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Sitzungsberichte
der
mathematisch -physikalischen Classe
der
k. b. Akademie der Wissenschaften
zu IVEtinchen.
oy 1 1 f i:
UNIVERSITY
•sfCALIFOHt^
Band XXVIII. Jahrgang 1898.
München«
Verlag der k. Akademie.
1899.
In GomaiiwioD de« 6. Fraiii*Mhen YarUgs (J. Boib).
1
^ /A"/5"
. I
^^
Akadevitcbf BoehdinekerM tob F- Sinub in MflneheD.
Uebersicht
des Inhaltes der Sitzungsberichte Bd. XXYIII
Jahrgang 1898.
Die mit * bMeiehneten Abhandiiuigen sind in den Sitsongsbenohten niohfc abgodraekt.
OeffenĂśiche SUeung der kgl, Akademie der Wissenschaften zur Feier
des 139. Stiftungstages am 15. März 1898. geite
V. Pettenkofer: Ansprache 428
V. Voit: Nekrologe 480
Oeffentliche SUaung zu Ehren Seiner Majestät des Königs und Seiner
Königl. Hoheit des Primregenten am 12. November 1898.
V. Pettenkofer: Eröfi&inngsre^äe^ *. ^ 581
Wahlen 686
Sitzung vom 15. Januar 1898.
W. V. G um bei: Ueber die in den letzten Jahren in Bayern wahr-
genommenen EIrdbeben 8
*R. H artig: üeber den Einflius der Ausäatung und der Wurzel-
vermindening auf die Grösse, Form und anatomische Zu-
sammensetzung des Holzzuwachses der Bäume ... 1
J. II. Franke: Koordinaten-Transformationen in geodätischen Drei-
ecknetzen 19
F. Lindemann: Ueber gewisse Umkehrprobleme aus der Theorie
der elliptischen Integrale 87
E. V. Fedorow: Die Resultate der Feldspathstudien ... 65
A. Pringsheim: Zur Theorie des Doppel - Integral» ... 69
8. V. Merz: Das Fraunhofer- Objectiv 75
J. Stark: Ueber Ausbreitung von FlĂĽssigkeiten und damit zu-
sammenhängende Erscheinungen 91
IV
Sitzung vom o. Februar 1898, Q^Oe
*E. Selenka: Uf^ber die Architektur des Orangutan-Schiulels . 111
ÂŁ. V. Lommcl: lieber aus Kalkspath und GIbiS zusammengesetzte
Nicol'sche Prismen 111
P. Ulan: Theoretische Untersuchungen über elostiarhe Körper
und Elektrizität 117
Sltzamj vom 5. März 1898.
*R. Hertwig: Uober Befruchtung und Kemtheiiuug bei Actino-
sphaerium Eichhomi 127
A. Korn: a) Ueber die EntĂźtehung des Erdmagnetismus nach der
hydrodynamischen Theorie 129
b) Ueber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes
einer inkompressiblen FlĂĽssigkeit .185
H. »Seeliger: Ueber die Grössenklassen der telescopischen Stonc
der Bonner Durchmusterungen 147
F. Lindemann: Ueber die Drehung eines starren Körpers um
seinen Schwerpunkt 181
W. Dyck: Beiträge zur Potentialtheorie 203
Sitzung vom 4. Mai 1898,
*C. V. Kupffer: Ueber die Stcmzellen der Leber .... 225
Sitzung vorn 11, Juni 1898.
J. Ranke: Ueber den Stirnfortsatz der Schläfenschuppe bei den
Primaten 227
*E. Selenka: Ueber die erste Embryonalanlage der Menschenaffen 226
K. Schwarzschild: Ueber die Beugungsfigur im Femrohr weit
ausserhalb des Focus 271
*H. Seeliger: Betrachtungen ü^ er die räumliche Vertheilung der
Fixsterne 226
A. Pri n gsh eim : a) Ueber die Convergenz unendlicher KettenbrĂĽche 296
b) Ueber die ersten Beweise der Irrationalität von
e und Ji 825
SitjBung vom 2, Juli 1898.
Seite
*H. Seeliger: Betrachtungen über die räumliche Vertheilung der
Fixsterne 368
L. Fomm: ĂĽeber eine neue Erscheinung bei elektrischen Ent-
ladungen in verdĂĽnnten Gasen 366
ÂŁ. â–Ľ. Weber: Ueber Schaaren von Bilinearformen 369
L. V. Seidel: Üeber die Bedingungen möglichst präciser Abbil-
dung eines Objekts von endlicher scheinbarer Grösse durch
einen dioptrischen Apparat. Aus dessen Nachlasse heraus-
gegeben von S. Finsterwalder 395
Sitzun{ji vom 5. November 1898.
*H. Soler^der: Systematische Anatomie der Dikotyledonen . 496
*H. Seeliger: 111. Band der neuen Annalen der Sternwarte zu
MĂĽnchen 496
*A. Bergeat: Ueber die äolischen Inseln 495
H. Ebert: Unsichtbare Vorgänge bei elektrischen Gasentladungen 497
Siieung vom 3, Dezember 1898.
*W. Königs: Gedenkfeier des 60. Todestages von Berzelius . 638
*W. Dyck: Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften 638
F. Doflein: Bericht ĂĽber meine Reise nach Westindien und Nord-
amerika 689
Einsendungen von Druckschriften 339, 575
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 15. .Taiiuar 1898.
1. Ilurr W. V. (iCMMKL h'jjft durch den (^las.soiisocretär eine
Abhandlung: -U<*ber die in drn letzten Jahren in Bayern
wahrgenommenen Erdbeben*" vor.
2. Herr [{(»ukkt Uauti«; hält einen Vortrag: ,Ueber den
Einfluss der Ausästung und der Wurzel Verminderung
auf die (t rosse, Form und anatomische Zusammen-
setzung des Holzzmvachses der I^äume." üerselbt? wird
anderweit V(»röttentlicht werden.
J$. Herr Karl v. (.)kff ĂĽberreicht einen Aufsatz des Herrn
Steuerratlies J )r. .1 . H. F bax k k : , U e b e r ( â– o o r d i n a t e n - T r a n s -
formationen in geodätischen Dreiecken.**
4. Herr Fkuihnaxu Linmemanx macht ein«^ Mittheilung:
„Ueber gewisse l'mkeliri>robleme aus der Theorie der
elliptischen Integrale."
5. Herr Paii. Gimth h*gt eine Arbeit des correspcmdirendtui
Mitgliedes Professor KiMKArii v. FKimiidw in Moskau: ,l)ie
Resultate der Feidspatlistudien" vor.
1898. Sitxnngsb d. math.-phys. Gl. 1
6. Herr Alfred Pringsheim spricht: ,Zur Theorie des
Doppel-Integrals."
7. Herr Hugo Seeligee berichtet ĂĽber eine der Akademie
eingesandte Abhandlung des Herrn Direktors Sigmund y. Merz:
„Das Fraunhofer-Objektiv.'*
8. Herr Eugen v. Lommel legt eine Arbeit seines SchĂĽlers
Dr. J. Stark: „lieber Ausbreitung von Flüssigkeiten'* vor.
Ueber die in den letzten Jahren in Bayern wahr-
genommenen Erdbeben.
Von C. W. Y. GĂĽmbel.
{Emgtlau/in 15. Jamuair,)
Die in der zweiten Hälfte des Monats October und während
des ganzen Novembers 1897 am SĂĽdrande des Erzgebirges, im
Vogtlande und im Fichtelgebirge wahrgenommenen Erdbeben
geben mir zunächst Veranlassung, das von mir in den Sitzungs-
berichten unserer Akademie (Sitzungsber. d. mjith.-phys. (^asse
d. k. bayer. Akad. d. Wiss. 1889. Bd. XIX. Heft 1) gegebene
Verzeichniss der ĂĽberhaupt in Bayern verspĂĽrten ErderschĂĽtte-
rungen weiter fortzufüliren, zu vervollständigen und frühere An-
gaben th eil weise richtig äu stellen.
I. Nachträge und Berichtigungen des oben erwähnten
Verzeichnisses.
Es ist nicht zweifelhaft, dass aus der älteren Zeit nur über
die bedeutendsten Erdci*schĂĽtt(*rungon Xachrichten erhalten ge-
])lieben oder in alten Chroniken verstockt sind. Es ist Folgen-
des nachzutragen:
1117.
Ueber das angeblich vom Jahre 1116 am 3. Januar ver-
zeichnete Erdl)eben finden sich sichere Nachricliten in Ludwigs
Scri])tores rerum bambergensium (I. 100, 454). Darnach hat
dasselbe am 3. Januar 1117 stattgefunden und grosse ZersUirun-
gen verursacht. Die Domkirche in Baml)ĂĽrg z. B. wurde so
stark beschädigt, dass sie neu aufgebaut werden niusste.*) Wohl
») Riohl, Heil. /.. Allgem. Zeit, vom G. Aug. 1886).
1*
4 SĂĽgung der math.-phys, Classe vom 15. Januar 1898.
auf dasselbe Ereigniss bezieht sich auch die Nachricht, das» in
Berchtesgaden ganze Felsen von den Bergen herabgestĂĽrzt seien.
1348.
Von dem Erdbeben des Jahres 1348 wird von Weihen-
stephan und Passau (Baycrland 1891 S. 37) gemeldet, dass die
Häuser und Kirchen schwankten, und die Glocken anschlugen.
Die Leute sollen von heftigem Koi)fweh und Taumel befallen
worden sein, so dass sie hin und her wankten.
1690.
Die schrecklich zerstörende Erderschiit terung vom 4. De-
zember 1690, welche besonders in Wien grossurtige Verheerun-
gen anrichtete, erstreckte sich auch nach Villach, wo ftist alle
Kirchen umgestĂĽrzt und 60 Personen getiultet wurden. Dieses
Erdbeben dehnte sich bis NĂĽrnberg, Kegens])urg. Augsburg
und MĂĽnchen aus, wo die Glocken anschlugen.
1822.
Aus dem Jahre 1S22 wird berichtet, dass am 18. März.
Abends von 9 bis 12 Uhr in Greding eine ErderschĂĽtterung
verspĂĽrt wurde.
18G5.
In den Angaben ĂĽber das Erdbeben von Kundel im Inn-
thal soll es statt Februar Januar heissen.
1868.
Am 22. Dezember dieses Jahres wurde eine ErderschĂĽtte-
rung in Innsbruck beobachtet, die wohl auch bis in das Unter-
innthal sich erstreckt hat.
1870.
Dfis Erdbeben vom 19. April 1870, welches im Unterinnthal
wahrgenonmien wurde, begann um 12 '/a Uhr Xacht^ und wieder-
holte sich am 20. un<l 30. April (11 Uhr Nachts) sowie am
1. Mai dieses Jahres.
1886.
Aus diesem Jahre wird ein Erdbeben am G. Juni, Abends
9^/4 l In*, in Lalir angezeigt, und am 9. Oktober, Abends h. 6 */4
c, GĂĽmbel: lieber die Erdbeben in Bayern, o
wurde eine äliiiliclie Ertlerschütterung zwischen Strassburg und
Kappel wahrgenoninien.
1888.
Das Erdbeben vom 2H. I)ezeni])er dieses Jjilires. welclies
hauptsĂĽelilich im Vogtlande auftrat, erstreckte sich in SVV-Kicli-
tung bis in die Gegend von Hof, wie es aucli im Dorfe Feil itzsch
(SO. von Hof) wahrgenonnnen wurde. (Vgl. Credner in Bericht,
d. k. säehs. Ges. d. Wiss. math.-})hys. Classe v. 11. Febr. 1889.)
1889,
Am 7. Januar dieses Jahres versj)ĂĽrte man in WĂĽrttmnberg
eine Erderschiltterung, welche auch in Ulm wahrgenommen
wurde.
Da,s am 0. Februar erfolgte Neuburger Erd))eben machte
sich auch in Möckenlohe, 10 km NXW. von Neuburg, 5 Mi-
nut^'n später als in der Stadt und ufich der Angabe des HcTrn
Pfarrers Bayer in Ochsenfeld, 12 km N. von Neuburg, durch
Fensterklirren ))emerkl)ar.
1890.
In der Nacht vom 2o. auf 24. Januar soll ein Erdbeben
in Schierling in Niederliayern durch Ersdiütterung der Gel)äude
angedeutet worden sein. Bestimmteres und Nähere^s war hier-
ĂĽber nicht zu ermitteln.
Am 2<>. März desselljcn Jahres ereignete sich in einrm
grossen Theil von Tirol um i) Vhv 1") Minuten Abends ein
deutlich lilhlbarer, 1 5 St'cun«len an<ljiuerndrr Krdstoss in der
Richtung von SO. nach NW. Nach T) Minuten folgte ein
zweiter, jedoch schwächerer Stoss. ( Milnchener Stadtzeitung vom
19. April 189(): zahlreiche Tiroler Zeitungen.) Nach Herrn
Oberst a. D. Forster wurde dieselbe ErsdiĂĽtterung auch in
Partenkirchen um 9 Thr l.") Minuten wahrgenonnnen.
Herr Kektor Seinem niel in Kissingen glaubt am 'M). Sep-
tendjer um 1 Uhr 21 Minut<'n Mittags eine /.ittenide Erdbewe-
gung in der Kichtung von SO. nach NW. mit einer Dauer von
1 '/a Minuten beo]»aclit(?t zu haben.
Herr Ajjotlieker llintermaier in Wegschei«! bei Piissau
6 SĂĽĂźung der mathrphys, Classe vom 15, Januar 1898,
berichtet, dass am 24. November d. Js. bei einem orkanartigen
SVV.-Sturni um h. 1^ 1^, 1^ 1» und V^ j). erdbebenartige Stösse
und um 1** p. ein heftiger, etliche Sekunden anhaltender Erd-
stoss stattgefunden habe. Diese Angaben, sowie die nächst-
folgenden Berichte verdanke ich der sehr gefalligen Mittheilung
des Herrn Direktor der hiesigen meteorologischen Centralstation
Dr. Erk (M. C. S.), fĂĽr die ich hier meinen verbindlichsten Dank
ausspreche.
1891.
Aus diesem Jahre liegt eine Mittheilung des Herrn Apo-
thekers Mielbach in Obcmzell bei Passau vor, worin berichtet
wird, dass am 28. Juli um h. V^ A. ein Erdbeben in der Rich-
tung von NO. nach SW. wahrgenommen wurde. Dabei liess
sich ein donneriihnliches Kolleii unter der P]rde hören und in
einig(Mi kleineren (?) Häusern gewaltige Erscliütterungen wahr-
nehmen (M.dJ.S.).
1893.
Nach der Angal)e des Herrn Greuzoberaufsehers Griin-
thaler in Breitenberg an der Landesgrenze bei Passuu soll
daselbst am 17. März um h. 9*^ und H)** A. die Wirkung von
Erdstössen bemerkt worden sein (M.C.S.).
1894.
Herr P. Franz Seraph Adelhard in Volkersburg machte
die Mittheilung, dass am 11. Juli h. P* p. zwei rasch aufeinander
folgende Erdstösse in senkrechter Richtung gespürt worden
seien, die auch von anderen Hausbewohnern wahrgenommen
wurden (M.C.S.).
1895.
Von Partenkirchen ging von dem Herni Lehrer E. Peter der
Bericht ein, dass er, als er am 1. rfanuar h. 8*^ p. lesend in seinem
Zimmer sass, durch eine eigenthĂĽmliche Bewegung des Bodens
erschreckt wurde. Sümmtliche Gegenstände im Zimmer schienen
ihm eine Bewegung gegen W. und eine kleine Senkung zu
machen, wobei ein leises Knirschen an der Zimmerdecke hör-
bar wurde und ein feiner Kalkstaub in geringer Menge zu
lieber die Erdbeben in Bayern. 7
Boden fiel. Ein an die Wand gelohnter Six)ck iiel um. Etwa
eine Sekunde nacli dieser ErschĂĽtterung machte sich ein dumpfes
dem Geräusch ehies sclmtdl vorüberfahrenden beladenen Wagens
vergleichbares Itollen hörbar. Das Ereigniss mag 2 ^/a Sekunden
angedauert haben.
Herr A. Kiendl, der Vorstand der Distriktsschnitzerscluile
gab an, dass diese Bewegung des Hauses mit der ErschĂĽtterung
bei einem heftigen Sturme sich hätte vergleichen lassen. Zugleich
hörte auch er ein Klirren der im Zimmer aufgestellten Xipp-
sachen. Ueber das gleiche Ereigniss berichtete Herr Dr. Erdt
telegraphisch, dass an gleichem Tage um h. M^ [>. in vier ver-
schiedenen Wohnungen eine leichte ErderschĂĽtterung beobachtet
worden sei.
1896.
Von Reichenhall wird gemeldet, dass am 15. September
FrĂĽh 7 Uhr einige, 8~ 4 Sekunden andauernde, senkrecht ge-
richtete Erdstösse von solcher Stärke gesj)ürt wurden, dass die
Schläfer aufgeweckt wurden.
II. Erdbeben im Jahre 1897.
Im Jahre 18J)7 ereigneten sich in zwei Landstrichen Bayerns
Erdbeben; im Anfang des Jahres im Bayerischen Walde und
gegen Ende des Jahres im Fichtelgebirgsgebiete.
Ueber das erstgenannte Krdbeben am 5. Januar lit*gen selir
zahlreiche Einzelberichte vor, welche mir der Herr Vorstiind
der b. meteorologischen ( -entralstation in MĂĽnchen Dr. Erk
mitzutheilen die UĂĽte liatte. Ks sind frdgende:
Von Herrn Fabrikbesitzer Mt;nzel in ELsenthal bei Grafenau
(Bayer. Wald) wird berichtet, dass am Morgen des 5. Januars
etwa um h. 7 Va ein Brausen ähnlich dem Geräusche einer
Dreschjnaschine gehört wurde, weUdiem am Knde ein kräftiger
Erdstoss folgte. Bei letzterem klirrten die Frnster und zitter-
ten die Lampen. In drr Fabrik hielt man die HrschĂĽttt^rnng
zuerst fĂĽr die Folge einiT Kxplosion eines Kochgcfasses. Die
Witterung war trnl)e; «loch hellte sich sofort nach dem Ereig-
nis« der Himmel auf.
8 Sitzung der math.-phya, Ă–lasse vom 15, Januar 1698,
Von Finster au kam die telegraphische Meldung vom
Herrn Förster Lautenschlager, dass an gleichem Tage Mor-
gens 8 Uhr ein Erdbeben stattgefunden habe.
Aus Grafenau wird von Herrn Dr. Späth, k. Bezirks-
arzt, gemeldet, dass an gleichem Tage Morgens 7 Uhr 50 Mi-
nuten ein 10 Sekunden andauernder, von N. nach S. gerichteter
Erdstoss verspĂĽrt wurde, wobei Fensterklirren, Bodenschwan-
kungen und starkes ilollengeräusch sich wahrnehmen liess. Der
Barometer zeigte nacliher steigende Tendenz. Schon in der
vorausgehenden Nacht machte sich vorĂĽbergehend ein leises,
donnerähnliches Geräusch bemerkbar.
In Wolf stein (bei Freyung i. W.) trat nach einer Mit-
theilung des Herrn Forstmeisters Seidenschwanz an gleichem
Tilge Morgens 7 Uhr 58 Minuten eine erdbebenartige, 5 — 6 Se-
kunden andauernde ErschĂĽtterung nach einem vorausgegangenen
2 — 3 Sekunden langen Sausen ein.
In Grammertshof bei Untergriesbach ereignete sich an
diesem Tage Morgens 7 Uhr 45 Minuten ein von SO. nach
NW. gerichtetes Erdbeben, das mit donnerähnlichem V« Minute
andauerndem Geräusch verbunden war (Richtsfeld).
In Untergrainet und Umgegend wurde von dem Herrn
Lehrer Bothschafter am genannten Tage FrĂĽh h. 7** eine
5 Sekunden andauernde ErderschĂĽtterung mit heftigem unter-
irdischen Donnern beobachtet. ThĂĽren sprangen auf, einzelne
schadhafte Kamine stĂĽrzten z. Th. ein, Fenster klirrten, ge-
zimmerte Häuser krachten in ihren Fugen, einzelne Brunnen
versiechten auf kurze Zeit und lieferten hernach trilbes Wasser.
Dabei herrschte ein helles, windstilles Wetter. Bemerkenswerth
war, dsiss oft in ein und derselben Ortschaft das Erdbeben theils
sehr stark, theils sehr schwach verspĂĽrt wurde.
Aus Schönbrunn wird von Herrn Förster Hermann ge-
meldet, dass daselbst und in der Umgegend unter donnerähn-
lichem Get(>se ein 4 Sekunden andauernder starker Erdstoss in
der Richtung von NW. nach SO. verspĂĽrt wurde.
In Spiegelau machte sich nach dem von Herrn Forst-
meister Blum mitgetheilten Bericht am gleichen Tage Morgens
r. GĂĽmbel: Ueher die Erdbeben in Bayern, 0
7*/4 Uhr ein auch in der Umgegend wahrgenonnnener ziemlich
heftiger Erdstoss in Begleitung eines unterirdisclien lloUens
von 5 — 8 Sekunden Dauer in solcher Heftigkeit bemerkbar,
dass die ErschĂĽtterung auch in aus Steinen massiv gebauten
Gebäuden walirgenonuuen wurde. Im Wähle wollen Holz-
hauer mehrere aufeinander folgende St<)sse in NW.-Jlichtung
gespĂĽrt haben.
Aus Klingen hrunn (8:^0 m Höhenlage) berichtet der Herr
Forstmeister Hundertpfund, dass am genannten Tage kurz
vor 8 Uhr eine ErderschĂĽtterung wahrgenommen wurde. Bei
einer um diese Zeit gelesenen Messe wurde plötzlich der Kaum
der kleinen Kapelle erschĂĽttert, sodass die Fenster klirrten und
die Andächtigen beängstigt wurden. Waldarbeitern fiel diese
ErschĂĽtterung gleichfalls auf. Ihre Richtung konnte nicht ge-
nau festgestellt werden, doch scheint sie von SO. nach XW.
verlaufen zu sein. Das Barometer war ein klein wenig gefallen,
sonst aber das Wetter kalt bei fast völliger Windstille. Der
erste Eindruck des Ereignisses war der, dass eine mächtige
Schneemasse schwerfällig polternd und diis Haus erschütternd
sich vom Dache abgelöst hätte.
Aus Buchen au bei Zwiesel theilt Herr von Poschinger
mit, dass der Erdstoss vom 5. Januar Morgens etwa um 7 Uhr
50 Minuten daselbst nur schwach versi)ĂĽrt wurde.
Nach diesen Einzelangaben scheint das an sich schwaclie
Erdbeben vom 5. Januar 1^97 auf einen relativ kleinen schmalen
Strich des Bayerisch«Mi Waldes längs dc^r Ijandesgrenze gegen
B<)hmcn, südöstlich von Zwiesel — Buchenau ausgenonnnen —
sich beschränkt zu haben. Weder von Zwiesel selbst, noch von
liegen, Bodenmais oder Pa,ssau liegen Erdbel)enmeldungen vor.
Auch aus Böhmen sind mir nähere Angaben hierüber nicht
bekannt gewor»len. Im Allgj'inciiien stiniintm die Angaben der
Zeit des Eintrittes der ErschĂĽtterung, welche zwischen 7^/4 bis
kurz vor S Ulir Morgens sii:h ereignete, ĂĽbenĂĽn. Bei dem un-
gleichen und ungenauen ^^aiig «Ut verschiedenen Uhren ist je-
doch eine sehr genaue Zeitbestim nunig ausgeschlossen. Dies
gilt auch von der Dauer des Ereignisses. Nähere Bestinnnungeu
10 SĂĽeung der mcUK-phys, Glosse vom 15, Januar J898,
des Epi- und Hypocentruins, sowie ĂĽber die Tiefe des Erschtitte-
rungsherdes lassen sich desshalb nicht machen. BezĂĽglich der
Stossrichtung hen^cht ziemliche Uebereinstimmung von SO.
nach NW., was auch mit dem geotektonischen Aufbau des
hauptsächlich aus Gueiss bestehenden Gebirgs übereinstimmt.
Die Ursache des Erdbebens scheint auf einer ziemlich räumlich
beschränkten Auslösung von Spannungen zu beruhen, welche
in der Tiefe zwischen verschiedenen Gesteinen sich vorfanden.
Das Erdbeben gehört demnach zu den sogen, geotektonischen.
Das erzgebirgisoh-vogtländiscli-flchtelgebirgische Erdbeben in
den Monaten Oktober und November des Jahres 1897.
TJeber das durch seine lange Dauer ausgezeichnete Erd-
beben gegen das Ende des Jahres 1897 liegen zahlreiche, meist
Zeitungsberichte vor. Die z. Th. sehr starken ErschĂĽtterungen
ereigneten sich in den Landstrichen am SĂĽdrande des Erz-
gebirges, im Vogtland und im Fichtelgebirge, welche schon
vielfach von Erdbeben heimgesucht worden sind. Sie scheinen der
Hauptsache nach den grossen Störungsrichtungen und Gebirgs-
zerklĂĽftungen zu folgen, welche einerseits das Erzgebirge begleiten,
andererseits dem Zug des ThĂĽringerwaldsystems entsprechen.
Der Hauptstoss des Erdbebens wurde nach der in der Beilage
der Zeitung Bohemia vom 12. November gegebenen Nachricht zum
erstenmal am 24. Oktober, namentlich in der Gegend von Gras-
litz, 30 km NO. von Eger, nahe der sächsischen Grenze am Süd-
rande des Erzgebirges, Nachmittags kurz vor 5 Uhr nach einigen
schwachen Stc>s8en in den Morgenstunden beobachtet, wo Herr
Dr. Bäuml den in den folgenden Tagen sich wiederholenden
seismischen Erscheinungen sachgemässe Aufmerksamkeit wid-
mete. Herr Prof. Dr. Beckl in Prag, Mitglied der österr.
Erdbeben-Commission, berichtete hierüber in einer öffentlichen
Versammlung in Prag, d«Tss tlie Erdbeben in Graslitz nicht auf
vulkanische Ursachen zurückzuführen seien, in der Nähe gebe
es keine Vulkane. Sie gehörten vielmehr den sogen, tekto-
ni sehen oder Gebirg8])eben an. Solche seien zwar nicht
häufig in Böhmen bekannt, jedoch z. B. in den 80 er Jahren in
Ueher die KriJbchen in Bayern, 11
der Gegend von Trautona sehr lieftig, dann vor etwa einoni
Jahre in Katliarinaberg und BrĂĽx und im Januar 1807 in Lusch-
luauda und VVinterborg verspĂĽrt worden. Seit den 70 er Jahren
seien bei der Erdbeben-Coininission in Brdnnen ĂĽber 20 FĂĽlle
der ErderschĂĽtterungen angemeldet worden: sie seien jedoch
alle bisher gefahrlos verlaufen. Auch die Graslit/AT Erdbeben
hätten keine wahrnehmbaren Spuren der Zerstörung «in festen
Gegenständen zurückgelas.sen, seien jedoch von starkem unter-
irdischen Rollen begleitet gewesen. Von Hof im Fichtelgebirgc
schreibt man. dass die von Brdimen herĂĽberziehenden ErschĂĽtte-
rungen vom 25. und 2\), Oktober Abends in Jäger und Götten-
grUn, nicht aber in Hirsch])erg und Gefell bemerkt worden
seien. Dabei wurde ein Rollen, wie das Geräusch von einem
auf der Landstrasse fahrenden Wagen gelu'irt. Auch in diesem
Bericht wird die Ui-sache des Ereignis.ses auf tektonische Ver-
hältnisse zurückgeführt, welclie sich auf Nachstür/e im b»di-
luischen Einbruchskessel und Schrumpfung der Erdrinde ))ezögen.
Aus der Saalegegend wird v(mi 2S. Oktober berichtet, dass
an verschiedenen Orten des Fichtelgebirgs die an der deutsch-
böhmischen Grenze bekannt gewordenen Erdst<)sse auch hier
mehr oder weniger verspürt worden seien, während von PhuuMi
die Nachricht kommt, dass im ganzen sächsisclien Vogtlande
die ErscliĂĽtterung(Mi , deren Mittelpunkt bei Untersachsenberg
liege, fortdauerten. In Asch wiederholten sich die schon am
25. und 2H. Oktober aufgetretenen seismischen Krscheiiniugeii
in der FrĂĽhe am :^0. Oktober unter l^egleitung eines starken
Dröhnens. In Graslitz erneuerten sich am 21*. Oktober die Krd-
st(3sse mit detonationsartigem Getr»se. Hesonders aclit Stösse
waren heftig, sodass die Bevölkerung sehr beunruhigt wurde
und einzelne Familien die Stadt verliessen.
Nähere Angaben aus Graslitz verdanken wir den Beobach-
tungen des Herrn Dr. Bau ml. Darnach wiederh<dten sich
merkliche St<")sse am 20. Oktober Abends um h. H*«, <)", 7^ 1»»*.
Es folgten dann am 27. Okto])er Stösse um li. 5 Nachmittags,
8*', 8", 10" Abends, ferner am 2><. Oktober Morgens h. :^*»
und 10»« Abends, ferner am 21). Oktober h. l*^ 1" Nachts,
12 SĂĽzwxg der mathrphys. Classe vom 15. Januar 1898.
4*** Morgens und währten seit h. 6'* stärker werdend die ganze
Nacht vom 29. auf den 80. Oktober. Ein heftiger Stoss erfolgte
Abends h. 7**, der auch in Bleistadt wahrgenommen wurde.
Die Stösse beschränken sich auf den Südrand des Erzgebirges,
wo sie in Eibenberg-GrĂĽn berg unfern Graslitz ihren Mittelpunkt
zu haben scheinen. Weder in Neudeck im Erzgebirge, noch
in Karlsberg merkte man von diesen Erscheinungen etwas;
während sie auf 15 — 20 km im Umkreis von Graslitz z. Th.
so heftig sich zeigten, dass die Häuser zitterten, die Thüren
und Fenster sich bewegten und klirrten, Mörtel von den Wän-
den fiel, an den Wänden hängende Gegenstände wankten, z. Th.
zu Boden stürzten. Meist waren die Stösse, deren man mehr als 14
in dieser Nacht zählte, 4 — 5 Sekunden dauernd, und von NO. nach
SW. gerichtet von dumpfem dounerähnlichen Rollen begleitet.
Während man in dem benachbarten Klingenthal (Sachsen)
die frĂĽheren ErschĂĽtterungen nicht verspĂĽrte, machten sie sich
an den zuletzt genannten Tagen deutlich bemerkbar.
Von Liebenstein, einem Ort NW. von Egcr zwischen
dieser Stadt und Asch kam die Nachricht, dass daselbst schon
am 25. und 26. Oktober mehrere ErschĂĽtterungen sich ereig-
neten, am 29. Oktober Abends h. 7** aber ein besonders starkes
Erzittern des Bodens mit einem nach und nach sich verlierenden
lloUen und einem leichten Klirren der Fenster bemerkt wurde.
Auch Karlsbad blieb am 29. Oktober nicht verschont,
wurde jedoch stärker von dem Erdbeben des 7. November (Mor-
gens vor 5 Uhr) betrofifen. Seine Wirkungen erstreckten sich
bis gegen Engelhaus hin mit unterirdischem dumi)fen lioUen
und Bewegungen von NW. nach SO. und Trossau, war jedoch
im Ganzen so schwach, dass an keiner der Mineralquellen irgend
eine Einwirkung sich weder in der Ergiebigkeit noch in der
Temperatur bemerkbar machte. Karlsbad scheint mithin schon
an der äussersten Grenze des Erschütterungsgebiets zu liegen.
