  Naturforscher- Versammlung  zu  Heidelberg  einen  Vortrag 
ĂĽber  die  chemischen  Probleme  der  Gegenwart,  und  zu  LĂĽbeck 
über  Probleme  der  Atomistik.  In  einzelnen  Aufsätzen  suchte 
er  mit  Glück  das  chemische  Wissen  gemeinfasslich  in  schöner 
Sprache  darzustellen ;  auch  hat  er  belletristische  Mittheilungen 
aus  Natur  und  Wissenschaft  nicht  verschmäht. 

Er  war  zugleich  ein  Mann  von  allgemeiner  Bildung,  der 
die  bildenden  Künste,  sowie  die  Musik  und  die  schöne  Literatur 
mit  feinem  Verständniss  erfasste.  Durch  seine  einnehmende 
Persönlichkeit,  sein  liebenswürdiges  Wesen  und  seinen  edlen 
Charakter  hat  er  sich  ĂĽberall  Freunde  erworben. 

In  Folge  der  rastlosen  Arbeit  zeigten  sich  schon  in  ZĂĽrich 
zeitweise  Erscheinungen  der  Ueberanstrengung  und  ErmĂĽdung 
der  Nerven  mit  Schlaflosigkeit,  besonders  gegen  Ende  des 
Semesters,    welche   sich    aber   durch  Erholung    in   den  Ferien 

189S.  Sitzungsb.  d.  math.-pliys.  Gl.  30 


460  Oe/fentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Wieder  hoben.  Dazu  gesellten  sich,  oflfenbar  durch  den  langen 
Aufenthalt  in  dem  öfter  bis  über  50°  warmen  Feuerlaboratorium 
hervorgerufen,  schmerzhafte  Muskelrheumatismen  und  Neuralgien. 
Es  kamen  Stunden  äusserster  Abspannung  und  Depression  und 
in  einem  solchen  Anfalle  übermässigen  Leidens  und  von  Schwäche 
machte  der  erst  49  Jahre  alte  edle  Mann  zum  Bedauern  aller 
Freunde  der  Naturwissenschaft  seinem  Leben  ein  Ende. 


Budolf  Heidenhain.  ^) 

Der  Physiologe  an  der  Universität  Breslau,  Rudolf  Heiden- 
hain, ist  am  13.  Oktober  1897  nach  längerer  Krankheit  im 
64.  Lebensjahre  gestorben.  Er  hat  die  Physiologie  durch  eine 
grosse  Anzahl  von  Thatsachen  von  immer  steigender  Bedeutung 
bereichert  und  dadurch  auf  die  Entwicklung  dieser  Wissen- 
schaft einen  erheblichen  Einfluss  ausgeĂĽbt;  namentlich  hat  er 
durch  seine  meisterhaften  mikroskopischen  Untersuchungen  der 
lebendigen  Drüsenzellen  im  Zustande  der  Ruhe  und  der  Thätig- 
keit  während  der  Sekretion  die  Lehre  von  der  Sekretion  in 
neue  Bahnen  gelenkt. 

Rudolf  Heidenhain  wurde  am  29.  Januar  1834  in  Marien- 
werder in  Westpreussen  geboren,  wo  sein  Vater,  der  Sanitäts- 
rath  Heinrich  Heidenhain,  ein  angesehener  Arzt  war.  Schon 
während  der  Gymnasialjahre  trat  seine  Vorliebe  und  sein  Talent 
fĂĽr  die  Naturwissenschaften  hervor,  anfangs  besonders  fĂĽr  die 
Botanik  und  fĂĽr  die  Physik;  er  sammelte  eifrig  Pflanzen  und 
half  dem  Lehrer  der  Physik  bei  seinen  Experimenten.  Er 
bezog  darnach  die  Universität  Königsberg,  wo  er  zuerst  Natur- 
wissenschaften studirte,  dann  aber  zur  Medizin  ĂĽberging,  von 
der  ihn  bald  die  Physiologie  in  hohem  Maasse  interessirte. 
Nach  zwei  Jahren  verliess  er  Königsberg,  um  nach  Halle  über- 
zusiedeln.    Daselbst  hörte  er  ausser  dem  ungemein  praktischen 


')  Siehe  den  Nekrolog  von  Dr.  F.  Schenk  in  WĂĽrzburg  in  Leo- 
poldina 1898,  Nr.  5,  S.  41,  und  in  der  MĂĽnchener  med.  Wochenschrift 
1897,  Nr.  60. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Rudolf  Heidenhain,  461 

Kliniker  Krukenberg,  dem  ehemaligen  Lehrer  seines  Vaters, 
mit  Vorliebe  die  Vorlesungen  und  Uebungen  des  trefflichen 
Chemikers  H.  W.  Heintz,  der  auch  ein  Lehrbuch  der  Zoo- 
chemie herausgegeben  hat,  und  des  Physiologen  Alfred  Wil- 
helm Volkmann.  In  Berlin  wurde  dann  die  ärztliche  Prüfung 
und  das  Doktorexamen  gemacht,  wozu  er  imter  der  Leitung 
von  Emil  Du  Bois-Reymond  eine  Dissertation  ĂĽber  die  Nerven 
und  Nervencentralorgane  des  Froschherzens  ausgearbeitet  hatte. 
Er  blieb  darnach  noch  1^/»  Jahre  in  Berlin,  um  als  Assistent 
Du  Bois-Reymond's  sich  weiter  in  der  Physiologie  zu  unter- 
richten, und  kehrte  hierauf  nach  Halle  zurĂĽck.  Hier  war  er 
zunächst  Assistent  bei  dem  aus  Giessen  berufenen  Kliniker 
Julius  Vogel,  der  sich  viele  Verdienste  um  die  mikroskopische 
und  chemische  Untersuchung  am  Krankenbette  erworben  hatte; 
später  arbeitete  er,  nachdem  er  sich  entschlossen  hatte,  aus- 
schliesslich sich  der  Physiologie  zu  widmen,  bei  dem  ausge- 
zeichneten Volkmann,  von  welchem  die  ersten  genaueren  Be- 
stimmungen der  Geschwindigkeit  des  strömenden  Blutes  in  den 
Arterien,  Venen  und  Capillaren,  sowie  des  Blutdrucks  bei  ver- 
schiedenen Thieren  herrĂĽhren.  Er  habilitirte  sich  zum  Ab- 
schluss  seiner  Lemjahre  in  Halle  als  Privatdozent  fĂĽr  Phy- 
siologie mit  einer  Untersuchung:  „ disquisitiones  criticae  et 
experimentales  de  sanguinis  quantitate  in  mammalium  corpore 
exstantis",  wobei  er  die  Menge  des  Blutes  bei  verschiedenen 
Säugethieren  nach  der  von  Welcker  kurz  vorher  angegebenen 
colorimetrischen  Methode  bestimmte;  er  zeigte  dabei,  dass  das 
venöse  Blut  stärker  färbt  als  das  arterielle  und  dass  beim  Hunger 
die  relative  Menge  des  Blutes  zum  Körper  sich  nicht  ändert. 
Als  nach  dem  Abgange  von  Purkyne  nach  Prag  die  Pro- 
fessur fĂĽr  Physiologie  in  Breslau  frei  geworden  war,  wurde 
der  erst  26  jährige,  viel  versprechende  jimge  Forscher  als 
ordentlicher  Professor  der  Physiologie  und  Histologie  und  als 
Vorstand  des  ersten  von  Purkyne  gegrĂĽndeten  physiologischen 
Laboratoriums  berufen.  Als  solcher  wirkte  er  bis  an  sein 
Lebensende.  Indem  er  dorten  alsbald  eine  fruchtbare  wissen- 
schaftliche Thätigkeit   entfaltete  und   auch    eine  grössere  An- 

30* 


462  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

zahl  von  SchĂĽlern  ausbildete,  denen  er  durch  seine  Gewissen- 
haftigkeit und  seinen  Eifer  in  der  Arbeit  ein  leuchtendes  Bei- 
spiel war,  hat  er  die  in  ihn  gesetzten  Erwartungen  in  vollstem 
Maasse  erfĂĽllt. 

Die  ersten  grösseren  Untersuchungen  Heidenhain 's   be- 
schäftigten sich   mit  den  Vorgängen   im  Muskel  bei  der  Con- 
traktion,  welche  er  grösstentheils  in  seiner  Schrift:  „mechanische 
Leistung,  Wärmeentwicklung  und  StolFumsatz  bei  der  Muskel- 
thätigkeit**    beschrieb.      Einige   Zeit    vorher   hatte   Helmholtz 
gezeigt,    dass    der    ausgeschnittene,    länger    thätig    gewesene 
Froschmuskel    eine    andere    chemische    Zusammensetzung    der 
FleischbrĂĽhe  besitzt,    als  der  ruhende,   und  daher  die  Muskel- 
contraktion,   wie  es  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Kraft 
verlangt,   mit  einer  Zersetzung  der  Muskelsubstanz   verbunden 
ist;    auch   hatte    er   durch   eine   feine   Methode   bei   der   Con- 
traktion   eine  Erhöhung   der  Temperatur   nachgewiesen.     Von 
diesen    letzteren    Erfahrungen    ging    Heidenhain    bei   seinen 
Versuchen  aus,  indem  er  sich  die  Aufgabe  stellte,  am  Frosch- 
muskel zu  prüfen,  wie  sich  die  Wärmeentwicklxmg  im  thätigen 
Muskel  bei  verschiedener  Arbeitsleistung  gestaltet.     Zur  Mes- 
sung der  Wärme  änderte  er  das  Verfahren  von  Helmholtz  ab, 
indem  er  sich  einer  den  Bewegungen  des  Muskels  genau  fol- 
genden Thermosäule  bediente.    Es  haben  sich  dabei  bemerkens- 
werthe  Resultate  ergeben,  wenn  auch  Manches  in  dieser  Rich- 
tung  noch    unaufgeklärt   blieb.      Er   vermochte    eine  Wärme- 
entwicklung bei   einer  einzelnen  Zuckung  des  Muskels  darzu- 
thun;    mit    der    Hebung    schwererer    Gewichte    oder    mit    der 
Arbeitsleistung  des  Muskels   nahm  auch  die  dabei  entwickelte 
Wärme   zu;    wurde    der   belastete  Muskel   an    der  Contraktion 
durch  Festhalten  seiner  Enden  gehindert,  dann  wuchs  mit  der 
Spannung  ebenfalls  die  Wärmeentwicklung;  entsprechend  diesem 
Verhalten  der  Wärme    verhielt   sich   auch  der  StoflFumsatz    im 
Muskel,  gemessen  durch  die  im  Muskel  während  der  Contraktion 
gebildete  Säuremenge.     Dadurch  war  erkannt  worden,  dass  im 
Muskel  nicht  nur  im  Momente  der  Reizung,  sondern  waihrend 
der   ganzen  VerkĂĽrzung,    entsprechend    der   Spannung,    Stofle 


C,  Voit:  Nel'roJog  auf  Rtidolf  Heidenhain.  463 

zersetzt  werden  und  lebendige  Kraft  entsteht,  und  ferner,  dass, 
wenn  der  Muskel  grössere  Lasten  zu  heben  hat,  dann  auch  in 
Folge  der  grösseren  Spannung  regulatorisch  die  Kraftent- 
wicklung entsprechend  grösser  wird. 

Es  gelang  ihm,  den  Nerven  mechanisch  durch  ein  in 
häufige  Schwingungen  versetztes  Hämmerchen  zu  reizen  und  den 
Muskel  in  Starrkrampf  zu  versetzen;  der  von  ihm  zu  diesem 
Zwecke  construirte  Apparat,  der  Heidenhain'sche  Tetano- 
motor,  ist  in  allen  physiologischen  Laboratorien  eingebĂĽrgert. 

Er  hat  ferner  erwiesen,  dass  die  Muskeln  im  lebenden 
Körper  nicht  stetig  in  einem  geringen  Grade  der  Contraktion, 
in  einem  Tonus,  sich  befinden.  Er  war  weiterhin  an  der  Ent- 
wicklung des  sogenannten  Zuckungsgesetzes  betheiligt;  man 
hatte  frĂĽher  bei  Einwirkung  des  constanten  elektrischen  Stromes 
auf  die  Muskelnerven  die  verschiedensten  Erfolge  erhalten  und 
trotz  der  von  vielen  bedeutenden  Forschem,  wie  Nobili,  Volta, 
Galvani,  Valli,  Marianini,  Pfaff  etc.,  darauf  verwendeten  MĂĽhe, 
die  Ursache  davon  nicht  entdecken  können;  man  kennt  jetzt 
die  Faktoren,  von  denen  der  Erfolg  abhängig  ist,  ganz  genau, 
und  Heidenhain  hat  einen  derselben,  nämlich  die  Stärke  des 
angewendeten  elektrischen  Stromes,  aufgefunden. 

Bei  Reizung  einer  vom  Muskel  entfernten  Nervenstelle  ist 
der  Erfolg  grösser  als  bei  Reizung  einer  dem  Muskel  nahen, 
woraus  man  auf  ein  lawinenartiges  Anschwellen  der  Erregung 
bei  der  Fortleitung  im  Nerven  schloss;  nach  Heidenhain 's 
Ermittlung  handelt  es  sich  aber  hierbei  nur  um  die  erhöhte 
Erregbarkeit  an  der  Schnittstelle  des  Nerven. 

Die  Gallensekretion  beschäftigte  ihn  und  seine  Schüler  zu 
wiederholten  Malen.  Es  wurde  der  Druck  festgestellt,  unter 
welchem  die  Galle  abgesondert  wird,  wobei  sich,  wie  es  schon 
Ludwig  fĂĽr  die  Speichelabsonderung  beobachtet  hatte,  dieser 
Druck  grösser  erwies  als  der  Blutdruck,  so  dass  es  sich  hier 
nicht  um  eine  einfache  Filtration  aus  dem  Blute  handeln  kann. 
Die  Reizung  des  die  Leber  versorgenden  Nervus  vagus  ĂĽbte 
keinen  Einfluss  auf  die  Gallenabsonderung  aus;  auch  änderte 
sich  die  Gallenmenge  nicht,  wenn  nach  Verletzung  einer  Stelle 


464  Oeff entliche  Sitzung  vom  15,  März  1898. 

des  verlängerten  Markes,  bei  dem  sogenannten  Zuckerstich,  in 
Folge  der  Einwirkung  auf  die  Leber  Zucker  im  Harn  auftritt. 

Es  reihten  sich  Untersuchungen  über  die  Körpertemperatur 
an,  wobei  sich  ergab,  dass  das  Gehirn  wärmer  ist  als  selbst 
das  Aortenblut. 

Wichtige  Beiträge  hat  er  zur  Lehre  von  der  Innervation 
des  Herzens  und  der  Blutgefässe  geliefert.  Bei  Reizung  des 
Nervus  vagus  am  Halse  wird  nicht  nur  die  Zahl  der  Herz- 
schläge geringer,  sondern  es  nimmt  auch  die  Stärke  der  Zu- 
sammenziehung des  Herzens  ab  und  die  Erschlaffung  wird 
grösser;  die  beiden  Wirkimgen,  die  geringere  Zahl  der  Herz- 
schläge und  die  geringere  Stärke  der  Contraktion,  sind  unab- 
hängig von  einander,  da  bei  gewissen  Reizungsarten  Schwächung 
ohne  Verlangsamung  erfolgen  kann.  Die  Fasern,  welche  bei 
der  Reizung  den  Stillstand  des  Herzens  in  Erschlaffung  her- 
vorrufen, werden  dem  Nervus  vagus  vom  Nervus  accessorius 
Willisii  beigemischt. 

Er  stellte  mit  Ostroumoff  fest,  dass  die  in  den  peripheren 
Nervenstämmen  verlaufenden,  die  Blutgefässe  verengernden  und 
erweiternden  Nervenfasern  eine  verschiedene  Erregbarkeit  be- 
sitzen, indem  die  letzteren  durch  einzelne  schwache  Induktions- 
schläge, die  ersteren  durch  starke  gereizt  werden.  Von  wei- 
terem Interesse  sind  die  zum  Theil  mit  Grtitzner  angestellten 
Versuche  über  die  sogenannten  Gefössreflexe:  eine  ganz  leichte 
Reizung  der  sensiblen  Nerven  eines  Hautbezirks,  z.  B.  durch 
Streichen  oder  Anblasen,  bewirkt  eine  Erhöhung  des  Blut- 
druckes in  den  Arterien  durch  die  Zusammenziehung  der 
Muskeln  innerer  Gefasse  bei  gleichzeitiger  Erweiterung  der 
äusseren  Haut-  und  Muskelgefasse ;  durch  diese  verschieden 
starke  Innervation  der  inneren  und  äusseren  Gefassmuskeln 
wird  die  Blutvertheilung  und  die  Wärme  im  Körper  regulirt, 
indem  in  Folge  der  Erhöhung  des  Blutdruckes  das  Blut  schneller 
und  reichlicher  durch  die  erweiterten  Hautgefässe  strömt  und 
mehr  Wärme  nach  Aussen  unter  Abnahme  der  Bluttemperatur 
abgegeben  wird. 

Unstreitig  von  der  grössten  Bedeutung  und  dem  grössten 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Eudolf  HeidenJiain,  465 

Umfang  sind  die  Arbeiten  Heidenhain's  ĂĽber  das  Zustande- 
kommen der  Sekretion  der  DrĂĽsen.  Die  Verpflichtung,  neben 
der  Physiologie  auch  die  Histologie  zu  lesen  und  die  mikro- 
skopischen Curse  abzuhalten,  waren  wohl  Veranlassung,  den 
Beziehungen  zwischen  der  feineren  Struktur  und  der  Funktion 
der  Organe  seine  besondere  Aufinerksamkeit  zu  schenken.  Er 
war,  nach  dem  bahnbrechenden  Vorgange  von  Ludwig,  einer 
der  Ersten,  der  die  noch  lebenden  Zellen  während  ihrer  Thätig- 
keit  untersuchte,  während  die  Anatomen  früher  zumeist  nur 
die  todten  Gebilde  besichtigt  hatten  im  Glauben,  dieselben  ver- 
hielten sich  in  ihrer  Form  ebenso  wie  die  lebendigen.  Durch 
die  mikroskopische  Beobachtung  der  lebendigen  DrĂĽsenzellen 
hat  Heidenhain  das  Verständniss  der  so  geheimnissvollen 
Vorgänge  bei  der  Absonderung  des  Sekretes  um  einen  guten 
Schritt  gefördert. 

Bei  den  SpeicheldrĂĽsen  unterscheidet  man  EiweissdrĂĽsen 
mit  einem  dĂĽnnflĂĽssigen  schleimfreien  Sekret,  und  Schleim- 
drüsen mit  einem  zähen  schleimhaltigen  Sekret.  Heidenhain 
zeigte,  dass  die  DrĂĽsenzellen  der  beiden  Formen  verschieden 
gestaltet  sind  und  dass  die  ruhenden  Zellen  ganz  anders  be- 
schafien  sind  wie  die  thätigen,  Sekret  absondernden  Zellen.  — 
Die  Unterkiefer-SpeicheldrĂĽse  wird  nach  Ludwig's  Versuchen 
von  zwei  die  Absonderung  bedingenden  Nerven  versorgt,  die 
Reizung  des  einen  Nerven,  der  Paukensaite  des  Nervus  facialis, 
macht  Absonderung  eines  dĂĽnnflĂĽssigen  Sekretes  unter  Erwei- 
terung der  Blutgefässe  der  Drüse,  die  Reizung  des  anderen 
Nerven,  des  Nervus  sympathicus  dagegen  die  eines  zähen 
Sekretes  unter  Verengerung  der  BlutgefUsse.  Zugleich  mit 
dieser  verschiedenen  chemischen  Zusammensetzung  des  Sekretes 
erkannte  Heidenhain  eine  Veränderung  in  der  Form  der 
Drüsenzellen.  Auch  ermittelte  er,  dass  der  grössere  Blutzufluss 
bei  der  Erweiterung  der  Blutgefässe  nicht  die  Ursache  der 
Absonderung  des  Sekretes  ist,  wie  man  hätte  glauben  können, 
sondern  eine  Beeinflussung  der  DrĂĽsenzellen,  da  nach  Ver- 
giftung der  letzteren  mit  Atropin  durch  Reizung  der  Pauken- 
saite  keine  Sekretion  mehr  eintritt,   wohl   aber   noch   die  Er- 


466  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  März  1898, 

Weiterung  der  Blutgefässe.  —  Bei  längerer  Reizung  der  sekre- 
torischen Nerven  nimmt  der  Gehalt  des  Sekretes  an  festen, 
namentlich  an  organischen  Bestandtheilen  ab,  offenbar,  weil 
die  Erzeugung  der  organischen  Bestandtheile  aus  anderen  eine 
längere  Zeit  in  Anspruch  nimmt  als  die  Ausscheidung  der 
schon  vorgebildeten  Mineralbestandtheile. 

In  den  LabdrĂĽsen  des  Magens  fand  er  ebenfalls  zwei  Ai-ten 
von  Zellen,  die  von  ihm  sogenannten  Belagzellen  und  die  Haupt- 
zellen; in  den  Schleimdrüsen  am  Pförtner  kommen  nur  die 
letzteren  vor.  In  den  Hauptzellen  wird  der  eine  bei  der  Magen- 
verdauung wirkende  Stoff,  das  Ferment  oder  das  Pepsin,  erzeugt, 
in  den  Belagzellen  der  andere,  die  freie  Salzsäure.  Die  Zellen 
sind  verschieden  geformt  im  Hungerzustande  und  während  der 
Sekretion  und  Verdauung. 

Die  Zellen  der  BauchspeicheldrĂĽse  bestehen  aus  zwei  un- 
gleich gestalteten  Hälften,  einer  Aussen-  und  einer  Innenzone; 
bei  der  Sekretion  nimmt  die  letztere  durch  Ausstossen  des 
Sekretes  an  Volumen  ab,  während  zugleich  die  erstere  sich 
verbreitert  durch  Aufnahme  von  neuem  Material  zur  Abgabe 
an  die  geschwundene  Innenzone.  Von  Wichtigkeit  ist  sein 
Nachweis,  dass  das  Eiweiss  verdauende  Ferment  des  Pankreas- 
saftes,  das  Trypsin,  nicht  als  solches  schon  in  den  DrĂĽsenzellen 
vorkommt,  sondern  nur  eine  noch  nicht  wirksame  Vorstufe 
desselben,  das  Zymogen,  da  sonst  die  DrĂĽsenzelle  durch  das 
Ferment  verdaut  wĂĽrde. 

Endlich  schlössen  sich  die  glänzenden  Untersuchungen 
ĂĽber  den  Bau  der  Nieren  und  ĂĽber  die  Theorie  der  Harn- 
absonderung an  mit  dem  wichtigen  Ergebniss,  dass  in  den 
Zellen  der  Hamkanälchen  die  Ausscheidung  der  organischen 
Hambestandtheile  stattfindet,  in  den  Malpighi'schen  Bläschen 
der  Rindensubstanz  aber  im  Wesentlichen  nur  die  Ausscheidung 
des  Wassers  des  Harns,  Nach  Einspritzung  der  blauen  Lösung 
von  indigoschwefelsaurem  Natrium  in  eine  Vene  des  lebenden 
Thieres  sieht  man  die  blaue  Färbung  niemals  in  den  Malpighi'schen 
Bläschen,  sondern  ausschliesslich  in  den  Zellen  der  gewun- 
denen  Hamkanälchen;    in    gleicher  Weise   verhalten   sich    die 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Rudolf  Heidetthain,  467 

hamsauren  Salze,  die  man,  namentlich  bei  den  reichlich  Harn- 
säure absondernden  Reptilien  und  Vögeln,  krystallinisch  in  den 
Zellen  der  Hamkanälchen  abgelagert  findet.  Die  Wasser- 
ausscheidung in  den  Malpighi^schen  Bläschen  kann  nach  ihm 
nicht  ausschliesslich  durch  Filtration  durch  den  Blutdruck  zu 
Stande  kommen,  denn  reichliches  Wassertrinken  steigert  die 
Harnausscheidung  ohne  Erhöhung  des  Blutdruckes,  und  ein 
kurz  dauernder  Verschluss  der  Nierenarterie  bewirkt  einen 
länger  anwährenden  Stillstand  der  Harnsekretion  durch  Schädi- 
gung der  Epithelzellen  der  Malpighi'schen  Bläschen. 

Aus  diesen  seinen  Beobachtungen  zog  Heidenhain  den 
Schluss,  dass  die  Sekretion  der  DrĂĽsen  nicht  ein  rein  physi- 
kalischer Vorgang,  bestehend  in  Filtration  und  Osmose,  wäre, 
bei  dem  die  DrĂĽsenzellen  als  Filter  nur  passiv  betheiligt  sind, 
sondern  dass  dieselbe  auf  einer  aktiven  Thätigkeit  der  Drüsen- 
zelle beruhe.  Als  man  in  den  vierziger  Jahren  begann,  die 
Lehren  der  Physik  auf  die  Vorgänge  im  Thierkörper  anzu- 
wenden, da  war  es  namentlich  Carl  Ludwig,  der  in  jĂĽngeren 
Jahren  in  seinem  Lehrbuch  der  Physiologie  darzuthun  suchte, 
dass  bei  vielen  Erscheinungen  an  der  Organisation  die  Fil- 
tration und  die  Osmose  wirksam  sind.  Diese  Erklärungs- 
versuche waren  für  die  damalige  Zeit  von  grösster  Bedeutung, 
indem  sie  darthaten,  dass  die  Lebenserscheinungen  nicht  durch 
die  geheimnissvolle  und  unerforschbare  Lebenskraft,  sondern 
durch  bekannte  physikalische  und  chemische  Vorgänge  veran- 
lasst sind.  Es  ist  wohl  richtig,  dass  man  anfangs  glaubte, 
dadurch  weiter  in  der  Erklärung  der  Sekretion  vorgedrungen 
zu  sein  und  die  grössten  Schwierigkeiten  schon  überwunden 
zu  haben;  jedoch  hat  man  nie  der  lebenden  Organisation  gar 
keine  Bedeutung  dabei  zugeschrieben,  wie  es  jetzt  nicht  selten 
dargestellt  wird,  wenn  man  von  einer  frĂĽheren,  rein  mecha- 
nischen oder  rein  physikalischen  Theorie  Ludwigs  spricht. 
Ludwig  fand  ja  selbst  den  Absonderungsdruck  der  DrĂĽsen 
grösser  als  den  Blutdruck  oder  die  Temperatur  der  thätigen 
Drüse  höher  wie  des  zugeführten  arteriellen  Blutes,  und  wenn 
er  sah,    dass    die   Absonderung   des   Sekrets    nur    unter    dem 


468  OeffentUche  Sitzung  com  15.  März  1898, 

Einfluss  der  Nerven  stattfindet,  so  konnte  er  doch  nicht  der 
Ansicht  sein,  die  DrĂĽse  verhalte  sich  bei  der  Absonderung  wie 
eine  trockene  todte  Membran.  Allerdings  musste  man  immer 
mehr  erkennen,  dass  die  lebende  Organisation  fĂĽr  die  physi- 
kalischen und  chemischen  Wirkungen  gewisse  Bedingungen 
stellt,  durch  welche  die  letzteren  beeinflusst  und  eigenthĂĽmlich 
gestaltet  werden;  trotzdem  mĂĽssen  wir  die  physikalischen  und 
die  chemischen  Kräfte  der  Filtration  und  Osmose  als  die 
Triebkräfte  für  die  Sekretion  ansehen;  ist  ja  doch  auch  die 
jeweilige  BeschaflFenheit  der  todten  Membran  von  entscheiden- 
dem Einfluss  fĂĽr  das  Resultat  der  Filtration  und  Osmose,  ohne 
dass  wir  desshalb  sagen,  es  fanden  dabei  keine  physikalischen 
Prozesse  statt.  Heidenhain  hat  durch  seine  Untersuchungen 
viel  dazu  beigetragen,  die  Bedeutung  der  lebenden  DrĂĽsen- 
zellen fĂĽr  die  Sekretion  zu  erkennen,  und  er  hat  gezeigt, 
dass  wir  von  der  Erklärung  dieser  Erscheinungen  weiter  wie 
je  entfernt  sind.  Wir  mĂĽssen  uns  jedoch  sorglich  davor  hĂĽten, 
wieder  in  den  glĂĽcklich  besiegten,  fĂĽr  die  Forschung  so  ge- 
fährlichen Vitalismus  zu  verfallen;  es  muss  vielmehr  nach  wie 
vor  unser  Bestreben  sein,  zu  suchen,  welche  Bedingungen  die 
Organisation  stellt,  dass  die  physikalischen  und  chemischen 
Kräfte  so  eigen thümliche  Wirkungen  haben.  —  Heidenhain 
hat  seine  durch  20  Jahre  lang  fortgesetzten  Beobachtungen 
ĂĽber  die  DrĂĽsensekretion  in  L.  Hermanns  Handbuch  der  Phy- 
siologie zusammengestellt;  er  war  mehr  als  irgend  ein  Anderer 
dazu  befähiget  und  berufen  für  das  grosse,  von  einer  Anzahl 
von  Physiologen  bearbeitete  Werk  diese  Lehre  zu  schreiben; 
er  entledigte  sich  der  schwierigen  Aufgabe  mit  tiefem  Ver- 
ständniss  und  der  ihm  eigenen  Gewissenhaftigkeit,  so  dass  dieser 
Theil  des  verdienstlichen  Werkes  unstreitig  einer  der  voll- 
endeisten ist. 

Eine  weitere  Reihe  von  Untersuchungen  Heidenhains 
bezieht  sich  auf  die  Vorgänge  der  Resorption.  Auch  diese  Auf- 
nahme der  verdauten  Nahrungsstoffe  aus  dem  Darm  in  die 
Säfte  hat  man  vielfach  als  einfache  physikalische  Prozesse  an- 
gesehen, die  man  durch  osmotische  Versuche,  durch  Trennung 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Rudolf  Heidenhain.  469 

zweier  StofiFlösungen  durch  eine  todte  Membran,  leicht  nach- 
ahmen könne.  J.  Bauer  und  ich  haben  schon  vor  26  Jahren 
zuerst  bewiesen,  dass  die  Aufnahme  von  Stofflösungen  aus  einer 
Darmschlinge  eines  lebenden  Thieres  nicht  durch  reine  Osmose 
wie  bei  einer  todten  Membran  stattfinden  könne;  neben  Anderem 
erschien  am  schlagensten  die  Resorption  des  Blutserums  aus 
einer  Schlinge,  ohne  dass  die  Hauptbedingung  der  Osmose, 
die  Concentrationsdifierenz,  gegeben  ist.  Niemand  hat  jedoch 
auf  diese  Versuche  geachtet,  da  sie  nicht  in  die  Vorstellungen 
der  damaligen  Zeit  passten;  erst  als  Heidenhain  ähnliche 
WidersprĂĽche  der  Versuchsresultate  mit  den  Gesetzen  der  Os- 
mose fand,  da  gewann  die  Lehre  Eingang,  wenn  man  sich 
auch  nicht  erinnerte,  wer  sie  zuerst  aufgestellt  hat.  Ich  halte 
den  Namen  „physiologische  Triebkraft  der  lebenden  Zellen  des 
Daraiepithels"  als  Ursache  der  Resorption,  welche  Heidenhain 
einfĂĽhrte,  fĂĽr  einen  nicht  ganz  glĂĽcklichen,  weil  er  nur  allzu- 
leicht Missverständnissen  bei  den  Jüngeren  ausgesetzt  ist,  welche 
darunter  eine  einheitliche  Kraft  verstehen  werden  statt  einer 
Summe  von  Vorgängen. 

Die  letzten  grösseren  Untersuchungen  Heidenhains  be- 
treffen die  Frage  nach  der  Entstehung  der  Lymphe.  Nach 
den  Versuchen  von  Ludwig  wird  durch  den  Blutdinick  plasma- 
tische FlĂĽssigkeit  dutch  die  Wandungen  der  Blutcapillaren  in 
die  Zwischenräume  der  Gewebe  gepresst,  von  wo  sie  als  Lymphe 
in  die  offenen  Anfänge  der  Lymphgefässe  übergeht.  Heiden- 
hain  suchte  dagegen  darzuthun,  dass  es  sich  dabei  nicht  um 
eine  einfache  Filtration  durch  eine  todte  Membran  handeln 
könne,  sondern  ebenfalls  um  eine  Wirkung  der  lebenden  En- 
dothelzellen  der  Capillaren.  Er  hatte  nämlich  gefunden,  dass 
die  Menge  der  aus  dem  Milchbrustgang  ausfliessenden  Lymphe 
nicht  proportional  dem  arteriellen  Blutdruck  ist;  dann  dass  der 
Gehalt  der  Lymphe  an  gewissen  gelösten  StoflFen,  z.  B.  an 
Traubenzucker  grösser  sein  kann  als  der  des  Blutes;  und  drittens, 
dass  es  Stoffe  gibt,  wie  z.  B.  Krebsmuskelextrakt,  Blutegel- 
extrakt, Pepton  etc.,  welche  ohne  Aenderung  des  Blutdrucks 
die  Lymphmenge  sehr  steigern,  und  er  meinte,  dass  diese  Stoffe 


470  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  März  1898. 

als  Lymphagoga  die  Thätigkeit  der  Endothelzellen  anregten. 
Es  sind  von  Manchen  auf  Versuche  gestĂĽtzte  Einwendungen 
dagegen  erhoben  worden,  und  es  scheint  mir,  als  ob  Heiden- 
hain hierin  nicht  ganz  im  Recht  ist.  Der  Blutdruck  ist  die 
nächste  Ursache  und  die  Triebkraft  für  den  Durchgang  der 
plasmatischen  Flüssigkeit  durch  die  Capillargefässmembran ; 
iedoch  modificiren  sicherlich  die  letzteren  das  Filtrat,  sehen 
wir  doch,  dass  bei  der  Filtration  einer  eiweiss-  und  salzhaltigen 
FlĂĽssigkeit  durch  todte  Membranen  das  Filtrat  von  anderer  Zu- 
sammensetzung ist  als  die  auf  das  Filter  gegossene  FlĂĽssigkeit. 
Jedenfalls  gebĂĽhrt  Heidenhain  das  Verdienst,  die  wichtige 
Frage  wieder  angeregt  und  zu  ihrem  Entscheid  beigetragen 
zu  haben. 

Heidenhain  hat  auch  die  vielfach  noch  räthselhaften 
Erscheinungen  der  Hypnose,  welche  unter  der  Behandlung  von 
Laien  so  häufig  getrübt  und  falsch  aufgefasst  werden,  wissen- 
schaftlich zu  erforschen  und  dem  Verständniss  näher  zu  bringen 
gesucht.  Er  gelangte  dabei  zu  dem  wichtigen  Resultate,  dass 
bei  der  Hypnose  die  Reflexerregbarkeit  gesteigert  ist  in  Folge 
des  Ausfalls  der  hemmenden  Wirkung  der  Grosshinirinde  oder 
des  Willens;  femer,  dass  das  Bewusstsein  herabgesetzt  ist,  und 
zwar  dadurch,  dass  die  zur  HerbeifĂĽhrung  der  Hypnose  ange- 
wendeten schwachen  Sinnesreize  die  Thätigkeit  der  Grosshirn- 
rindenzellen aufheben;  in  diesem  Zustande  fĂĽhren  unbewusste 
SinneseindrĂĽcke  zu  unbewussten  Reaktionen.  Dem  entsprechend 
gelang  es  ihm  mit  BubnofF,  beim  Hunde  durch  schwache  Reize 
der  Grosshimrinde  viele  Muskelbewegungen  zu  hemmen. 

Heidenhain  war  ein  nĂĽchterner  gewissenhafter  Forscher 
von  feiner  Beobachtungsgabe,  der  es  sich  in  unablässigem 
Streben  angelegen  sein  liess,  neue  Thatsachen  aufzufinden  und 
daraus  vorsichtig  seine  SchlĂĽsse  zu  ziehen.  Er  ist  dadurch 
zu  einem  der  verdientesten  und  angesehensten  Physiologen 
unserer  Zeit  geworden. 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Rudolf  LeueJcart.  471 

Budolf  Leuckart. 

Der  Nestor  der  deutschen  Zoologen,  Rudolf  Leuckart, 
Professor  der  Zoologie  an  der  Universität  Leipzig,  ist  am 
6.  Februar  1898  in  seinem  76.  Lebensjahre  aus  dem  Leben 
geschieden. 

Mit  ihm  ist  einer  der  grossen  Männer  dahin  gegangen, 
welche  der  Zoologie,  die  frĂĽher  im  Wesentlichen  nur  in  einer 
äusserlichen  Beschreibung  und  Classifikation  der  Thiere  bestand, 
neue  Ziele  gewiesen  haben.  Ueber  ein  halbes  Jahrhundert 
wirkte  er  als  ein  in  mehreren  StĂĽcken  bahnbrechender,  ganz 
hervorragender  Forscher  mit  dem  reichsten  Erfolge. 

Er  war  ein  ächter  Gelehrter:  voller  Begeisterung  für  seine 
Wissenschaft  und  von  unermĂĽdlicher  Schaffensfreude. 

Rudolf  Leuckart  wurde  am  7.  Oktober  1822  in  der  ehe- 
maligen braunschweigischen  Universitätsstadt  Helmstedt  geboren. 
Als  Knabe  erhielt  er  durch  seinen  Oheim  Friedrich  Sigismund 
Leuckart,  welcher  Professor  der  Zoologie  an  der  Universität 
in  Freiburg  im  Breisgau  war,  die  ersten  Anregimgen  fĂĽr  die 
Naturwissenschaft  und  die  Medizin.  Er  studirte  an  der  alt- 
berühmten Universität  Göttingen  und  zeichnete  sich  noch  als 
ganz  junger  Student  durch  einige  selbständige  Arbeiten,  dar- 
unter eine  preisgekrönte,  aus.  Er  schloss  sich  besonders  an  den 
Physiologen  Rudolf  Wagner  an,  der  sich  durch  seine  mikro- 
skopischen Beobachtungen  und  deren  Anwendung  auf  die  phy- 
siologischen Vorgänge  einen  bedeutenden  Namen  gemacht  hat 
und  ein  höchst  anregender  Lehrer  war;  ihm  verdankte  Leuckart 
die  Anleitung  zur  mikroskopischen  Untersuchung  der  thierischen 
Gebilde  sowie  seine  auf  die  Lebensweise  der  Thiere  gerichtete 
Auffassung.  Wagner  erkannte  den  Werth  des  strebsamen  JĂĽng- 
lings; er  machte  ihn  zu  seinem  Assistenten  am  physiologischen 
Institute  und  betraute  ihn  zugleich  mit  der  Ausarbeitung  seines 
Lehrbuchs  der  Zootomie.  Im  Jahre  1847  fand  seine  Habilitation 
als  Privatdozent  fĂĽr  Zoologie  und  Physiologie  statt;  bald  wurde 
er  als  ausserordentlicher  Professor  der  Zoologie  nach  der  damals 
durch  Liebig,  Bischoff,  Buff,  Kopp  und  Andere  in  hohem  An- 


472  Oeffeniliche  Sitzung  vom  15.  Märe  1896. 

sehen  stehenden  Universität  Giessen  gerufen,  woselbst  er  1855 
zum  ordentlichen  Professor  der  Zoologie  und  vergleichenden 
Anatomie  von*ĂĽckte.  Im  Jahre  1870  erfolgte  der  ehrenvolle 
Ruf  als  Vei*treter  der  Zoologie  und  Zootomie  an  die  Universität 
Leipzig,  an  welcher  er  bis  an  sein  Lebensende  als  einer  der 
beliebtesten  und  ausgezeichnetsten  Lehrer  und  als  das  Haupt 
einer  grossen  Schule  höchst  erspriesslich  thätig  war. 

Durch  seine  gewaltige  Arbeit  hat  er,  wie  vorher  schon 
erwähnt,  wesentlich  dazu  beigetragen,  der  Forschung  in  der 
Zoologie  eine  neue  fruchtbare  Richtung  zu  geben ;  Joh.  MĂĽller, 
Rudolf  Wagner  und  Andere  hatten  auf  die  Bedeutung  der 
allgemeinen  Formverhältnisse  der  Thiere,  ihres  Lebens,  ihrer 
Entwicklung,  der  biologischen  Beziehung  der  einzelnen  Classen 
derselben  fĂĽr  die  Erkenntniss  der  Thierwelt  aufmerksam  ge- 
macht und  so  gegenĂĽber  der  Systematik  die  jetzige  vergleichend- 
morphologische  Betrachtungsweise  angebahnt.  Diesen  Weg 
betrat  Leuckart;  er  erkannte  alsbald  klar,  dass  vor  Allem  die 
niederen  Formen  der  wirbellosen  Thiere  über  jene  Verhältnisse 
den  besten  Aufschluss  geben,  und  so  widmete  er  der  Durch- 
forschung der  niederen  Thiere  vorzugsweise  seine  Thätigkeit; 
auf  diesem  Gebiete  liegen  auch  seine  grössten  Verdienste. 
Dabei  verwendete  er  als  einer  der  ersten  äusserst  geschickt 
den  Versuch  am  Thier,  um  ĂĽber  die  Entwicklung  gewisser 
Thierformen  näheren  Aufschluss  zu  erhalten;  auch  muss  er- 
wähnt werden,  dass  er  sich  die  Methoden  und  Hilfsmittel  zu 
diesen  Untersuchungen  zum  grossen  Theil  erst  selbst  schaffen 
nmsste.  Die  Wissenschaft  verdankt  seiner  scharfsinnigen  Be- 
obachtung eine  Menge  neuer  Thatsachen  und  Erkenntnisse 
ĂĽber  das  Leben,  die  Entwicklung,  Verwandlung  und  feinere 
Struktur  vieler  niederen  Thiere. 

Es  können  hier  von  den  in  zahlreichen  Monographien, 
sowie  in  akademischen  und  periodischen  Schriften  niederge- 
legten Arbeiten  nur  die  bedeutungsvollsten  hervorgehoben  wer- 
den, um  die  Art  ihres  Autors  zu  charakterisiren. 

Eine  seiner  ersten  Veröffentlichungen  waren  die  mit  Frey 
herausgegebenen  , Beiträge  zur  Kenntniss  wirbelloser  Thiere". 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Budolf  Leuckart.  473 

An  diese  Arbeit  schloss  sich  eine  weitere  an  ĂĽber  die  Mor- 
phologie und  die  Verwandtschaftsverhältnisse  niederer  Thiere. 
Mit  dieser  fĂĽr  die  Systematik  und  die  Morphologie  bedeutungs- 
vollen Leistung  stellte  sich  der  junge  25  jährige  Privatdozent 
in  die  erste  Reihe  der  Zoologen.  Cuvier  hatte  in  dem  von 
ihm  aufgestellten  Thierkreise  der  Radiata  die  Stachelhäuter, 
die  Quallen  und  die  Polypen  zusammengefasst;  in  dem  Streben, 
die  verschiedenen  Bildungen  nach  ihrem  inneren  Charakter  zu 
beurtheilen,  war  es  Leuckart  aufgefallen,  dass  unter  den 
Radiaten  Thiergruppen  von  verschiedenem  Bau  sich  finden;  er 
stellte  in  Folge  davon  einen  besonderen  Typus  der  Pflanzen- 
thiere  unter  dem  Namen  der  Coelenteraten ,  welcher  die 
Cuvier'schen  Classen  der  Polypen  und  der  Scheibenquallen  um- 
fasst,  zusammen  und  charakterisirte  ihn  so  scharf  und  bestimmmt, 
dass  diese  Coelenterarten  gegenwärtig  von  allen  Zoologen  als 
eine  natĂĽrlich  abgegrenzte  Gruppe  dem  Thiersysteme  einver- 
leibt wurden. 

Andere  sinnreiche  Auffassungen  und  Deutungen  von  ver- 
schiedenen bisher  unerkannt  gebliebenen  verwickelten  Orga- 
nisations-Verhältnissen bei  den  Siphonophoren  oder  Schwimm- 
polypen, welche  er  bei  seinem  wiederholten  längeren  Aufent- 
halte an  den  MeereskĂĽsten  zu  studiren  Gelegenheit  hatte,  gaben 
ihm  in  der  Schrift  ĂĽber  den  Polymorphismus  der  Individuen 
oder  die  Erscheinungen  der  Arbeitstheilung  in  der  Natur  (1851), 
sowie  in  den  zoologischen  Untersuchungen  (3  Hefte,  1853 — 54) 
Veranlassung,  diese  höchst  complizirten  Thierorganismen  als 
Animalia  composita  mit  Arbeitstheilung  aufzufassen  und  fĂĽr 
diese  eigenthümliche  Lebensthätigkeit  solcher  höchst  zusammen- 
gesetzter, frĂĽher  fĂĽr  Einzelwesen  gehaltener  Thierkolonien  den 
Namen  Polymorphismus  vorzuschlagen,  welche  Bezeichnung 
mit  ihrer  eigenthĂĽmlichen  Bedeutung  allgemein  angenommen 
worden  ist. 

Es  folgten  Untersuchungen  ĂĽber  den  feineren  Bau  der 
Schalenhaut  der  Insekteneier  und  ihrer  Mikropyle,  durch  welche 
die  Samenfäden  in  das  Innere  des  Eies  eindringen.  Durch 
seine  Studien  ĂĽber  den  Generationswechsel  imd  ĂĽber  die  Ent- 


474  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Wicklung  des  Eies  ohne  Befruchtung,  die  Parthenogenesis,  bei  den 
Insekten,  besonders  den  Bienen,  hat  er  sich  mit  grossem  Erfolge 
an  der  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  ĂĽber  diese  merkwĂĽrdigen 
Vorgänge  betheiligt.  Auch  hat  er  über  die  Fortpflanzung  und 
Entwicklung  der  Pupiparen,  die  zu  den  Zweiflüglern  gehörigen 
Lausfliegen,  interessante  Untersuchungen  angestellt. 

Von  grösstem  Einflüsse  waren  Leuckart's  Resultate, 
welche  er  durch  äusserst  mühsame  und  mit  seltener  Ausdauer 
durchgefĂĽhrte  Beobachtungen  und  Experimente  ĂĽber  die  merk- 
wĂĽrdigen Wanderungen  und  damit  verbundenen  Metamorphosen 
der  verschiedenen  Schmarotzerthiere  erhalten  hat.  Es  ist  dies 
sein  fruchtbarstes  und  eigenstes  Arbeitsgebiet  gewesen,  welches, 
bis  dahin  noch  zum  grossen  Theil  in  Dunkelheit  gehĂĽllt,  von 
ihm  in  bewundernswerther  Weise  aufgehellt  worden  ist;  sein 
Name  ist  dadurch  in  den  weitesten  Kreisen  bekannt  geworden. 

In  der  Abhandlung  ĂĽber  die  BlasenbandwĂĽrmer  und  ihre 
Entwicklung  thut  er  dar,  wie  die  durch  die  Entleerungen  der 
Träger  auf  Düngerhaufen  oder  auf  Pflanzen  oder  in  Wasser 
gelangten  Eier  mit  der  Nahrung  in  den  Darmkanal  von  Thieren 
kommen,  von  wo  die  daraus  entstandenen  Embryonen  durch 
die  Darmwand  in  die  Blutgefässe  und  die  verschiedenen  Organe 
wandern,  in  denen  sie  zu  Blasen,  Finnen  genannt,  auswachsen, 
welche  ein  nothwendiges  Entwicklungsstadium  darstellen  und, 
indem  sie  verzehrt  werden,  in  den  Darm  eines  neuen  Thieres 
gerathen,  um  daselbst  erst  in  den  Zustand  des  geschlechts- 
reifen  Bandwurms  überzugehen,  —  Die  berühmten  Unter- 
suchungen ĂĽber  Trichina  spiralis  ergaben,  dass  die  im  Darm 
des  Menschen  und  vieler,  vornehmlich  freischfressender  Säuge- 
thiere  befindliche  Brut  ebenfalls  die  Darmwandung  derselben 
durchsetzt  und  in  die  Muskeln  einwandert,  wo  sie  zu  spiralig 
zusammengerollten  WĂĽrmchen  auswachsen;  mit  dem  Fleische 
kommen  diese  WĂĽrmchen  in  den  Darm  eines  anderen  Warm- 
blĂĽters, werden  dorten  zu  Geschlechtstrichinen,  welche  sich 
begatten  und  neue  Brut  erzeugen. 

Ebenso  verdankt  man  Leuckart  die  Kenntniss  von  dem 
Bau,    der  Entwicklungsgeschichte   und   der  Metamorphose   der 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Rudolf  Leuckart,  475 

Pentostomen  oder  Zungen wiirmer,  sowie  der  Entwickelungs- 
geschichte  des  Leberegels.  In  seinen  „neuen  Beiträgen  zur 
Kenntniss  des  Baues  und  der  Lebensgeschichte  der  Nematoden" 
berichtet  er  über  eine  Anzahl  höchst  sonderbarer  zu  den  Faden- 
würmern gehörigen  Parasiten  niederer  Thiere. 

Sein  Lehr-  und  Handbuch  ĂĽber  die  Parasiten  des  Menschen 
und  die  von  ihnen  herrĂĽhrenden  Krankheiten,  sowie  seine  all- 
gemeine Naturgeschichte  der  Parasiten  sind  als  Hauptwerke 
in  dieser  Richtung  zu  betrachten.  Es  haben  gerade  diese 
hierbei  gemachten  Entdeckungen  nicht  allein  die  zoologische 
Wissenschaft  im  höchsten  Grade  gefordert,  sondern  es  haben  die- 
selben auch  die  fĂĽr  die  praktische  Medizin  so  wichtige  Lehre  von 
den  Parasiten  gänzlich  umgestaltet  und  eine  bisher  ganz  dunkel 
gebliebene  Seite  der  Gesundheitslehre  in  das  klarste  Licht  gesetzt. 

Ausserdem  verdient  noch  erwähnt  zu  werden:  die  mit 
C.  Bergmann  (1 852)  bearbeitete  anatomisch-physiologische Ueber- 
sicht  des  Thierreiches ,  ein  Werk,  welchem  bis  heute  keines 
seiner  Art  folgte;  dann  der  Aiiikel  „Zeugung"  in  Rudolf 
Wagner's  Handwörterbuch  der  Physiologie,  ein  Muster  klarer, 
auf  eine  FĂĽlle  von  Beobachtungen  gestĂĽtzter  Darstellung;  ferner 
die  fĂĽr  das  Handbuch  der  gesammten  Augenheilkunde  von 
Graefe  und  Sämisch  gelieferte  vortreffliche  Darstellung  der 
vergleichenden  Anatomie  des  Auges. 

Grossen  Nutzen  haben  die  von  1848  bis  1879  fĂĽr  das 
Archiv  der  Naturgeschichte  von  ihm  bearbeiteten  Jahresberichte 
ĂĽber  die  wissenschaftlichen  Leistungen  in  der  Naturgeschichte 
der  niederen  Thiere  gestiftet;  ebenso  die  mit  seinem  SchĂĽler 
Chun  herausgegebene  Bibliotheca  zoologica. 

Die  Deutsche  zoologische  Gesellschaft  verliert  in  ihm  ihr 
einziges  Ehrenmitglied  und  ihren  ersten  Vorsitzenden,  der  wohl 
am  meisten  zum  EmporblĂĽhen  dieser  angesehenen  Vereinigung 
beigetragen  hat. 

Der  so  ĂĽberaus  verdiente  Forscher  mit  seinem  lebhaften 
Geist,  seiner  anregenden  lebensvollen  Art,  seinem  schlichten 
freundlichen  Wesen  wird  in  der  Wissenschaft,  sowie  in  der 
Erinnerung  bei  seinen  Freunden  und  SchĂĽlern  fortleben. 