Diese ErschĂĽtterungen vom 7. November sind nun durch
ihre Verbreitung und theil weise starke Wirkungen besonders
bemerkenswertli. Von Graslitz schreibt man hierĂĽber, dass nach
der sehr unruliigen Nacht vom 29. auf den 30. Oktober eine
r. OĂĽmhel: Ăśeber die Erdbeben in Bayern. 13
ziemliche Ruheperiode eingetreten sei, mit nur ganz einzelnen
schwachen Aeusserungen am 30. und 31. Oktober; am 4. No-
vember jedoch aufs neue stärkere St<)sse während des ganzen
Tages bemerkt wurden und am 5. Nachts h. P'* zwei starke
ErschĂĽtterungen erfolgten, die auch im benachbaHen Sachsen,
in Klingenthal, Brambach (hier auch schon am 4.), Schönberg
und anderen Orten gespĂĽrt wurden. Insbesondere war es die
Nacht vom 0. auf den 7. November, in der neben zahlreichen
schwächeren Erschütterungen um h. 8*^ ein sehr starker Stoss
erfolgte, wobei die Erde zitterte und bebte; dann stellten sich
schwächere Erschütterungen ein, bis Morgens h. 5^*^ einer der
stärksten Stösse. begleitet von langem donnerähnlichen Uollen,
sich ereignete. Neben den gewöhnlichen Aeusserungen kam
noch hinzu, dass an alten Bauten SprĂĽnge und Risse sich zeig-
ten. Auch Morgens h. 0^^ wiederholte sich der Stoss in ziem-
licher Stärke. Man will beobachtet haben, dass die Magnet-
nadel ziemlich starke Deklinationen zeigte.
An dem gleichen Tage (7. Nov.) wurde FrĂĽh Morgens
gegen 5 Uhr in Neu deck ein 15 Sekunden anhaltender, von
NW. nach SO. gerichteter wellenförmiger Erdstoss unter donner-
ähnlichem Rollen verspürt. Die Fenster klirrten, die Tlüiren
bewegten sich und viele (iegenstände tielen zu Boden.
In Eger erbebte um h. 4** an diesem Tage der Boden
7 Sekunden lang in Begleitung von unterirdischem d(ninerähn-
lichen Rollen in der Ilichtung von O. nach W. Die Schläfer
wurden dadurch aufgeweckt. Ein zwt?iter folgendt*r Stoss war
viel schwächer, während der erste als der stärkste bisher in
Eger wahrgenonmien angestjlien wunle.
Nachdem in Wildstein schon am 5. November Nach-
mittags und am fi. Aljends h. S**^ Erdstösse verspürt worden
waren, erfolgte am 7. November FrĂĽh h. 5 nsich vorausgegange-
nen schwächeren Bewegungen ein heftiger Erdstnss unter donn<'r-
ähnlichem Rollen, wobei die Bettstätten eini^^e Minuten lauy:
schwankten. Aehnliclies wird Much von Nenidorf bei Detschau
um die gleiclie Zeit ^^emeldet.
Auch in Falkenstein im Vogtlande wurde dieses Ereigniss
14 Süßung der math.^ya, Classe vom 15, Januar 1898»
FrĂĽh h. 5 in zwei aufeinander folgenden heftigen, innerhalb
6 Sekunden stattgefundenen Stössen verspürt.
Sehr bemerkenswerth ist, dass dieses wie es scheint stärkste
Erdbeben vom 7. November auch weiter im Westen, innerhalb
des Fichtelgebirges, bemerkt wurde. Nachrichten hierĂĽber sind
von Konnersreuth bei Waldsassen unfern Eger, dann vom
Markt Redwitz, Kirchenlamitz und mehreren anderen
Orten des Fichtelgebirges bekannt geworden.
Schwächere Erschütterungen erfolgten am 9. November
Nachmittags in Oelsnitz im Yogtlande. Auch Asch und Karls-
bad (hier ohne Aenderungen in der QellenbeschafiFenheit) wur-
den von diesen Bodenbewegungen des 7. ergriflen, die am 10.
sich leise wiederholten.
Falkenstein, das auch schon vom Erdbeben am 7. Nov.
betrofifen wurde, erlitt am 15. November (Nachm. h. 5*^) hef-
tige Erschütterungen. Am 16. wurden in einer grösseren An-
zahl Orte im Vogtlande von Bodenbeweguugen heimgesucht
wie Brambach, Schönberg, Klingenthal, Untersachsenberg, Adorf,
Längenfeld, Falkenstein, Ueichenbach u. a. 0. In Asch wurde
an diesem Tage und am 17. und 18. November (frĂĽh h. 4)
eine schaukelnde Bewegung des Erdreichs wahrgenommen. Da-
bei liess sich ein unterirdisches, donnerähnliches Getöse hören.
Bemerkenswerther Weise wurde in den benachbarten Orten Selb
und Rehau keine derartige Bodenbewegung verspĂĽrt, und selbst
am KammerbĂĽhl, dem basaltischen Kegelberg, zeigte sich keine
Erschütterung, während solche in der ganz nahe liegenden
Stadt Eger wiederholt beobachtet wurden. Ob damit die Er-
scheinung in Zusammenhang gebracht werden darf, dass jedes-
mal nach erfolgtem Stosse starker Nebel sich verbreitete und
dass nach länger anhaltendem Frost wetter jetzt warme W'itte-
rung, wie im FrĂĽhjahr eintrat, ist mehr als zweifelhaft. That-
sache bleibt, dass die Erdstösse zumeist Abends zwischen 8
und 11 Uhr und Morgens frĂĽh sich ereigneten. Es dauerten
die Erdbeben noch eine Zeit lang, doch seltener und weniger
heftig fort. In Falkenstein, in dem frĂĽher mehrfach Er-
schĂĽtterungen vorkamen, fanden solche noch am 23. November
ĂĽeher die Erdbeben in Bayern, 15
Nachmittags kurz vor 4 Uhr unter kurzem donnerähnlichen
Getöse und am 24. November in der Saalegegend statt.
Die letzte mir bekannte Nachricht stammt aus Kulmbach
und der Umgegend, wo am 29. November bei einem mit einem
Schneesturm verbundenen Gewitter frĂĽh halb 4 Uhr eine hef-
tige ErderschĂĽtterung stattgefunden haben soll. Doch ist dieses
Ereigniss als Erdbebenerscheinung nicht ganz sichergestellt.
Unzweifelhaft haben diese BodenerschĂĽtterungen einen ganzen
Monat, vom 25. Oktober bis 23. November angedauert.
Durch die gĂĽtige Vermittlung des Herrn Ai)othekers Alb.
Schmidt in Wunsiedel erhalte ich einige wichtige Nachrichten,
fĂĽr deren Mittheilung ich an dieser Stelle verbindlichst danke.
In Wunsiedel selbst hat Herr Schmidt keine Wahrnehmungen
ĂĽber seismische Erscheinungen machen ki'mnen. Einige v(m
Anderen angegebene Erschütterungen sind unzulässig und nicht
wohl zu berĂĽcksichtigen. Von Hof erhielt derselbe von Herrn
Reallehrer Dr. Anger er die Nachriclit, dass daselbst keine
Erdbebenerscheinung ])emerkt wurde, während in dem nur 7 km
von Hof entfernten Orte Feilitsch ein leichter Stoss wahrge-
nommen wurde.
Durch die gleiche Vermittlung erhielt ich einen Bericlit
von Dr. med. Castellieni in Frankesbad. Derselbe liat selbst
keine Wahrnehmung gemacht, jedoch bemerkt, dass während
der Erdbebenperiode weder die Mineralquellen eine Aendening
erlitten hal)en, noch ein Einfluss auf den Barometerstand sich
zeigte. Zuverlässige Männer haben in Frankesbad am 29. Okt.
kurz vor H Uhr Al^ends einen kurzen, massig starken Stoss,
dann am 7. November frĂĽh 8 Uhr schwache ErschĂĽtterungen,
die stärksten am 17. November 6**' Uhr und 7** Uhr früh, in
Begleitung von unterirdischem Greräusch, Erzittern des Bodens
u. s. w. und in der iliclitung von N. nach S. oder von NO. nach
SW. verspĂĽrt.
Schon am 5. November hat Herr Geh.-Kath Dr. Gredner
in Leipzig*) sich ĂĽber dieses Naturereigniss ausgesproclien.
') Ăśoilago d(T AllgĂĽiu. Zeit, vom G. Nov. Nr. 261.
.■••â–
.1
16 Sitzung der mathrphys, Classe vom 15, Januar 1898,
Nach eingehenden allgemeinen Betrachtungen ĂĽber die Erd-
bebenerscheinungen ĂĽberhaupt kommt er zu dem Schluss, dass
das Erdbeben vom Oktober — November 1897 zu dem sog. tek-
tonischen oder Qebirgs beben gehöre, welche fast jedes Jahr,
nur nicht immer in dem Maasse, wie dieses Mal im Vogtlande
wiederkehrten und ihren Grund darin hätten, dass in der apo-
dynamischen Tiefe der Erdrinde in Folge der AbkĂĽhlung
Schrumpfungen der starren Gesteine, Faltungen und Verschie-
bungen, Stauungen und Verwerfungen nebst Spaltenbildungen
stattfinden. Jede solche Verschiebungen seien im Stande einen
Stoss oder eine Anzahl von Stössen zu erzeugen, die auf der
Oberfläche als Erdbeben empfunden würden. Nun sei das
Gebiet des Vogtlandes, das Faltengebirge des ThĂĽringer Waldes
zwischen Fichtelgebirge und Erzgebirge, so dicht von solchen
Spalten und Verwerfungen, wie keine andere Gegend Deutsch-
lands durchzogen und daher auch sehr häufig von Erdbeben
heimgesucht, indem durch die sich unter dem gewaltigen Ge-
birgsdruck vollziehende Bildung neuer sowie durch die Erwei-
terung alter KlĂĽfte, ferner durch unterirdische Berstungen und
Rutschungen der losgetrennten Gebirgtheile sich solche Er-
schütterungen häufig ereigneten. Ich stimme mit der Annahme
ĂĽberein, dass das vorliegende Erdbeben in die Reihe der sog. tek-
tonischen gehöre, kann aber nicht annehmen, dass hierbei jetzt
die Abkühlung der inneren Wärme der Erde und ein dadurch
bewirktes Zusammenziehen der tieferen Gesteinsmassen (Schrum-
pfungstheorie) eine Rolle spiele. Dagegen spricht schon einfach
die Beschränkung des Ereignisses auf einen verhältnLssmässig
sehr kleinen Raum des Gebirgs. Bei apodynamischen Bewe-
gungen oder Auslösungen von Gesteinsmassen in der Tiefe
äussert sich die Erschütterungswirkung an der Erdoberfläche
auf weit sich forterstreckenden sog. Stosslinien. Allerdings ist
der SĂĽdrand des Erzgebirgs von grossen, der Hauptsache nach
von NO. nach SW. verlaufenden BrĂĽchen und Spalten vielfach
durchzogen, an welchen sich in frĂĽherer geologischer Zeit gross-
artige Absenkungen in den böhmischen Kessel vollzogen haben.
Diese Bruchspalten kreuzen sich fast rechtwinkelig mit jenen.
k
V. GĂĽmbel: Ueber die Erdbeben in Bayern, 17
welche in der Kichtung des ThĂĽi'inger Waldes verlaufen und
hauj>tsächlicli auf das Vogtland trefifen. Beide Bruchzonen,
namentlich aber die erstere, wurde in späterer geologischer
Zeit von Basalteruptionen benĂĽtzt, welche auf solchen Spalten
sich empordrängten. Dahin gehfirt namentlich der Basaltzug
des böhmischen Mittclgebirgs. Ich halte dafür, dass durch
diese Basaltaufbrüche in nicht sehr beträchtlicher Tiefe Zer-
bröckelungen des Gesteins veranlasst wurden, und nur schwach
untei'stĂĽtzte Schollen entstanden von solcher Gleichgewichtslage,
dass die geringste Beeinflussung eine Lagerungsänderung der-
selben bewirken konnte, wie es z. B. selbst durch meteoro-
logische starke Schwankungen möglich ist. Solche hierdurch
veranlasste Gesteinsniederbrüche innerhalb verhältnissmässig
kleiner Strecken und geringer Tiefe am SĂĽdrande des Erz-
gebirgs und der Kreuzung mit den FichtelgebirgsklĂĽften scheinen
mir diese ErderschĂĽttcrungen im Monat Oktober und November
bewirkt zu haben.
Die Längenerstreckung des Erschütterungsfeldes beträgt,
wenn wir Karlsbad ungefähr als nahe an dessen Rande liegend
annehmen, bis Wunsiedel im Fichtelgebirge beiläufig 60 km und
die Breite von etwa von Eger bis Oelsnitz 45 km. Dabei ist
es sehr bemerkenswerth , dass innerhalb dieses Gebiets grosse
Striche ganz von diesen seismischen Vorgängen verschont blie-
ben, wie z. B. Bad Elster und dass die innerhalb dieser Lfind-
schaft liegenden berĂĽhmten Mineralquellen von Karlsbad, Marien-
bad, Frankensbad während dieser langen l^eriode weder quan-
titativ noch qualitativ irgend eine merkliche Aenderung wahr-
nehmen Hessen, wie überhaupt von sonst bei Erdbeben häufig
beeinflussten gewöhnlichen Quellen oder Brunnen eine Einwir-
kung nicht erwähnt wird.
Trotz der häufigen Angaben von dem Eintritt eines Stosses
an verschiedenen weiter auseinander liegenden Orten ist ĂĽber
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit kein sicherer Anhaltspunkt
zu gewinnen, weil bei der Häufigkeit der aufeinander folgenden
Stösse keiner derselben als derselben Erschütterung angehörig
erkannt werden konnte. Der Eintritt des wie es scheint hef-
1898. SiUangsb. d. luatb.-pbys. Cl. 2
18 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 15. Januar 1898.
tigsten Stosses vom 7. November wird fast allerorts als gleich-
zeitig erfolgt angegeben. Im Anfang der Bewegung war der
Mittelpunkt des Ereignisses im Osten bei Graslitz, später scheinen
die ErschĂĽtterungen sich mehr gegen Westen gezogen zu haben
und denmach das Erdbeben zu den sogen, fortlaufenden oder
springenden zu zählen sein. Die Stösse der letzten Zeit wurden
nämlich in Graslitz, Neudeck und Carlsbad viel weniger heftig
gespürt als die der ersten Erschütterungsperiode, während sie
der Reihe nach in Schönbach, Bleistadt, Haslau, Frankenhammer,
Gossengrün, Rothau, Falkenau, Elbogen, Königsberg, Mariakulm
und Eger stärker sich bemerkbar machten. Als die südlichsten
Orte, aus welchen Nachrichten ĂĽber dieses Erdbeben bis jetzt
bekannt worden sind, können Königswart, Schlaggenwald und
Petschau gelten.
Die von Falkenstein im Vogtlande gemeldeten Erdstösse
am 25. November kurz vor h. 4 und von Oelsnitz am 25. No-
vember h. 2** FrĂĽh sind nicht absolut sicher festgestellt.
Ebensowenig wie ĂĽber die Geschwindigkeit der Fortbewe-
gung der Erdbeben, sind aus den Angfiben sichere Anhalts-
punkte ĂĽber die ĂĽbrigen Elemente solcher ErderscliĂĽtterungen
zu gewinnen.
19
Koordinaten-Transformationen in geodätischen
Dreiecknetzen.
Von J. H. Franke.
(Bk'ngttauftn 15, Januar.)
Die an den Namen des Geodäten und Astronomen Soldner
geknĂĽpfte bayerische Landesvermessung war in den ersten Jahr-
zehnten dieses Jahrhunderts ein vorbildliches Muster und ist es
in manchen Beziehungen lange geblieben. Die EinfĂĽhrung
rechtwinklig-sphärischer Koordinaten, heute Soldner'sche Ko-
ordinaten genannt, bildete einen bedeutsamen wissenschaftlichen
Portschritt, während gleichzeitig die an die Koordinaten ge-
knüpfte Systematik der Landesvermessungsblätter für die geo-
dätische Technik von höchster Bedeutung war.
In der That ist die Soldner'sche Projektion, zu den Cylinder-
projektionen gehörig, in vorzüglicher Weise zur bildlichen
Darstellung eines Landes geeignet, welches links und rechts
von der Vermessungsachse nur eine Ausdehnung von etwa
200 km, also eine Breite von 400 km hat. Sie lässt in dieser
Ausdehnung die sphärische anstatt der sphäroidischen Rech-
nung noch als zulässig erscheinen und hat dabei den Vortheil
der geringsten linearen und Flächen-Verzerrung, wenn
für massige Entfernungen von der Vermessungsachse die sphäri-
schen Koordinaten als eben und rechtwinklig, bzw. kongruent
angesehen werden. Hier bringen sie dann die wirklichen
Längen und Flächen mit der möglichst kleinsten Linear- und
Flächenverzerrung zur Darstellung.
2»
20 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 15. Januar 1898,
Die bayerische Landesvermessung und auch die anderer
Länder ist einheitlich, d. h. auf einen Nullpunkt und eine
Vemiessungsachse koordinirt. Dies bedingt wegen der Quer-
ausdehnung des Landes bis zu Ordinaten + 180 km die stete
Beibehaltung sphärischer Koordinaten, die auch in der Durch-
führung grundsätzlich erfolgt ist. So zulässig dies auch für
die ältere Vermessung erscheint, da diese eine graphische war
und mit dem Messtische erfolgte, so vielfach erschwerende Nach-
theile hat jene Beibehaltung fĂĽr die Praxis der modernen
Landesvennessung. Diese ist nämlich von der grai}hischen
Aufnahme allgemein zur Zahlen methode, d. h. zur Theodolit-
winkel niessung und zur direkten Längenmessung übergegangen
und demnach zur ausgesprochenen trigonometrischen Methode
geworden. Die so geänderte Technik in Verbindung mit den
gesteigerten Genauigkeiisanforderungen, die sich im Verflusse
nahezu eines Jahrhunderts in der Vermessung vollzogen haben,
macht eine Weiterbildung des Bestehenden zur gebieterischen
Notwendigkeit. Eine gänzliche Umbildung, wie sie in der
EinfĂĽhrung der strengen konformen Abbildung (nach Gauss)
liegen wĂĽrde, kann wegen ihres tieferen Eingreifens erst in
zweiter Linie in Betracht kommen. Es handelt sich demnach
zunächst darum, unter Beibehaltung der Soldner^schen Projektion
und der systematischen VorzĂĽge von dessen einheitlicher Ko-
ordinirung zu Koordinatensystemen zu gelangen, welche ihre
Brauchbarkeit für die ältere Landesvermessung behalten und
doch gleichzeitig den Anforderungen der heutigen trigono-
metrischen Messungsmethode angei)asst sind. Weiter ist dann
der etwaige Uebergang zu konformen Koordinaten zu erörtern.
Es dĂĽrfte den nachstehenden Entwickelungen zu statten
kommen, wenn hier die Grundlagen und Formeln der Soldner'-
schen Koordinaten kurz vorangestellt werden.
A. Ein durch den Normalpunkt gelegter Vertikalschnitt
(gewöhnlich, nicht notwendig, der Meridian jenes Punktes)
bildet die Vermessungs- oder Abscissenaclise, der auf dieser im
Nullpunkte senkrecht stehende Grosskreis die Haupt- oder
Direktionsachse (Ordinatenachse). Die Ordinate (o) eines Punktes
J, H, Franke: Koordinaten-Transformationen, 21
ist das von demselben auf die Vermessungsachse gefällte Per-
pendikel ; Abscisse (a) des Punktes ist das von dem Fusspunkte
des Perpendikels und vom Normalpunkte aus gezählte Stück
der Vermessungsachse. Die orientirenden Richtungen (Direktions-
winkel) der Vertikalschnitte zählen von der Ordinatenrichtung
aus im rechtsläufigen Sinne. Die Messblatteintheilung steht
mit dem sphärischen Koordinatensystem in genauester Ver-
bindung.
Ist l die normale Länge des (quadratischen) Blattes und
M die Massstabsgrösse, so ist die (verjüngte) Blattseite IM.
Die Vermessungsachse sei nördlich und südlich vom Nullpunkte
in gleiche Abstände Z Jf (Schichten N) geteilt; auf den von
diesen Punkten ausgehenden Ordinatenkreisen seien von der
Vermessungsachse aus die gleichen Abstände l M (Reihen oder
Nummern n) aufgetragen. Hierdurch entsteht ein Netz kleiner,
nach Ost und West wegen der Konvergenz der Ordinatenkreise
sich stetig in der Höhe verringender Vierecke, welche die
Messblätter bilden.
Mit den HilfsausdrĂĽcken
1
sin 1
m = s ^ijx(p\ n = scos99; ft>=_:_n^^
sind die Soldner'schen Linearkoordinaten a und o gegeben durch
fifl ( w^ \
<Pt= 180 + 97, + -^ U + -j
(1)
in welchen die dritten Glieder die sphärischen Ergänzungen
(ia), (<5o), (39^)
darstellen. Für die Polarkoordinaten bestehen mit {a^ — a^
= Ja und (o^ — 0^) = Ao die Gleichungen
22 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 15. Januar 189S.
. Aa ( , {Aon
2iP
(2)
. /la /, (Jo)»\ . ,{Aaf( .Ao\
sin 9? cos 9?
als erste Näherung (wegen Gleichsetzung von m und n mit
Aa^ bzw. -Jo), die indess für alle gewöhnlichen Landesver-
messungszwecke ausreicht.
Für die Blatthöhenverkürzung v^ kann die Richtung und
Länge l der Blattseite nordsüdlicher Richtung mit dem unter
dem Direktionswinkel 90® durch eine Blattecke gelegten Vertikal-
schnitt identificirt werden. Man hat dann aus der ersten der
Gl. (1), mit 0 die Mittelordinate des Blattes bezeichnend,
VH = 2-jj-, (3)
in natĂĽrlichem Masse. Hieraus folgt, da die Blattseiten west-
östlicher Richtung definitionsgemäss unverkürzt bleiben, die
Flächenverkürzung eines (quadratischen) Blattes
Entsprechend der bildlichen Darstellung in der Ebene sind
auch die Abscissen der Koordinatenpunkte verkĂĽrzt aufzutragen.
Bezeichnet a„ die Abscisse des der Direktionsachse zu-
nächst liegenden Blattrandes, so ist der Abscissenrest (a — a„)
ähnlich Gl. (3) um
Va — 2 Jja ^^)
zu verkĂĽrzen.
Die trigonometrischen Arbeiten sind nach den Gl. (1) und
(2) in der Regel durchaus sphärisch geführt worden, in den
Planarbeiten der grapliischen Aufhalmie sind gleichfalls die
sphärischen Beziehungen (8) und (5) zur Beaclitung gelangt,
J. IL Franke: Koordinaten- Trans formatia)ien, 28
während lediglich das ty der Gl. (4) unbeachtet blieb. Die
moderne Landesvermessung hat es mit durchaus anderen Ver-
hältnissen zu thun. Anstatt der früheren 2 bis 3 Koordinaten-
punkt-Ordnungen bestehen jetzt 7 bis 8 (5 trigonometrische,
2 polygonometrische und gegebenenfalls 1 geometrische); zu-
gleich ist die Zahl der Koordinatenpunkte um das mehrhundert-
fache gewachsen. Die Gl. (1) ist in den Punktordnungen
I — III, dann IV und V mindestens von o = 0 bis 20, bzw. 40 km,
in den Ordnungen VI und VII von 60, bzw. 90 km an (hier
beschränkt auf das erste Glied der sphärischen Ergänzung) zu
beachten. Das Gleiche gilt von o = 90 km an fĂĽr die Gl. (3)
und (5), während Gl. (4) durchaus zur Anwendung gelangt.
Alle diese technischen Massnahmen sind bedingt durch die ge-
steigerten Genauigkeitsanforderungen in Verbindung mit der
heutigen Plandarstellung in grosserem Massstabe. Die wesent-
lichste Anforderung besteht nun darin, alle diese sphärischen
Beziehungen Gl. (1)— (5) unmittelbar in die Koordinaten auf-
zunehmen, d. h. diese als eben betrachten zu dĂĽrfen, und so
durch Vereinfachung und Fehlerquellenverschliessung, insbe-
sondere auch der zalilenmässigen Behandlung geometrischer
Minimalgrössen, den technischen Wert und die Genauigkeit der
modernen Vermessung zu steigern. Die mathematische ErfĂĽl-
lung jener Anforderung ist an und fĂĽr sich leicht, kann jedoch
durch eine wesentliche Bedingung erschwert werden, die darin
besteht, dass die neuen Koordinaten mit geometrisch hinreichen-
der Genauigkeit in den allgemeinen Landesvermessungsblättem
der einheitlichen Koordinirung unmittelbar verwendet werden
können. (Dieser Fall ist, wie in Bayern, dann vorhanden,
wenn keine vollständige Neuvermessung des ganzen Landes-
gebiets vorliegt.) OfiFenbar kann diese Bedingung nicht ledig-
lich durch Verkleinerung der neuen Systeme, sondern nur durch
eine derartige Lage der neuen Koordinatenachsen erreicht wer-
den, dass der Abweichungswinkel gegen die ui*sprĂĽn glichen
Achsen der minimalste wird. Hiermit ist zugleich ausge-
sprochen, dass die Meridiane der neuen Xonnalpunkte, wenn
der Meridian des Nullpunktes der einheitlichen Koordinirung
24 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 15, Januar 1898,
Vemiessungsachse war, nicht als neue Achsen dienen können,
da in unseren Breiten bei 100 km Querabstand die Meridian-
konvergenz > P ist.
B. Dementsprechend wird definirt : Die Haupt- oder Direk-
tionsachse des lokalen Systems bildet der bisherige Ordinaten-
kreis des neuen Nullpunktes N' im ursprĂĽnglichen System U,
die neue Vermessungs- oder Abscissenachse der hiezu senkrechte
Vertikalschnitt in N\ Abscissen und Ordinaten im neuen
Systeme sind ähnlich wie im ursprünglichen Systeme, also als
Abschnitte, bzw. Perpendikel der neuen Vermessungsachse
definirt. Das System ist denmach wieder ein sphärisches nach
Soldner. Es sind die allgemeinen Koordinaten (a, o) eines
Punktes Ă„ in solche (iP, y) des neuen Systems mit dem NuU-
l)unkte N\ (a^, Oq) zu transformiren.
Es bestehen die Grundgleichungen im Systeme U
a — a^ = J a = 5 sin 9? + (^ ^) I (rT\
0 — Oq = A 0 = s cos cp -{■{d o) )
und im System N
x = ssmq) -{- (dx)
y = scos(p'{-{dy)
wo s der Vertikalschnitt N' A,
Durch EinfĂĽhrung von (U) in (X) folgt
} (N)
x = Aa + {6x) — {da) ^
y = Jo + (iy) — (io) /
(a)
und da nach 61. (1)
n
3
ist (letzteres unter Beachtung, davss die Koordinaten des neuen
Nullpunktes gleich Null sind), so erhält man
/. H. Franke: KoorditMten-Transfonnationen.
25
(dx) — {da) =
(öy)-(do) =
m
(0» - y*)
nf
0,
2i? «
woraus durch Einsetzung in 61. (a)
m
x = Aa — ^^(o + y){o — y)
(6)
Mit fĂĽr weite Grenzen hinreichender Sicherheit gelten die
Vereinfachungen m = Ja, n = Ao und y = (o — o^), daher
x = Aa — j^(o — '^Aoo = Aa + d
4 , (^«)*
= Ao + d'
(7)
Dies sind die fUr vereinfachte tabellarische Behandlung
eingerichteten Transformationsformeln. Man leitet aus ihnen
die ĂĽmkehruugen ab
X
o = («0 + «) + -^ ß + y j Oo = K + a;) + <J,
0 = (Oo + y) —
X'
2i?
= K + y) + <5|
(8)
die, weil in ihnen x = Aa und y =: Ao gesetzt sind, als erste
Näherung gelten. (Die Transformationen (6) sind von mir
gelegentlich einer anderen Arbeit bereits 1890 in Nr. 3022 der
A. N. abgeleitet worden.)
Es ist noch die Frage der geringsten Achsenkonvergenz *)
zu erledigen, die hier lediglich hinsichtlich der Konvergenz der
neuen Achsen mit den Messblattseiten der einheitlichen Koordi-
^) Diese Konvergenz erhält man auch ganz kurz durch die dritten
der Gl. (1) und (15), nämlich c" =
her Gl. (9).
ff CO • moQ o) • J a • Oq
Ri
R^
, wie nach-
26 Sitzung der mathrphys, Classe vom 15, Januar 1898.
nirung in Betracht kommt. In dieser letzteren Beziehung ist
sie ausfĂĽhrlicher zu betrachten.
Die Koordinaten eines quadratförmigen Soldner'schen Blattes
im einheitlichen System, hier der KĂĽrze halber a und o positiv
genommen, lassen sich ausdrĂĽcken durch
Ecken. SO. SW. NW. NO.
(b)
a a a'\-hM a + l-M
Im lokalen Systeme vermöge (7) durch
SO. SW.
NW. NO.
Die Subtraktion gibt unter Abwerfung der zu vemach-
IM (IMY
lässigenden Glieder -^ und ^^ sowie Uebergang zu natür-
lichem Masse durch Division mit der Massstabsgrössc M die
lineare Divergenz c = ^so.— ^sw. = <5no. — <^>w., dann ^'no. — ^'so.
= ^'jTvv. — ^'sw. der älteren Blattseitenrichtungen mit den neuen
Koordinatenachsen für die Blattlänge l
c = -^^ (9)
Denkt man sich die Mitten der Seiten eines identischen
Blattes, einmal mit lokalen, dann mit allgemeinen Koordinaten
konstruirt, zur Deckung gebracht, so wird die ganze Konver-
J, H. Franke: Koordinaten- Transformationen. 27
genz zur Hälfte mit + ^^d — ^-^f ^0 4 Blattecken geworfen,
so dass fĂĽr diese der Ausdruck besteht
«.-±t^ (10)
Der lineare Wert von Cg kann nicht höher als 0,05 mm,
die äusserste Anfangsgrenze der geometrischen Darstellbarkeit,
, angenommen werden; hiernach sind Aa und Oq durch die
Gleichung
0,00011? = r Ja. Oo (11)
verbunden.
In ähnlicher Weise leiten sich die Blattabmessungen ab.
Man findet aus den vorhin benützten Gl. (b) erst für die öst-
lichen und westlichen, dann für die südlichen und nördlichen
Blattseiten, wieder unter Abwerfung von ^^ — ^ — , die Näherungs-
ausdrĂĽcke
A A X A 1 (2o— Oo)
Vi = Ojno, — ÖQo. = öNw. — ösw. = (> — ö~pä — ^0
V'i = ^SW. <5s0. = ^NW. — ^NO. = 0
(12)
Dasselbe Blatt hat in lokalen Koordinaten, die ja gleich-
falls sphärische sind, wieder eine Verkürzung der Blattlängen
in der Abscissenrichtung, die ähnlich wie (3), wenn wie hin-
reichend y = (0 — Oq) gesetzt wird,
beträgt, während definitionsgemäss und wie oben die Blatt-
längen in der Ordinatenrichtung ungeändert bleiben. Die Ad-
dition gibt
"' + *'' = i ^'^ 0 - 0«) o„ + (0 - Oo)») = l^i (U)
Das ist also die thatsächliche Blattverkürzung Vh der Gl. (3).
(Dass das hier gebrauchte 0 gegen das dort benĂĽtzte eigentlich
(0 — - J, ist für die Differentialformel (14) ohne Belang).
28 Sitzung der math.-phys. Classe vom 15. Januar 1698,
Der Zweck der transformirten Koordinaten x, y besteht
darin, sie innerhalb gewisser Ausdehnungsgrenzen als ebene
Koordinaten betrachten zu können, demnach von den strengen
Gleichungen
zu den genäherten
(15)
}
(16)
a:, = ajj + m
übergehen zu können. Hierfür ist das Maximum der Ordinate
y massgebend. Die Genauigkeitsanforderungen können ver-
schiedene sein und bemessen sich nach der Grösse der linearen
(v) und der Richtungsverzerrung (v) bei der Abbildung in der
Ebene. Diese sind im Soldner'schen Systeme wie bekannt und
auch leicht zu finden
1+. =1+ W3in^+(^o)cosy. ^^^ sm^ (o]+o,o,+oD^)
6iP
, {da)cos(p — (do)sm(p
s
a, — a, . . sm9?cos99
^ (2 0, + 0,) + -^^-^ (o; + o,o,-\- Ol)
(17)
Somit hat die lineare Verzerrung ihr Maximum in der
Abscissenrichtung, die Richtungsverzerrung im Oktanten.
Die numerische Auswertung gibt hiefĂĽr bei y = + 40 km
und bei s = 7 km.
Max. l, = l: 50000; Max. r, = 3" (18)
Hiemach bestimmen sich die Querausdehnungen lokaler
Systeme und damit auch deren Nullpunktsordinate Oq durch das
o2
^) Für Ol = 0, wird 1 + r = 1 + — ^ sin* (p.
J. H, Franke: Koordinaten- Transformationen. 29
zulässige Max. von y. Die Ausdehnung in der Abscissenrich-
tung (x) könnte über 200 km steigen, wenn nicht gegebenen-
falls die wichtigen Gleichungen (10), bzw. (11) bestlinden. Mit
l = 0,5 m, dann y = + 40 km wird zunächst erhalten für
Oq = + 80 km, sodann fĂĽr o^, = + 160 km, nach Gl. (11)
Aa = 102 km, bzw. 51 km.
Das Ergebniss der vorstehenden Darlegung ist sonach:
Werden die sphärischen Koordinaten der einheit-
lich koordinirten Dreieckspunkte höherer Ordnung
eines Soldner'schen Netzes mittels der Gl. (7) auf neue
Koordinatenachsen derart, wie sie Seite 24 definirt
sind, transformirt, so erhält man wieder ein System
rechtwinklig-sphärischer Koordinaten. Man kann diese
transformirten Koordinaten innerhalb gewisser, aus
(17) abzuleitender Genauigkeitsgrenzen als ebene be-
trachten und sodann mit den einfachen Formeln (16)
weiter rechnen. Nach den in (18) gegebenen numeri-
schen Auswertungen ist dies vom Dreiecknetz UI. Ord-
nung abwärts an bei y = + 40 km zulässig mit einer
linearen Genauigkeit 1:50000 und einer maximalen
Richtungsverzerrung von 3". Zugleich geben bis zu
dieser Grenze y = + 40 km die ebenen Koordinaten
das Landesvermessungsblatt der einheitlichen Koordi-
nirung wieder mit einer Abscissenverzerrung im Maxi-
mum von 1 : 50000, was gleicherweise fĂĽr die aufzu-
tragenden Abscissenreste gilt. Vermöge der Gl. (11)
und der obigen numerischen Auswertung lassen sich
die transformirten Koordinaten als ebene gleich den
einheitlich sphärischen Koordinaten innerhalb der
Werte y = + 40 km und Aa = x = + 102, bzw. 51 km bei
0^=5 + 80, bzw. 160 km bis zu einer Maximaldifferenz
von 0,05 mm fĂĽr alle Planarbeiten im einheitlichen
Blattsystem der Landesvermessung unmittelbar ver-
wenden.
30 Sitzung der mathrphya, ClcLsse vom 15, Januar 1898,
Hienach sind durch die transformirten (ebenen)
Koordinaten die sämmtlichen (trigonometrische wie
geometrische) sphärischen Beziehungen der Gl. (1) — (5)
innerhalb technisch zulässiger Grenzen zahlenmässig
in diese Koordinaten aufgenommen.
C. Die bisher behandelte Soldner'sche (kongruente) Pro-
jektion ist neuerer Zeit durch eine konforme Abbildung (nach
Gauss), in welcher Original imd Abbildung in den kleinsten
Teilen ähnlich sind, hie und da ersetzt worden. Von Herrn
General Schreiber wurde sie in modificirter Form als konforme
Doppelprojektion der preussischen Landesaufnahme zu Grunde
gelegt, und neuerdings durch Herrn Jordan in der Mecklen-
burgischen Landesvermessung theoretisch und praktisch weiter
entwickelt. Ihr eignen gewisse principielle VorzĂĽge, besonders
auch fĂĽr die einheitliche Projektion eines sehr grossen Landes-
gebiets. Lidessen hat schon 1876 Herr Helraert darauf hin-
gewiesen, dass die konformen Koordinaten ihren grossen Wert
auch in der allgemeinen Landesvermessung haben. Zwar ist
ihre absolute Flächenverzerrung nahezu doppelt so gross als
die Soldner'sche, dafĂĽr jedoch nach allen Richtungen gleich-
mässig und gleichzeitig werden die Kichtungsverzerrungen so
gering, dass in weit grösserer Ausdehnung die ebene Triangu-
lii*ung zulässig erscheint.
Seien f, i] die rechtwinklig - konformen Koordinaten, so
hat man die wichtigen, unseres Wissens zuerst von Herrn
Helmert aufgestellten Vergleichungen zwischen kongruenten
und konformen Koordinaten, die allen hier zu machenden An-
wendungen zu Grunde liegen, nämlich
^ (19)
"^^'i^'^^E^ + dw)]
wobei für eine sphärische Rechnung bis zu o < 200 km das
Glied vierter Ordnung vernachlässigt werden kann. Inner-
halb dieser Grenze sind dann die vorigen Verzerrungen (17)
nunmehr
J. H. Franke: Koordinaten-Transformationen. 31
„,»_«,_ p_(«^)cosy ((5o)siny (o'-o?Ln^-««-«voo . . >
(20)
Deren Vergleichung mit den (17) zeigt die principiell und
technisch gleich wertvolle gleichmässige Linear Verzerrung
bei Gauss, während die Richtungsverzerrung nur aus dem ersten
Soldner'schen Gliede besteht. Die erstere ist dem Maximum
von Soldner gleich, die zweite dagegen erheblich niedriger.
Diese ist fĂĽr y = 90 km und 5 --= 7 km in der Oktantenrichtung
hier 1", 2, fĂĽr Soldner jedoch 12", demnach bei der Konfor-
mität weit günstiger. Dagegen hat allerdings die Flächenver-
zerrung, die nach (4) und (17) bei Soldner vermöge der linearen
Beziehung s'= s f 1 + ^r sin* 9? ) im durchschnittlichen Mittel
TTüi" beträgt, hier den konstanten Wert —=c^ .
J Kr H
Es liegt nahe, dass die älteren graphischen Aufnahmen in
den möglichst kleinsten linearen und damit Flächenverzerrungen
das wesentlichste Moment erblicken mussten. Mit demselben
Rechte kann aber die auf Winkelmessungen sich aufbauende
moderne Vermessung, wie schon von FrĂĽheren hervorgehoben,
das Hauptgewicht auf die geringere Richtungsverzerrung legen ;
das umsomehr, als die erhöhte mittlere Flächenverzerrung noch
innerhalb technisch zultissiger Grenzen bleibt und die linearen
Maxima in beiden Systemen die gleichen sind. Ueberdem
könnte erstere auch einschliesslich der Reduktion vom Pro-
jektions-Horizont auf das thatsächliche Vermessungsniveau in
einfachster Weise bei den Schlussflächen berücksichtigt werden.
Innerhalb der oben angegebenen Grenzen lassen sich dem-
nach mittels der Gl. (19) kongruente in konforme Koordinaten
überführen. Soll jedoch vom Netze HI. Ordnung abwärts an
die ebene Triangulirungsberechnung, bzw. die Gleichsetzung
der geodätischen mit den ebenen Dimensionen möglich werden,
1) FĂĽr o, = o, wird 1 + 7=1+2^^.
32 Sitzung der matK-phys, Classe vom 15. Januar 1898,
so kann dies bei grösserer Ausdehnung des einheitlichen Netzes
zum Aufgeben der bisherigen einen Vermessungsachse, also zur
Anlegung besonderer Kleinsjsteme nötigen, in denen die Ordi-
naten höchstens bis 80 oder 90 km gelien, wobei das Maximum
der linearen Verzerrung etwa 1:10 000 ist. Die Wahl der
lokalen Vermessungsachsen unterliegt keiner mathematischen
Beschränkung, selbst wenn die Beibehaltung der geometrischen
Abschlussgi'enzen der älteren Landesvermessungsblätter dabei
Bedingung wäre. Nur würde es sich bei grösserer Konvergenz
der lokalen Achsen mit der Richtung der ursprĂĽnglichen Ver-
messungsachse um umständlichere Transformationsarbeit sowie
darum handeln, dass die neuen Achsenrichtungen mit den
Bljitträndern stärker und geometrisch merkbar divergirten.
Das wären indess keine mathematischen, sondern lediglich
technische Hemmnisse.
Einschneidender ist die bereits in Theil B erörtei*te, nicht
bloss angenommene, sondern thatsächlich bestehende Bedingung,
dass die neuen Koordinaten für die älteren Landesvermessungs-
blätter unmittelbar benutzbar bleiben sollen. Das schränkt
nicht nur die den neuen Systemen zu gebenden Abmessungen
ein, sondern bedingt auch die Definition der neuen Aclisen
behufs Herbeiführung der geringst möglichsten Achsenkonver-
genz. Die Erfüllung dieser Bedingung zwingt daher vermöge
der 61. (10) und (11) wieder dazu, den älteren Ordinatenkreis
und dessen Perpendikel im neuen Nullpunkte zu Achsen zu
nehmen. Vermittels der Transformationen (6) und (7) gelangt
man zu neuen rechtwinklig-sphärischen Koordinaten, die nach
den Gl. (19) in rechtwinklig konforme ĂĽbergefĂĽhrt werden. Diese
beiden Transformationen würden dann zweckmässig in eine ver-
bunden. Sind f, }] die konformen Koordinaten, a^, o^ die des
neuen Nullpunktes, so ist nach (19)
v==yl
(21)
sodann mit BerĂĽcksichtigung von (7) unter Weglassung der
Glieder höherer Ordnung als der zweiten
J. U. Franke: Koordinaten- Transformationen.
33
f = zlo
^,{o-fjo, = Aa + id)
denen die ZnrĂĽckfĂśhrungsformeln entsprechen
« = K + f) + |ä(|' + ^)öo
(22)
f»
ö = (Oo + »;) — 2^0^
0^ —
6U=
(22 a)
Diese Transformationen sind demnach nur um Weniges
umständlicher als die (7) und gleich diesen leicht tabellarisch
einzurichten. Eine sofort anzustellende Untersuchung ergibt,
dass die Blattrichtungsdivergenz hier nur um zu vernach-
lässigende Glieder vierter Ordnung von der bei (9) entwickelten
abweicht und daher wieder die Gleichungen bestehen.
l' Aa^ 0,
0.
(22b)
und fĂĽr CĂź == 0,05 mm
0,0001 22« = Z. Ja. Oo (22c)
Die Blattseitenlängen in der Abscissenrichtung sind hier,
wie sich aus der Diskussion der Gl. (14) in Verbindung mit
dem Konformitätsprincip ergibt, gleich l ( 1— ^ — ö"pi +9^« )'
demnach in konformen Koordinaten ausgedrückt, um — ^Bi
2 jfi
vergrössert, während auch die im vorigen Systeme unverändert
gebliebenen Blattseiten in der Ordinatenrichtung hier eben-
falls um
V(
^{Ao;)^-{Ao,f^^ {Aof
&R
2iP
V( .
vergrössert erscheinen. Das Verhältniss -^ ist für 0 = + 90 km
noch 1 : 10 000 und gibt somit kein Hindemiss ab, die trigono-
1898. Bltemigib. d. mattu-phyB. GL
8
34 Sitzung der mathrphya. Glosse vom 15, Januar 1897.
metrischen und geometrischen Arbeiten der Landesvermessung
vom Netze IQ. Ordnung abwärts an durchaus in der Ebene zu
fĂĽhren.
Die gewonnenen Ergebnisse lassen sich dahin aussprechen:
Wenn die Linear-Koordinaten (mit a und o<200 km)
einer einheitlich sphärischen Koordinirung in kon-
forme ĂĽbergefĂĽhrt werden sollen und dabei die Be-
dingungen bestehen, dass sodann: 1) die sämmtlichen
trigonometrischen und geometrischen Arbeiten inner-
halb entsprechenden Vernachlässigungsgrenzen in der
Ebene zu fĂĽhren sind, und 2) die neuen Koordinaten
ohne technische Schwierigkeiten nicht nur die alten
Landesvermessungsblätter wiedergeben, sondern auch
fĂĽr Planarbeiten in diesen unmittelbar als ebene Ko-
ordinaten benutzbar seien, so fĂĽhrt der einfachste
Weg hierzu nur ĂĽber transformirte (lokale) Koordi-
naten. Das entsprechende Mittel zu diesem Zwecke
liegt dann lediglich in der passenden Wahl der neuen
Koordinatenachsen unter veranlasster Begrenzung der
lokalen Systeme.
Der Hauptzweck aller dieser Transformationen bestand in
dem Wegbringen der sphärischen Beziehungen, bzw. deren
unmittelbare Aufnahme in die Koordinaten. Es wird dies
gleichermassen erreicht durch transformirte Soldner'sche oder
konforme Koordinaten. In theoretischer Beziehung bleiben nach
diesen Ueberführungen die bekannten Mängel und Vorzüge
beider Koordinatenarten bestehen: Die grössere Richtungsver-
zerrung und die ungleichmässige Linearverzerrung mit mittlerer
geringerer Verzerrung der Flächen bei Soldner, während das
Gegenteil für die Konformität gilt. Eine graphische Aufnahme
wird sich für das erstere entscheiden können, während der Zahlen-
methode der modernen Landesvermessung zumeist die geringere
Richtungsverzerrung im Vereine mit der (differentiellen) Gleich-
mässigkeit der Linearverzerrung als wichtigste Bedingung gilt.
Indess kann man sich in einem vorliegenden Kongruenzsystem
principiell fĂĽr die Beibehaltung kongruenter Koordinaten ent-
J. U, Franke: KoardincUen- Trans formcUionen. 35
scheiden, wenn denselben wie hier eine Einrichtung gegeben
wird, dass sie technisch als ebene Koordinaten betrachtet wer-
den können und zugleich in den Plänen der einheitlichen Ko-
ordinirung unmittelbar verwertbar sind.
D. Es genĂĽgt wohl, nur kurz daran zu erinnern, dass
durch die Transformationen (7) und (22) wieder sphärische
Koordinaten (x, y\ bzw. konforme (f, rf) gewonnen werden.
Zufolge dessen kommt diesen derselbe Anwendungskreis zu, als
den ursprĂĽnglichen Koordinaten a, o; sie mĂĽssen demnach
sämtlich gleichzeitig < 200 km bleiben. Die Bedingung y < 40 km
oder ly < 90 km grĂĽndet sich nur auf die Absicht, innerhalb
zulässiger Grenzen mit durchaus ebenen Koordinaten arbeiten
zu wollen, und ebenso bezieht sich die in der Gleichung
0,0001 JR^ = 1 ' Aa ' 0 gegebene Einschränkung der zulässigen
Ausdehnung von A a lediglich auf die unmittelbare Verwertung
der neuen Koordinaten in den Messblättem der ursprünglichen
(einheitlichen) Koordinirung. Könnte man hiervon absehen, so
wĂĽrde man mit den transformirten (x y\ bzw. (f rj) in den
angegebenen Grenzen (200 km) die bekannte sphärische Ko-
ordinatenberechnung haben, wie sie im Soldner'schen Systeme
durch die Gl. (1) und (15) ausgedrückt ist. Für die Konformität
pflegt man allerdings bei der Neuanlage einer umfassenden
Landesvermessung einen ganz anderen Weg einzuschlagen, ge-
gründet auf sphäroidische Beziehungen, bzw. geographische
Positionen, in Form von XJebertragungen zwischen Ellipsoid
oder Kugel und Ebene. Wenn jedoch in einem sphärischen Netze
unter Beibehaltung der bisherigen Hauptachse vermittels der
Beziehung iy = o 1 1 + w^ ) von bereits bestehenden Soldner'-
schen Koordinaten zu konformen übergegangen worden wäre,
so liegt es nahe, die Form der Soldner'schen Berechnungsweise
im Wesentlichen beizubehalten, d. h. direkt auf der Kugel zu
rechnen. HierfĂĽr kann noch ein weiterer Grund sprechen,
wenn nämlich die sphärischen Ergänzungen nicht logarithmisch
gerechnet, sondern bezĂĽglichen Diagrammen entnommen werden,
wie es z. B. im bayerischen Dreiecksnetze zumeist geschieht.
36 Sitzung der matK-phys, Classe vom 15. Januar 1898.
Man kann daher die sphärischen Berechnungsformeln für die
konformen Koordinaten den 61. (1) und (15) anpassen, wobei
man in leichter Ableitung erhält:
f, = f. + « +2^.('?'-f)
Vi = Vi + « +
(9,) = (9',) + 180 + -^ (r,, + I)
(y)
In einem bereits bestehenden Landesnetze mit rechtwinklig
konformen Koordinaten wĂĽrden diese AusdrĂĽcke nur fĂĽr einzelne,
neu einzuschaltende Punkte I. oder 11. Ordnung zur Anwendung
gelangen, soweit hierbei sphärische anstatt sphäroidische Rech-
nung und Einschränkung auf Glieder zweiter Ordnung zulässig
ist. HierfĂĽr reichen die Formeln aus und gestatten mit Hilfe
jener Diagramme besonders bei den Netzpunkten H. Ordnung
n'
erleichterte Rechnung, da das dritte Glied 07^ nochfĂśrn=17km
< 0,005 m bleibt. Für die sämtlichen geodätischen Arbeiten
vom Netze IH. Ordnung abwärts an sind aber diese For-
meln ebenso, wie vorher fĂĽr die Soldner'schen Gl. (1) nach-
gewiesen, technisch unpraktikabel, weshalb hier gleichfalls zur
Gewinnung ebener Koordinaten lokale Systeme und Transfor-
mationen entsprechend den Gl. (22) geboten sind.
37
Ueber gewisse Umkehrprobleme aus der Theorie der
elliptischen Integrale.
Von F. Lindemann.
(Simgdtntfm 16, Jammor,)
Die folgenden Erörterungen sind veranlasst durch den
Versuch, die Formeln fĂĽr die Bewegung eines Planeten um
die Sonne durch Grenztibergang aus denjenigen Gleichungen
zu gewinnen, welche fĂĽr einen von zwei festen Centren nach
dem Newton'schen Gesetze angezogenen Punkt gtiltig sind.
Es ergab sich, dass dieser GrenzĂĽbergang nicht so einfach aus-
zufĂĽhren ist, wie man erwarten mochte; durch Anwendung
der Formeln fĂĽr die Additionstheoreme der elliptischen Func-
tionen und Integrale Hessen sich die gebräuchlichen Formeln
herstellen. FĂĽr die Theorie dieser Integrale folgte hieraus das
vielleicht bemerkenswerthe Resultat, dass ein gewisses XJmkehr-
problem sich auf die bekannte Kepler 'sehe Gleichung redu-
ciren lässt. Für die Theorie der Kegelschnitte ist es von In-
teresse, dass sich die Gleichungen von Kegelschnitten mit einem
gemeinsamen Brennpunkte durch Summen von elliptischen In-
tegralen mit verschiedenen Modul darstellen lassen; und hieraus
wieder findet man die geometrische Deutung und die Lösung
fĂĽr ein XJmkehrproblem, bei dem zwei Summen von zwei ellip-
tischen Integralen mit verschiedenem Modul (aber mit zwei
gemeinsamen kritischen Punkten) gegeben sind und die beiden
oberen Grenzen als Functionen der Summen zu bestimmen sind.
38 SĂĽzung der mathrphys. Classe vom 15, Januar 1898.
§ 1. Das erweiterte ümkehrproblem für elliptische
Integrale in verallgemeinerter Form.
Wir bezeichnen mit u und v zwei elliptische Integrale
erster Gattung:
f V
Jy(i-r)(i-«'f')' "" J i/ö^vfiTf- p?^)
Ist dann die Sunmie
(2) u-]- v = w
gegeben, so sind die oberen (Jrenzen f , rj nach dem soge-
nannten erweiterten ĂĽmkehrproblem von Clebsch und Gordan
bestiramt,^) falls ausserdem noch die Summe der entsprechenden
Integrale dritter oder zweiter Gattung (genommen inRiemann's
Sinne) gegeben vorliegt. Ist aber die entsprechende Summe
von Legen dre' sehen Integralen dritter Gattung gegeben, so
ist jenes erweiterte ĂĽmkehrproblem nicht anwendbar, da sich
diese Integrale als Summen von Riemann'schen Integralen
zweiter und dritter (Jattung darstellen. Wir benutzen die
Jacobi'sche Bezeichnungsweise (wie sie z. B. auch von Durege
angewandt wird) und setzen
/o\ rrr \ f^'-sna-cna-dna ^/ n , ,i 0(u—d)
(3) n(u,a)= I ^ i — „ =- au = u Z(a) + Xlog -^; — —^ ,
^ ^ ^ ' ^ Jl — x'sn'a-sn*w v ^ » y ^ Q^xi^a)'
0
u
(4) 2r(a) = g^°^ = J«-Jx'8n'«.d«,
0
wo mit J und K die bekannten ganzen elliptischen Integrale
zweiter und erster Gattung bezeichnet sind.
^) Vgl. fĂĽr elliptische Integrale, fĂĽr welche Rosenhain schon
den einfachsten Fall gelöst hatte, besonders Clebsch, Ueber diejenigen
Curven, deren Coordinaten sich als elliptische Functionen eines Para-
meters darstellen lassen, Crelle's Journal Bd» 64.
F, lAndemann: ĂĽeher gewisse Umkehrprohleme, 39
Seien nun Ă„ und B Constante und sollen aus der Gleichung
(2) und aus der Gleichung
(5) Ă„ n(u, a) + B Z(u) + Ă„ n{v, a) + BZ{v) = w
die oberen Grenzen f , i; als Functionen von iv und w bestimmt
werden, so kann die Aufgabe mit HĂĽlfe der Additionstheoreme
in folgender Weise umgeformt werden. Es ist
/7(w,a) + /7(t;,a)
(6) rr. , V , ,T 1 — x'sna snW'snv-snfw-f-t; — a)
' = ZT (tt + v, a) + 4 log :r- — x \ -, ; — {
* ° l + x*sna«snW'Snt;«sn(w-|-t; -f- a)
(7) Z(w) 4- Z[y) = Z{u + v) 4- x' sn M • sn V • sn (m + v).
In Folge dessen erhalten wir aus (5) und (1)
-4- 1 — x*snw«snt;«sna«sn(M; — a) , ^^ •
— loflr -— — )- — ; — <- -}- Bx^sn w • sn t; • sn m;
(8) 2 ° 1 -f- >« sn w • sn v • sn a • sn (w + a)
= u/ — Ä n(w, a) — BZ(w).
Die rechte Seite enthält jetzt nur gegebene Grössen; zur
Berechnung der Unbekannten u und v haben wir also eine
transscendente Gleichung fĂĽr das Product sn u sn v vor uns.
Ist -4. = 0, so wird dieselbe algebraisch, und wir haben das
erweiterte Umkehrproblem fĂĽr die Integrale zweiter Gattung.
Der Fall -B = 0 gibt das entsprechende Problem fĂĽr Integrale
dritter Gattung.
§ 2. Transformation eines analogen ümkehrproblems
auf die Normalform.
Auf eine transscendente Gleichung ähnlicher Art führt die
folgende Aufgabe. Gegeben seien die beiden Gleichungen
J vr -^ J VW
(9)
p^dp^ C<j'dq_^,^
J YP + J VW
40 Sitzung der mathrphys, Classe vom 15, Januar 1898.
wo P = Ä(p — a)(p'-ß)(p--y)(p — d),
Q=Aiq-a)iq^Ăź)(q-y)iq-d);
es sollen p und q als Functionen von w und w' bestimmt wer-
den. Wir nehmen an, dass die Constanten a, Ăź, y, d von einan-
der verschieden seien.
Zunächst müssen die elliptischen Integrale der linken
Seiten von (9) auf ihre Normalform gebracht werden. Zu dem
Zwecke setzen wir
dann wird:
,iix dp 1 dC
(11) — ^ = . - , wo
VT « v(i-r)(i-x'c)
(IIa) e = :^YJĂ„P^){&-Ăź), x' = |/^||_^.
Zur Umformung der Integrale aus der zweiten Gleichung
(9) wenden wir die von Königsberger gegebene Weier-
strass'sche Methode*) an; d. h. wir machen wieder die Sub-
stitution (10) und finden:
(12) ^-;^=^-^-»^^M^
YÂĄ e(r-rOKB(f) "^ VW)
-ix«.Ä.:p^ + id[|/(01^^],
wo R (I) = (1 — V) (1 — «' O» und wo mit C^J.h Constante
mit /"(!') eine rationale Function von ^ bezeichnet sind, welche
sich nach den allgemein gĂĽltigen Regeln berechnen lassen, und
fĂĽr die sich dann folgende Werthe ergeben:
*) Vergl. Eönigsberger: De motu puncti versus duo fixa centra
attracti, Inaugural-Dissertation, Berlin 1860 und dessen Vorlesungen
ĂĽber die Theorie der elliptischen Functionen, Bd. I, p. 276, Leipzig 1874.
F, Lindemann: ĂĽeber gewisse ĂĽmkehrprobleme. 41
(13) (7,=yö^=^öK^i=:^-^^=^J^^, ?=i()'-a)(^-A
t = i(y_a)(,5-/J), m = -r^yj=^l^Jl.
Statt T fĂĽhren wir eine Constante coj statt f eine Variable
u ein mittelst der Substitutionen
(14) T = sn(a) + ijS7) = , f=snfi
«sn CO
dann wird auf der rechten Seite von (12):
f u
JT y Ăś(t) -. Ifcncodno) ,
C^ — T^^ViZCf) X sn CO »^ 1 — x' sn* CO sn' w
u u
(15) cnco-dncoT 1 rx'snco«cnco-dnco«sn'w ,
X sn CO J X J 1 — x' sn' CO • sn* w
0 0
1 rrr \ cnco'dnco
= II(u,(o) -M.
X X snco
Analoge Umformungen nehmen wir mit dem zweiten In-
tegrale vor, das sich auf die Variable q bezieht, und finden
na\ r r[/'R(t) 1 cn CO -dn CO
(16) I dri = II(v,co) v,
wo
(17) q = -S ri 17 = sn v.
FĂĽr das zweite Glied der rechten Seite von (12) erhalten
wir nach (4):
0 '^ ^^ 0
Sei endlich ^^Q = -^ = ^ ^, so ergibt sich aus (12),
(15) und (18):
42 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 15. Januar 1698,
Vo
L 2x1/^ snco A J
i — x'sn'cüsn'M
+ i (y-«) (<i-i8) r\ZJ..Z^l ^' sn* ro
T> rr/ \ i n i ri f« sn w • cn w • dn M • sn* CO ^ .]
= B n(u, a>) + Cm + JD — ^ ^ — 5 i ^ W K
^ ^ ' [ 1 — X* SIT CO* SIT u J
wo B, C, D zur AbkĂĽrzung fĂĽr die betreffenden Coefficienten
eingesetzt ist. Der Factor von D kann mit HĂĽlfe der Ad-
ditionstheoreme fĂĽr Integrale zweiter Gattung, d. h. mit HĂĽlfe
der Formel
'7f \ i'7f X \ 1 '7t \ x' sn M ' cn M - dn ti ' sn' ft)
Z(u) — \Z(u+co) — lZ{u — (o)= ^ i — i 1
^ ^ * ^ ^ * ^ ^ 1 — x' sn' w sn' a>
vereinfacht wurden; so erhalten wir:
p
(19) J^ = Bn(u,m) + Cu-^[_Z(ui-<o)-\-Z(,u-o>)l
Ebenso ist:
9
(20) j'^'^ = BIT(v,<o) + Cv-^ iZ{v + CO) + Z{v - c)].
Setzen wir also noch
Po 9o
Jdp C da
(20a) «;. = w -^^ß- kß - C (« + .) ,
so gehen die Gleichungen (9) ĂĽber in
(21) w 4" ^ = ^0
F, Lindemann: lieber gewisse ümkeihrpröbleme, 43
(21a) JB[/I(w, co) + n(v, (o)] — | D [Z(w + co) + Z(t; + w)
-f- Z(w — o>) -j- Z(t; — a>)] = tc;,.
Eine weitere Anwendung der Additionstheoreme (6) und
(7) gibt endlich der Gleichung (21a) die Form:
. B , 1 — x' sn CO • sn w • sn t; • sn (Wq — (o)
2 ° 1 + x' sn CO • sn w • sn t; • sn {Wq + co)
x'D
cr~ [s^ (^ + ^) s^ (^ — ö>) + sn (w — <o) sn (v + ^0] sn «^^
= Wj — Ä n(wQ,o)) -f- D Z(w^.
Andererseits kann man in die Gleichung (21a) mittelst (3)
und (4) die ©-Functionen einführen und findet dann:
(23) A-ü + ^l^ = w,-Aw„
WO zur AbkĂĽrzung
(24) Ăź=log|S"^"4lfe--l
^ ^ ^0(w+a>)ö(t;-f-ft>)
Hierbei ist zu beachten, dass sich in (23) die Differentiation
nach CO nur auf die Argumente der ©-Functionen bezieht,
während ja thatsächlich auch der Modul x' dieser Functionen
nach (IIa) und (14) von ö> abhängig ist. In (22), bez. (23)
ist uns diejenige transscendente Gleichung gegeben,
Ton welcher im vorliegenden Falle die Lösung des
Umkehrproblems abhängt. Eine weitere Behandlung der-
selben in der vorliegenden Form wĂĽrde Schwierigkeiten bieten ;
es dĂĽrfte deshalb von Interesse sein, dass sich durch Unter-
suchung der mechanischen Bedeutung der vorgelegten Gleich-
ungen (9) die gefundene transscendente Gleichung auf die bei
der Planetenbewegung auftretende Kepler 'sehe Gleichung
reduciren lässt.
44 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 15, Januar 1S98.
§ 3. Rednction des aufgestellten ümkehrproblems
auf die Eepler'sche Qleichung.
Ein Punkt von der Masse 1 wurde von zwei festen Centren
mit den Massen m und ni nach dem Newton'schen Gesetze
angezogen; die Bewegung des Punktes ist schon von Euler
und Lagrange bestimmt; Jacobi behandelt das Problem
mittelst der Hamilton 'sehen partiellen Differentialgleichung.
Die anziehenden Punkte mögen auf der X-Axe in der Entfer-
nung f zu beiden Seiten des Anfangspunktes liegen, und zwar
in den gemeinschaftlichen Brennpunkten eines Systems con-
focaler Kegelschnitte
(25> ^^ + jnn-i = o. -.— + ^-^-1 = 0,
wo — 00 < A < 6', V <iix<ia^. Mittelst der Formeln
(26) .' = (»!=^«^), ,, = Q>^-W~,)^
ar — (r b — ar
wo f^= a* — V, werden elliptische Coordinaten eingeführt, und
es werde
(27) |/^nri = -p, Y^^^ = q
gesetzt; dann ist die Hamilton'sche charakteristische Function
-j.,)/*^
■pfT^ I j„ I / -Jf + (»» — »Oi» +2k — hb'
und die Integralgleichungen des Problems werden
(28) ^-TjT' *~*o-Th'
In jeder der beiden letzten Gleichungen kommen elliptische
Integrale mit verschiedenem Modul vor; lassen wir aber die
I
F, Lindemann: ĂĽeher gewisse Utnkehrprohleme, 45
Masse w' gleich Null werden,*) so sind beide Modulen
einander gleich, und die Gleichungen (28) werden mit
den Gleichungen (9) des in § 2 behandelten Umkehr-
problems identisch. Um die Identität herzustellen, hat man
nur zu setzen:
Aij^aXp-Ăź)(p-7yj>-d) = {hp'+mp+2k-W)(jf-n
A{q-a){q^Ăź)iq^y){q-d) = Quf+mq+2k-WXq'-n
l' = w + k,, t-^t, = l-(w' + ki;)-b'{w + k,).