1898.  Siizangsb.  d.  math.-phys.  CL  31 


476  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  Mars  1898. 

Johann  Japetus  Smith  Steenstrup.^ 

In  Kopenhagen  starb  am  20.  Juni  1897  im  hohen  Alter 
von  84  Jahren  der  berĂĽhmte  Naturforscher  Johann  Japetus 
Steenstrup,  weiland  Professor  der  Zoologie  an  der  Univer- 
sität und  Direktor  des  naturhistorischen  Museums.  Er  war 
mit  Recht  einer  der  angesehensten  Gelehrten  Dänemarks,  der 
auf  mehreren  Gebieten  der  Naturwissenschaft  Hervorragendes 
geleistet  hat. 

Er  wurde  am  8.  März  1813  auf  dem  Pfarrhofe  in  Vang 
in  Nord-Jütland  geboren.  An  der  Kopenhagener  Universität 
bildete  er  sich  in  Philosophie,  Naturwissenschaft  und  Medizin 
aus.  Schon  während  seiner  Studienzeit  lenkte  er  durch  seine 
Strebsamkeit  und  seine  Kenntnisse  die  Aufmerksamkeit  seiner 
Lehrer  auf  sich,  so  dass  er  noch  als  Studirender  den  bekannten 
Professor  Forchhammer  auf  einer  geognostischen  Untersuchungs- 
reise nach  Bömholm  begleiten  durfte;  dann  erforschte  er  (1838) 
auf  Veranlassung  der  Rentkammer  die  Torfmoore  in  Nord- 
JĂĽtland  und  bereiste  1839  Island  zu  naturwissenschaftlichen 
und  geognostischen  Zwecken.  Nach  Beendigung  seiner  Studien 
erhielt  er  alsbald  die  Stelle  eines  Lectors  fĂĽr  Botanik  und 
Mineralogie  an  der  Akademie  zu  Soroe;  in  Folge  seiner  her- 
vorragenden Arbeit  ĂĽber  den  Generationswechsel  wurde  er  (1845) 
als  ausserordentlicher  Professor  der  Zoologie  an  die  Universität 
nach  Kopenhagen  berufen;  1848  wurde  er  zum  Direktor  des 
naturhistorischen  Museums  und  1850  zum  ordentlichen  Professor 
in  der  mathematisch-naturwissenschaftlichen  Fakultät  ernannt; 
von  1865 — 1878  war  er  Sekretär  der  kgl.  dänischen  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften.  Seit  1885  hat  er  sich  von  seinen 
Aemtern  zurĂĽckgezogen. 

Steenstrup  war  ein  ausgezeichneter  Beobachter  und  Er- 
forscher der  uns  umgebenden  Natur.  Seine  Thätigkeit  war 
eine  höchst  vielseitige;  denn  er  hat  überaus  zahlreiche  Arbeiten 


^)  Siehe  Leopoldina  1897,   Nr.  8,   S.  114,   und  Verhandlun<;jen   der 
anthropol.  Gesellschaft  zu  Berlin  1897,  S.  311. 


C  Voit:  Nekrolog  auf  Johann  Japetus  Smith  Steenstrup.       477 

auf  den  Gebieten  der  Zoologie,  vergleichenden  Anatomie, 
Mineralogie,  Botanik,  Geologie,  Paläontologie,  Urgeschichte 
und  Archäologie  ausgeführt. 

Sein  erstes  grösseres  Werk,  das  Akademie-Programm  vom 
Jahre  1842  ĂĽber  den  Generationswechsel,  war  geradezu  bahn- 
brechend und  begrĂĽndete  seinen  Ruhm ;  es  blieb  die  Aufstellung 
dieses  merkwĂĽrdigen  Entwickelungsgesetzes  auch  seine  bedeu- 
tendste Leistung.  Man  versteht  bekanntlich  darunter  den  ge- 
setzmässigen  Wechsel  einer  geschlechtlich  entwickelten  Gene- 
ration mit  einer  oder  mehreren  ungeschlechtlich  sich  fort- 
pflanzenden Generationen.  Der  Dichter  Adalbert  v.  Chamisso 
hatte  zuerst  einen  Vorgang  der  Art  bei  den  Salpen  gefunden; 
derselbe  blieb  aber  vereinzelt  und  länger  als  zwei  Dezennien 
unbeachtet,  bis  ihn  Steenstrup  an  einer  Reihe  von  niederen 
Thieren,  an  Medusen,  Trematoden  und  Aphiden  erkannte  und 
einheitlich  erfasste.  Die  Geschlechtsthiere  erzeugen  dabei  Nach- 
kommen, welche  zeitlebens  von  ihren  Eltern  verschieden  bleiben, 
jedoch  ebenfalls  fortpflanzungsfähig  sind,  indem  sie  auf  unge- 
schlechtlichem Wege  als  sogenannte  Ammen  durch  Knospung 
oder  Keimbildung  eine  Brut  hervorbringen,  welche  entweder 
zu  der  Form  und  Organisation  der  Geschlechtsthiere  zurĂĽck- 
kehrt oder  sich  abermals  ungeschlechtlich  vermehrt  und  erst 
in  ihren  Nachkommen  wieder  zu  den  Geschlechtsthieren  fĂĽhrt. 

Ausserdem  hat  er  noch  auf  verschiedenen  anderen  Zweigen 
der  Zoologie  mit  Erfolg  gearbeitet.  Hierher  gehören :  weitere 
Untersuchungen  ĂĽber  die  Efitwickelung  mehrerer  Formen  niederer 
Thiere,  die  Untersuchungen  und  Betrachtungen  ĂĽber  den  Herma- 
phroditismus, dann  die  Beobachtungen  ĂĽber  den  Hectocotylus 
bei  Cephalopoden ,  worunter  man  einen  mit  Spermatophoren 
gefüllten  Arm  versteht,  der  sich  vom  männlichen  Leibe  ganz 
abtrennt  und  den  Samen  in  die  Mantelhöhle  des  Weibchens 
überträgt,  und  ferner  den  Nachweis,  dass  die  Augen  bei  den 
Flachfischen  ursprĂĽnglich  symmetrisch  angebracht  sind  und 
erst  bei  der  weiteren  Entwicklung  ihren  Platz  verändern. 

Ln  späterer  Zeit  nahmen  vorzüglich  Aufgaben  der  prä- 
historischen Archäologie  und  der  Anthropologie  sein  Interesse 

31* 


478  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

in  Anspruch;  er  war  einer  der  Ersten,  der  auf  dieses  vorher 
häufig  mehr  dilettantenhaffc  betriebene  Gebiet  die  strenge 
Methode  der  Natui-wissenschaft  anwandte.  Er  hat  in  dieser 
Weise  die  dänischen  Kjokkenmöddinger  oder  Küchenabflille 
erforscht,  besonders  am  Kattegat  befindliche  HĂĽgel  aus  Muschel- 
schalen und  Thierknochen,  welche  die  Ueberreste  der  Mahl- 
zeiten der  Menschen  aus  der  Steinzeit  darstellen.  Er  hat  die 
Waldmoore  von  Vidnesdam  und  Lillemose  im  nördlichen  See- 
land ausgegraben  und  genau  geologisch -geognostisch  unter- 
sucht, und  dadurch  deren  Bedeutung  fĂĽr  die  Entwickelung  der 
ältesten  prähistorischen  Flora  und  Fauna  Dänemarks,  sowie 
fĂĽr  das  Ei*scheinen  des  Menschen  dargelegt.  Ueberall,  wo  es 
galt,  die  Fragen  nach  dem  ältesten  Vorkommen  menschlicher 
Thätigkeit  zu  entscheiden,  war  er  persönlich  betheiligt;  so  bei 
der  archäologischen  Untersuchung  der  nordischen  Brakteaten, 
alter  aus  dem  12. — 17.  Jahrhundert  stammender,  nur  auf  der 
einen  Seite  geprägter  Münzen  oder  bei  der  Prüfung  der  Mam- 
muthjäger-Station  bei  Predmost  in  Mähren,  welche  er  noch  in 
hohem  Alter  (1888)  aufsuchte.  Die  reichhaltigen  Sammlungen 
diluvialer  Thierreste  im  Kopenhagener  Museum  bilden  die  Grund- 
lage fĂĽr  eine  genauere  Bestimmung  der  vorhistorischen  Thier- 
reste. Durch  seine  Forschungen  und  dadurch,  dass  er  nicht 
mĂĽde  wurde,  die  Arbeiten  Anderer  auf  diesem  Gebiete  mit 
Rath  und  That  zu  unterstĂĽtzen,  hat  er  einen  grossen  Einfluss 
auf  die  Entwickelung  dieses  jungen  Wissenszweiges  ausgeĂĽbt. 

Julius  Sachs.  ^) 

Mit  dem  am  29.  Mai  1897  in  WĂĽrzburg  im  65.  Lebens- 
jahre verstorbenen  Botaniker  Julius  Sachs  ist  einer  der  ver- 
dientesten Naturforscher  dahingegangen.  Man  kann  wohl  sagen, 
dass  er  der  BegrĂĽnder  der  experimentellen  Pflanzenphysiologie 

*)  Mit  Benützung  de8  Nekrologs  von  Karl  Göbel  in  der  Flora, 
Ergänzungsband  84  zum  Jahrgang  1897,  S.  101;  dann  in  Leopoldina  181)7, 
Nr.  6,  S.  94,  und  von  TIauptfleisch  in  Wflrzburg  in  der  MĂĽnchener  med. 
Wochenschrift  1897,   Nr.  26,  S.  709. 


C.  VoU:  Nekrolog  auf  Julius  Sadis,  479 

und   längere  Zeit   der   sichere  Führer   auf  diesem  schwierigen 
Gebiete  war.    In  der  That,  nach  einigen  bedeutenden  Anfangen, 
welche  die  Experimental-Physiologie  der  Gewächse  im  vorigen 
Jahrhundert  gemacht  hatte,  war  dieselbe  fast  vollständig  zuerst 
durch   die  Systematik,   dann   durch   die  Morphologie   und  seit 
den  fĂĽnfziger  Jahren  durch  die  mikroskopischen  Arbeiten  der 
grossen  Botaniker  Mohl,  Hofhieister,  Nägeli  und  De  Bary  ver- 
drängt  worden.     Da   war   es   nun  vor  Allen  Sachs,    welcher 
die  chemischen  Beobachtungen  und  das  physiologische  Experi- 
ment wieder  aufnahm  und  mit  grösstem  Erfolge  weiter  führte. 
So  kam  es,   dass  man  in  der  Pflanzenphysiologie  erst  mit  der 
Anwendung  der  neuen  durch  die  Physik  und  die  Chemie  ge- 
schenkten Hilfsmittel  anfing,  als  in  der  Thierphysiologie  diese 
Mittel  schon  viele  FrĂĽchte  gezeitigt  hatten.     Selbst  Liebig  ist 
mit  der  Anwendung  der  Chemie  auf  die  stofflichen  Vorgänge 
im  Thierkörper  tiefer  eingedrungen  als   in  die   gleichen  Vor- 
gänge  in   den  Pflanzen,   wo   er   vorzüglich   nur  den  Kj-eislauf 
des  Stoffes  zwischen  den  Thieren  und  den  Pflanzen  klarer  legte 
und  die  Bedeutung  der  Mineralbestandtheile  erkannte.     Es  darf 
uns  dies  nicht  Wunder  nehmen,    denn  diese  Verhältnisse  sind 
in  den  Pflanzen,  bei  denen  von  den  einfachsten  Nahrungsstoffen 
aus  ein    allmählicher  Aufbau   zu   den    complizirtesten  Kohlen- 
stoff-Verbindungen durch  viele  Zwischenglieder  hindurch  statt- 
findet, ungleich  schwieriger  zu  erkennen  wie  bei  dem  höheren 
Thier,  wo  so  Vieles  leicht  zugänglich  ist.     Denn  man  vermag 
bei  dem  letzteren  die  Vorgänge  an  den  einzelnen  Organen  zu 
verfolgen;    wie  wenig  wĂĽssten   wir  z.  B.   ĂĽber   die  Verdauung 
der  Nahrungsstoffe,  ĂĽber  die  Zersetzungen  der  Stoffe  im  Thier- 
körper und  deren  Produkte,  wenn  wir  nur  an  den  einfachsten 
Thierfonnen   unsere  Beobachtungen   machen   könnten.     Es  ist 
Sachs  geglĂĽckt,    diese  grossen  Schwierigkeiten  zum  Theil  zu 
ĂĽberwinden ;  er  hat  den  Weg  gezeigt,  wie  man  an  den  Pflanzen 
AufschlĂĽsse  hierĂĽber  zu  erhalten  vermag  und  dabei  viele  neue 
Thatsachen    aufgefunden    und    fruchtbare    Ideen    zu    weiterer 
Forschung  angegeben. 

Sachs  wurde    am    2.  Oktober  1832    in  Breslau   geboren, 


480  Oe/fefUliche  Sitzung  vom  15.  März  1898, 

wo  sein  Vater  Graveur  war,  von  dem  er  das  kĂĽnstlerische 
Talent  ererbte  und  das  Zeichnen  lernte.  Er  besuchte  das 
Gymnasium  zu  Breslau,  musste  aber  daselbe  verlassen,  da  seine 
Eltern  frĂĽh  starben  und  er  nicht  die  Mittel  zum  weiteren 
Studium  besass;  so  war  er  von  seinem  15.  Lebensjahre  an  wesent- 
lich auf  sich  allein  angewiesen,  so  dass  es  ihm  recht  schwer 
wurde,  sich  den  Lebensunterhalt  zu  verschaffen.  Aber  gerade 
dies  war  es,  was  ihn  zur  Arbeit  anspornte.  Schon  am  Gym- 
nasium beschäftigte  er  sich  mit  den  beschreibenden  Natur- 
wissenschaften, er  zerlegte  Thiere  und  sammelte  eifrig  Pflanzen, 
die  er  mit  Hilfe  der  Flora  von  Scholz  bestimmte.  Es  war  ein 
glücklicher  Zufall,  dass  er  damals  mit  den  Söhnen  des  Phy- 
siologen Purkyn^  bekannt  geworden  war;  durch  diese  hatte 
der  letztere  von  der  Neigung  des  JĂĽnglings  zu  der  Natur- 
wissenschaft sowie  von  seinem  Zeichentalent  gehört  und  bot 
ihm  bei  seiner  Berufung  nach  Prag  an,  sein  Privatassistent  zu 
werden,  wodurch  Sachs  wenigstens  vor  der  äussersten  Noth 
bewahrt  war.  Er  behielt  diese  Stelle,  in  der  er  fast  nur  zu 
zeichnen  hatte,  sechs  Jahre  lang;  der  Umgang  mit  Purkyne 
hat  jedoch  gewiss  auch  belehrend  und  anregend  auf  ihn  ein- 
gewirkt. Dieser  hervorragende  Physiologe  hat  sich  um  die 
mikroskopische  Anatomie  und  um  die  Physiologie  des  Auges 
grosse  Verdienste  erworben:  er  war  der  Entdecker  des  Keim- 
bläschens, der  Leberzellen,  der  Schweissdrüsen  und  der  Flimmer- 
bewegung und  er  beobachtete  die  drei  Reflexbilder  am  Auge, 
das  sogenannte  Accommodationsphosphen,  mehrere  subjektive 
Gesichtsempfindungen,  die  Schattenfigur  der  Netzhautgefässe, 
das  in  den  Chorioidealgefässen  strömende  Blut  bei  Druck  auf 
das  Auge,  sowie  die  Erscheinungen  bei  elektrischer  Reizung 
der  Netzhaut.  Es  existirt  von  ihm  auch  eine  botanische  Ab- 
handlung (de  cellulis  antherarum  fibrosis  nee  non  de  grjinorum 
pollinarium  fonnis  commentatio  phytotomica,  Breslau  1830); 
und  er  war  der  Erste,  der  ein  physiologisches  Laboratorium 
einrichtete.  Sachs  hatte  es  durch  eisernen  Fleiss  neben  seiner 
Beschäftigung  bei  Purkyne  ermöglicht,  die  Maturitätsprüfung 
nachzuholen   und    an    die  Universität   überzutreten.     Er  hörte 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Jtäius  Sachs.  481 

zwar  daselbst  Vorlesungen  ĂĽber  Mathematik,  Physik,  Chemie 
und  Philosophie,  aber  das  Meiste  hat  er  doch  durch  eigenes 
Studium  gelernt.  Er  betrieb  fĂĽr  sich  die  Zoologie  und  die 
Botanik;  nachdem  er  sich  mit  dem  Schleiden'schen  Lehrbuch 
der  Botanik  bekannt  gemacht  und  sich  in  Herstellung  mikro- 
skopischer Präparate  geübt  hatte,  machte  er  seine  ersten  wissen- 
schaftlichen Untersuchungen  ĂĽber  die  Entwickelungsgeschichte 
von  Pilzen.  Er  habilitirte  sich  dann  nach  Besiegung  mannig- 
facher Hindemisse  in  Prag  als  Privatdozent  fĂĽr  Pflanzen- 
physiologie. Und  nun  begann  seine  unermĂĽdliche  und  frucht- 
bare wissenschaftliche  Thätigkeit;  es  war  ein  unablässiges, 
rastloses  Streben  nach  Erkenntniss,  das  sein  Wesen  charak- 
terisirte;  er  erzählte  selbst,  er  habe  während  20  Jahren  täglich 
14 — 15  Stunden  geforscht  und  gedacht.  In  seiner  Wohnung 
stellte  er  Versuche  über  Verdunstungsphänomene  und  Wasser- 
bewegung in  Landpflanzen  an,  dann  seine  berĂĽhmt  gewordenen 
mikroskopischen  Beobachtungen  an  den  Keimpflanzen,  durch 
die  er  die  Umgestaltung  der  in  den  Kotyledonen  abgelagerten 
StoĂźe  erkannte. 

Aber  in  Prag  konnte  er  nicht  bleiben ;  Purkyne  hatte  sich 
auffallender  Weise  der  czechischen  Bewegung  mit  Fanatismus 
angeschlossen  und  diese  Hess  den  deutsch  FĂĽhlenden  nicht  auf- 
kommen. Da  erbat  sich  der  verdiente  Vorstand  der  sächsischen 
land-  und  forstwirthschaftlichen  Akademie  in  Tharandt,  der 
Chemiker  Stöckhardt,  von  Sachs  einen  Bericht  über  den  Nutzen 
der  Pflanzenphysiologie  fĂĽr  die  Landwirthschaft,  in  Folge  dessen 
er  als  physiologischer  Assistent  an  dieser  Akademie  angestellt 
wurde,  als  welcher  er  auch  öffentliche  Vorträge  in  landwirth- 
schaftlichen  Versammlungen  zu  halten  hatte.  Von  da  wurde 
er  an  die  landwirthschaftliche  Akademie  in  Poppeisdorf  bei 
Bonn  als  Lehrer  der  Botanik,  Zoologie  und  Mineralogie  be- 
rufen, an  der  er  dann  bald  die  Professur  flir  Pflanzenphysio- 
logie erhielt. 

In  den  sechs  Jahren  seines  Bonner  Aufenthaltes  hatte  er 
sich  durch  seine  Arbeiten  schon  so  bekannt  gemacht,  dass  er 
als   Nachfolger   des   nach   Strai^burg   berufenen   De  Bary   die 


482  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Professur  der  Botanik  an  der  Universität  in  Freiburg  erhielt 
und  dann  nach  drei  Semestern  die  in  WĂĽrzburg;  er  blieb  der 
letzteren  Universität  trotz  vieler  verlockender  Berufungen  nach 
Jena,  Heidelberg,  Bonn,  Wien,  Berlin  und  MĂĽnchen  treu  und 
war  einer  ihrer  ersten  Zierden. 

Er  hat  daselbst  eine  grosse  Schule  fĂĽr  experimental-phy- 
siologische  Arbeiten  gebildet,  aus  der  die  bedeutendsten  der 
jĂĽngeren  Botaniker  hervorgingen;  auch  bei  den  Vorlesungen 
hat  er  durcli  seinen  ausserordentlich  klaren  und  durch  ein- 
fachste Experimente  erläuterten  Vortrag  allgemeines  Interesse 
fĂĽr  die  Botanik  zu  erwecken  verstanden. 

Bei  der  Würdigung  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  von 
Sachs  muss  bedacht  werden,  dass  es  vor  ihm  eine  eigentliche 
Pflanzenphysiologie  kaum  gab;  die  Untersuchungen  von  Ingen- 
houss,  Saussure,  Liebig,  Boussingault  etc.  lieferten  nur  die 
ersten  Vorstellungen  über  die  stofflichen  Vorgänge  bei  der 
Ernährung  der  Pflanzen;  Sachs  musste,  wie  vorher  schon 
gesagt  worden  ist,  vielfach  erst  suchen,  wie  man  den  Vor- 
gängen in  der  Pflanze  durch  das  Experiment  beikommen  kann, 
und  er  musste  die  Apparate  zur  Verfolgung  derselben  ersinnen, 
wozu  er  ein  ganz  besonderes  Geschick  besass. 

Bei  seinen  ersten  vorher  erwähnten  Untersuchungen  über 
die  in  den  Keimpflanzen  abgelagerten  Stoffe  erkannte  er, 
dass  das  Stärkemehl  nicht  nur  eine  sekundäre  Einlagerung  im 
Chlorophyll  ist,  sondern  dass  es  das  erste  sichtbare  Produkt 
des  unter  dem  EinflĂĽsse  des  Lichtes  und  der  Mitwirkung 
des  Chlorophylls  stattfindenden  Aufbaues  aus  den  einfachsten 
chemischen  Verbindungen  darstellt;  es  wird  von  hier  aus  zu 
den  wachsenden  Knospentheilen  und  zu  den  Reserve  auf- 
speichernden Geweben  geführt.  Er  hat  sich  später  nochmals 
mit  der  Entstehung  des  Stärkemehls  beschäftigt  und  eine  ein- 
fache Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  desselben  mittelst 
der  Jodprobe  angegeben. 

Als  Frucht  seiner  Thätigkeit  an  der  laudwirthschaftlichen 
Akademie  war  es  ihm  gelungen.  Landpflanzen  ohne  Mithilfe 
der  Erde  in  wässerigen  Nährlösungen  zu  kultiviren  und  keim- 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Julius  Sachs.  483 

fiihige  Samen  daraus  zu  erhalten.  Obwohl  anfangs  die  Be- 
deutung dieser  Versuche  nicht  genĂĽgend  erkannt  wurde  und 
namentlich  Knop  sie  in  ungerechter  Weise  angriff,  ja  selbst 
Nägeli  sie  hämischer  Weise  als  „agrikultur- chemische"  be- 
zeichnete, so  haben  sie  doch  wichtige  AufschlĂĽsse  ĂĽber  die 
Ernährung  der  Pflanzen  gebracht:  sie  zeigten  namentlich, 
welche  Mineralbestandtheile  zum  Gedeihen  der  Pflanzen  noth- 
wendig  sind  und  dass  ohne  dieselben  kein  Aufbau  der  com- 
plizirten  Kohlenstoff- Verbindungen  stattfindet. 

Daran  reihten  sich  seine  eingehenden  Versuche  ĂĽber  die 
Bedeutung  des  Chlorophylls  fĂĽr  die  synthetischen  Prozesse  in 
der  Pflanze  an.  Dieser  grüne  Farbstoff  ist  nach  ihm  die  Stätte, 
wo  die  Abscheidung  des  Sauerstoffs  aus  dem  aufgenommenen 
Wasser  und  der  Kohlensäure  und  die  Bildung  höherer  sauer- 
stoffiirmerer  Kohlenstoff- Verbindungen  stattfindet.  Dabei  wurde 
auch  die  seit  Liebig's  verwerfender  Meinung  nur  wenig  beachtete 
Bedeutung  der  Sauerstoff-Athmung  der  Pflanze  klar  gestellt, 
dass  dieses  Gas  fĂĽr  das  Leben  der  Pflanze  ebenso  nothwendig  ist 
wie  fĂĽr  das  des  Thieres,  indem  es  Zersetzungen  unter  Bildung 
von  Kohlensäure  und  Wasser  bedingt  und  kinetische  Energie 
(Wärmebewegung)  für  die  Vorgänge  in  der  Pflanze  liefert. 

Weitere  Untersuchungen  brachten  das  erste  VerständnLss 
der  Thätigkeit  und  der  Funktion  der  Wurzeln,  deren  Ausgang 
die  Beol)achtung  war,  dass  polirte  Marmorplatten  durch  die 
Wurzeln  corrodirt  werden. 

Von  grundlegender  Bedeutung  sind  seine  mikroskopischen 
und  mikrochemischen  Arbeiten  ĂĽber  die  Wanderungen,  die 
chemischen  Veränderungen  und  den  Verbrauch  der  Reserve- 
stoffe  bei  dem  Wachsthum  der  Organe. 

Sachs  wandte  sich  darnach  anderen  Aufgaben  zu:  dem 
EinflĂĽsse  der  Temperatur  und  des  Lichtes  auf  das  Wachsthum 
der  Pflanze. 

Er  beschäftigte  sich  viel  mit  der  Untersuchung  der  drei 
sogenannten  Cardinalpunkte  der  Temperatur,  dem  Minimum, 
Optimum  und  Maximum  derselben,  und  stellte  fest,  nach  welchen 
Gesetzen  die  Keimung  von  der  Temperatur  abhängig  ist,  dann 


484  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  März  1698. 

dass  eine  bestimmte  Temperatur  für  das  Ergrünen  höherer 
Pflanzen  nothwendig  ist,  und  dass  es  fĂĽr  reizbare  Organe  eine 
vorübergehende  Kälte-  und  Wärmestarre  gibt. 

Von  besonderer  Tragweite  sind  die  eingehenden  Unter- 
suchungen ĂĽber  die  Wirkung  des  Lichtes  auf  die  Pflanze:  auf 
die  Neubildung  und  die  Entfaltung  der  Zellen  und  verschie- 
dener Organe.  Es  wurde  dargethan,  dass  das  Licht  die  Neu- 
bildung der  Wurzeln  direkt  begĂĽnstigen  kann,  dass  es  auf  die 
Blüthenbildung  unter  Vermittlung  der  Laubblätter  von  Ein- 
fluss  ist,  indem  in  den  letzteren  im  Lichte  die  Stoffe  gebildet 
werden,  welche  zur  Entstehung  der  Blüthe  nöthig  sind.  Die 
belaubten  Pflanzen  fahren  nach  ihm  im  Finstern  fort,  Stamm- 
theile  und  Blätter  zu  produziren,  aber  in  abnormer  als  Ver- 
geilung  oder  Etiolement  bezeichneter  Gestaltung.  —  Bei  dem 
Studium  der  Wirkung  des  verschiedenfarbigen  Lichtes  zeigte 
es  sich,  dass  nicht,  wie  man  hätte  denken  sollen,  die  chemisch 
wirksamen  violetten  Strahlen,  sondern  die  rothgelben  es  sind, 
welche  vorzĂĽglich  das  ErgrĂĽnen  und  die  Zerlegung  der  Kohlen- 
säure hervorrufen,  dass  dagegen  die  blauen  und  die  sichtbaren 
violetten  Strahlen  als  Bewegungsreize  wirken  und  die  ultra- 
violetten in  den  grünen  Blättern  die  blüthenbildenden  Stoffe 
erzeugen. 

Eine  Anzahl  von  Abhandlungen  beschäftigen  sich  mit  den 
Ursachen  der  Saftbewegung  in  den  Pflanzen,  die  er  im  Wesent- 
lichen von  Lnbibitionsvorgängen  ableitete.  Seine  Anschauungen 
in  dieser  Richtung  erlitten  zwar  manche  Anfechtung,  aber  er 
hat  doch  dabei  jedenfalls  werthvoUe  Thatsachen  gefunden,  in- 
dem er  die  Bedingungen  der  Transspiration  und  ihre  Bedeutung 
fĂĽr  das  Leben  der  Pflanzen  feststellte,  dann  den  Einfluss  der 
physikalischen  und  chemischen  Beschaffenheit  des  Bodens  auf 
dieselbe,  sowie  die  hemmende  Wirkung  von  Salzlösungen  und 
der  Kälte.  Zur  Messung  der  Geschwindigkeit  des  Trans- 
spirationsstromes  bediente  er  sich  der  Lithiummethode,  bei 
welcher  die  Pflanzen  mit  Lithium  begossen  werden  und  das- 
selbe dann  spectroscopisch  in  den  einzelnen  Pflanzentheilen 
aufgesucht  wird. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Julius  Sachs.  485 

Zur  feineren  Erkennung  der  Wachsthums-Erscheinungen 
und  der  Reizbewegungen  wendete  er  sein  Auxanometer  an,  djis 
diese  Bewegungen  auf  eine  berusste  Fläche  selbst  registrirt. 
Er  untersuchte  damit  die  grossen  Wachsthumsperioden  und 
deren  Faktoren,  namentlich  auch  der  Wurzeln  im  Boden. 

Viel  beschäftigten  ihn  die  Tropismen.  Er  verfolgte  die 
Erscheinungen  des  sogenannten  Heliotropismus  und  des  Geo- 
tropismus, d.  i.  die  Bichtungsbewegungen  oder  KrĂĽmmungs- 
bewegungen der  Pflanze,  welche  durch  einseitige  Wirkung  des 
Lichtes  oder  der  Schwerkraft  hervorgerufen  werden,  die  er 
mit  einem  besonderen  Drehapparate,  dem  KHnostaten,  auf- 
zeichnen lehrte.  Er  erkannte  femer  als  Reiz  auf  die  Wurzel, 
durch  den  eine  KrĂĽmmungsbewegung  hervorgebracht  wird,  eine 
DiflFerenz  im  Wassergehalt  der  Luft  (Hydrotropismus);  diese 
psychrometrischen  Bewegungen  studirte  er  mittelst  eines  allge- 
mein dazu  angewendeten  einfachen  Apparates,  den  er  das  hängende 
Sieb  nannte. 

Es  folgten  Abhandlungen  ĂĽber  die  Beziehungen  zwischen 
Zellbildung  und  Wachsthum,  ĂĽber  die  Beziehungen  der  Zellen- 
anordnung zum  Wachsthum,  wobei  ihm  das  letztere  das  be- 
stimmende fĂĽr  das  erstere  zu  sein  scheint;  ĂĽber  den  Zusammen- 
hang zwischen  Struktur  und  Richtung  der  Organe  (orthotrope 
und  plagiotrope  Pflanzentheile). 

In  den  letzten  Jahren  liebte  er  es,  in  den  physiologischen 
Notizen  aus  dem  Schatze  seiner  Erfahrungen  weitere  SchlĂĽsse 
zu  zielien  und  tiefere  Vorstelhmgen  ĂĽber  das  Pflanzenleben  zu 
gewinnen;  dabei  wurde  er  auch  zu  dem  BegriiFe  der  Energide 
geführt,  den  er  in  Folge  der  völligen  Verschiebung  des  Be- 
griiFes  der  Zelle  aufstellte. 

Es  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  Sachs,  wie  die  meisten 
hervorragenden  Biologen,  den  Darwinismus  nicht  als  richtig 
anzuerkennen  vermochte.  Er  war  wohl  ein  Anhänger  der 
Descendenzlehre,  aber  die  Erklärung  der  alleinigen  Entwick- 
lung durch  Anpassung  an  das  Zweckmässige  im  Sinne  Darwins 
hielt  er  fĂĽr  verfehlt. 


486  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  März  1898, 

Aber  nicht  nur  durch  die  Auffindung  wichtiger  That- 
sachen  und  fruchtbarer  Gedanken  hat  Sachs  die  Botanik  be- 
reichert, sondern  auch  durch  seine  klassischen  Werke  der  Botanik. 
In  denselben  ist  das  pflanzen-physiologische  Wissen  sorgfältigst 
gesammelt,  unparteiisch  ausgewählt  und  wahrhaft  meisterhaft 
dargestellt;  sie  geben  ein  klares  Bild  der  Entwickelung  der 
Pflanzenphysiologie  seit  dem  Jahre  1865. 

In  Folge  seiner  Vorträge  in  landwirthschaffclichen  Ver- 
sammlungen fĂĽhlte  er,  da  er  Alles  ernst  nahm,  das  BedĂĽrfniss, 
die  frĂĽheren  Arbeiten  in  der  Pflanzenphysiologie  genauer  kennen 
zu  lernen;  er  ersah  dabei,  dass  es  an  einem  Handbuche  der 
physiologischen  Botanik  fehlt,  in  dem  die  vielen  zerstreuten 
Erfahrungen  zusammengefasst  sind.  Er  schlug  daher  Hof- 
meister vor,  mit  ihm  ein  solches  Werk  herauszugeben,  in  dem 
er  (1865)  die  Experimental- Physiologie  der  Pflanze  zu  be- 
arbeiten hatte. 

Diesem  werth vollen,  mit  grossem  Beifall  aufgenommenen 
Werke  folgte  (1868)  das  vortreffliche  Lehrbuch  der  Botanik  mit 
den  von  ihm  selbst  gezeichneten  unĂĽbertroffenen  Abbildungen. 
Die  Schleiden'schen  GrundzĂĽge  der  Botanik  waren  veraltet  und 
es  war  ein  Buch  nothwendig,  aus  dem  der  Studirende  und  der 
Forscher  nicht  nur  das  botanische  Wissen  entnehmen  konnte, 
sondern  in  dem  er  auch  die  Probleme  und  Ideen  der  Forschung 
fand.  Er  hat  durch  dieses  in  4  Auflagen  erschienene  Lehrbuch 
einen  grossen  Einfluss  auf  die  Ausbreitung  des  botanischen 
Wissens  ausgeĂĽbt  und  darin  die  Lehren  anderer  Forscher, 
z.  B.  von  Nägeli  und  Hofmeister  für  weitere  Kreise  verständ- 
lich gemacht. 

Aus  dem  Lehrbuch  entwickelten  sich  später  (1882)  die 
Vorlesungen  ĂĽber  Pflanzenphysiologie,  die  wegen  ihrer  allge- 
mein verständlichen  fesselnden  Darstellung  der  interessanten 
Vorgänge  in  der  Pflanze  von  den  Studirenden  und  dem  ge- 
bildeten Publikum  vielfach  benĂĽtzt  wurden. 

Endlich  muss  noch  besonders  hervorgehoben  werden  seine 
Bearbeitung  der  Geschichte  der  Botanik,  durch  welche  er  mit 


C  Voit:  Nekrolog  auf  Edward  DrinJcer  Cape,  487 

unserer  Akademie  in  engere  Verbindung  kam.  Von  der  der 
Akademie  angegliederten  historischen  Kommission,  welche  die 
Geschichte  der  Wissenschaften  in  Deutschland  herausgibt,  ĂĽber- 
nahm er  nach  Nägeli's  Rücktritt  die  Geschichte  der  Botanik. 
Es  konnte  dazu  wohl  kein  Besserer  gefunden  werden.  Mit 
gewohntem  Fleisse  und  strenger  Gewissenhaftigkeit  sichtete  er 
das  Material  und  suchte  er  die  Entstehung  der  Thatsachen 
und  der  Ideen  festzustellen  und  die  allmähliche  Entwickelung 
derselben  zu  verfolgen.  Dabei  galt  ihm  nicht  deqenige,  welcher 
die  Thatsachen  sammelte,  als  der  Fruchtbarere  fĂĽr  die  Wissen- 
schaft, sondern  der,  welcher  die  Thatsachen  fĂĽr  allgemeine 
Schlussfolgerungen  zu  verwerthen  wusste.  Er  gestand  zu,  dass 
das  derartige  Studium  der  Geschichte  ihn  gelehrt  habe,  den 
Werth  mancher  Richtung  und  Leistung  anders  zu  schätzen 
als  vorher. 

Die  rastlose  Arbeit  hat  die  Gesundheit  von  Sachs  er- 
schĂĽttert und  seinem  Leben  vor  der  Zeit  ein  Ende  gemacht; 
er  war  in  Wahrheit  ein  Kämpfer  für  die  Wissenschaft,  der  er 
mit  so  grossem  Erfolge  alle  seine  Kräfte  geweiht  hatte. 

Edward  Drinker  Cope. 

Das  «am  12.  April  1897  in  Philadelphia  im  56.  Lebens- 
jahre verstorbene  correspondirende  Mitglied  der  Classe  Edward 
Drinker  Cope  war  ein  hervorragender  Zoologe  und  Paläontologe 
und  zählte  zu  den  fruchtbarsten  und  ideenreichsten  Natur- 
forschern Nord-Amerika's. 

Cope  entstammte  einer  der  ältesten  und  angesehensten 
Kaufmaims-Familien  der  Stadt  Philadelphia,  woselbst  er  am 
28.  Juli  1840  zur  Welt  kam.  Nachdem  er  den  ersten  Unter- 
richt von  einem  Privatlehrer  erhalten  hatte,  trat  er  in  die  alte, 
1749  gegründete  Pennsylvania-Universität  seiner  Vaterstadt  ein. 
Von  frĂĽh  an  zeigte  er  eine  grosse  Vorliebe  zu  den  beschreiben- 
den Naturwissenschaften,  besonders  zur  Zoologie;  häufig  be- 
suchte er  die  Sammlungen  der  naturwissenschaftlichen  Akademie, 
wo  er  auch  als  19  jähriger  Jüngling  seine  erste  Untersuchung 


488  Oeffentliche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

ĂĽber  die  Classifikation  des  Salamanders  machte.  Durch  die 
grossen  Sammlungen  angelockt,  begab  er  sich  dann  auf  ein 
Jahr  an  die  Smithsonian  Institution  in  Washington,  deren 
Reptilien  er  studirte,  wonach  er  wieder  während  drei  Jahren 
an  der  Akademie  zu  Philadelphia  arbeitete.  Auf  einer  Studien- 
reise nach  Europa  bildete  er  sich  in  der  vergleichenden  Ana- 
tomie weiter  aus,  namentlich  an  den  reichhaltigen  Museen  zu 
London  und  Wien. 

In  solcher  Weise  trefflich  vorbereitet,  wurde  er  nach  der 
RĂĽckkehr  in  die  Heimath  zum  Professor  fĂĽr  vergleichende 
Zoologie  und  Botanik  am  Hareford- College  in  Philadelphia 
ernannt;  später  wurde  er  Professor  der  Geologie  und  Paläon- 
tologie an  der  dortigen  Universität  und  Präsident  der  Akademie 
der  Naturwissenschaften  daselbst.  Er  war  auch  Herausgeber 
der  angesehenen  Monatsschrift:   „Americain  Naturalist". 

Im  Anfang  beschäftigten  sich  seine  Untersuchungen  mit 
der  systematischen  Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie  noch 
jetzt  lebender  Thiere,  indem  er  die  Schlangen  und  Eidechsen 
von  Nord- Amerika  klassifizirte  und  eine  mustergiltige  Synopsis 
der  Batrachier  und  Reptilien  und  auch  der  SĂĽsswasser-Fische 
von  Nord-  und  SĂĽd-Amerika  gab.  Namentlich  die  letzteren 
Arbeiten  mĂĽssen  als  Vorbilder  in  dieser  Richtung  bezeichnet 
werden,  wodurch  die  älteren  Systeme  verdrängt  wurden;  er 
hatte  zu  diesem  Zwecke  die  herrliche  Sammlung  der  von  Hyrtl 
hergestellten  Fischskelette  mit  600  Arten  angekauft,  welche  an 
Schönheit  nur  durch  Conrad  Will's  Darstellungen  in  unserer 
zoologischen  Sammlung  ĂĽbertroffen  wird.  Auch  seine  Unter- 
suchungen der  Höhlen-Fauna,  besonders  der  Knochenhöhle  zu 
Port  Kennedy,  gaben  wichtige  Resultate.  Es  handelte  sich 
dabei  nicht  wie  früher  so  häufig  blos  um  Beschreibungen  der 
äusseren  Formen  dieser  Thiere,  sondern  um  morphologische 
und  vergleichend -anatomische  Untersuchungen  aller  Organe, 
besonders  der  Skelette.  Durch  seine  mit  unermĂĽdlicher  Ausdauer 
gesammelten  Kenntnisse  der  einzelnen  Formen,  sowie  durch 
seine  eminente  Beobachtungs-  und  Unterscheidungsgabe  war 
er  ausgerĂĽstet,  die  Bedeutung  dieser  Formen  zu  erkennen  und 


C  Voit:  Nekrolog  auf  Edward  Drinker  Cope.  489 

im  XJeberblick  ĂĽber  grosse  Gruppen  derselben  allgemeine  Schluss- 
folgerungen zu  ziehen. 

Von  der  grössten  Bedeutung  sind  aber  die  Arbeiten  Cope 's 
auf  dem  Gebiete  der  Paläontologie  der  fossilen  Wirbelthiere. 
Die  Entdeckung  der  kolossalen  Ablagerungen  vergangener  Thier- 
forraen  in  den  Schichten  der  Erde  von  Amerika  hat  ihn  zu 
diesen  fruchtbaren  Studien  gefĂĽhrt,  wozu  er  durch  seine  ein- 
gehenden Kenntnisse  des  Skelettes  der  rezenten  Formen  in 
besonderem  Grade  befiihigt  war,  ohne  welchen  Wissensschatz 
er  niemals  in  der  Paläontologie  so  weit  hätte  vordringen  können. 

Zunächst  untersuchte  er  die  in  den  Mergelgruben  von  New 
Jersey  gefundenen  Reptilien  (Dinosauren);  dann  die  Miocän- 
Fauna  von  Maryland  und  Virginien,  und  die  von  der  Ohio 
geological  Society  ihm  anvertrauten  Funde.  Seine  Synopsis 
der  ausgestorbenen  Batrachier,  Reptilien  und  Vögel  Amerika's 
(1870)  erregte  sowohl  wegen  des  fast  vollkommen  unbekannten 
Stoffes  als  auch  wegen  der  darin  niedergelegten  neuen  Ideen 
grosses  Aufsehen.  Durch  diesen  Erfolg  angespornt,  verwendete 
Cope  seine  damals  sehr  bedeutenden  Privatmittel  auf  die 
paläontologische  Durchforschung  der  westlichen  vereinigten 
Staaten  und  Territorien.  Die  vergrabene  wunderbare  Fauna 
westlich  des  Mississippi  war  nur  wenig  bekannt;  Cope  hat 
mit  deren  genauer  Untersuchung  der  Paläontologie  ein  neues 
Feld  eröffnet  und  neue  Anschauungen  über  die  Thierformen 
auf  der  Erde  angebahnt.  Er  brachte  aus  den  KreidebrĂĽchen 
des  westlichen  Cansas  die  Riesenreptilien  ans  Licht;  beutete 
die  berühmten  Fundstätten  fossiler  Säugethiere  und  Reptilien 
im  Eocän  vom  Green  River  in  Wyoming  und  in  den  Tertiär- 
bildungen von  Colorado  aus,  und  legte  als  Mitglied  der 
Wheeler'schen  Expedition  reiche  Sammlungen  aus  Nevada, 
Arizona,  Colorado  und  Neu-Mexiko  an.  Auf  diese  Weise  und 
durch  Ankauf  von  Objekten  aus  anderen  Welttheilen  bekam 
er  eine  Sammlung  der  fossilen  Wirbelthiere,  welche  an  Mannig- 
faltigkeit und  Ausdehnung  nicht  ĂĽbertroffen  wird. 

Gleichzeitig  mit  Cope  Hess  unser  auswärtiges  Mitglied 
Marsh  in  New  Haven  die  Fundstätten  von  Dakotah,  Wyoming, 


490  OeffentUche  Sitzung  vom  15.  März  1898. 

Colorado  und  Oregon  ausbeuten,  mit  deren  Ergebnissen  er  seine 
vielbewunderte  Reihe  von  Publikationen  eröffnete.  Es  entspann 
sich  nun  zwischen  den  beiden  ebenbĂĽrtigen  Rivalen  ein  nicht 
immer  in  friedlichster  Weise  gefĂĽhrter  Wettstreit,  in  dem  mit 
fast  fieberhafter  Energie  gearbeitet  wurde.  Beide  Forscher 
brachten  von  den  theils  auf  eigene,  theils  auf  öffentliche  Kosten 
ausgerĂĽsteten  Expeditionen  nach  dem  fernen  Westen  Monate 
lang  in  den  unwirthlichsten  und  gefährlichsten  Theilen  der 
Indianer-Gebiete  zu.  Die  dabei  gewonnenen,  in  Philadelphia 
und  New  Haven  befindlichen  Sammlungen  fossiler  Wirbelthiere 
und  die  darauf  basirten  Abhandlungen  von  Cope  und  Marsh 
haben  eine  vollständige  Umgestaltung  der  bis  dahin  herrschen- 
den Ansichten  ĂĽber  die  Mannigfaltigkeit,  Organisations-  und 
Verwandtschafts- Verhältnisse  der  fossilen  Vertebraten  herbei- 
gefĂĽhrt. Cope  hat  die  Bearbeitung  des  Materials  und  die 
Ausarbeitung  seiner  Werke  ganz  allein  besorgt;  er  hat  dabei 
über  1000  Spezies  fossiler  Säugethiere  genau  beschrieben  und 
ihre  Stellung  und  Verwandtschaft  dargelegt. 

Von  den  diese  Funde  darlegenden  Abhandlungen  ist  vor 
allen  zu  nennen  sein  grosses  Werk:  „Vertebrata  of  tho  ter- 
tiary  formation  of  the  West**,  welches  eine  Uebcrsicht  der 
gesammten  tertiären  Wirbelthiere  Nord-Amerika's  liefert  und 
den  wunderbaren  Reichthum  des  amerikanischen  Westens  an 
fossilen  Vertebraten  schildert.  Es  bildet  eine  der  wichtigsten 
literarischen  Quellen  der  Paläontologie  und  hat  für  Amerika 
wohl  die  Bedeutung  erlangt,  welche  Cuvier's  „Recherches  sur 
les  Ossements  fossiles**  seiner  Zeit  fĂĽr  Europa  besassen. 

Aus  ihm  geht  die  zeitliche  Aufeinanderfolge  der  ver- 
schiedenen Formenreste  der  Wirbelthiere  hervor,  sowie  die  fort- 
schreitende Entwicklung  der  Säugethiere  in  grossen  Zeiträumen, 
besonders  die  der  merkwürdigen  Faunen  der  ältesten  eocänen 
Puerco-Wasatch-  und  Bridges-Schichten  mit  den  bisher  unbe- 
kannten Sippen  von  Hufthieren. 

Der  Schwerpunkt  der  wissenschaftlichen  Arbeit  Cope's 
ruht  in  seinen  genauen  Einzelstudien;  aber  es  ist  bei  seinem 
Geiste   nicht  zu  verwundern,   dass  er  durch  dieselben  auch  zu 


C,  VoU:  Nekrolog  auf  Edward  Drinker  Cope.  491 

allgemeinen  Schlussfolgerungen  auf  dem  Gebiete  der  Biologie 
gelangte:  zu  Betrachtungen  ĂĽber  den  Ursprung  der  Arten,  ĂĽber 
den  Ursprung  des  Menschen  und  der  Wirbelthiere,  ĂĽber  die 
Entwickelung  des  pflanzlichen  und  thierischen  Lebens  in  Nord* 
Amerika.  Namentlich  seine  Studien  ĂĽber  die  fĂĽnfzehigen  Huf- 
thiere  und  über  den  Bau  der  Säugethierzähne  hatten  ihn  zu 
einem  Anhänger  der  Lehre  von  der  Entwickelung  gemacht. 
Jedoch  sprach  er  es  schon  in  seinen  frĂĽhesten  Arbeiten  aus, 
dass  er  die  natĂĽrliche  Zuchtwahl  und  das  Ueberleben  des  Yor- 
theilhaftesten  im  Kampf  ums  Dasein  nach  Darwin  nicht  als 
die  Ursache  des  Ursprungs  der  Arten  und  der  höheren  Thier- 
klassen  anseilen  könne;  man  vermöge  aus  diesem  Prinzip  nicht 
den  Beginn  jener  Veränderungen  zu  erklären,  dasselbe  könne 
vielmehr  erst  zur  Wirksamkeit  gelangen,  nachdem  die  Ver- 
änderungen schon  vorhanden  sind,  um  solche,  welche  für  den 
Organismus  am  vortheilhaftesten  sich  erweisen,  fortzusetzen  und 
zu  erhalten.  Die  älteren  Anschauungen  von  Lamarck  und  von 
Erasmus  Darwin,  dem  Grossvater  von  Charles  Darwin,  ĂĽber  die 
Anpassung  schienen  ihm  viel  besser  die  Vorgänge  zu  erklären. 
Nach  Lamarck  hat  die  Natur  zunächst  die  einfachsten  Organi- 
sationen der  Thiere  und  der  Pflanzen  hervorgebracht,  mit  der 
Tendenz  oder  Möglichkeit  sich  zu  höheren  Formen  zu  ent- 
wickeln, während  die  mannigfaltigen  Lebensbedingungen  all- 
mählich Abweichungen  in  der  Struktur  hervorrufen.  Die  zweck- 
mässigen Eigenschaften  entstehen  dadurch,  dass  das  Bedürfniss 
als  Ileiz  wirke  und  Handlungen  zu  seiner  Befriedigung  ver- 
anlasse, wodurch  dann  bestimmte  Organe  durch  den  Gebrauch 
und  Nichtgebrauch  ausgebildet  werden,  welche  sich  auf  die 
Nachkommen  vererben.  Indem  Cope  diese  allerdings  ebenfalls 
nicht  ausreichende  Theorie  durch  Thatsachen  aus  den  fossilen 
Thierformen  zu  unterstĂĽtzen  suchte,  wurde  er  der  BegrĂĽnder 
der  amerikanischen  Neu-Lamarckischen  Schule. 

Später  wendete  er  sich  auch  den  schwierigen  Problemen 
der  psychischen  Erscheinungen,  des  Ursprungs  der  Intelligenz, 
der  Entwickelung  der  Ethik,  zu.  Er  sprach  sich  darin  gegen 
einen   ausschliesslichen  Materialismus   aus  und  bekundete  sich 

1898.   SiUungBb.  <L  math.-phya.  CL  32 


492  Oeffentliche  SiUumj  vorn  15.  März  1898, 

als  Anhänger  einer  idealen  Lebensanschauung,  welche  stets 
das  Beste  hoffte. 

Er  war  ein  ĂĽberzeugungstreuer  Mann,  der  nur  nach  dem 
handelte,  was  er  fĂĽr  Recht  oder  Unrecht  hielt  und  bei  seinem 
Urtheil  über  die  Menschen  ausschliesslich  Beföhigung  und  nicht 
seine  Neigungen  berĂĽcksichtigte.  Im  Streben  nach  der  Wahr- 
heit war  er  gerne  bereit,  einen  erkannten  Fehler  einzugestehen. 

Cope  genoss  nicht  nur  wegen  seiner  umfassenden  Kennt- 
nisse, sondern  auch  wegen  der  Genialität,  mit  der  er  schwierige 
vergleichend-anatomische  und  paläontologische  Probleme  zu 
behandeln  verstand,  das  grösste  Ansehen  in  wissenschaftlichen 
Kreisen  und  sein  Einfluss  wird  noch  lange  Zeit  in  seinem  Fache 
maassgebend  bleiben. 

Legrand  Alfred  Louis  OUivier  Des  Cloizeaux. 

Am  6.  Mai  1897  ist  zu  Paris  das  correspondirende  Mit- 
glied der  Classe,  der  berĂĽhmte  Mineraloge  Legrand  Alfred 
Louis  Ollivier  Des  Cloizeaux   im  80.  Lebensjahre  gestorben. 