Dabei sind die Constanten k^ und A^o so bestimmt zu denken,
dass die Coordinaten eines beliebigen Anfangspunktes der Be-
wegung (fĂĽr die Zeit t = ^q) in den unteren Grenzen der In-
tegrale auftreten.
Die Bewegung unseres Punktes erfolgt jetzt bekanntlich
nach den Kepler' sehen Gesetzen; die Bestimmung des Ortes
als Function der Zeit, d. h. der oberen Grenzen p, q als Func-
tionen von w und tv geschieht insbesondere durch die soge-
nannte Kepler'sche Gleichung
(30)
^ = |/^[(<?^-«sm0),
deren Lösung in bekannter Weise durch Anwendung der
Lagrange 'sehen Formel oder durch Entwicklung von sin 0
nach Besser sehen Functionen von e imd in eine trigono-
metrische Reihe nach den Sinus der vielfachen von t^ geschieht.
In (30) bedeutet t^ die Zeit, e die Excentricität der elliptisch
gedachten Bahn, a^ ihre halbe grosse Axe, ^ die excentrische
Anomalie, endlich m die Masse der Sonne. Auf diese Kepler-
sche Gleichung muss sich daher das in den Gleich-
ungen (9), bez. (21) vorgelegte Umkehrproblem aus der
') Mit dem Falle m = 0 beschäftigt sich zu wesentlich anderen
Zwecken auch Scheibner (Notiz über das Problem der drei Körper,
Bericht der kgl. sächsischen Gesellschaft d. Wissenschaften, math.-phjs.
Classe, 1866); insbesondere geht derselbe auf die EinfĂĽhrung elliptischer
Functionen nicht ein.
46 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 15. Januar 1898,
Theorie der elliptischen Integrale und somit auch die
transscendente Gleichung (22), bez. (23) reduciren
lassen.
Aus dem ersten Kepler'schen Gesetze folgt femer: Die
erste Gleichung (9) bez. (21) stellt in elliptischen Co-
ordinaten A, /n, die durch (26) und (27) einzufĂĽhren
sind, einen Kegelschnitt dar, dessen einer Brennpunkt
im Punkte m, d. h. im Punkte x = — f= — J/a' — 6*, £r = 0
sich befindet.
Von welcher Art dieser Kegelschnitt ist, lässt sich nach
den allgemeinen Bemerkungen Königsberger's beurtheilen.*)
Andererseits ist nach der Theorie der Planeten-Bewegung die
Bahn eine Ellipse oder eine Hyperbel je nachdem
(31) 2h = vl-^-^ = vl- 2^
^0 Po + io
< 0 oder > 0 ist, wenn v^ die Anfangsgeschwindigkeit, r^ die
anfangliche Entfernung des Punktes vom anziehenden Centrum,
Pq und q^ die Coordinaten der Anfangslage bezeichnen. Der
Fall Ă„ =: 0 gibt die Parabel.
§ 4. Durchführung der Transformation unserer
transscendenten Gleichung.
Nachdem wir durch die mechanischen Ueberlegungen in
§ 3 erkannt haben, dass sich die transscendente Gleichung (22)
bez. (23) auf die einfache Kepler'sche Form, die in (30) vor-
liegt, bringen lassen muss, erĂĽbrigt nur noch, diese Umfor-
mung wirklich durchzufĂĽhren.
*) Vgl. dessen oben citirte Dissertation, in welcher fĂĽr den Fall
m'oO die Integralgleichungen des fraglichen dynamischen Problems
(für den Fall der Bewegung im Räume) durch Einfährung elliptischer
Ö-Functionen umgeformt werden. Weitere Vereinfachungen können (wie
aus unseren Formeln hervorgeht) durch Benutzung der Additionstheoreme
fĂĽr Integrale zweiter und dritter Gattung erzielt werden.
F. Lindemann: Ueher gewisse Umhehrprohleme, 47
Zu dem Zwecke ziehen wir die in (21) vorkommenden
Integrale zweiter Gattung in anderer Weise zusammen, als es
bei Ableitung von (22) geschehen ist. Nach (7) haben wir
(32) Z{u + a>) + Z{v + ö>) + Z(u — a>) + Z(v — co)
= Z(tt -f- ^ + 2 a>) + ^' sn (w -f- ^) sn (v -f- ö)) sn (w + «^ + 2 o))
■^ Z(u-\- V — 2 cü) + «* sn (w — a>) sn (v — a>) sn (w -f v — 2 cd).
Nach dem Additionstheoreme fĂĽr sinam ist femer:
. sn'ii> — sn'ö
sn (u + (o) sn (v -f cü) = ^ —^ y-
^ 1 — x' sn' o sn' 1^
(33)
sn 17 — sn ö
sn (w — a>) sn {v — co) =
a „«i ^ ««t .<!"
1 — x' sn^ ö sn' 1^
u — v u + t; M + t;
wo o = — g— , * = — 2 H^i ^ ^ "^ ^'
Das Argument des in (22) auftretenden Logarithmus ist
nach Jacobi*) gleich
1 , , ,v l-«'sn'^«sn't)
/o i \ 1 — « sn' ö sn' V 2
(d4)
1 — x'sn'ösn'i? ^ , -w;^ , ^. '
1 — x' sn' -^ sn' i>
Der Logarithmus des zweiten Factors gibt eine additive
Constante, deren Werth durch w;^ = w + t; bestimmt ist; es
konmit also nur auf den ersten Factor an. Wir setzen
,or\ T 1 — «' sn' ö sn'*' 0,-
1 — X sn o sn' ^
wo i = J/ — 1 und L eine zu bestimmende Constante bedeutet.
Die Auflösung von (35) ergibt
, L — e
sn a =
Lsin'*' — e*'sin'd
^) Vgl. dessen Fundamenta nova theoriae fimctionum ellipticarum,
§ 64; Gesammelte Werke, Bd. 1, p. 211.
48 SĂĽfung der mathrphys. Glosse vom 15, Jantiar 1B98.
Diesen Werth fĂĽhren wir mittekt (33) in die rechte Seite
von (32) ein. Seien fĂĽr den Augenblick die Buchstaben -8f, N,
B, R durch die Gleichungen
Jf=x'sn'*', iV = x'8n**,
(36) sntt?o'Cn2Ăź>'dn2a> j^ sn2a>- cnw?^- dnw;^
1 — x^ sn* w^sn^ 2 CO ' 1 — x'sn't<;Qsn'2a>
definirt, so wird auf dieser rechten Seite
(37) sn (w-f- ö>) sn (v-f- cü) sn 2 1> -f- sn (u — (o) sn (v — co) sn 2i>'
==x'LiM-I^ [2i^(-»f iV-x')-(i^'-x') e*'-L\]iP-x*) e" *']
Um nun die rechte Seite in eine Function von sin $
= 2^(e — e~ ) zu verwandeln, müssen wir die noch nicht
bestimmte Grösse L durch die Gleichung
.^^. j^ R IP — X* snM;^« cn2a>'dn2a) /cn i9\*
^ ^ R W—x^ ~ "" sn2a>.cni(;o-dntt;o Vcn^ j
bestimmen. Der Ausdruck (37) wird dann in RĂĽcksicht auf
die Relation
N—M 1 sn«^ — sn'*
j»<i'»
x'—MN x^l—x' sn'* sn»i>
= — sn (* 4" ^') sn (* — *') = -^ sntt?Q«sn 2 a>,
X X
gleich
/oA\ sn(«;o+2a>) , 2cni>-cn*' ^ . ,
(39) ^ ° ö~ + -TTTör Ton ' ßo' sm *,
sn«;^-sn2a> «"(sn** — sn'*) "
wo ßo= l/snw;^' cnM;^« dn tc;^» sn2a> • cn2a> • dn2a>.
Setzt man den so umgeformten Ausdruck (37) in (32) ein
und substituirt die betreffende Summe von Integralen zweiter
Gattung wieder in die Gleichung (21) bez. (22), so geht die
letztere, unter BerĂĽcksichtigimg von (34), ĂĽber in
F. Lindemann: Oeber gewisse Umkehrprobleme, 49
-S .»i.- T. cn ^ • cn y>' „ . _
2 sn V — sn V
^ 1 — x'sn'i? sn'^
(40) =Wi — B n {Wo, ö)) + -g log
1— x'sn'd'sn'5
+ I [Z(2 ^) + Z(2 *') + X' «-^^4--)l.
Hierin sind die Werthe von B und D aus (19) einzufĂĽhren,
während co durch (14) bestimmt ist, und nach (29) ist Ä = A,
d. h. gleich der Constanten aus dem Satze von der Erhaltung
der lebendigen Kraft. Man findet
(41) B= — "-+ ^-+^i =: ^f^_
2x\/Ä 2x|/A»'
Da bei der elliptischen Bewegung h negativ ist, so wird
in der That in (40) die Constante iB reell.
Die Auflösung des in den Gleichungen (9) bis (21)
vorliegenden XJmkehrproblems geschieht jetzt in der
Weise, dass man die Grösse $ aus (41) bez. (30) be-
rechnet, darauf sinam — - — und damit u — v aus (35)
bestimmt, wodurch .dann die Integrale u und «;, deren
Summe gleich w^ gegeben ist, einzeln und folglich
auch ihre oberen Grenzen bekannt sind.
§ 5. Einige geometrische Folgerungen.
Wie in § 3 bemerkt wurde, stellt die erste der Gleichungen
(9) bez. (21) einen Kegelschnitt dar, dessen einer Brennpunkt
an der Stelle a; = — /*, £' = 0 liegt. Es entsteht also die Auf-
gabe, den Mittelpunkt und die grosse Axe dieses Kegelschnittes
zu bestimmen; dieselbe ist durch die in § 4 ausgeführte Trans-
formation bereits gelöst.
1898. Bltsniigtl». d. iiiAtlu-pbyi. OL 4
50 Sitzung der mcUK-phys. Glosse vom 15. Januar 1898.
Die Gleichungen (30) und (41) mĂĽssen mit einander iden-
tisch sein. Nach (20 a) unterscheidet sich w* von iv^ nur um
eine additive Constante, nach (28) und (29) ist daher
w^== 2 t -]- Constante.
Durch Vergleichung von (30) und (41) findet man daher
die halbe grosse Axe a^ der Bahncurve bestimmt durch
und für die numerische Excentricität e ergibt sich die Gleichung :
(43) e]/^ = -:^DĂś, ?S'""%
^ ^ y m ^ ^ sn* ii> — sn* ii>
w w
wo ii> = -^4- CD, t?'=-^ — (o. Es erübrigt noch, die Rich-
tung der grossen Axe zu bestimmen.
Der durch (37) und (39) definirte Winkel * ist mit der
excentrischen Anomalie identisch.*) Die Werthe 0=0 und
$ = jr geben also die Endpunkte der grossen Axe; die ellip-
tischen Coordinaten der letzteren Punkte werden demnach aus
der Gleichung (35) gewonnen. FĂĽr 0 = 0 ergibt sich z. B.,
— ~ — I gesetzt wird, die Relation
, _ 1 L—\
^"^ ''«■"x'sn't>-sn«*"
wo L durch (38) gegeben ist. FĂĽr eine Parabel wird nach
(31) Ă„ =: 0, also nach (29) ^ = 00, also nach (10) t = ^, also
nach (14) o> = jK'+ %K\ also
^) Auch von Gylden ist die Planetenbewegung mittelst elliptischer
Functionen behandelt worden, worauf mich Herr College Seeliger auf-
merksam macht (Vierteljahresschrift der astronomischen Gesellschaft,
Jahrg. X, 1875). Die EinfĂĽhrung dieser Functionen geschieht, indem
die halbe excentrische Anomalie direct gleich der Amplitude eines ellip-
tischen Integrals gesetzt wird.
F. Lindemann: Üeber geunsse Umkehrpröbleme. 51
sn
* = sn (^^ + co] = sn (-^- - co] = sn &\
und somit nach (43) c = oo , wie es sein muss ; es wird zwar
Q^ = 0, aber D = \{y — a)(d — ß) wird auch unendlich gross.
Eine besondere Beachtung verdient der Fall, wo auch
m = 0 wird. Dann muss nach dem Frägheitsgesetze die Be-
wegung in einer geraden Linie erfolgen. Die erste Gleichung
(9) stellt also jetzt eine gerade Linie dar;^) in ihr ist
nach (29):
P=(^» — f)(Äy + 2*— Äfe"), Q = {q'—P){hq'-\-2k-hb').
Aendert man die Constanten h, k, m und setzt
-P. = (l>'-n (Kp' + m,p + 2Jc, - Ă„, b%
Qi = (2' - n Qh q'-\-m,q + 2\- \ V\
so stellen die beiden Gleichungen
zwei Kegelschnitte dar. Die beiden Curven haben einen ge-
meinsamen Brennpunkt an der Stelle x = — /*, ^ = 0. Soll
der andere Brennpunkt in gleicher Weise benutzt werden, so
muss man in TT (§ 3) m = 0, m' = 1 setzen ; es kommt dies
darauf heraus, dass p durch — p ersetzt wird, was den Werth
von A = a* — p^ nicht beeinflusst. Führt man dann n = — p
als neue Variable ein, so tritt in (43) an Stelle der Summe
die Differenz der Integrale erster Gattung auf. Erscheint in
(43) einmal die Summe und einmal die Differenz, so liegt der
eine Brennpunkt des ersten Kegelschnittes an der Stelle x= —f,
^) Wie schon Jacobi bei anderer Gelegenheit bemerkt: Vorlesungen
ĂĽber Dynamik, 80. Vorlesung.
52 Sitzung der math.-phys. Classe vom 15. Januar 1898,
^ = 0, der eine Brennpunkt des zweiten Kegelschnittes an der
Stelle x = f, ^ = 0.
In den ersten beiden Fällen sind zwei gemeinsame Tan-
genten der beiden Kegelschnitte (43) bekannt, die Bestimmung
ihrer Schnittpunkte geschieht also mittelst quadratischer Gleich-
ungen; im andern Falle ist zu diesem Zwecke eine Gleichung
vierten Grades nöthig. Die elliptischen Coordinaten der vier
Schnittpunkte genĂĽgen den beiden Gleichungen (43). Durch
unsere geometrische Interpretation ist also die Lösung
des durch die Gleichungen (43) dargestellten Umkehr-
problems gegeben; und zwar sind folgende Fälle zu unter-
scheiden :
1) Es sind zwei Summen oder zwei DiflFerenzen von In-
tegralen erster Gattung gegeben ; die Lösung wird auf quadra-
tische Gleichungen zurĂĽckgefĂĽhrt;
2) es ist eine Summe und eine DiflFerenz von Integralen
erster Gattung gegeben ; die Lösung erfordert eine biquadratische
Gleichung ;
3) m = 0 oder m^ = 0 ; es ist ein Kegelschnitt mit einer
geraden Linie zu schneiden;
4) m = 0 und m^ = 0 ; es sind zwei gerade Linien zum
Schnitt zu bringen.
Während man sonst mit Hülfe des Additions-
theorems bez. des AbeTschen Theorems nur solche
transscendente Relationen mit algebraischen in Be-
ziehung bringt, bei denen es sich um elliptische In-
tegrale mit gleichem Modul handelt, liegt hier ein
ähnliches Resultat für elliptische Integrale mit ver-
schiedenem Modul vor;*) die betreffenden Differen-
tiale haben zwei singulare Stellen gemeinschaftlich.
Statt der elliptischen Coordinaten hätten wir uns bei vor-
stehenden Ueberlegungen auch der bipolaren Coordinaten be-
dienen können, d. h. der Entfernungen des bewegten Punktes
M Es liegt nahe, solche Betrachtungen auf Abel' sehe Integrale
auszudehnen, worauf ich bei anderer Gelegenheit zurĂĽckzukommen hoffe.
F. Lindemann: lieber gewisse Umkehrpröbleme, 53
von den beiden festen Centren;*) in der That wird dadurch
unser Problem in der gleichen Weise auf elliptische Integrale
zurĂĽckgefĂĽhrt.
§ 6. Ein besonderer Fall.
Stillschweigend wurde im Vorstehenden vorausgesetzt, dass
die Wurzeln der Gleichungen P = 0 und ^ = 0 von einander
verschieden seien. Da f nothwendig von Null verschieden ist,
so kann nach (29) entweder eine Wurzel der Gleichung
gleich f werden, oder es können die beiden Wurzeln der letz-
teren Gleichung zusammenfallen. Je nach dem Intervalle, in
welches diese Doppelwurzel dann fallt (nemlich A < fe^ oder
V<fi<a\ d. h. /=a*— A>a'— 6' oder 0<g'=a'— /i<a*— 6»)
wird das eine oder das andere der in den Gleichungen (9) vor-
kommenden Integrale unendlich gross; die Gleichungen können
daher nur dadurch einen Sinn behalten, dass dp = 0 (bez.
dq = 0) d. h. p = const. (oder q = const.) wird; die Bewe-
gung findet in einer Ellipse (bez. Hyperbel) des ur-
sprĂĽnglich angenommenen und durch (25) dargestellten
confocalen Systems statt. Ist insbesondere f eine Doppel-
wurzel von P = 0, so werden beide Integrale von (9) unend-
lich gross, und es muss zugleich p = const. und q = const. = /*,
d. h. X = fi^=a^ — 6' werden ; die Bewegung geschieht in der
X-Axe.
Will man auch hier die weitere Behandlung in elliptischen
Coordinaten durchfĂĽhren, so ist nach dem Principe von der
Erhaltung der lebendigen Kraft, wenn wir uns auf die ellip-
tische Bahncurve beschränken und etwa A := 0, also p = a
wählen:
1) Vgl. Jacobi, Vorlesungen ĂĽber Dynamik, 1. Aufl. p. 197. Jacobi
bebandelt auch die Planetenbewegung mit diesem Coordinatensysteme,
legt dabei aber den einen festen Punkt auf die Bahn des Planeten,
während der andere mit der Sonne zusammenfielt.
54 Siteung der nMth.-phys. Glosse vom 15. Januar 1898,
\dt) ^{a' — fi)ib' — /i)\dtj
= U+h = -^ [Ya^—fi-Y^'-X] + h,
WO nun A = 0 zu nehmen ist, oder:
j_ (g'-«!)ig. = at
V^Vr-i' Vh («' -«') + »» (« - a)
Bei der Planetenbewegung auf der Ellipse A = 0 ist aber
immer h = ^r— , wenn die Sonne im Brennpunkte a; = — /*,
y = 0 steht; das zweite Ăźadical im Nenner der linken Seite
hat daher zwei einander gleiche Wurzeln (nemlich beide gleich a)
und wir finden
Von hier geht man leicht zu den bekannten Formeln ĂĽber.
55
Die Resultate der Feldspathstudien.
Von Engrrapli t. Fedorow.
{SKngriaufm 15. Januar.)
In verschiedenen Wissenschaftszweigen kommt es nicht so
selten vor, dass man in dem letzten Stadium einer immer in-
tensiveren Erforschung zu den in dem primitiven Stadium vor-
herrschenden Auffassungen ganz analogen SchlĂĽssen kommt.
So ist es z. B. mit der Theorie der Krystallstructur ge-
schehen. Der berĂĽhmte Hauy hat in die Wissenschaft den
Begriff der primitiven Form eingefĂĽhrt, welcher aber infolge
einer dĂĽrftigen Erfahrung und damit verbundener WillkĂĽr in
der Deutung dieses Begriffes nicht fortbestehen konnte und in-
folge der intensiveren Erforschung von Delafosse und von
Bravais und Frankenheim fallen musste.
In den letzten Jahrzehnten aber ist man endlich, auf
Grund des von dem unvergesslichen L. Sohncke angebahnten
und von dem Verfasser weiter verfolgtem Wege eines noch in-
tensiveren Studiums, dazu gekommen, nach bestimmten, experi-
mentell nachzuweisenden Merkmalen Schlüsse über die räum-
liche Lage der Punkte und über die jedem solchen zugehörenden
Raumeinheiten ziehen zu können. Dementsprechend kam wieder
der frĂĽher ganz verlassene Begriff der Hauptstructurrichtungen
und Hauptstructurflächen zur Geltung. Die ersten sind nämlich
die die Centralpunkte zweier nächster Raumeinheiten verbin-
denden Geraden. Die letzteren sind die je zweien solchen Rich-
tungen paraUelen Ebenen.
In der allerletzten Zeit gelang es dem Verfasser, auf
äusserst einfache Weise die Hauptstructurflächen auf experi-
mentellem Wege (wenigstens fĂĽr Laboratoriums-Krystalle) be-
stimmen zu können. Dazu erwies sich als ganz genügend,
56 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 15. Januar 1898,
eine gesättigte Lösung der betreflFenden Substanz zwischen Ob-
ject- und Deckglas möglichst langsam krystallisiren zu lassen
(zu welchem Zwecke in der Mitte des Deckglases ein kleines
Loch angebohrt wird). In der sehr dĂĽnnen Schicht zwischen
beiden Gläsern bilden sich dann von selbst ausgezeichnet schön
auskrystallisirende Tafeln der Substanz, und die Endflächen
dieser Tafeln stellen ganz genau die ihr zugehörenden Haupt-
structurflächen dar. Diese Tafeln bilden zugleich ausgezeich-
nete Präparate für die optische Untersuchung nach der Universal-
methode und lassen sich mit all' demjenigen Grad der Genauig-
keit bestimmen, welche ĂĽberhaupt durch diese Methode erreicht
werden kann.
Es sei mir erlaubt, hier sogleich zu erwähnen, dass diese
Präparate am geeignetesten dazu sind, die Syngonieart sofort
und unzweifelhaft zu bestimmen.
Jedenfalls ist jetzt fĂĽr uns der Begriff einer Hauptstructur-
fläche nicht mehr ein leeres Wort, und die Willkür bei dem
Gebrauche dieses Wortes fĂĽr gut untersuchte Krystalle besteht
nicht mehr resp. ist auf die engsten Grenzen beschränkt.
Etwas ganz Analoges ist aber auch mit den Feldspath-
studien geschehen.
Zuerst wurden verschiedene Typen der Feldspathe ange-
nommen, wie Orthoklas resp. Adular, dann Albit, Oligoklas,
Labradorit und Anorthit; später kam dazu noch der Bytownit;
anfanglich waren dies ganz abgesonderte Mineralienspecies ge-
wesen. Später aber, besonders durch die bahnbrechenden
Arbeiten von Tschermak und Max Schuster, wurde ganz
genau festgestellt, dass die Kalknatronfeldspathe — durch. den
Gattungsnamen Plagioklase in eine Gruppe vereinigt —
eigentlich eine ununterbrochene Reihe bilden, wenigstens durch
zahlreiche Mittelglieder in der Natur vertreten sind.
Viele Mühe ward darauf verwendet, eine möglichst grosse
Anzahl verschiedener Glieder dieser Reihe aufeustellen und auf
optischem Wege möglichst genau zu characterisieren. Diese
Arbeit wurde gleichzeitig von einer Reihe namhafter Specialisten
durchgeführt, bis endlich es sich als möglich erwies, die opti-
E, V, Fedoroto: Die ResiUtcUe der Feldspathatiidien, 57
sehen Eigenschaften dieser Reihe wirklich durch eine, wenn
auch nur annähernd richtige, Curve darzustellen. Die nähere
Betrachtung dieser Curve hat aber ganz bestimmt und unzweifel-
haft zu dem SchlĂĽsse gefĂĽhrt, dass wir in dieser Reihe nicht
eine einheitliche, sondern eine zusammengesetzte Curve vor uns
haben. Man kann es sogar als constatirt gelten lassen, dass
die Curve eigentlich aus vier Theilcurven besteht, und dass die
gemeinschaftlichen Punkte dieser Curven ganz bestimmten
Plagioklastypen entsprechen, und zwar gerade denjenigen,
welche als solche in dem ersten Stadium der Feldspathstudien
auftraten, d. h. Albit, Oligoklas, Labradorit, Bytownit und Anor-
thit, denen also resp. die Mischungsverhältnisse l Ab -\- 0 Än^
SÄb+lAn,lÄb+lAn,lAb + 3 An, und 0 Ab + 1 An
zukommen wĂĽrden. Dieses Resultat ist aber nicht etwa auf
einzelne, sondern auf hunderte einzelne Beobachtungen gegrĂĽndet.
Als Grundlage dazu dienen die massenhaft ausgefĂĽhrten
neueren optischen Bestimmungen der Feldspathe des Bogoslowsk-
sehen Bergreviers durch den Verfasser. Auch wurden ver-
schiedene frühere vollständige Bestimmungen herangezogen.
Die graphische Darstellung der Resultate geschah auf
folgendem Wege: Für sämmtliche einzelne Beobachtungen
wurden als Coordinatenaxen die Axen des optischen EUipsoides
des betreflFenden Gliedes angenommen, und dann wurden die
sphärischen Coordinaten des Poles der Fläche (010) und der
Verticalaxe (frĂĽherer Aufstellungsart) ermittelt und auf dem
stereographischen Netze angezeichnet. In Folge dessen traten
die einzelnen Beobachtungen auf der Zeichnung als Punkte auf,
und diese Punkte bestimmten eine mittlere Curve fĂĽr jede
dieser beiden krystallographischen Richtungen. Diese beiden
Curven sind genügend, um die vollständige krystallographische
Orientirung des betreflFenden Gliedes zu erhalten. Ein einer
dieser beiden Curven angehörender Punkt ist genau von dem
entsprechenden Punkte der zweiten Curve um 90® entfernt.
Auf welche Weise können wir ims nun über die Einheit-
lichkeit resp. Zusammensetzung der Theilcurven ein Urtheil
verschaflFen? Ich bediente mich folgender Methode:
58 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 15. Januar 1898.
Gelingt es einmal auf der Sphäre einen Pol aufzufinden,
welchem eine gleiche krystallographische und eine gleiche
optische Bedeutung zugleich fĂĽr zwei Endgliedern einer iso-
morphen Theilreihe zukommt, so muss dieser Pol (wenigstens
sehr annähernd) diese zweifache Bedeutung für sämmtliche
Mittelglieder dieser Reihe beibehalten. Diesem Pol gehören
also zugleich dieselben optischen und dieselben krystallographi-
schen Coordinaten für sämmtliche Glieder der Reihe an. Für
diese Theilreihe ist also die entsprechende Richtung constant
und kann als eine Drehungsaxe angenommen werden. Dem-
entsprechend mussten dann die Theilcurven Kleinkreise sein,
deren Centrum auf der Sphäre der betreflFende Polpunkt der
Drehaxe ist. Auf diesem Wege können wir also diese con-
stanten Punkte fĂĽr eine isomorphe Reihe auf graphischem
Wege ermitteln. Ich habe dies ausgefĂĽhrt, und fĂĽr die Theil-
reihen 0 — 25, 25 — 50, 50 — 75 drei verschieden constante Punkte
erhalten. Nur für die Theilcurve 75 — 100 erhalten wir auf
der Sphäre eine so geringe Länge, dass es unpraktisch erscheint,
den entsprechenden constanten Punkt zu ermitteln, wenn er
natĂĽrlich auch ein bestimmter sein muss.
Sind einmal die constanten Punkte fĂĽr die Theilcurven
ermittelt, so kann man die Curven selbst auf graphischem
Wege erhalten. Nun sieht man, dass die so construirten theo-
retischen Curven (also Kleinkreise) den unmittelbar aus den
Beobachtungen ermittelten Curven so nahe stehen, dass wirk-
lich die letzteren als einheitliche aufgefasst werden können.
Wahrscheinlich nähern sich die theoretischen Curven noch mehr
der Wahrheit, als die direct aufgezeichneten Mittelcurven.
Im Gh-ossen und Ganzen nähern sich alle vier Theilcurven
einem Kreise; natĂĽrlich mĂĽsste aber, wenn man diesen an-
nehmen wollte, keine RĂĽcksicht auf irgend einen Genauig-
keitsgrad genommen werden. Man kann diesen Umstand in
der Weise deuten, dass, wenn auch die Mittelglieder der
Plagioklasreihe verschiedenen Theilreihen angehören, doch in-
folge unbedeutender chemischer Action zwischen den Molekeln,
die ganze Reihe in erster Linie als eine annähernd isomorphe
zu betrachten ist.
59
Zur Theorie des Doppel-Integrals.
Von Alfred Prlngslieim.
(Einffdauftn 15. Januar)
Nachdem Riemann, den Cauchy-Dirichlet'schen In-
tegral-BegriflF wesentlich erweiternd, die Grundlage fĂĽr die
moderne Theorie des einfachen bestimmten Integrales ge-
schaflFen hatte, lag es nahe, auch den BegriflF des mehrfachen,
insbesondere des Doppel-Integrales in analoger Weise zu
vervollkommnen. Die Verallgemeinerung der betreflFenden Defi-
nitionen und Existenzbeweise bot, zumal mit BenĂĽtzung der
seit Ausbildung der C an tor 'sehen Mengenlehre gewonnenen
schärferen BegriflFs-Bestimmungen, keine besonderen Schwierig-
keiten. Dagegen ergaben sich solche bei der Formulirung und
beim Beweise desjenigen Fundamen tal-Satzes, welcher von der
Reduction eines Doppel-Integrales auf ein iterirtes In-
tegral, d. h. von der Berechnung eines Doppel-Integrales
mit HĂĽlfe von zwei successive auszufĂĽhrenden einfachen
Integrationen handelt, da die Existenz des ĂĽber eine gewisse
Fläche erstreckten Doppel-Integrals f f /^(^>y) • ^^ • ^y
keineswegs diejenige der einfachen Integrale ( fipo^y)' dx,
(f{x,y)dy bei constantem. y bezw. x praejudicirt. Hiemach
entsteht also vor allem die Frage, in wieweit ĂĽberhaupt der
fĂĽr eine stetige Function f{x,y) geltenden Formel:
J
60 SiUung der math.-phys, Classe vom 15. Januar 1898,
X Y
W j jf{^^y)'dX'dy
X ÂĄ
so yo
Y X
= §dy^f(x,y)'dx
eine wohl definirte Bedeutung auch dann noch beigelegt
werden kann, wenn f{x, y) nur denjenigen Beschränkungen
unterliegt, welche die Existenz des betreflFenden Doppel-
Integrales nach sich ziehen, und sodann, ob diese letztere
auch allemal fĂĽr die GĂĽltigkeit jener Formel ausreichend
erscheint. Diese Fragen wurden wohl zum ersten Male von
Du Bois Reymond^) in der Hauptsache richtig beantwortet,
indem er die fragliche Formel als speciellen Fall eines von
ihm aufgestellten allgemeineren Grenzwei-th- Satzes auflFasst.
Allein seine ganze Darstellung ermangelt der nöthigen Präcision
imd Beweiskraft, da er gewissermaassen mit unendlich viel-
deutigen AusdrĂĽcken*) wie mit eindeutig definirten operirt.
Derselbe Mangel haftet auch dem directeren Beweise an,
welchen Harnack in der deutschen Ausgabe des Serret'schcn
Lehrbuches der Differential- und Integral-Rechnung^) mitge-
theilt hat.
Mit Hinzunahme einer gewissen beschränkenden Voraus-
Y
Setzung (nämlich der Existenz des Integrals ( fix^y) • dy
X
bezw. ^ f{x^y)dx fĂĽr jedes einzelne in Betracht kommende x
bezw. y mit eventuellem AusschlĂĽsse einer unausgedehnten
Punktmenge) hat sodann Herr Stolz den Sinn und die GĂĽltig-
keit der Formel (I) in durchaus coiTccter Weise festgestellt.*)
1) Ueber das Doppelintegral. .Tourn. f. Math. Bd. 44 (1888),
S. 278. (Ich verdanke die folgenden literarischen Notizen zum Theil
einer gelegentlichen Mittheilung des Herrn A. Voss.)
*) Als solche kann man doch allenfalls die Integrale von der Form
r X
J*/*(^iy)*''y» j /^Ky)"''«^ i™ Falle ihrer Nicht-Existenz auffassen.
8) Bd. II« (1886), Art. 582.
^) Math. Ann. Bd. 26 (1886), S. 43.
A, Pringsheim: Zur Theorie des Doppel-Integrals. 61
Eine vollständig befriedigende und allgemeine Lösung der
angedeuteten Fragen hat jedoch erst Herr C. Jordan geliefert,*)
indem er durchweg die auch im Falle der Nicht-Existenz
Y X
von ^f(x, y)-dy^ ^fip^iV) * ^^ völlig wohldefinirten und praecisen
Begriffe des oberen und unteren Integrals in den Vorder-
grund stellt.
Bei der einigermaassen abstracten Fassung und ausser-
ordentlich weit getriebenen Allgemeinheit^) der Jordanischen
Auseinandersetzungen dĂĽrfte vielleicht eine vereinfachte Dar-
stellung der zu einer vollkommen strengen Auffassung und Be-
grĂĽndung der Formel (I) dienlichen Betrachtungen nicht ĂĽber-
flĂĽssig erscheinen. Die von mir erzielten Vereinfachungen be-
ruhen zum guten Theil auf der Anwendung einer gewissen
neuen Bezeichnungsweise, welche mir nicht nur fĂĽr den vor-
liegenden Fall, sondern fĂĽr Fragen aller Art, in denen Unbe-
stimmtheitsgrenzen eine Rolle spielen, äusserst zweckmässig
erscheint. Nachdem dieselbe in Art. I erklärt ist, stelle ich
zunächst in. Art. II — IV diejenigen Definitionen und Sätze aus
der Theorie der einfachen Integrale zusammen, welche fĂĽr das
folgende erforderlich sind. Hieran schliesst sich in Art. V die
Definition des Doppel-Integrales und sodann in Art. VI die
Erörterung der frfiglichen Formel (I), zunächst unter der An-
nahme constanter Grenzen, also eines rechteckigen Integrations-
Bereiches. Ich gebe den Beweis dafĂĽr unter zwei verschiedenen
Formen, deren erste wie bei Du Bois Reymond auf der
Heranziehung eines allgemeinen Grenzwerth- Satzes beruht,
während die zweite als eine Complettirung des Harnack'schen
Beweises gelten kann. Als Erläuterung für die Tragweite der
bewiesenen Fonnel wende ich dieselbe auf eine Function an,
Y X
bei welcher die Integrale ^ f{x^y) > dy^ ( fi^^y)' dx fĂĽr unend-
yo «i)
1) Journ. de Math. 4i^me g^rie, T. 8 (1892) p. 84, Art. 17. — Cours
d' Analyse, 2<le ^d., T. I p. 42, Art. -66— 58.
*) Herr Jordan dehnt z. B. den Integral-Begriff auf ganz beliebig
gedachte, insbesondere also auch auf unstetige Punkt-Mengen aus.
62 SĂśMung der mathrphys. Glosse vom 15, Januar 1898.
lieh viele, ĂĽberall dicht liegende Werthe von x bezw. y nicht
existiren. — In Art. VII folgt schliesslich die Uebertragung
der Formel (I) auf den Fall eines krummlinig begrenzten
Integrations-Bereiches mit HĂĽlfe einer sehr einfachen Methode,
welche zwar sehr nahe zu liegen scheint, aber meines Wissens
fĂĽr den vorliegenden Zweck bisher noch nicht angewendet wurde.
I. Oberer und unterer Limes. Ich bezeichne den
oberen Limes (die obere Unbestimmtheits-Grenze) einer Zahlen-
folge rty (v = 0, 1, 2, . . .) fĂĽr lim v = oo, bezw. denjenigen einer
Function q)(x) für limÄ; = a;o, durch das Symbol:
(1) lim Uy bezw. lim q^(x),
y = OD XSZXq
den unteren Limes entsprechend durch das Symbol:
(2) lim tty bezw. lim cp (x), ^)
Die Anwendung der Bezeichnungen:
(3) lim Uy bezw. lim tp (x)
V^ OB S:=2^
soll dann bedeuten, dass in dem betreffenden Zusammenhange
ganz nach Willkür der obere oder untere Limes gewählt
werden darf. Hiernach sagt z. B. eine Beziehung von der Form:
(4) lim tty = a
V = OD
nichts anderes aus, als dass der obere und untere Limes von
Qy den gemeinsamen Werth a besitzen d. h. dass in dem ge-
wöhnlichen Sinne lim ay = a wird.
V = 00
^) Ich habe bisher den oberen und unteren Limes einer Zahlenfolge
a„ mit
lim sup a , lim inf fl,
V
-y » y
vss OD y = 00
bezeichnet. Wie ich nachträglich bemerkt habe und an dieser Stelle
ausdrücklich erwähnen möchte, sind diese Bezeichnungen wohl zuerst
von Herrn Pasch eingefĂĽhrt worden: Math. Ann. Bd. 80 (1887), S. 184.
Ă„. Pringsheim: Zur Theorie des Doppel- Integrals.
63
Der Nutzen der obigen Bezeichnungsweise tritt besonders
deutlich hervor, wenn es sich um mehrere nach einander zu
vollziehende Grenz-XJebergänge handelt. Namentlich gestattet
dieselbe, gewisse Sätze über den Zusammenhang der Grenz-
werthe von Functionen mehrerer Variablen bei simultanen
und successiven Grenz-Uebergängen äusserst einfach und
praegnant darzustellen. Hierher gehört z. B. der von mir bei
anderer Gelegenheit ^) ausgesprochene und bewiesene, im folgen-
den zu benĂĽtzende Satz:
Ist:
lim inf a,,^ = ly, lim sup a^^ = Ly (r = 0, 1, 2, . . .),
lim inf af^y = Z^, lim sup Oy^v = L'fi (/i = 0, 1, 2, . . .),
SO hat man stets:
lim ly = lim Ly
lim Ift = lim Lf^
/i ^ 00, y = 00
/4 = 00
^=00
sobald ein endlicher oder bestimmt unendlicher lim a
ftr
ju=: o&, y^ OB
existirt.
Dieser Satz lautet jetzt einfach folgendermaassen :
Man hat:
(5)
lim / lim \
â–ş = lim a
ju = aD, r= 00
fiV
lim / lim a^v\
allemal, wenn der rechtsstehende Grenz werth existirt.*)
1) Sitz.-Ber. 1897, S. 106.
*) Mit BerĂĽcksichtigung der an 61. (4) geknĂĽpften Bemerkung kann
man natĂĽrlich statt Gl. (5) auch schreiben:
lim / lim a^^A
lim /Ăś^ a\
= lim a .
/< = OD, y = 00
64 Sitzung der mcUhrphys. Glosse vom 15, Januar 1898.
n. Oberes und unteres Integral. Es sei f(x) end-
lich und eindeutig definirt im Intervalle x^Kx^X. Wird
das letztere in n beliebige Theil-Intervalle dy (r = 1, 2, . . . n)
zerlegt und bedeutet Gy die obere, gy die untere Grenze von
f(x) im Intervalle dy, so haben die Summen:
^vGydy = Sti eine bestimmte untere Grenze S,
n
J^ygydy = Ä„ ^ „ obere ,, s.^)
1
Alsdann lässt sich zeigen,^) dass:
M M
(6) lim ^r Gy 6y = S, lim ^r gydy = s,
und zwar unabhängig von der Wahl der Theil-Intervalle dy
und der besonderen Art des Grenz-Ueberganges. Speciell ist
also auch:
(7) lim — ^yGy = S, Mm - ''^ygy = s,
A
wenn X — iP^ = -4 , 5y = — gesetzt wird, und Gy bezw. gy
w
wiederum die obere bezw. untere Grenze von f(pß) im r*®° Theil-
Intervalle bezeichnet.
S heisst sodann das obere, s das untere Integral von
f(po) für das Intervall (a:^, X) — in Zeichen (nach dem Vor-
gange des Herrn Peano):
^) Diese Art, die Zahlen S und s zu definiren (statt, wie gewöhn-
lich geschieht, ihre Definition an die Gleichungen (6) anzuknĂĽpfen)
rĂĽhrt, wie ich einer Mittheilung des Herrn Stolz entnehme (Monatsh.
f. Math. VIII, S. 96), von Herrn Peano her: Atti Torin. T. XVIII, p. 441
(1883). Dieselbe findet sich auch in der oben citirten Abhandlung des
Herrn Pasch: a. a. 0. S. 144.
^) S. z. B. Pasch, a. a. 0. S. 143. — C. Jordan, Cours d^analyse,
2'J« ed., T. I, p. 33. -
A. Pringsheim: Zur Theorie des Doppel-Integräla, • 65
(8) S = jf{x)'dx, s=^Jf(x)'dx.
Die von mir im folgenden anzuwendende Bezeichnung:
(9) fnx)dx
soll dann wiederum ausdrĂĽcken, dass in der betreflFenden Formel
das obere oder untere Integral ganz nach WillkĂĽr ge-
wählt werden kann.
in. Das obere und untere Integral als oberer und
unterer Limes. Das obere bezw. untere Integral lässt sich
auch noch in anderer Weise, nämlich als oberer bezw. unterer
N
Limes der Summen von der Form ^yf(^v)'dy auffassen (wo
1
fy dem Intervalle dy angehört). Es gilt nämlich der folgende
Satz:
Bedeutet f^ irgend eine und jede beliebige Stelle
des Intervalles dy, so gelten die Beziehungen:
M M
(10) M L- fi^y) 'dy = S, lim ÂŁ- fi^y) ' dy = S ,
bei beliebiger Wahl der Theil-Intervalle öy. Insbe-
sondere wird also:
(11)
(wo: 0<;*.^1).
Beweis. Man hat bei jeder Wahl der Theil-Intervalle d
laut Definition:
1898. Sitsmigsb. d. matK-phys. OL 5
VI
66 SĂśMmng der matk.-pk]f$. dasse vom 15. Januar 1898.
(a) f> G, 5, ^ a.
1
Andererseits lässt sich in Folge der Beziehung (6) <Jy so
klein, n so gross annehmen, dass:
(b) ^yGrdy<S + E etwa fĂĽr: dy^6, n>N,
wenn c > 0 beliebig klein vorgeschrieben wird.
Da sodann fĂĽr jede Wahl der Stelle fy innerhalb des In-
tervalles d^ stets: f{^y)^Gr^ so wird auch:
(c) i:,rf{$r)'dy<S+s fĂĽr: dy^d, n:^N.
1
In Folge der Definition von Gy (als obere Grenze der
Werthe fi^r) im Intervalle dy) muss es aber in dy Stellen fi
geben, sodass:
Gy-f{^l)<^ (wo: ^ = X-a:o = f:.(J.),
und daher:
II Ig
1 I
d.h.
i:rf(.rr)>i:^Gydr-e
I 1
(d) >S — e (s. Ungl. (a)).
Aus ĂĽngl. (c) und (d) folgt dann schliesslich, dass in der
That:
M
lim y^y f(Sy) . d„ == S, q. e. d.
Analog ergiebt sich:
n
lirn^ 2" f(^y) 'dy = s.—
A. Pringsheim: Zur Theorie des Doppel-lntegrcäs. 67
rV. Das bestimmte Integral. Ist 5 = 5, und nur in
diesem Falle, so wird nach IQ:
(12) lim £. /•(!,) . <J, = Um ^r /-(f,) • (J„
«5« = 0
<5„ = 0 1
d. h. dann existirt ein bestimmter lim y^yfi^y) • <Jy, welcher
als das bestimmte Integral von f{x^y) in den Grenzen x^
und X bezeichnet wird, und man setzt, wie ĂĽblich:
(13) lim Sr /-(f.) . (J. = I /-(a;) . da:.
^r = 0 1 aso
In diesem Falle besteht also die Beziehung:
X
X
(14) J'/-(a:).da; = J/-(a:).da;.
«0 «
V. Das Doppel-Integral. Ist f(x,y) endlich und ein-
deutig definirt im Innern und auf den Grenzen des continuir-
f»
liehen und quadrirbaren ^) Bereiches T, und bedeutet ^yty
1
irgend eine Zerlegung von T in n quadrirbare Theilbereiche
ty, femer Gy die obere, gy die untere Grenze von fix^y) fĂĽr
den Theilbereich ty^ so besitzt von den beiden Summen:
M N
(15) ^y Gy'ty = Sn, S»' gr'ty = S^
1 1
die erstere eine untere Grenze S, die letztere eine obere
(Jrenze 8. Und es lässt sich wiederimi zeigen,*) dass bei be-
liebiger Wahl der Theilbereiche ty und imabhängig von der
*) Mit anderen Worten: die Punkte von T sollen ein Btetiges
System bilden, dem eine bestimmte Flächenzahl zukommt. Es er-
Bcheint mir pädagogisch zweckmässig, den Begriff der Flächenzahl,
welche ja in Wahrheit nur einen speciellen Fall des Doppel-Integrals
bildet, bei dessen allgemeiner Definition als bereits bekannt voraus-
zusetzen. —
^) S. z. B. Serret-Hamack, Bd. II, Art. 681. — C. Jordan, a. a. 0. p. 88.
6*
68 Siteung der mctth.'phys, Glosse vom 15. Januar 1898.
besonderen Art des Grenz-Ueberganges die Beziehungen be-
stehen :
f» f»
(16) hm^r G^'ty = S, ]im ^y gr'ty =s,
wenn dy den grössten Durchmesser von ty bedeutet. S heisst
alsdann das obere, s das untere Doppel-Integral*) von
f(x,y), erstreckt ĂĽber den Bereich T.
Die Bedingung S = s ist dann wiederum nothwendig
und hinreichend fĂĽr die Existenz eines bestimmten Grenz-
werthes :
f»
(wo (fv,i?v) eine beliebige Stelle von ty bedeutet). Derselbe
heisst das ĂĽber T erstreckte Doppel-Integral von f{x^y\
in Zeichen:
(17) Um £. /•(!., riy) • ty =^Sf(x,y) • dt.
VI. Das Doppel-Integral mit constanten Grenzen
und seine Reduction auf ein iterirtes Integral. Ist der
Bereich T ein Rechteck mit den Eckpunkten (Xq, y^), (X, y^),
(X, Y), (Xq^ Y), so mag das entsprechende Doppel-Integral mit
(X,r)
^ ^ f ipc^y)' dx * dy bezeichnet werden. Wählt man alsdann
(«(hifj)
als Theil - Bereiche m • n Rechtecke mit den Grundlinien
^^ (a* = 1» 2, . . . m) und den Höhen c^ (v = 1, 2, . . . n), so hat
man laut Definitions-Gleichung (17):
(18) ^ ^ f{x,y)'dx'dy= lim 5>S^/'(lyev, ^^.v)- ^/i-c-,
*) Andere Definitionen und zugleich Verallgemeinerungen dieser
Begriffe mit ausschliesslicher BenĂĽtzung von geradlinig begrenzten
Theilbereichen hat neuerdings Herr Stolz gegeben : »Zwei Grenz-
werthe, von welchen das obere Integral ein besonderer Fall
ist." Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. 1897, 8. 453 ff.
Ă„. Pringsheim: Zur Theorie des Doppel- Integrals. 69
und, wenn man die <5^t(/i = l,2,...m), ebenso die €,,(v = l,2,...n)
einander gleich macht:
SS f^^^y^'^^'^y
(19) ''^'''
wo: X — x^, = A, Y—y^ = B, 0^t?^^l, 0<t?;<l.
Dann soll gezeigt werden, dass:
=S^^Sf^^'y^'^y
(20) X|/'(^,y)-d^-^y
^ yo
F X
^^dy^f{x,y)-dx')
yo «0
allemal wenn das betreffende Doppel-Integral im Sinne der
Def.-Qleichung (18) existirt.*) —
Beweis L Nach dem am SchlĂĽsse von Art. I citirten
Satze oder, genauer gesagt, mit HĂĽlfe einer leicht vorzuneh-
menden Modification ^) desselben, ergiebt sich, wenn das frag-
liche Doppel-Integral, also der Grenzwerth (19) existirt,
unmittelbar:
(X.D
S S f{^^y)'^^'^y
d. h. mit BerĂĽcksichtigimg von Gl. (11) und (8):
*) Selbstverständlich kann man bei den äusseren Integralen auch
X Y
einfach: J^, J^ schreiben — cf. Gl. (14).
«0 yo
2) Es handelt sich, mit anderen Worten, hier immer nur um
.eigentliche** Doppel-Integrale.
•) Diese Modification ist erforderlich wegen der Unbestimmtheit
der mit d^, ^' bezeichneten Zahlen.
70 Süßung der maJ^.-pkya, Glosse vom 15» Januar 1898.
und schliesslich:
jjf(pc,y)'dx'dy = ^dx^f(x,y)'dy, q. e. d.
(«<hjfo) ;^ Ü
Analog erhält man:
(X. 7) II
Beweis 11. Es sei <J^ = a;^ — a:^_i , c^ = y^ — y^^i , femer
Gfty die obere, jr^v die untere Grenze von f(x,y) in dem be-
treffenden Rechtecke, sodass also:
Dagegen soll mit Gy (f^), gy(Sf*) die obere bezw. untere
Grenze von fi^^^y) im Intervalle (y^-i^y^) bei constantem
f^ bezeichnet werden, also:
9y (f^) < /*(f^, J/y) :g ffy (f^) fĂĽr: y^_i ^17^;^ y^.
Alsdann ist offenbar:
9fiy < 9y (f /O 5^ Gr^ (f /O < ^-f^y
und daher:
» n N N
II I I
Andererseits hat man nach Art. 11:
»I
und daher a fortiori:
A, Pringsheim: Zur Theorie des Doppel-Integrals, 71
Daraus folgt weiter:
und somit fĂĽr lim m := oo , lim n = oo , unter der einzigen
Voraussetzung, dass das betreffende Doppel-Integral in dem
angegebenen Sinne ezistirt:
(2.1? Ă„ 1
(20a) j} f(pc,y)'dX'dy = ^dx^f{x,y)'dy, q. e. d.
Analog ergiebt sich wiederum:
(20b) ///•(«, y)'dx-dy = j dyjfix, y) • rf«.
(**»*»^ Site «0
Zusatz. Man bemerke, dass die rechte Seite der Formeln
(20) in jedem Falle durchaus wohldefinirte Operationen
enthält, auch wenn keins der einfachen bestimmten In-
f X
tegrale ^fipo,y)'dy, j f(x,y)-dx existirt: fĂĽr die GĂĽltig-
keit jener Formeln ist eben nur die Existenz des betreffen-
den Doppel-Integrals erforderlich.
Beispiel. Denkt man sich jeden Werth einer Veränder-
lichen X in der ĂĽblichen Weise*) durch einen endlichen oder
unendlichen Decimalbruch dargestellt, so möge die Anzahl
der jedesmal erforderlichen Decimalstellen durch px bezeichnet
werden (sodass also px nur dann einen endlichen Werth be-
sitzt, wenn x von der Form ^tt ist, während in jedem anderen
10**
Fall Px = oo wird). Alsdann ist offenbar (bei beliebiger Wahl
von Xq und X):
(a) l-i- dx = 0,
«•
Px+l
*) D. h. mit Ausschluss solcher unendlicher DecimalbrĂĽche, welche
die Periode 9 besitzen.
72 Sitgung der maĂĽi.-phys. CloMC vom 16. Januar 1898.
da es in jedem endlichen Intervalle (Xq, X) immer nur eine
endliche Anzahl von Stellen x giebt, fĂĽr welche Px unter
einer beliebig gross anzunehmenden, also — —-^ über einer
beliebig klein anzunehmenden positiven Zahl liegt. Setzt
man jetzt:
(b) n..!r)=-i^+^-^,
(sodass also f(Xjy) = Oj ausser wenn mindestens eine der
beiden Veränderlichen x, y durch einen endlichen Decimal-
bruch darstellbar ist), so erkennt man analog, dass:
(c) ^ ^ f(x,y)'dx'dy = 0.
Andererseits hat man (mit BenĂĽtzung von Gl. (a^):
(d) Jn^,y)-dy=-^iY-i,,), lfix,y).dy = 0,
(e) ^f{x,y)'dx = --^{X-x,\ ]f{x,y)^dx^O,
Y X
sodass also keins der beiden Integrale ^ f {x^y)dy^ ^fip^^V)
existirt. Nichtsdestoweniger findet man unmittelbar (wieder-
um mit eventueller BenĂĽtzung von 61. (a)):
(f) fdxjfix, y)'dy = j dy ~^f{x, y)'dx = 0
d. h. die zweimalige Integration liefert den nämlichen Werth,
wie das Doppel-Integral, und zwar gleichgĂĽltig, ob man fĂĽr
jedes der inneren Integrale in Gl. (f) das betreffende obere
oder untere Integral in Rechnung zieht.*)
^) Ein ähnliches Beispiel, bei welchem nur das eine Integral
J f(^,y)'dy ein analoges Verhalten zeigt, gab schon DuBoisRejmond
yo
(a. a. 0. S. 278).
Ă„, Pringsheim: Zur Theorie des Doppel-Integrals. 73
Vn. Reduction des Doppel-Integrals auf ein ite-
rirtes Integral fĂĽr einen (im wesentlichen) beliebig
begrenzten Bereich. Es sei T ein quadrirbarer Bereich,
dessen Begrenzung von jeder Parallelen zur Y-Axe nicht mehr
als zweimal geschnitten wird. Sind dann x^^ X die äusser-
sten Abscissen, denen noch Punkte der Begi*enzungs-Curve
entsprechen, und wird diese letztere durch die zu x^ und X
gehörigen Ordinaten in die beiden Curvenbögen zerlegt:
SO gilt die Beziehung:
(21) j^f{x,y)'dT = ldx U{x,y)^dy,
falls das Doppel-Integral in dem angegebenen Sinne existirt.
Beweis. Es bedeute (j{x^y) eine Function von der Be-
schaffenheit, dass:
g(x^y) = f(x,y) fĂĽr alle {x,y) des Bereiches T
gix,y) = 0 „ y, „ ausserhalb T.
Ist dann i7 irgend ein den Bereich T einschliessender
Bereich, so existirt das Doppel-Integral ^^ g{x^y) • dU über
den Bereich U erstreckt, da die Integrabilität von g {x^ y) durch
die Unstetigkeit längs der Grenz-Curve von Toffenbar nicht alterirt
wird. Zugleich ergiebt sich, wenn U= T '\- T gesetzt wird:*)
JJ<7(^,y) • ä U=jjf{x,y) . dT (wegen: JJ^(a?,y).rfr = 0).
Bedeutet nun y^ den kleinsten, Y den grössten Ordi-
natenwerth für die Qrenz-Curve von T, und wählt man für
den Bereich ĂĽ dasjenige Rechteck, welches durch die vier Ge-
raden : X ^= Xq^ X = X, y = y^^ y = Y begrenzt wird, so nimmt
die letzte Gleichung (bei Vertauschung ihrer beiden Seiten)
die folgende Form an :
') Diese Zerlegung U = T+T soll so aufgefasst werden, dass der-
jenige Theil der Begrenzung von T, welcher auch T begrenzt, zwei-
mal gezählt, nämlich sowohl zu T als zu T gerechnet wird.
74 SitMung der mathrphys, Classe vom 15, Januar 1896.
und daher mit Anwendung von öl. (20 a) :
SSf^^^y)'^T=^dx^g{x,y)^dy.
(^ Ă„ ĂĽ
Da aber — in Folge der Definition von g{x,y) — für
jeden dem Intervalle (Xq, X) angehörigen Werth x oflFenbar die
Beziehung besteht:
_r #(«)
^gi^^y) • dy= jjf(x,y) • dy,
80 ergiebt sich schliesslich:
^^f{x,y)'dT = ^dx jjf{x,y)'dy, q. e. d.
Zusatz. Wird die Begrenzungs-Curve von T von jeder
Parallelen zur X-Axe höchstens zweimal geschnitten, so findet
man analog:
_r YM
(22) SSnx,y)'dT = ^dyJ_f{x,y)'dx,
wenn die Gleichungen:
x = yf (y), X = W(y) (wo: V(y) ^ tp (y))
die beiden Curvenbögen darstellen, in welche die Grenz-Curve
durch die beiden Geraden x = Xq, x = X zerlegt wird.
Hierzu sei noch bemerkt, dass T oflFenbar eo ipso qua-
drirbar ist, wenn die Grenz-Curve von jeder Parallelen so-
wohl zur X- als zur F-Axe nur in einer endlichen Anzahl
von Punkten geschnitten wird.
75
Das Fraunhofer -Objectiv.
Von Slgmiind Ton Mors.
{Singdauftn 15. Januar.)
Im Vn. und VIII. Jahrgang der Zeitschrift fĂĽr Instru-
menten-Eunde kommen C. Moser und Dr. Hugo KrĂĽss wieder
auf Fraunhofer's Heliometer-Objectiv der Königsberger Stern-
warte, als den Typus der Fraunhofer-Objective zurĂĽck, mit
dessen Constructions -Verhältnissen sich bereits früher schon
Bessel*) und Hansen*) beschäftiget hatten. Es wandte sich
Herr Dr. ErĂĽss wohl auch einmal schriftlich an mich, ihm
nähere Angaben über die Glasarten, aus welchen das fragliche
Heliometer-Objectiv hergestellt sei, zukommen zu lassen. Leider
konnte ich diesem Wunsche damals nicht entsprechen, da mir
zuverlässige Daten nicht zu Händen schienen. Nun mir mehr
MĂĽsse geworden, all das in meinem Besitze befindliche hand-
schriftliche Material der älteren Periode des Fraunhofer'schen
Institutes wiederholt zu stöbern und zu sichten, war ich end-
lich so glĂĽcklich, einen sogenannten Radius-Zettel, datirt vom
5. Oktober 1822 ,ftir Flintglas No. 43 und Crownglas No. 32**
mit den Werthen:
a = 72'' /*= 53:500 gr = 2i:304 F= — 2i:736 0 = 74:841
zu finden, welcher fĂĽr a = 94" = 1127f991 umgerechnet, die
Radien:
') Schnhmacher's astronomische Nachrichten 18. Band 1841.
^ Abhandlungen der math.-phjs. Classe der kgl. sächs. Gesellschaft
der Wissenschaften X. Band 1871.
76 Sitzung der math.-phya. Glosse vom 15, Januar 1898,
f = 69:847 = 838fl66 g = 27:814 = 333^763
F= 28:378 = 340f531 G == 97:709 = 1172f51
ergiebt, wie sie eben Bessel als die ihm von Utzschneider mit-
getheilten Werthe im 18. Bande der astronomischen Nachrichten
Seite 415 unter folgender Bezeichnung:
r = 838^164 q = 333f768 r = 340^536 q = 1172f508
auffĂĽhrt.
Diese Uebereinstimmung allein schon mĂĽsste die Annahme
rechtfertigen, dass das Königsberger-Objectiv aus diesen bisher
unbekannt gebliebenen Gläsern: Flint. No. 43 und Crown.
No. 32 besteht. Es findet sich eine weitere Bestätigung dafür
aber auch in dem Brechungs- und Zerstreuungs- Verhältnisse
besagter Gläser, wie ich es den noch vorhandenen Brechungs-
Bögen Fraunhofers entnehme und welchen wohl auch Utz-
schneider seine Daten entnommen haben dĂĽrfte.
Es verzeichnet Tabelle I dieser Brechungs-Bögen für :
Flint. No. 43 Crown. No. 32
Bn = 1.628463 Bn = 1.523746
Gn = 1.630307 Gn = 1.524738
IM = 1.635451 Dn = 1.527357
En' = 1.642271 En = 1.530726
Fn == 1.648455 Fn = 1.533699
Gn' = 1.660623 Gn = 1.539271
Hn = 1.671168 Hn = 1.543985
woraus die partiellen Zerstreuungen
Bn: — Gn = 0.005144 Dn — Gn =^ 0.002619
En —I)n = 0.006820 En — Dn = 0.003369
Fn — En == 0.006 1 84 Fn — En = 0.002973
Fn — Gn = 0.018148 = dn'
Fn — Gn = 0.008961 = dn
sich berechnen und schUesslicli der DiflFerential-Quotient
dn : dn = 2.02522
sich ergiebt.
Sigmund v. Merz: Das Fraunhofer-Objectiv. 77
Fraunhofer bediente sich somit fĂĽr den practischen Fall
F
Jdn'
-,— für den Zerstreungs-Quotienten und wie die
c
vorerwähnten Bögen weiter zeigen der Formel
Cn '\- Dn -^ En '{- Fn
n= j ,
entsprechend einer Wellenlänge von 564.5, für das mittlere n,
im gegebenen Falle also der Werthe
»' = 1.639121 n = 1.529130
wie dies völlig wieder mit Utzschneiders Angabe an Bessel
ĂĽbereinstimmt. Mit diesen Constanten und den Dicken d = 6f000
(Crownglaslinse) und d. = 4f000 (Flintglaslinse), ferner 0.000
Linsenabstand wurde das Heliometer-Objectiv von Königsberg
des öfteren rechnerisch geprüft.
Leider findet sich unter den hinterlassenen Papieren Fraun-
hofer's keine vollendete Rechnung für diese Gläser vor. Eine
fĂĽr Flint. No. 43 und Crown. No. 32 aufgefundene Rechnung
endet mit + 0.29 Correction der Randabweichung.
Ich sah mich deshalb veranlasst, das vorerwähnte Objectiv
vom 5. October 1822 auf seine Abweichungen zu prĂĽfen.
Dabei fand ich die Vereinigungsweite der mittleren Strahlen
(n = 1.52913 n* -=- 1.639121) nach Fraunhofers Bezeichnung
DH= 7ir968 (Axe), die Vereinigungsweite der farbigen Strahlen
(n= 1.538091 n' = 1.657269) DiZ'=7i:9894 (Axe), sohin
eine DiflFerenz von + 0.0214 als Farbenabweichung. Die
Vereinigungsweite der mittleren Randstrahlen ergab ein
Djff=7i:9641 und die Differenz DHh — DHa = 0,0039 als
Randabweichung gegen -|- 0.29 von oben.
Als ich alsdann die factischen Werthe von Bessel in Pariser
Zollen und mit Fraunhofer's Bezeichnung
f= 69:847 g = 27:814 F= — 28:378 G = 97:709
Dicke der Crownglaslinse AB = 0:5, Dicke der Flintglaslinse
CD = 0:33333 und halbe Objectiv-Oeffnung X = 3" in Rech-
78 Sitzung der matkrphys. Clasae vom 15. Januar 1898,
nung zog, fanden sich ftir die vorgenannten Strahlen die
Werthe:
DH= 93:975944 (mittlerer Axenstrahl)
DH= 94:0036 (farbiger Axenstrahl)
Differenz = + 0.027656
JDjff= 93:971617 (mittlerer Randstrahl)
Differenz = — 0.004327
oder die fast gleiche Correction des Objektives vom October 1822.
WĂĽrde die Rechnung fĂĽr die von Hansen benĂĽtzten Strahlen
(roth) n = 1.518700 n' = 1.618000
(indigo) n = 1.539560 »' = 1.660242
weiter durchgeführt, ergäbe sich ein DJ? = 93:944164 (rother
Axenstrahl), DH= 94:007544 (indigo Axenstrahl).