Am  17.  Oktober  1817  zu  Beauvais  im  französischen  Depar- 
tement Oise  geboren,  widmete  er  sich  nach  Beendigung  seiner 
klassischen  Studien  der  Mineralogie  und  Geologie.  Er  unter- 
nahm zu  seiner  weiteren  Ausbildung  in  diesen  Wissenschaften 
ausgedehnte  Reisen  in  England,  Deutschland,  Oesterreich,  Kuss- 
land, Spanien,  Italien,  der  Schweiz,  Skandinavien  und  Island, 
woselbst  er  das  GlĂĽck  hatte,  einem  Ausbruch  des  Hekla  im 
Jahre  1845  beiwohnen  zu  können.  Ueberall  wurden  von  ihm 
die  Sammlungen  besucht  und  eifrig  studirt. 

Seine  krystallographischen  Untersuchungen  machten  seinen 
Namen  bald  bekannt.  Er  wurde  im  Jahre  1858  als  Repetitor 
an  der  Ecole  Normale  angestellt,  1869  wählte  ihn  die  Acadt^mie 
des  Sciences  zu  ihrem  Mitgliede  und  1889  zu  ihrem  Präsidenten, 
imd  seit  1870  war  er  Professor  der  Mineralogie  an  der  Sorbonne. 

Des  Cloizeaux  hat  vorzĂĽglich  die  durch  die  Ent Wicke- 
lung der  Physik  neu  gewonnenen  feinen  Methoden  zur  Unter- 
suchung der  physikalischen  Eigenschaften  der  Krystalle  in  die 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Alfred  Louis  Olli  der  Des  Cloizeaux.     493 

Mineralogie  eingefĂĽhrt.  Er  hat  dadurch  die  damals  herrschende, 
rein  chemische  AuflFassung  der  Mineralien,  nach  der  ein  Mineral 
bei  gleicher  chemischer  Zusammensetzung  auch  der  gleichen 
Spezies  angehören  müsse,  beseitigt. 

Seine  ausserordentlich  sorgfaltigen  Untersuchungen  ĂĽber 
die  optischen  Eigensch<aften  der  Mineralien,  wobei  er  insbe- 
sondere deren  Verhalten  zum  polarisirten  Licht  prĂĽfte  und  ĂĽber 
die  er  seine  ersten  Erfahrungen  im  Jahre  1857  in  dem  Werke: 
„de  Temploi  des  proprietes  optiques  en  Mineralogie**  veröffent- 
licht, hatten  ihn  gleich  in  die  erste  Reihe  der  Krystallographen 
gestellt.  Seitdem  werden  neben  den  Messungen  der  Flächen 
und  Winkel  stets  auch  die  optischen  Erscheinungen  der  Krystalle 
als  nothwendig  zur  Kenntniss  eines  Krystalls  erachtet. 

Die  1861  erschienenen  lefons  de  Cristallographie  trugen 
zur  Befestigung  dieser  Auffassung  wesentlich  bei. 

Besonders  wichtig  ist  sein  Handbuch  der  Mineralogie 
(1862—1874)  geworden.  Es  ist  dies  kein  gewöhnliches  Hand- 
buch, sondern  eine  ganz  selbständige  Bearbeitung  aller  älteren 
sowie  seiner  eigenen  Erfahrungen  in  der  Mineralogie,  welche 
fĂĽr  alle  Mineralogen  ein  unentbehrlicher  FĂĽhrer  geworden  ist. 
Die  noch  ungenĂĽgend  bekannten  Mineralspezies  wie  die  des 
Quarzes,  des  Feldspaths,  des  Gypses,  des  Zinnobers  etc.  wurden 
darin  von  ihm  vervollständigt. 

Im  Jahre  1875  erschien  seine  grosse  Zusammenfassung  der 
optischen  und  krystallographischen  Eigenschaften  der  Mineralien. 
In  unablässiger  Arbeit  hat  er  die  optischen  Eigenschaften  aller 
durchsichtigen  Mineralien  bestimmt  und  dadurch  einen  beson- 
deren Zweig  der  Mineralogie  geschaffen;  dieselbe  ist  durch  ihn 
in  die  Molekularphysik  eingetreten  und  nimmt  an  allen  ihren 
Anschauungen  ĂĽber  die  Constitution  der  Materie  Antheil. 

An  seinem  75.  Geburtstage,  an  dem  er  von  der  Professur 
am  Museum  d'Histoire  naturelle  zurĂĽcktrat,  widmeten  ihm  die 
Mineralogen  aller  Länder  eine  dankbare  Erinnerung  an  die 
von  ihm  empfangenen  Gaben  eine  werthvolle  Medaille  mit  der 
Widmung:  von  seinen  Bewunderern  und  seinen  Freunden. 


494  Oeifentli€he  Sitzung  vom  15,  März  1898. 

Er  war  auch  der  Gründer  und  langjährige  Präsident  der 
Soci^t^  Fran9aise  de  min^ralogie  sowie  der  Herausgeber  des 
Bulletins  derselben. 

Mit  Des  Cloizeaux  ist  ein  ächter  Gelehrter,  eine  Autorität 
in  seinem  Fache,  von  streng  religiöser  Gesinnung  dahingegangen ; 
sein  Name  wird  in  der  Geschichte  der  Mineralogie  und  Petro- 
graphie  als  einer  der  besten  genannt  werden. 


Berichtigungen 
zur  Abhandlnng  des  Herrn  S.  Kantor  in  den  Sitzongsberichten  1897  S.  367. 

Auf  p.  370  befindet  sich  in  Anmerkung  1)  nnter  dem  Texte  eine 
Erwähnung  zweier  Theoreme  in  §  6  der  Abhandlung  von  Herrn  Prof. 
Frobenius,  Cr.  J.,  Bd.  84:  ^lieber  lineare  Substitutionen  und  bilineare 
Formen",  wonach  diese  Theoreme  unrichtig  wftren.  Es  hat  dabei  eine 
Verwechslung  der  Collineationen  in  geometrischer  Interpretation  mit  den 
Matrixsjmbolen  oder  auch  der  Frobenius'schen  symbolischen  Bezeichnung 
stattgefunden.  Während  in  der  Matrixtheorie  Ä  und  B  vertauschbar 
sind,  nur  wenn  AB  =  BÄ^  sind  die  zwei  zugehörigen  Collineationen 
der  Geometrie  der  Lage  auch  dann  als  vertauschbar  anzusehen,  wenn 
nur  AB  =i  XBA  ist,  wo  X  einen  const-anten  Factor  bedeutet.  Jene 
algebraischen  Theoreme  bedĂĽrfen  also  keiner  Correctur. 

Auf  p.  380  Sicile  13  von  oben  muss  es  heissen  «niedere*  statt 
.höhere*. 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  6.  November  1898. 

1.  Herr  L.  Radlkofer  legt  die  erste  Lieferung  der  mit 
UnterstĂĽtzung  der  Akademie  von  Herrn  Privatdozenten  Dr. 
Hans  Solereder  herausgegebenen  systematischen  Anatomie 
der  Dikotyledonen  vor. 

2.  Herr  H.  Seeliger  ĂĽberreicht  den  auf  Kosten  der  Akademie 
gedruckten  HL  Band  der  neuen  Annalen  der  Sternwarte 
zu  MĂĽnchen. 

3.  Herr  K.  A.  v.  Zittel  bespricht  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  Alfred  Bergeat:  „Ueber  die  äolischen 
Inseln*,  geologisch  beschrieben.  Die  Abhandlung  ist  fĂĽr  die 
Denkschriften  bestimmt. 

4.  Herr  E.  v.  Lommel  legt  eine  Abhandlung  des  Professors 
der  Physik  an  der  technischen  Hochschule,  Herrn  Dr.  H.  Ebert: 
„Unsichtbare  Vorgänge  bei  elektrischen  Gasent- 
ladungen" vor. 


189&  SitEungflb.  d.  niAih.-phys.  Cl.  33 


497 


Unsichtbare  Vorgänge  bei  elektrischen  Gas- 
entladungen. 

Von  Hermann  Ebert.i) 

(ÜN^ffati/m  5,  No9tmb§r,) 

Es  ist  bekannt  und  auch  in  neuester  Zeit  wiederholt  zu- 
gestanden worden,  dass  die  mannigfaltigen  und  seltsamen  Er- 
scheinungen, welche  die  elektrischen  Entladungen  der  ver- 
schiedensten Art  in  verdĂĽnnten  Gasen  hervorrufen,  so  sehr  sie 
auch  namentlich  in  qualitativer  Hinsicht  variiert  und  geprĂĽft 
worden  sind,  doch  noch  immer  vollkommen  einer  Erklärung 
harren.  Gerade  über  die  typischsten  Momente  dieser  Phänomene, 
ĂĽber  den  Dunkelraum  an  der  Kathode,  die  Glimmlichtschicht, 
die  Anodensäule  mit  ihren  Schichtungen  sind  die  Ansichten 
durchaus  geteilt  und  einander  widersprechend.  Es  wird  daher 
die  Vermutung  wachgerufen,  dass  die  Gesamtheit  aller  der 
Erscheinungen,  .  welche  wir  an  den  Gasentladungen  direkt 
wahrnehmen,  noch  nicht  ausreicht,  um  sie  zu  erklären,  dass 
uns  bei  den  gewöhnlichen  Versuchsanordnungen  Eigentümlich- 
keiten   oder  Veränderungen    des    Gasinhaltes   selbst    entgehen, 

*)  Die  vorliegende  Arbeit  wurde  in  dem  physikalischen  Institut  der 
k.  technischen  Hochschule  zu  MĂĽnchen  vollendet,  nachdem  sie  in  dem 
physikalischen  Institut  der  Universität  Kiel  zum  grossen  Teil  fertig 
gestellt  war;  ausgefĂĽhrt  wurde  sie  mit  UnterstĂĽtzung  des  Elizabeth 
Thompson  science  fund  zu  Boston,  dessen  Sekretär  Herrn  Professor 
Minot,  sowie  dessen  Board  of  Trusties  auch  an  dieser  Stelle  wärmstens 
gedankt  sei;  desgleichen  bin  ich  meinem  Privatassistenten,  Herrn  In- 
genieur Dr.  M.  W.  Hoffmann  fĂĽr  seine  UnterstĂĽtzung  bei  dieser  Arbeit 
zn  Dank  verpflichtet. 

88  ♦ 


498         SUeung  der  math.-phys,  Glosse  vom  5.  November  1898. 

welche  doch  wesentlich  das  Zustandekommen  der  sichtbaren 
Phänomene  mit  bedingen.  Herr  E.  Warburg*)  hat  vor  kurzem 
auf  unsichtbare  Vorgänge  aufmerksam  gemacht,  welche  der 
sichtbaren  Funkenentladung  vorausgehen;  ich  glaube  durch  die 
folgenden  Versuche  zeigen  zu  können,  dass  durch  die  Gas- 
entladung selbst  der  Inhalt. des  gasverdĂĽnnten  Raumes 
direkt  nicht  wahrnehmbare  Veränderungen  erfährt, 
derart,  dass  das  Gas  unmittelbar  nach  dem  Einsetzen 
der  Entladung  andere  Eigenschaften  besitzt,  als  es 
vorher  hatte,  und  dass  diese  Veränderungen  auch 
nach  dem  Aufhören  der  eigentlichen  Entladung  selbst 
wenigstens  kurze  Zeit  nachdauern  und  bei  einer  Reihe 
rasch  aufeinander  folgender  Einzelentladungen  den 
Verlauf  derselben  mitbestimmen. 

Um  die  Natur  des  Gases  unmittelbar  nach  dem  Durch- 
gange der  Entladung  zu  untersuchen,  hätte  man  das  Gas  aus 
dem  Entladungsrohre  absaugen  und  dann  analysieren  oder  auf 
eventuelle  nachbleibende  Leitfähigkeit,  Jonisation  u.  s.  w.  in 
besonderen  Räumen  prüfen  können.  Hierbei  wären  aber  die 
in  verschiedenen  Teilen  der  Entladungsröhre  vorhandenen  Be- 
standteile vermischt  worden;  und  es  ist  besonders  charakteri- 
stisch, dass,  wie  die  folgenden  Versuche  zeigen,  das  Gas  augen- 
scheinlich in  den  verschiedenen  Teilen  der  Entladung  ver- 
schiedenartig verändert  wird.  Ferner  haben  die  negativen 
Resultate  derartiger  Absaugungsversuche  gezeigt,  dass  sich  die 
etwa  gebildeten  Jonen  schon  nach  sehr  kurzer  Zeit  an  den 
Elektroden  oder  den  ja  immer  mehr  oder  weniger  stark  elektro- 
statisch geladenen  Innenwänden  der  Entladungsröhren  festsetzen, 
also  nicht,  oder  nur  zum  verschwindend  kleinen  Teile  mit  dem 
Gase  zugleich  aus  dem  Rohre  entnommen  werden  können. 
Man  hat  gewisse  EigentĂĽmlichkeiten  (Leit^higkeit,  Potential- 
verteilung u.  s.  w.)  der  von  Entladungen  durchsetzten  Gassäulen 
mit  Erfolg  mittels  in  dieselben  eingesenkten  Metallsonden  unter- 


^)  ÂŁ.  Warburg,   Sitzungsber.  d.  k.  pr.  Akad.  d.  Wisa.  zu  Berlia, 
p.  223,  1896,  ebenda  Sitzung  vom  18.  Febr.  181)7,  Wied.  Ann.  62,  p.  386, 1897. 


H.  Ebert:  Gasentladungen,  499 

sucht;  fĂĽr  den  vorliegenden  Zweck  war  auch  diese  Methode 
nicht  zu  verwenden,  da  eine  in  die  Glimmlichtschicht  einge- 
tauchte Metallmasse,  so  klein  ihre  und  die  mit  ihr  verbundene 
Capacität  auch  ist,  sich  mit  einem  Dunkelraum  umhüllt,  also 
selbst  wieder  Kathode  zu  werden  scheint,  so  dass  es  schwer 
ist,  zu  entscheiden,  in  wie  weit  der  Zustand  an  dieser 
Secundärelektrode  übereinstimmt  mit  dem  Zustande  in  der 
primären  Entladungssäule,  wie  er  sich  an  demselben  Punkte 
herstellen  würde,  wenn  die  Sonde  nicht  vorhanden  wäre.  Es 
war  daher  notwendig,  die  Entladungssäule  selbst  zur  Prüfung 
der  durch  sie  hervorgerufenen  Zustände  im  Gase  zu  verwenden. 
Ich  erreichte  dies,  indem  ich  eine  Reihe  völlig  gleichartiger 
Entladungen  in  einem  genau  symmetrisch  gestalteten  Ent- 
ladungsrohre unmittelbar  auf  einander  folgend,  aber  abwechselnd 
von  entgegengesetzten  Seiten  her  auf  denselben  Gasraum 
wirken  Hess.  Es  zeigte  sich,  dass  das  Zeitintervall  von  ca. 
Viooo  bis  V»oo  Secunde  oder  noch  längerer  Dauer  genügte, 
um  eine  deutliche  Nachwirkung  der  ersten  Entladung  auf  die 
nachfolgende  zu  constaticren.  Um  möglichst  klar  zu  über- 
sehende Versuchsbedingungen  zu  haben,  wurden  nur  Ent- 
ladungsröhren der  einfachsten  Gestalt  verwendet:  meist  cylin- 
drische  Elöhren  mit  kreisplattenförmigen,  ebenen  Alurainium- 
scheiben  an  den  Enden.  Durch  diese  Röhren  sendete  ich  den 
durch  Transformation  genĂĽgend  hochgespannten  Strom  einer 
kleinen  Wechselstromniaschine  von  grosser  Wechselzahl  (Hoch- 
frequenzstrom). Zur  Stromerzeugung .  wurde  mir  von  Herrn 
Ingenieur  Hummel  in  MĂĽnchen  ein  schnell  laufender  kleiner 
vierpoliger  Umformer  zur  VerfĂĽgung  gestellt,  0  welcher,  mit 
Gleichstrom  von  etwa  1 7»  bis  2  Ampere  bei  64  Volt  beschickt, 
einen  W^echselstroiu  von  etwa  800 — 1000  Pol  wechseln  in  der 
Secunde  entnehmen  liLsst. 

In  Wiedemanns  Annalen  habe  ich  diesen  Generator  sowie 
den  benutzten  Transformator  und  die   zur  Messung  im  Hoch- 


*)  Herrn   Ingenieur   Hummel   spreche   ich   dafĂĽr  auch  an  dieser 
Stelle  meinen  besten  Dank  aus. 


500  Sitzung  der  nuUhrphys.  Glosse  vom  5,  November  1898, 

spannungskreise  verwendeten  Messinstrumente  eingehend  be- 
schrieben.^) 

In  den  folgenden  Tabellen  bedeutet 
p  den  Druck  des  Oases  in  den  Entladungsröhren  in  mm  Queck- 
silbersäule, 
d  die  Dicke  des  (Hittorfschen)  Kathodendunkelraumcs  in  mm, 
i  die  efifective  Stärke   des   das  Entladungsrohr   durchsetzenden 

hochfrequenten  Wechselstromes  in  Milliamperes, 
V  die  effective  Spannung  dieses  Hochspannungsstromes  an  den 
Elektroden  der  Röhren  in  Volt. 
Den  Tabellen  ist  noch  das  mit  E  bezeichnete  und  mit 
10'  multiplicierte  Produkt  E  =  iV  zugefĂĽgt  worden;  dasselbe 
wĂĽrde  die  dem  Rohre  zugefĂĽhrte  Wattleistung  darstellen,  wenn 
in  demselben  nicht  eine  erhebliche  Phasendifferenz  zwischen 
beiden  Grössen  infolge  der  Condensatorwirkung  des  Rohres 
aufträte.*)  Wie  aber  früher  nachgewiesen  wurde,  stellt  E  den 
Gang  des  Energieverbrauches  vollkommen  dar  und  auch  dieser 
bringt  die  im  Folgenden  zu  beschreibenden  Erscheinungen  sehr 
charakteristisch  zum  Ausdruck. 

1.  Gkmg  der  Erscheinungen  bei  abnehmendem  Drucke 
in    einfachen    cylindrischen   Entladungsrohren.    —    Das 

typische  Bild  des  hier  näher  zu  besprechenden  Phänomens 
wird  am  klarsten  bei  weiten  >  cylindrischen  Röhren  ohne  capil- 
lare  Verengungen,  Fig.  1,   erhalten;    EE  sind  die  Elektroden, 


j/ 


Fig.  1. 

Kreisscheiben  aus  Aluminiumblech  von  2,0  cm  Durchmesser. 
Dieselben  werden  von  angenieteten  kurzen  Stielen  11  aus  dickem 
Aluminiumdraht-  getragen,   die  mit  Platindrähten  leitend  ver- 

1)  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  65,  p.  761,  1898. 

2)  Vergl.  H.  Ebert,  a.  a.  0.,  p.  787. 


H,  Ebert:  OasenĂĽadungen,  501 

bunden  sind,  welche  in  die  Glaswand  eingeschmolzen  werden. 
Glasröhrchen  gg  bekleiden  die  Zuleitungen  bis  an  die  Platten 
heran.  Durch  das  seitliche  Rohr  b  stehen  die  Entladungsröhren 
mit  einer  Töpler-Hagenschen  Quecksilberpumpe  in  Verbindung, 
an  welche  ausserdem  ein  Mac  Leodscher  Druckmesser  Kahl* 
baumscher  Construction  und  die  Gasentwickelungsapparate  mit 
ihren  Trockenvorrichtungen  angeschlossen  sind.  Wird  durch 
eine  solche  Röhre  der  Hochfrequenzstrom  geschickt,  so  zeigt 
sich  stets  der  folgende  Verlauf:  Von  dem  Momente  an,  in  dem 
sich  beide  Elektrodenplatten  völlig  mit  den  Glimmlichtschichten 
tiberzogen  haben,  und  sich,  von  beiden  durch  den  sogenannten 
Faradajschen  Dunkelraum  getrennt,  die  Säule  des  Anoden- 
lichtes in  der  Mitte  schwebend  ausgebildet  hat,  ninmit  bei 
abnehmendem  Drucke  die  Stärke  des  die  Röhre  durchsetzenden 
Stromes  zu,  die  an  den  Elektroden  herrschende  Spannungs- 
dififerenz  ab.  Zugleich  mit  ihr  nimmt  das  Product  E  beider  ab. 
Dies  dauert  fort,  wenn  bei  fortgesetzter  Evacuation  die  Glimm- 
lichtstrahlen immer  länger  werden,  die  vor  ihren  Enden  liegen- 
den Faradayschen  Dunkelräume  immer  weiter  nach  der  Mitte 
zu  vorrĂĽcken,  die  unmittelbar  an  den  Elektrodenplatten  sich 
ausbildenden  Hittorfschen  Kathoden  dunkelräume  an  Dicke  d 
zunehmen.  In  dem  Momente  aber,  wo  die  Faradayschen 
Dunkelräume  und  die  vorderen  Enden  der  Glimmlicht- 
strahlen sich  in  der  Rohrmitte  begegnen,  —  einen 
Moment,  den  man  am  besten  in  einem  neben  dem  Rohre  auf- 
gestellten Drehspiegel  beobachtet,  welcher  die  zeitlich  auf  ein- 
ander folgenden  Entladungsbilder  räumlich  neben  einander 
legt,  —  tritt  stets,  bei  allen  Röhren  und  allen  Gasen,  eine 
üigentümliche  Umkehr  ein;  die  Stromstärke  vermindert  sich, 
gleichsam  als  ob  der  Wecliselstrom  abgeschnĂĽrt  (, gedrosselt**) 
würde,  dafür  erhöht  sich  die  Spannung,  sowie  die  Grösse  E, 
so  dass  für  den  entsprechenden  „Umkehrdruck**  die  i -Werte 
ein  Maximum,  die  F-  und  JB-Werte  ein  Minimum  aufweisen. 
Zugleich  treten  in  den  bis  dahin  ungeschichteten  Anoden- 
säulen deutliche  Lichtabsonderungen,  die  „Schichten*  mit  ihren 
dem  Drucke  und  der  Rohrweite  entsprechenden  Abständen  auf. 


502         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5.  November  1898. 

Schichten  bilden  sich  in  einem  Rohre  erfahrungsgemäss 
immer  dann  aus,  wenn  die  Anodensäule  zusammengeschnürt 
wird,  z.  B.  durch  EinfĂĽgen  von  capillaren  ZwischenstĂĽcken; 
jene  Begegnung  wirkt  also  in  dem  ĂĽberall  gleichweiten  Cylinder- 
rohre  wie  eine  Rohrverengung. 

Dass  zwei  gleichzeitig  auftretende  Glimmlichter  ver- 
schiedener Kathoden  ihrem  gegenseitigen  Eindringen  sowie  dem 
Eindringen  der  Anodensäule  einen  gewissen  Widerstand  ent- 
gegensetzen und  dadurch  die  Entladungsspannung  erhöhen,  ist 
bekannt;  gelegentlich  beobachtet  wurde  auch,  dass  der  Gang 
von  Stromstärke  und  Spannung  in  einem  Entladungsrohre  bei 
gleichgerichteten  Entladungen  bei  demselben  Drucke  sich 
umkehren  kann;  hier  ist  aber  zu  beachten,  dass  die  beiden 
Glimmlichter  zeitlich  nach  einander  ausgebildet  werden,  um 
Zeiten  verschieden,  welche  ausreichend  lang  sind,  um  das  Gas 
wieder  völlig  dunkel,  die  Entladung  gänzlich  unsichtbar  er- 
scheinen zu  lassen,  was  wiederum  am  besten  im  Drehspiegel 
constatiert  wird.  Ferner  ist  bemerkenswert,  dass  diese 
Umkehr  genau  an  den  Moment  gebunden  ist,  wo  die 
vordersten,  z.  T.  noch  ganz  unsichtbaren  Enden  der 
Glimmlichter  nach  einander  denselben  Raum  passieren. 

Wird  der  Druck  noch  weiter  erniedrigt,  so  sinkt  die  Strom- 
stärke i,  die  Spannung  V  und  U  steigen  völlig  regelmässig. 
Die  folgenden  Tabellen  mögen  den  Gang  der  Erscheinung  bei 
verschiedenen  Gasen  erläutern;  damit  die  Zahlen  mit  einander 
vergleichbar  sind,  wurden  Reihen  ausgewählt,  welche  mit  dem- 
selben Rohre  von  16,8  cm  Elektrodenabstand,  2,5  cm  lichter 
Weite  und  22  cm  Länge  (Röhre  B)  erhalten  worden  sind;  die 
ausgezeichneten  Werte   sind   durch   den  Druck  hervorgehoben. 


Tabelle  1. 

Wasserstoff. 

p 

4,43 

2,49 

2,15 

1,06    '     0,83 

0,58 

0,47 

d 

1,2 

2,3 

2,5 

4,2      ;      4,9 

6,3 

7,6 

• 

t 

14,02 

16,89 

17,00 

16,67 

15,94 

15,01 

13,91 

V 

742 

614 

583 

592 

648 

698 

784 

E 

10,40 

10,07 

9,91 

9,80 

10,33 

10,48 

ia,66 

H,  Eheri:  Gasentladungen. 


503 


Tabelle  2,    Luft. 


p 

2,76 

1,30 

0,83 

0,51 

0,27 

0,20 

d 

0,9 

1,6 

2.2 

2,8 

5,0 

6,7 

• 

t 

12,61 

15,76 

15,94 

15,39 

13,49 

12,37 

V 

718 

574 

559 

602 

725 

812 

E 

9,05 

9,06 

8,% 

9,27 

9,77 

10,06 

Tabelle  3,    Kohlenoxyd. 


p 

1,81 

0,99 

0,46 

d 

1,3 

2,0 

3,0 

• 

14,02 

15,20 

14,12 

V 

678 

618 

707 

E 

9,43 

9,40 

9,98 

Tabelle  4.    Kohlensäure. 


p 

3,92 

1,21 

0,91 

0,88 

0,52 

0,38 

0,22 

d 

0,7 

1,5 

2,0 

2,0 

2,9 

4,5 

5,0 

\ 

13,49 

17,25 

17,58 

17,66 

16,83 

16,30 

14,72 

V 

815 

598 

596 

596 

659 

748 

831 

E 

11,00 

10,31 

10,47 

10,52 

11,10 

11,45 

12,23 

Tabelle  5.    Leuchtgas. 


p 

5,09 

2,69 

1,76 

1,01 

0,64 

d 

1,1 

2,0 

2,5 

3,0 

5,0 

i 

12,83 

17,00 

18,14 

17,25 

16,58 

V 

796 

668 

541 

592 

676 

E 

10,21 

9,65 

9,81 

10,21 

10,54 

Bei  Kohlensäure  zeigten  sich  bei  regelmässig  fortschreiten- 
der Evacuation  von  ^  =  1,5  mm  an  his  p  =  0,5  grosse  Unregel- 
mässigkeiten, so  dass  die  Vermutung  nahe  gelegt  wird,  dass 
bei  diesen  Drucken  eine  Dissociation  eintritt.  Ob  dieselbe  Folge 
der  Entladungen  ist,  oder  ob  schon  lediglich  infolge  der  Ver- 
dünnung  allein    eine  Zustandsänderimg   im  Gase  Platz   greift, 


504         Sitzung  der  tMsthrphys,  Ciasee  vom  5,  November  J898, 

wie  sie  Herr  Bohr  beim  Sauerstoff  beobachtete,*)  so  dass  fĂĽr 
diese  Drucke  das  Boyle-Mariottesche  Gesetz  nicht  mehr  gilt, 
bleibe  vorläufig  dahingestellt. 

Mit  diesen  Unregelmässigkeiten  dürfte  es  zusammenhängen, 
dass  der  ausgezeichnete  Wert  von  E  bei  einem  andern  Drucke 
liegt,  als  die  Maxima  bezw.  Minima  von  i  und  V,  mit  denen  er 
sonst  stets  zusammenfallt;  gleiches  gilt  beim  Leuchtgas. 

Beachtet  man,  bei  welchen  Drucken  fĂĽr  die  verschiedenen 
Gase  die  Umkehr  eintritt,  so  erkennt  man  deutlich,  dass  die- 
selben in  der  That  aufs  engste  mit  der  Verbreitung  der  Gliram- 
lichtgebilde  bei  fortschreitender  Evacuation  zusammenhängen; 
diese  ist  bei  Wasserstoff  bekanntlich  am  schnellsten.  Hier 
haben  die  Glimmlichtspitzen  zuerst  die  Rohrmitte  erreicht,  die 
Begegnung  und  damit  die  Umkehr  tritt  schon  bei  ^  =  2,15 
ein;  viel  langsamer  geht  das  VorrĂĽcken  bei  Luft,  Kohlenoxyd 
und  Kohlensäure,  schneller  wieder  bei  Leuchtgas  vor  sich,  bei 
dem  Wasserstoff  ein  Hauptbestandteil  ist. 

Dass  aber  beide  Erscheinungen  mit  den  molecularen  Eigen- 
schaften der  Gase  aufs  innigste  zusammenhängen,  geht  weiter 
daraus  hervor,  dass  die  „Umkehrdrucke**  ungefähr  im  Verhält- 
nisse der  mittleren  freien  Weglängen  der  verschiedenen  Gase 
zu  einander  stehen.  Um  dies  zu  erkennen,  hat  man  die  Zahlen 
der  Tabellen  graphisch  darzustellen,  wobei  man  die  wahre  Lage 
der  Curvenmaxima  und  Minima  besser  ĂĽbersieht  (beim  Eva- 
cuieren  wird  man  ja  nur  in  seltenen  Fällen  den  Umkehrdruck 
genau  treffen,  die  im  Satze  hervorgehobenen  Zahlen  liegen  also 
immer  nur  in  der  Nähe  der  ausgezeichneten  Punkte  selbst). 
Da  sich  die  Stromstärke  i  in  der  Nähe  ihres  Maximalwertes 
nur  sehr  wenig  mit  dem  Drucke  ändert,  so  ist  zur  Erkennung 
und  Verfolgung  der  Lage  des  Unikehrdruckes  die  Spannung  V 
hier  wie  in  allen  folgenden  Tabellen  viel  geeigneter,  da  sie 
sehr  stark  mit  dem  Drucke  variiert,  auch  in  der  Nähe  des  aus- 
gezeichneten Punktes.  Trägt  man  für  die  Tabellen  1 — 4  die 
Drucke  als  Abscissen,  die  Spannungen  V  als  Ordinaten  in  ein 


1)  Chr.  Bohr,  Wied.  Ann.  27,  p.  459,  1886. 


H,  Ebert:  Gasentladungen, 


505 


Cioordinatensysiem  ein,  so  entnimmt  man  den  ausgeglichenen 
Curven  die  mit  RĂĽcksicht  auf  den  allgemeinen  Curvenverlauf 
folgenden  Werte  fĂĽr  die  wahren  Umkehrdrucke  ĂĽ,  neben  die 
die  entsprechenden  mittleren  freien  Weglängen  X  in. Milliontel 
Millimetern  für  |>  =  760  mm  und  die  Verhältnisse  beider  Zahlen 
gesetzt  sind. 

Tabelle  da. 


ĂĽ 


Wassers  toflf 

1,80 

185 

Luft 

0,9G 

95 

Kohlenoxyd 

0,99 

98 

Kohlensaure 

0,75 

68 

103 
99 
99 
90 


Eine  vollständige  Uebereinstimraung  ist  nicht  zu  erwarten, 
schon  weil  l  nicht  ganz  von  der  Temperatur  unabhängig  ist,*) 
die  in  den  einzelnen  Fällen  gewiss  eine  sehr  verschiedene  war; 
vergl.  übrigens  auch  §  6  am  Ende. 

Da  die  freie  Weglänge  umgekehrt  proportional  dem  Gas- 
drucke zunimmt,  so  kann  man  die  hier  gefundene  Thatsachc 
auch  so  ausdrĂĽcken:  Die  zeitlich  nach  einander  erfol- 
gende Begegnung  der  Glimmlichter  an  derselben  Rohr- 
stelle (der  Rohrmitte),  und  damit  die  Umkehr  im  Gange 
von  Stromstärke,  Spannung  (und  Wattconsum)  findet 
in  dem  Momente  der  fortschreitenden  Evacuation  statt, 
in  welchem  die  mittlere  freie  Weglänge  der  verschie- 
denen Gase  die  gleiche  geworden  ist. 

Schon  dieses  Ergebnis  deutet  darauf  hin,  dass  eine  Art 
DiflFusionsvorgang  im  Spiele  ist. 

Die  Umkehr  tritt  oft  bereits  ein,  wenn  die  dunklen 
Trennungsräume,  welche  sich  zwischen  die  äussersten  Glimm- 
lichtspitzen und  das  Ende  der  Anodenlichtsäule  einschieben, 
bei  dem  Wechsel  der  Entladungsrichtung  an  identische  Stellen 
des  Rohrs  gelangen.     In  der  That  verhält  sich  ja  dieser  Glimm- 


»)  0.  E.  Meyer,  Die  kinetische  Theorie  der  Gase,  1.  Aufl.,  p.  121, 1877. 


506         SĂĽeung  der  mcUK-phys,  Glosse  vom  5.  November  1898, 

lichtraum  wie  der  von  den  Glimmlichtstrahlen  selbst  durch- 
leuchtete Teil;  er  zeigt  nach  Herrn  Graham')  fast  dasselbe 
negative  Potentialgefälle  und  ist  wie  dieser  mit  freier  positiver 
Elektricität  erfüllt;  Herr  Graham  betont,  dass  sich  dieser 
Dunkelraum  seinem  Wesen  nach  nicht  von  dem  durch  Glimm- 
licht erhellten  Räume  unterscheidet;  er  ist  ja  in  Wirklichkeit 
auch  gar  nicht  völlig  dunkel,  sondern  sendet  wirksame  Strahlen 
aus,  wie  Herr  Varley*)  auf  Grund  photographischer  Unter- 
suchungen wahrscheinlich  gemacht  hat. 

2.  Vergleich  enger  und  weiter  Röhren  mit  einander.  — 

Hängt  die  Umkehrungserscheinung  in  dem  Gange  der  elek- 
trischen BestimmungsstĂĽcke  der  Gasentladungen  wirklich  mit 
der  Ausbreitung  der  Glimmlichterscheinungen  zusammen,  so 
musste  diese  Umkehrung  bei  tieferen  Drucken  eintreten,  wenn 
die  von  GlimmHcht  durchsetzten  Gasmassen  nicht  wie  bei  den 
cylindrischen  Röhren  der  Fig.  1  auf  einen  verhältnismässig 
engen  Raum  zusammengedrängt  wurden,  sondern  wenn  ihnen 
wie  bei  der  Röhre  Fig.  2  Gelegenheit  geboten  wurde,  sich 
namentlich  in  der  Nähe  der  Elektroden  weiter  zu  verbreiten. 
Um  dieses  zu  prüfen,  wurde  ausser  der  oben  benutzten  Röhre  B 
Fig.  1  eine  zweite  Röhre  D  von  der  Gestalt  der  Fig.  2  an  die 


/ 


Fig.  2. 

Pumpe    angeschmolzen;    beim    Evacuieren    wurde    durch    eine 
Wippe  abwechselnd   der   einen,    dann  der  anderen   der  Hoch- 


^)  William  P.  Graham,   Inaug. - Diss. ,   Berlin,   2.,   p.  81,    1897. 
Wied.  Ann.  64,  p.  17,  1898. 

2)  C.  F.  Varley,  Proc.  Roy,  Sog.  19,  p.  238,  1871. 


H,  Ebert:  Gasentlculupigen. 


507 


frequenzstroni  zugeführt.  Bei  Röhre  D  befinden  sich  die  beiden 
3,2  cm  im  Durchmesser  haltenden  Elektrodenscheiben  EE  aus 
Aluminium  innerhalb  kugelförmiger  Elektrodenräume  von  8,5  cm 
Durchmesser,  so  dass  rings  um  die  Elektroden  noch  mindestens 
2,6  cm  freier  Kaum  bis  zur  Rohrwandung  ĂĽbrig  bleibt;  die 
beiden  Elektrodenräume  sind  durch  ein  ca.  4  cm  weites  und 
nur  6  cm  langes  cylindrisches  Rohr  mit  einander  verbunden, 
so  dass  ca.  14,5  cm  Elektrodenabstand  resultiert.  Die  Räume 
der  Röhren  D  und  B  verhalten  sich  demnach  ungefähr  wie 
7:1,  der  Elektrodenabstand  ist  dabei  in  D  noch  etwas  kleiner 
als  in  B. 

In  den  Tabellen  6 — 8  ist  durch  die  Stellung  der  Zahlen 
der  Umkehrdruck  für  beide  Röhren  hervorgehoben.  In  der 
weiteren  Röhre  D  kommen  immer  grössere  Stromstärken  zu 
stände,  die  Elektrodenspannung  ist  geringer  als  in  der  engeren 
(und  dabei  etwas  längeren)  Röhre  B;  der  Energieverbrauch  ist 
in  der  letzteren  grösser. 


Tabelle  6,    Stickstoff. 
Röhre  D. 


p 

3,45 

2,01 

1,02 

1 

1 

0,63 

0,53 

0,33 

d 

0,7 

1,6 

1,9 

1 

2,7 

:  3,96 

• 

14,62 

17,66 

19,00 

! 

Max. 

19.23 

18,78 

V 

632 

464 

887 

Min. 

390 

424 

E 

9,25 

8,19 

7,36 

Min. 

7,51 

7,97 

Röhre  B. 


p 

3,40 

1,98  1,07 

1,00 

0,66 

0,34 

d 

0,6 

1,4  1  1,8 

2,7 

4,0 

• 

t 

10,88 

14,12  16,03 

Max. 

15,39  1 

13,80 

V 

843 

656   570 

Min. 

606 

691 

E 

9,17 

9,26  9,14 

Min. 

9,33 

9,54 

• 

508         Sitzung  der  mathrphya.  Glosse  vom  5.  November  1898. 

Man  sieht,  dass,  während  sich  die  Umkehr  in  dem  engen 
cylindrischen  Rohre  B  bereits  bei  einem  Drucke  von  p  ca. 
1,00  mm  vollzog,  dieselbe  in  dem  viel  weiteren  Rohre  D  erst 
bei  dem  erheblich  tieferen  Drucke  von  etwa  0,63  mm,  d.  h. 
nach  dem  nächsten  Pumpenzug  eintrat,  bei  dem  der  Dunkel- 
raum um  ca.  0,8  mm  vorgerĂĽckt  war. 

Ganz  ähnlich  verhält  sich  Luft. 

Tabelle  7.    Luft. 
Röhre  D. 


1> 

2,06 

1,24 

0.61 

(0,60) 

0,47 

0,27 

0,19 

d 

1,2 

1,8 

2,4 

3,1 

4,6 

7,0 

• 

1 

19,60 

20,40 

20,46 

Max. 

20,25 

19,15 

17,66 

V 

S84   346 

846 

Min. 

367 

427 

505 

E 

7,53 

7,09 

Min. 

7,44 

8,18 

8,92 

Röhre  B. 


p 

2,08 

1,24 

(1,00) 

0,60 

0,47 

0,27 

0,19 

d 

1,2 

1,7 

2,9 

4,0 

6,0 

8,0 

m 

% 

16,11 

16,74 

Max. 

16,39 

15,58 

13,71 

11,90 

V 

608 

529 

Min. 

559 

614 

707 

835 

E 

9,19 

8,86 

Min. 

9,16 

9,57 

9,69 

9,94 

Bei  SauerstoflF  zeigen  die  Umkehrpunkte  dieselbe  Anord- 
nung, nur  sind  sie  bei  beiden  Röhren  zu  etwas  höheren  Druck- 
werten aufgerĂĽckt;  man  kann  dies  nach  dem  Vorigen  als  eine 
Folge  der  etwas  grösseren  molecularen  Weglängen  in  diesem 
Gase  betrachten. 


Tabelle  8.    Sauerstoff. 
Röhre  D. 


p 

2,77 

1,33 

1,21 

(1,20) 

1,19 

0,92 

0,58 

0,58 

d 

0,6 

1,2 

1,3 

1,5 

1,5 

2,4 

2,5 

• 

20,95 

1 

21,43 

21,63 

21,63 

Max. 

21,70 

20,88|20,82' 

V 

377 

1 

1  â–     1 

343 

332 

Min. 

335 

335 

371  1  374! 

E 

7,91 

i 

< 
1 

7,35 

1 

7,17 

Min. 

7,26 

7,28 

7,76 

1  ^'^^i 

0, 

4 

19, 


H.  Ebert:  Oasentladungen. 


509 


Röhre  B. 


2,75 

1,80 

(1,70) 

i;82 

1,24 

1,21 

0,98 

0,89 

0,58 

0,54 

0,27 

0,5 

0,7 

1,1 

1,3 

1,3 

1,5 

1,7 

2,4 

2,4 

4,4 

19,53 

19,74 

Max. 

18,46  17,82 

17,58 

17,91 

17,74 

17,66 

17,17 

14,82 

447 

483 

Min. 

502 

527 

531 

536 

550 

566 

579 

709 

8,73 

8,55 

Min. 

9,28 

9,39 

9,35 

9,60 

9,76 

9,99 

9,94!  10,51 

Bei  den  ĂĽbrigen  daraufhin  untersuchten  Gasen,  namentlich 
WasserstoflF,  ist  der  Unterschied  in  dem  Verhalten  beider  Ent- 
ladungsräume nicht  so  scharf  markiert.  Für  die  grosse  Weg- 
länge dieses  Gases  und  die  schnelle  Ausbreitung,  welche  die 
Eathodenschichten  hier  erfahren,  ist  der  Kaumunterschied  in 
beiden  Fällen  noch  zu  unwesentlich. 

3.  Vergleich  verschieden  langer,  aber  gleichweiter 
Cylinderröhren.  —  Hat  es  hiemach  den  Anschein,  dass  die 
Umkehr  in  dem  Verlauf  von  Stromstärke-  und  Spannungs- 
werten durch  Vorgänge  bedingt  wird,  welche  von  der  Kathode 
ausgehen,  in  deren  Nähe  andauern  und  sich  durch  eine  Art 
von  Diffusion  weiter  verbreiten,  so  muss  dieselbe  bei  längeren 
Röhren  und  grösserem  Elektrodenabstande  bei  tieferen  Drucken 
eintreten  als  bei  kurzen  Röhren  von  gleichem  Querschnitte,  in 
denen  die  veränderten  Gasschichten  —  durch  die  Rohrwände 
zusammengehalten  —  schön  bei  höheren  Drucken  von  beiden 
Seiten  her  vordringend  die  Mitte  erreichen.  Dies  wurde  mittels 
zweier  gleichzeitig  mit  der  Pumpe  in  Verbindung  stehenden 
gleichweiten  cylindrischeu  Entladungsröhren  von  der  Form  der 
Figur  1  geprüft,  von  denen  die  eine,  Röhre  A,  33,9  cm  Elek- 
trodenabstand, die  andere  zwei  gleichbeschaffene  Elektroden 
besass,  welche  aber  nur  16,8  cm,  also  sehr  nahe  halb  so  weit 
von  einander  abstanden,  Röhre  B.  Beide  Röhren  wurden  rasch 
hinter  einander  bei  denselben  Drucken  und  bei  identischer  Gas- 
fĂĽllung untersucht.^) 


^)  Wie  Herr  Warburg  nachgewiesen  hat,  ändern  schon  sehr  ge- 
ringe Spuren  fremder  Beimischungen  das  Kathodcngefalle  ausserordent- 
lich;  da  der  grösste  Teil   des   gesammten  Spanuungsabfalles   aber  hier 


510         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  5.  November  1898. 

Täbdle  9a,    Luft. 
Röhre  A. 


d 

1.0 

1,5 

1 

1,8 

2,3 

2,4 

8,0 

8.2 

6,0 

6,2 

• 

12,89 

13,37 

13,89 

13,89 

13,76 

13,89 

18,76 

13,56 

13,37 

V 

1600 

1  1280  '  1104 

1024 

1015 

1041 

1033 

1092 

1076 

E 

19,88 

17,11  \  15,38 

14,21 

14,37 

14,45 

14,21 

14,83 

14,37 

Umkehr 

Röhre  B. 


• 

t 

14,15 

13,50 

13,63:  18,76  1  13,76 

14,02 

11,02 

13,68 

13,95    13,89 

V 

903 

801 

801 

754 

787 

773 

804 

837 

919    :  973 

E 

12,77 

10,81     10,92 

1 

10,37 

10,85  1  10,83  1  11,27 

11,40 

12,82    13,52 

ĂĽmkehr- 

1 

Seh 

ichten 

1 

Diese  Beobachtungsreihe  zeigt  namentlich  bei  der  langen 
Röhre  A  grosse  Unregelmässigkeiten,  wie  sie  gerade  bei  Luft 
sehr  häufig  sind.  Zwischen  den  mit  2,3  und  2,4  überschriebenen 
Beobachtungen  war  nicht  evacuiert  worden,  sondern  die  Röhren 
waren  längere  Zeit  unbenutzt  gewesen;  man  sieht,  dass  Ver- 
änderungen Platz  gegriffen  hatten,  welche  den  regelmässigen 
Gang  der  folgenden  Werte  beeinträchtigten.  Die  deutliche 
Umkehr  trat  bei  dem  längeren  Rohre  aber  erst  drei  Eva- 
cuationen  später  auf.  Zur  Controle  wurde  die  Beobachtungs- 
reihe in  dem  charakteristischen  Teile  wiederholt. 


Tabelle  9h, 

Luft. 

Röhre  A. 

d 

2,5 

3,0 

4,0           4,5 

• 

% 

13,76 

13,82 

13,89 

13,09 

V 

1059 

1013 

1007 

1042 

E 

14,66 

14,01    j    13,98 

13,66 

t 

1 

[Jmkehr 

auf  dieses  kommt,  so  zeigen  im  Allgemeinen  verschiedene  FĂĽllungen 
desselben  Gases  in  demselben  Rohre  nicht  immer  genau  die  gleichen 
Werte  der  Grössen  i,  V  und  E, 


H.  Ebtrt:  Gasentladungen. 


11 


Röhre  B. 

• 

13,63 

18,68 

18,87 

18,87 

V 

765 

801 

884 

889 

K 

10,42 

10,92 

11,16 

11,21 

Umkehr 

Hier  kommt  die  spätere  Umkehr   in  dem  längeren  Rohre 
ganz  deutlich  zum  Ausdruck. 

Tabelle  10.    Wasserstoff. 
Röhre  A. 


p 

8,06 

2,04 

1,87 

0,96 

0,72 

0,64 

0,40 

d 

1,6 

2,0 

2,8 

4,0 

5,0 

5,6 

7,0 

• 

12,40 

12,40 

12,40 

12,40 

12,11 

12,11 

12,40 

V 

1568 

1276 

1104 

1024 

1019 

1024 

1104 

E 

19,26 

16,81 

18,69 

12,70 

12,88 

Umkehr 

12,40 

13,69 

Röhre  B. 

• 

t 

18,28 

12,64 

12,64 

12,11 

12,40 

12,40 

V 

801 

715 

767 

(767) 

1027 

(928) 

E 

10,60 

8,96 

Umkehr 

9,62 

(9,29) 

12,73 

(11,45) 

12,64 

(967) 
(12,13) 


Die  letzte  Reihe  ist  in  den  Spannungswerten  und  damit  in 
den  J5- Werten  durch  kleine  Unregelmässigkeiten  etwas  entstellt; 
worauf  es  hier  allein  ankommt,  die  Aufeinanderfolge  der  Unikeh- 
rungen,   geht  aber  dennoch  mit  genĂĽgender  Sicherheit  hervor. 

Tabelle  11.    Stickstoff. 
Röhre  A. 


V 

2,81 

1,91 

1,28 

0,93 

0,65 

0,46 

0,30 

d 

0,6 

1,5 

2,1 

2,5 

3,5 

4,0 

6,0 

i 

11,06 

12,18 

12,65 

12,97 

12,80 

12,80 

12,97 

V 

1768 

1472 

1264 

1114 

1089 

1083 

1128 

K 

19,41 

17,86 

16,99 

14,46 

18,80 

13,28 

Umkehr 

1  14,63 

1898.   SiUungtb.  d.  math.-phys.  Ol. 


84 


512         Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  ri,  November  1898, 

Röhre  B. 


• 

1 

12,80 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

V 

1051 

901 

796 

743 

737 

812 

984 

E 

13,46 

11,69 

10,33 

9,64 

9,67 
Umkehr 

10,53 

12,77 

Dem  Umstände  entsprechend,  djiss  die  Umkehr  in  dem 
längeren  Rohre  ei*st  bei  erheblich  tieferen  Drucken  eintritt, 
zeigen  sich  hier  auch  die  Schichten  erst  sehr  viel  später  als 
in  dem  mit  ihm  in  Communication  stehenden  kĂĽrzeren  Rohre. 
Beide  Erscheinungen,  Umkehr  und  Schichtenbildung,  machen 
ganz  den  Eindruck,  als  beruhten  sie  auf  einer  Art  Stauwirkung; 
das  vollkommen  entsprechende  Verhalten  derselben  in  vorliegen- 
dem Falle  macht  diese  Anschauung  nur  noch  wahrscheinlicher. 

Bei  den  sehr  schnellen,  aber  verhältnismässig  rasch  ge- 
dämpften Schwingungen  des  Lecherschen  Systems  war  die  Be- 
grenzung der  Dunkelräume  bei  kürzeren  cylindrischen  Rohren 
immer  prägnanter  als  bei  längeren,  wo  sie  merklich  unschärfer 
war.*)  Bei  den  hier  verwendeten  ungedämpften  Wechselstrom- 
schwingungen war  dies  nicht  der  Fall. 

Auch  bei  den  sogleich  zu  beschreibenden  Versuchen  mit 
einer  beweglichen  Elektrode  behielten  beide  Dunkelräume  ihre 
scharfe  Grenze  gegen  die  Glimmlichter  bei  allen  Abständen 
der  Elektroden  von  einander  bei. 

4.  Versuche  mit  einem  Cylinderrohre  mit  einer  fest- 
stehenden und  einer  beweglichen  Elektrode.  —  Die  die 

Umkehr  von  Stromstärke,  Spannung  und  Energieconsum  be- 
dingenden Vorgänge  scheinen  nach  dem  Vorhergehenden  ihren 
Sitz  in  dem  ganzen  Glimmlichtraume  bis  in  den  vorderen,  un- 
sichtbaren Saum  desselben  hinein  zu  haben.  Es  musste  von 
entscheidender  Wichtigkeit  sein,  diesen  Schluss  in  demselben 
Entladungsraume  bei  demselben  Drucke  und  der  gleichen  Gas- 
füllung an  einem  Rohre  zu  prüfen,  welches  gestattete,  während 
der  Entladung  selbst  die   vorderen  Punkte   der  Glimmen t- 


*)  H.  Ebert  und  E.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  50,   p.  239,    1893. 


H.  Ebert;  Gasentlacliiiigen. 


513 


laJuiig  gegen  einander  zu  führen  und  so  bei  denselben  äusseren 
Kn 1 1 nd II ngsbedio jungen,  nnmentlicli  bei  demselben  Drucke 
jene  eigentĂĽmliche  Umkehr  nach  WillkĂĽr  hervorzurufen.  Die 
Olinimlichtgebilde  folgen  ihrer  Kathode, 
an  der  sie  angeheftet  zu  sein  scheinen ; 
die  die  Umkehr  herbeifahrende  Wir- 
kung niusste  also  lediglich  durch  Ver- 
kĂĽrzung des  Elektrodennbstandes  her- 
beizufĂĽhren sein. 

Um  dies  zu  bewerkstelligen,  wurde 
eine  Anordnung  mit  einer  festen  und 
einer  beweglichen  Elektrode  benutzt, 
wie  sie  ähnlich  schon  von  Herrn  H. 
W.  Wood   boschrieben  worden    ist.') 