Diese Correction scheint Fraunhofer auch fĂĽr genĂĽgend
erachtet zu haben. Sprechen dafür, dass dieselbe thatsächlich
genĂĽgt, einerseits schon die allgemeinen Pjrfolge der Fraun-
hofer-Objective und für das Königsberger Objectiv speciell
Bessels Anerkennung und Auffindung*) der Parallaxe von
61 Cjgni, so vermag diese Ansicht ins weitere der folgende
Umstand zu stĂĽtzen.
Es liegen mir flir die Gläser „Flint. No. 43 und Crown.
No. 32* noch fĂĽnf Radiuszettel vor und zwar:
1. fĂĽr a = 60' (vom gleichen Datum, wie oben, 5. October
1822)
/•=: 44:583 g = 17:753 F^ — 18:il4 G = 62:367
2. fĂĽr a = 48" (vom 8. November 1822)
f= 35:666 g = 14:203 F= — 14:491 G = 49:894
3. fĂĽr a = 42:5 (vom 28. November 1822)
f=3i:bso ^ = 12:575 F= — 12:830 G = 44:177
4. fĂĽr a = 27:8 (vom 6. August 1823)
/=c20:65 g= 8:22 F=— 8:39 G = 28:89
>) Humboldt, Kosmos III. Band. S. 273.
Sigmund v. Mere: Das Fraunhofer-Objeciiv. 79
5. fĂĽr a == 17:1 vom 9. September 1823)
/•= 12:706 ^«5:060 JF^= — 5:i62 G = 17:774:
woraus hervorgeht, dass von den Gläsern Flint. No. 43 und
Crown. No. 32 vom Jahr 1822 bis zum Jahr 1823 astronomische
Objective geschliffen wurden. Aus dem PrĂĽfungs-Ergebniss
musste Fraunhofer Raisonement und Calcul wiederholt fĂĽr
richtig und genĂĽgend befunden haben, denn von ihm darf
doch nicht angenonmien werden, dass er während der Zeit
eines Jahres Fehler nicht entdeckt und entsprechend corrigirt
haben würde, wenn sich dieselben von Einfluss gezeigt hätten,
um so mehr als schon zwischen der Inangriffannahme des einen
und anderen Objectives dieser diversen Brennweiten elf Monate
(5. October 1822 — 9. September 1823) dazwischen lagen.
Sämmtliche fünf Radiuszettel stellen, wenn auf die Brenn-
weite des Königsberger Heliometer-Objectives bezogen, dieses
selbst wieder bis auf das Zehntausendtel eines Zolles dar.
Hätte Fraunhofer die Farben-Correction in gleichem Grade,
wie bezĂĽglich des Aplanatismus die Kugelabweichung berĂĽck-
sichtigen wollen, so hätte er es ja leicht gekonnt.
Dass das Fraunhofer'sche Objectiv, wie zuerst Arnold^)
M Arnold ,die neueren Erfindungen und Verbesserungen in Betreff
der optischen Instrumente.* Quedlinburg 1833. Amold's Untersuchungen
verdienten eine classische Arbeit genannt zu werden. Es mag hier am
Platze sein zu zeigen, wie genau Amold's gemessene Werthe mit den
factischen Werthen Fraunhofer's übereinstimmen. Ich wähle dafür Ob-
jectiv Nr. 8 (Arnold Seite 38) aus den Fraunhofer Gläsern Flint. Nr. 60
und Crown. Nr. 83 bestehend, dessen noch vorhandener Radius-Zettel
Fraunhofer's vom 12. October 1825 fĂĽr a = 42f6 folgende Radien ver-
zeichnet:
f = 28r786 g = I lf46S F = - 1 ire77 G = 62!'229.
Dieselben in Wiener Zoll umgerechnet ergeben die Werthe
f = 29f580 g = lir780 F= — 127000 G = 58f671
im Vergleiche dagegen Amold*s gemessene Werthe dieses Objectives Nr. 3
/' = 297681 g = llf782 F= — 127032 G = 537690
die wohl kaum nennenswerthen Differenzen
/•=+ 0.001 ^ = +0.002 1^'=+ 0.032 Ö = + 0.019
80 Sitzung der meUh.-phys. Classe vom 15, Januar 1898.
darauf aufmerksam macht, auch fĂĽr divergirende Strahlen die
sphärische Abweichung hebt, erklärt sich aus dem Umstände,
dass Fraunhofer bei PrĂĽfung seiner Objective sich terrestrischer*)
Objecte bediente.
Wie ein höher corrigirtes Objectiv sich ergeben würde,
will ich in nachgehendem zu zeigen versuchen, um damit
sowohl das historisch gewordene Objectiv in seinem Werden
vorführen, als auch Fraunhofer's Rechnungsmethode zur näheren
Anschauung bringen zu können.
Der Fraunhofer'sche Calcul bedient sich im allgemeinen
der KlĂĽgerschen Formeln*), insbesondere aller Bezeichnungen,
die KlĂĽgel bei seinem in Gilberts Annalen von 1810 beschrie-
benem verbessertem Objective gebraucht. Ich fĂĽhre die Rech-
nung mit Fraunhofer für den Strahl der Wellenlänge 564.5,
nehme dn* = 0.018148, dn = 0.008961, wie oben gezeigt,
somit n' = 1.639121 n = 1.529130 (fĂĽr den mittleren Strahl)
und n' = 1.657269 n = 1.538091 (fĂĽr den farbigen Strahl).
Vorbereitend fĂĽr den Calcul ergeben die Gleichungen fĂĽr
die Hülfsgrössen *) ju. v. g. o. t. und zwar für
Flintglas No. 43
ju' = 0.7658755 (log) 9.8841583
V' = 0.2940533 9.4684261
Q^ =0.0571156 8.7567551
ö' = 1.5075327 0.1782667
t' = 0.8306180 9.9194041
zeigen. Die optischen Constanten von Flint. Nr. 60 und Crown. Nr. 33
sind nach Arnold nach Fraunhofer
n = 1.530800 n = 1.631394
n' = 1.616420 u' = 1.616606
dn =0.009010 dn =0.009010
d n' = 0.0 1 6563 d n' = 0.0 1 6509.
^) Lamont „Astronomie und Erdmagnetismus.*^ Stuttgart 1851,
S. 23, § 27.
^) KlĂĽgel , Analytische Dioptrik.* Leipzig 1778.
3) Klügel .Analytische Dioptrik.** Leipzig 1778, Seite 76 — und
Euler dioptricae, pars pnma, caput 1, pag. 39.
Sigmund v. Merz: Das Fraunhofer-Objectiv, 81
Crownglas No. 82.
fj, = 0.9897750 (log) 9.9955365
V =0.2188820 9.3402100
Q =0.2283035 9.3585125
o =1.6615908 0.2205240
T =0.9261292 9.9666716
Bei dem constanten Radien- Verhältnisse^) von/':(/=2.511214,
wird, wenn wir mit Fraunhofer fĂĽr die erste Crownglasseite f
*) Dasselbe ist wohl das Ergebniss practischer Versuche. Fraun-
hofer zeigt ja selbst schon pag. 2 und 24 seiner berĂĽhmten Abhandlung
, Bestimmung des Brechungs- und Farben zerstreuungs- Vermögens ver-
schiedener Glassorten in Bezug auf die Vervollkommnung achromatischer
Fernrohre**, von welch' hoher Bedeutung der practisch experimentelle
Weg sein könne, und auch Gilbert, welcher diese Abhandlung im
56. Bande seiner Annalen der Physik zum Abdruck bringt, scheint diess
durch ihre Eintheilung in besondere Abschnitte hervorheben zu wollen.
Als Euler (Euler pars I 1769 Cap. VII pag. 323) Dollond's Objectiv
darzustellen bemüht war, glaubte er das Verhältniss 1 : 7 (genau 1 : 7.827)
als das gĂĽnstigste betrachten zu mĂĽssen, alsbald aber erkannte er die
gleichseitige Crownglaslinse (Euler pars II Cap. V pag. 182) fĂĽr die noch
bessere Form. Nach ihm dachte KlĂĽgel (Gilbert's Annalen 1810 Seite 276)
die Crownglaslinse ins Minimum der Ablenkung stellen zu sollen und
empfahl das Verhältniss 1 1 : 36, während Bohneberger (Zeitschrift für
Astronomie von Lindenau und Bohneberger 1816 Seite 277) die Auf-
merksamkeit auf das Verhältniss 2 : 3 lenkt. Alle diese Objective kehren
die kürzere convexe Fläche dem Objecte zu und erfordern eine biconcave
Flintglaslinse. Nach solchen Vorgängen wählte Fraunhofer das Verhält-
niss 5:2 (genauer 2.511214:1), zweifellos in der bewussten Absicht, das
ganze Objectiv dadurch dem Minimum der Ablenkung näher zu bringen
und konnte ihm dasselbe genĂĽgen, da er den trigonometrischen Weg
betretend durch eine entsprechende Radien-Correction, wie sie schon
KlĂĽgel 1810 empfiehlt, Farben- und Kugelabweichung streng zu heben
im Stande war. Sein Objectiv kehrt entgegen den bisher empfohlenen
Objectiven die längere Seite des Crownglases dem Objecte zu, gestaltet
das Flintglas zum Meniscus, dessen convexe Seite sich dem Bilde zu-
wendet. Die Summe der Brechungen, welche KlĂĽgel bei seinem ver-
besserten Objective als Wesenheit seiner Verbesserung betrachtet und
auf ein Minimum gebracht annimmt, verringert Fraunhofer selbst noch
um sieben Grade. Die Radien sind ĂĽbrigens durch die Formeln
1898. Bitxungsb d. math.-phya. Cl. G
82 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 15. Januar 1898.
seinen willkürlichen Werth^) 1794.249 setzen, zunächst dann
5^ = 714.4986 erhalten.
Ich entnehme nun Glasdicken und halbe Oefl&iung gleich-
falls der vorhin als begonnen erwähnten Rechnung für Flint.
No. 43 und Crown. No. 32 worin AB 13r9 (Dicke der Crown-
glaslinse), CD = 10^8 (Dicke der Flintglaslinse) und halbe
OefiFnung X = 82' gesetzt sich finden. Damit berechnen sich
aus den Formeln Seite 278 von Gilberts Annalen Jahrgang 1810
die Werthe ^JE;= 5185.191236 und JB2^ = 965.007444 (Axe).
Nun setzen wir mit KlĂĽgel
n — 1 n' — 1 '^ rj — g ^ g '^
wo p = Brennweite der Crownglaslinse, q = Brennweite der
Flintglaslinse und Ăź die Gesanmitbrennweite des Objectives be-
deuten, erhalten nun dafĂĽr die Werthe
Mn gp
darstellbar, woraus durch Substitution noch die eleganteren Formeln
^ „ ({Md + n){l-^Mp)\ ^ ( Mnp \
' ^\ Mnp I ^ '\(Md-^n)(\ — Mp)l
resultiren. Die Hülfsgrösse M steht zu f'P* und ß im umgekehrten
Verhältnisse. Dieselbe wächst bei Abnahme des Werthes von f.
Fraunhofer's experimentelles Vorgehen beweist des weiteren ein
ebenfalls noch vorhandener Radius-Zettel aus der Zeit seiner frĂĽheren
Geschäfts-Leitung für sein Flint. Nr. 3 und Crown. Nr. 3 mit den Werthen:
a = 1 10- /• = 917442 g = 30:'480 F= — 307631 Ö = + 102:466
wobei er Klügel's Verhältniss von 1 : 3 gerade in 3 : 1 verkehrt.
Georg Merz bediente sich später mit gutem Erfolge zuweilen auch
dieses Verhältnisses.
^) Eine Erklärung der Wahl gerade dieser Zahl dürfte schwierig
sein. Wir kommen jedoch auf diesen Zahlenwerth, wenn wir bei Flint.
Nr. 43 und Crown. Nr. 32 unter Annahme von 1379 Crownglaslinsen-Dicke
in den Gleichungen der vorhergehenden Anmerkung M = 0.0002966966
setzen. Annähernd kommt man wohl auf die Höhe dieser Zahl, wenn
man allgemein 2400 als Objectiv-Brennweite setzt, was auch Fraunhofer
je gethan.
Sigmund v. Mert: Das Frdunhofer-Objectiv. 83
C= 0.01693534 (log) 8.2287940
t]=: 0.02839524 8.4532456
Ăź = 2391.087 1 66 3.3785954
q = 1618.013333 3.2089821
und vermögen mit Fraunhofer die Formeln in Gilberts Annalen
Seite 279 zu HĂĽlfe nehmend nun auch BF fĂĽr die Rand-
strahlen zu berechnen.
Es ergeben sich folgende Werthe:
ked =2« 37' 9:91 KeE = V 42' 4b:&2
E =0» 54' 24:29 ä:jB= 3388.630777 iJB = 5883.474377
IfE =7»29'15:i6 ^/•J'=l 1*29' 37:68 J?'=4«54'46:81
LF =1662.383076 .02?'= 947.888476 (Rand)
endlich die Differenz
BFa — BFr ==^db = 17.118968
womit Fraunhofer aus der Formel
,, ^ {dbUl v^q» ')
ft' p* X* '^ pĂź*
X' berechnet, wofUr wir hier k' = 15.3466036 finden und nun
mittelst der Formeln
F=-
G =
a'-(q: p) (o' - q') + i' Yk' -l
:i3
e' +(3'P) (.0' — Q') — t' Vk'—l
1) Sie ist gleichwerthig der KlĂĽgerschen Formel fĂĽr
und entwickelt sich aus dieser, wenn
in ihr gesetzt wird.
84 Sitzung der matK-phys. Classe wm 15, Januar 1897,
auch die Flintglas-Radien zu erhalten vermögen. Wir finden
JP= 728.255166 G = 2462.287968
und weiter entwickelnd fĂĽr die Centralstrahlen die Werthe
CG = 10331.335714 DH= 2390.141661
fĂĽr die Randstrahlen
MF= 1676.143642 mgF= IP 22' 5:88
nigG = 6^ 54' 24:86 G = 0« 27' 5:79 MG = 11111.151026
JVG = 12834.383828 NhG = 2''2ri6:bO NhH=3^briO:6l
H= P 57' 29:90 NH= 4852.27679
und nun, weil 4. Seite convex DH= NH— G= 2389.988822.
Die schliessliche Differenz dieser Vereinigungsweiten giebt
alsdann der Kugelabweichung D Hr — DHa = — 0Ab28S9
Als Vereinigungsweiten der Centralstrahlen fĂĽr den
farbigen Strahl n' = 1.657269 n = 1.538091 erhalten wir
AE = 5128.721111 BF = 948.929 CG = 10953.950253
2) IT = 2390.184444, welch' letzterer Werth mit dem
DHa = 2390.141661 des mittleren Strahles verglichen in
seiner Diflferenz -\- 0.042783 die Grösse der Farbenabweichung
nach Fraunhofer zur Anschauung bringt.
FĂĽr eine Brennweite gleich der Einheit stellt sich die
Correction nun folgend dar:
Achromasie + 0.0000179
Aplanatismus — 0.0000639
Um nun diese Abweichungen für längere Brennweiten
ebenso verschwindend klein zu machen, corrigirt Fraunhofer
die Randabweichung durch eine Aenderung von X\ die Farben-
abweichung durch eine Aenderung von g, wodurch nur mehr
fĂĽr F und G neue Werthe sich ergeben. Es muss A' kleiner
genommen werden bei positiver Randabweichung oder einem
längeren Randstrahl, grösser, wenn bei kürzerem Randstrahl
die Abweichung sich negativ zeigt, q dagegen muss grösser
genommen werden, wenn die Farbenabweichung zu gross
(positiv) und kleiner, wenn dieselbe zu klein (negativ) ist.
Sigmund v. Merz: Das Fraunhofer-ObjecHv, 85
Nach einigen Versuchen, welche, wenn mehrfache Objectiv-
Berechnungen schon vorliegen, keinen erheblichen Zeitaufwand
beanspruchen, gelangt man bald zu geeigneten Werthen fĂĽr
l* und q.
Der KĂĽrze halber von solchen Versuchen absehend will
ich hier nur den Schluss der Rechnung folgen lassen.
Wir finden mit ^ = 1618.6982 und ;i' = 15.38795 fĂĽr
den mittleren Randstrahl:
(q :p) (o'.— ^0 = 2.4829206 t' Yl^^^ = 3.1506544
F= 727.417333 G = 2450.277906 CG = 10397.574072
2)5^=2388.661111 (Axe),
ilfjP= 1675.305809 m(/jP=lP 22' 32:89 mgG=^6^W4rAS
G =0ö26'55:05 3f« = 11179.44618 iV^G = 12891.506753
i\rÄG = 2o 21' 39:45 NhH= 3^52' 18:29 H= P 57' 33:89
NH = 4838.938888 DH= 2388.660982 (Rand),
daraus DHh — VHjl = — 0.000129 (Kugelabweichung)
und flir den farbigen Strahl
CG = 11029.730253 DH= 2388.661661,
letzteres grösser als DH (Axe) somit Diflferenz: -}" 0.000550
(Farbenabweichung) oder auf die Einheit bezogen die Grössen
der sphärischen Aberration = — 0.00000005397
der chromatischen Aberration = + 0.00000023011
Damit schliessen Fraunhofer's Objectiv- Berechnungen ĂĽber-
haupt ab. Ich wollte die Rechnung aber noch fĂĽr Hansen's
rothen Strahl
n' = 1.620973 n = 1.520169
und fĂĽr den farbigen Randstrahl (Fraunhofer s blauen Strahl)
erweitem und fand fĂĽr den Fall
DHa = 2388.65 roth (Hansen)
DÄä = 2388.110982 roth (Hansen)
DHr = 2389.178760 blau (Fraunhofer)
mithin eine grösste Abweichung der farbigen Strahlen
BHölau — DHratH = 1.067778
86 Sitzung der math.'phys, Classe vom 15, Januar 1898.
so dass fĂĽr die Focal- Weite von BessePs Heliometer-Objectiv
nur mehr eine chrom. Aberration von circa 0^42 oder 0f5
gegen 2f24, die Hansen am Königsberger-Objectiv- constatirt,
verbleiben wĂĽrde.
Für dieses höher corrigirte Objectiv würden sich bei
94* Focus allerdings die Radien- Werthe in die folgenden ver-
ändern :
/•=847f300 flp = 337f40655 i^= 343f509 6? = 1157f097
Dass Fraunhofer sich übrigens auch der Planfläche für
die vierte Objectiv-Seite bediente, constatirt bereits PrechtP)
und zeigt dies an einem von Stampfer analysirten 12 zölligen
Reichenbach'schen Theodolit -Objectiv Fraunhofer's aus dem
Jahr 1818. Diese Form benĂĽtzte Fraunhofer auch fĂĽr seine
Zugfernrohr-Objective, deren Focal- Weiten inner die Grenzen
von 12 — 20 Zoll fielen. Dass die Planfläche bei grösseren
astronomischen Objectiven ausser Gebrauch blieb, dafĂĽr scheinen
nur Fabrications- Erwägungen massgebend gewesen zu sein.
Fraunhofer bearbeitete seine Objective bekanntlich auf der von
ihm erfundenen Radius-Schleifmaschine*), eine höchst elegante
Schleifweise, bis zuletzt die wachsenden Dimensionen von Brenn-
weite und Oeffnung zum Schleifen der Gläser aus freier Hand
zwangen. Die ersten Schwierigkeiten in Folge Durchbiegung
der Radiusstange sollen sich beim Dorpater 9 ZoU-Objectiv
gezeigt haben. Beim Schleifen aus freier Hand bediente sich
Fraunhofer zur Controle der Radien seiner Sinus-versus-La-
mellen, kleiner planparalleler Glasstreifen, deren Dicken er am
grossen Schraubenmicrometer-Microscope mass, da sein Sphäro-
meter noch nicht mit micrometrisch verstellbarer Sinus-versus-
Spitze versehen war, wie die gegenwärtig gebräuchlichen so
bequemen Sphärometer es sind. Um die Basis-Curve zu con-
struiren, wurden die besagten Sinus -versus -Lamellen auf ein
Planglas, welches der Oeffnung des herzustellenden Objectives
1) Prechtl, practische Dioptrik, Wien 1828.
») Prechtl, practische Dioptrik, § 242—268.
Sigmund v. Merz: Das Fraunhofer-Objectiv. 87
entsprach, mit Speichel gekittet. Für eine convexe Fläche
genügte eine Lamelle, für eine concave Fläche waren deren
zwei nöthig.
Die Berechnung der Objective mit planconcavem Flint
geschah ebenso auf trigonometrischem Wege, nachdem die
optischen Constanten festgestellt waren. Die Reihenfolge der
Radien war jedoch die folgende. Es wurde zuerst F aus
F= =1 — =
o' — iq: p) {o' — Q') 4- t' VX* — 1
berechnet, da. alsdann, Ăź ^) als Gesammt-Objectiv-Brennweite
als bekannt vorausgesetzt, die Einzelbrennweiten aus den Be-
dingungs-Gleichungen
erhalten werden konnten und bei G = oo aus
— a
G =
fĂĽr k* die Gleichung
-((M').^y+'
resultirt.
Alsdann ergeben sich mittelst der Formel
/'ff V ff* Ăź)
schliesslich die Radien der Crownglaslinse aus den Gleichungen
/•= l . = P ')
a — xYfzri ^ qj^jYx — i
Dennoch wurde unter Fraunhofer kein grösseres Objectiv der
^) Bei allen für Planflächen berechneten Objectiven setzt Fraunhofer
/?=1000.
«) Klügel's Dioptrik, § 887.
8) Klügel, § 199.
88 Sitzung der math-phys, Glosse vom 15. Januar 1898.
Art ausgefĂĽhrt. Selbst das 1835^) von Georg Merz gelieferte
Bogenhauser-Objectiv von 10 7» Zoll Oeflftiung hat noch die
vierte Seite convex. Erst als die Pulkowaer Aufträge das
Institut vermehrt beschäftigten, ging Georg Merz daran, auch
einmal den Versuch eines grösseren Objectives mit planconcavem
Flint und zwar gleich mit einem 14 Zöller zu wagen, welches
Objectiv mit dem Pulkowaer 14 Zöller, dessen 4. Seite convex,
verglichen, sich demselben auch gleichwerthig erwies und später
nach Odessa kam.
Seit dem 14 Zöller fiir Lissabon 1858, bei dessen Her-
stellung ich persönlich schon thätig war, kamen nur mehr
Objective mit planconcavem Flint fiir astronomische Refractoren
zur AusfĂĽhrung.
Bei zwei derselben documentiren ganz besondere Umstände
die zweifellose GĂĽte eines solchen Objectives. Das eine, der
von mir 1880 für Bordeaux gefertigte 14 Zöller bestand die
scrupulösesten Prüfungen*), denen er vor seinem Ankaufe durch
die französische Regierung am Observatoire in Paris unterzogen
ward. Das andere, der 1864 für Mailand gefertigte 8 Zöller
hat seine Kraft auf Mars durch Schiaparelli's*) Beobachtungen
ebenso genĂĽgend erprobt.
Dass das Fraunhofer'sche Institut bezĂĽglich der Correction
seiner Objective an der traditionellen Gepflogenheit des Alt-
meisters bei solchen Erfolgen festhielt, mag nun nicht Wunder
nehmen. Die hier zum SchlĂĽsse noch folgenden geometrischen
und optischen Constanten des in Folge der vorberĂĽhrten Lei-
^) Zu der Zeit wurde mit gĂĽnstigem Erfolge aber schon das mittlere
7)m I ]T#«
n von 664.5 auf 558 zu verrĂĽcken versucht oder n = ~ gesetzt
und bei constantem d n = 0.009 der Zerstreuungs-Coefficient aus
Bn'—Cn* En'^Dn'
Dn—Cn "*■En^Dn
berechnet.
2) Rayet annales de l'Observatoire de Bordeaux, Tom. I, 1885, fol. 52.
3) Schiaparelli del Pianeta Marte, Eeale Accademia del Lincei, Roma
1878, 1881. Osservasioni fatte coU' equatoriale di Merz.
1 cNivERs;: •
Sigmund v. Merz: Das FraunJwfer-Ohjecliv. 89
stungen des Mailänder 8 Zöllers mir von Professor Schiaparelli
weiter bestellten und 1881 der Königl. Sternwarte in Mailand
gelieferten 18 Zöllers werden dies gleichfalls erhärten.
Der Fraunhofer'sche Calcul ergab fiir denselben unter Zu-
grundlage von
bei den gegebenen optischen Constanten;
n = 1.521007 n' = 1.622307 dn' : dn = 1.859444
/•= 107:72 flr = 86:69 jP= — 89:07
als Radien.
Auf die Einheit der Brennweite bezogen finden wir
damit die Farbenabweichung = — 0.0000078, Kugelabwei-
chung = + 0.0000032, so dass auch in diesem Falle die
Aberrationen eine wohl zulässige Grösse in der That nicht
ĂĽberschreiten.
91
Ueber Ausbreitung von FlĂĽssigkeiten und damit
zusammenhängende Erscheinungen.^)
Von J. Stark.
{Eingdau/BH 15. Januar)
In der vorliegenden Abhandlung wird zuerst eine Reihe
von Versuchen ĂĽber die verschiedenen Arten von Ausbreitung
vorgefiihrt, sodann werden Bewegungserscheinungen beschrieben,
die bei der Ausbreitung von Flüssigkeiten auftreten können.
Bezüglich der einschlägigen Literatur sei verwiesen auf
eine Arbeit von G. Quincke*) und eine Abhandlung von
0. Lehmann.^)
Der Erklärung der im folgenden behandelten Erscheinungen
ist die von Segner*) und Th. Young^) eingefĂĽhrte, in neuerer
Zeit fast allgemein adoptierte Annahme einer kontraktilen
Kraft in einer Flüssigkeitsoberfläche zu Grunde gelegt, a,^ be-
zeichne die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit ( gegen Luft,
Qtn oder a,„ sei die Oberflächenspannung in der Kontaktfläche
einer FlĂĽssigkeit i und einer anderen n, a ist die in Gewichts-
milligrammen gemessene Spannung, welche auf eine Strecke
der flüssigen Grenzfläche von der Breite eines Millimeters aus-
geübt wird. Es sei a^^ > «jo -^ ^so*
^) Die vorliegende Untersuchung wurde im Laboratorium des Herrn
Prof. von Lommel im phys. Institut der Münchener Universität angestellt.
«) G. Quincke. Pogg. Ann. 184. p. 356—867. 1868.
») 0. Lehmann. Wied. Ann. 66. p. 771—774. 1896.
*) Segner. Comment. societ. reg. sc. Gott. tom. L 1861. p. 801 — 372.
») Th. Young. Phil, trans. 1806. part L p. 66—87.
92 Sitzung der math,-phys. Glosse vom 15. Januar 1898.
Wie Quincke^) theoretisch und experimentell nachgewiesen
hat, wird eine Flüssigkeit 2 an der Oberfläche einer Flüssig-
keit 1 ausgebreitet, wenn Qj^ > a^^ 4" ^21- Nach demselben
Forscher wird eine Flüssigkeit 3 an der Kontaktfläche der
FlĂĽssigkeiten 1 und 2 ausgebreitet, wenn a,, > a^^ -{- a,,.
I. Die verschiedenen Arten von Ausbreitung.
Vorbemerkung. Bei den Versuchen, die im folgenden be-
schrieben werden, wurde zumeist, um Strömungen in den Flüssig-
keiten sichtbar zu machen, in diesen Gasruss suspendiert. Um
Russ in Wasser zu suspendieren, muss man ihn mehrmals in
diesem unter UmrĂĽhren abkochen. Am besten geht er in
Alkohol in feine Teilung. Bringt man einige Tropfen Alkohol,
in dem Russ suspendiert sind, auf Wasser, so scheidet sich unter
lebhafter Bewegung auf dessen Oberfläche ein feines, sehr leicht
bewegliches Russhäutchen ab.
1. Einfluss der Temperatur auf die Oberflächen-
spannung. — Wie bereits experimentell und theoretisch nach-
gewiesen ist, wächst die Oberflächenspannung mit sinkender
Temperatur und nimmt ab mit steigender. Eine Bestätigung
dieser Thatsache enthält auch folgender Versuch.
Chloroform hat das spec. Gewicht 1,9, Russsubstanz nach
einer vom Verfasser*) ausgefĂĽhrten Bestimmung 2,1. Bringt
man etwas Russ in Chloroform, das sich in einem Uhrglas be-
finden mag, und deckt dieses mit einer Glasplatte zu, damit
kein Chloroform verdampfen kann, dann sinken die Russ-
teilchen wegen ihres grösseren spec. Gewichtes im Chloroform
allmählich unter und sammeln sich in kleinen Ballen auf dem
Boden des Uhrglases. Das ist wenigstens der Fall, wenn man
im Schatten gearbeitet hat. RĂĽckt man dann das Uhrglas mit
dem Chloroform in das Sonnenlicht, so beobachtet man folgen-
des. Die Russballen beginnen sich langsam vertikal nach auf-
M G. Quincke. Pogj,'. Ann. 139. p. 1. 1870.
2) J. Stark. Wied. Ann. 62. p. 354. 1897.
J. Stark: lieber Ausbreitung wm FlĂĽssigkeiten, 93
wärts in Bewegung zu setzen ; sind sie an der Oberfläche ange-
langt, so weichen ihre Teilchen mit einem Ruck in horizontaler
Richtung auseinander, verteilen sich gleichmässig in der Ober-
fläche und behaupten sich solange in ihr, als nicht beschattet
wird. Lässt man auf einen Teil der mit Russ bedeckten Chloro-
formoberfläche einen Schatten, etwa von einem Federmesser
oder einem Bleistift, fallen, so zucken die Russteilchen im be-
schatteten Gebiet und an dessen Rande fast momentan zusammen
und drängen sich im Schatten dichter als in dem besonnten
Teil der Oberfläche, so dass sie in dieser Verteilung die Form
des Schattens nachbilden und der „ Russschatten ** den optischen
begleitet, falls dieser langsam weiterwandert. Zieht man den
schattenwerfenden Gegenstand zurĂĽck, so weichen die Russ-
teilchen, die im Schatten lagen, wieder momentan auseinander.
Die drei beschriebenen Vorgänge, das Aufsteigen der Russ-
teilchen, ihr Auseinanderweichen an der Oberfläche und ihre
Koncentration im Schatten, sind nicht schwer zu erklären. Der
Russ absorbiert von dem aufifallenden Sonnenlicht mehr Wärme
als das durchsichtige Chloroform. Er erwärmt daher sich und
die ihn unmittelbar umgebende Flüssigkeit stärker, als es bei
der ĂĽbrigen Chloroformnienge der Fall ist. Das den Russ um-
gebende Cliloroform wird daher leichter als das ĂĽbrige und
wird deshalb von diesem nach aufwärts gedrückt; und da der
Russ spec. nicht viel schwerer als Chloroform ist, so wird er
von der aufsteigenden Strömung an die Oberfläche geführt.
Da wo in dieser ein Russballen liegt, tritt aus dem angegebenen
Grunde eine stärkere Erwärmung und damit eine Erniedrigung
der Oberflächenspannung ein; infolgedessen zieht sich an der
betreffenden Stelle die stärker gespannte Oberfläche zurück und
reisst die schwächer gespannte und mit dieser den Russballen
auseinander. Auf diese Weise vollzieht sich die Verteilung des
Russes m der Oberfläche. Wird ein Teil derselben beschattet,
so geben die im Schatten liegenden Russteilchen durch Strah-
lung und Leitung ihren Wärmeüberschuss gegenüber der Um-
gebung ab, ohne dass ihnen durch die Sonnenstrahlen neue
Wärme zugeführt wird, während das im besonnten Teil der
94 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 15, Januar 1698.