Du.s  3, ,5  cm  weite,  30  cm  lange 
cylindrische  Rohr  Ä  Fig.  3  trägt  oben 
die  feststehende  Elektrode  E,  (Kreis- 
Hcheibe  aus  Aluminium  von  2,7  cm 
Durchme.sser) ;  die  Stromzuleitung  go- 
scliieht  von  oben  her  mittels  des  an- 
gesetzten Quecksilbernapfcbens  a,  um 
Funken  strecken  zu  vermeiden;  durch  b 
steht  diLS  Uohr  A  dauernd  mit  der 
Quecksilberluftpumpe  in  Verbindung. 
Unten  trägt  es  den  weiten  Schliff  S, 
an  dem  das  14  mm  weite,  80  cm  lange 
vertikale  Hohr  R  angesetzt  ist.  Durch 
S  kann  die  untere,  ebenfiills  2,7  cm 
im  Durchmesser  haltende  Elektrode  K^ 
eingefĂĽhrt  werden,  welche  von  einem 
Glasröhre  r  getragen  wird,  welches 
durch  H  hin  durchgefĂĽhrt  und  das  unten 
I;'- förmig  umgel)ogen  ist.  Die  Zu- 
leitung geschieht  mittels  eines  durch  r 


Fig.  3. 


')  K.  W.  Wood,  Wieil.  Aim.  G 


514 


Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vmn  5.  November  1898. 


hindurchgezogenen  Kupferdrahtes,  der  oben  bei  c  an  einem  Platin- 
draht hart  angelötet  ist;  auf  diesen  wird  der  Aluminiumstiel  l  der 
Elektrode  E^  fest  aufgedrĂĽckt,  so  dass  ein  vollkommen  metallischer 
Contact  besteht.  Bei  c  liess  man  das  Rohr  r  vor  der  Gebläselainpc 
zusammenfallen,  bis  sich  das  Glas  allseitig  dicht  an  das  Platin 
anlegte;  so  wurde  hier  ein  völlig  gasdichter  Abschluss  erzielt. 

Das  untere  Ende  des  Rohres  B  taucht  in  das  mit  Queck- 
silber gefüllte,  oben  napfartig  erweiterte  Standgeföss  S,  welches 
von  einem  in  der  Schwarzblechwanne  W  befindlichen  Holz- 
klotze K  gehalten  wird.  Wird  Ă„  durch  b  hindurch  evacuiei-t, 
so  steigt  das  Quecksilber  in  i2  in  die  Höhe  und  bildet  einen 
Barometerabschluss,  der  dem  Rohre  r  dennoch  völlige  Bewegungs- 
freiheit gestattet.  Mittels  desselben  kann  die  Elektrode  E^  in 
jede  beliebige  Höhe  gebracht  und  durch  Festklemmen  des  Rohres  r 
bei  fin  dieser  erhalten  werden;  der  Zeiger  Z  gestattet  auf  einer 
Skcila  H  den  Elektrodenabstand  E^E^  =  a  direkt  abzulesen. 

Damit  an  dem  Schliffe  S  eine  völlige  Dichtung  bei  An- 
wendung möglichst  geringer  Mengen  von  Fett  und  dergleichen 
erzielt  wird,  ist  von  unten  her  um  denselben  herum  der  Glas- 
becher J  mittels  Kautschuckstopfens  befestigt,  der  mit  Queck- 
silber gefĂĽllt  wird,  welches  durch  e  wieder  abgelassen  werden  kann. 

Die  Resultate  der  mit  diesem  Apparate  angestellten  Be- 
obachtungsreihen enthalten  die  folgenden  Tabellen. 

Tabelle  12,    Luft. 


d 

1 

1,6 

2,2 

8,2 

5,0 

i 
7,5    j  10,0 

rt  =  22  cm 

i  :  11,50    11,65 

12,96 

18,63    14,02 

14,02 

13,89 

18,68  !  13,76 

V   1826     1782 

1812 

846 

759 

734 

794 

992 

1208 

-fc/i  20,94 '20,18 

17,00 

11,53 

10,64 

10,80 

11,08 

13,52 

16,62 

Umkehr 

a  —  12  cm 

t     18,23 

14,02 

14,02  ,  14,02 

14,02  1 14,15 

13,89 

14,27 

V    107Ăś  , 

819 

578      541 

585  \    746    1015      1240 

E 

14,23 

11,49 

8,10 

7,58 

8,20  I  10,64  ;  14,09 

17,6S 

: 

Umkehr 

1 

a  =    2  cm 

• 

14,02 

14,40 

14,27 

14,15 

14,27 

14,15  13,76 

14,27 

V 

430 

406 

351 

396 

497 

716  !    996 

1193 

E 

6,04 

5,84 

5,02 

5,60 

7,09 

10,11 

13,71 

17,08 

Umke 

hr 

H,  Ehert:  Gasentladungen. 


515 


TaheUe  13,    Wasserstoff. 


V 

4,89 

2,89 

1,94 

1,28 

0,85 

0,59 

0,48 

d 

1,0 

2,0 

8,0 

8,5 

4,2 

6,5 

6,6 

a  =  22  cm 

m 

I 

12,54 

12,25 

12,82 

12,68 

12,82 

12,68 

12,54 

V 

1088 

851 

726 

679 

706 

778 

880 

E 

18,58 

10,42 

9,81 

8,61 

9,05 
Umkehl 

9,80 

• 

11,04 

rt  =  12  cm 

• 

12,96 

12,82 

18,09 

12,96 

12,82 

18,09 

12,96 

V 

679 

556 

521 

525 

588 

676 

817 

E 

8,78 

7,12 

6,88 
Umkehl 

6,81 

• 

7,54 

8,85 

10,58 

a=    2  cm 

m 

i 

18,87 

18,28 

18,09 

12,96 

18,09 

18,09 

18,87 

V 

868 

846 

880 

421 

517 

642 

781 

E 

4,85 

4,57 
ĂĽmkehi 

4,97 

• 

5,45 

6,77 

8,40 

10,48 

Tabelle  14.    Stickstoff. 


P 

2,85 

1,91 

1,25 

0,82 

0,54 

0,86 

0,26 

d 

1.0 

1.6 

2,0 

2,7 

4,0 

6,5 

8,0 

a  —  22  cm 

m 

% 

12,18 

12,80 

12,80 

12,47 

12,65 

12,66 

12,47 

V 

1119 

925 

849 

740 

720 

791 

966 

E 

18,58 

11,89 

10,45 

9,28 

9,11 
Umkehi 

10,00 

• 

12,03 

a    -  12  cm 

• 

% 

12,65 

12,47 

12,47 

12,47 

12,80 

12,65 

12,47 

V 

667 

567 

509 

588 

592 

728 

984 

E 

8,48 

7,07 

6,85 
ĂĽmkehi 

6,65 

• 

7,58 

9.14 

12,27 

rt  =    2  cm 

• 

18,13 

12,80 

12,80 

12,65 

12,65 

12,97 

12,65 

V 

821 

388 

868 

411 

518 

694 

980 

E 

4,21 
Um  kehl 

4,27 

• 

4,65 

5,20 

6,49 

9,00 

11,76 

Die  Tabellen  12 — 14  lassen  übereinstimmend  den  folgenden 
Gang  der  Erscheinung  deutlich  erkennen :  Bei  demselben  Drucke 
wird  die  Stromstärke  um  so  gnisser,  je  näher  die  Elektroden 
einander  kommen,  die  Spannung  sowie  der  Wattconsum  werden 


516         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vorn  5.  November  1898, 

kleiner.*)  Dies  ist  ohne  Weiteres  verständlich,  denn  mit  ab- 
nehmendem a  wird  die  zum  Leuchten  zu  bringende  Gassäule 
und  damit  die  Widerstandsstrecke  kĂĽrzer;  doch  besteht  augen- 
scheinlich keine  einfache  Beziehung  zwischen  der  auf  die  10  cm, 
um  welche  Länge  die  Gassäule  je  zweimal  verkürzt  wurde, 
entfallenden  SpannungsdifiFerenz  und  der  Stromstärke,  etwa  wie 
bei  dem  Ohmschen  Gesetz ;  der  Widerstand  des  Gases  ist  selbst 
wieder  von  der  letzteren  abhängig;  auch  sind  die  Spannungs- 
abfalle  auf  den  beiden  gleichlangen  Strecken,  um  die  die  Säule 
verkĂĽrzt  wurde,  nicht  einander  gleich,  was  darauf  hinweist, 
dass  die  einzelnen  Teile  der  Säule  in  ihren  Widerstandsverhält- 
nissen einander  sehr  ungleichwertig  sind.'^)  Die  Zahlen  zeigen 
aber  ferner  die  folgenden,  fĂĽr  unseren  Zweck  wichtigeren  Eigen- 
tümlichkeiten:  Bei  grossen  Elektrodenabständen  tritt  die  Um- 
kehr ganz  in  Uebereinstimmung  mit  §  2  und  3  bei  viel  tieferen 
Drucken  ein  als  bei  kleinen  Abständen.  Wenn  ferner  beim 
Annähern  der  beweglichen  Elektrode  auch  die  Spannung  sinkt, 
die  Stromstärke  wächst,  so  geht  dies  doch  immer  langsamer 
vor  sich,  je  näher  die  Glimmlichter  einander  rücken.  Für  die 
Spannung  tritt  dies  am  deutlichsten  hervor,  vergl.  Tabelle  15. 
Es  findet  eine  RĂĽckstauung  statt.  Ja,  bei  der  Begegnung  der 
Glimmlichter,  in  der  Nähe  der  Umkehrdrucke  kann  die  Spann ungs- 
abnahme  in  Folge  der  Annäherung  sogar  durch  die  von  der 
Begegnung  bedingte  Spannungssteigerung  ĂĽberwunden  werden, 
so  dass  die  Spannung  bei  nahen  Elektroden  gleich  oder  sogar 
noch  grösser  ist  als  diejenige  bei  grösserem  Elektrodenabstande. 
Analoges  gilt  Itlr  die  Stromstärke.  In  den  Tabellen  sind  die 
Werte,  welche  diese  Stauwirkung  ganz  besonders  gut  veran- 
schaulichen, fett  gedruckt.  Man  sieht,  dass  sie  sich  durchaus 
um  die  Umkehrdrucke  gruppieren  und  erst  häufiger  werden, 
nachdem  die  Begegnung  stattgefunden  hat.     Zu  beachten  ist 

^)  Wie  aus  der  Vergleichung  der  d-  und  der  a -Werte  hervorgeht, 
wurde  eine  so  «»"rosse  Annäherung  der  Elektroden,  dass  die  eine  in  den 
Dunkelraum  der  anderen  eindrang,  wobei  sich  ausserordentliche  Spannungs- 
flteigemngen  ergeben,  vermieden. 

2)  Vergl.  auch  Ed.  Kiecke,  Wied.  Ann.  63,  p.  227,  1897. 


H.  Ebert:  Gasentladungen. 


517 


TaheUe  15, 

Luft    d 

1,5 

2,2 

8,2 

5,0 

7,5 

10,0 

a  =  22om  Fj 

1826 

1732 

1312 

846 

759 

734 

794 

992 

1208 

rt  =  12  cm  V2 

1076 

819 

678 

541 

686 

746 

1015 

1240 

a=    2  cm  F3 

430 

406 

351 

396 

497 

715 

996 

1193 

v,-v. 

760 

493 

268 

218 

149 

48 

28 

-82 

V2--V, 

646 

418 

227 

145 

88 

31 

19 

47 

1 
H,        \  p 

4,39 

2,89 

1,94 

1.28 

0,85 

0,59 

0,43 

d 

1,0 

2.0 

3,0 

3,5 

4,2 

5,5 

6,5 

a  =  22cm  K, 

1083 

851 

726 

679 

706 

773 

8S0 

a  —  12  cm  ^  K3 

679 

556 

521 

625 

588 

676 

817 

a  =  2  cm  '  T^3 

363 

346 

380 

421 

517 

642 

781 

r,-r,  1 

404 

295 

205 

154 

118 

97 

63 

! 

816 

210 

141 

104 

71 

84 

36 

1 

2,86 

1,91 

1,25 

0,82 

0,54 

0,36 

0,26 

'  d 

1,0 

1,5 

2,0 

2.7 

4,0 

6,5 

8,0 

a  =  22  cm  /Ti 

1119 

926 

849 

740 

720 

791 

965 

a=  12cDi  Vi 

667 

567 

509 

533 

592 

723 

984 

a  =  2  cm  Kg 

321 

333 

363 

411 

513 

694 

930 

V,-l\ 

462 

358 

340 

207 

128 

68 

19 

y^-y,  ' 

316 

234 

146 

122 

79 

29 

54 

dabei  immer,  daas  es  sich  um  eine  Durchdringung  nur  der 
Glimmlichter,  niclit  aber  der  Hittorfschen  Dunkelräume  handelt, 
und  dass  die  Durchdringung  desselben  Raumes  zeitlich  nach- 
einander stattfindet.  Auch  treten  die  Umkehrungen  immer 
schon  bei  so  hohen  Drucken  und  so  kleinen  d  auf,  dass  die 
Anoden  der  jedesmaligen  Entladungen  bei  den  hier  eingehal- 
tenen Abständen  a  noch  vollkommen  ausserhalb  ihrer  eigenen 
zugehörigen  Glimmlichter  liegen,  wie  schon  das  Vorhandensein 
einer  merklich  ausgedehnten  Anodensäule  und  die  (^ontrole  im 
Drehspiegel  erkennen  lassen.  Das  Phänomen  ist  also  nicht 
etwa  auf  die  bekannte,  in  neuester  Zeit  von  Herrn  Weh nelt*) 


•)  A.  Wehnelt,  Wicd.  Ann.  65,  p.  521  f.,  1898. 


518         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  5.  November  1898. 

durch  Messungen  genauer  verfolgte  Potentialsteigerung  zurĂĽck- 
zufĂĽhren, welche  eintritt,  wenn  man  die  Anode  durch  ihr 
eigenes  Glimmlicht  hindurch  gegen  den  Dunkelraum  der  der 
gleichen  Entladung  angehörenden  Kathode  voranschiebt. 

5.  Verhalten  gekreuzter  Entladungen.  —  Bei  allen 
bisher  verwendeten  Entladungsröhren  lagen  sich  die  Elektroden 
direkt  gegenĂĽber  und  es  war  die  eine  von  der  anderen  aus 
sichtbar;  jede  Elektrode  wird  also,  auch  wenn  sie  Anode  ist, 
von  Kathodenlicht  getroffen.  Nun  ist  bekannt,  wie  stark  elek- 
trische Entladungen,  namentlich  in  gasverdünnten  Räumen 
durch  die  von  der  Kathode  ausgehenden  Strahlungen,  das  ultra- 
violette Licht  der  Glimmlichtstrahlen,  bei  tiefen  Drucken  durch 
die  Kathoden-  und  Röntgenstrahlen  beeinflusst  werden.  Es  war 
demnach  zu  untersuchen,  ob  die  oben  beschriebenen  Ergebnisse 
eine  Modification  erfahren,  wenn  die  Elektroden  so  angeordnet 
werden,  dass  sie  sich  nicht  direkt  gegenĂĽber  stehen  und  die 
genannten  Strahlungen  nicht  von  einer  zur  anderen  ĂĽbergehen 
können,  wofür  schon  das  Dazwischentreten  der  Glaswände  des 
Rohres  selbst  genĂĽgt.  Insbesondere  war  zu  prĂĽfen,  ob  die 
beschriebene  Umkehr  nur  eintritt,  wenn  die  Glimmlichtstrahlen 
gegen  einander  geschickt  werden,  oder  ob  die  spannungs- 
steigernde  Wirkung  auch  eintritt,  wenn  diese  Strahlen  etwa 
rechtwinklig  gegen  einander  verlaufen. 

Um  beide  Fälle  bei  demselben  Drucke  in  dem  gleichen 
Entladungsrohre  direkt  mit  einander  vergleichen  zu  können, 
wurde  das  Kreuzrohr  Fig.  4  verwendet,  welches  aus  vier  recht- 
winkelig gegen  einander  stossenden,  je  10  cm  langen,  2,5  cm 
weiten  Cy linderröhren  besteht;  alle  vier  Arme  tragen  genau 
gleiche  Scheibenelektroden  von  2,0  cm  Durchmesser,  welche 
so  genau  als  irgend  möglich  gleich  weit  (6,5  cm)  von  dem 
Kreuzungspunkte    der    Rohraxen    entfernt    angebracht    sind.^) 


*)  Das  Rohr  ist  mit  grosser  Sorgfalt  in  dem  glastechnischen  Institut« 
von  Louis  MĂĽller-Unkel ,  jetzt  MĂĽller-Uri  in  Braunschweig  hergeBt-ellt 
worden  und  hat  auch  bei  genauester  PrĂĽfung  keine  Ungleichartigkeit 
seiner  einzelnen  Teile  erkennen  lassen. 


H,  Ebert:  Oasentladungen, 


519 


Die  Rohraxen  liegen  in  einer  Ebene;  senkrecht  zu  derselben 
verläuft  das  zur  Evacuation  angesetzte  Biegerohr  (b). 

Schliesst  man  die  Punkte  ab  oder  cd  a,n  den  Hochspannungs- 
transformator an,  so  wirkt  der  Entladungsapparat  wie  eine  der 
bisher  benutzen  cylindrischen  Röhren;  werden  ac,  cb,  bd  oder 
da  angeschlossen,  so  erhält  man  gekreuzte  Glimmlichter. 

Sowie  die  Glimmlichter  von  irgend  einer  Seite  her 
bis  zur  Mitte  bei   den   aufeinander  folgenden  Phasen 


1 


der  Wechselstromentladungen  vordringen,  tritt  die  Um- 
kehr ein,  gleichgiltig,  ob  einander  gegenĂĽber  liegende 
Elektroden  benutzt  werden,  oder  die  Entladungsbahneu 
sich  kreuzen. 

Die  Abweichungen  der  gemessenen  [elektrischen  Grössen 
bei  dem  einen  oder  anderen  Entlad ungswege  von  einander  liegen 
stets  innerhalb  der  Grenze  der  unvermeidlichen  Beobachtungs- 
fehler.    Es  sind  also  nicht  die  Glimmlichtstrahlen  selbst. 


520         Sitzung  der  math.-phya.  Classe  vom  5.  November  1898. 


etwa  eine  Art  Nachleuchten  derselben,  welche  die  Erscheinung 
bedingen,  sondern  eine  nachdauernde  Veränderung  in 
dem  von  ihnen  durchstrahlten  Gasraume.  Auch  auf  die 
llolle,  welche  man  den  Wandladungen  der  Röhre  hierbei  zuzu- 
schreiben etwa  geneigt  sein  könnte,  werfen  die  genannten 
Versuche  Licht.  Diese  Ladungen  mĂĽssen  oflFenbar  im  Falle 
gekreuzter  Entladungen  wesentlich  anders  verteilt  sein,  als  in 
dem  Falle  direkter  Entladungen,  wie  sie  in  den  fiĂĽher  be- 
nutzten Röhren  vorliegen. 

6.  Zwei  gleiche  GylinderrOhren  in  Parallelschaltung.  — 

Mit  Hilfe  der  Spannungssteigerung  in  Folge  von  Vorgängen 
bei  der  Entladung  selbst  innerhalb  desselben  Rohres  musste  es 
möglich  sein,  eine  Art  Auto-Ventilwirkung  zu  erzielen, 
d.  h.  die  Entladung  zu  veranlassen,  sich  selbst  von  einem  von 
ihr  bisher  allein  eingenommenen  Entladungswege  abzudrängen 
und  z.  T.  in  einen  parallel  geschlossenen  mit  hinĂĽber  zu  gehen. 
Dieser  Versuch  gelang. 

Zwei  einander  vollkommen  gleiche  Cylinderröhren  Fig.  1 
R^  und  R^  werden  neben  einander  nach  dem  Schaltschema  Fig.  5 

in  den  Hochspannungswechsel- 
stromkreis eingeschaltet ;  die 
von  dem  Transformator  TT 
kommenden  Kabel  wurden  zwi- 
schen beiden  Röhren  so  ver- 
zweigt, dass  beiden  der  Strom 
durch  kurze  gleichlange  und 
gleichdicke  Leitungen  von  bei- 
den Seiten  her  zugefĂĽhrt  wurde. 
Diiss  sowohl  die  Röhren  wie  die  Zuleitungen  zu  beiden  wirk- 
lich als  fast  vollkommen  identisch  betrachtet  werden  konnten, 
wurde  daran  erkannt,  dass  bei  höheren  Drucken  bald  die  eine, 
bald  die  andere  Röhre  aufleuchtete,  ohne  dass  eine  derselben 
irgendwie  in  auffallender  Weise  bevorzugt  wurde. ^) 


Ă„, 


3 


2(6^ 


It. 


^ 


Fig.  5. 


*)  Bei  Füllung  mit  Luft  und  im  Anfange,  als  die  Röhren  eben  frisch 
au  die  Pumpe  angesetzt  worden   waren,  konnte  der  sehmale  röthliche 


H.  Ebert:  Gasentladungen.  521 

Bei  tieferen  Drucken  wurde  die  Verteilung  der  Entladung 
insofern  stabiler,  als  die  Entladung  bei  Stromschluss  immer 
mehr  dasjenige  Rohr  bevorzugte,  welches  schon  vorher  ge- 
leuchtet hatte.  In  demselben  waren  die  Elektroden  warm  ge- 
worden und  es  ist  bekannt,  wie  eine  Entladung  das  Eintreten 
der  nachfolgenden  erleichtert,  entweder  dadurch,  dass  die  Elek- 
troden gereinigt  und  aufgelockert  sind,  oder  durch  Bildung  von 
Jonen  (vergl.  die  Anregbarkeit  von  elektrodenlosen  Röhren  in 
elektrischen  Wechselfeldern).  Näherte  man  sich  dem  von  uns 
als  „Umkehrdruck*  bezeichneten  Druckwert,  so  setzte  die  Ent- 
ladung nach  jeder  Unterbrechung  mit  Bestimmtheit  immer 
wieder  in  demselben  Rohre  ein,  dessen  Elektroden  dadurch  sehr 
heiss  gemacht  werden  konnten.  In  dem  Momente  aber,  wo 
der  rotierende  Spiegel  zeigte,  dass  die  äussersten  Glimmlicht- 
spitzen nach  einander  von  beiden  Seiten  her  die  Mitte  des 
llohres  trafen,  begann  das  andere  Rohr  regelmässig  mit- 
zuleuchten,  die  Entladung  ging  gleichzeitig  durch 
beide  Rohren.  Wiewohl  also  die  Röhre,  welche  bis  dahin 
den  Ausgleich  allein  vermittelt  hatte,  erheblich  prädisponiert 
war  auch  zur  weiteren  StromfĂĽhrung,  setzte  doch  die  Ent- 
ladung .im  genannten  Augenblicke  in  dem  anderen  Rohre  mit 
kalten  Elektroden  und  ohne  die  unterstĂĽtzende  Wirkung  vor- 
hergehender Entladungen  ein,  augenscheinlich,  weil  sich  in 
dem  ersten  Rohre  bei  der  Begegnung  der  Glimmlichter  die  zur 
Entladung  nötige  Spannung  erheblich  steigert.  Es  ist  hier 
wie  in  allen  früheren  Fällen,   als  ob  sich   in  diesem  Momente 


Lichtfiiden,  der  von  den  mit  einem  bliiulichtm  GlimmlichtbĂĽscbel  be- 
deckten Elektroden  nach  der  Rohrmitte  zu  sich  erstreckte,  leicht  durch 
iiuHsere  Ableitungen  derart  beeinflusst  werden,  dass  die  Entladung  von 
dem  einen  Rohre  auf  das  andere  ĂĽbersprang.  Ging  die  Entladung  etwa 
durch  jKj,  so  genĂĽgte  das  Anlegen  eines  4  cm  breiten  Staniolstreifens 
an  7^1  in  der  Nähe  der  Elektroden,  um  hier  die  Entladung  sofort  er- 
löschen und  durch  B^  hindurch  gehen  zu  lassen.  Bei  späteren  Versuchen, 
als  die  Röhren  trockener  waren,  sich  Quecksilberdampf  in  reichlicherer 
Menge  von  der  Pumpe  her  in  sie  hineingezogen  hatte,  zeigten  die  Ent- 
ladungen aurh  bei  hohen  Drucken  nicht  mehr  diese  Empfindlichkeit. 


522         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5.  November  1898. 

der  Oasdruck  in  dem  stromdurcMossenen  Rohre  erhöhe.  Dass 
diese  Druckerhöhung  aber  nur  eine  scheinbare  ist,  wurde  durch 
sehr  häufige  Controlen  an  dem  Manometer  nachgewiesen;  jeden- 
falls sind  die  durch  die  Entladung  von  den  Elektroden  etwa 
losgerissenen  Spuren  von  Gasresten  bei  weitem  nicht  hinreichend, 
um  die  Umkehr  und  die  im  vorliegenden  Falle  damit  in  Ver- 
bindung stehende  Ventilwirkung  herbeizufĂĽhren.  Durch  die 
Wirkung  schon  eines ,  schwachen  transversalen  Magnetfeldes 
wurde  die  Entladung  in  einem  Rohre  ausgelöscht,  angelegte 
Ableitungen  riefen  sie  wieder  hervor. 

Also  nicht  einfach  deshalb,  weil  ein  gewisser  Druckwert 
erreicht  wird,  tritt  die  Umkehr,  die  Spannungssteigerung  und 
Stromabnahme  ein,  sondern,  weil  sich  im  Rohre  selbst  gewisser- 
massen  elektromotorische  Gegenkräfte  entwickeln.  Denn  sonst 
wäre  kein  Grund  vorhanden,  warum  die  Entladung  auf  die 
andere  Röhre  überspringen  sollte,  in  der  ja  genau  der  gleiche 
Gasdruck  herrscht.  Durch  die  Entladung  selbst  muss  also  ein 
Hindernis  geschaflft  werden.  Das  Auftreten  der  Gegenkraft  ist 
an  den  Moment  gebunden,  wo  das  Glimmlicht  der  einen  Ent- 
ladung gezwungen  wird,  in  einen  Raum  einzudringen,  den 
vorher  das  Glimmlicht  einer  anderen  Entladung,  wenli  auch 
nur  zum  kleinen  Teile,  inne  gehabt  hatte.  Der  Process  der 
Auslösung  der  eigentlichen,  sichtbaren  Entladung  wird  dem- 
nach in  den  vordersten  Saum  des  Glimmlichtes  verlegt,  wo 
auch  anderweitige  Beobachtungen  den  Sitz  des  eigentlichen 
Ausgleiches  beider  Elektricitäten  vermuten  Hessen. 

Der  genannte  Ventil  versuch  gelingt  mit  allen  Gasen,  be- 
sonders gut  mit  Luft,  Stickstoff,  Kohlensäure  und  Wasserstoff. 
Das  Mitleuchten  einer  parallel  geschalteten  gleichbeschaffenen 
Entladungsröhre  giebt  ein  sehr  einfaches  und  empfindliches 
Kriterium  an  die  Hand  zur  Entscheidung  der  Frage,  wann 
man  beim  Evacuieren  bei  dem  Umkehrdrucke  U  angelangt  ist. 

So  ergab  sich  z.  B.  bei  einer  Versuchsreihe  mit  Stick- 
stofl'  U  zu  0,70  mm,  bei  einer  Reihe  mit  denselben  Röhren  bei 
Füllung  mit  Kohlensäure  zu  0,47  mm.     Das  Verhältnis  dieser 


n,  Ebert:  Gasentladungen,  523 

Unikehrdrucke  ist  1,49,  das  ist  sehr  nahe  dasselbe  wie  das 
Verliältnis  der  freien  Weglängen  bei  demselben  Drucke:  1,46. 
Hierdurch  wird  das  schon  in  §  1  ausgesprochene  Gesetz  bestätigt. 


Was  die  Erkläi-ung  des  im  Vorstehenden  nach  verschiedenen 
Seiten  hin  studierten  Phänomens  betrifft,  so  würde  man  bis 
vor  Kurzem  wahrscheinlich  zu  andauernden  Aetherbewegungen 
gegriffen  haben,  welche  die  Kathodenphänomene  begleiten  sollten. 
Seit  indessen  fĂĽr  die  Ueberzeugung  sichere,  namentlich  auch 
quantitative  Anhaltspunkte  gewonnen  worden  sind,  dass  die 
Canal-  und  Kathodenstrahlen  aus  positiv  bezw.  negativ  ge- 
ladenen kleinsten  Teilchen  bestehen,  die  mit  grosser  Geschwin- 
digkeit von  den  Elektroden  los-  und  in  den  Gasraum  hinein- 
geschleudert werden,  wird  man  eher  geneigt  sein,  an  das  Auf- 
treten ähnlicher  Teilchen,  etwa  Jonen,  und  eine  Art  Diffusions- 
process  derselben  durch  das  Gas  hindurch  zu  denken.  Die 
Production  solcher  Teilchen  muss  auch  schon  bei  höheren  Gas- 
drucken stattfinden,  wenn  sie  hier  auch  in  Folge  häufigerer 
Zusammenstösse  mit  den  elektrisch  neutralen  Gasmolekülen 
sehr  bald  ihre  grossen  translatorischen  Geschwindigkeiten  ein- 
büssen,  und  daher  nicht  zu  dem  Phänomen  ausgedehnterer 
Strahlungen  mit  geradliniger  Fortpflanzung  führen  können. 
Herr  E.  Riecke  hat  eine,  wie  mir  scheint,  höchst  beachtens- 
werte Theorie  der  Gasentladungen  in  diesem  Sinne  angedeutet.*) 
Auf  Grund  der  Annahme,  dass  den  unelektrischen  MolecĂĽlen 
des  Gases  positive  und  negative,  einwertige  Jonen  in  verhältnis- 
mässig kleiner  Zahl  beigemischt  sind,  wird  es  ihm  möglich, 
auf  den  Elektricitätsausgleich  in  den  Gasen  analoge  Betrach- 
tungen in  Anwendung  zu  bringen,  wie  sie  ihn  zu  einer  mole- 
cularen  Theorie  der  Diffusion  und  Elektrolyse  gefĂĽhrt  hatten. 
Aus  Beobachtungsdaten  der  Herren  Hittorf  und  War  bĂĽrg 
leitet  er  ab,  dass  die  Zeit  zwischen  zwei  Zusammenstössen  an 
der  Kathode  für  die  angenommenen  Jonen  beträchtlich  kleiner 


»)  Ed.  Riecke,  Wied.  Ann.  63,  p.  220,  1897. 


524         Sitzung  der  math.-jihys.  Classe  vom  5.  November  i89S. 

als  für  die  Molecüle  neutraler  Gase  ist.  Die  mit  grösseren  als 
den  mittleren  molecularen  Geschwindigkeiten  behafteten  positiv 
geladenen  Teilchen,  deren  Concentration  an  der  Kathode  relativ 
sehr  gross  ist,  und  die,  wie  die  Messungen  des  Potentialgefalles 
zeigen,  das  ganze  Glimmlicht  erfüllen,  müssen  verhältnismässig 
rasch  durch  das  Gas  hindurch  diffundieren.  Die  erhöhte  Zahl 
ihrer  Zusammenstösse  mit  den  Gasmolecülen  verhält  sich  so, 
als  ob  das  Gas  entsprechend  dichter,  der  Gasdruck  grösser  wäre. 
In  der  That  wirkt  die  Begegnung  der  Glimmlichter  nach  ein- 
ander in  der  Mitte  des  Rohres  ganz  im  gleichen  Sinne  wie 
eine  Druckerhöhung,  wie  namentlich  aus  den  in  §  6  beschrie- 
benen Versuchen  hervorgeht:  Die  Spannung  wird  erhöht,  die 
Stromstärke  herabgedrückt,  gerade,  als  ob  man  von  dem  ,  Um- 
kehrdrucke"  nicht  zu  niedrigen  Drucken  ĂĽberginge,  wie  es 
thatsächlich  der  Fall  ist,  sondern  zu  höheren.  Dass  die  bis 
in  die  vordersten  Spitzen  des  Glimmlichtes  vorgedrungenen, 
mit  freier  positiver  Ladung  versehenen  Teilchen,  welche  hier 
eine  merkliche  räumliche  Dichte  der  +  ^  bedingen,  auch  noch 
eine  gewisse  Zeit  lang  in  dem  Gase  verbleiben,  ehe  sie  sich 
etwa  an  die  Wände  anlagern,  scheint  mit  Rücksicht  auf  die 
endliche  Diffusionsgeschwindigkeit  wahrscheinlich.  Eine  positiv 
geladene  Glimnilichtsäule  findet  aber  in  einem  z.  T.  mit  solchen 
+  Jonen  bereits  erfĂĽllten  Gasraume  offenbar  andere  Bedingungen 
zu  ihrer  Ausbildung  vor,  als  in  einem  nur  von  neutralen  Gas- 
molecülen eingenommenen  Räume ;  dass  dazu  höhere  Spannungs- 
werte erforderlich  sind,  folgt  aus  der  elektrostatischen  Ab- 
stossung  der  bereits  vorhandenen  und  der  neuen  Teilchen, 
welche  mit  einer  gewissen  Geschwindigkeit  durch  denselben 
Raum  getrieben  werden  sollen.^)  Daher  die  Spannungssteige- 
rung bei  dem  Umkehrpunkte,  welche  eine  Verminderung  der 
Stromstärke  zur  unmittelbaren  Folge  hat.  Diese  an  sich  un- 
sichtbaren Diffusionsvorgä nge  der  mit  freier  Ladung  versehenen 


*)  Da  diese  relativ  stärker  bewegten  Teilchen  nicht  zu  gleicher 
Zeit  die  leuchtenden  zu  sein  brauchen,  so  ist  nicht  zu  verwundem,  dass 
das  Spectroskop  keine  Linienverschiebungen  zeigt. 


//.  Ebcrt:  Oasentladungen.  525 

und  schon  bei  der  ersten  Entladung  in  das  Gas  hinein- 
geschleuderten Jonen  haben  daher  einen  maassgebenden  Ein- 
fluss  auf  die  Ausgestaltung  des  sichtbaren  Teiles  der  Entladung, 
diis  Vorschiessen  der  Qlimmlichtsaule,  die  AbschnĂĽrung  der 
Anodensäule  u.  s.  w.^) 

So  dĂĽrfte  die  Rieckesche  Theorie  im  Stande  sein,  eine 
Erläuteining  der  in  R^de  stehenden  Erscheinung  zu  geben. 
Dieselbe  tritt  hier  bei  Anwendung  des  Hochfrequenzstronies 
besonders  auffallend  zu  Tage.  Die  genannten  intermolecularen 
Vorgänge  müssen  aber  auch  bei  einer  Aufeinanderfolge  gleich- 
gerichteter Entladungen  in  Wirksamkeit  treten.  Erregen 
wir  durch  den  Oeffnungsstrom  eines  Inductoriums,  durch  eine 
Influenzmaschine  oder  eine  Hochspannungsbatterie,  so  folgt  eine 
grosse  Zahl  von  Einzelentladungen,  —  im  letzteren  Falle  viel- 
leicht unendlich  viele  —  gleichsinnig  aufeinander.  Durch  jede 
einzelne  werden  +  Jonen  in  den  vom  Glimmlicht  eingenom- 
menen Gasraum  hineingeschleudert.  Daher  kann  auch  hier 
bei  fortschreitender  Evacuation  die  Umkehrerscheinung  auf- 
treten, das  Spielen  der  Entladung  selbst  wirkt  wie  Druck- 
erhöhung, was  gelegentlich  auch  schon  beobachtet  wurde. 
Ebenso  ist  das  hier  verwendete  Zeitintervall  nicht  das  einzige,  bei 
dem  die  Erscheinung  beobachtbar  ist;  da  die  Ladung  der  Glimm- 
lichtatmosphäre sich  längere  Zeit,  wenn  auch  mit  rasch  abnehmen- 
der Raumdichte,  erhält,  so  lassen  sich  deren  Wirkungen  auch  schon 
bei  langsamerem  Zeichen  Wechsel  nachweisen,  deutlicher  treten 
sie  natürlich  bei  höheren  Frequenzen  auf,  vergl.  auch  S.  528. 

FĂĽr  die  letztgenannten  AusfĂĽhrungen  sprechen  eine  Reihe 
von  anderweitigen  Erfahrungen:  1.  Mit  Hilfe  des  hochempfind- 
lichen Neesenschen  Verdampfungscalorimeters  war  es  den 
Herren    A.  Paalzow    und    F.  Neesen*)    gelegentlich    ihrer 


')  Auch  Herr  A.  Righi  (Mem.  della  R.  Acc.  di  Bologna  (5),  8, 
p.  115,  1803;  Beibl.  17,  p.  978,  181)3)  hält  eine  Erklärung  seiner  Resultate 
über  Sondenj^otentiale  durch  die  Annahme  für  möglich,  dass  sich  um 
jede  Elektrode  (und  hauptsächlich  um  die  Kathode)  eine  Atmosphäre 
von  elektrisiertem  Gas  bildet. 

2)  A.  Paalzow  und  F.  Neesen ,  Wied.  Ann.  56,  p.  276  u.  p.  700,  1896. 


526         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  5,  November  1898. 

Untersuchung  über  den  Durchgang  der  Elektricität  durch  Oase 
möglich,  auch  die  elektrischen  Grössen  für  eine  einzige 
Entladung  bei  verschiedenen  Drucken  zu  messen.  Betrachtet 
man  die  hierbei  erhaltenen,  a.  a.  0.  p.  298  in  Tabelle  I 
zusammengestellten,  in  Fig.  5  graphisch  veranschaulichten 
Werte,  so  erkennt  man,  dass  ein  Minimum  der  Spannung 
(durch  WjQ  gemessen),  wie  es  unserer  „Uipkehrungserschei- 
nung**  entspricht,  absolut  nicht  angezeigt  ist.  Liessen  aber 
die  genannten  Forscher  den  Strom  ihrer  Hochspannungsbatterie 
während  20  Secunden  durch  dieselben  Entladungsröhren  gehen 
(p.  298,  Tabelle  11,  Fig.  6),  so  trat  die  Maximumserscheinung 
des  Stromes,  das  Minimum  der  Spannung  {W\Q)  deutlich  her- 
vor, vergl.  p.  301.  Auch  die  Coincidenz  beider  Punkte  ist 
ihnen  bei  direkten  Messungen  nicht  entgangen,  vergl.  p.  289. 

2.  Legt  man  eine  Entladungsröhre  an  eine  ergiebige 
Spannungsquelle,  so  beobachtet  man  oft,  dass  die  typische  Licht- 
erscheinung sich  nicht  sofort  herstellt;  mitunter  erfolgt  die 
Ausbildung  so  allmählich,  dass  man  ihre  einzelnen  Stadien 
mit  dem  Auge  verfolgen  kann  u.  s.  w.  — 

Die  obigen  Andeutungen  ĂĽber  die  Art  des  Zustande- 
kommens der  Erscheinung  mögen  genügen;  wichtiger  erscheint 
mir  der  Hinweis,  dass  durch  dieselbe  eine  Reihe  frĂĽher  beob- 
achteter, seither  noch  der  Deutung  harrender  Phänomene  auf 
eine  sehr  einfache  Weise  erklärt  wird;  ich  führe  nur  die 
folgenden  an: 

1.  Die  älteste  Beobachtung  über  eine  Nachdauer  oder  ein 
Vorherrschen  der  Kathodenerscheinung  rĂĽhrt  wohl  von  Herrn 
A.  Schuster^)  her.  Er  fand  bei  seinen  eingehenden  Studien 
ĂĽber  das  Sauerstofi'spectrum ,  dass  das  fĂĽr  die  Eathodeu- 
erscheinung  in  Sauerstoff  charakteristische  Licht  bei  einer  Um- 
kehr des  Primärstromes  des  erregenden  Inductoriiuns  noch  eine 
Zeit  lang  andauert  an  derjenigen  Elektrode,  welche  durch  die 
Umkehr  Anode  geworden,  vorher  aber  Kathode  gewesen  war; 
erst  allmählich,  d.  h.  nach  mehreren  Entladungen  tritt  das  für 

*)  A.  Schuster,  Phil.  Trans.  London,  170,  P.  I,  p.  41,  1879. 


H,  Ebtri:  Gasentladungen.  527 

die  Anodenerscheinung  charakteristische  Licht  an  der  neuen 
Anode  auf.  Schusters  Röhren  hatten  enge  capillare  Ver- 
bindungsstücke zwischen  den  Elektrodenräumen,  durch  die  nur 
eine  verhältnismässig  langsame  Diffusion  hindurch  stattfinden 
konnte.  Wendet  man  so  geringe  Wechselzahlen,  wie  sie  sich 
beim  Inductorium  durch  Gommutieren  eben  nur  herstellen  lassen, 
an,  so  bedarf  man  enger  Capillaren,  die  den  Diffusionsstrom 
genĂĽgend  verlangsamen,  um  die  Erscheinung  hervorzurufen; 
bei  den  800 — 1000  Wechseln  in  der  Secunde,  wie  ich  sie  an- 
wendete, erscheint  das  Schustersche  Phänomen  in  jeder  noch 
so  weiten  Röhre. 

2.  Herr  E.  Wiedemann  und  ich  selbst^)  beobachteten  in 
dem  Hochfrequenzfelde  des  Endcondensators  eines  einmal  ĂĽber- 
brĂĽckten Lecherschen  Drahtsystems,  dass  irgend  ein  elektroden- 
loses, mit  verdĂĽnntem  Gase  gefĂĽlltes,  in  dem  Wechselfelde 
leuchtendes  Glasgeföss  in  dem  Momente  erlischt,  in  welchem 
sich  die  von  beiden  Seiten  her  bei  abnehmenden  Drucken  vor- 
rĂĽckenden Glimmlichter  in  seiner  Mitte  begegnen.  Die  Folge 
davon  war,  dass  kleinere  Entladungsgefasse ,  bei  denen  dies 
früher  eintrat,  schon  bei  höheren  Drucken  erloschen  als  grössere, 
bei  denen  die  Glimmlichter  die  den  tieferen  Drucken  ent- 
sprechende grössere  Ausbreitung  annehmen  konnten,  ehe  die 
Begegnung  stattfand;  kästen-  oder  cjlinderförmige  GefUsse 
leuchteten  länger,  wenn  sie  mit  der  grösseren  Läugskante,  als 
wenn  sie  mit  der  kĂĽrzeren  Breitseite  den  Kraftlinien  parallel 
gestellt  wurden;  das  Gas  leuchtet  hell  auf,  wenn  man  die  eben 
sich  begegnenden  Glimmlichtstrahlen  durch  einen  Magneten 
zur  Seite  biegt,  so  dass  sie  nicht  mehr  zusammentreffen  u.  s.  w. 
Wir  haben  s.  Z.  diese  auffallenden  Erscheinungen  beschrieben, 
ohne  im  Stande  zu  sein,  fĂĽr  dieselben  eine  befriedigende  Er- 
klärung zu  geben.  Dieselbe  folgt  aus  dem  Obigen.  In  dem 
Momente  der  Begegnung  beginnt  die  zum  Unterhalten  der  Ent- 
ladung nötige  Spannung  (genauer  gesagt  der  nötige  Spannungs- 
gradient) erheblich  zu  wachsen  in  Folge  der  unsichtbaren  Nach- 


^)  H.  Ebert  und  ÂŁ.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  62,  p.  182,  1897. 

1898.  SitningBb.  d.  math.-]>hys.  OL  35 


528         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  5,  November  1898, 

Wirkung  der  eben  vorhergehenden  sichtbaren  Entladung;  bei 
der  sehr  viel  schneUeren  Aufeinanderfolge  der  Einzelerregungen 
bei  dem  Lecherschen  System  ist  die  Spannungssteigerung  und 
Abnahme  der  Stromstärke  noch  viel  ausgeprägter  als  in  den 
oben  angefĂĽhrten  Tabellen  filr  die  hier  angewendete  viel 
niedrigere  Frequenz.  Das  Lechersche  System  stellt  aber  an 
seinem  Endcondensator  nur  eine  ganz  bestimmte,  und  zwar 
verhältnismässig  kleine  Spannungsamplitude  zur  Verfügung. 
Folglich  muss  das  in  denselben  gebrachte  Entladungsgefiäss  in 
dem  Momente  erlöschen,  in  welchem  erheblich  höhere  Spannungs- 
werte erfordert  werden,  und  dieses  findet  statt,  wenn  sich  die 
Glimmlichter  begegnen;  dieses  wiederum  hängt  in  unmittelbar 
ersichtlicher  Weise  von  den  Dimensionen  der  Gefasse  ab. 

8.  Eigentümliche  Rückstauungsphänomene  der  Entladung 
hat  Herr  J.  Monckman*)  an  rechteckig  gebogenen  Entladungs- 
röhren beobachtet,  an  denen  an  symmetrischen  Stellen  die  die 
Elektroden  enthaltenden  Räume  seitlich  angeschmolzen  waren, 
an  Röhren  also,  welche  der  Entladung  zwei  völlig  gleichartige 
und  gleichlange  Wege  darboten.  Wird  die  Entladung  eine 
Zeit  lang  den  einen  Weg  geschickt  (Ableitungen  bestimmen 
den  Entladungsweg)  und  commutiert  man,  so  geht  die  Ent- 
ladung innerhalb  gewisser  Drucke  niemals  denselben  Weg  im 
umgekehrten  Sinne,  sondern  schlägt  stets  den  anderen,  vorher 
nicht  betretenen  Weg  ein.  Durch  die  ersten  Entladungen 
werden  Jonen  in  den  ersten  Entladungsweg  geschafft,  welche 
sich  durch  DiĂ–usion  verbreiten  und  in  dem  neutralen  Gase  eine 
längere  Zeit  verbleiben.  Dadurch  erschweren  sie  allmählich 
immer  mehr  diesen  Weg,  sie  wirken  so,  als  ob  sich  hier  der 
Druck  erhöhte.  So  lange  Entladung  auf  Entladung  im  gleichen 
Sinne  folgt,  überwiegt  die  Förderung,  welche  Erwärmungen 
der  Gasstrecke  u.  s.  w.  auf  den  Entladungsvorgang  selbst  aus- 
ĂĽben. Wird  aber  der  Entladungsstrom  unterbrochen,  so  ist 
es  nach  der  Commutation  der  Entladung  (innerhalb  der  ent- 
sprechenden   Druckgrenzen)    leichter   den   anderen  Jonenfreien 

>)  J.  Monckman,  Cambrid(?e  Phil.  Soc.  9,  P.  IV,  p.  316,  1897. 


H.  Hbert:  Gasentladungen.  529 

Weg  zu  gehen.  Der  Versuch  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  dem 
in  §  6  beschriebenen;  dieser  lässt  freilich  die  Bedingungen 
klarer  ĂĽbersehen  und  messend  verfolgen.  Da  bei  den  Monck- 
m  an  sehen  Röhren  auch  Ableitungen  6ine  grosse  Rolle  spielen, 
so  dürften  hier  die  naturgemäss  auftretenden,  sehr  kräftigen 
Wandladungen  das  Phänomen  stark  mit  beeinflussen.  Von 
diesen  sind  seine  Versuche  mit  zwei  Eugelpaaren  in  einer 
grossen  Luftpumpenglocke  frei,  die  zu  ganz  ähnlichen  Ergeb- 
nissen wie  die  Versuche  in  §  6  führten. 


85 


531 


Oeffentliche  Sitzung 

zu  Ehren  Seiner  Majestät  des  Königs  und  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinz-Regenten 

am  12.  November  1898. 


Der  Präsident  der  Akademie,  Herr  M.  v.  Pettenkofer, 
Excellenz,  eröffiiet  die  Sitzung  mit  folgender  Ansprache: 

Die  bayerische  Akademie  der  Wissenschaften  feiert  heute 
das  Namensfest  ihres  Protektors,  Seiner  königlichen  Hoheit  des 
Prinz-Regenten  Luitpold,  des  Königreichs  Bayern  Verweser. 
Ich  bin  in  der  angenehmen  Lage,  ĂĽber  zahlreiche  Zeichen  des 
regen  und  warmen  Interesses  zu  berichten,  welches  unser  er- 
habener Protektor  auch  in  diesem  Jahre  der  Akademie  und 
den  damit  verbundenen  wissenschaftlichen  Sammlungen  des 
Staates  zuzuwenden  allergnädigst  geruht  hat. 

FĂĽr  werthvolle  Schenkungen  an  unsere  Sammlungen  und 
Förderung  bayerischer  Gelehrter  bei  Untersuchungen  und  Reisen 
verlieh  Seine  königliche  Hoheit  unterm  17.  Juni  1898  den 
kgl.  Verdienstorden  vom  hl.  Michael  I.  Classe  dem  Direktor 
der  kaiserUch  russischen  mineralogischen  Gesellschaft,  Herrn 
Paul  Wladimirowitsch  Jeremejeff  in  St.  Petersburg,  und 
den  kgl.  Verdienstorden  vom  hl.  Michael  IL  Classe  dem  Direktor 
der  wissenschaftlichen  botanischen  Anstalt  in  Buitenzorg  auf 
Java,  Herrn  Dr.  Melchior  Treub. 

Unterm  15.  August  1898  verlieh  Seine  königliche  Hoheit 
den  kgl.  Verdienstorden  vom  hl.  Michael  dem  Vollstrecker  des 


532  Oeffentliche  Sitzung  vom  12,  November  1898, 

Testamentes  des  Dr.  Dioneisios  Thereianos,  ĂĽber  welches 
reiche  Geschenk  ich  in  der  Festsitzung  im  März  dieses  Jahres 
berichtet  habe,  Herrn  Aristides  Caracaris  in  Triest,  sowie 
dem  Sachwalter  der  Akademie  in  dieser  Angelegenheit,  Herrn 
Hof-  und  Gerichtsadvokaten  Dr.  Gustav  Wolf  Krauseneck  in 
Triest.  Es  kostete  viel  MĂĽhe  und  Arbeit,  diese  fĂĽr  unsere 
philosophisch -philologische  Klasse  so  werth  volle  Schenkung 
gerichtlich  und  finanziell  zu  ordnen.  Nun  können  im  kom- 
menden Jahre  fĂĽr  Arbeiten  ĂĽber  Geschichte,  Sprache,  Literatur 
oder  Kunst  der  Griechen  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Er- 
oberung Konstantinopels  durch  die  TĂĽrken  aus  dem  Thereianos- 
Fond  Preise  vertheilt  werden. 

Auch  die  von  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Staatsminister 
Dr.  von  Landraann  wärmstens  befürworteten  und  vom  baye- 
rischen Landtage  gut  geheissenen  ZuschĂĽsse  fĂĽr  die  Krypto- 
gamensammlung  des  pfianzen-physiologischen  Instituts,  die 
Erhöhung  der  Realexigenz  der  mineralogischen  Sammlung,  des 
MĂĽnzkabinets ,  des  Gypsmuseums,  des  physikalisch -metrono- 
mischen Instituts  und  der  zoologisch-zoo tomischen  Sammlung 
wurden  allerhöchst  genehmigt,  ebenso  ein  ausserordentlicher 
Zuschuss  von  40000  M.  für  Ergänzung  der  mathematisch- 
physikalischen historischen  Sammlung. 

Die  Pflanzengruppe  der  Orchideen  hat  in  neuerer 
Zeit  an  Bedeutung  gewonnen.  Unser  hochverehrtes  Ehren- 
mitglied ,  Ihre  königliche  Hoheit  Prinzessin  Dr.  T  h  e  r  e  s  e 
von  Bayern  schenkte  dem  botanischen  Garten  verschiedene 
Orchideen  aus  Brasilien.  Nachdem  bis  jetzt  der  botanische 
Garten  nur  sehr  mangelhaft  dafĂĽr  eingerichtet  war,  bewilligte 
das  kgl.  Kultusministerium  eine  entsprechende  Summe  fĂĽr 
Orchideenkultur. 

Unser  Mitglied  Herr  Prof.  Dr.  Göbel,  Konservator  des 
pflanzen-physiologischen  Instituts,  hat  den  kĂĽhnen  Entschluss 
gefasst,  auf  eigene  Kosten  nach  Ceylon  und  Australien  zu  reisen 
und  hat  die  Reise  bereits  im  August  d.  J.  angetreten.  Falls  er 
Gelegenheit  findet,  Demonstration^-  und  Untersuchungsmaterial 


V,  Pettenkofer:  Eröffnungsrede,  533 

fĂĽr  das  pflanzen-physiologische  Institut  zu  erwerben,  konnten 
ihm  fĂĽr  diesen  Zweck  aus  Mitteln  der  Akademie  3000  M.  zur 
VerfĂĽgung  gestellt  werden.  Das  kgl.  Staatsministerium  fĂĽr 
Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  hat  durch  Vermittlung  des 
kgl.  Staatsministeriums  des  kgl.  Hauses  und  des  Aeussem  dem 
Reisenden  alle  möglichen  Verkehrserleichterungen  verschafft.  — 
Ich  erinnere  daran,  dass  vor  80  Jahren  ein  bayerischer  Botaniker 
und  Mitglied  unserer  Akademie,  Herr  von  Martins  mit  den^ 
Zoologen  Spix  nach  Brasilien  reiste  und  mit  botanischen 
Schätzen  reich  beladen  heimkehrte.  Wir  begleiten  nun  Qöbel 
mit  unsem  besten  WĂĽnschen  nach  Australien  und  hoffen  auf 
seine  glĂĽckliche  Heimkehr  im  kommenden  Jahre. 

Eine  andere  wissenschaftliche  Reise  fĂĽr  zoologische 
und  embryologische  Zwecke  nach  dem  grossen  Ozean  an  der 
WestkĂĽste  Nordamerika's  konnte  durch  Verwendung  von  Mitteln 
aus  der  MĂĽnchener  BĂĽrgerstiftung  und  der  Gramer -Klett- 
stiftung unternommen  werden.  Unsere  Mitglieder,  die  Herren 
von  Kupffer  und  Hertwig,  beauftragten  den  Assistenten 
der  zoologisch-zootomischen  Sammlung,  Herrn  Dr.  F.  Doflein, 
dahin  zu  reisen,  namentlich,  um  die  Entwicklungsverhältnisse 
von  Bdellostoma  Dombeyi,  eines  Repräsentanten  der  niedersten 
Wirbelthiergruppe,  der  Myxinoiden  zu  beobachten,  der  nur  an 
dieser  KĂĽste  vorkommt.  Herr  Dr.  Doflein  ist  bereits  wieder 
glĂĽcklich  heimgekehrt.  Auf  seiner  Reise  besuchte  Dr.  Doflein 
zuei*st  Barbados  und  daran  anschliessend  eine  Reihe  der  kleineren 
Antillen,  namentlich  auf  Martinique  einen  Monat  verweilend. 
Daselbst  wurden  grössere  Sammlungen  von  marinen  Thieren 
angelegt,  wobei  hauptsächlich  den  Verhältnissen  der  Korallen- 
riffe und  des  Planktons  Beachtung  geschenkt  wurde.  Doch 
wurden  auch  Landthiere  gesammelt  und  einzelne  in  ihren 
Lebensgewohnheiten  beobachtet.  Ausschliesslich  wurden  letztere 
gesammelt  während  des  kurzen  Aufenthalts  in  Dominica,  Nevis 
und  San  Christoforo  und  während  des  etwas  längeren  Auf- 
enthalts auf  St.  Thomas.'  Auf  der  letzten  Insel  wurde  der 
Reisende  einige  Zeit  durch  die  mangelhaften  Schifffahrisver- 
hältnisse  aufgehalten,   die  durch  den  Ausbruch  des  spanisch- 


534  Oeffentliche  Siteung  vom  12,  November  1898. 

amerikanischen  Krieges  bedingt  waren.  Die  Weiterreise  erfolgte 
längs  der  Küsten  von  Porto-Rico,  Hayti  und  Cuba.  Jedoch  in 
Folge  des  Krieges  war  eine  Landung  nur  in  Hayti  möglich. 
Ein  kurzer  Besuch  von  Cap  Haytien  und  Port  au  Prince  war 
in  Folge  des  kurzen  Aufenthalts  nicht  zu  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  auszubeuten.  Sodann  fĂĽhrte  die  Reise  nach 
Mexiko  und  erfolgte  die  Landung  auf  dem  amerikanischen 
Kontinent  in  Tambico.  Ein  3  wöchentlicher  Aufenthalt  haupt- 
sächlich in  der  Gegend  der  Hauptstadt  diente  dem  Reisenden 
mehr  zu  seiner  speziellen  Information  als  zu  wissenschaftlichen 
Studien.  Das  Hauptziel  der  Reise  —  Kalifornien  —  wurde 
auf  dem  Wege  durch  Central-Mexiko  und  Arizona  erreicht. 
Daselbst  fand  Dr.  Doflein  zu  Pacific  Qrove  in  der  biologischen 
Station  der  Universität  von  Palo  Alto  freundliche  Aufiiahme. 
Seine  speziellen  Forschungszwecke  jedoch  erreichte  er  ohne 
eine  weitgehende  AusnĂĽtzung  der  Hilfsmittel  dieses  Instituts. 
Es  gelang  ihm  ausser  der  Beobachtung  des  lebenden  Objektes 
ein  reiches  Material  von  Eiern  und  Embryonen  von  BdeUo- 
Stoma  zu  sammeln  und  sorgfaltig  konservirt  nach  MĂĽnchen 
zu  bringen.  Ausserdem  wurden  viele  Spezies  der  dortigen 
Land-  und  Meerfauna  gesammelt.  Mit  freudiger  Anerkennung 
erwähnt  Dr.  Doflein  die  Liebenswürdigkeit  der  Professoren  und 
Assistensten  des  Laboratoriums  in  Pacific  Grove  im  persön- 
lichen Umgang.  Die  Weiterreise  erfolgte  über  die  nördliche 
Route,  wobei  der  Reisende  zu  seiner  Information  die  Museen 
und  Universitäts-Einrichtungen  in  S.  Francisco,  Chicago,  Wash- 
ington und  New -York  besuchte,  ferner  den  Columbiafluss, 
den  Yellowstone  Park,  den  Niagara  und  die  hauptsächliche 
marine  Station  der  amerikanischen  Biologen  in  Woods  Holl 
in  Massachusetts.  Die  RĂĽckreise  ging  auf  einem  deutschen 
Dampfer  ĂĽber  London  glĂĽcklich  von  statten.  Dr.  Doflein  ist 
mit  Ausarbeitung  eines  eingehenden  Reiseberichtes  an  die 
Akademie  befasst. 

Unserer  paläontologischen  Sammlung  gingen  wieder 
werthvoUe  Geschenke  zu.  Herr  Dr.  David  RĂĽst  in  Hannover 
ĂĽbergab  eine  von  ihm  hergestellte  Sammlimg  von  1350  DĂĽnn- 


V.  Pettenkofer:  JSröffmMgsr$de.  535 

schlifFen  von  Radiolarien  der  verschiedensten  Arten,  dieOriginalien 
zu  seiner  in  der  ^Paläontographica'^  veröffentlichten  Abhandlung. 
Herr  Eommerzienrath  Stützel,  dem  unsere  paläontologische 
Sammlung  schon  so  viel  verdankt,  begab  sich  auf  die  Insel 
Samos  und  veranstaltete  dort  Ausgrabungen  fossiler  Thiere 
in  grossem  Maassstabe.  Mit  reicher  Ausbeute  zurĂĽckgekehrt, 
schenkte  er  uns,  was  in  73  Kisten  verladen  war. 

Die  Akademie  verlieh  Herrn  Dr.  RĂĽst  und  Herrn  Korn- 
merzienrath  Stützel  die  höchste  Auszeichnung,  die  sie  zu 
verleihen  hat,  die  goldene  Medaille  Bene  merenti. 

Zum  SchlĂĽsse  sei  noch  eines  Unternehmens  der  kartel- 
lierten deutschen  Akademien  gedacht,  bei  welchem  unsere 
Akademie  durch  unseren  Delegirten,  Herrn  von  Wölfflin, 
vertreten  ist,  des  Thesaurus  linguae  latinae,  welches  Unter- 
nehmen ich  bereits  im  vorigen  Jahre  bei  dieser  feierlichen 
Gelegenheit  erwähnt  habe.  In  dieser  Richtung  wurde  rüstig 
weiter  gearbeitet  und  ist  der  baldige  praktische  Abschluss  der 
Arbeit  gesichert,  die  viel  Interessantes  und  Neues  zu  Tage 
fordern  wird.  Es  wird  kein  gewöhnliches  lateinisches  Lexikon. 
Während  bisher  für  unsere  lateinischen  Wörterbücher,  auch 
die  grössten,  doch  nur  die  bekanntesten  Autoren  herangezogen 
worden  sind,  weil  ein  einzelner  Bearbeiter  nicht  mehr  zu  leisten 
vermag,  beabsichtigt  die  von  mehreren  hundert  Mitarbeitern 
unterstĂĽtzte  Thesaurus -Kommission  die  ganze  Literatur  bis 
gegen  das  Jahr  600  nach  Christus  auszubeuten,  und  zwar  in 
der  Textgestaltung,  welche  die  neuesten  kritischen  Ausgaben 
gesichert  haben.  Dadurch  werden  zwar  viele  Wörter,  als  durch 
die  handschriftliche  Ueberlieferung  nicht  hinreichend  geschĂĽtzt 
und  gestĂĽtzt,  in  Wegfall  kommen,  aber  sicher  auch  viele 
Tausend  neue  dem  Wortschatz  zugefĂĽgt  werden.  Vor  Allem 
aber  hat  der  Vertreter  unserer  Akademie  den  neuen  Gesichts- 
punkt aufgestellt  und  zur  Annahme  gebracht,  dass  jeder  Lexikon- 
artikel die  Geschichte  und  den  Lebenslauf  jedes  Wortes  geben 
soll,  sein  erstes  Auftauchen,  sein  Wachsthum  und  sein  Ab- 
sterben,   und   namentlich   die  Veränderung  und  Entwicklung 


536  Oeffentliche  Sitzung  wm  12.  November  1898, 

seiner  Bedeutungen.  Denn  wie  schon  Horaz  gesungen  hat, 
gleichen  die  Wörter  den  Baumblättem;  sie  fallen  und  grünen 
von  neuem.  Auch  auf  das  Entstehen  der  romanischen  Sprachen, 
der  italienischen,  französischen  und  spanischen  Sprache,  sowie 
auf  viele  ins  Deutsche  ĂĽbergegangene  Bezeichnungen  und  Aus- 
drĂĽcke wird  der  Thesaurus  linguae  latinae  Licht  werfen. 

Die  Kartellkommission  musste  jĂĽngst  fĂĽr  Abschluss  ihres 
Werkes  einen  festen  Sitz  wählen.  Sie  hat  München  gewählt. 
Genau  mit  Ablauf  des  Jahrhunderts  sollen  die  seit  1894  ge- 
sammelten Materialien  im  dritten  Stockwerke  unserer  Akademie 
in  4  geräumigen  Zimmern  geordnet  beisammen  stehen  und  ein 
zahlreiches,  aus  allen  deutschen  Stämmen  gemischtes  Redak- 
tionspersonal wird  mit  dem  Jahre  1900  die  Verarbeitung  in 
12  Folianten  in  Angriff*  nehmen.  Aber  auch  nach  Vollendung 
der  Riesenarbeit  werden  die  vielen  tausend  Schachteln  mit 
Millionen  von  Zetteln  als  Repertorium  aufgestellt  bleiben,  da- 
mit alle  Anfragen  der  Gelehrten  in  prompter  Weise  erledigt 
werden  können.  Dadurch  wird  München  für  immer  ein  Cen- 
tralsitz  der  lateinischen  Studien  bleiben,  und  damit  auch 
ein  Wunsch  des  seeligen  Königs  Max  IL  erfüllt  sein,  der 
MĂĽnchen  zu  einem  hervorragenden  Sitz  der  Wissenschaft  zu 
machen  strebte. 

Nun  bitte  ich  die  Herren  Classensekretäre,  die  am  16.  Juli 
vorgenommenen  und  von  unserem  Protektor  allergnädigst  be- 
stätigten Neuwahlen  von  Mitgliedern  kund  zu  geben. 

Hierauf  verkündeten  die  Classensekretäre  die  weiteren 
Wahlen  und  zwar  der  Sekretär  der  H.  Classe,  Herr  C.  v.  Voit, 
folgende  Wahlen   fĂĽr   die   mathematisch-physikalische  Classe: 

als  ordentliche  Mitglieder: 

1.  Dr.  Robert  Hartig,  ordentlicher  Professor  der  Anatomie. 
Physiologie  und  Pathologie  der  Pflanzen  an  der  Uni- 
versität München; 

2.  Dr.  Alfred  Pringsheim,  ausserordentlicher  Professor 
der  Mathematik  an  der  Universität  München; 


.  V.  Pettenkofer:  Eröffnungsrede,  537 

als  korrespondirende  Mitglieder: 

1.  Dr.  Charles  Barrois,    Professor   der   Geologie   an    der 
Universität  Lille; 

2.  Dr.  Lazarus  Fuchs,  ordentlicher  Professor  der  Mathe- 
matik an  der  Universität  Berlin; 

3.  Dr.  Sophus  Lie,  ordentlicher  Professor  der  Mathematik 
an  der  Universität  Christiania. 


538 


Sitzung  vom  8.  Dezember  1898. 

1.  Herr  Wilhelm  Könius  erstattet  einen  Bericht  über  die 
,p6edenkfeier  des  50.  Todestages  von  Berzelius*  am 
7.  Oktober  d.  J.  in  Stockholm,  zu  welcher  er  als  Vertreter 
unserer  Akademie  vom  Präsidium  gesandt  worden  war. 

2.  Herr  W.  Dy(^k  legt  den  ersten  Theil  der  von  den  kar- 
tellirten  Akademien  zu  Wien,  Göttingen  imd  München  heraus- 
gegebenen „Encyklopädie  der  mathematischen  Wissen- 
schaften«* mit  einigen  Worten  über  dessen  Inhalt  vor. 

3.  Die  Herren  Richard  Hertwio  und  Carl  v.  Eitpffek  ĂĽber- 
reichen den  von  Herrn  Dr.  F.  Doflein  erstatteten  Bericht  ĂĽber 
seine  mit  Unterstützung  unserer  Akademie  gemachte  „Reise 
nach  Westindien  und  Nordamerika*,  wobei  er  vor  Allem 
Eier  von  Bdellostoma  sammeln  sollte. 


539 


Bericht  ĂĽber  meine  Reise  nach  Westindien 

und  Nordamerika. 

Auageftihrt  im  März  bis  August  18d8  im  Auftrage  der  k.  b.  Akademie 

der  Wissenschaften 

von  F.  Dofleln. 


I.  Die  Antillen. 

Eine  glĂĽckliche  Seefahrt  fĂĽhrte  mich  in  den  ersten  Wochen 
des  März  von  Southampton  nach  Barbados.  Die  See  war 
besonders  wahrend  des  ersten  Teils  der  Reise  sehr  unruhig,  so 
dass  unterwegs  sehr  wenige  Oberflächentiere  beobachtet  wurden. 
Bei  der  Annäherung  des  westindischen  Archipels  mehrten  sich 
dieselben  und  ich  beobachtete  besonders  zahlreiche  fliegende 
Fische,  Delphine,  Quallen.  Sargasso  war  überaus  häufig  und 
oft  zu  starken  Bänken  vereinigt. 

Barbados,  die  erste  westindische  Insel,  welche  ich  besuchte, 
ist  der  Typus  einer  flachen,  reich  angebauten  Tropeninsel. 
Bekanntlich  scheiden  sich  die  kleinen  Antillen  in  eine  östliche 
Kette  flacher  Inseln  mit  Eorallenbildungen,  und  eine  westliche 
Kette  vulkanischer  gebirgischer  Inseln.  Zu  den  ersteren  gehört 
Barbados,  imd  zwar  zeigt  sie  in  deutlichster  Weise  den  Anteil  der 
Korallen  am  Aufbau  der  Landfläche.  Weit  entfernt  vom  Ufer 
kann  man  noch  deutlich  erhaltene  Riffliberreste  erkennen,  wie 
ich  sie  später  auf  der  Insel  St.  Thomas  in  noch  ausgeprägterer 
Form  studieren  konnte.  Barbados  ist  in  seinem  gesamten  anbau- 
fähigen Areal  ausgenützt  und  bietet  somit  dem  Biologen  bei 


540         SĂĽzutig  der  mcUhrphys.  Classe  vom  3,  Dezember  1898. 

einem  kurzen  Besuch  nicht  viel  auffallendes.  Die  marine  Fauna, 
besonders  auf  den  lebenden  Korallenriffen  und  in  deren  Um- 
gebung, scheint  sehr  reich  zu  sein.  Am  Lande  konnte  ich 
nicht  viel  erreichen.  Vereinzelte  Vögel,  nicht  selten  Kolibris, 
wenige  Schmetterlinge,  Heuschrecken,  Bienen  und  Gallwespen 
fielen  mir  auf  und  es  gelang  mir,  einzelne  davon  zu  sammeln. 
Auch  Eidechsen  waren  zahlreich.  Diese  kurze  Beobachtung 
gibt  nur  den  Eindruck  eines  Tages  in  der  trockensten  Zeit  des 
Jahres  wieder;  es  war  Mitte  März,  vor  den  ersten  Regenfallen. 
Von  einem  HĂĽgel  aus  Hess  sich  erkennen,  dass  fast  die  ganze 
Insel  mit  Zuckerrohr  angepflanzt  ist;  Rohrzucker  wird  trotz 
der  starken  Konkurrenz  (les  RĂĽbenbaues  von  hier  aus  noch  in 
sehr  grossen  Mengen  ausgeführt.  Doch  erfuhr  ich  später  in 
Martinique,  dass  viel  Melasse  dorthin  importiert  und  zu  Rum 
verarbeitet  wird. 

Eine  äusserst  stürmische  Nachtfahrt  in  einem  kleineren 
Dampfer  brachte  mich  nach  St.  Lucia,  der  nächsten  nördlich 
gelegenen  der  kleinen  Antillen.  Hier  ĂĽberraschte  mich  eine 
TJeppigkeit  der  Tropenvegetation,  wie  sie  nicht  einmal  in  Mar- 
tinique und  Dominica  gänzlich  erreicht  wird.  Wie  diese  Inseln 
ist  St.  Lucia  von  vulkanischer  Entstehung  und  sehr  reich  an 
kleinen  Wasserläufen.  Die  Tierwelt  ist  reich  und  für  Insekten 
und  Vögel  scheint  St.  Lucia  ein  ausgezeichnetes  Samraelgebiet 
zu  sein,  kann  sich  jedoch  nicht  mit  dem  später  zu  besprechenden 
Dominica  messen.  Hier  schon  hörte  ich  viel  von  der  berüch- 
tigten Lanzettschlange  reden,  welche  in  ihrer  Verbreitung  be- 
kanntlich auf  St.  Lucia  und  Martinique  beschränkt  ist.  In 
St.  Lucia  ist  es  gelungen,  sie  durch  EinfĂĽhrung  der  Mangus 
wenigstens  in  der  Umgebung  der  grösseren  Ansiedlungen  gänz- 
lich auszurotten.  Hier  Sammlungen  anzulegen,  erlaubte  mir 
die  KĂĽrze  meines  Aufenthaltes  nicht. 

Von  St.  Lucia  ist  Martinique  in  wenigen  Stunden  erreicht. 
Wenn  diese  grosse  Insel  mit  ihren  stattlichen  Bergketten  in 
der  Feme  auftaucht,  so  glaubt  man  zwei  nahe  vereinigte 
Nachbarinseln  zu  sehen;  denn  die  Insel  ist  in  ihrem  mittleren 
Teile  stark  eingeschnĂĽrt  und   zudem  sind   die  Gebirge   beider 


J^.  Dofiein:  Meise  nach  Westindien  und  Nordamerika.  541 

Hälften  gerade  in  diesem  Teile  durch  eine  bedeutende  Ein- 
senkung  von  einander  geschieden.  Erst  wenn  man  sich  mehr 
genähert  hat,  erkennt  man  die  weite  Bucht  von  Fort  de 
France,  welche  jene  Einschnürung  veranlasst.  Die  schönen 
Formen  der  Berge,  deren  Gipfel  von  Wolken  fast  stets  umschattet 
sind,  entzĂĽcken  das  Auge.  Schon  aus  grosser  Entfernung  kann 
man  an  ihren  Hängen  mächtige  Bäume  erkennen.  Die  Berge 
veiTaten  selbst  dem  Laienauge  ohne  weiteres  ihren  vulkanischen 
Ursprung;  an  geologischen  AufschlĂĽssen  wird  man  durch,  die 
alles  ĂĽberwuchernde  Vegetation  behindert. 

Nachdem  wir  längere  Zeit  nicht  fern  von  der  Küste  nord- 
wärts gefahren  waren,  erreichten  wir  den  Hafen  von  St.  Pierre, 
wo  ich  fĂĽr  einige  Zeit  mich  niederlassen  wollte.  Die  Stadt 
St.  Pierre,  welche  der  Bedeutung  nach  der  erste  Platz  der 
Insel  ist,  obwohl  Fort  de  France  offizielle  Hauptstadt  ist,  stellt 
sich  beim  ersten  Anblick  sehr  gross  und  stattlich  dar. 

Zahlreiche  Neger  und  besonders  Knaben  in  allen  Schat- 
tierungen der  Hautfarbe  umschwärmten  unser  Schiit'  und  tauchten 
nach  Geldstücken.  Ein  furchtbares  Lärmen  und  Schreien 
machte  eine  Verständigung  fast  unmöglich:  dennoch  kamen 
alle  meine  zahlreichen  Kisten  glĂĽcklich  ans  Ufer.  Es  ist  ĂĽber- 
haupt fĂĽr  Westindien  zu  bemerken,  dass  die  ausschiffenden 
Neger  gewissenhaft  und  geschickt  sind;  man  darl'  sich  durch 
die  Begleiterscheinungen  ihrer  Thätigkeit  nicht  erschrecken 
lassen.  Fehlt  ein  Stück  des  Gepäcks,  so  kann  man  meistens 
davon  ĂĽberzeugt  sein,  dass  man  es  selbst  an  Bord  vergessen  hat. 

Ein  Begleitbrief,  den  mir  die  deutsche  Botschaft  in  Paris 
besorgt  hatte,  machte  mir  die  Zollbeamten,  welche  von  vorn- 
herein sehr  freundlich  und  höflich  waren,  noch  gefalliger,  so 
dass  ich  meine  Kisten  und  Kasten  ungeöffnet  zum  Hotel 
bringen  konnte. 

Das  Hotel  «des  bains*"  ist  ein  altes  verwahrlostes  Haus, 
welches  in  der  alten  guten  Zeit  der  Sklaverei  mit  ziemlicher 
Pracht  ausgestattet  worden  war;  jetzt  ist  es  sehr  vernachlässigt; 
es  wird  offenbar  kein  Schaden  ausgebessert,  es  fehlen  SchlĂĽssel, 
es  ist  ĂĽberhaupt  acht  westindisch,  jedoch  nicht  unreinlich. 


542         Siigung  der  mathrphys.  Classe  vom  3.  Deeember  1898, 

In  den  ersten  Tagen  sah  ich  mich  in  der  unmittelbaren 
Umgebung  von  St.  Pierre  um,  und  suchte  zu  gleicher  Zeit  ein 
kleines  Haus  in  der  Nähe  des  Meeresstrandes  zu  mieten.  Da 
ich  aber  nichts  geeignetes  fand,  entschloss  ich  mich,  im  Hotel 
zu  bleiben,  wo  man  mir  geeignete  Räume  überliess  und  wo 
ich  ausserdem  mit  einem  kĂĽhlen  Hause  die  Vorteile  einer  cen- 
tralen Lage  verband.  Trotzdem  wäre  es  bei  längerem  Auf- 
enthalt und  besonders  wenn  man  mit  einem  Genossen  reist, 
weit  geeigneter,  ein  eigenes  Haus  zu  mieten. 

Meine  ersten  Besuche  galten  den  Wäldern,  welche  sich 
in  einigen  Schluchten  der  Stadt  nähern  und  ausserdem  dem 
botanischen  Garten.  Der  letztere  ist  ebeuso  schön,  als  für  den 
Neuling  in  den  Tropen  interessant.  Dr.  Nollet,  der  Direktor 
des  Gartens,  machte  in  der  liebenswĂĽrdigsten  Weise  meinen 
FĂĽhrer,  da  er  aber  selbst  von  dem  Interesse  fĂĽr  die  Agrikultur- 
botanik gänzlich  in  Anspruch  genommen  wird,  so  konnte  er 
mir  in  wissenschaftlicher  Beziehung  wenig  Auskunft  geben. 

Dasjenige,  was  er  mir  jedoch  von  den  Schädlingen  der 
hervorragendsten  tropischen  Nutzpflanzen  zeigte,  war  sehr  merk- 
wĂĽrdig und  wissenswert.  Es  zeigte  sich,  dass  auch  hier  Rost- 
pilze ein  Hauptkontingent  der  Schädlinge  stellen,  jedoch  auch 
die  Insekten  weit  ist  erheblich  vertreten.  Auf  den  Cafebäumen 
war  sehr  häufig  die  Raupe  eines  Microlepidopters,  welche  die 
Blätter  desselben  zerstört.  Die  Eier  werden  auf  der  Unter- 
seite abgelegt,  die  Larve  frisst  grosse  Stücke  aus  den  Blättern 
heraus  und  verpuppt  sich  ebenfalls  auf  der  Unterseite  der  ab- 
sterbenden Blätter  in  einem  Cocon.  —  Die  Cacaobäume  werden 
in  den  letzten  Jahren  häufig  von  einem  langhomigen  Käfer 
befallen;  die  Larve  desselben  lebt  unter  der  Borke  und  hat 
die  merkwĂĽrdige  Gewohnheit,  das  lebende  Gewebe  des  Baumes 
in  Ringen  auszufressen ;  indem  sie  so  die  Nahrungsleituug 
unterbricht,  bringt  sie  den  ganzen  oberen  Teil  des  ange- 
griffenen Astes  zum  Absterben.  Dieses  Insekt  hat  in  den 
letzten  Jahren  in  westindischen  Gacaopflanzungen  wiederholt 
grossen  Schaden  angerichtet. 

Der    mit    Nutzpflanzen    bebaute    Gartenabschnitt    nimmt 


F.  Doflein:  Beise  nach  Westindien  und  Nordamerika,  543 

ĂĽbrigens  nur  einen  sehr  geringen  Teil  des  botanischen  Gartens 
ein.  Im  Grossen  und  Ganzen  bietet  derselbe  den  frischen  Ein- 
druck eines  StĂĽckes  wilder  Natur  dar,  ja  man  kann  sagen,  er 
besteht  aus  einem  fast  unberĂĽhrten  Urwald,  in  dem  die  mensch- 
liche Hand  Lichtungen  mit  importierten  Gewächsen  bepflanzt 
hat.  Er  zieht  sich  an  einer  Schlucht  einen  Berg  hinauf,  ein 
schöner  Bergbach  durchbraust  dieselbe  und  den  Abschluss  bildet 
ein  gewaltiger  Felsbrocken,  der  gänzlich  mit  üppiger  Vegetation 
bekleidet  ist.  Zu  seinen  beiden  Seiten  stĂĽrzt  das  Wasser  herab, 
auf  der  einen  in  einer  prächtigen  Cascade.  Trotzdem  ich  in 
der  trockenen  Zeit  Martinique  besuchte,  fĂĽhrten  alle  Wasser- 
läufe sehr  reichliche  Fluten. 

Ich  habe  no'ch  oft  den  Garten  und  seine  Umgebung  auf- 
gesucht, nicht  nur  wegen  der  prächtigen  Szenerie,  sondern 
auch  der  reichen  Tierwelt  zuliebe,  welche  dort  hauste.  Frösche 
und  Schlangen,  Spinnen,  Skorpione,  Skolopendren  und  Insekten 
aller  Gruppen  wurden  von  mir  dort  in  grosser  Menge  gefangen. 
Der  BlĂĽtenflor  der  Beete  des  angelegten  Teiles,  sowie  das 
Wasser  des  Waldbachs  lockten  zahlreiche  Tagfalter  an,  unter 
ihnen  sehr  schöne  Papiiioniden  und  Danaiden.  Am  Wasser 
waren  Libellen  sehr  zahlreich;  doch  infolge  deren  Gewandtheit 
und  des  gefährlichen  Terrains  habe  ich  mehr  Arten  gesehen 
als  erbeutet. 

In  den  nächsten  Tagen  durchstreifte  ich  die  Stadt  und 
deren  Umgebung,  machte  mancherlei  wertvolle  Bekanntschaften 
und  warb  einen  schwarzen  Fischer  an,  welcher  sich  sehr  an- 
stellig zeigte  und  mir  von  grossem  Nutzen  war. 

Die  Stadt  St.  Pierre  ist  durch  ihre  Lage  und  Bauart  fĂĽr 
das  Auge  sehr  reizvoll;  und  wenn  man  sich  nicht  gerade  in 
die  Häuser  und  Höfe  der  armen  Negerbevölkerung  begibt,  so 
hat  man  auch  den  Eindruck  einer  sauberen  Stadt.  Mit  ihren 
Vorstädten  umfasst  sie  eine  weite  Bucht,  welche  im  Charakter 
ein  wenig  an  den  Golf  von  Neapel  erinnert.  Den  Norden 
beherrscht  ein  schöngeformter  Vulkan,  der  Mt.  Pelee,  welcher 
bis  zum  Gipfel  in  grĂĽne  Vegetation  gehĂĽllt  ist.  Wie  alle 
Berge  der  Antillen  zeigt  er  nur  selten  seinen  Gipfel  frei  von 

1898.  Sitzungsh.  d.  math.-pliys.  GL  36 


544         SUgung  der  mcUh.-phys,  Glosse  vom  3,  Deeember  1808, 

Bewölkung;  die  gewaltigen  Wolkenmassen  erzeugen  stets  pracht- 
volle und  pompöse  Landschaftsbilder.  Wie  der  Mt.  Pel^  als 
isolierter  Kegel,  erhebt  sich  im  SĂĽdosten  der  Piton  du  Carbet, 
ebenfalls  ein  Berg  von  vulkanischem  Ursprung;  doch  hat  er 
sich  seit  unvordenklichen  Zeiten  nicht  mehr  gerührt,  während 
der  Mt.  Pelee  im  Jahre  1853  einen  leichten  Ausbruch  mit 
reichlichem  Aschenregen  hatte. 

Die  Stadt  ist  von  zahlreichen  Gärten  umgeben,  in  denen 
alle  Produkte  der  Tropen  ĂĽppig  gedeihen:  auf  meinem  Tisch 
gab  es  stets  in  reicher  FĂĽlle  Bananen,  Ananas,  Sapotillen, 
Mangos,  Aleghetta  Pears  etc.  Sonst  sind  die  Berghänge  und 
glatten  Flächen  weithin  mit  Zuckerrohi-pflanzungen  bedeckt. 
Obwohl  die  Zuckerkrise  in  ganz  Westindien  eine  grosse  Misere 
hervorgebracht  hat,  baut  man  auf  Martinique  noch  sehr  viel 
Rohr  zur  Kumproduktion  an.  Rum  wird  in  ganz  modern  aus- 
gestatteten grossen  Fabriken  in  ausgezeichneter  Qualität  ange- 
fertigt und  vermag  immer  noch  Leute  reich  zu  machen. 

Während  die  Schluchten  und  die  dem  Innern  zustrebenden 
HĂĽgel  vielfach  an  den  unbebauten  Stellen  von  Urwald  und 
üppigen  Gesträuchen  erfüllt  sind,  ziehen  sich  der  Küste  ent- 
lang dĂĽrre  HĂĽgel.  Dieselben  sind  mit  einem  stachlichen  wilden 
GestrĂĽpp  erfĂĽllt,  wechselnd  mit  rasigen  Lichtungen  und  er- 
innern im  Gesamteindruck  sehr  an  die  Macchien  der  medi- 
terranen Region.  Einen  erheblichen  Unterschied  machte  aller- 
dings der  trotz  der  trockenen  Zeit  sehr  reiche  Blumenschmuck: 
Mimosen  blĂĽhten  in  verschiedenen  Farben,  ebenso  Akazien  mit 
furchtbaren,  hohlen  Domen,  welche  aber  hier  keine  Ameisen 
beherbergten.  Dazwischen  hie  und  da  höhere  Bäume,  welche 
jetzt  gerade  blattlos  waren  und  statt  dessen  ĂĽber  und  ĂĽber 
mit  scharlachroten  Blüten  bedeckt  waren.  Um  diese  Bäume 
rankten  sich  zahlreiche  Schlingpflanzen,  die  sog.  indischen 
Bohnen,  ferner  blaue,  weisse,  violette  und  rote  Convolvulaceeu. 
Den  Boden  schmĂĽcken  an  einzelnen  Stellen  weisse  und  rote 
BlĂĽten  einer  Phlox-artigen  Pflanze.  Alle  diese  Pflanzen  sind 
ein  Anzeichen,  dass  die  Dürre  hier  nur  temporär  ist,  während 
die  dazwischen  wachsenden  Cakteen  (Echinocactus  und  Gereus) 


F.  Doftein:  Heise  nach  Weaiindien  und  Nordamenka,  545 

und  Agaven  schon  verdächtiger  sind.  Derartige  Trocken- 
pflanzen scheinen  sich  auf  Martinique  immer  weiter  auszu- 
breiten, wie  sie  das  auf  anderen  Inseln  der  Gruppe  schon  in 
sehr  hohem  Masse  gethan  haben. 

Dieses  GestrĂĽpp  wird  von  einer  sehr  zahlreichen  Tierwelt 
belebt,  unter  welchen  neben  einzelnen  Vögeln  Eidechsen  und 
Heuschrecken  durch  ihre  Menge  auffielen.  Hie  und  da  findet 
man  eine  schöne  dunkle  Schlange  mit  grell  orangeroten  Flecken, 
eine  ungiftige  Colubride. 

Solche  trockene  Oertlichkeiten  sind  besonders  in  dem  sĂĽd- 
lichen Teil  der  Insel,  den  ich  etwas  später  besuchte,  vor- 
herrschend. Dort  sind  sie  nach  der  Entwaldung  der  viel 
niedrigeren  Berge  durch  deren  relative  Wasserarmut  bedingt. 
Es  nehmen  dort  die  sog.  Savannen  weite  Flächen  ein:  dürres 
mit  kurzem  Rasen  bedecktes  Gelände,  das  sich  über  Hügel  und 
Einschnitte  erstreckt;  es  wechseln  mit  den  kahlen  Flächen  aus- 
gedehnte Gebüsche,  die  hauptsächlich  aus  Akazien,  Mimosen  etc. 
zusammengesetzt  sind.  Doch  auch  in  dieser  Gegend  entwickelt 
sich,  wo  Wasser  sich  findet  und  die  Kultur  ruht,  eine  ĂĽppige 
Tropen  Vegetation. 

Die  hohen  Berge  um  St.  Pierre  und  deren  sämtliche  Ab- 
hänge und  Ausläufer  bis  gegen  Fort  de  France  hin  sind  noch 
mit  dickem  Urwald  bedeckt,  dessen  Bestände  an  vielen  Orten 
noch  gewaltige  Spuren  des  Cyklons  von  1889  zeigen.  Diese 
Waldbestände  sind  bei  Fort  de  France  durch  sehr  grosse  Lücken 
unterbrochen;  denn  die  Ebene  östlich  und  südlich  von  dieser 
Stadt  ist  mit  Anpflanzungen  von  Zucker  und  wenigem  Kaffee 
ganz  bedeckt.  Im  SĂĽden  sind  dann  die  Berge  wieder  bewaldet; 
der  Urwald  steigt  oft  bis  zum  Meer  hernieder,  was  der  Land- 
schaft viel  romantischen  Reiz  verleiht.  Denn  die  KĂĽste  ist 
steil  und  felsig.  Dazwischen  sind  überall  Thäler  und  Ebenen 
zum  Anbau  sehr  ausgenĂĽtzt.  Man  muss  bedenken,  dass  die 
Insel  eine  Bewohnerzahl  von  etwa   180000  Menschen   ernährt. 

Bei  einer  Besteigung  des  Mt.  Pel^e  lernte  ich  diese  Wald- 
region und  zum  teil  auch  ihre  tierischen  Bewohner  etwas  ge- 
nauer kennen.     Leider   war   der   zweite  Teil   dieser  Bergfahrt 

36* 


546         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  3,  Dezember  1898. 

durch  Nebel  in  den  höheren  Regionen  und  durch  tropische 
Regengüsse  beim  Abstieg  sehr  beeinträchtigt,  und  so  konnte 
ich  nichts  von  der  in  diesen  Regionen  jedenfalls  sehr  reichen 
Insektenfauna  beobachten.  Ich  lernte  später  die  Bergfauna 
auf  St.  Kitts  (St.  Christoforo)  kennen  und  der  Reichtum  der 
Höhen  besonders  an  prächtigen  Schmetterlingen  liess  mich  jene 
Nebelhaube  des  Mt.  Pelee  umsomehr  bedauern.  Da  ich  jedoch 
meine  hauptsächlichsten  Anstrengungen  der  Erforschung  mariner 
Tiere  widmete,  fand  ich  keine  weitere  Zeit,  um  jene  Besteigung 
zu  wiederholen. 

Wenn  man  von  St.  Pierre  aus  den  Mt.  Pelee  ersteigt,  so 
führt  der  Weg  zunächst  lange  Zeit  durch  das  angebaute  Gebiet; 
man  passiert  eine  Anzahl  von  Zucker-  und  Rumfabriken,  dann 
unendliche  Felder,  die  mit  Zuckerrohr  bepflanzt  sind.  Dieses 
erstreckt  sich  bis  hoch  auf  die  Vorberge  hinauf.  Die  Felder 
werden,  je  höher  man  steigt,  immer  häufiger  von  Waldparzellen 
unterbrochen.  Man  sieht  auch  hier  öfter  die  alte  Natur  in 
verlassene  Positionen  der  Kultur  vordringen.  Hie  und  da  triflPt 
man  leicht  gebaute  HĂĽtten,  bewohnt  von  Negern,  welche  raschen 
Schrittes  den  alten  Naturzuständen  der  afrikanischen  Heimat 
in  kultureller  Beziehung  wieder  zustreben. 

In  etwa  400 — 500  m  Höhe,  doch  wechselnd  nach  dem 
jeweiligen  Vordringen  der  angebauten  Region,  beginnt  der 
Urwald.  Wir  nahten  demselben  ĂĽber  eine  Wiese  an  einer 
von  Baumfamen  verschleierten  Schlucht  entlang  klimmend. 
Er  stellte  sich  an  seinem  Rand  schwarz  und  undurchdringlich 
wie  eine  Mauer  dar;  die  Stelle,  wo  der  Pfad  eintrat,  erschien 
wie  ein  finsteres  Loch  und  da  die  Sonne  auf  die  Westseite  des 
Berges  noch  nicht  herĂĽber  gekommen  war,  so  war  der  Wald 
lichtleer;  unser  Pfad  erschien  fast  wie  ein  Gang  im  Bergwerk. 

Als  aber  die  Sonne  herüber  kam  —  sie  schien  mir  an 
diesem  Tag  nur  kurze  Zeit  —  da  flimmerte  oben  durch  die 
Wipfel  wunderbares  Licht  und  ich  konnte  selbst  ziemlich  ferne 
Details  erkennen.  Ich  war  ĂĽberrascht  von  der  Pracht  dieses 
Bergwaldes;  denn  vorbereitet  durch  die  Schriften  der  meisten 
modernen  Tropenreisenden,  hatte  ich  Einförmigkeit  und  Farben- 


F,  Doflein:  Reise  nach  Westindien  und  Nordamerika,  547 

armut  erwartet.  Statt  dessen  umgab  mich  ein  Reichtum  ver- 
schiedenartiger Formen,  viele  wundervolle  Baumfame  und 
Palmenarten  und  herrliche  uralte  Riesenbäume.  Dazwischen 
zahllose  rote,  gelbe,  violette  Parbflecke,  von  BlĂĽten  und  far- 
bigen Blättern  herrührend.  Der  Wald  beherbergt  viele  Arten 
von  Bromoliaceen,  welche  durch  ihre  grell  gefärbten  Blatt- 
umfassungen um  die  Blüten  die  schönsten  und  farbigsten  Blumen 
vortäuschen.  Perner  fanden  sich  zahlreiche  Aroideen,  z.  t.  mit 
bunten  Blättern,  dann  Nitidularien,  Compositen  und  vor  allem 
zahlreiche,  schön  blühende  Pflanzen,  welche  sehr  unseren  viel- 
gezĂĽchteten Cannaarten  gleichen.  Dazwischen  war  der  Wald- 
boden von  schönen  grossblättrigen  Parnen  bedeckt;  hier  im 
Innern  des  Waldes  gab  es  kaum  mehr  vereinzelte  hochstämmige 
Baumfarne. 

Dagegen  fanden  sich  nicht  selten  kleine  Krautpalmen;  der 
Pfad  oder  vielmehr  die  Spur,  welche  wir  verfolgten,  war  von 
Krautpalmsucliern  getreten;  es  sind  dies  im  gewöhnlichen  Lauf 
des  Jahres  die  einzigen  Menschen,  welche  den  Berg  in  seinen 
höheren  Regionen  betreten.  Denn  es  herrscht  eine  geradezu 
unglaubliche  Purcht  vor  der  Lanzettschlange,  der  „fer  de  lance", 
unter  allen  Einwohnern  der  Insel.  Gerade  diese  mittlere  Wald- 
region soll  ihr  bevorzugter  Schlupfwinkel  sein,  und  bei  der 
Beschaffenheit  des  Pfades  konnte  man  jeden  Moment  befĂĽrchten, 
auf  eine  SchLinge  zu  treten.  Man  sah  meist  den  Ort  nicht, 
wohin  man  den  Puss  setzte;  jeden  Augenblick  musste  man 
ĂĽber  einen  riesigen  Baumstamm  klettern.  Die  Spuren  des 
grossen  Cyklon  sind  hier  in  schrecklicher  Weise  zu  sehen; 
ganze  Lichtungen  sind  hier  zwischen  den  alten  Beständen  ge- 
bildet, Lichtungen,  die  man  aber  nicht  betreten  kann,  denn 
man  wĂĽrde  in  den  Massen  morschen  Holzes,  dem  Gewirr  von 
Schlingpflanzen  und  Aesten  und  Sträuchern  bis  über  den  Kopf 
versinken.  Der  Weg  war  sehr  schwierig  und  zudem  mit  der 
steigenden  Sonne  durch  eine  wirkliche  Treibhaustemperatur 
sehr  anstrengend.  Wir  hatten  GlĂĽck  und  wurden  von  keiner 
Schlange  auf  unserem  Wege  belästigt.  Meine  schwarzen  Pührer 
mit  ihren  nackten  Püssen  riskierten  zwar  eine  grössere  Gefahr, 


548         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  3.  Dezember  1898, 

waren  aber  beim  Klettern  in  dieser  Feuchtigkeit  und  Hitze 
mir  weit  ĂĽberlegen,  der  ich  schwere  Bergschuhe  trug.  Meine 
Führer  waren   im   gewöhnlichen   Leben   Krautpalmensammler. 

Von  Ticrleben  zeigte  sich  sehr  wenig;  einzelne  Vögel  flogen 
schreiend  ĂĽber  den  Pfad,  einzelne  Eidechsen  Hessen  sich  sehen ; 
Kolibris  schwirrten  um  BlĂĽten  der  Lichtungen.  Als  wir  jedoch 
in  die  Region  der  Wolken  und  des  Nebels  gelangten,  reduzierte 
sich  das  gesamte  sichtbare  Leben  auf  einige  wenige  Schnecken 
am  Wege  und  auf  den  Baumstämmen.  Der  erhoffte  Insekten- 
reichtum der  Lichtungen  schlummerte,  vor  der  Feuchtigkeit 
fliehend,  unter  den  grossen  Blättern.  Sonst  ist  diese  Region 
thatsächlich  durchaus  nicht  tierarm,  d.  h.  für  Westindien. 
Wiederholt  brachte  man  mir  von  dort  eine  Opossumart  mit 
weissem  Schwanzende  herunter,  der  Mangu  haust  verwildert 
dort,  dazu  eine  reiche  Vogel-  und  Insektenfauna. 

Nach  Vl%  Stunden  Steigens  wird  der  Urwald  niedriger 
und  bald  kommt  man  in  eine  Region,  welche  durchaus  mit 
niederem  Gebüsch  von  Pflanzen  mit  harten  glänzenden  Blättern 
bedeckt  war,  wohl  in  der  Mehrzahl  Lorbeer-  und  Myrthen- 
gewächse.  Das  Gehen  ist  in  diesem  Gebiet  fast  noch  schwieriger 
als  im  Urwald ;  man  sieht  seinen  eigenen  Weg  nicht  mehr  und 
wandelt  bis  ĂĽber  die  HĂĽften  in  den  BĂĽschen  verborgen.  Auch 
hier  gibt  es  noch  viele  blühende  Pflanzen  und  hier  wären  nach 
der  Analogie  viele  Schmetterlinge  zu  erwarten  gewesen,  wenn 
nicht  ein  starker  Wind  gewaltige  Wolkenmassen  vom  Ozean 
herüber  gewälzt  hätte  und  ein  kalter  Regen  die  ganze  Gipfel- 
region überschüttet  hätte.  Dadurch  wurde  Ans  Vorwärtsdringon 
immer  beschwerlicher;  dabei  verhĂĽllte  der  Nebel  meist  die 
Aussicht,  nur  dann  und  wann  entstand  ein  Spalt  in  den  Wolken 
und  zeigte  uns  die  Insel  im  schönsten  Glänze  der  Sonne:  ein 
wunderbares  Bild  bei  der  reichen  Bildung  der  Landschaft,  und 
weit  darum  sich  spannend  das  dunkelblaue  Meer,  nahe  dem 
Lande  erfĂĽllt  von  dem  weissen  Schaum  ĂĽber  den  Korallenriffen. 
In  der  Feme  konnte  man  duftig  auf  der  See  schwimmend  die 
Gebirge  von  St.  Lucia  im  SĂĽden,  Dominica  im  Norden  erkennen. 

Unser  Weg  erreichte  eine  Höhe,  senkte  sich  sodann  wieder 


F,  Doflein:  Beise  nach  Westindien  und  Nordamerika,         549 

eine  Strecke  und  fĂĽhrte  wieder  in  einen  Wald ;  dieser  war  licht, 
die  Bäume  zum  grössten  Teile  abgestorben,  vielfach  von  langen 
Flechten  gänzlich  überzogen.  Wir  durchwateten  Moräste  und 
Wasserpfützen;  die  Nähe  des  vulkanischen  Gipfels  kündigte 
sich  durch  starken  Schwefelgeruch  und  seltsame  Erdspalten  an, 
welche  sich  oft  auf  weite  Strecken  hinzogen  und  deren  Tiefe 
nicht  zu  erschauen  war.  Es  war  allmählich  der  Nebel  so  dicht 
geworden,  dass  wir  mit  MĂĽhe  den  vorhandenen  Spuren  zu 
folgen  vermochten. 

Indem  wir  weiter  stiegen,  waren  wir  bald  so  gänzlich  in 
den  Nebel  gehĂĽllt,  dass  wir  von  der  Umgebung  nichts  mehr 
wahrnahmen.  Man  hörte  nur  in  der  allgemeinen  Oede  fast 
unheimlich  das  Pfeifen  eines  kleinen  Vogels,  den  man  hier  den 
„sifflet  de  montagne"  nennt.  In  der  Bevölkerung  gehen  aller- 
hand Erzählungen  über  diesen  Vogel  um,  der  sich  soll  unsicht- 
bar machen  können  u.  s.  w.  Hier  oben  ist  er  sehr  häufig, 
leicht  zu  sehen;  ja  ich  bekam  sogar  ein  junges  Exemplar  mit 
der  Hand  zu  fassen. 

Die  Bildung  dieser  Erzählungen  vom  „siflFlet  de  montagne* 
sind  ĂĽberhaupt  sehr  bezeichnend  fĂĽr  die  Art  der  Naturbetrach- 
tung der  französischen  Creolen.  Ueber  allerhand  relativ  leicht 
erreichbare  Dinge  ihrer  eigenen  Insel  bilden  sie  eine  Menge 
von  Sagen,  glauben  dieselben  und  erzählen  sie  weiter,  ohne 
dass  einer  das  Bedürfnis  hätte,  sich  von  den  thatsächlichen 
Grundlagen  derselben  selbst  zu  ĂĽberzeugen. 

Binnen  kurzem  langten  wir  bei  dem  Krater  an,  welcher 
von  einem  kleinen  See  erfüllt  ist.  Die  höchste  Spitze  des 
Berges  erhebt  sich  etwas  höher  als  der  Krater.  Jedoch  der 
Nebel  war  immer  noch  so  dicht,  dass  wir  weder  diese,  noch 
auch  nur  das  andere  Ufer  des  kleinen  Sees  erblicken  konnten. 
Ich  umschritt  die  Ufer,  welche  zum  teil  schlammig  waren, 
zum  grössten  teil  aber  aus  trachytartigem  festem  Gestein  be- 
standen. An  einer  Stelle  befand  sich  ein  etwa  15  cm  weites 
Loch,  in  welchem  das  Wasser  unter  lautem  Gurgeln  abfloss. 
Das  Wasser  des  Sees  ist  kalt  und  sehr  angenehm  zu  trinken. 
Organismen  nahm  ich  in  demselben  nicht  wahr. 


550         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  3,  Dezember  1898, 

An  mehreren  Stellen  rieselten  dem  Kratersee  kleine  Zu- 
flĂĽsse zu,  von  denen  man  aber  nicht  sagen  konnte,  ob  sie 
regelmässig  waren  oder  dem  gegenwärtigen  Regen  ihre  Ent- 
stehung verdankten.  Jedenfalls  ist  aber  anzunehmen,  diiss  der 
See  sein  Wasser  aus  den  fast  stets  um  ihn  lagernden  Wolken 
erhält.  Die  Bildung  von  Quellen  erscheint  mir  in  dieser  (iipfel- 
nähe  bei  der  Porosität  des  Untergesteins  nicht  wahrscheinlich. 
Die  ganze  Umgebung  des  Sees  war  an  jenem  Tag  so  mit 
Feuchtigkeit  erfĂĽllt,  dass  wir  bei  unserer  Rast  uns  nicht  nieder- 
setzen konnten.  Wenn  auch  die  Bäume  hier  niedrig  und  meist 
abgestorben  waren,  so  grĂĽnte  doch  hier  ein  ĂĽberaus  ĂĽppiges 
Niederholz  und  die  wuchernden  Kräuter  hatten  keinen  Stein 
ohne  ein  weiches,  mit  Wasser  vollgesogenes  Pflanzenpolster 
gelassen. 