Oberfläche der Fall ist. Man hat also in dieser eine kältere
Partie mit höherer und eine an sie angeheftete wärmere mit
niedrigerer Spannung. Die erste kontrahiert sich, indem sie
die zweite an sich zieht und die eingelagerten Russteilchen mit
sich nimmt, und bringt so deren Koncentration hervor. So-
wohl bei der beschriebenen Disgregation wie Koncentration der
Russteilchen ist im gleichen Sinne wie die Oberflächenspannung
die Schwere verschieden stark erwärmter Partien des Chloro-
forms als Bewegungsursache thätig. Das Momentane in den
gedachten Vorgängen spricht jedoch dafür, dass die Wirkung
der Oberflächenspannung tiberwiegt.
Auf Grund der Abhängigkeit der Oberflächenspannung von
der Temperatur erklärt sich auch folgender Versuch. Wird
auf eine feste, glatte Unterlage ein Tropfen einer FlĂĽssigkeit
gelegt und an einem Punkte des Tropfenrandes die Unterlage
oder der Tropfen erwärmt, dann weicht dieser von der erwärmten
Stelle zurück, wie wenn er sich der Wärme entziehen wollte.
Zum Beispiel ein Tropfen Stearin auf einer warmen Messer-
spitze wandert von dieser, wenn sie in die Kerzenflamme ge-
halten wird, weg nach den nächst gelegenen kälteren Stellen
des Messers, selbst wenn er dabei in die Höhe steigen muss.
Nach dem vorhergehenden ist ohne weiteres der Satz ver-
ständlich: Herrschen an der Grenzfläche einer Flüssigkeit
Temperaturdifferenzen, so bewirkt die Oberflächenspannung
durch Ausbreitung in kurzer Zeit einen Ausgleich derselben.
Wird an einem Teil der Oberfläche einer Flüssigkeit auf
irgend eine Weise beständig Wärme zugeführt, so dass dauernd
Temperaturdifferenzen in der Oberfläche vorhanden sind, dann
entsteht an der Stelle mit höherer Temperatur eine stationäre
centrifugale Stönmg oder, wenn man will, eine stationäre Aus-
breitung von wärmerer Flüssigkeit durch kältere. Ein beson-
ders interessantes Beispiel dieser Art, mit dem der Verfasser
in einer eigenen Abhandlung näher bekannt machen wird,
bietet der Leidenfrost'sche Tropfen. Ein anderes ist folgendes.
Um den Docht einer brennenden Kerze bildet sich bekanntlich
eine Vertiefung aus, die von einem ziemlich hohen Rande
J, Stark: ĂĽeber Ausbreitung von FiĂĽssigkeUen, 95
ungeschmolzenen Stearins und in ihrer Mitte vom Docht be-
grenzt ist. Auf ihrem Boden liegt geschmolzenes Stearin. In
der Nahe des Dochtes wird das flĂĽssige Stearin wegen der
Nachbarschaft der Flamme stärker erwärmt als an dem weiter
abliegenden Rande. Infolge der daraus sich ergebenden Dif-
ferenz der Oberflächenspannung wird dann das flüssige Stearin
beständig vom Docht weg nach dem ungeschmolzenen erhöhten
Kerzenrand und an diesem etwas emporgezogen und dann ein-
wärts nach unten zusammengeschoben, um, dem Zug der
Schwere und der saugenden Wirkung des Dochtes folgend, vom
Boden der Vertiefung wieder nach dem Docht zurĂĽckzukehren.
An der Oberfläche des flüssigen Stearins hat man demgemäss
eine vom Docht weggerichtete, an seiner Grenzfläche gegen
das noch feste Stearin eine auf ihn zugerichtete Strömung.
Die beiden ĂĽbereinander liegenden entgegengesetzt gerichteten
Strömungen kann man dadurch sichtbar machen, dass man dem
flĂĽssigen Stearin feine Russteilchen beimischt, am besten, indem
man ein Messer ĂĽber der Kerzenflamme etwas berusst und dann
die noch warme berusste Fläche rings am erhöhten Kerzen-
rande abstreift, so dass von diesem geschmolzenes mit Russ
beschicktes Stearin in die erwähnte Vertiefung niederfliesst.
Dadurch, dass stark erwärmtes Stearin vom Docht beständig
nach dem kälteren Kerzenrande gezogen wird, wird fortwäh-
rend nach diesem Wärme transportiert und so ein Beitrag zur
Schmelzung des dort gelegenen festen Stearins geliefert. Es
spielt also die Oberflächenspannung, abgesehen von der kapil-
laren Saugwirkung des Dochtes, in dem Mechanismus der Kerze
noch eine gewisse andere, nicht zu unterschätzende Rolle.
2. Die Ausbreitung von mischbaren FlĂĽssigkeiten.
— An einem Tropfen Olivenöl, der auf koncentrierte Schwefel-
säure gesetzt wird, beobachtet man folgendes. Der Tropfen
wird langsam auseinander gezogen bis zum Rande des Gefasses,
wo er sich um die Schwefelsäure herumstülpt. Gleichzeitig
mischt sich die Oelschicht an ihrer unteren Fliiche unter
chemischer Zersetzung mit der Säure. Die beschriebene Be-
wegung dauert solange als unzersetztes Oel vorhanden ist.
96 Sitzung der matK-phys, Ctasse vom 15, Januar 1898,
Der Vorgang erklärt sich leicht. Da an der Grenzfläche
von Oel und Säure die Spannung von Null wohl nur wenig
verschieden ist, so kommen fĂĽr die Ausbreitung nur die Span-
nungen in der freien Oberfläche der Säure a^Q und des Oels a^
in Betracht. In der Formel a^^ > a^ -\- a„ ist für den ge-
gebenen Fall Qjj = 0, so dass a^Q > a^Q bleibt. Und da in
der That die Spannung der Säure grösser ist als die des OeLs,
so wird dieses ausgebreitet.
Die gleiche Ueberlegung gilt von der Ausbreitung einer
beliebigen Flüssigkeit auf der freien Oberfläche einer anderen
höher gespannten mit ihr unbeschränkt mischbaren, z. B. von
Alkohol auf Wasser. Femer kann sie auf den im vorher-
gehenden Abschnitt behandelten Fall von Ausbreitung ange-
wendet werden; man hat nur für die Spannung der kälteren
Flüssigkeit die Bezeichnung a^^, für die der wärmeren a'j^ zu
wählen und zu beachten, dass 0,^ > a ^^ ist.
Lässt man aus einem Röhrchen mit kapillarer Oeflhung
ungeföhr 5 mm unter der Oberfläche reinen Wassers Alkohol
langsam ausströmen, so beobachtet man eine rings vom Röhr-
chen ausgehende stationäre Ausbreitung des Alkohols auf der
Oberfläche des Wassers. Der ausströmende Alkohol steigt näm-
lich vermöge seines kleineren spec. Gewichtes beständig empor,
wird an der Oberfläche ausgebreitet und mischt sich dann mit
dem Wasser, so dass der nachströmende Alkohol ebenfalls aus-
gebreitet werden kann.
Eine stationäre Ausbreitung von Alkohol (oder Aether)
auf Wasser erhält man auch auf folgende Weise. An der
Oberfläche eines etwa 0,5 bis 2 cm tief unter Wasser liegenden
Chloroformtropfens lasse man Alkohol austreten. Unter leb-
haften Bewegungen wird dieser ausgebreitet (siehe S. 99 u. 104)
und tritt zum Teil in das Wasser, zum Teil in den Chloroform-
tropfen, da er mit beiden FlĂĽssigkeiten mischbar ist. Hat man
nun durch Aufbringen eines Tropfens russhaltigen Alkohols
auf der Wasserfläche ein Russhäutchen (siehe Vorbem.) zur
Abscheidung gebracht, so beobachtet man nach der obigen
Operation, dass die Russteilchen auf der Wasserfläche von der
«r. Stark: Üeher Ausbreitung von Flüssigkeiten, 97
Stelle, die ĂĽber dem Chloroformtropfen liegt, sich zurĂĽckziehen
und, von kleinen Schiebungen abgesehen, für längere Zeit,
unter Umständen bis zu 10 Minuten, jene Stelle meiden. Es
bildet sich also ĂĽber dem Chloroformtropfen auf der Wasser-
fläche gleichsam eine staubfreie Ebene aus. Betrachtet man
die Wasserfläche schief in der Weise, dass das Licht einer
hellen Fläche etwa einer weissen Wolke an ihr in das Auge
reflektiert wird und auch ein dunkler Streifen, etwa das dunkle
Bild eines Fensterkreuzes auf ihr zu sehen ist, so beobachtet
man, besonders wenn die Grenze von Dunkel und Hell ent-
sprechend zu liegen kommt, auf der Wasserfläche über dem
Chloroform eine kleine spitze Erhebung und rings um diese
in gewisser Entfernung einen Ring, der in steilem Abfall einen
höher gelegenen Teil der Wasserfläche von einem diesen um-
gebenden niedriger gelegenen trennt. Auf jenem Teil, dem
hervorragenden Plateau mit der centralen Spitze, sind mehr
oder minder lebhafte centrifugale Strömungen wahrzunehmen.
Die Erscheinung erklärt sich so. Nach dem Aufbringen von
Alkohol auf die Grenzfläche von Wasser und Chloroform ist
sowohl im Wasser wie im Chloroform, aber in beiden in ver-
schiedener Koncentration Alkohol enthalten. Durch Diffusion
entzieht das Wasser dem Chloroform Alkohol. Die an der
Oberfläche des Chloroformtropfens sich bildende Mischung aus
Alkohol und Wasser steigt, weil sie spec. leichter ist als die
umgebende Flüssigkeit, an der Fläche des Tropfens nach dessen
Kuppe empor und wird von da nach der Oberfläche des Wassers
getrieben. Hier angelangt, wird sie von der umgebenden stärker
gespannten Wasserfläche sofort ausgebreitet. Die Bewegung
dauert so lange, als sich zwischen dem Alkoholgehalt des
Chloroforms und Wassers kein Gleichgewichtszustand herge-
stellt hat. BenĂĽtzt man Schwefelkohlenstofi' statt Chloroform,
dann tritt frĂĽher Ruhe ein. Der beschriebene Vorgang bietet,
was hier gelegentlich bemerkt werden mag, ein instruktives
Beispiel zu folgendem Satze. Stehen zwei FlĂĽssigkeiten, die
mit einander nicht mischbar sind, in BerĂĽhrung und ist in
beiden die gleiche dritte Flüssigkeit, der gleiche feste Körper
1898. Sittiingsb. d.math.pb7s.Cl. 7
98 Sitzung der math.-phys. Classe vom 15. Januar 1898.
oder das gleiche Gas in Mischung bzw. Lösung vorhanden, so
findet durch die Grenzfläche der beiden Flüssigkeiten solange
eine Diffusion des gemeinsamen Bestandteils statt, bis sich ein
Gleichgewichtszustand im Koncentrationsgehalt der beiden FlĂĽs-
sigkeiten hergestellt hat, der abhängig ist von ihrer mole-
kularen Verwandtschaft zum gemeinsamen Bestandteil, und bei
einem Gas wahrscheinlich dann erreicht ist, wenn sich die von
der Volumeneinheit der beiden FlĂĽssigkeiten absorbierten Gas-
mengen wie die bezĂĽglichen Absorptionskoefficienten verhalten.
Am SchlĂĽsse dieses Abschnitts mag noch der leicht ver-
ständliche Satz angeführt werden: Ist in der Oberfläche eines
Flüssigkeitsgemisches oder einer Lösung an verschiedenen Stellen
die Koncentration verschieden gross, so erfolgt unter der Wir-
kung der oberflächlichen Spannungsdifferenzen in kurzer Zeit
ein Ausgleich in der Koncentration der Oberfläche.
3. Die Ausbreitung von beschränkt mischbaren
Flüssigkeiten. — Bei beschränkt oder nicht mischbaren
FlĂĽssigkeiten ist, wie G. Quincke (1. c.) gezeigt hat, die Span-
nung in der gemeinsamen Grenzfläche von Null verschieden.
In diesem Fall von Ausbreitung einer FlĂĽssigkeit 2 auf einer
anderen 1 gilt die Formel a^^ > a,^ -j- ^%v -^^^ bekanntes
Beispiel hiefĂśr ist die Ausbreitung von Oel auf Wasser. Femer
gehört hieher die von P. du Bois-Reymond *) besonders ein-
gehend beschriebene unter Umständen stationäre Ausbreitung
von Alkohol auf Oel. Wie leicht sich durch Ausbreitung zu-
meist unsichtbare Oel- oder Fetthäutchen auf Wasserflächen
bilden, lässt sich bequem mittels des Russhäutchens zeigen,
das man erhält, wenn man einen russhaltigen Alkoholtropfen
auf eine Wasserfläche bringt. Ist diese rein, so wird das
Häutchen von den niedersinkenden Dämpfen eines übergehal-
tonen Tropfens Alkohol leicht in Bewegung gesetzt. BerĂĽhrt
man aber nur mit dem Finger oder mit einem, nicht einmal
künstlich eingefetteten Haar die Wasserfläche, so werden die
») P. du Bois-Reymond. Pogg. Ann. 104. p. 193. 1868; 139. p. 262.
1870.
3, Stark: lieber Ausbreitung von FlĂĽssigheiten, 99
fiussteilchen von der BerĂĽhrungsstelle weggeschoben und bleiben
dann fast ohne Empfindung für Alkolioldämpfe trag liegen.
4. Die Wirkung von Dämpfen auf die Oberflächen-
spannung. — Die Einwirkung von Dämpfen auf die Ober-
flächenspannung ist auf die Ausbreitung einer Flüssigkeit 2
auf einer anderen 1 zurückzuführen. Hält man einen Tropfen
von einer flüchtigen Flüssigkeit 2 über die Oberfläche einer
anderen 1 mit grösserer Oberflächenspannung und grösserer
spec. Dichte, so beginnt 1 unter dem Tropfen in der Ober-
fläche centrifugal zu strömen; ein auf 1 liegendes Russhäutchen
wird gesprengt, leichte schwimmende Körper weichen vor dem
Tropfen zurück. Es sinken nämlich von diesem Dämpfe auf
die Oberfläche nieder, werden hier teilweise zu kleinen Linsen
kondensiert, und durch deren Ausbreitung wird dann die be-
zeichnete Bewegung hervorgebracht. Ein sehr empfindliches
Reagens auf die Einwirkung von Dämpfen ist das bereits mehr-
mals erwähnte Russhäutchen auf einer Wasserfläche. Dämpfe
von einem Aethertropfen treiben es schon aus einer Entfer-
nung von 2 cm in eilige Flucht, die Dämpfe eines dicht über
die Oberfläche gehaltenen Petroleumtropfens vermögen es noch
in Bewegung zu setzen.
5. Die Ausbreitung an der Kontaktfläche zweier
Flüssigkeiten. — Eine Flüssigkeit 3 in Tropfengrösse an
die Kontaktfläche der oberflächlich höher gespannten Flüssig-
keiten 1 und 2 gebracht, breitet sich aus, wenn a,j > Og, -f- a^^.
Ein Beispiel hiefĂĽr gibt folgender Versuch.
Die Oberflächenspannung von Alkohol mit hohem Procent-
gehalt ist kleiner als die von Petroleum und Wasser. Schichtet
man auf Wasser Oel ungefähr 1 cm hoch und bringt man
mittels eines Röhrchens, dessen eines Ende kapillar ausgezogen
ist, einen Tropfen Alkohol, in dem Russ suspendiert ist, an die
Grenzfläche von Oel und Wasser, so wird der Alkoholtropfen
mit grosser Heftigkeit ausgebreitet. Man erkennt das an den
auftretenden Strömungen, noch besser an der Bewegung der
Russteilchen und an der Thatsache, dass sämtliche Russ-
100 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 15, Januar 1898,
teilchen zu einem Häutchen angeordnet in der Kontaktfläche
liegen bleiben. Es ist fĂĽr diesen Fall in der Formel a,, > ajj-f- a^,
die Spannung Ogj = 0. Ein Beispiel, in dem sowohl Qj, wie
^82 glĂźicli Null ist, bietet die Ausbreitung von Alkohol oder
Aether an der Grenzfläche von Chloroform und Wasser.
Tropfen von Petroleum, besonders von solchem, das längere
Zeit an der Luft gestanden hat, sinken in spec. leichterem
Alkohol unter. An Russteilchen, die im Oel suspendiert sind,
erkennt man, dass bald an dieser bald an jener Stelle der Kon-
taktfläche centrifugale Strömungen auftreten. Diese erklären
sich so. An der Kontaktfläche von Oel und Alkohol bildet sich
eine Mischung aus beiden. An manchen Stellen enthält diese
mehr Alkohol als in der Umgebung und wird daher von der
umliegenden stärker gespannten Oberfläche ausgebreitet.
Chloroformtropfen in Wasser zeigen an ihrer Oberfläche
keine Ausbreitbewegungen. Das kommt daher, dass sich beide
FlĂĽssigkeiten so gut wie gar nicht mit einander mischen. Setzt
man aber dem Chloroform etwas Alkohol zu, dann treten aus
leicht ersichtlichen GrĂĽnden jene Ausbreitbewegungen auf.
6. Drei Versuche über Oberflächenspannung. —
Am SchlĂĽsse dieses Abschnittes, in dem die Ausbreitung von
Flüssigkeiten als Wirkung der Verschiedenheit der Oberflächen-
spannung verschiedener Flüssigkeiten behandelt wurde, mögen
drei Versuche mitgeteilt werden, welche die Wirkung der
Oberflächenspannung in verwandter Art zeigen.
Eine Kugel, etwa von Messing, die so präpariert ist, dass
die eine Hälfte ihrer Oberfläche von Quecksilber benetzt wird,
die andere nicht, stellt sich in Quecksilber, selbst wenn dafĂĽr
gesorgt ist, dass ihr Schwerpunkt etwas nach der unbenetzten
Seite hin liegt, immer so ein, dass ihre benetzte Seite nach
unten zu liegen kommt. Wird sie zwangsweise so in das Queck-
silber getaucht, dass der Grenzkreis zwischen der benetzten und
unbenetzten Halbfläche vertikal steht, und überlässt man sie
dann sich selbst, so fällt sie immer nach der benetzten Seite.
Wie leicht zu sehen ist, erklärt sich das Verhalten der Kugel
J, Stark: lieber Ausbreitung von IflĂĽssigkeiten, 101
ohne Schwierigkeit aus der Annahme einer Oberflächenspannung,
welche die Grenzfläche einer Flüssigkeit auf ein Minimum zu
reducieren trachtet.
Die Verschiedenheit der Oberflächenspannung von Wasser
und Alkohol kann auf folgende Art demonstriert werden. Eine
Metallschale wird durch Einlötung einer in der Mitte erhöhten
Scheidewand in zwei Hälften geteilt. Bringt man in die eine
derselben Wasser, in die andere Alkohol, so steigen an der
Kante von Gefass und Scheidewand unter der Wirkung der
kapillaren KrĂĽmmung die FlĂĽssigkeiten empor; bei genĂĽgender
FĂĽllung steigen sie so hoch, dass sie an dem Rande der Scheide-
wand in Spitzen zusammenstossen. Dann wird der Alkohol
von der Wasserzunge in das Wasserbassin hinĂĽbergezogen. Das
Ueberströmen des Alkohols macht man am besten durch Bei-
mischen von Russ ersichtlich. Der Alkohol strömt selbst dann
ĂĽber, wenn er ein tieferes Niveau als Wasser hat. An der
Scheidewand, wo sich beide Flüssigkeiten trefi'en, ist die stärker
gespannte Oberfläche des Wassers an die schwächer gespannte
des Alkohols geheftet; darum reisst jene diese an sich.
Aus der Oberflächenspannung resultiert in jedem Punkt
einer gekrümmten Oberfläche in der Richtung der nach dem
Innern der Wölbung gezogenen Normalen ein Druck, dessen
Grösse gleiche a ( "p" + ^ ) ist, wo E und R die Hauptkrüm-
mungsradien in dem betrefifenden Punkt bezeichnen. Dieser
Druck variiert demgemäss mit a. Das wird in folgendem Ver-
such gezeigt. In ein horizontal gelegtes Itohrchen mit ent-
sprechendem Kaliber sei ein 0,5 bis 1 cm langer Cylinder einer
Flüssigkeit gebracht, so dass dessen eine konkave Endfläche
nahezu an dem einen Ende der Röhre liegt. Wird nun auf
diese konkave Endfläche ein Tröpfchen einer Flüssigkeit mit
niedrigerer Oberflächenspannung gebracht, so weicht der Flüssig-
keitscy linder gegen das Innere der Röhre zurück, weil der Zug
nach der nicht verunreinigten Endfläche stärker ist als nach
der verunreinigten. Ein Cylinder aus Wasser weicht bereits
vor Aetherdämpfen zurück; vor Petroleum zieht er sich erst
schnell, dann mehrere Minuten lang sehr langsam zurĂĽck.
102 Sitzung der viath.-phys, Glosse vom 15. Januar 1898,
n. Ueber Erscheinungen, welche die Ausbreitung
begleiten können.
Die nachfolgenden Mitteilungen machen nicht den Anspruch,
das vorgesetzte Thema erschöpfend zu behandeln. Wer die
hieher gehörigen Erscheinungen, soweit es möglich ist, in voll-
ständiger Zahl kennen lernen will, der sei verwiesen auf eine
grosse wertvolle Arbeit von G. Quincke,^) welche ausfĂĽhrlich
eine ganze Reihe von Erscheinungen der bezeichneten Art
behandelt.
1. Strömungen in der Oberfläche. — Bei der Aus-
breitung einer FlĂĽssigkeit hat man im allgemeinen Fall zu
untei'scheiden zwischen einer ausbreitenden (0,^) und zwei aus-
gebreiteten (agj und 032) Flächen. Die erste wird verkleinert,
die zwei letzten werden vergrössert. Die ausbreitende Fläche
wird dabei, ähnlich wie die Auszüge bei einem Fernrohr, zu-
sammengeschoben, indem die Teile, die dem Ausbreitcentrum
näher liegen, unter die entfernteren geschoben werden. Damit
ist angedeutet, dass die ausbreitende Fläche nicht in ihrer Ge-
samtheit in allen ihren Punkten mit gleicher Geschwindigkeit
von dem Ausbreitcentrum zurĂĽckweicht und erst am Gefass-
rand sich zusammenschiebt, sondern dass die Geschwindigkeit,
mit welcher die das Ausbreitcentrum umgebenden Ringe unter
die entfernteren geschoben werden, vom Centrum nach aussen
schnell abnimmt.
Infolge des molekularen Zusammenhangs, der zwischen
benachbarten Teilchen oder Schichten einer FlĂĽssigkeit besteht,
werden von der obersten bei der Ausbreitung zurĂĽckgezogenen
Schicht die zunächst unter ihr liegenden mit fortgerissen. Ist
daher die Masse der Flüssigkeit, an deren Oberfläche eine Aus-
breitung erfolgt, verhältnismässig klein, so nimmt sie in allen
ihren Teilen an der bezeichneten Bewegung teil. Bewirkt man
z. B. an einem Tropfen eine Ausbreitung und sorgt dafĂĽr, dass
diese nur in einer Richtung erfolgen kann, dann gerät der
J) G. Quincke, Wied. Ann. 35. p. 580—642. 1888.
/. Stark: lieber Ausbreitung von FlĂĽssigkeiten, 103
Tropfen mit der obersten Schicht in dieser Richtung in Ro-
tation. Das ist z. B. bei einem unter Wasser liegenden Chloro-
form- oder Schwefelkohlenstofftropfen der Fall, wenn man
Aether oder Alkohol am Rande des Tropfens aus einem kapillar
ausgezogenen Röhrchen treten lässt, indem man dieses mehr
in der Richtung einer Tangente als einer Normale zur Tropfen-
iläche hält.
Die bei der Ausbreitung auftretenden Bewegungen fester
Teilchen in der Oberfläche von Flüssigkeiten kommen dadurch
zu stände, dass die festen Teilchen von der zurückweichenden
stärker gespannten Oberfläche mit fortgeführt oder fortgezogen
werden. Ist auf einer Seite eines in einer Oberfläche schwim-
menden festen Körpers die Spannung grösser als auf der ent-
gegengesetzten, so bewegt sich der Körper nach der Seite mit
grösserer Spannung. Auf diese Weise erklären sich die be-
kannten translatorischen und rotatorischen Bewegungen fester
Körper auf Flüssigkeiten. Diese treten aus leicht ersichtlichen
Gründen mit Lebhaftigkeit auch an grösseren Russstückchen
auf, die in etwas Alkohol auf Wasser gebracht werden.
Wie in der ausbreitenden Flüssigkeiisfläche, so tritt auch
in den ausgebreiteten, indem diese auseinander gezogen werden,
eine centrifugale Strömung auf.
2. Strömungen im Innern der Flüssigkeiten. —
Indem die ausbreitende Flüssigkeitsfläche beim Zurückweichen
zusammengeschoben wird, entsteht eine von ihr ausgehende
schief nach dem Innern gerichtete Strömung. Mit dieser kom-
biniert sich eine zweite, die im gleichen Sinne wirkt. Indem
die ausgebreiteten Grenzflächen 31 und 32, die sowohl der
Flüssigkeit 3 wie 1 bzw. 2 angehören, ausgebreitet werden,
nehmen ihre Teilchen in der Richtung der Ausbreitung Be-
wegung an, wie bereits erwähnt. Die ihnen gegen das Innere
der FlĂĽssigkeiten benachbarten Teilchen werden v(m ihnen mit
fortgerissen. Es entsteht so längs der Ausbreitfläche erstens
eine centrifugale Strömung. An die Stelle der centrifugal fort-
gefĂĽhrten Teilchen rĂĽcken dann, mehr oder weniger senkrecht
104 Sitzung der math,'phys. Classe vom 15. Januar 1898,
gegen die Ausbreitfläche strömend, andere weiter im Innern
gelegene Teilchen ; dadurch kommt zweitens eine zur Ausbreit-
fläche orthogonale Strömung zu stände. Die Kombination der
einzeln aufgeführten Strömungen ergibt in jeder Flüssigkeit,
die an der Ausbreitung beteiligt ist, folgende Cirkulation oder
Wirbelbewegung. Vom Innern der Flüssigkeiten strömen ortho-
gonal gegen die Ausbreitfläche die unter oder über dieser
liegenden Flüssigkeitsteilchen, an dieser oder in der Nähe der-
selben biegen sie um, laufen längs derselben fort und biegen
in geringer Entfernung vom Rand der ausgebreiteten Fläche
gegen das Innere zurĂĽck, um nach einer weiteren Wendung,
horizontal laufend, zum Ausgangspunkt zurĂĽckzukehren.
Ist die Masse der Flüssigkeit, an deren Oberfläche eine
Ausbreitung erfolgt, verhältnismässig klein, dann nimmt die
ganze Masse an der beschriebenen Wirbelbewegung teil. Man
kann diesen Fall in schöner Weise an einem unter Wasser
liegenden Chloroformtropfen verwirklichen, wenn man auf seiner
Kuppe aus einem Röhrchen etwas Alkohol austreten lässt. Um
die Bewegungen im Tropfen wahrnehmen zu können, setzt man
zweckmässig dem Chloroform oder Alkohol Russteilchen bei.
Durch die eben behandelte orthogonal gegen die Ausbreit-
fläche gerichtete Strömung einer an der Ausbreitung beteiligten
Flüssigkeit wird diese, soweit sie der Ausbreitfläche gegenüber
liegt, gegen diese gleichsam hingesaugt. Es ist diese Strömung
die Ursache verschiedener interessanter Erscheinungen.
Feste Teilchen, die in der betreflenden FlĂĽssigkeitspartie
suspendiert sind, scheinen sich unter der Wirkung von an-
ziehenden Kräften der Ausbreitfläche zu nähern; indes ist ihre
Bewegung nur ein Transport, herbeigefĂĽhrt von der bezeich-
neten orthogonalen Strömung der suspendierenden Flüssigkeit.
Aus der gleichen Ursache erklärt sich die bereits von Quincke
behandelte scheinbare gegenseitige Anziehung von Oelkugeln,
die in spec. leichterem Alkohol schweben. Wie bereits dar-
gelegt, finden an der Oberfläche der Oelkugeln infolge der
allerdings beschränkten LösHchkeit beider Flüssigkeiten in
einander beständig Ausbreitbewegungen statt. Vermöge der-
J. Stark: lieber Ausbreitung von FlĂĽssigkeiten, 105
selben saugen die Oelkugeln alkoholische FlĂĽssigkeit an sich
heran und mit dieser gegenseitig sich selbst.
Endlich erklärt sich aus der in Rede stehenden Strömung
wohl auch die allerdings nur sehr niedrige plateauartige Er-
hebung des Teiles einer FlĂĽssigkeit, auf dem eine Ausbreitung
von einer sehr kleinen Menge einer anderen FlĂĽssigkeit erfolgt.
Auf einer Wasserfläche zeigt sich diese Erhebung z. B. schon
unter einem ĂĽbergehaltenen Aethertropfen, und wird dieser
entsprechend auf und nieder bewegt, so gerät die Wasserfläche
in eine wellenartige Bewegung.
3. Erscheinungen hervorgerufen durch Aenderung
des Oberflächendruckes. — Quincke*) hat gezeigt, dass die
Erniedrigung der Oberflächenspannung, die an einem Punkte
der Oberfläche eines Sphäroids einer Flüssigkeit 2 in einer an-
deren 1 bei EinfĂĽhrung einer FlĂĽssigkeit 3 sich zeigt, eine
Ausbauchung des Sphäroids an der betrefienden Stelle und eine
Bewegung desselben nach der Seite der Ausbauchung hervor-
bringt. Da nämlich die Krümmung in einem Punkte eines
Sphäroids abhängig ist von dem dort herrschenden hydrostati-
schen Druck und der dort herrschenden Oberflächenspannung,
80 stellt sie sich dieser entsprechend her, wird z. B. grösser,
wenn diese vorübergehend oder für längere Zeit herabgesetzt
wird. Bevor diese Aenderung, die Herstellung eines Gleich-
gewichts in der Krümmung des Sphäroids erfolgt, ist, allerdings
nur für sehr kurze Zeit, der Oberflächendruck auf der Seite
desselben grösser, welche entgegengesetzt ist zu der oberflächlich
niedriger gespannten Partie. Dieser Druck gibt daher fĂĽr einen
Moment dem Sphäroid einen Bewegungsantrieb nach der Seite
hin, wo die Oberflächenspannung herabgesetzt ist. Während
dieser Antrieb schnell vorübergeht, hält die Aendeining der
Krümmung, d. h. die Ausbauchung an der oberfläclJich nie-
driger gespannten Stelle so lange an, als die entsprechende
Differenz in der Oberflächenspannung existiert. Die charakte-
>) Quincke. Wied. Ann. 35. p. 608—614. 1888.
106 Sitzung der mcUh.-phys. Classe vom 15, Januar 1898.
risierte Deformation der Oberfläche lässt sich z. B. an hängen-
den Tropfen beobachten, wenn ihnen Dämpfe von Substanzen
mit kleinerer Oberflächenspannung von unten her genähert
werden. Neu mag in dieser Beziehung folgender Versuch sein.
Lässt man auf ziemlich, aber nicht allzu fein gepulverten
Schwefel, der auf einer Glasplatte liegen mag, vorsichtig einen
Tropfen Wasser fliessen, so bleibt dieser in schön ausgebildeter
Form als Tropfen liegen. Nähert man ihm von der Seite her
einen Aethertropfen, so baucht er sich gegen diesen aus und
nimmt eine mehr eiförmige Gestalt an. Hat man dafür gesorgt,
dass der Wassertropfen auf einen sanften Abhang der aufge-
streuten Schwefelschicht zu liegen kommt, und an seiner unteren
Fläche keine grösseren Schwefelstückchen bei einer Bewegung
sich ihm entgegenstellen, dann rollt er bei einer raschen seit-
lichen Annäherung (bis auf 1 mm) eines Aethertröpfchens gegen
dieses und hat sich in dasselbe gestĂĽrzt, ehe man es zurĂĽck-
ziehen kann.