Da  es  zudem  empfindlich  kalt  war,  wurden  wir  bald  zum 
RĂĽckweg  gezwungen.  Der  Abstieg  erfolgte  nach  SĂĽdosten, 
dann  Süden,  während  wir  von  Westen  aufgestiegen  waren. 
Ausser  sehr  prächtigen  Baumfarnen  und  wundervollen  Blicken 
in  die  östlichen  Waldthäler  bot  der  Weg  nicht  viel  neues  und 
bemerkenswertes.  In  mancher  Beziehung  erwies  er  sich  als 
geeigneter  als  der  westliche  Weg,  wenn  auch  der  letztere  an 
ganz  sonnigen  Tagen  dennoch  vorzuziehen  sein  mag.  Von 
einer  oben  noch  nicht  erwähnten  Plage  des  Aufstiegs  blieben 
wir  auf  diesem  Wege  auch  verschont,  der  „plante  couteau*. 
Diese  ist  eine  Rotang-artige  Kletterpalme  mit  zweischneidigen 
Blättern,  welche  so  scharf  sind,  dass  sie  durch  die  Kleider 
hindurch  schneidend  empfindliche  Verletzungen,  ja  selbst  ge- 
fahrliche Wunden  beibringen  können.  —  Der  Abstieg  führte 
uns  schliesslich  wieder  in  die  bebaute  Region  und  zur  Sonmier- 
frische  der  Bewohner  von  St.  Pierre,  dem  Morne  rouge.  Nach 
11  stĂĽndigem  Marsche  langte  ich  sehr  ermĂĽdet  in  der  Stadt 
wieder  an. 

Die  Schilderung  einer  weiteren  Landschaftsform,  der  sumpfi- 
gen Region  um  die  Saline  im  SĂĽden  der  Insel  und  der  Mangrove- 
wälder  ziehe  ich  vor,  im  Zusammenhang  mit  der  Küsten- 
beschreibung jener  Gegend    zu    bringen.     Jetzt    zunächst    will 


F,  Doflein:  Reise  nach  Westindien  und  Nordamerika.  551 

ich    mich    der    Darstellung    meiner    marinen   Untersuchungen 
zuwenden. 

Wie  ich  schon  oben  erwähnte,  hatte  ich  einen  intelligenten 
Fischer  mit  Namen  Matthieu  entdeckt,  welcher  mir  sehr  von 
Nutzen  war.  Er  kannte  sehr  gut  die  Verteilung  der  einzelnen 
Tierformen,  so  weit  er  dieselben  beachtet  hatte,  war  aber  leider 
in  manchen  Fällen  etwas  zu  ängstlich.  Die  ersten  Ausfahrten, 
die  ich  mit  ihm  machte,  zeigten  mir  einen  ziemlich  grossen 
Tierreichtum  des  Meeres  und  bewogen  mich,  in  St.  Pierre  zu 
bleiben,  statt,  wie  ich  ursprĂĽnglich  vor  hatte,  mein  Haupt- 
quartier in  Fort  de  France  aufzuschlagen.  Wie  meine  Erfah- 
rungen in  der  Folge  zeigten,  wäre  übrigens  einer  der  Orte  an 
der  SĂĽdspitze,  etwa  das  von  mir  besuchte  St.  Anne  noch  er- 
heblich gĂĽnstiger  gewesen. 

Die  Küste  fällt,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  „Inseln  unter 
dem  Winde",  auf  der  Westseite  viel  plötzlicher  ab,  als  auf  der 
Ostseite.  Die  KĂĽstenbildung  ist  sehr  reich  und  erzeugt  eine 
Menge  anziehender  Landschaftsbilder.  Die  Felsen  in  der  Gegend 
von  St.  Pierre  sind  meist  Laven  und  Bimsteintuflfe,  welche  von 
den  Eruptionen  der  grossen  Vulkane  stammen;  sie  fallen  an 
vielen  Stellen  senkrecht  zum  Meere  ab  und  wechseln  mit  san- 
digen Buchten,  welche  gewöhnlich  in  ihrem  inneren  Winkel 
zu  einer  Ansicdlung  Anlass  geboten  haben.  Der  Meeresboden 
in  der  Landnähe  ist  unter  20  Faden  tief,  oft  viel  seichter  und 
beherbergt  ein  reiches  Tierleben. 

Jedoch  schon  in  geringer  Entfernung  von  der  KĂĽste  stĂĽrzt 
der  Boden  zu  sehr  grossen  Tiefen  ab.  Ich  habe  an  verschie- 
denen Stellen  der  KĂĽste  gedregt  und  mit  tauchenden  Negern 
oder  auf  halb  untergetauchten  Felsen  selbst  Tiere  gesammelt 
und  will  im  nachfolgenden  ein  Bild  der  örtlichen  Verhältnisse 
möglichst  im  Zusammenhange  geben. 

Im  Norden  der  Insel  —  hier  untersuchte  ich  nur  an  der 
Westküste  —  ist  der  Strand  fast  überall  felsig,  steile  Abfiille 
von  Tufffelsen  herrschen  vor,  dazwischen  hie  und  da  die  oben 
erwähnten  Buchten.  Ganz  im  Norden  tritt  der  Wald  in  den 
Buchten  hie  und  da  bis  ans  Meer  heran  und  es  gibt  zahlreiche 


552         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  3.  Dezember  1898, 

Landschaftsbilder  von  grosser  Romantik.  Hier  sind  auf  den 
Felsen  Krabben  zahlreich,  auf  dem  Grunde  liegen  Spongien  in 
Menge,  einzelne  Ascidien,  einfache,  wie  zusammengesetzte. 
Die  Löcher  in  den  Felsen  sind  von  Seeigeln  bewohnt,  sowohl 
einer  kleinen  Art,  als  auch  den  langstacheligen  unangenehmen 
Diademen.  Alle  diese  sind  mit  grosser  MĂĽhe  aus  den  Felsen- 
löchern herauszuarbeiten,  da  sie  sich  mit  den  AmbulakralfÜssen 
sehr  fest  saugen.  Seesteme  sind  vereinzelt  vorhanden.  Ueber- 
haupt  fallt  an  der  ganzen  KĂĽste  sowohl  an  Arten  wie  an 
Individuen  das  Ueberwiegen  der  Seeigel  gegenĂĽber  den  See- 
sternen auf.     Femer  sind  Gorgonien  hier  zahlreich. 

Wo  der  Boden  so  seicht  ist,  dass  man  den  Grund  sieht, 
ist  er  meist  sandig,  grosse  Felsblöcke  liegen  dazwischen 
vereinzelt.  Auf  den  letzteren  wachsen  die  Gorgonien;  doch 
stehen  sie  auch  daneben  im  Sand.  Dadurch  unterscheiden 
sie  sich  von  den  Steinkorallen,  welche  hier  nur  sehr  ver- 
einzelt vorkomn)en  und  dabei  stets  auf  den  Felsblöcken  an- 
gesiedelt sind. 

An  Fischen  sind  neben  Kochen  und  verschiedenen  eigent- 
lichen Flachfischen  in  dieser  Region  nicht  viel  interessante 
Formen  vorhanden. 

Etwas  weiter  im  SĂĽden,  d.  h.  sĂĽdlich  der  Stadt  St.  Pierre 
setzt  sich  dieselbe  KĂĽstenbildung  fort.  Die  Tuflffelsen  sind  zum 
teil  noch  höher  als  im  Norden  und  stark  zerklüftet;  doch  gibt 
es  auch  viele  Trachytfelsen,  welche  an  einzelnen  Stellen  einen 
regelrechten  Klippenstrand  erzeugen.  Hier  wimmelt  es  von 
allerhand  Tieren.  Das  Wasser  ist  bei  ruhigem  Wetter  wunder- 
bar klar,  so  dass  man  selbst  in  beträchtlicher  Tiefe  alle  Einzel- 
heiten deutlich  erkennt.  Die  Korallen  sind  hier  viel  häufiger, 
ĂĽberziehen  die  Steine  oft  mit  ganzen  Krusten  und  zwar  gibt  es 
viele  Madreporen,  Maeandrinen  u.  s.  w.  ebenso  wie  Gorgonien 
und  andere  Hornkorallen.  Aber  trotz  des  Reichtums  an  Stein- 
korallen kommt  es  auch  hier  nicht  zu  einer  wirklichen  Kiff- 
bildung;  was  der  Grund  hiezu  ist,  scheint  mir  nicht  ohne 
weiteres  klar  zu  sein.     Denn  es   handelt  sich   um  genau  die- 


F,  Doflein:  Reise  nach  Weatindien  und  Noriatnerika,  553 

• 

selben  Arten,  welche  ich  im  SĂĽden  und  Osten  der  Insel  rift- 
bildend  fand. 

Einen  Punkt,  der  zur  Erklärung  beitragen  kann,  will  ich 
hier  erwähnen.  Während  nämlich  die  Süd-  und  Ostküste  meist 
von  Felsen  aus  harten  Qesteinsarten  zusammengesetzt  sind, 
treten  hier  im  Westen  Tuffe  und  Bimsteine,  vulkanische  Aschen 
und  Laven  bis  ans  Meer  heran  und  bilden  zum  grossen  Teile 
die  KĂĽste.  Diese  Gesteine  werden  von  den  Wellen  zu  einem 
feinen  glänzenden  Sand  zermahlen,  welcher  den  Strand  der 
flachen  Buchten  so  lieblich  macht.  Bei  jeder  einigermassen 
erheblichen  Wellenbewegung  wird  aber  dieser  feine  Sand  auf- 
gewĂĽhlt und  trĂĽbt  das  Wasser  bis  zu  ziemlicher  Entfernung 
vom  Ufer.  Dieser  Umstand  muss  aber,  worauf  schon  Sem  per 
hinwies,  das  Korallen  wachst  um  sehr  beeinträchtigen. 

Hier  gibt  es  ferner  zahlreiche  Anneliden,  Aktinien,  See- 
igel, Ophiuren  u.  s.  w.  Von  den  letzteren  halten  sich  viele 
kletternd  auf  den  Gorgonien  und  Korallen  auf;  doch  weisen 
sie  nicht  die  EigentĂĽmlichkeiten  auf,  welche  Doederlein  von 
epizoischen  Ophiuren  der  östhchen  Meere  beschrieben  hat. 
Zwischen  all  diesen  Tieren  bewegen  sich  die  üblichen  „Korallen- 
fische"; diese  Lebensgemeinschaft  weist  unter  den  Fischen  die 
auffallendsten  Farben  und  Formen  auf.  Es  ist  dies  jedem 
Naturforscher  eine  wohlbekannte  Erscheinung;  aber  jeder,  der 
sie  mit  eigenen  Augen  sieht,  muss  von  neuem  ĂĽber  die  grosse 
Pracht  staunen,  die  hier  entfaltet  wird,  und  jeder  sich  die 
Frage  vorlegen,  welche  Ursachen  wirksam  waren,  um  gerade 
hier  alle  diese  zierlichen  Formen  zu  versammeln.  Die  Beant- 
wortung einer  solchen  Frage  erfordert  eine  tiefe  Kenntnis  der 
gesamten  Lebensverhältnisse  der  in  Betracht  kommenden  Arten, 
eine  Kenntnis,  zu  der  wir  nur  geringe  Anfänge  besitzen. 
Einen  Anfang  zur  Erklärung  mögen  aber  schon  die  folgenden 
Thatsachen  enthalten:  Einmal  sind  zwischen  den  Aesten  der 
Korallenbäumchen  die  Fische  vor  Feinden  fast  gänzlich  ge- 
schützt; kein  Hai  und  kein  grösserer  Raubfisch  wagt  sich 
zwischen  die  gefahrlichen  Zacken  hinein.  Somit  werden  nach 
der  einen  Seite  hin  auftretende  buntfarbige  u.  s.  w.  Variationen 


554         SĂĽzung  der  math.-phys,  Classe  vom  3.  Dezember  1898, 

nicht  so  leicht  ausgemerzt  und  unterdrĂĽckt  werden.  Vielleicht 
kann  fĂĽr  die  eine  oder  andere  Art  auch  die  Annahme  zu  einer 
Erklärung  führen,  dass  die  betreffenden  Arten,  die  unter  anderen 
Lebensbedingungen  die  schönen  Farben  erworben  hatten,  vor 
aufgetretenen  Verfolgern  sich  in  den  bequemen  Schutz  der 
Korallen  begaben  und  infolge  dessen  hier  als  Arten  erhalten 
blieben,  während  sie  anderswo  ausstarben.  Uebrigens  würden 
derartige  Annahmen  nicht  die  Entstehung  des  Kleides  jener  Tiere, 
vielmehr  nur  ihr  Vorhandensein  auf  den  Korallenriflfen  erklären. 

Die  Tufifelsen,  welche  hier  das  Meer  begrenzen,  sind  sehr 
hoch  und  steil  und  zahlreiche  Höhlungen  in  ihren  Wänden 
sind  von  Tropikvögeln  (Phaeton)  bewohnt,  daneben  von  anderen 
Seevögeln.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  die  Phaeton  hier  in 
Höhlungen  nisten,  während  sonst  von  ihnen  angegeben  wird, 
dass  sie  auf  dem  flachen  Boden  brĂĽten. 

Weiter  südwärts  habe  ich  die  Küstenfauna  nicht  genauer 
kennen  gelernt  bis  zur  Gegend  der  SĂĽdspitze,  wo  ich  meine 
Dredgungen  und  Planktonfange  wieder  aufnahm.  Wie  bei  den 
obigen  Angaben  können  hier  sich  alle  Mitteilungen  nur  auf 
den  allgemeinen  Charakter  der  Fauna  beschränken;  genaue 
Mitteilungen  über  die  gesammelten  Formen  werde  ich  später 
in  einer  Liste  der  Akademie  vorlegen. 

Nahe  der  SĂĽdspitze  der  Insel  Martinique  wird  ihre  KĂĽsten- 
linie nochmals  durch  einen  Busen  stark  nordwärts  eingebuchtet; 
es  ist  dies  die  Bai  du  Marin.  An  der  östlichen  Küste  der- 
selben liegt  das  Dörflein  St.  Anne,  wo  ich  bei  der  Familie 
Dejean  eine  sehr  freundliche  Aufnahme  fand  und  von  wo  aus 
ich  mit  meinen  Fischern  das  umgebende  Meer  durchstreifte. 
Hier  im  SĂĽden  beginnen  nun  die  Korallen  echte  Riflfe  zu 
bilden,  insbesondere  jedoch  auf  der  östlichen  Seite  der  Insel 
gibt  es  grössere  zusammenhängende  RiffTjildungen.  Die  Arten 
sind  bemerkenswerter  Weise  dieselben,  welche  an  der  nörd- 
lichen KĂĽste  sich  nur  zu  lockeren  Ansiedlungen  niederlassen. 
Die  Formen  der  Riflfe  sind  meist  bandförmig;  die  kleineren 
sind  unregelmässig  gestaltet;  ihre  Form  hängt  oflTenbar  von 
derjenigen  des  felsigen  Untergrundes  ab.     FĂĽr  die  Formen  der 


F.  Doflein:  JReise  nach  Westindien  und  Nordamerika.         555 

grösseren  Bänder  muss  die  gleichmtissige  Hebung  der  Küste 
von  bestimmendem  Einfluss  sein.  Denn  wie  ich  z.  t.  hier  und 
insbesondere  später  bei  St.  Thomas  beobachtete,  findet  man  oft 
eine  Ileihe  von  lliflFen  auf  einander  folgen,  von  denen  die  meist 
gehobenen  alle  abgestorben  sind,  während  dasjenige,  welches 
noch  vom  mindesten  Wasserstand  bedeckt  war,  einzig  ĂĽberlebte. 
Dass  die  Rifi^bildungen  durch  korallenlose  Strecken  getrennt 
sind,  weist  auf  zwar  gleichmässig  verlaufende,  aber  in  be- 
stimmten Intervallen  beschleunigte  Hebungen  der  ganzen  KĂĽste 
hin.  Wie  dies  gemeint  ist,  zeigt  die  hier  stehende  Skizze, 
welche  Jlift'e  an  der  SĂĽdkĂĽste  von  St.  Thomas  darstellt. 


Das  RiflF  i),  welches  unter  dem  tiefsten  Wasserstande  sich 
befindet,  besteht  aus  lebenden  Korallentieren  und  ist  in  weiterem 
Wachstum  begrifien.  Dass  es  nicht  weiter  nach  aussen  wächst, 
ist  wahrscheinlich  auf  den  zu  raschen  Abfall  des  Meeresbodens 
zurĂĽckzufĂĽhren.  Das  Riff  C  befindet  sich  zwar  unter  Wasser 
bei  höchstem  Wasserstande,  liegt  aber  bei  niedrigstem  völlig 
trocken;  es  ist  demgemäss  vollständig  abgestorben,  ebenso  das 
Riff  J5,  welches  vom  höchsten  Wasser  gerade  noch  berührt  wird. 
Das  Riff  Ä  liegt  bereits  oben  auf  der  gänzlich  trockenen  Küste. 
Alle  4  Riffe  sind  aber  durch  gänzlich  korallenlose  versandete 
Strecken  getrennt.  Infolge  dessen  muss  man  periodische 
Hebungen  annehmen,  was  ja  in  einem  so  vulkanischen  Gebiet 
nicht  verwunderlich  erscheint.  Erdbeben  sind  dort  häufig,  ich 
erlebte  während  meines  kurzen  Aufenthaltes  in  St.  Thomas  ein 
ziemlich  heftiges,  welches  aber  keinen  Schaden  anrichtete. 


556         SitMung  der  tnathrphya,  Classe  vom  3,  Dezember  1896. 

Das  Wasser  der  Bucht  von  St.  Anne  ist  von  einer  wunder- 
vollen blauen  Farbe  und  die  hellen  KorallenrifFe  schimmern 
durch  dies  Wasser  in  unbeschreiblich  schönen  Tönen.  Die 
Klarheit  lässt  das  Wasser  viel  seichter  erscheinen,  als  es  that- 
sächlich  ist;  man  glaubt  Gegenstände  mit  dem  Handnetze  er- 
haschen zu  können,  welche  sich  thatsächlich  in  20 — 30  m  Tiefe 
befinden.  In  Tiefen  von  15  m  ja  bis  zu  etwa  20  m  tauchte 
der  eine  meiner  Fischer  vorzĂĽglich  und  brachte  mir  auf  diese 
Weise  manche  Beute  herauf.  Der  innere  Teil  der  Bucht  ist 
schlammig  und  tierarm,  während  nach  aussen  mit  der  felsigen 
Bildung  der  Tierreichtum  zunimmt;  die  westliche  KĂĽste  der 
Bucht  ist  ebenfalls  etwas  versandet,  zeigt  sogar  einige  schwache 
Maugioveansiedelungen,  ist  jedoch  an  Tieren,  besonders  Echino- 
dermen,  noch  ziemlich  reich. 

Hier  fiel  mir,  wie  noch  nie  vorher  die  Farbenpracht  der 
marinen  Tierwelt  auf:  wir  brachten  Seeigel  herauf,  die  gras- 
grün gefärbt  waren  und  lange  weisse  Stacheln  hatten,  dann 
weisse  mit  schwarzen  Stacheln.  Grosse  Schnecken,  Tritonium- 
artig,  gab  es  in  Menge  und  prächtige  Schwämme  in  leuchtenden 
Farben:  violett,  rot,  orange  und  ultramarin!  In  einem  rot- 
gefärbten Schwamm  fand  ich  einen  kleinen  ebenso  gefärbten 
dekapoden  Krebs  (ähnlich  dem  Alpheus);  ob  wohl  hier  die 
Ernährung  mit  Teilen  des  Schwamms  bestimmend  auf  die  Farbe 
einwirkte?  Jedenfalls  kann  bei  einem  Tier,  welches  Hohlräume 
in  einem  anderen  bewohnt,  die  Farbe  keinen  Schutz  gewähren. 

Ein  Ausflug  auf  die  Ostseite  der  Insel  hinĂĽber  zeigte  hier 
die  Fauna  im  grossen  und  ganzen  ähnlich.  Hier  sind  die 
Korallenriife  sehr  zahlreich  und  ich  bedauerte  sehr,  nicht  mehr 
Zeit  auf  ihre  Untersuchung  verwenden  zu  können.  Ziemlich 
im  SĂĽden  machen  zahlreiche  Felsenriffe  eine  Landung  sehr 
schwierig  und  gefahrlich.  In  unserem  alten  gebrechlichen 
Negerkahn  hatten  wir  manche  Fährlichkeiten  auszustehen. 
Einer  dieser  Riffe,  durch  seine  Form  sehr  auffallend,  heisst  im 
Volksmund  table  du  Diable.  In  der  Nähe  desselben  sammelte 
ich  in  Felsenlöchem  ziemlich  viele  Tiere  der  Flutgrenze.  Ich 
fand   schöne  Aktinien,   Hjdroidpoljpen,   zum  teil   sehr  grosse 


F,  Doflein:  Beiae  nach  Westitidien  und  Nordamerika,         557 

Arten  von  schön  weisser  und  karminroter  Farbe;  femer  See- 
igel, Seesteme  und  Ophiuren,  Holothurien  und  viele  Krebse 
und  Krabben.  Von  den  Aktinien  lebte  eine  in  den  Höhlungen 
grosser  Hornschwämme. 

Hier  wie  im  Norden  der  Insel  habe  ich  wiederholt  sehr 
reiche  Planktonfänge  gemacht.  Die  Zusammensetzung  in  beiden 
Gegenden  war  verschieden,  doch  sind  meine  Fänge  nicht  zahl- 
reich genug  und  aus  einer  zu  kurzen  Zeit,  um  irgend  eine 
Gesetzmässigkeit  herausfinden  zu  können.  Jedenfalls  war  die 
Windrichtung  von  grossem  Einfluss.  Im  Norden  waren  öfter 
im  Plankton  die  pflanzlichen  Bestandteile  kolossal  dominierend, 
besonders  kleine  Phaeophyceen  liessen  die  Tierwelt  kaum  auf- 
kommen. Doch  fanden  sich  da  an  andern  Tagen  viele  auf- 
fallend geformte  und  gefärbte  Copepoden  und  andere  Krebse  und 
Krebslarven;  zahlreich  waren  Radiolarien,  kleine  Medusen  u.  s.  w. 
An  einem  Tage  war  das  Meer  weithin  bedeckt  mit  Exemplaren 
einer  Eucharisart  mit  4  auffallenden  braunen  Flecken  aiif  den 
Lappen. 

Im  SĂĽden  fielen  ausser  vielen  Larven  ziemlich  grosse  Anne- 
liden, dann  ganz  riesige  Sagitten,  Medusen  u.  s.  w.  auf.  Die 
Fänge  harren  noch  der  genaueren  Sichtung  und  Bestimmung.  — 

An  die  oben  erwähnte  table  du  diable  schliesst  sich  eine 
Bucht  mit  einem  weiten  Sandstrande  an ;  auf  demselben  waren 
grosse  weisse  Sandkrabben  sehr  häufig.  Der  Strand  verläuft 
gegen  Lagunen  hin,  um  welche  ein  undurchdringliches  Dickicht 
von  Mangroven  sich  erstreckt.  Ein  grosser  Teil  der  Gegend 
hier  besteht  aus  tertiärem  Kalk.  Ein  Berg  und  eine  Ebene 
fĂĽhren  ihren  Namen  von  den  zahlreich  dort  vorkommenden 
Versteinerungen;  doch  scheint  mir  die  Natur  der  dort  als  ver- 
steinertes Holz  bezeichneten  Steine  sehr  zweifelhaft.  Proben 
davon  habe  ich  zur  Untersuchung  mitgenommen. 

Vom  SĂĽden  kehrte  ich  selbst  auf  einem  Kitt  durch  das 
Land  nach  Fort  de  France  zurĂĽck;  doch  will  ich  auf  meine 
Exkursionen  in  Martinique  nicht  weiter  eingehen,  da  sie  mehr 
fĂĽr  mich  interessant  und  lehrreich  waren,  als  hervorragend 
durch  neue  wissenschaftliche  Beobachtungen. 


558         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  8,  Dezember  1898, 

Ehe  ich  die  Schilderung  meiner  Reise  fortsetze,  will  ich 
kurz  zwei  Dinge  erwähnen:  Einmal  die  Trigonocephale,  oder 
fer  de  lance,  die  berĂĽchtigte  Lanzettschlange  (Trigonocephalus 
lanceolatus).  Ich  erwähnte  oben  schon  die  grosse  Furcht,  die 
sämtliche  Einwohner  vor  ihr  haben.  Bis  zu  einem  gewissen 
Grade  ist  diese  Furcht  sehr  berechtigt,  denn  die  Schlange  ist 
eine  der  grössten  und  bissigsten  Giftschlangen.  Wenige  Men- 
schen werden  von  ihrem  Biss  geheilt,  die  meisten  sterben  in 
wenigen  Stunden.  Viele  geheilte  bleiben  aber  dauernd  gelähmt 
und  ich  habe  verschiedene  untersucht,  welche  sogar  infolge  des 
Bisses  dauernd  blödsinnig  geworden  waren. 

Femer  möchte  ich  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  Martini- 
que ein  Durchgangspunkt  für  zahlreiche  Wandervögel  ist.  In 
der  Nähe  von  St.  Anne  befindet  sich  die  sog.  Saline,  ein  See 
und  halbsalziger  Sumpf,  welcher  zu  allen  Zeiten  grosse  Mengen 
von  V^ögeln  beherbergt.  Ich  habe  hier  viele  Arten  von  Wasser- 
vögeln erbeutet.  Im  Frühjahr  und  Herbst  jedoch  sollen,  wie 
mir  die  Anwohner  erzählten,  Unmassen  von  Wandervögeln  aus 
SĂĽd-  und  Nordamerika  hier  einfallen.  Sie  rĂĽhmen  die  gross- 
artige Jagd  zu  der  Zeit;  es  sollen  viele  Entenartige  Vögel 
darunter  sein.  — 

Ich  verliess  Martinique  am  17.  April  1898  und  besuchte 
von  da  aus  mit  einem  amerikanischen  Schiffe  die  ganze  Reihe 
der  kleinen  Antillen,  ohne  jedoch  irgendwo  Zeit  und  Gelegen- 
heit zu  ausfĂĽhrlicheren  Studien  zu  gewinnen.  Doch  will  ich 
ĂĽber  einige  der  Inseln  kurze  Bemerkungen  anfĂĽgen,  welche 
vielleicht  späteren  Reisenden  von  Nutzen  sein  können. 

Der  nächste  Besuch  galt  der  englischen  Insel  Dominika. 
Zunächst  fiel  sofort  die  grössere  Reinlichkeit  und  bessere  Hal- 
tung gegenüber  der  französischen  Kolonie  auf.  Ich  bedauerte 
sehr,  nicht  Zeit  zu  haben,  um  die  interessante  Landfauna  der 
Insel  etwas  zu  studieren.  Dieselbe  ist  besonders  in  der  Vogel- 
und  Insektenwelt  viel  reicher  als  in  Martinique.  Urwälder 
ĂĽberziehen  noch  alle  Berge  und  das  Innere  ist  noch  ganz 
unkultiviert.  FĂĽr  marine  Untersuchungen  erschienen  mir  aber 
die    KĂĽsten    nicht    so    gĂĽnstig    und    der  Wellengang    viel   zu 


F,  Doflein:  Heise  nach  Westindien  und  Nordamerika.  559 

stark.  Im  Nordosten  der  Insel  soll  sieb  noch  eine  gänzlich 
isolierte  Karibenkolonie  befinden. 

Ueber  die  Inseln  Guadelupe  und  Antigua  kann  ich  nichts 
berichten,  da  ich  sie  zu  flĂĽchtig  sah.  Jedoch  Nevis  und  St.  Kitts 
(St.  Christof)  sah  ich  etwas  genauer.  Beide  Inseln  sind  wegen 
der  Zuckerkultur  frĂĽher  in  ihrem  ganzen  flacheren  Gebiet  ent- 
waldet worden.  Die  schön  geformten  Berggipfel  sind  zwar 
noch  bewaldet,  aber  zu  der  Zeit  meines  Besuches  machte  sich 
grosse  Dürre  geltend,  welche  sehr  zu  den  Verhältnissen  der 
sĂĽdlichen  Inseln  kontrastierte.  Dieser  Trockenheit  entsprechend 
zeigte  sich  auf  beiden  Inseln  in  den  Niederungen  vor  allem 
die  Orthopterenfauna  sehr  entwickelt.  Vor  allem  waren  Heu- 
schrecken in  zahlreichen  Arten  und  Individuen  auf  Nevis  ver- 
treten. Jedoch  wurden  daselbst  auch  viele  Wespen  und 
Schmetterlinge  gesammelt.  Von  letzteren  wurde  jedoch  die 
Hauptausbeute  auf  den  Bergen  von  St.  Kitts  gemacht;  und 
ich  bedauere  es  ausserordentlich,  dass  ich  meinen  Aufenthalt 
nicht  länger  ausdehnen  konnte;  denn  gerade  zu  der  Zeit, 
wo  ich  dort  war,  waren  die  Umstände  zur  Anlegung  einer 
grossen  Insektensammlung  sehr  günstig.  Hätte  ich  geahnt, 
dass  ich  auf  der  weit  weniger  interessanten  Insel  St.  Thomas 
so  lange  würde  aufgehalten  werden,  so  hätte  ich  viel  lieber 
diesen  Aufenthalt  auf  eine  dieser  sĂĽdlichen  Inseln  verlegt. 
Auf  den  Bergen  von  St.  Kitts  habe  ich  aber  einmal  kennen 
lernen  können,  was  Schmetterlingsleben  in  den  Tropen  be- 
deuten kann.  Um  blühende  Bäume  und  Sträucher  schwebten 
und  flatterten  da  gerade  zu  Legionen  von  diesen  schönen 
Geschöpfen:  Danaiden,  Heliconiden,  Pieriden,  Papilioniden  und 
viele  Andere. 

Von  St.  Kitts,  wo  man  von  der  Bevölkerung  nichts  als 
Klagen  über  den  Niedergang  des  Zuckerbaues  hörte,  kam  ich 
über  St.  Croix  nach  St.  Thomas.  Während  wir  in  den  Hafen 
einfuhren,  verliess  das  deutsche  Schiff,  mit  dem  ich  weiter 
reisen  wollte,  denselben;  ich  konnte  nicht  mehr  mitkommen 
und  war  damit  fĂĽr  eine  Zeit  lang  auf  St.  Thomas  festgebannt. 
Denn  mittlerweile  brach  der  Krieg  aus  und  die  spanischen  und 

1898.  Sitsoogsb.  d.  mmtiL-phyt.  OL  37 


560         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  3.  Dezember  1898, 

amerikanischen  Schiffe,  auf  welche  ich  gerechnet  hatte,  stellten 
sofort  ihre  Fahrten  ein. 

Ich  mietete  mich,  da  das  Hotel  schreklich  schmutzig  war, 
bei  dem  vortrefflichen  Quarantäneinspektor  Eggert  ein  und 
habe  da,  abgesehen  von  meiner  Ungeduld,  weiter  zu  kommen, 
köstliche  Tage  verlebt.  St.  Thomas  ist  von  so  vielen  Natur- 
forschern schon  besucht  worden,  dass  ich  meine  wenigen  Be- 
obachtungen nicht  ausfĂĽhrlich  hier  schildern  will.  FĂĽr  die 
Untersuchung  von  mariner  Fauna  wäre  die  Insel  wohl  nicht 
ungĂĽnstig  gewesen,  jedoch  konnte  ich,  von  Tag  zu  Tag  aul 
einen  Dampfer  wartend,  meine  Kisten  nicht  auspacken.  Ich 
begnĂĽgte  mich  damit,  eine  Anzahl  von  Insekten  zu  sammeln 
und  hatte  vor  allen  Dingen  hier  Gelegenheit,  den  ĂĽebergang 
von  Trocken-  zur  Regenzeit  vollständig  mitzumachen.  Als  ich 
mich  der  Insel  nahte,  bot  sie  einen  braunen  dĂĽrren  Anblick 
dar;  es  war  seit  Monaten  kein  Regen  gefallen:  sogar  die 
Cisternen  waren  fast  leer.  Kurz  nach  meiner  Ankunft  stellten 
sich  die  ersten  Regen  ein  und  als  ich  nach  etwa  16  Tagen 
die  Insel  wieder  verliess,  prangte  sie  im  herrlichsten  GrĂĽn. 
Viele  Bäume  blühten;  besonders  auffallend  waren  die  ver- 
schiedenartigen Pupilionaceen,  so  der  Flamboyant,  dann  Al- 
bizzia  Lebbek  u.  A.  Zahlreich  sind  auf  der  Insel  die  Maha- 
gouibäume,  aber  stets  angepflanzt  als  Zierbäume  und  besonders 
beliebt  auf  Gräbern.  —  Erwähnen  will  ich  an  dieser  Stelle  nur 
noch,  dass  man  am  sandigen  Strand  der  Insel  an  manchen 
Stellen  sehr  häufig  die  Schalen  von  Spirula  findet.  Dieselben 
hängen  fast  immer  in  Haufen  von  angeschwemmtem  Sargasso, 
mit  welchem  sie  offenbar  zusammen  vom  Ozean  hergetrieben 
worden  sind. 

Ich  verliess  St.  Thomas  mit  dem  Dampfer  der  Hamburg- 
Amerikanischen  P.-A.-Gesellschaft  „Castilia",  dessen  Kapitän 
Grommeyer  mir  während  der  Reise  viele  grosse  Liebenswürdig- 
keiten erwies.  Die  Fahrt  ging  an  der  XordkĂĽste  von  Porto 
Rico  und  Hispaniola  entlang ;  in  Porto  Rico  war  eine  Landung 
wegen  des  Krieges  unmöglich;  doch  fuhren  wir  so  nahe  der 
KĂĽste,    dsiss  wir   manches  Interessante   sehen   konnten,   so    die 


P,  Doftein:  Heise  nach  Westindien  und  Nordamerika,         561 

Stadt  S.  Juan  mit  ihren  Befestigungen  und  den  eifrig  exer- 
zierenden Soldaten.  Als  wir  an  der  KĂĽste  von  Hayti  entlang 
segelten,  begegnete  uns  des  abends  die  amerikanische  Kriegs- 
flotte, welche  am  Tag  darauf  S.  Juan  bombardierte. 

Von  der  Insel  Hayti  bekam  ich  die  Hafen  Cap  Haytien 
und  Port  au  Prince  zu  sehen.  Die  wenigen  Dredgungen,  welche 
ich  in  dem  ersteren  vornahm,  hatten  wenig  Erfolg:  einige  See- 
igel, grosse  Seesterne  und  eine  Anzahl  solitärer  Korallen  wurden 
erbeutet.  Die  landschaftliche  Schönheit,  welche  diesen  Hafen, 
wie  ganz  Hayti,  auszeichnet,  Hess  mich  ohne  Schwierigkeiten 
ĂĽber  den  Schmutz  und  all  die  Liederlichkeit,  welche  in  diesem 
Negerstaat  herrschen,  hinwegsehen. 

Zoologisch  weit  interessanter  scheint  die  Bucht  von  Port 
au  Prince  zu  sein;  die  weiter  draussen  liegenden  wundervollen 
Korallenriffe  versprechen  eine  Menge  interessanter  Formen. 
Hier  wie  ĂĽberhaupt  in  ganz  Westindien  konnte  man  deutlich 
noch  den  tiefen  Eindruck  der  vor  wenigen  Monaten  erfolgten 
deutschen  Flottendemonstration  konstatieren. 

Die  Weiterfahrt  erfolgte  längs  der  Südküste  von  Cuba, 
wobei  ich  einen  kurzen  Blick  auf  Santiago  und  das  Castel 
Morro  werfen  konnte;  doch  geschah  dies  nur  im  VorĂĽberfahren, 
denn  die  Blokade  war  bereits  erklärt  und  eine  Landung  für 
uns  ausgeschlossen,  obwohl  recht  gut  möglich;  denn  an  der 
ganzen  SĂĽdkĂĽste  der  grossen  Insel  sahen  wir  kein  einziges 
amerikanisches  Schiff. 

Nachdem  wir  das  Cap  S.  Antonio,  die  westliche  Spitze 
von  Cuba,  passiert  hatten,  traten  wir  in  die  Strasse  von  Yucatan 
ein,  um  sodann  den  Gblf  von  Mexiko  zu  durchqueren  und  in 
Tampiko  zu  landen.  Während  wir  fern  der  Küste  von  Yucatan 
ĂĽber  die  Camp^chebank  segelten,  ohne  jemals  auch  nur  an- 
nähernd in  Sehweite  vom  Land  zu  kommen,  brachte  uns  ein 
heftiger  Wind  Scharen  '  von  Vögeln  und  Insekten  aufs  Schiff. 
So  fiel  mit  einem  male  eine  Wolke  von  kleinen  grĂĽnen  Cikaden 
auf  den  Dampfer  nieder.  Vögel,  welche  sich  niederliessen, 
waren  zum  teil  so  erschöpft,  dass  sie  sehr  bald  starben. 

37* 


562         SĂĽeung  der  mathrphys.  Glosse  vom  3,  Dezember  1898, 

Ein  ähnliches  Schauspiel  wiederholte  sich,  als  wir  uns 
der  Mündung  des  Tampikoflusses  näherten,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  hier  ein  nordwestlicher  Wind  die  Tiere  ĂĽber  den 
ganzen  Golf  herĂĽbergetragen  hatte. 

Meinen  Aufenthalt  in  Mexiko  und  die  Weiterreise  nach 
(Kalifornien  will  ich  nur  in  aller  Kürze  erwähnen;  denn  es 
haben  so  zahlreiche  Reisende  bereits  diese  Gegenden  besucht, 
dass  ich  meine  nur  auf  der  Durchreise  gewonnenen  EindrĂĽcke 
nicht  an  die  Seite  der  Schilderungen  grĂĽndlicher  Forscher 
stellen  darf. 

Meine  Route  war  die  folgende:  ich  reiste  von  Tampico 
mit  der  Eisenbahn  nach  der  Stadt  Mexiko.  Daselbst  verweilte 
ich  etwa  14  Tage,  besuchte  die  grossen  Lavorfelder  der  Um- 
gebung, sowie  einige  der  aztekischen  Ruinenstätten  und  den 
Fuss  der  grossen  Vulkane  Popocatepetl  und  Ixtaccihuatl.  Eine 
Besteigung  derselben  zu  unternehmen,  verbot  mir  meine  ge- 
messene Zeit  und  die  Ungunst  der  Jahreszeit.  Nach  San 
Francisco  gelangte  ich  auf  dem  Wege  durch  Centralmexiko, 
durch  Arizona  und  den  SĂĽden  Californiens. 

Eine  Beobachtung,  allerdings  nicht  naturwissenschaftlicher 
Ali,  möchte  ich  dabei  nicht  unterlassen,  der  Akademie  vorzulegen. 

Als  ich  mit  dem  MĂĽnchener  Arzt  Dr.  E.  Schmidtlein, 
dessen  Freundlichkeit  ich  vieles  verdanke,  einen  Ausflug  nach 
der  Ruinenstätte  bei  S.  Juan  di  Teotihuacan  machte,  fiel  es 
mir  auf,  dass  hier  ein  Feld  voll  der  interessantesten  archäolo- 
gischen Schätze  un ausgebeutet  daliegt.  Die  mexikanischen 
Forscher  scheinen  nicht  im  stände  zu  sein,  diese  Schätze  in 
der  richtigen  Weise  zu  heben;  und  nach  allem,  was  ich  sah, 
sind  dort  ausserordentliche  Befunde  zu  hoflFen. 

Ein  Indianer  hatte  daselbst  ein  Haus  ausgegraben,  welches 
in  sehr  merkwürdiger  Weise  an  den  Wänden  mit  reichlichem 
Bilderschmuck  ausgestattet  war,  in  den  Tönen  ähnlich  den 
pompejanisclien  Malereien,  in  der  Zeichnung  natĂĽrlich  den 
Geschmack  der  alten  Mexikaner  bekundend;  es  fiel  mir  aber 
auf,  dass  die  Malereien  mit  viel  Technik  und  Sicherheit  aus^ 
gefĂĽhrt  waren. 


J^.  Doflein:  Beise  nach  Westindien  und  Nordamerika,         563 

Kleinere  Reste,  wie  Pfeilspitzen,  kleine  Masken,  Vasen- 
reste findet  man  dort  in  Masse,  und  wir  fanden  selbst  einige 
sehr  hĂĽbsche  StĂĽcke,  sogar  einige  edle  Steine. 

Bei  einem  Versuch  zur  Ausgrabung  haben  die  Mexikaner 
nur  ein  Haus  zum  Einsturz  gebracht,  und  dann  nichts  weiter 
gethan.  Obwohl  die  mexikanische  Regierung  ein  Ausfuhr- 
verbot für  Altertümer  erlassen  hat,  wäre  für  eine  richtig  ein- 
geleitete Unternehmung  auf  diplomatischem  Wege  leicht  die 
Zustimmung  derselben  zu  erlangen.  Jedenfalls  scheint  dort  fĂĽr 
deutsche  Forscher  sich  eine  sehr  lohnende  Aufgabe  zu  bieten.  — 

U.  Nordamerika. 

Nach  einer  mehrtägigen  Eisenbahnreise  durch  die  wunder- 
baren WĂĽstenlandschaften  Centralmexikos  und  der  sĂĽdlichen 
Unionsstaaten,  mit  ihren  vielen  ĂĽberraschenden  Paradigmen 
recenter  geologischer  Phänomene,  langte  ich  in  S.  Francisco  an. 
Von  dort  fĂĽhrte  mich  eine  weitere  Fahrt  von  wenigen  Stunden  nach 
Pacific  Grove  bei  Monterey,  dem  eigentlichen  Ziel  meiner  Reise. 

Ich  wurde  dort  schon  am  Bahnhof  von  Dr.  Mc.  Farland, 
Assistant  Professor  an  der  Palo  Alto  Universität,  welcher  vor 
wenigen  Jahren  an  der  Universität  zu  Würzburg  promoviert 
hatte,  mit  viel  Liebenswürdigkeit  und  Kollegialität  empfangen. 
Auch  die  ĂĽbrigen  Herren,  unter  welchen  ich  besonders  Dr.  Price, 
einen  SchĂĽler  von  Geheimrat  v.  Kupfter,  Mr.  Heath,  Mr.  Green, 
und  den  Botaniker  Mr.  Nott  erw^ähne,  bezeugten  mir  eine  sehr 
freundschaftliche  Gesinnung;  von  den  jĂĽngeren  Assistenten  war 
mir  besonders  Mr.  Abbot  bei  verschiedenartigen  Gelegenheiten 
sehr  behilflich. 

Jedoch  die  AusrĂĽstung,  welche  ich  dem  zoologischen  In- 
stitute resp.  der  GĂĽte  meines  Chefs,  Prof.  Hertwig,  verdankte, 
war  so  vorzüglich,  dass  ich  die  spärlichen  Hilfsmittel  der  Station 
kaum  zu  benutzen  brauchte;  zudem  schickte  mir  Prof.  v.  Kupffer 
noch  einen  ganzen  Vorrat  von  Glassachen  und  Chemikalien  nach. 

Für  spätere  Besucher,  welche  die  reiche  Flora  und  Fauna 
der  kalifornischen  KĂĽste  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchungen 
machen  wollen,  möchte  ich  bemerken,  dass  es  unnütz  ist,  sich 


564         Sitzung  der  viathrphys,  Glosse  vom  3.  Dezember  1698. 

die  allgemein  gebräuchlichen  Gläser  und  Chemikalien  dorthin 
mitzunehmen.  In  S.  Francisco  kann  man  alle  WĂĽnsche  dieser 
Art,  wenn  es  nicht  gar  zu  spezielle  sind,  befriedigen. 

Die  Station  zu  Pacific  Grove  liegt  auf  einer  kleinen  Land- 
zunge, welche  in  die  weite  Bucht  von  Monterey  hineinragt. 
Die  Bucht  mag  etwa  an  Grösse  dem  Golf  von  Neapel  nahe 
kommen.  Jedoch  fehlen  ein  Vesuv,  ein  Capri  und  Ischia;  auch 
die  HĂĽgelketten  der  Vorgebirge  stellen  sich  nicht  so  stattlich 
dar,  wie  der  Posilipp  und  die  Berge  von  Sorrent.  Aber  in 
der  Tiefe  des  Meeresblau,  in  der  Pracht  der  farbigen  Stim- 
mungen zu  den  vei*schiedenen  Tageszeiten  kann  die  mittel- 
kalifornische KĂĽste  wohl  mit  der  italienischen  wetteifern. 

Eine  Reihe  von  Städtchen  und  Ortschaften  ziehen  sich  an 
den  Ufern  der  Bucht  hin  von  St.  Cruz  im  Norden  bis  Pacific 
Grove  im  SĂĽden;  dieselben  weichen  in  ihrem  allgemeinen 
Charakter  sehr  von  einander  ab.  Insbesondere  kontrastieren 
die  beiden  Nachbarorte  Monterey  und  Pacific  Grove  ganz  ausser- 
ordentlich. Während  das  erstere  noch  einen  durchaus  spa- 
nischen Charakter  bewahrt  hat  —  viele  der  Einwohner  sprechen 
im  Familien  verkehr  nur  spanisch  — ,  ist  das  erst  vor  einer 
kurzen  Reibe  von  Jahren  gegrĂĽndete  Pacific  Grove  ein  echt 
amerikanisches  Nest,  welches  zudem  als  methodistische  GrĂĽn- 
dung noch  eine  Reihe  von  speziellen  CharakterzĂĽgen  erhalten  hat. 

Trotzdem  in  Monterey  eine  Reihe  von  älteren  malerischen 
Bauten,  so  die  alte  spanische  Missionskirche,  vorhanden  sind, 
so  wirkt  doch  Pacific  Grove  durch  seine  wundervolle  Reinlich- 
keit und  die  nette  Art,  wie  seine  kleinen  Holzhäuser  zwischen 
die  Bäume  eines  alten  Waldes  hineingebaut  sind,  noch  an- 
ziehender. Während  das  üppige  Hotel  del  Monte  die  reichen 
Leute,  Santa  Cruz  die  guten  BĂĽrgersfamilien  im  Sommer  be- 
herbergt, ziehen  sich  nach  Pacific  Grove  mehr  die  Leute,  welche 
einen  schönen  Sommeraufenthalt  für  weniges  Geld  haben  wollen. 
Und  man  muss  gestehen,  wer  mit  seiner  FamiUe  abgeschlossen 
in  einer  der  kleinen  reizenden  Villen  in  aller  Ruhe  lebt,  der 
kann  hier  eine  ganz  wundervolle  Sommerfrische  verbringen. 
FĂĽr  den  Junggesellen  ist  weniger  gut  gesorgt;  doch  kann  man 


F,  Doflein:  Beiae  nach  Weatindien  und  Nordamerika.  565 

bei  einiger  Anpassung  an  die  Landesverhältnisse  ganz  gut 
existieren.  Als  Temperenzlergemeinde  gewähi*t  Pacific  Grove 
dem  Manne  mit  eigenem  Haushalt  viel  bessere  Bedingungen; 
denn  in  Amerika  kann  man  ĂĽberall  die  Erfahrung  machen: 
wo  es  nichts  zu  trinken  gibt,  ist  auch  das  Essen  in  den  Wirts- 
häusern recht  mangelhaft. 

Die  biologische  Station,  nach  ihrem  Stifter  „Hopkins 
Seaside  laboratory*"  genannt,  besteht  aus  zwei  geräumigen 
Holzgebäuden  mit  je  einem  ebenfalls  hölzernen  Wasserturm, 
auf  welchen  in  grosse  Tanks  das  zur  Speisung  der  A(|uarien 
notwendige  Seewasser  hinaufgepumpt  wird.  Wenn  ich  anfangs 
von  den  Einrichtungen  der  Station  enttäuscht  war,  so  hatte 
das  seinen  Grund  darin,  dass  ich  nach  der  Schilderung  Bash- 
ford  Deans  (in  Natural  Science  Vol.  XI)  die  ganze  Art  der 
Stationsanlage  missverstanden  hatte.  Die  Station  ist  nämlich 
in  erster  Linie  Schulstation,  d.  h.  ein  marines  Laboratorium, 
in  welchem  die  biologischen  Sommerkurse  der  Leland  Stanford 
Universität  abgehalten  werden;  fllr  diese  Zwecke  ist  die  An- 
stalt ganz  ausreichend  ausgerĂĽstet.  In  zweiter  Linie  aber  erst 
beherbergt  sie  Forscher  zu  speziellen  Studien;  und  da  muss 
sich  ein  jeder  selbst  helfen,  so  gut  es  geht.  In  den  unteren 
Stockwerken  der  beiden  Gebäude  befinden  sich  grössere  Kurs- 
säle und  in  denselben  wird  täglich  Unterricht  erteilt.  Während 
der  Ebbezeit  ziehen  Lehrer  und  SchĂĽler  zu  gemeinsamen  Ex- 
kursionen aus,  wobei  sich  die  Untersuchungen  fast  ausschliess- 
lich auf  die  Gezeitenzone  beschränken.  Systematische  Fänge 
mit  Planktonnetz  oder  Dredge  werden  gar  nicht  kultiviert,  man 
begnügt  sich  vorläufig  mit  dem,  was  man  von  der  Küste  aus 
erlangen  kann  oder  den  gelegentlichen  Fängen  der  chinesischen 
Fischer.  Man  ist  gewohnt,  dass  Leute,  welche  spezielle  Zwecke 
verfolgen,  sich  fĂĽr  diese  selbst  ausrĂĽsten. 

Man  stellte  mir  in  dem  östlichen  Gebäude  einen  netten, 
liellen  Kaum  zur  VerfĂĽgung,  sowie  zwei  Tische,  einige  Aquarien 
und  grössere  Gläser.  Sonst  erhielt  ich  von  der  Station  nur 
noch  etwas  Alkohol.  Viele  kleine  Gefälligkeiten  erwiesen  mir 
jedoch  sämtliche  Herren  des  Laboratoriums. 


566         Sitzung  der  matK-phys.  Clasae  vom  3,  Dezember  1898. 

Da  die  Station  mit  Booten  schlecht  versehen  ist  und  vor 
allem  keinerlei  Bedienung  irgend  welcher  Art  vorhanden  ist, 
so  war  ich  genötigt,  mein  Material  mir  selbst  zu  verschaffen. 
Ich  habe  vielfach  an  der  KĂĽste  gesammelt,  ferner  Plankton 
gefischt  und  mehrere  male  gedregt.  Letzteres  musste  ich  aber 
bald  aufgeben ;  denn  meine  Dredge  erwies  sich  als  viel  zu  schwer 
fĂĽr  die  kleinen  Bote  von  Pacific  Grove.  Das  Plankton  im 
Innern  der  Bucht  ist  ziemlich  ann  und  eintönig  gewesen;  doch 
hängt  es  darin  ofi*enbar  von  den  Winden  und  Strömungen  ab. 
Denn  an  einzelnen  Tagen  fing  ich  viel  grössere  Mengen  als 
au  anderen.  Auffallend  war  derRdchtum  an  Protozoen:  Flagel- 
laten  verschiedener  Gruppen  und  Infusorien  waren  oft  in  Mengen 
vorhanden.  Eines  Tages  war  das  Meer  gänzlich  gerötet  von 
ungeheuren  Schwärmen  von  Noctiluca.  Es  gelang  mir,  ein 
grosses  Material  von  dieser  interessanten  Cystoflagellate  zur 
Untersuchung  der  Fortpflanzungsvorgänge  zu  konservieren. 

Den  wertvollsten  Teil  meiner  Sammlungen  verdanke  ich 
jedoch  den  chinesischen  Fischern,  deren  TĂĽchtigkeit  bereits 
B.  Dean  so  sehr  rĂĽhmt. 

In  der  Mitte  zwischen  Pacific  Grove  und  Monterey  liegt 
auf  einem  felsigen  Vorsprung  das  Dorf  dieser  Fischer;  es  ist 
durchaus  ein  chinesisches  Dorf  und  wie  ĂĽberall  in  der  Welt 
haben  die  Chinesen  ihre  sämtlichen  Lebensgewohnheiten  auch 
fem  der  Heimat  beibehalten.  Häuser,  Fahrzeuge  und  Trachten 
sind  dieselben,  welche  bei  Kanton  ĂĽblich  sind  und  ihre  Eigen- 
tĂĽmer haben  so  gut  wie  nichts  von  der  fortgeschrittenen  ame- 
rikanischen Kultur  angenommen.  Nur  in  einem  Punkte  unter- 
scheidet sich  speziell  diese  Kolonie  von  den  meisten  chinesischen 
Siedelungen  der  Welt:  die  Fischer  sterben  ohne  Gewissensbisse 
auf  dem  fremden  Boden  und  lassen  sich  auch  da  begraben, 
ohne  ihre  Gebeine  der  heiligen  chinesischen  Erde  wieder  zu- 
fĂĽhren zu  lassen. 

Hier  fand  ich  die  geeigneten  Fischer,  welche  bereits  durch 
den  Besuch  B.  Deans  auf  den  Wert  der  Eier  von  Bdellostoma 
aufmerksam  gemacht,  sich  bereit  erklärten,  solche  auch  für 
mich   zu   sammeln.     Die  Methode,   mit  welcher   diese  Fischer 


F.  Doflein:  Heise  nach  Weatindien  und  Nordamerika,  567 

ausschliesslich  oder  doch  fast  ausschliesslich  arbeiten,  ist  sehr 
bemerkenswert,  indem  dieselbe  fĂĽr  das  Erlangen  der  Eier  Yon 
Bdellostoma  speziell  gĂĽnstig  ist.  An  einem  mehrere  Hundert 
Meter  langen  Seil  sind  eine  sehr  grosse  Anzahl  Yon  Angel- 
haken an  kurzen  SchnĂĽren  befestigt.  Der  Abstand  der  ein- 
zelnen von  einander  beträgt  etwa  40  cm.  Jede  Angel  ist  mit 
einem  StĂĽck  gesalzenen  Fisches  besteckt;  um  Bdellostoma  zu 
fangen,  nimmt  man  kleinere  Haken,  als  fĂĽr  die  Lachse  imd 
anderen  grösseren  Fische.  Dieses  lange  Seil  lässt  der  Fischer 
bei  seiner  Ausfahrt  allmählich  hinab  und  lässt  es  dann  mehrere 
Stunden  lang  hinter  seinem  Schiffe  herflottieren. 

Mit  Hilfe  dies^  Haken  bringt  man  die  Eier  von  Bdello- 
stoma entweder  in  den  Schleimbeuteln  der  Weibchen  oder  direkt 
in  den  SchnĂĽren  und  Haken  verfangen  herauf.  Die  den  Weibchen 
so  sehr  zäh  anhaftenden  Schleimbeutel,  welche  B.  Dean  bereits 
abgebildet  und  beschrieben  hat  (a.  a.  0.),  ermöglichen,  wie  es 
scheint,  eine  Art  von  Brutpflege.  Das  Weibchen  behält  die 
Eier  offenbar  anhängend,  bis  die  jungen  Tiere  ausschlüpfen. 
Denn  ich  erhielt  Embryonen  von  ganz  jungen  Stadien  an  bis 
zu  gänzlich  dottersack  losen  Exemplaren  und  manchmal  fanden 
sich  auch  leere  Eikapseln  dabei.  An  dem  Schleimsack  und 
unter  einander  sind  die  Eier  durch  die  bekannten  Haken- 
apparate festgehalten. 

Ein  Umstand,  welcher  die  Annahme  der  Brutpflege  zu 
bestätigen  scheint,  ist  ferner  darin  zu  erblicken,  dass  die  Eier 
hegenden  Weibchen  sich  in  Scharen  zusammenhalten.  Mein 
Fischer  fing  oft  Tage  lang  an  beliebigen  Orten  nur  Männchen 
und  junge  Weibchen,  bis  er  schliesslich  einen  „Platz*  fand, 
von  dem  er  täglich  Weibchen  mit  Eiern  und  Embryonen  herauf- 
brachte. Dem  Fischer  war  femer  aufgefallen,  dass  die  Weibchen 
mit  Eiern  sehr  schwer  auf  den  Köder  beissen,  und  insbesondere 
kurz  nach  der  Eiablage;  dass  sie  jedoch  in  der  vorgerĂĽckteren 
Jahreszeit,  wenn  sie  meist  schon  ausgebildete  „Babies*"  in  den 
Eikapseln  tragen,  wieder  viel  leichter  zu  fangen  sind. 

Aus  der  allgemeinen  Biologie  von  Bdellostoma  möchte  ich 
zwei  Punkte  hervorheben;  der  Schleim,  welchen  die  Tiere  ab- 


568         Sitzufig  der  mathrphys,  Classe  vom  3,  Dezember  1898. 

soudern,  ist  sehr  zähe  und  ein  einzelnes  Tier  vermag  eine 
kolossale  Menge  zu  produzieren.  Der  Schleim  besteht  bekannt- 
lich aus  lauter  ganz  feinen  Fäden,  welche  Bildungen  entstammen, 
die  an  die  Ne-sselkapseln  der  Coelenteraten  erinnern.  Greift 
man  in  solchen  Schleim  hinein,  so  klebt  er  an  den  Fingern 
und  es  kostet  viel  MĂĽhe,  ihn  wieder  wegzubekommen.  Das 
Gefühl  dabei  ist  ganz  ähnlich  demjenigen,  welches  beim  An- 
fassen einer  kleineren  Aktinie  erzeugt  wird.  Transportiert  man 
andere  gesammelte  Tiere  mit  den  Bdellostomen  im  gleichen 
Gefäss,  so  werden  dieselben,  insbesondere  z.  B.  Echinodermen 
dermassen  von  den  Fäden  umsponnen,  dass  man  eine  grosse 
MĂĽhe  hat,  sie  wieder  zu  reinigen. 

Von  Intere^e  ist  femer,  dass  die  Tiere^  wie  ich  beob- 
achten konnte,  nicht  nur  in  tote  Fische  eindringen,  sondern 
auch  in  lebende.  Einen  Torpedo,  den  ich  mit  anderen  Fischen 
und  Bdellostomen  in  einem  KĂĽbel  vom  Chinesendorf  nach  der 
Station  schleppte,  bewahrte  auch  sein  elektrisches  Organ  nicht 
vor  der  Invasion.  Bei  der  Ankunft  in  meinem  Arbeitszimmer 
vormisste  ich  in  dem  Kübel  sämtliche  Bdellostomen  und  fand 
sie  dann  in  der  Bauchhöhle  der  übrigen  grösseren  Fische  wieder. 
Sie  hatten  sich  durch  Löcher  in  der  Bauchdecke  eingebohrt, 
wobei  ihnen  ihre  mit  scharfen  Homzähnen  besetzte,  stark  ver- 
stĂĽlpbare  Zunge  sehr  vorteilhaft  ist. 

Das  Material  an  Eiern  und  Embryonen  war  anfangs  spärlich, 
mehrte  sich  im  Laufe  des  Juni,  um  im  Juli  ziemlich  reichlich 
zu  werden;  in  der  letzten  Zeit  waren  besonders  vorgerĂĽcktere 
Stadien  nicht  selten.  Eines  Tages  erklärten  mir  jedoch  die 
(/hinesen,  dass  sie  keine  Bdellostomaeier  fĂĽr  mich  sammeln 
würden;  denn  es  waren,  wie  alljährlich  die  grossen  Salm- 
schwärme in  der  Bucht  eingetroffen  und  damit  ergab  sich  für 
die  Fischer  die  Möglichkeit,  an  einem  Tage  an  Sahnen  das 
3  bis  4  fache  von  dem  zu  verdienen ,  was  ich  ihnen  bieten 
konnte.  Da  nun  die  Möglichkeit,  weiteres  Material  zu  erhalten, 
sich  damit  auf  Wochen  hinausschob,  ich  ausserdem  schon  eine 
ziemlich  beiriedigende  Collektion  zustande  gebracht  hatte,  so 
beschloss  ich,  meine  Reise  fortzusetzen. 


F.  Doflein:  Beise  nadi  IVeatindien  und  Nordamerika,  569 

Was  ich  von  Beobachtungen  an  den  frischen  Objekten 
machen  konnte,  werde  ich  an  «anderem  Orte  veröffentlichen. 
Hier  will  ich  nur  einige  Bemerkungen  anfĂĽgen.  Wie  schon 
Dean  in  einer  kurzen  Mitteilung  erwähnt,  beginnt  die  Ent- 
wickelung  stets  von  dem  operkularen  Pol  des  Eies.  Dort  be- 
findet sich  auch  die  Mikropyle.  Der  Embryo  entwickelt  sich 
auf  der  konkaven  Seite  des,  einer  Bananenfrucht  ähnlich,  leicht 
gebogenen  Eies.  Die  Kopf  anläge  liegt  dabei  ungeführt  unter 
der  Stelle,  wo  der  Operkularspalt  um  das  Ei  herumgreift. 
Das  Schwanzende  wächst  langsam  dem  aboperkularen  Ende  zu, 
wobei  im  Gegensatz  zu  der  Behauptung  Deans  ein  Umwach- 
sungsrand  deutlich  zu  sehen  ist. 

Die  Wachstumsverhältnisse  des  Embryos  sind  eigenartig 
und  verdienen  aasfĂĽhrlicher  berĂĽcksichtigt  zu  werden,  was  aber 
an  dieser  Stelle  nicht  geschehen  soll,  da  sie  sich  sehr  schwer 
ohne  Abbildungen  klar  machen  lassen. 

Wenn  das  Schwanzende  ungefähr  den  aboperkularen  Pol 
erreicht  hat  und  sich  umzuschlagen  beginnt,  beginnt  das  Wachs- 
tum an  Kopf-  und  Schwanzende  gleichmässig  einzusetzen.  Der 
Kopf  erreicht  bald  den  operkularen  Pol,  und  nachdem  er  sich 
ebenfalls  herumgebogen,  beginnen  beide  Enden  auf  der  kon- 
vexen Seite  des  Eies  auf  einander  loszuwachsen. 

Vorher,  als  der  Schwanz  etwa  gerade  am  aboperkularen 
angelangt  war,  zeigten  sich  die  ersten  Spuren  von  rotem  Blut 
deutlich  von  aussen  sichtbar.  Sie  traten  auf  in  Form  von 
Kanälen  und  Lakunen,  welche  die  Seitenbegrenzung  des  Embryos 
bildeten,  und  besonders  am  Kopf-  und  Schwanzende  stark  aus- 
gebildet erschienen.  Aus  der  vor  dem  Kopfe  gelagerten  Lakune 
bildete  sich  bald  ein  starker  GefUssast  hervor,  welcher  auf  der 
konvexen  Seite  des  Eies  geradeaus  vorwärts  wachsend,  sich 
))ald  in  zahlreiche  Dottergeiasse  spaltete.  Im  weiteren  Verlauf 
bilden  sich  zahlreiche  weitere  Dotterblutgefasse,  von  den  seit- 
lichen Lakunen  ausgehend,  so  dass  schliesslich  der  ganze  Dotter 
von  einem  feinen  Blutgefassnetz  ĂĽberzogen  ist. 

Das  gerade  vor  dem  Kopfe  entspringende  Hauptgeföss 
bezeichnet  in  seiner  Kichtung  die  Wachstumsbahn  des  Kopfes; 


570         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  3.  Deeember  1898, 

schliesslich    wird   e«  vom  Scliwanze   bei  dessen  Wachstum    bei 
Seite  gedrängt. 

Späterhin  treten  bedeutende  Veränderungen  an  den  Blut- 
gefässen auf,  der  Dottersack  ist  zu  der  Zeit,  wo  Kopf  und 
Schwanz  sich  im  Wachstum  ausweichen  mĂĽssen,  schon  ziemlich 
aufgezehrt.  Doch  erscheint  der  Embryo  noch  in  sehr  späten 
Stadien  ganz  in  den  Dotter  eingesenkt,  da  die  enge  Eischale 
ihn  hindert,  sich  von  demselben  abzuheben. 

Auf  weitere  Einzelheiten  der  Entwickelung  will  ich  an 
dieser  Stelle,  ehe  eine  genaue  Untersuchung  des  konservierten 
Materiales  vorher  gegangen  ist,  nicht  eingehen.  Nur  eine 
Beobachtung  will  ich  noch  anführen.  In  den  älteren  Embryonal- 
stadien, besonders,  wenn  der  Embryo  schon  anfangt,  sich  zu 
bewegen,  löst  sich  der  Deckel  (das  Operculum)  immer  leichter 
von  der  ĂĽbrigen  Schale  ab,  so  dass  man  ohne  weiteres  an- 
nehmen kann,  dass  das  ausgebildete  junge  Tier  durch  seine 
Bewegungen  den  Deckel  zu  öffnen  vermag  und  so  ins  Freie 
gelangt.  — 

lieber  die  sonstige  Fauna  der  Bucht  von  Monterey  kann 
ich  noch  folgendes  mitteilen:  Voai  Plankton  habe  ich  oben 
schon  gesprochen.  Sonst  kenne  ich  nur  die  Fauna  der  Gezeiten- 
zone, eine  ziemlich  grosse  Anzahl  von  Fischen  aus  allen  Zonen 
und  die  gelegentlichen  Tiefenfange  der  Chinesen. 

Die  KĂĽste  besteht  meist  aus  wild  durch  einander  getĂĽrmten 
Felsmassen,  mit  welchen  an  einigen  Stellen  lange  Strecken 
flachsten  Sandstrandes  abwechseln.  Letztere  Strecken  sind  land- 
einwärts meist  von  Dünen  begrenzt.  Die  marinen  Tiere  sind 
wenige  und  nicht  besonders  interessante  Formen:  Krabben  und 
amphibische  Isopoden  sind  häufig. 

An  der  felsigen  KĂĽste  entwickelt  sich  jedoch  ein  Tierleben 
von  einem  kaum  glaublichen  Reichtum  der  Fonnen.  Ein  weiter 
Raum  der  Gezeitenregion  —  die  Ebbe  ist  hier  im  Sommer  sehr 
tief  —  ist  mit  Algen  bewachsen,  welche  ebenfalls  einen  riesigen 
Artenreichtum  aufweisen.  Zwischen  denselben  wimmelt  es  von 
tierischem  Leben.  Es  gibt  da  ungezählte  Arten  von  Protozoen, 
Hydroidpolypen,  Aktinien.     Unter  letzteren  fallt  besonders  eine 


F.  Dofiein:  Beise  nach  Westindien  und  Nordamerika.         571 

knospende  Form  auf.  Aus  dem  Stamm  der  WĂĽrmer  sind 
besonders  schöne  Turbellarien ,  Nemertinen,  Annebdeu  und 
Gephyreen  zu  nennen.  Von  Echinodermen  sind  besonders  zahl- 
reich Seesterne  und  Holothurien,  während  Seeigel,  Ophiuren 
und  Crinoiden  nur  durch  wenige  Arten  vertreten  scheinen. 
An  Mollusken  erscheint  die  Artenfülle  unerschöpflich:  es  kommen 
23  Chitonen  dort  vor,  darunter  der  riesengrosse  Cryptochiton 
kamtschatkensis,  viele  Fissurellen  und  Patellen  und  verschiedene 
Haliotisarten.  Unter  ersteren  zeichnet  sich,  ebenfalls  durch 
ihre  gigantischen  Formen  die  Lucupina  crenulata  aus.  Dadurch, 
dass  Prof.  M.  Farland  eine  Monographie  der  Nacktschnecken 
der  KĂĽste  vorbereitet,  hatte  ich  Gelegenheit,  eine  Unmenge 
der  wundervollsten  Arten  dieser  farbenprächtigen  Geschöpfe  zu 
sehen.  Zahlreiche  Krabben  und  Fische  beleben  ferner  die 
AlgengebĂĽsche. 

Unter  den  Fischen  der  Bucht  hebe  ich  besonders  eine  sehr 
häufige  Chimaera  hervor,  von  der  ich  auch  Eier  zu  sehen 
bekam.  Da  jedoch  Prof.  Dean  den  Fischer  beauftragt  hatte, 
die  Eier  für  ihn  zu  sammeln  und  in  Fischkästen  zu  halten, 
so  machte  ich  selbstverständlich  keinen  Versuch,  ihm  seine 
Kreise  zu  stören. 

Von  den  Formen  der  etwas  tieferen  Zone  waren  sehr 
interessant  verschiedene  Arten  von  Pennatuliden,  welche  wunder- 
voll leuchteten;  femer  verschiedene  Seesteme:  Solastriden  und 
Asteracanthionarten,  dazu  eine  wundervolle  Spezies  von  Astro- 
phyton.  Auch  mehrere  Cephalopoden  gibt  es;  in  ungeheuer- 
lichen Massen  kommt  ein  Loligo  vor,  welcher  von  den  Chinesen 
in  Netzen  gefangen  und  am  Strand  auf  den  Felsen  getrocknet, 
in  Säcke  gepackt  und  nach  China  geschickt  wird,  um,  wie 
man  sagt,  als  Dung  fĂĽr  die  Reisfelder  zu  dienen.  Ich  kann 
den  Verdacht  nicht  unterdrĂĽcken,  dass  am  Ende  die  lang- 
zopfigen Herren  doch  irgend  eine  Suppe  davon  bereiten. 

Ich  will  mich  nicht  weiter  in  Aufzählungen  verlieren, 
man  ersieht  aus  dem  Mitgeteilten  bereits,  wie  reich  das  l^ier- 
leben  dort  sein  muss.  Dazu  kommt  noch,  dass  gerade  in  den 
Sommermonaten   die   meisten   dieser  Tiere   auch  laichen.     Ich 


572         Sitzung  der  math.-phya,  Cltisse  vom  3.  Dezember  1898. 

habe  wenige  Tiere  in  Pacific  örove  gesehen,  von  denen  ich 
nicht  auch  Eier  oder  Embryonen  gesehen  habe.  FĂĽr  eine 
Station  ist  also  die  Lage  ideal. 

Soweit  ich  bis  jetzt  die  gesammelten  Arten  übersehe,  trägt 
die  Fauna  einen  ausgesprochen  nördlichen  Charakter,  was  ja 
gut  stimmt  zu  der  Thatsache,  dass  an  der  Küste  ein  nördlicher 
Strom  entlang  streicht. 

Auch  die  Landfauna  Lst  ziemlich  reich,  die  Insektenwelt 
ist  bunt  und  auffallend.  Doch  diese  Dinge  sind  zu  wohl  bekannt; 
meine   geringen  Erfahrungen   enthalten    keine  neuen  Befunde. 

Von  meiner  Weiterreise  und  Heimkehr  will  ich  nur  kurze 
Züge  mitteilen ;  sie  war  für  micli  von  äusserstem  Interesse  und 
sehr  lehrreich,  doch  habe  ich  aus  dieser  Zeit  keine  f^r  die 
Wissenschaft  neuen  Resultate  mitzuteilen. 

Auf  dem  Wege  nach  Norden  besuchte  ich  zunächst  S.  Cruz, 
schlug  mich  dann  durch  die  Wälder  der  Küstengebirge  —  die 
wundervollen  Wälder  des  Riesenbaumes  Sequoia  sempervirens  — 
nach  San  Jose  und  dem  durch  seine  Fruchtbarkeit  berĂĽhmten 
Santa  Clarathal  durch.  Dann  besuchte  ich  die  Universität  von 
Palo  Alto;  der  liebenswĂĽrdigen  Aufnahme  daselbst,  besonders 
durch  die  Familie  des  deutschen  Professors  FlĂĽgel  gedenke  ich 
mit  grösster  Dankbarkeit. 

Von  San  Francisco,  wo  ich  die  Sammlungen  und  Institute 
eingehend  besichtigte,  gelangte  ich  zunächst  nach  Portland  in 
Oregon,  sah  dort  den  Willamettefluss  und  machte  eine  Fahrt 
auf  demselben  und  auf  dem  riesenhaften,  fischreichen  Colum- 
bia River. 

Mit  Hilfe  der  Northern  Pacificbahn  fuhr  ich  sodann  ĂĽber 
Tacoma  und  Spokanefalls  nach  Livingstone,  um  von  da  aus 
den  Yellowstonepark  zu  besuchen.  Dann  besuchte  ich  Chicago 
und  seine  wundervolle  Univeraität,  weiterhin  den  Niagara,  Was- 
hington, New- York.  Besonders  an  beiden  letzteren  Orten  war 
die  Besichtigung  der  grossen  Sammlungen  und  Institute  ftlr 
mich  von  grossem  Interesse  und  Wert. 

Von  New- York  aus  machte  ich  einen  Abstecher  nach  dem 
nördlich  in  Massachusetts   gelegenen  Woods  Hall,   der  biolo- 


jp.  Doflein :  Reise  nach  Westindien  und  Nordamerika,         573 

gischen  Station  der  amerikanischen  Naturforscher.  Hier  hatte 
ich  Gelegenheit,  die  meisten  der  angesehensten  Vertreter  der 
Zoologie  und  vergleichenden  Physiologie  in  Amerika  kennen 
zu  lernen.  Es  war  sehr  anregend,  die  Einrichtung  der  Station 
sowie  des  Laboratoriums  der  Fish  Commission  kennen  zu  lernen 
und  zugleich  einen  Einblick  in  die  Arbeitsweise  so  vieler  vor- 
trefflicher Forscher  zu  gewinnen. 

Auf  dem  Dampfer  Augusta  Victoria  der  Hamburg- Amerika 
Linie  trat  ich  die  Heimreise  an,  um  nach  einem  kurzen  Auf- 
enthalt in  London  in  den  letzten  Tagen  des  August  wohl- 
behalten wieder  in  MĂĽnchen  einzutreffen. 

Ausser  den  Empfehlungen,  welche  die  Akademie  mir  mit- 
gab, waren  mir  solche  von  der  deutschen  Botschaft  in  Paris, 
der  deutschen  Gesandschaft  in  Mexiko,  vom  Direktorium  der 
„badischen  Soda-  und  Anilinfabrik**,  und  von  vielen  befreundeten 
Privatleuten  vom  grössten  Nutzen.  Ihnen  allen  sowie  den 
vielen  Deutschen  in  der  Fremde,  welche  mich  wohlwollend 
in  meinen  Absichten  unterstĂĽtzten,  sei  auch  an  dieser  Stelle 
herzlicher  Dank  gesagt.  Derselbe  gilt  auch  ehrerbietigst  der 
Akademie,  welche  durch  ihre  Bewilligung  meine  Reise  mög- 
lich machte. 


575 


Yerzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften 

Juli  bis  Dezember  1898. 


Die  vorebrlichen  Gesellscluifben  und  Institute,  mit  welchen  unsere  Akademie  in 
Tausch  verkehr  steht,  werden  gebeten,  nachstehendes  Yerseiehniss  zugleich  als  Empfkngs- 
beet&tigung  au  betrachten. 


Von  folgenden  Gesellschaften  nnd  Instituten: 

Societe  d*ÂŁmulatio7i  in  Ă„bbevĂĽle: 
M^moires.    Tome  2.     1897.    4<^. 
Memoires.    Tome  17.    partie  2.     1897.    8®. 
Balletin  trimestriel  1896  et  1897.    8^, 

Boyal  Society  of  SotUh-Ă„uatralia  in  Ă„deladde: 
Transactions.    Vol.  XXII,  part  1.     1898.    8^. 

Observatory  in  Adelaide: 
Meteorological  ObBervations  during  1895.     1898.    fol. 

SĂĽdslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 
Ljelopis  za  godinu.    1897.     1898.    8®. 
Rad.  Vol.  134.  135.     1898.    8«. 
Ant.  Radic,  Zbornik  za  narodni  zivot  Bd.  III,  1.     1898.    8^. 

Societi  des  Antlquaires  de  Plcardie  in  Amiens: 
Bulletin.     Ann^e  1897  No.  3.  4.     1898.     8°. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 

Verbandelingen.   Afd.  Natuarkande  I  Sectie.  Deel  VI,  No.  1  —5.  II  Sectio 

Deel  VI,  No.  1.  2.    1897/98     4«. 
Verhandelingen.   Afd.  Letterkande.  N.  Reekd.  Deel  II,  No.  1.  2.  1898.  4^^. 
Zittingsverslagen.   Afd.  Natuarkande.   Jaar  1897/98.    Deel  VI.    1898.    4<>. 
Verslagen  en  Mededeelingen.    Afd.  Letterkande.   IV.  Reeks.   Deel  I.  II. 

1897/98.    8®. 
Jaarboek  voor  1897.     1898.    4P. 
Prijsvers  Laus  Mitiae.     1898.    8^. 

K.  Zoologisch  Genootschap  in  Amsterdam: 
Festschrift  1838  —  1.  Mei  —  1898.     1898.    4». 

Peabody  Institute  in  Baltimore: 
31^^  annaal  Report,  June  1,  1898.    8^. 

Johns  Hopkins  ĂĽniversity  in  Baltimore: 
Circalars.     Vol.  XVII,    No.  136-138.     1898.    4«. 
American  Journal  of  Mathematics.    Vol.  XX,  No.  2.  3.     1898.    4^ 

1898.  Sitnuigsb.  d.  math.-phys.  a.  38 


576  Verzeichniss  der  eifigelaufenen  Druckschriften, 

The  American  Journal  of  Philoloflry.    Vol.  XVIII,  4;  XIX,  1.    1897/98.   8®. 
American  Chemical  Journal.     Vol.  20,  No.  2—7.     1898.    8<>. 
Studie«  in  historical  and  political  Science.   8er.  XVI,  No.  1—9.    1898.    8®. 
Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital.    Vol.  IX,  No.  87—89.    1898.    4<>. 
The  Johns  Hopkins  Hospital  Reporte.    Vol.  VII,   No.  1.  2.     1898.     4«. 

Natur forschemle  Gesellschaft  in  Basel: 
Verhandlungen.    Band  XII,  1.     1898.    8». 

Universitätsbibliothek  in  Basel: 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1897/98.     4<>  und  S^. 
Jahres  verzeichniss   der   Schweizerischen    CJniversitätsschriften   1897/98. 
1898.    8°. 

K.  natuurJcundige  Vereenigifig  in  Nederlandsch  Indie  zu  Balavia: 
Natuurkundig  Tijdschrift.     Deel  67.     1898.    8«. 
Boekwerken  ter  tafel  gebracht  gadurende  heet  jaar  1897.     1898.     8®. 

K.  Kanzleibibliothek  in  Bayreuth: 

Fortsetzung  des  Katalogs  vom  Jahre  186S,  die  1869  bis  1898  zugegangenen 
BĂĽcher  enthaltend.     1898.    8^ 

K.  Serbische  Akademie  in  Belgrad: 

Godischniak.    X.     1896.     1898.    S^, 

Aktenstücke  betreffend  den  Transport  der  Asche  des  Vuk.  Stef.  Karagiö 
aus  Wien  nach  Belgrad  1897  von  Andr.  Gavrilovic.     1898.    8®. 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 

G.  0.  Sars,  An  Account  on  the  Crustacea  of  Norway.  Vol.  II.  part  X[.  XII. 
1898.    40. 

University  of  California  in  Berkeley: 

Schriften  aus  dem  Jahre  1897. 

K.  preussische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 

Sitzungsberichte.     1898,  No.  XXIV-XXXIX;  1898.     4«. 
Inscriptiones  graecae  insularum  maris  Aegaei  Fase.  III.     1898.    fol. 

Deutsche  chemische  OesellschaĂź  in  Berlin: 
Berichte.    31.  Jahrg.,  No.  11—17.     1898.    &>. 

Deutsche  geologische  Gesellschaft  in  Berlin: 

Zeitschrift.    Band  60,  Heft  1.  2.     1898.    8^. 

Physikalische  Gesellschaft  in  Berlin: 

Die  Fortschritte  der  Physik  im  Jahre  1897  in  8  Abtheilangen.     Braun- 

Hchweig  1898.    S^. 
Verhandlungen.    Jahrg.  17,  No.  7—11.     1898.    8®. 

PhysiologiscJie  Gesellschaft  in  Berlin: 

Centralblatt  für  Physiologie.    Bd.  XI.     Register,    Bd.  XII,    No.  8—19. 

1898      8^ 
Verhandlungen.    Jahrg.  1897/98,  No.  11—17.     1898.    8«. 

Kaiserlich  deutsches  arcMologiscJies  Institut  in  Berlin: 
Jahrbuch.    Band  XllI,   Ueh  2.  S.     1898.    8«. 
Antike  Denkmäler.    Bd.  II,   Heft  8.    1898.    fol. 

Geodätisches  Institut  in  Berlin: 
Beiträge  zur  Theorie  des  Reversionspendels.    Potsdam  1898.    4^. 
Beiträge   zur   Berechnung   von    Lothabweichungssystemen.      Potsdam 
1898.    4« 


Verzei^ni$8  der  eingelaufenen  Druchaehriften.  577 

K,  preus8,  tneteorologisehea  Institut  in  Berlin: 
VerOffentlichuDgen.     1897.    Heft  2.    18d8.    4«. 
Bericht  über  die  Thätfgkeit  im  Jahre  1897.     1898.    80. 
Ergebnisse  der  magnetischen  Beobachtungen  in  Potsdam  1892  nnd  1893. 
1898.    40. 

Jahrbuch  ĂĽber  die  Fortschritte  der  Mathematik  in  Berlin: 

Jahrbuch.    Band  27,  Heft  1.  2.    1898.    &^. 

Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  preuss,  Staaten 

in  Berlin: 
Gartenflora.    Jahrg.  1898,  Heft  14—24.    S^. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 

Forschungen  zur  Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte.   Bd.  XI, 
2.  Hälfte.    Leipzig  1898.    8«. 

Verein  deutscher  Eisenbahnvenoaltungen  in  Berlin: 
Protokoll  der  in  MĂĽnchen  am  31.  August,  1.  und  2.  September  1898  ab- 
gehaltenen Vcreinsversammlung.    Berlin  1898.    fol. 

Naturwissenschaftliche  Wochenschrift  in  Berlin: 
Wochenschrift.    Band  XIII,  Heft  7—12.    1898.    fol. 

Zeitschrift  fĂĽr  Instrumentenkunde  in  Berlin: 
Zeitschrift.    18.  Jahrg.,  Heft  7-12.    1898.    4» 

Allgemeine  gesckichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz  in  Bern: 
Jahrbuch  fĂĽr  Schweizerische  Geschichte.    Band  XXIII.   ZĂĽrich  1898.    8<^. 

Historischer   Verein  in  Bern: 
Archiv.    Band  XV,  2.     1898.    8». 

R.  Accademia  delle  Scienze  delV  Istituio  Bologna: 
Memorie.    Ser.  V,  Tom.  6,  fasc.  1—4.    1896—97.    49, 

Universität  in  Bonn: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4^  und  8^. 

Verein  von  Ă„lterthumsfreunden  im  Rheinlande  in  Bonn: 
Bonner  JahrbĂĽcher.    Heft  103.     1898.    4^. 

Sociili  des  sciences  physiques  et  naturelles  in  Bordeaux: 
M^moires.    V.  Särie,  Tome  III,  cahier  1.    Paris  1898.   S^. 

SociHS  Linnienne  in  Bordeaux: 
Actes.     Vol.  61.  62.    1897.    S». 

Societi  de  giographie  commerciale  in  Bordeaux: 
Bulletin.     1898,  No.  13.  14;  17—22.    8». 

American  Academy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 
Proceedings.  Vol.  38,  No.  13—27;  Vol.  84,  No.  1.  1898.  8®. 
Memoirs.    Vol.  XII,  4.    Cambridge  1898.    4^. 

Boston  Society  of  natural  History  in  Boston: 
Proceedings.    Vol.  28,  No.  6—12.     1897/98.    8®. 
Memoirs.    Vol.  V,  No.  3.    1898.    4P. 

Meteorologische  StcUion  in  Bremen: 

Ergebnisse  der  meteorologischen  Beobachtungen  i.  J.  1897.    Jahrg.  VIII. 
1898.    40. 

Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Cuitur  in  Breslau: 
75.  Jahresbericht  fĂĽr  das  Jahr  1897  nebst  Ergftnsungsheft.    189a   8^. 

88* 


578  Vergeichniss  der  eingelaufenen  Druchsehriften, 

Verein  für  die  Geschichte  Mährens  und  Schlesiens  in  Brunn: 
Zeitschrift.    2.  Jahrg.,  Heft  3.  4.     1698.    8^. 

Ă„cadimie  Boy  die  de  nUdecine  in  BrĂĽssel: 
Bulletin.    4.  Serie,  Tome  XII,  6-9.     1898.    8^ 

Ă„cadimie  Boy  die  des  sdences  in  BrĂĽssel: 

Bulletin.    8.  S^rie,  Tome  35,  No.  6;  Tome  36,  No.  7—10.    1898.   09. 
Classe  des  lettres.    Concours  pour  les  annäes  1899—1901.     1898.     8^. 

Sociiti  des  Bollandistes  in  BrĂĽssel: 
Analecta  Bollandiana.    Tome  17,   fasc.  8.  4.    1898.    8^ 

Sociiti  Boy  die  malacologique  de  Belgiqxie  in  BrĂĽssel: 

Annales.    Tome  28—80,  31,  fasc.  1;   1893-96.    8^. 

Proces-verbaux.  Tome24,  p.LXXXV— CLII;  Tome25— 27.    1896—98.   S«. 

K,  ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest: 

Almanach.     1898.    8^ 

Njelvtudomänyi  Közlemänjek.    ( Sprach wiescnechaftliche  Mittheilungen.) 

Bd.  XXVII,  8.  4;  Bd.  XXVIII,  1.  2.     1697/98.    6«. 
Törtenettud.   Ertekezäsek.    (Historische  Abhandlungen.)   Bd.  XVII,  2 — 8. 

1697/98.    60. 
Monumenta  comitiorum  regni  Transjlvaniae.    Vol.  20.     1897.    8^. 
Archaeologiai    l^rtesitö.     (Archäologischer  Anzeiger.)    Vol.  XVII,   4.  5; 

XVIII,  1—3.     1697/96.     4^. 
Archaeologiai   Eözlem^nyek.     (Archäologische    Mittheilungen.)     Bd.  20. 

1697.    fol. 
Nyelvtudomän.     l^rtekez^sek.     (Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen.) 

Bd.  XVI,  10.     1697.    6**. 
Corpus  statutornm  Hungariae  Municipalium.    Vol.  IV,  2.     1897.     8o. 
Monumenta  Hungariae  historica.     Sectio  I.     Vol.  29.     1898.    8®. 
Hampel  J.,   A  r^gibb  KOz^pkor  eml^kei.    Magvarhonban.    (Denkm&ler 

des  frĂĽheren  Mittelalters.)     Vol.  II.     1697.  *60. 
Mathematikai  Ertesitö.    (Mathemat.  Anzeiger.)    Bd.  XV,  4.  6;  XVI,  1.  2. 

1897/98.    80. 
Mathematikai   Eözlemänyek.     (Mathemat.    Mittheilungen.)    Bd.  XXVII, 

1.  2.     1897/96     6». 
Mathematische  und  naturwissenschaftliche  Berichte  aus  Ungarn.  Bd.  XIV. 

1696.    80. 
Chyzer  C,  Araneae  Hungariae.    Vol.  II,  2.     1697.    4®. 
J.  Bayer,  A  Magyar  drdmairodalom  tört^nete  (Geschichte  des  Dramas  in 

Ungarn.)    Bd.  1.  2.     1897.    60. 
Csknki  DezsO,  Magyarorszdg  tört^nelmi  földrajza  a  Hungadyak  Koraban. 

Bd.  3.     (Geschichtl.  Geogr.  Ungarns  im  XV.  Jahrb.).     1897.     SP. 
Rapport  sur  les  travaux  de  TAcad.  en  1897.     1898.    60. 

K,  ungarische  geologische  Anstatt  in  BiUlapest: 

General-Register  der  Bände  I— X  der  Mittheilungen  aus  dem  Jahrbuche. 

1898.    40. 
Földtani  Közlöny.     Bd.  28.    Heft  5.  6.     1898.    4«. 
Jahresbericht  fĂĽr  1896.     1698.     4^. 

A  Magyar  Kir  Földtani  Intezet  Evkönyve.     Bd.  XII,  2.  8.     1898.     4^. 
A  Magyar  Kir  Földtani  Intäset  Kiady&nyai.    1898.    4^. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  579 

Statistisches  Bureau  der  Haupt-  und  Bcsidenzstadt  Budapest: 

Pnblikationen.     Vol.  XXV,  3;  XXVI-XXVIII.     1898.    i» 
Die  NatalitäU-  und  Mortalitätäverh&ltnisse  ungarischer  Städte  von  Jos. 
von  Körösy  und  G.  Thirring.     1897.    8^ 

K,  ungariscl^  naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  Budapest: 

Francs,  Craspedomonadinae.     1897.     8^. 

Röna,  Luft  druck  Verhältnisse  Ungarns.     1897.    8^. 

Szädeczky,  Qeologie  d.  Zempldni-szigethegys^g.     1897.    49. 

Koriander,  Erdtnagnetische  Messungen  in  Ungarn.     1896.    4^. 

Kohant,  Libellulidae  Hun^ariae.     1896.    49. 

Geologie  der  Csetraa-Gebirge.     1896.    4®. 

Museo  nacional  in  Buenos  Aires: 

Anales.    Tom.  XII.     1898.    80. 
Comunicaciones.     Tom.  I,  No.  1.     1898.    8®. 

Direcciön  general  de  estadistica  de  la  Provincia  in  Buenos  Aires: 

Memoria  demogräfica  ano  1895.    La  Plata.     1898.    40. 

Botanischer  Garten  in  Buitenzorg  (Java): 

Mededeelingen.     No.  XIX,  XXV-XXVIL    Batavia  1898.    49. 
Verslag  over  het  jaar  1897.     Batavia  1898.    4^. 

Conspectus  bepaticarum  Archipelagi  Indici  von  Victor  Sohiffner.   Batavia 
1898.    80. 

Society  of  natural  sciences  in  Buffdlo: 

Bulletin.    Vol.  V.  6;  VI,  1.     1897/98.    ^. 

Academia  Bomana  in  Bukarest: 

Analele.    Ser.  IL    Tome  18.    Sect.  sciintif. 

„       19.        s      istor. 

,       20.     Partea  administr.     1897/98.     4«. 
Artor  Gorovei,  Cimiliturile  Romänilor.     1898.     8®. 
Etymologicum  Magnum  Romaniae.    Tom.  IV.    Introducerea.    1898.    80. 

SociHi  Linneenne  de  Normandie  in  Caen: 

Bulletin.    5«  Sdr.,  Vol.  1,  fasc.  2—4.     1898.    8«. 

Meteorölogical  Department  of  the  Government  of  India  in  Calcutta: 

Monthly  Weather  Review  1898  February— July.     1898.    fol. 
Indian  Meteorölogical  Memoirs.     Vol.  X,  part  1.    Simla.    1898.   fol. 
Report  on  the  Administration  in  1897/98.     1898.    fol. 

Departement  of  Bevenue  and  Agriculture  of  the  Government  of  Indiu 

in  Calcutta: 

Memorandum  on  the  snowfall  of  1898.    Simla.    1898.   fol. 

Asiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 

Bibliotheca  Indica.    New  8er.,  No.  910—921.    1897/98.    80. 
Journal.    No.  870-374.     1898.    80. 
Proceedings.     1898,  No.  V— VIII.    8». 

Superintendent  of  Government  Printing  in  Calcutta: 

Report  on  the  natural  history  results  of  the  Pamir  Boandary  Gommission 
by  A.  \V.  Alcock.     1898.    fol. 

GedogiciĂĽ  Survey  of  India  in  Calcutta: 
General-Report  1897/98.    1898.    80. 


580  Verzeichnisa  der  eingelaufenen  DrucJcachriflen, 

Astronomicdl  Observatary  of  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass. : 

Astronomical  Observationg.    Vol.  23.     1898.    4®. 

Phüosophicäl  Society  in  Cambridge: 
Proceedinga.    Vol.  IX,  part  9.     1898.    8®. 
Transactions.     Vol.  XVII,  part.  1.     1898.    4«. 

Museum  of  comparativc  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.. 
Bulletin.     Vol.   82,   No.  6-8.     1898.    8«. 

Äccademia  Gioenia  di  scietize  naturäli  in  Catama: 

Atti.     Serie  IV,  Vol.  XI.     1897.    4». 

Bullettino  mensile.    Nuova  Ser.,  fasc.  53,  54.     1898.    8*. 

K.  sächsisches  meteorologisches  Institut  in  Chemnitz: 

Abhandlungen.     Heft  3.     Leipzig  1898.    4<^. 

Das  Klima  des  Königreichs  Sachaens.     Heft  V.     1898.    49. 

Field  Columbian  Museum  in  Chicago: 

Publications.    No.  23.  26—28.     1898.    8^. 

Zeitschrift  „The  Monist"  in  Chicago: 

The  Monist.    Vol.  9,  No.  1.     1898.    8<>. 

Zeitschrift  „The  Open  Court"  in  Chicago: 

The  Open  Court.    Vol.  XII,  No.  8-12.     1898.    4». 

Naturforschende  Gesellschaft  GraubĂĽndens  in  Chur: 

Jahresbericht.    Neue  Folge.     Bd.  41.     1897/98.     1898.    8^. 

P.  Lorenz,  Die  Fische  des  Kantons  Graubünden.    Zürich  1898.     8®. 

Franz- Josephs- Universität  in  Czernowitz: 

Verzeichniss  der  Vorlesungen.    Winter-Seraester  1898/99.     1898.     8<>. 
Uebersicht  der  akademischen  Behörden  1898/99.     1898.    8<^. 

Historischer  Verein  fĂĽr  das  Chrossherzogthum  Hessen  in  Darmstadt: 

K.  Adamy,  die  ehemalige  Gentralkirche  des  Stiftes  Set.  Peter  sn  Wimpfen. 
1898.    fol. 

Colorado  Scientific  Society  in  Denver,  Colorado: 

P.  H.  yan  Diest,  A  mineralogical  Mistake.     1898.    8^. 

Gelehrte  estnische  Gesellschaft  in  Dorpat: 

Sitzungsberichte  1897.     1898.    89. 

Union  giographique  du  Nord  de  la  France  in  Douai: 

Bulletin.    Tom.  XIX,  2.  3.     1898.    8». 

K.  säcfisisctier  Alterthumsverein  in  Dresden: 

Die  Sammlung  des  Alterthumsvereins.     Lief.  I,  Bl.  1—10.     1898.     49, 
Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte.*    Bd.  19.     1898.    89, 

Verein  fĂĽr  Erdkunde  in  Dresden: 
XXVI.  Jahresbericht.     1898.    8». 

lioyal  Irish  Ă„cademy  in  Dublin: 
Proceedings.    Ser.  III.    Vol.  V,  No.  1.     1898.    8». 

American  Chemical  Society  in  Fasion,  Pa.: 
The  Journal.    Vol.  XX,  No.  8-11.     1898.    89. 

Royal  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Vol.  XX,  No.  2,  p.  187-248.    1898.   8*. 


Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften,  581 

Verein  fĂĽr  Geschichte  der  Grafschaft  Mansfeld  in  Eisleben: 

Mansfelder  Blätter.    12.  Jahrg.  nebst  Beilage  zum  11.  Jahrg.    1898.   S^. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Emden: 

82.  Jahresbericht  für  1896/97.     1898.    8». 

K,  Universitätsbibliothek  in  Erlangen: 

Schriften  aus  den  Jahren  1897/98  in  4P  und  8^^. 

Bedle  Ă„ccademia  dei  Georgofili  in  Florenz: 

Atti.    IV.  Ser.     Vol.  20,   disp.  3.  4. 

,21       ,1.  2.     1897/98.    8«. 

Societä  Asiatica  Italiana  in  Morenz: 
Üiornale.     Vol.  XI.  1897/98.     1898.    8». 

Senckenbergische  nalur forschende  Gesellschaft  in  t\ankfurt  a\M.: 
Abhandlungen.    Band  XXI,  2;  XXIV,  3.     1898.    4». 
Bericht.     1898.    S». 

Verein  fĂĽr  Geschichte  und  Ă„lterthumskunde  in  Frankfurt  a/M,: 
Mittheilungen  Ober  römische  Funde  in  Heddernheim  II.     1898.    4^. 

Physikalischer  Verein  in  Frankfurt  a\M.: 
Jahresbericht  fQr  die  Jahre  1896/97.     1898.    6^. 

Verein  fĂĽr  Naturkunde  in  Fulda: 
VIIL  Bericht  1884—1898.    1898.    8». 

Universität  Genf: 
Schriften  aus  d.  J.  1897/98  in  S^. 

Universität  in  Giessen: 
Schriften  aus  d.  J.  1897/98  in  4<»  und  8» 

Natur  forschende  Gesellschaft  in  Görlitz: 
Abhandlungen.     Bd.  XXII.     1898.    8». 

Oberlausitiische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Görlitz: 
Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris  II.    Heft  8.    1898.    8^. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 
Göttingische  gelehrte  Anzeigen.     1898.    No.  VIII— X.    Berlin.    8^. 
Nachrichten,     a)  Philol.-hist.  Classe.     1898,  Heft  2.  3.    4«. 

b)  Mathem.  -  phys.  Classe.     1898,    Heft  2.  8.    4<>. 
Abhandlungen,    a)  Philo8.*hist.  Classe.    N.  F.   Bd.  II,  7. 

b)  Mathem.-physikal.  Classe.    N.  F.   Bd.  I,  8.    1898.   4P 

K,  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Gothenburg: 
Göteborgs  kgl.  Vetenskaps  —  och  Vitterhets  —  Samh&lles  Handlingar 
Följd  IV,  Heft  1.    1898.  -8^. 

The  Journal  of  Comparative  Neurology  in  Granville  (USt.A.J: 
The  Journal.    Vol.  VIII,  No.  1—8.    1898.    8». 

Gesellschaft  fĂĽr  Pommersche  Geschichte  in  Greifswald: 
Nachträge  zur  Geschichte  der  Greifswalder  Kirchen  von  Th.  Pyl.   Heft  2. 
1897.    80. 

K,  Instituut  voor  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkutide  van  Ncderlandsch-Indie 

im  Haag: 

Catalogus  der  Land  en  Zeekaarten.    1898.    8^. 
B^jdragen.    VI.  Reeks,    Deel  5,  aOev.  8.  4.    1898.    8^. 


582  Vereeichniss  der  eifigelaufenen  Druckschriften, 

Teyler's  Genaotschap  in  Haarlem: 
Archives  du  Mu^ee  Teyler.    S^r.  IL   Vol.  V,  partie  4.    Vol.  VI,  partie  1.  2. 

1898.    4«. 
Verhandlingen    van   Teylers   godgeleerd    Genootschap    N.  S.  Deel  XVI. 

1898.    8«. 

Societe  Hollandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 
Archives  KäerlaDdaises  des  sciences  exactes  et  naturelles.    S^r.  II.  Tom.  2, 
livr.  1.    La  Haye  1898.    8«. 

Kaiserl,  Leopoldinisch-Caralinische  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher 

in  Hatte: 
Leopoldina.    Heft  34,  No.  7—11.     1898.     49. 
Nova  acta.    Tom.  55-69.    1891-98.    4«. 
Katalog  der  Bibliothek.    Lief.  3-8.    1891—97.    8». 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 

Zeitschrift.    Band  52,  Heft  2.  3.     Leipzig  1898.     8<>. 
Abhandlungen  fĂĽr  die  Kunde  des  Morgenlandes.   Bd.  XI,  No.  1.    Leipzig 
1898.    80. 

Universität  in  Hatte: 
Verzeichniss  der  Vorlesungen.    Winter-Semester  1898/99.    1898.     8^. 
Schriften  aus  d.  J.  1897/98  in  4^  und  8<>. 

Naturwissev schaftlicher  Verein  fĂĽr  Sachsen  und  ThĂĽringen  in  Halle: 
Zeitschrift  für  Naturwissenschaften.   Bd.  71,  Heft  1—3.    Leipzig  1898.    89. 

ThĂĽring. -Sachs.  Geschichts-  mid  Alt erthums -Verein  in  Halle: 
Jahresbericht  fQr  1897/98.     1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  Hamburgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Zeitschrift.    Bd.  X,  2.     1898.    8«. 

Stadtbibliothek  in  Hamburg: 

Schriften    der    Hambnrgischen    wissenschaftlichen   Anstalten   von    1895 
und  1896. 

Historischer  Verein  fĂĽr  Niedersachsen  in  Hannover: 
Atlas  vorgeschichtlicher  Befestigungen  in  Niedeisachsen  von  Carl  Schuch- 

hardt.     Heft  V.  VI.     1896—98.    fol. 
Zeitschrift.    Jahrgang  1898.    8^. 

Universität  Heidelberg: 
Ferd.  Ad.  Kehrer.    üeber  die  Vorgänge  bei  der  Wundheilung.    1898.   49. 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4<>  und  8^^. 

Fijiländische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Helsingfors: 
Acta  societatis  scientiarum  Fennicae.    Tom.  22.  28.     1897.    4^ 
Ofversigt  XXXIX.     1896/97.     1897.    8«. 

Commission  giologique  de  la  Fitdande  in  Helsingfors: 

Finlands  geologiska  UndersOkning.    Kartbladet  32  und  33  (mit  erläutern- 
dem Text).     1898.    6«. 

Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica  in  Helsingfors: 
Acta.     Vol.  13.  14.     1897.    8^ 
Meddelanden.     Heft  23.     1898.    8<^. 

Universität  Helsingfors: 
Schriften  aus  d.  J.  1897/98  in  4*  und  8^ 


Vergeichnias  der  eingelaufenen  Druckschriften.  583 

Verein  fĂĽr  giebenhĂĽrgische  Landeskunde  in  Hermanmstadt: 
Archiv.    N.  F.    Band  XXVIII,  Heft  2.     1898.    8«. 
Jahresbericht  fĂĽr  das  Jahr  1897/98.     1898.    8<>. 

Verein  fĂĽr  Meiningische  Geschichte  und  Landeskunde  in  Hildburghausen: 
Schriften.    30.  u.  31.  Heft.     1898.    8». 

Ferdina^ideum  in  Innsbruck: 
Zeitschrift.    3.  Folge.     Heft  42.     1898.     8°. 

Journal  of  PhysiccU  Chemistry  in  Ithaca,  N.Y,: 
The  Journal.    Vol.  II,  No.  7.  8.    1898.    4«. 

Medicinisch-naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  Jena: 
Denkschriften.    Bd.  VI,  Lfg.  1;     Bd.  VII,    Lfg.  1.    Text  and  Tafeln. 

.     VIII,     .      4.        . 
1897/98.    fol. 

Verein  fĂĽr  ThĂĽringische  Geschichte  und  Ă„lterihumskunde  in  Jena: 
Zeitschrift.    N.  F.  Bd.  X,  Heft  8  u.  4;  Bd.  XI,  Heft  1.    1897/98.    ^. 
RegesU  diplomatica  bistoriae  Thuringiae.    Bd.  II,  Theil  1  (1162—1210). 
1898.    40. 

Historischer  Verein  in  Ifigolstadt: 
Siimmelblatt.     XXII.  Heft.     1897.    S^. 

Universität  Jurjew  (Dorpat): 
Schriften  der  Universität  ans  dem  Jahre  1897/98  in  8^. 
Acta.    Bd.  VI,  No.  1  u.  2.     1898.    S®. 

Grossherzoglich  technische  Hochschule  in  KarlsriĂĽie: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  8^. 

Universität  Kasan: 
Utschenia  Sapiski.    Bd.  65,  No.  5—11.    1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  hessische  Geschichte  und  Landeskunde  in  Kassel: 
Zeitschrift.    N.  F.   Band  83  und  neue  Folge  Suppl.-Hcft  12.    1898.    8^. 
Mittheilungen.    Jahrgang  1897.     1898.    8^ 

Verein  fĂĽr  Naturkunde  in  Kassel: 
Abhandlungen  und  Bericht  XLIU.     1898.    S^. 

UniversitS  Imperiale  in  Kharkow: 
P.  J.  Kul,  Die  Provinzialversammlungen  bei  den  Römern.     1898.    8. 
Annales  1898.    Vol.  4.    8». 
M.  Tikhomandritzkj,  Cours  de  la  theorie  des  probabilit^^'s.     1898.    8^. 

Gesellschaft  fĂĽr  SclĂĽeswig-Holstein-Lauenburgiscl^e   Geschichte  in  Kiel: 
Zeitschrift.    Bd.  27.     1898.    8. 

Kommission  zur  wissenschaftlichen  Untersuchung  der  deutschen  Meere 

in  Kiel: 
Wissenschaftliche    Meeresuntersnchungen.     N.  F.    Bd.  III,    Abtheilung 
Kiel.     1898.    49. 

K.  Universität  w  Kiel: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4^  u.  8^. 

Universität  in  Kiew: 
Iswest^'a.    Band  88,  No.  6--10.    1898.    8^. 


584  Ver2eichni88  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Geschichtsverein  für  Kärnten  in  Klagen  fürt: 
Jahresbericht  fĂĽr  1897.     1898.    8<>. 
Carinthia  I.    88.  Jahrgang.    No.  1—6.     1898.    8^. 

Naturhistorisches  Lamlesmuseum  in  Klagenfurt: 
Festschrifl  zum  60jährigen  Bestehen.     1898.    i^, 

Universität  in  Kömgsherg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4P  und  ^. 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

0  versigt.     1898.    No.  4.  6.    8«. 

Memoires.    a)  Classe  des  lettres,   6<>  särie,  tom.  IV,  No.  5; 

b)  Classe  des  sciencea ,  5«  s^rie,  tom.  IV,  No.  3.     1898.     4^ 

Gesellschaft  fĂĽr  nordische  AlterthumsJcwide  in  Kopenhagen: 
Aarböger.    II.  Raekke,  Bd.  XIII,  2.  3.     1898.    Q^. 

Ă„k<idemie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 
Anzeiger.    1898,  Juni,  Juli,  Oktober,  November.    8^. 
Rozprawy.    filolog.   Ser.  II,   tom.  11.  12;   histor.-filoz.   Ser.  11,    tom.  10. 

1898.    80. 
Collectanea  ex  Archivio  collegii  iuridici.    Tom.  V.    1897.    8^^ 

Societe  mathcmatique  de  Kharkow: 
Communications.    2»  S^rie,  Vol.  VI,   No.  4.    1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  Naturkunde  in  Krefeld: 
III.  Jahresbericht  für  1896-98.     1898.    8«. 

Historischer  Verein  in  Landshut: 
Verhandlungen.    84.  Band.     1898.    8^. 

Societe  Vaudoise  des  sciences  naturelles  in  Lausanne: 
Bulletin.    IV.  Särie,  Vol.  34,  No.  128.  129.    1898.    B9. 

Kansas  University  in  Latcrencc,  Kansas: 
The  Kansas  University  Quarterly.     Vol.  VII,  No.  2,  Serie«  A.    Vol.  VII, 
No.  1-8.     1898.    8®. 

Maatsdiappij  van  Nederlandsche  Letterkunde  in  Leiden: 

Tijdschrift.    N.  Serie.    Deel  XVII,  afl.  3.  4.    1898.    8«. 
Handelingen  en  Mededeelingen,  Jaar  1897—98.     1898.    8^. 
Levensberichten  1897—98.    1898.    ^. 

Sternwarte  in  Leiden: 
Annalen.    Bd.  VII.    Haag  1897.    4P. 

Archiv  der  Mathematik  und  Physik  in  Leipzig: 
Archiv.    II.  Reihe.    Theil  XVI,  3.  4.     1898.    BP. 

K,  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 

Abhandlungen  der  philol.-hist.  Classe.    Bd.  XVIII,  No.  2.  3  und  Sach- 
register 1846-95.     1898.    4P. 
Abhandlungen  der  math.-phys.  Classe.    Bd.  XXIV,  No.  4.  5.     1898.     4^. 
Benchte  der  philol.-hist.  Classe.    Band  60,  Heft  3.  4.    1898.    SP. 
Berichte  der  mathem.-physik.  Classe.    Band  60,  Heft  3—6.     1898.     8^. 

Journal  fĂĽr  praktische  Chemie  in  Leipzig: 
Journal.    N.  F.    Bd.  57,  Heft  10—12;  Bd.  68,  Heft  1—10.    1898.     8®. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  585 

Geschichts-  und  Ă„lterthumsverein  in  Leisnig: 
Mittheilungen.    11.  Heft.     1898.    SP, 

SocieU  des  Sciences  in  LĂĽle: 
Mdmoires.    Ve  Sdrie,  fkec.  1-6.     1895/96.    8^. 

ĂĽniversity  of  Nebraska  in  Lincoln: 
Bulletin.     Vol.  X,  Article  1-6.     1897/98.    8». 

Museum  Francisco-Carolinum  in  Linz: 
55.  und  56.  Jahresbericht.     1897/98.    8^^. 

Sociedade  de  geographia  in  Lissabon: 
Ăźoletin.     16.  Serie,  No.  9.    1897.    8^. 

lAierary  and  philosoiihical  Society  in  Livcr^nntl: 
Proceedings.    No.  LH.     London  1898.    8^. 

Zeitschrift'  ^La  Cellule**  in  Ijoewcn: 
La  Cellule.    Tome  XV,  fasc.  1.  2.     1898.    4<>. 

InstUution  of  civĂĽ  Engineers  in  London : 
List  of  Members.     1.  July  1898.    8®. 

The  Knglish  Uistorical  Revieio  in  Ijondon: 
Historical  Review.    VoL  XHI,  No.  51.  52.    July,  Oct.     1898.    8<>. 

Royal  Society  in  London: 
IVocecdings.     Vol.  63.  No.  399—401.    Vol.  64,  No.  402-405.     1898.    ^. 
Philosophical  Transactions.    Series  A,  Vol.  189.  190;  SerieH  B,  Vol.  188. 

189.     1897/98.     4». 
List  of  Membere.    30^>>  Nov.  1897.    4^. 

R,  Astronomical  Society  in  London: 

Monthly   Notices.     Vol.  58,  No.  8.  9  und  Appendix  Vol.  59,   No.  1. 
1898.    8«. 

Chemical  Society  in  London: 

.lournal.     No.  428.  429  and  Snpplementary  Number.     No.  430—438. 
Proccedings.    Session  1898/99.    No.  198—200.    8*. 

Linnean  Society  in  London: 

Proceedings.    Nov.  1896  —  June  1897.     1897.    8®. 
The  Journal,    a)  Botany.    Vol.  83,   No.  229—283. 

b)  Zoology.   Vol.  26,   No.  168—171.    1897/98.    8^. 
The  Transactions.    a)  2.  Series.    Botany.   Vol.  V,  7.  8. 

b)  2.  Series.    Zoology.    Vol.  VH,  4.    1897/98.    4*. 
List  1807/98.     1897.    8» 

Medical  and  chirurgical  Society  in  Londcn: 
Medicochirurgical  Transactions.     Vol.  81.     1898.    8^. 

R,  Microscopical  Society  in  London: 
Journal.     1898.    Part.  4—6.    8». 

ZocHogical  Society  in  London: 
Proceedings.     1898.    Part  H.  JH.    8». 

Transactions.    Vol.  XIV,  part  7.  8.    Vol.  XV,  part  1.     1898.     4». 
A  List  of  the  Fellows.     1898.    8^. 

Zeitschrift  „NcUure^  in  London: 
Nature.    No.  1496-1522.    1898.    4P. 


586  Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Ă„c(idemy  of  Science  in  St,  Louis: 
Transactions.     Vol.  VII,  No.  17—20;  Vol.  VIII,  No.  1—7.     1897/98.     8^. 

Reale  Ă„ccademia  di  scienze  in  Lucca: 
Atti.     Vol.  29.     1898.     8». 

Historischer  Verein  der  fĂĽnf  Orte  in  Luzern: 
Der  Geschichtsfreund.     Bd.  53.    Stans.     1898.    8^. 

Sociite  Linneenne  in  Lyon: 

Annales.    N.  S.    Tome  44,  Annee  1897.     1898.    8^. 
Saini-Lager,  Grandeur  ei  decadence  da  Nard.    Paris  1897.    8^. 
Saint-Lager,  Notice  sur  Alexis  Jordan.    Paris  1898.    8^. 
Meyran  Octave,  Lea  noms  de  genre.     Paris  1898.    8^. 

UniversUc  in  Lyon: 
Annales  läse.  36.  36.    Paris  1898.    8^^. 

Wisconsin  Ă„cademy  of  Sciences  in  Madison: 
Transactions.     Vol.  XI.     1898.    8®. 

Government  Museum  in  Madras: 
Bulletin.     Vol.  2,    No.  2.     1898.    8«. 

Government  Astrotumier  in  Madras: 
H^port  on  the  Madras  Observatory  for  1897/98.     1898.    e^. 

E.  Ă„cademia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.    Tomo  88,  cuad.  1—8.  5.  6.    1898.    8^ 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Magdeburg: 
Jahresbericht  und  Abhandlungen  1896—98.     1898.    S^. 

R.  Istituto  Lombardo  di  scienze  in  Maäand: 
Rendiconti.    Ser.  II,  Vol.  30.    1897.    8«. 
Memorie.    a)  Classe  di  lettere.    Vol.  XX,  6. 

b)  Classe  di  science  matematiche.  Vol.  XVIII,  4. 6.   1897/98.  49, 

Societä  Italiana  di  scienze  naturali  in  Mailand: 

Memorie.     Vol.  VI,  fasc.  2.     1898.    4«. 
Atti.     Vol.  37,  fasc.  3.    1898.     8». 

Societä  Storica  Lombarda  in  Mailand: 
Arrhivio  Storico  Lombardo.    Ser.  III.    Anno  26,  fasc.  19.     1898.     8^. 

Literary  and  phihsophicdl  Society  in  Manchester: 
Memoir»  and  Proceedings.    Vol.  42,  part  3.  6.     1898.    8*. 

Universität  in  Marburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4<>  u.  8<^. 

Facidte  des  sciences  in  Marseille: 
Annales  de  Tlnstitut  botanico-g^logique  colonial.    Vol.  3.  4.    1897/98.   8^. 

Verein  fĂĽr  Geschichte  der  Stadt  Meissen  in  Meissen: 
Mittheilungen.     Bd.  V,  1.     1898.    8». 

Royid  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Proceedings.     Vol.  X,  part  2.    1898.    8®. 

Scientific  Association  in  Meriden,  Conn,: 
Transactions.    Vol.  VIII.    1898.    8«. 

Bivista  di  Storia  Ă„fUica  in  Messina: 
Rivista.    Anno  8,  fasc.  2—4.     1898.    8^. 


Vefteichniss  der  eingelaufenen  Dmekschriften,  587 

OeaeUeekaft  fiir  lothringische  Oeschichte  in  Metz: 
Jahrbuch.     9.  Jahrgang.     1897.    4^ 

Observatorio  meteorolögico-magnHico  central  in  Mtcico: 
Boletin  meiutial.     1898  Marzo— Agosto.    4^. 

Secretaria  de  formento  etc.  in  Mexico: 
Boletin  del  Instituto  geolögico  de  Mexico.    No.  10.     1698.    4^. 

Sociedad  cientifica  „Antonio  Ähate**  in  Mexico: 
Memorias.    Tomo  XI,  No.  6~12.    1898.    S^, 

Societä  dei  naturdlisti  in  Modena: 
Atti.    Ser.  III,  Vol.  XV,  fasc.  1.  2;  Vol.  XVI,  fasc.  1.  2.     1898.    8^ 

Internationales  Tausch-Bureau  der  Republik  Uruguay  in  Montevideo: 
Anuario  hidrografico  del  Rio  de  la  Plata.     1891.    8^. 

Museo  nacional  in  Montevideo: 

Anales.    Tom.  3,  fasc.  9.  10.     1898.    4^. 

Numismatic  and  Ă„ntiquarian  Society  in  Montreal: 

The  Canadian  Antiquarian  and  Numismatic  Journal.     Series  III.    Vol.  I, 
No.  3.     1898.    8®. 

Oeffentliches  Rumiantioff'sches  Museum  in  Moskau: 
Ottschet  1897.     1898.    8». 

SocUti  Imperiale  des  Naturalistes  in  Moskau: 
Bulletin.    Annäe  1898,  No.  1.    1898.    8^. 

Mathematische  Gesellschaft  in  Moskau  Universität  Moskau: 
Sbomik.    Bd.  XX.  2.     1898.    8«. 
ĂĽtscheniaSapiski.     Bd.  XIII.  XIV.     1896-98.    8^. 

Statistisches  Amt  der  Stadt  MĂĽnchen: 
MĂĽnchener  JahresĂĽbersichten  fĂĽr  1897.     1898.    4^. 
Gewerbezählung  v.  14.  Juni  1896.     1898.    4^. 

Deutsche  Gesellschaft  fĂĽr  Afithropologie  in  Berlin  und  MĂĽnchen: 
Correspondenzblatt.    29.  Jahrg.,  No.  7—10.    München.     1898.    4<>. 
Beiträge  zur  Anthropologie  Braunschweigs.    Festschrift.    Braunschweig. 
1898.    8®. 

General  dir  ektioyi  der  k,  h,  Posten  und  Telegraphen  in  MĂĽnchen: 

Verzeicbniss  der  in  und  ausserhalb  Bayern  erscheinenden  Zeitungen  pro 
1899  und  Nachträge  za  1898.    fol. 

K.  hayer.  technisciie  HochscĂĽiule  in  MĂĽnchen: 

Bericht  über  das  Studienjahr  1897/98.     1898.    4». 
Programm  fĂĽr  1898/99.     1898.    8^. 

Metropolitan' Kapitel  MĂĽnchen-Freising  in  MĂĽnchen: 

Amtsblatt  der  Erzdiözese  München  und  Freising.    1898,  No.  19—31.   8^. 

Universität  in  Müpidien: 

Amtliches  Verzeicbniss  des  Personals.  Winter-Semester  1898/99.    1898.  8*. 
Verzeicbniss  der  Vorlesungen  im  Winter-Semester  1898/99.     1898.    4®. 
Rede  beim  Antritt  des  Rektort.    Nov.  1898.    4^. 

Historischer  Verein  in  MĂĽnchen: 

Monatsschrift.     1898,  No.  11.  12.    8<>. 
Monatsschrift.     1898,  No.  5—8.    8®. 


588  Vergeicknisa  der  eingelaufenen  Druehsehriften, 

Verlag  der  Hochschui'Nachrichten  in  MĂĽnchen: 
Hochschul  Nachrichten.     1898,  No.  94—97.    4» 

K,  hayer.  meteorologische  Zentralstation  in  MĂĽnchen: 
Uebersicht  über  die  Witterungsverhältnisse.   1898,  Juni— Oktober,     fol. 

Westphäl.  Provineial-  Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst  in  Münster: 
26.  Jahresbericht  filr  1897/98.     1898.    8». 

Ă„cadSmie  de  Stanislas  in  Nancy: 
Memoires.     5«  Serie.    Tome  16.    1897.     1898.    ^. 

Societe  des  sciences  in  Nancy: 
Bulletin.    Sörie  IL    Tome  XV,  fasc.  82.    Paris  1897.    8<>. 

Accademia  delle  scienze  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Rendiconto.    Serie  3.  Vol.  4,  fasc.  6— 11.    1898.   8«. 

Zoologische  Station  in  Neapel: 
Mitiheilungen.    Band  XIII,  8.     Berlin  1898.    8^. 

Historischer  Verein  in  Neuburg  ajD,: 
Ncuburger  KoUektaneen- Blatt.    61.  Jahrg.     1897.    8^. 

Academie  in  Neuchatel: 
Programme  des  cours  sem.  d'hiver  1898/99.     1898.    8®. 
North  of  England  Institute  of  ICngineers  in  New-Castle  (upon-Tyne) : 
Transactione.    Vol.  47,  part  4—7 ;  Vol.  48,  part.  1.     1898.    8<>. 
Annual  Report  for  the  year  1897/98.     1898.    6®. 

The  American  Journal  of  Science  in  New-Haven : 
Journal.     Vol.  6,   No.  32—36.     1898.    &>, 

Observatory  of  tlie  Yale  University  in  Netc-Haven: 
Report  for  the  year  1897/98.    1898.    8«. 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Journal.     Vol.  XIX,  2.     1898.    S^. 

Academy  of  Sciences  in  New- York: 
Transactions.     Vol.  16.     1898.     8®. 

Annale.    Vol.  IX  (Index).   Vol.  X,  No.  1—12;  Vol.  XI,  part.  2.    1898.   8®. 
American  Museum  of  Natural  History  in  New-York: 

Bulletin.     Vol.  IX,  part.  1.     1898.    8«. 
Annual  Report  for  tbe  year  1897.     1898.    8^. 

American  Geographical  Society  in  New-York: 
Bulletin.    Vol.  80,  No.  4.     1898.    8«. 

State  MiAseum  in  New-York: 
Bulletin.     Vol.  30,  No.  3.  4.    1898.    &>. 

Nederlandsclie  botanische  Vereeniging  in  Nijmegen: 
Prodromufl  Florae  Batavae.   Vol.  II,  pars  2.     1898.    8^. 
Nederlandsch  kruidkundig  Archief.    III«  Serie.    Deel  I,  stuk  3.    1898.    8^. 

Archaeological  Institute  of  America  in  Norwood,  Mass  : 
American  Journal  of  Archaeology.    Vol.  1,  No.  6.     1897.    8^. 

Naturhistorische  Gesellschaft  in  NĂĽrnberg: 
Abhandlungen.     Bd.  XI.    1898.    8^. 

Geological  Suroey  of  Canada  in  Ottawa: 
Annaal  Report    New  Series.   Vol.  IX.    1896.    1898.    8^. 


Vergeiehniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  589 

Eoyal  Society  of  Canada  in  Ottawa: 
Proceedings  and  Transactions.    II.  Series.     Vol.  3.    1898.    8^ 

Societä  Veneto-Trentina  di  scienze  naturali  in  Padiia: 

BuUettino.    Tom.  VI,  3.    1898.    8». 

Circolo  matematico  in  PiĂĽermo: 

Annnario.     1898.    8°. 

Rendiconti.    Tomo  XII,  5.  6.     1898.    8". 

CoUegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 
Atti.     Anno  1898,  Maggio— Agosto.    4*. 

Ă„cadimie  de  midecine  in  Paris: 

Rapports  annnels  de  la  Commission  permanente  de  Thygibnc  de  Tenfance 

pour  rannte  1897.     No.  37  et  88.     1897.    8^. 
Rapport  sur  les  yaccinations  pendant  Tannäe  1896.    Melun  1897.    8". 
Bulletin.     1898,  No.  28-51.    80. 

Ă„C(uUmie  des  sciencee  in  Paris: 

Souvenirs  de  Marine.    Par  le  Vice-Amiral  Pfiris.   5  vols.   fol.    1882—92. 
Comptea  rendus.    Tome  127,  No.  2—26.     1898.    4^ 
Oeuvres  de  Laplace.    1896—98.    4^. 

J^cole  polytechnique  in  Paris: 
Jonrnal.    II.  Särie.    3«  cahier.     1897.    4P. 

Moniteur  Scientifique  in  Paris: 

Moniteur.    Livr.  680—684  (Aoüt-D^cembre  1898).    4<). 

Musee  Guimet  in  Paris: 

Annales.    Bibliothuqae  d'ätudes.    Tome  6.  7.     1897/98.    &^. 
Revue  de  Tbistoire   des  rdligions.     Tome  36,  No.  3;    Tome  37,   No.  1. 
1897/98.    8» 

Musium  d^histoire  naturelle  in  Paris: 

Bulletin.    Ann^  1898.    No.  1-5.    8^. 

Nouvelles  Archives.    III.  Särie.    Tome  9,  fasc.  2.     1897.    i^. 

Societe  d^anthropoHogie  in  Paris: 

Bulletins.   IV.  Särie.    Tome  VIII,  fasc.  6. 6;  Tome  IX,  fasc.  1.  1897/98.   8». 

Sociiti  de  giographie  in  Paris: 

Comptes  rendus.     1898.    No.  6—8.    8®. 

Bulletin.    VII.  Serie.    Tome  XIX,  trim.  2.     1898.    8®. 

Sociiti  matlUmatique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.    Tome  26,  No.  4—9.    1898.    8«. 

Societe  d^eficouragetnent  pour  Vindustrie  nationale  in  Paris: 

Bulletin.    6.  S^rie.    Tome  8,  No.  8.    1898.    4«. 

Societe  zoologique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.    Tome  22.     1897.    8«. 
Mcmoires.    Tome  X.     1897.    8<>. 

Ă„cademie  Imperiale  des  sciences  in  St.  Petersburg: 

G.  A.  Esow,  Beziehungen  Peters  des  Grossen  zu  dem  armenischen  Volke. 

1898.    40. 
Byzantina  Chronika.    Tom.  IV,  8  u.  4;   Tom.  V,  1  u.  2.     1897.    4^ 


590  ^m   '    Verseiehnisa  der  eingelaufenen  DrucJcechriften. 

Mämoires.    a)  Claate  historico-philologique,  Vol.  I,  No.  7;   II,  No.  1.  2; 

III,  No.  1. 
b)  Glosse  phjsico-maih^matiqne.   Vol.  5,  No.  6—13;  Vol.  6, 
No.  1-8.  10.     1897—98.    4P. 
Memoires.    VII«  Serie.    Tom.  42.  No.  13.    1896.    4P, 
Bulletin.    V«  S^rie.    Tome  7,  No.  8—6;  Tom.  8,  No.  1—4. 
Annuaire  du  Musäe  zoologique.    No.  1.     1898.    8^. 

Comite  geologique  in  St.  Petersburg: 

Bulletins.    Vol.  XVI  Suppldinent  et  Vol.  XVII,  No.  1—5.     1897/98.    8». 
M^moiree.    Vol.  XVI,  No.  1.     1898.    4». 

Botanischer  Garten  in  St,  Petersburg: 
Acta  horti  Petropolitani.     Tom.  XIV,  2.     1898.    8^ 

Kaiser!,  mineralogische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 
Verhandlungen.    II.  Serie.    Bd.  86,  Lfg.  2.     1898.    8^^. 

Phyfdkalisch-cliemische  Gesellschaft  an  der  haiserl,  Universität 

in  St,  Petersburg: 
Schurnal.    Tom.  XXX,  Heft  4—7.    1898.    SP, 

Section  gSologique  du  cabinet  de  Sa  Majeste  in  St,  Petersburg: 

Travaux.    Vol.  II,  Livr.  3;  Vol.  III,  Uvr,  1.     1898.    8». 

Kaiserliche  Universität  in  St,  Petersburg: 

Obosrenije  1898/99.     1898.    80. 
Schriften  aus  d.  J.  1897/98  in  8». 

Acadetny  of  naturcU  Sciences  in  Philadelphia: 
Proceedings.     1898,  part  I.  II.    S^, 

llistoncal  Society  of  Pennsylvania  in  Philadelphia: 
The   Pennsylvania   Magazine    of   History.      Vol.  21,    No.  4;     Vol.  22, 
No.  1—3.     1898.    8». 

Alumni  Association  of  the  College  of  Pharmacy  in  Philadelphia : 
Alumni  Report     Vol.  34,  No.  7.  11.     1898.    BP, 

American  Philosophical  Society  in  Philadelphia: 
Proceedings.    Vol.  37,  No.  167.    1898.    8». 
Tran.<»action8.    New  Series.    Vol.  XIX,  part  2.  3.     1898.    4^. 

Societä  Toscana  di  scienze  naturali  in  Pisa: 
Atti.    Processi  verbali.     Vol.  XII,   p.  11-56.     1898.    4^ 

Historische  Gesellschaft  in  Posen: 
Zeitschrift.    Jahrg.  13.    Heft  1.  2.    BP. 

K.  geodätisches  Institut  in  Potsdam: 
Jahresbericht  1897/98.     1898.    8^. 

Böhmisclie  Kaiser  Franz-Joseph- Alcademie  in  Prag: 
Rozprawy.    Tfida  I,  Rocnik  VI;    Tfida  II,  Roinfk  VI,  1.  2;    THda  UI. 

RoCnik  VI.     1897.    8». 
Historickv  Archiv.     Öislo  10—12.    1897/98.    8«. 
V(«8tnik.  '  Roonik  VI,  No.  1—9.     1897.    8». 
Bulletin  international  IV.    a)  Sciences  mathtSmatiquos  No.  1.  2. 

b)  Mädicine.     1897.    80. 
Almanach.    Rocnik  VIII.     1898.    8^. 
Spisy  Jana  Amosa  Komeusk^ho.     Cislo  I— III.    1897.    8®. 
Archiv  pro  lexikografii.    Ginlo  II.    1897.    8^ 


Verzeieknisa  der  eingelaufenen  Druckschriften,  591 

Sbfrka  promen&v,  kn  poziiä.Df  literdnfho  iivota.     Skapina  I.    Rada  1. 

1897.    BP. 
Gustav  Gross,  Zakladovä  theoretick^  astronomie.    1897.    8^, 
Äikmund  Winter,  Deje  vysokych  äkol  praSakych.     1897.    80. 
Adolf  Petr  Zaturecky,  Slovensk^  pHslovf,  poi^ekadla  a  lislovf.    1897.    8^. 
V.  FlajShans,  Knihy  Öesk^.     1897.    8». 
Emil  Ott,  Soustavny  üvod  ve  stadiam  noväho  Hseni  soadniho.    Dil  I. 

1897.    8«. 

Mathematisch-physikcUische  Creaelhchaft  in  Prag: 
Casopis.    Vol  28,  No.  1.    1898.    S« 

Lese-  und  Redehalle  der  deutschen  Studenten  in  Prag: 
Da9  GrĂĽndungsjahr  der  Lese-  und  Redehalle  der  deatschen    Stadenten 
in  Prag.     1898.    4». 

Deutsche  Carl -Ferdinands- Universität  in  Prag: 

PersonalHtand  1898/99.     1898.    8®. 

Ordnung  der  Vorlesungen.    Winter-Semester  1898/99.    1898.    S^. 

Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  in  Prag: 
Mittheilungen.    36.  Jahrg.,  No.  1—4.     1897/98.    BP. 

Zeitschrift  „Krok"  in  Prag: 
.Krok*.     Bd.  XII,  No.  4.  6.    1898.    S» 

Verein  böhmischer  Mathematiker  in  Prag: 
Sbomik.    Cfslo  I.    1898.    8». 

NalurwissenscfiaftHcher  Verein  in  Regensburg: 
Berichte.    VI.  Heft,  1896-97.     1898.    8«. 

Naturforscher -Verein  in  Riga: 
Correspondenzblatt.    No.  XL  und  XLI.     1898.    8^. 

Museu  nacional  in  Rio  de  Janeiro: 
Reviste.    Vol.  l.    1896.    4». 

Observatorio  in  Rio  de  Janeiro: 
Annoario  1898.     1897.    8^. 

R.  Ă„ccademia  dei  Lincei  in  Rom: 

Atti.    Ser.  V.   Classe  di  sciense  fisiche.   Rendiconti.  Vol.  VII,  semestre  1, 

fasc.  12;  semestre  2,  fasc.  1—11.     1898.    4^ 
Atti.     Ser.  V.    Classe  di  scienzo   morali.     Vol.  V,  parte   1.     Memorie 

1898;  VoL  VI,  parte  2.     Notiiie  degli  scavi  1898.    Aprile,  Maggio, 

Giugno,  Luglio.     1898.    4P, 
llendiconti.     Classe  di  scienze  morali.     Serie  V.   Vol.  VII,  fasc.  6.  6. 

189a    8». 
Rendiconti  delP  adunanza  solenne  del  12.  Giugno  1897.     1898.    4^. 

R,  Comitato  geologico  d'Italia  in  Rom: 
Ăźollettino.     Anno  1898,  No.  1.  2.     1898.    BP. 

Ă„ccademia  Pontiftcia  de*  Nuovi  JAncei  in  Rom: 
Atti.    Anno  51,  Sessione  4—7.    1898.    4^ 

Kais,  deutsches  archäologisches  Institut  (röm.  Abth,)  in  Rom: 
MiUheilongen.    Band  XIII,  2.  8.     1898.    8^. 

1808.  Sitxungsb.  d.  math.-pliys.  OL  89 


592  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

R.  Ministero  deUa  Istruzione  pubblica  in  Rom: 

Le  opere  di  Galileo  Galilei.    Vol.  VIII.    Firenze  1898.    4^. 
Caialoghi  dei  Godioi  orientali  di  alcane  'biblioieche  d'Italia.     Faac.  VI. 
Firenze  1897.    8^. 

Societä  Itdliana  delle  scienze  in  Born: 

Memorie  di  matematica  e  di  fisica.    Serie  III.    Tomo  XI.     1898.     4^. 

R,  Societä  Romana  di  storia  patria  in  Rom: 
Archivio.    Vol.  XXI,  1.  2.    1898.    8®. 

Universität  Rostock: 
Schriften  aui  dem  Jahre  1897/98  in  4^  u.  09. 

Ă„cad^mie  des  sciences  in  Ronen: 
Präcis  analytique  des  tra?auz.   Ann^e  1896/97.    1898.    8®. 

R.  Accademia  di  scienze  degli  Ă„giati  in  Rovereto: 
Atti.    Serie  III.   Vol.  4,  fasc.  1.  2.    1898.    8^. 

The  American  Association  for  the  advancement  of  science  in  SaJem: 

Proceedings  for  the  46^^  meeting,  held  at  Detroit,  Mich.     1898.     8®. 
L^^  Anniversarj-Preliminarj  Announcement  of  the  Boston  Meeting  to  be 
held  Aug.  22d  to  27th.    Boston  1898.    8®. 

Gesellschaft  fĂĽr  Salzburger  Landeskunde  in  Salzburg: 
Mittheilangen.    88.  Vereinsjahr.    1898.    8<>. 

K,  K,  Staatsgymnasium  in  Salzburg: 
Programm  fĂĽr  das  Jahr  1897/98.     1898.    S9. 

Itistituto  y  Observatorio  de  marina  de  San  Fernando  (Cadiz): 
Anales.    Seccion  2^  afio  1896.     1897.    fol. 
Almanaque  naĂĽtico  para  el  aĂĽo  1900.    1898.    4^. 

Commissdo  geographica  e  geologica  in  Sao  Paulo: 
ßoletin.    No.  10—14.    1895—97.    S^. 

China  Brauch  of  the  JB.  Asiatic-Society  in  Shanghai: 
Journal.    N.  Serie.    Vol.  28.    1893/94.    1898.    B^. 

K.  K,  archäologisches  Museum  in  Spalato: 
Bullettino  di  Archeologia.    Anno  XXI,  No.  4—11.    1898.    S». 

Historischer  Verein  der  Pfalz  in  Speyer: 
Mittheiinngen.    XXII.    1898.    09. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 

öfversigt  (Bulletin).    Vol.  54  (1897).    1898.    8». 

Handlingar.   N.  F.    Band  80.     1897/98.    4». 

Bihang  (Gollection  de  memoires  in  89)  Vol.  23  (1897/98).    Section  1—4. 

1898.    8«. 
Astronomiska  Jakttagelser.    Bd.  VI,  No.  3.    1898.    4^. 

Geologiska  Förening  in  Stockholm: 
Förhandlingar.    Band  20,  Heft  5.  6.    1898.    8<>. 

Nordiska  Museet  in  Stockholm: 

Ringlekar  p&  Skansen.    1898.    8^. 

Bilder  fr&n  Skansen  door  Artor  Hazelius.    lieft  1—4.    1896— d8.     fol. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  593 

Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  in  Strasshurg: 
Monatsbericht    No.  6—8.     1898.    8^. 

Kais.  Universität  Strasshurg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4*^  a.  8^ 

WĂĽrttembergische  Kommissian  fĂĽr  Landesgeschichte  in  Stuttgart: 

Vierteljahreshefte  für  Landesgeschichte.     N.  F.    Jahrg.  YII,  Heft  1—4. 
1898.    80. 

Boyal  Society  of  New -South -Wales  in  Sydney: 
Abstract  of  Proceedings.    Angast— October.    1898.    8^. 
Jonmal  and  Proceedings.    Vol.  31.     1897.    8^. 

Department  of  Mines  atid  Ă„grictUture  of  New -South -Wales  in  Sydney: 

Annaal  Report  for  the  year  1897.    1898.    fol. 
Mineral  Resources,  No.  8.  4.    1898.    8®. 
Memoirs  Palaeontologj.    No.  VI.    1898.    fol. 

Ohservatorio  astronömico  nacional  in  Tacubaya: 

Boletfn.    Tomo  2,  No.  4.    Mexico  1898.    4P. 

Physikalisches  Observatorium  in  Tiflis: 
Beohachtnngen  im  Jahr  1896.    1898.    fol. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  in  Tokyo: 

Die  Sprichwörter  der  japanischen  Sprache  von  P.  Ehmann.   Th.  III,  IV. 

1898.    89. 
Neuerworbene  BĂĽcher.     1898.    B^. 

Kaiserliche  Universität  Tokyo  (Japan): 

MittheiluDgen  aas  der  medicinischen  Facnlt&t.   Bd.  IV,  No.  1.2.    1898.   4®. 

Canadian  Institute  in  Toronto: 

Proceedings.     Vol.  I,  parts  6.     1898.    8®. 

Transactions.    Supplement  to  No.  9.    Vol.  6,  part  1.     1898.    8®. 

University  in  Toronto: 
Stpdies.    a)  Psychological  Serics  No.  1. 

b)  Biological  Series  No.  1.     1898.    8». 
Studies.    Historj,  first  Series  Vol.  2.    1898.    4<>. 

FacĂĽlti  des  sciences  in  Toulouse: 

Annales.    Tome  12,  fasc.  8.  4.    Paris  1898.    4^. 

Biblioteca  e  Museo  comunale  in  Trient: 
Archivio  Trentino.    Anno  XVI,  1.     1898.    8^. 

Societä  adriatica  di  sdenze  naturdli  in  Triest: 
Bollettino.    Vol.  16—18.    1896—98.    8^. 

Universität  Tübingen: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1897/98  in  4^  a.  S^. 

Tufts  College  Library  in  Tufts  Coli.  Mass.: 
Studies.    No.  6.     1898.    4P. 

R,  Ă„ccademia  delle  sdenze  in  Turin: 

Atti.    Vol.  83,  disp.  14.  16.    1898.    B9. 

Osserraiioni  meteorologicbe  fatte  nell*  anno  1897.    1898.    8^. 


594  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

K,  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Upsala: 
Nüva  Acta.    Ser.  III.    Vol.  17,  fasc.  2.     1898.    4». 

Institut  Royal  MHeorologique  des  Pays-Bas  in  Utrecht: 
Nederlandsch  Meteorologisch  Jaarboek  voor  1896.     1898.     4^. 

Physiologisch  Laboratorium  der  Hoogeschool  in  Utrecht: 
Ondcrzoekingen.     Register  tu  den  Onderzoekingen  1848 — 1897.    1898.   8^. 

Ateneo  Veneto  in  Venedig: 

L'Ateneo  Veneto.    Anno  XX.   Vol.  I,  fasc.  2.  3;  Vol.  II,  fasc.   1  —  8. 

Anno  XXI.    Vol.  I,  faM.  1.  2.     1897/98.     S®. 

B.  Istituto  Veneto  di  seiende  in  Venedig: 

Atti.    Tomo  65,  disp.  3—10,  Tomo  56,  disp.  1—7.     1896—98.     8®. 
Memoria.     Vol.  26,  No.  1.  2.     1897.    4P, 
Concorsi  a  premio.     1898.    8®. 

Bedaction  der  Prace  matematyceno-fisycsne  in  Warschau: 
Prace  matemat.-fiz7czne.    Tom.  IX.    1898.    4^. 

American  Historicdl  Association  in  Washingtan: 
Annual  Report  1896.    Vol.  I.  II.     1897.    8^. 

Bureau  of  Kducation  in  Washington: 

Annaal  Report  of  the  Commissioner   of  Education  for  1895/96  Vol    11 
1896/97  Vol.  I.     1897/98.    8«.  '      ' 

U.  S.  Department  of  AgricuHure  in  Washington: 

Report.     1898.    8^. 

Balletin  of  the  Division  of  biological  Snrvey.     No.  0—11.     1898.     8^ 

Bulletin.    Division  of  Omithology.     No.  50.     1898.    8«. 

Smithsonian  histitution  in  Washington : 

Annual  Report  for  the  year  ending  Sune  30,  1895.     1897.     89, 
Smithsonian   Miscellaneous   Collections.     No.  1090,  Vol.  40;    No.  1125 
1126.     1898.    8«. 

U.  S.  National-Museum  in  Washington: 
Proceedings.    Vol.  IX.     1897.    8«. 

United  States  Geciogical  Survey  in  Washington: 

Bulletins.     No.  88.  89  u.  149.     1897/98.    8^. 
Monographs.     No.  XXX.     1898.    4». 

Harzverein  fĂĽr  Geschichte  in  Wernigerode: 
Zeitschrift.     Jahrg.  31.     1898.    8^. 

Kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 

Sitzungsberichte.     Philos.-hist.  Classe.     Bd.  136.  137.     1897/98.     80. 

Mathem.-naturwissensch.  Ciasso.     1897/98.     8^. 

Abtb.  I.     Bd.  106,  Heft  1—10;  Bd.  107.  Heft  1—5. 
,      IIa.  Bd.  106,  Heft  1—10;  Bd.  107,  Heft  1   2 
,      IIb.  Bd.  106,  Heft  1-10. 
„     III.     Bd.  106,  Heft  1—10;  Bd.  107,  Heft  1—8- 
Register  lu  Bd.  101—105. 


Verseichnisa  der  eingelaufenen  Drucksehn ft^n.  595 

DenkschrifteD.    PbiloB.-hist.  Classe.    Bd.  46.     1897.    4». 

,  Mathem.-Daturwissenflchaftl.  Claase.    Bd.  64.    1897.    4^. 

Archiv  fQr  Osterreichische  Geschichte.    Bd.  84,  Hälfte  I  u.  II  und  Regiiter 

zu  Bd.  Bl-80.    1897/98.    8». 
Almanach.     47.  Jahrg.     1897.    8^. 

K,  K,  geologisdie  lieichsanstalt  in  Wien: 

Jahrbuch.     Band  47.  Heft  8.  4.    Band  48,  Heft  1.     1898.    4<». 
Verhandlungen.    No.  9—13.     1898.    49. 

K,  K.  CentralafUftält  für  Meteorologie  in  Wien: 
Jahrbücher.    Bd.  39,  No.  42.     1898.    4». 

K.  K.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien: 
Wiener  klinische  Wochenschrift.    1898,  No.  27—50.    4». 

Anthropologische  Gesellschaft  in  Wien: 
Mittheilungen.    Band  XXVIII,  Heft  4.    1898.    4®. 

ZooHogisch'hotanische  GesellschaĂź  in  Wien: 
.  Verhandlungen.     Band  48,  Heft  6—9.     1898.    8^. 

K.  K.  milUSr^eographisches  Institut  in  Wien: 
Astronomisch-geodätische  Arbeiten.    Band  XII.     1898.    4^. 

K,  K,  naturhistorisches  Hofmtiseum  in  Wien: 
Annaten.     Band  XIH,  No  1.     1898.    40. 

K,  K.  UniversiUit  in  Wien: 

Bericht  Über  die  volksthümlichen  Universit&tsvorträge  im  Jahre  1897/98. 
1898.    8®. 

OefFentliche  Vorlesungen  im  Sommer-Semester  1898  und  im  Winter- 
Semester  1898/99.     1898.    ^. 

Tebersicht  der  akademischen  Behörden  fQr  das  Studienjahr  1898/99. 
1898.    80. 

Die  feierliche  Inauguration  des  Rektors  am  24.  Oktober  1898.   1898.  ^. 

Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse  in  Wien: 
Schriften.    38.  Bd.     1897/98.    1898.    8^. 

Verein  fĂĽr  Nassauische  Alterthumskunde  etc,  in  Wiesbaden: 

Annalcn.  29.  Band,  Heft  2.  189a  4^. 
Mittheilungen.  No.  1—3.  1898/99.  4^. 
I.  Jahresbericht  der  historischen  Kommission  fĂĽr  Nassau.    1898.    8^. 

Nassauischer  Verein  fĂĽr  Naturkunde  in  Wiesbaden: 
JahrbĂĽcher.    Jahrg.  61.     1898.    8^. 

Oriental  Nobility  Ifistitute  in  Wokifig: 
Vidyodaya.     Vol.  27,  No.  7—10.     1898.    8«. 

Herzogliche  Bibliothek  in  WolfenbĂĽttel: 

Die  Handschriften  der  herzoglichen  Bibliothek  lu  WolfenbĂĽttel.  Bd.  VI. 
1898.    80. 


596  Verzeichnisa  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Physikdlisch-medicinisclie  Gesellschaft  in  WĂĽrzhurg: 

Verhandlungen.    N.  F.    Bd.  XXXI,   No.  9—11;   Bd.  XXXII,    No.  1—3. 

1898.    8«. 
Sitzungsberichte.    Jahrg.  1898,  No.  1 — 3.    8^. 

Schweizerische  geodätische  Kommission  in  Zürich: 
Das  Schweizerische  Dreiecknetz.    Bd.  VIII.    1898.    4®. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  ZĂĽrich: 
Vierteljahrsschrift.     48.  Jahrg.  1898,  Heft  2.  S.    1898.     BP, 

Universität  in  Zürich: 
Schriften  a.  d.  J.  1897/98  in  49  u.  S«. 


Von  folgenden  Privatpersonen: 

Prinz  Albert  I.  von  Mofiaco: 
Kesultats  des  campagnes  seien tiiiques.    fasc.  XIT.     1898.     49, 

F.  Bashforth  in  Minting  Vicarage,  Ilomcastle: 

Replica  di  Krupp  alla  protesta  de  Signor  Basforth.   Cambridcfe  1898.   8*. 

Verlagsbuchhandlung  Hermann  BöMau^s  Nachfolger  in  Weimar: 

Zeitschrift  der  Savigny Stiftung.    Bd.  XIX  germaniscbe  und  romanische 
Abtheilung.     Weimar  1898.    8^. 

II,  P.  Cushing  in  Cleveland,  Ohio: 
H«port  ou  the  Geology  of  dienten  Conrtj.    Wasbington  1895.     4*. 

Martin  Ficker  in  Leipzig: 

Ueber  Lebensdauer   und   Absterben  von  pathogenen   Keimen.      Leiniiff 
1898.    S^, 

Johann  Friedrich  in  MĂĽnchen: 

Ignaz  ?on  Döllingcr.    Sein  Leben.    Bd.  I.    Manchen  1899.     8^. 

Albert  Gaudry  in  Paris: 
Notize  8ur  les  Travaux  scientifiques  de  Victor  Lemoine.  Paris  1896.  8*. 

Karl  Gegenbaur  in  Heidelberg: 
Vergleichende  Anatomie  der  Wirbelthiere.    Bd.  I.    Leipzig  1898.     6*. 

D.  Greceseu  in  Bucarest: 
Conspectul  florei  Homaniei.    Bucareat  1898.    8^. 

Albert  von  Köiliker  in  Würzburg: 
Ueber  die  Entwicklang  der  Qraaf  sehen  Follikal.    WĂĽnburg  1898.    8". 


Verzeiehmss  der  eingdaufenen  DrucJcschriften,  597 

Karl  Krumhaeher  in  MĂĽnchen: 

Byzantinische  Zeitschrift.    Bd.  VIT,  8.  4.    Leipzig  1898.    8^. 
Byzantinisches  Archiv.    Heft  1.    Leipzig  1898.    8^. 

J,  Marquart  in  TĂĽbingen: 
Die  Chronologie  der  alttQrkischen  Inschriften.    Leipzig  1898.    8®. 

B.  Ă„,  Mystakides  in  Constantinopel: 
Notes  snr  Martin  Grusios.    Paris  1898.    8^. 

Gabriel  Monad  in  Versailles: 

Reyue  historique.    Tom.  68,  No.  I,  Sept.,  Okt.;  No.  II,  Nov.,  Dez.,  1898. 
Paris  1898.    8^. 

Alois  Panzer  in  MĂĽnchen: 
Zur  electrischen  Trambahnfrage.    Mflnchen  1898.    4P. 

Oswald  J,  Reichel  in  LympsUme,  Exeter: 
The  „Domesday"  Hundreds  of  Devon.    No.  II— VIII.     1896—98.    B9. 

Dietrich  Reimers  VerlagshantUung  in  Berlin: 

Zeitschrift  fĂĽr  afrikanische  und  oceanische  Sprachen.   Jahrg.  lY,  Heft  1 
und  2.    Berlin  1898.    4<>. 

Joseph  Sandalgian  in  Born: 
L*idiome  des  inscriptions  con^iforma  urartiques  Bome.    1898.    8^. 

SeĂĽz  und  Schauer  in  MĂĽnchen: 

Deutsche  Praxis.    Bd.  I,  No.  1—8,  18-17.    Mflnchen  1898.    BP. 
Medizinische  Neuigkeiten.    No.  41—48,  45—60.    München  1898.    4P. 

ChMtav  Schmoller  in  Berlin: 

Umrisse  und  Untersuchungen  zur  Verfassungs-,  Verwaltungs-  und  Wirth- 
schaftsgeschichte.    Leipzig  1898.    8^. 

S,  Schwendener  in  Berlin: 
Gesammelte  botanische  Mittheilungen.    Bd.  1.  2.    Berlin  1898.    SP. 

B.  G.  Tetibner'sche  Verlagsbuchhandlung  in  Leipzig: 

Mathematische  Annalen,  Qeneralregister  zu  Bd.  1— 50.   Leipzig  1898.   8^. 
Encyklop&die    der    mathematischen    Wissenschaften.      Bd.   1,    Heft   1. 
Leipzig  1898.    SP. 

Giaeomo  Tropea  in  Messina: 
Giasone,  il  Tago  della  Tessalia.    Messina  1898.    8^. 

Heinrich  ĂĽlmann  in  Greifswald: 

Ueber  die  Memoiren  des  FĂĽrsten  Adam  Czartoryski.   Qreifswald  1898.  8^. 
Kaiser  Wilhelm  der  Alte.    Festrede.    Greifswald  1898.    SP. 

M.  Vaucher  in  Cfrand  Lancy,  Geneve. 
Aux  amis  de  Pierre  Vaucher  t  9.  Juin  1898.    Geneve  1898.    BP. 

Aibrecht  Weber  in  Berlin: 
Vedifche  Beiträge.    No.  7.    Berlin  189a    4P. 


598  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

N,  WecMein  in  MĂĽnchen: 
Euripidis  fabulae.     Vol.  I,  part  6—7;  Vol.  II,  part.  1—3.    Lips  1898.   8^. 

3fax  Wellner  in  Neugedein: 
25  Karten  von  Palästina.     Prag  1898.    fol. 

Eduard  v.  Wölfflin  in  München: 

Archiv  für  lateinische  Lexikographie.    X.  Jahrgang.    ErgänzangshefL 
Register  zu  Bd.  1—10.     Leipzig  1898.    8«. 


599 


Namen  -  Register. 


Barrois  (Wahl)    537. 

Bergeat  Alfred    495. 

Brioschi  Francesco  (Nekrolog)   449. 

Buchner  Ludwig  Andreas  (Nekrolog)   481. 

Cope  Edward  Drinker  (Nekrolog)   487. 

Des  Gloizeaux   Alfred  Louis  Ollivier  (Nekrolog)   492. 

Doflein    589. 

Dyck  Walter   208.  688. 

Ebert  Hermann    497. 

V.  Pedorow  Eugraph    56. 

Finsterwalder  Sebastian    895. 

Fomm  Ludwig   865. 

Franke  J.  Hermann    19. 

Fresenius  Karl  Remigius  (Nekrolog)   452. 

Fuchs  Lazarus  (Wahl)    587. 

Glan  Paul    117. 

V.  GĂĽmbel  Wilhelm   8. 

Hartig  Robert  1.  (Wahl)  686. 
Heidenhain  Rudolf  (Nekrolog)   460. 
Hertwig  Richard    127. 

Königs  Wilhelm    588. 
Korn  Arthur    129.  185. 
V.  Kupffer  Karl    225. 

Leuckart  Rudolf  (Nekrolog)   471. 
Lie  Sophus  (Wahl)   587. 
Lindemann  Ferdinand    87.  181. 
V.  Lommel  Eugen    111. 


600  Namen- Register. 

V.  Merz  SSigmund    76. 

Meyer  Victor  (Nekrolog)   446. 

V.  Tettenkofer  Max   428.  681. 
Pringsheim  Alfred   69.  826.  (Wahl)  686. 

Ranke  Johannes   227. 

Sachs  Julius  (Nekrolog)  478. 

Schwarzschild  K.    271. 

Seeliger  Hugo    147.  226.  868. 

V.  Seidel  Ludwig   896. 

Selenka  Emil    111.  226. 

Sohnke  Leonhard  (Nekrolog)   440. 

Solcreder  Hans   -195. 

Stark  J.    91. 

Steenstrup  Johann  Japctus  Smith  (Nekrolog)   476. 

V.  Voit  Karl    480. 

V.  Weber  Eduard    369. 


601 


Sach-Registen 


Actinosphärium  Eichhorni,  Befruchtung  und  Kerntbeilung    127. 
Anatomie,  Rystematische  der  Dikotjledonen   496. 
Ansprachen  des  Präsidenten    423.  581. 
Ausbreitung  der  FlĂĽssigkeiten   91. 

Beugungsfigur  im  Femrohr  ausserhalb  den  Focus    271. 
Bilinearformen   369. 

Dielektrischer  Zustand  einer  inoompresiblen  FlĂĽssigkeit    135. 
Dioptrischer  Apparat,  präcise  Abbildung  eines  Objects    396. 
Doppel-Integral,  Theorie  desselben    59. 

Drehung  eines  starren  Ki'^rpers  um  seinen  Schwerpunkt    181. 
Druckschriften,  eingelaufene    339.  575. 

Elastische  Körper,  theoretische  Untersuchungen    117. 
Embryonalanlage,  erste  bei  den  Menschenaffen    226. 
Entladungen  elektrische,  in  verdĂĽnnten  Gasen    865. 
Erdbeben  in  Bayern,  in  den  letzten  Jahren    3. 
Erdmagtietismns,  Entstehung  der  hydrodynamischen  Theorie    129. 

Feldspathstudien    55. 

Fixsterne,  räumliche  Vertheilung  derselben    226.  868. 

Gasentladungen,  elektrische   497. 
Geologie  der  äolischen  Inseln   495. 

Holzzuwachs  der  Bäume  durch  Aus^lstung  und  Wurzelverminderung    1. 

Irrationalität  von  e  und  n   825. 

Kettenbriiche  unendliche,  Convergenz  derselben    295. 
Koordinaten-Transformationen  in  geodätischen  Dreiecknetzen    19. 


602  8aeh  -  Register, 

Leber,  Stemzellen  derselben   226. 

Nekrologe   481.  440.  449.  452.  456.  460.  471.  476.  478.  487.  492. 
Nicorscbe  Prismen  aus  Kalkspath  und  Glas   111. 

Objectiv  von  Fraunhofer   75. 
Orangutan-Schädel    111. 

Potentialtbeone   208. 

Reise  nach  Westindien  und  Nordamerika   539. 

Sterne  telescopische,  der  Bonner  Durchmusterungen    147. 
Stimfortsatz  der  Schläfenschuppe  bei  den  Primaten    227. 

Umkehrprobleme  aus  der  Theorie  der  elliptischen  Integrale  37. 

Wahlen  586.    . 


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