4. Die Ausscheidung fester Teilchen an der Grenz-
fläche von Flüssigkeiten. — Es wurde bereits mehrmals
die Ausscheidung von Russteilchen an der Grenzfläche von
Flüssigkeiten erwähnt, und das sich dabei bildende Russhäutchen
dazu benĂĽtzt, um Schiebungen der FlĂĽssigkeiten in den Grenz-
flächen sichtbar zu machen. Dieser Vorgang soll nun näher
beschrieben und erklärt werden.
Um eine Ausscheidung von Russteilchen aus Alkohol auf
Wasser zu erhalten, hat man Sorge zu tragen, dass der Russ
in Alkohol möglichst fein verteilt ist. Dies erreicht man da-
durch, dass man den Russ längere Zeit in Alkohol liegen lässt
und ihn dann heftig aufschĂĽttelt. Die mit Russ getrĂĽbten
Alkoholtropfen darf man nicht aus zu grosser Höhe in das
Wasser einfallen lassen; dieses muss eine reine Oberfläche be-
sitzen. Je grösser der Procentgehalt des Alkohols ist, desto
lebhafter und bedeutender ist die Abscheidung der Russteilchen.
Suspendiert man Kaolin oder QuecksilberchlorĂĽr in Alkohol
und giesst einige Tropfen davon auf Wasser, dann tritt eben-
J. Stark: lieber Ausbreitung von FlĂĽssigkeiten, 107
falls eine Abscheidung eines Teiles der suspendierten Körperchen
an der Wasseroberfläche unter Bildung eines feinen weissen
Häutchens ein. Doch ist in diesem Fall der Vorgang wegen
des grösseren Gewichtes der festen Teilchen und wegen ihrer
Farbe nicht so lebhaft und auffallend.
Statt mit Alkohol und Wasser lässt sich die Abscheidung
der suspendierten Teilchen auch mit einer einzigen FlĂĽssigkeit
erzielen. Lässt man nämlich einige Tropfen heissen Wassers,
die suspendierte Russteilchen enthalten, auf kaltes fallen, so
werden aus dem heissen ebenfalls Russteilchen abgeschieden.
Wenn man Wassertropfen mit suspendierten Russteilchen
auf Alkohol fallen lässt, so beobachtet man keine nennenswerte
Abscheidung der letzteren. Das ist auch nicht der Fall, wenn
man kaltes durch Russ getrübtes Wa.sser auf warmes tropfen läs.st.
Die beschriebene Ausscheidung fester Teilchen aus einer
Flüssigkeit 2 auf einer anderen 1 , die eine höhere Oberflächen-
spannung als 2 besitzt und mit dieser unbeschränkt mischbar
ist, kommt offenbar durch die Wirkung der Oberflächenspan-
nung zu stände, wie nun gezeigt werden soll. Bringt man
eine sorgfältig gereinigte Kugel, etwa eine Messingkugel, so
tief in Wasser mit reiner Oberfläche, dass von ihr eben noch
eine Haube ĂĽber dem Wasserspiegel liegt, aber bereits von
einer Wasserhaut überzogen ist, lässt man dann auf den höch-
sten Punkt der Haube einen kleinen Tropfen Alkohol fliessen,
so beobachtet man folgendes. Der Alkoholtropfen wird in
heftiger centrifugaler Bewegung von der Kugelhaube herab und
auseinander gerissen, so dass diese nach wenigen Sekunden von
aller Flüssigkeit gesäubert ist und sie daher trocken erscheint.
Das umgebende Wasser begrenzt sie dann Itir einige Zeit in
konvexer Wölbung und steigt nur langsam wieder an ihr empor,
um sie schliesslich wieder zu ĂĽberziehen.
Bringt man nach der angegebenen Art die Kugel in
Alkohol und setzt auf die hervorragen dr» Haube, die nunmehr
mit einer Alkoholhaut ĂĽberzogen ist, einen Wassertropfen, so
wird dieser nicht in centrifugaler Bewegung in die umgebende
FlĂĽssigkeit hinabgezogen, sondern bleibt nach einer anfang-
108 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 15. Januar 1898.
liehen nach seinem Innern gerichteten Zuckung in Tropfenform
auf der Kugelhaube liegen.
Die beschriebenen Erscheinungen erklären sich nach den
weiter oben mitgeteilten Ansichten und Versuchen aus der Ver-
schiedenheit der Oberflächenspannungen des Wassers und Al-
kohols. Da nämlich dieser eine kleinere Oberflächenspannung
als jenes besitzt, so wird er von der Wasserhaut auseinander-
gezogen und solange ausgebreitet, bis ĂĽberall an der freien
Oberfläche die Spannung gleich gross ist.
Der Vorgang, der sich beim ersten Versuch mit der Mes-
singkugel abspielt, stellt einen spec. Fall des allgemeinen Satzes
dar: Einem festen Körper, der zum Teil in eine Flüssigkeit
von gewisser Oberflächenspannung getaucht, im übrigen mit
einer Schicht oder Haut einer anderen FlĂĽssigkeit mit niedrigerer
Oberflächenspannung bedeckt ist, wird diese Haut oder Schicht,
sobald beide FlĂĽssigkeiten zum Kontakt kommen, von der ersten
FlĂĽssigkeit abgezogen.
Nimmt man zu diesem Satz die Thatsache, dass leichte
Körperchen in der Oberfläche einer Flüssigkeit festgehalten
werden und, wenn sie einander nahe kommen, sich scheinbar
anziehen, dann ist die beschriebene Abscheidung eines Russ-
häutchens genügend aufgeklärt.
Eine oberflächliche Abscheidung von Russteilchen erhält
man auch, wenn man auf alkoholisches Wasser einen Chloro-
formtropfen legt. Man verfährt zu diesem Zweck am besten
so. In Wasser lässt man aus einer Höhe von ungeföhr 1 dm
einige Alkoholtropfen fallen, die mit Russ stark getrĂĽbt sind.
Es scheidet sich dann nur ein kleiner Teil der Russkörperchen
aus; die grössere Zahl derselben verteilt sich infolge der Mischung
des Alkohols mit dem Wasser in diesem. Legt man dann einen
Chlorofomitropfen auf das Wasser, dann werden unter den be-
kannten lebhaften Strömungen im Wasser und Chloroform Russ-
teilchen in grosser Zahl an der Kontaktfläche beider Flüssig-
keiten ausgeschieden, schiessen in dieser zum Rande der Chloro-
formlinse empor und werden hier auf der Wasserfläche centri-
fugal fortgeführt. Infolge der Strömungen im Wasser und der
•T. Stark: Ütber Ausbreitung w>n Flüssigkeiten, 109
damit verbundenen fortgesetzten Ausscheidung von Russ wird
das Wasser allmählich in seiner obersten Schicht vom Kuss
gesäubert, während die unter dieser liegende ihre dunkle Russ-
schattierung beibehält.
Die Beobachtung, dass Chloroform Russteilchen aus Wasser
vor allem dann zur Abscheidung bringen kann, wenn das
Wasser mit Alkohol versetzt ist, legt die Vermutung nahe,
dass zwischen der Ausscheidung fester Teilchen aus Alkohol
auf Wasser und dem eben behandelten Fall insofeme eine
Verwandtschaft vorliegt, als hier wie dort eine Ausbreitung
der FlĂĽssigkeit, welche die Russteilchen suspendiert, und damit
ein Abziehen jener von diesen erfolgt. Diese Vermutung wird
durch folgende Versuche bestätigt.
Ein Chloroformtropfen unter Wasser, in dem Russteilchen
suspendiert sind, zeigt an seiner Oberfläche keine Abscheidung
von Russ. Dagegen tritt diese Erscheinung ein, wenn dem
Wasser oder dem Chloroform Alkohol beigegeben wird. Nun-
mehr bilden sich nämlich an der Grenzfläche von Wasser und
Chloroform russhaltige Gemische von Chloroform und Alkohol
mit verschiedener Koncentration. Die an Alkohol reicheren
und darum niedriger gespannten Mischungspartien werden aus-
gebreitet und von der Oberfläche ihrer Russteilchen herabge-
zogen ; diese bleiben dann in Kontaktfläche von Chloroform und
Wasser liegen. Durch die bei der Ausbreitung auftretende
orthogonal zur Ausbreitfläche gerichtete Strömung werden neue
Russteilchen in die Nähe der Kontaktfläche geführt und hier
durch Ausbreitung ihrer sie fĂĽhrenden FlĂĽssigkeit abgesetzt.
Auf diese Weise klärt sich die durch Russ getrübte Flüssigkeit
allmählich.
Besonders schön ist der beschriebene Vorgang an kleinen
Oelkugeln zu beobachten, die mit Russteilchen versetzt sind
und in spec. etwas leichterem Alkohol schweben. Unter leb-
haften radialen und centrifugalen Strömungen an der Ober-
fläche der Oelkugeln werden nach kurzer Zeit fast alle Russ-
teilchen aus ihnen in die Kontaktfläche von Oel und Alkohol
ausgeschieden. Hier bilden sie eine ziemlich dicke Russhaut,
110 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 15. Januar 1898.
da wegen der Löslichkeit von Oel und Alkohol in einander
die Grenzfläche dieser beiden Flüssigkeiten nicht scharf aus-
gebildet ist. Diese wird um so schärfer, je mehr Wasser man
dem Alkohol zusetzt. Dann steigen die Oelkugeln, die sich
mit der Zeit zu einer einzigen vereinigen, an die freie Ober-
fläche, und die ausgeschiedenen Russteilchen ordnen sich dann
zu einem sehr feinen Häutchen an der Grenzfläche von Oel
und dem Gemisch aus Wasser und Alkohol.
111
Sitzung vom 6. Februar 1898.
1. Herr Emil Selenka hielt einen Vortrag: ^Ueber die
Architektur des Orangutan-Schädels.** Derselbe wird
anderweit zur Veröffentlichung gelangen.
2. Herr Eugen v. Lommel macht eine Mittheilung: „üeber
aus Kalkspath und Glas zusammengesetzte NicoTsche
Prismen.**
3. Herr Eugen v. Lommel legt eine Abhandlung des Herrn
Professor Paul Glan in Berlin: »Theoretische Untersuch-
ungen über elastische Körper und Elektrizität** vor.
ĂĽeber aus Kalkspath und Glas zusammengesetzte
Nicorsche Prismen.
Von E. T. Lommel«
(Eingtiaufin 5, Fibruar.)
In den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften
zu Berlin hat Herr C. Leiss^) ĂĽber ein neues, aus Kalkspath
und Glas zusammengesetztes Nicoisches Prisma berichtet. Solche
Prismen sind schon seit mehr als zwei Jahren in meinem Besitz ;
sie wurden Ende 1895 von der Firma Steeg und Reuter in
Homburg v. d. H. in bekannter vorzĂĽglicher AusfĂĽhrung nach
meinen Angaben hergestellt. Schon etwa ein Jahr frĂĽher hatte
Herr StrĂĽbin, Optiker in Basel, solche Prismen verfertigt,
ebenfalls von der Absicht geleitet, die Hälfte des inmier kost-
barer werdenden Kalkspathmaterials zu ersparen.
») Sitzung vom 21. Oktober 1897.
112 Sitzung der math.-fhys, Classe vom 5. Februar 1698.
Ein so zusammengesetztes Prisma kommt begreiflicherweise
einem echten Nicol an Vollkommenheit nicht gleich. Das Ge-
sichtsfeld erscheint verzerrt, weil sich die aussergewöhnliche
Brechung des Kalkspaths durch die gewöhnliche des Glases
nicht fiir alle Strahlen des nutzbaren Strahlenkegels gleichzeitig
aufheben lässt. Die Dimensionen des Gesichtsfeldes parallel
zum Hauptschnitt erscheinen gegenĂĽber jenen senkrecht zum
Hauptschnitt verkĂĽrzt. Deshalb genĂĽgt auch das neue Prisma
der von Nicol *) angegebenen Probe fĂĽr die richtige Konstruk-
tion seiner Prismen nicht. Betrachtet man nämlich durch ein
echtes Nicol ein Fensterkreuz aus einer Entfernung von 1 bis
2 m, so bleibt es unbeweglich und rechtwinklig, wie man auch
das Prisma um seine Achse drehen mag. Durch das neue Prisma
dagegen erscheinen die Arme des Kreuzes nur rechtwinklig,
wenn der Hauptschnitt des Kalkspaths mit einem derselben
parallel ist; beim Drehen des Prismas aber werden die Qua-
dranten, durch welche der Hauptschnitt des Kalkspaths geht,
stumpfwinklig, die beiden andern spitzwinklig, und die Kreuzes-
arme erscheinen ein wenig gekrĂĽmmt. Zugleich ist das Gesichts-
feld nicht vollkommen achromatisch, ein Uebelstand, der ĂĽbri-
gens bei Anwendung von homogenem Licht (z. B. Natriumlicht)
wegfallt.
Wegen dieser Mängel, welche die Brauchbarkeit des künst-
lichen Nicols zu Messungszwecken in Frage stellen, unterliess
ich damals die Veröffentlichung. Nachdem aber der Gegenstand
nunmehr zur Sprache gekommen ist, sei es mir gestattet, die
Gesichtspunkte, welche mich bei der Konstruktion dieser Prismen
leiteten, in KĂĽrze darzulegen.
Indem wir die Betrachtung auf den Hauptschnitt des Kry-
stalles einschränken, wählen wir in diesem die Kotationsachse 26
der ellipsoidischen Wellenschale als o;- Achse eines rechtwinkligen
Koordinatensystems, mit welcher die Eintrittsfläche des Krystalls
den Winkel a bilde. Zu der aus der Luft unter dem Winkel i
einfallenden Welle ergibt sich die im Krystall aussergewöhn-
1) Nicol, Pogg. Ann. Bd. 49, p. 239. 1840.
J&. V. Lommel: lieber NicoVsche Prismen. 113
lieh gebrochene Welle als die vom Punkt x^ = cos a / sin i,
y, = sin a / sin i der Eintrittsfläche an die Ellipse mit den Halb-
achsen a und b gelegte Tangente. Die vom Mittelpunkt der
Ellipse (Koordinatenanfang) auf diese Tangente gefällte Senk-
rechte Q stellt alsdann die Fortpflanzungsgeschwindigkeit dieser
Welle dar. Wählen wir nun die Glassorte so, dass der Radius
ihrer kugelförmigen Wellenfläche = q, oder ihr Brechungsindex
n = IJQ ist, so geht jene ebene Welle aus dem Krystall ohne
Richtungsänderung in das Glas über, und tritt aus der mit der
Eintrittsfläche parallelen Endfläche unter demselben Winkel i
wieder in die Luft aus. Die Bedingung, dass ein an der vor-
deren (Spath-)riäche unter beliebigem Einfallswinkel i ein-
tretender (senkrecht zum Hauptschnitt polarisierter) Strahl an
der hinteren (Glas-)Fläche mit ungeänderter Richtung austrete,
fordert also, dass der Brechungsindex des Glases
""^V ÂĄ + ^
sei, wo x\ y die Koordinaten des BerĂĽhrungspunktes der Ellipse
und jener Tangente sind, und sich daher aus den Gleichungen
X ^ i/^ X f/'
-Ti-\ — ^ = 1 und , i cos a + -r sin a = sin i
ergeben. Man kann nach Einsetzung dieser Werte den Aus-
druck fĂĽr n leicht wie folgt umformen:
n = Vsmn+ P»,
wo
PJV'= YN — a* 6* sin* i — (a* — 6*) sin a cos a sin i
und
JV= a* cos* a -f- 6* sin* a
ist. Die Gleichungen gelten, unter welcher Neigung zur Kry-
stallfläche die zum Hauptschnitt senkrechte Schnittfläche auch
gefĂĽhrt sein mag.
1898. BiUongsb. d matb.-ph78. OL B
114 Sitzung der mathrphys, Classe vom 5. Februar 1898,
Diese Bedingung kann, wie man sieht, durch einen einfach
brechenden Körper mit konstantem n jeweils nur für einen
einzigen Einfallswinkel befriedigt werden. Die erwähnte Ver-
zerrung des Gesichtsfeldes ist die notwendige Folge davon.
Man kann aber wenigstens dafĂĽr sorgen, dass der mit den
Längskanten des Prismas parallel einfaUende Strahl (der Achsen-
strahl) beim Austritt seine Richtung beibehalte, so dass ein
anvisierter ferner Punkt beim Drehen des Prismas in seiner
It&ge verharrt.
Ist die Ealkspathfläche eine natürliche, so ist der Einfalls-
winkel des Achsenstrahls j == 19« 8' (109« 8' — 90»), der Winkel
der optischen Achse mit jener Fläche a = 45® 23', femer für
Natriumlicht a = 0,67270, 6 = 0,60297. Danach berechnet
sich n = 1,5321. FĂĽr die Linie ÂŁ(a = 0,67381, b = 0,60547)
findet man n = 1,5287, und fĂĽr die Linie JF(a = 0,67077,
6 = 0,59954) w= 1,5377.
Wählt man also ein Crownglas, dessen Brechungsverhält-
nisse sind:
B) 1,5287 D) 1,5321 F) 1,5377 0
so erleidet der Achsenstrahl nicht nur keine ßichtungsänderung,
sondern auch keine Farbenzerstreuung. FĂĽr ein mit dem Achsen-
strahl paralleles StrahlenbĂĽndel ist sonach das neue Prisma
ganz tadellos. Aber auch in anderen Fällen, so lange es sich
nicht um Messungen handelt, z. B. zur subjektiven Beobachtung
und zur objektiven Darstellung der Erscheinungen der chro-
matischen Polarisation, kann das Prisma, insbesondere als Polari-
sator, vorteilhaft verwendet werden.
Bisher wurde angenommen, dass die Kalkspathhälfte des
Prismas der Lichtquelle zugewendet sei. Die gewöhnlich ge-
brochenen, im Hauptschnitt polarisirten Strahlen werden als-
*) Ein Crownglas von Guinand hat nach Messungen von Dutirou
die Indices
B) 1,62806, D) 1,68173, F) 1,53825,
welche den obigen sehr nahe kommen.
S, V, Lammel: lieber NicoVsche Prismen, 115
dann wie bei dem echten Nicol durch totale Reflexion an der
Eanadabalsamschicht beseitigt.
Man kann aber das Prisma ebensogut auch umgekehrt,
die Glashälfte voran, gebrauchen. Die aussergewöhnlichen
Strahlen gehen dann auf denselben nur umgekehrten Wegen
durch das Prisma durch. Die im Hauptschnitt polarisierten
Strahlen dagegen dringen durch die Kittschicht in die Kalk-
spathhälfte und werden an deren Hinterfläche zum Teil nach
innen total reflektiert, zum Teil unter starker Ablenkung in
die Luft hinaus gebrochen. Zwischen dem Einfallswinkel i an
der Glasfläche und dem Austrittswinkel i an der Spathfläche
besteht, wenn die Schnittfläche senkrecht zu den Endflächen
gefĂĽhrt ist, die Beziehung:
sin* i = sin* i + w', — n%
wenn n« den Brechungsindex des gewöhnlichen Strahles in
Ealkspath, n wie vorhin den Brechungsindex des Glases be-
zeichnet.
Nach dieser Formel bestimmt sich der kleinste Austritts-
winkel der gewöhnlich gebrochenen Strahlen (fQr i ^= o) aus
sm* i = fifo — n*
wie folgt:
JB) 38^42' D) 39« 25' F) 40M2.
Der Einfallswinkel, bei welchem an der Spathfläche die
totale Reflexion beginnt (i' = 90), ergibt sich aus der Gleichung
cos' i^=nl, — n* ;
er ist das Complement des vorigen, also beziehungsweise 5P 18',
50*^35', 49^48'; Strahlen, welche unter grösseren Einfalls-
winkeln auf die vordere (Glas-)Fläche treffen, treten aus der
Hinterfläche nicht mehr aus. Die gewöhnlich gebrochenen
Strahlen, welche aus der Hinterfläche noch austreten, liegen
also (für Natriumlicht) zwischen i' = 39*^ 25' und i = 90«; sie
entsprechen einfallenden Strahlen zwischen i^=o und i = 50« 35',
während alle zwischen i = 50« 35' und i = 90« einfallenden
8*
Il6 . Sitzung der math.-phys, Classe vom Ă–. Februar 1898.
Strahlen nach innen total reflektiert werden. Jene noch aus-
tretenden ordinären Strahlen bilden ein (bei Benutzung des
vollen Gssichtsfeldes unreines) Spektrum, welches aber so stark
zur Seite gelenkt ist, dass es die Beobachtung in keiner Weise
hindert; für Natriumlicht z. B. beträgt die Ablenkung gegen
den Axenstrahl 39<>25' — 19^ 8' = 20M7'. Bei diesem Ge-
brauche (Glas voran) wirkt das neue Prisma eigentlich ähnlich
wie ein achromatisches Kalkspathprisma, das aber wegen der
weit grösseren Ablenkung der ordinären Strahlen nach Art
eines Nicols verwendbar ist.
117
Theoretische Untersuchungen über elastische Körper
und Elektrizität.
Von Paul Glan.
{KhtgdauftH 5. Ftbntar.)
Die Grenze eines Körpers habe die Gleichung
cĂĽ = t/; (g, o),
in der g die Länge einer geodätischen Linie seiner Oberfläche
von einem Punkte derselben aus und o den Winkel bedeutet,
den diese Linie im Anfangspunkte von g mit einer bestimmten
Geodätischen bildet. Von einem Punkte einer solchen Linie
mag nach dem Innern des Körpers in der Richtung ihrer
Hauptnormale der Einheitsvektor v gehen, in der Richtung
ihrer Tangente und zwar nach der Seite wachsender Länge
der Einheitsvektor t und in der Binormalen liegend der Ein-
heitsvektor i; es sei die Drehung um v von r nach i rechts-
läufig oder positiv. Ein Vektor im Räume kann in der Form
o) = yĂź (g, o) 4" wv
gegeben sein, in der n ein Skalar ist. Es ist weiter
T = ?7Dg vs « = ± UDo v^, V = + UVD^ y) Do w
Das Vorzeichen ist in den AusdrĂĽcken fĂĽr i und v so zu
nehmen, dass t, e, v die zuvor angegebene Lage zu einander
haben.
Der Zuwachs Aa^^ zla^, Aa^^ den die Vektoren der elasti-
schen Kräfte bei einer unendlich kleinen Zustandsänderung
118 SiUung der matK-phys. Glosse vom 5. Februar 1898.
dm^, , , dt im Zeitelement dt erleiden, soll nun in seiner Ab-
hängigkeit von der Zeit in Betracht gezogen werden, in der
sie erfolgt. Ein bestimmter Zustand ist dann durch die ihm
zukommenden Werte der Formvariabein, der Temperatur und
der Zeit charakterisiert, in welcher sie ausgefĂĽhrt ward. Es
wird, zum Beispiel,
Aa^ = (p (Wj, . . nj, t, t, dm,, . . rfn,, dt, dt).
Die Entwicklung nach dm,, . . dt und alleinige BerĂĽck-
sichtigung der Glieder mit den ersten Potenzen dieser Grössen,
welche erlaubt ist, wie frĂĽher in diesen Untersuchungen er-
läutert ward, wenn sich a, nur wenig und stetig mit m,, . . t
ändert, giebt
Aai=fi\ dm,+/ij' dm^-i-fx'!' dm^-{-v\ dn^+v^ dng+v," dn^+Xi ^^•
Hier sind die vektor Faktoren vektor Funktionen von
m,, . . t, t, dt Sie sind nach den vorliegenden Erfahrungen,
wie frĂĽher ausgefĂĽhrt ist, entwickelbar jedenfalls bis zu den
Gliedern mit m,, . . n^ anzusehen und es können dann bei der
Kleinheit von m^^ . ,n^ nur die von den Formvariabein unab-
hängigen Glieder dieser Entwickelungen zunächst in Betracht
gezogen werden. Diese nur von t, t und dem Zeitelement dt ab-
hängigen Vektoren sollen //!,.. ;^i von jetzt sein. Bei raschen
periodischen Formänderungen können wir, da sich bei mehreren
solchen die Temperatur nur wenig infolge derselben ändert
und sich nach dem bisher Bekannten die elastischen Konstanten
im allgemeinen in geringem Masse mit der Temperatur ver-
ändern, für kürzere Zeit die Aenderung der Temperatur t ausser
Acht lassen in Bezug auf ihren Einfluss auf die Vektoren
/i], . . ;iji. Da femer nach mehreren raschen periodischen Aen-
derungen der Form keine Veränderung des Stoffes im all-
gemeinen einzutreten pflegt, wollen wir die elastischen Vek-
toren //i, . . x\ periodisch veränderlich nehmen. Die Dauer
ihrer Periode sei 4 : A und gleich derjenigen der Formänderung.
Die Vektoren /ij, . . vj" mögen hier so bestimmt werden wie
zuvor in diesen Abhandlungen bei langsamen Aenderungen;
PatĂĽ Olan: Theoretische Untersuchungen. 119
nun sind jedoch ihre elastischen Koeffizienten periodische
Funktionen von 4:Ă„ und ein elastischer Skalar wie e^ dann
darstellbar in der Form:
und es sind Ei, , . Z7j, . . abhängig von h. Es sollen nur die
ersten Glieder dieser Reihen vorläufig in Betracht gezogen
werden.
Da die innere elastische Kraft dieselbe bleibt, wenn sich bei
konstanten äusseren Kräften die Formvariabein um dt ^i»-. ^t^s
ändern, wie es einer Aenderung der Temperatur um dt ent-
spricht, folgt zum Beispiel,
Xi ^t = — i"i d^m—fi'ld^m^— fi'l'd^m^ — v\ d^n^ — v^ d^n^ — v^'d^n^.
Die thermischen Ausdehnungsindizes flir einen bestimmten
Zustand, der nun durch seine Formvariabein, Temperatur und
die Zeit, in der er entstanden, zu charakterisieren ist, ergeben
sich dann nach FrĂĽherem in der Form:
und es sind «<,, . . a„g Funktionen von t, f, dt ähnlich den elasti-
schen Skalaren zu behandeln, wie die Leitfähigkeit für Wärme k.
In Kristallen sind beide thermischen Indizes von der Richtung
im allgemeinen abhängig.
Die Gleichung zur Bestimmung des Wärmeverbrauchs
einer unendlich kleinen Zustandsänderung kann die frühere
bleiben; es ist die spezifische Wärme bei konstanter Form
dann so wie zuvor die elastischen Skalare und thermischen
Ausdehnungsindizes zu betrachten.
Für die Grenze kann weiter der zu ihr senkrechte Wärme-
fluss unendlich nahe ihren beiden Seiten und nach derselben
Richtung genommen gleich gesetzt werden. Dies ergiebt fĂĽr
lim n = 0 :
120 Sitzung der math.'phys, Glosse vom 5. Februar 1898.
= (^1 d t,«j S(pv TJdcp^^ -{-k^dta^Stpv Ud(pc^-{-k^ dta>^ S(pv Ud(pa>^^^^ ;
es ist (pv das Lot zu ihrer Grenze bei der Formänderung q) (co, f).
FĂĽr einen nichtkristallischen Stoff von unendlich grosser
Ausdehnung haben die Vorgänge an der unendlich entfernten
Grenze keinen zu beachtenden Einfluss auf das im Endlichen
vor sich Gehende und hier Betrachtete und können unbeachtet
bleiben. Es mag die folgende Bewegung geprĂĽft werden:
Der variable Vektor {q — (o) ist die Verschiebung eines
Teilchens; r, ÂŁ, v stellt ein System dreier zu einander recht-
winkligen Einheitsvektoren dar und die Drehung um t von i
nach V ist rechtläufig und positiv. Eine Länge g ist in der
Richtung von t vom Vektorenanfangspunkte aus genommen.
Die Bewegung erfolgt in ebenen Wellen mit Längsschwingungen,
welche in der Richtung von t fortschreiten, dabei absorbiert
werden und mit der Zeit verlöschen, während die Ruhelage
an einem Endpunkte ihrer Bahn liegt. Sie liegt fĂĽr den der
fortlaufenden Welle Entgegensehenden im hinteren Teile der
Schwingungsbahn, wenn + vor 1 genommen wird, im vor-
deren bei — vor 1. Die Schwingungen und g sollen sehr
klein sein. Es werden die Formvariabein
„,. = _^,-l.-'+^.='-»') [(+1 + cos) (ti') + ^j sin ],
m^ = m^ = nj = n^ = nj = 0. Es bedeuten hier und im fol-
.7t JZ
genden cos und sin abkürzend cos - (g:I — ht) und sin —
(9:1 — AO.
Die Vektoren der elastischen Kräfte werden
«,-' [»», y ^V—E + Z-E:Vy
«8 »-[»'. y 3V-E ^ d-E:Vy
Paiil Olan: Theoretische Untersuchungen, 121
und die Gleichung zur Bestimmung der Temperatur wird, da
hier die Temperatur, allein durch die betrachteten Wellen ge-
ändert, in jeder Ebene senkrecht zur Richtung von t in jedem
Punkte dieselbe sein muss,
Hieraus folgt
und es sind nur die in Bezug auf g von der ersten Ordnung sich
ergebenden Glieder in Betracht gezogen. Es bezeichnen dann
hier h und Cg den von den Formvariabein unabhängigen Teil
dieser Grössen und es soll dann für Cg der Wert von c» für
langsame Steigerung der Temperatur genommen werden. Die
Bewegungsgleichung fĂĽr das Innere ist dann
+
S Bt Q = T
F(4F-E) ZalE* 1
SV—E ^sc,o(3 — £:F)'j »:' '
SC
^ ^ sc.J sc. ^ ^ '
scai^—EiV)^
In dieser Gleichung, die fĂĽr alle Werte der Zeit t gelten
soll, mĂĽssen dann nach Fortlassung des gemeinsamen Faktors
die von der Zeit unabhängigen Glieder und die Koeffizienten
von cos und sin einzeln null sein. Dies fĂĽhrt zu den drei
Gleichungen, wenn fĂĽr den thermischen Leitungsindex Je und
die spezifische Wärme bei konstantem Volumen c„ nur der von
den Formvariabein unabhängige Teil genommen und dieser
von der Entstehungszeit eines Zustandes unabhängig betrachtet
wird,
^'Vr = - -^fT— Er-' + --7^
+
sc,a{Ăź-E:V)^lsc
\vjA^.' V 4t) ~ fe) pi"4r7 +•••]'
64 [ 3V — E '^ sc,a(ß — E:rf\ 4
122 Sitzung der math,-phy8. Cicuse vom 5. Februar 1898.
vViiV-E) talE' -ir jÄ/i-i'Y ^»Ä 1
+ .
cä(3 - E: VfYs c,\^ V 4 l j + (4 l)* (4 !)♦ ^
J./'AVL i* /i-iV i7240^«(i-i-)» 60;r»a-t0* Un^\
'^\sc,}[ Ti'hXiX) 7t*h\ {Uy (41)* (4 0V
2/12<i-t)» 160;r»(H')' , 192n»(i-i')\1 /ü . , \ . 1
"^Tihy (41)« (40« "•" (4i)« /J'U'«* / J'
.^i-.Ä»-*''**'
32 ' 8
-]r+i^,i(3-^TF)*J(4i)4' ^~^ ^~'^~' ^ '^^'^ J
/ A V/-2/i - i'V 2 /240^* .; ;■>,> 60;r»(t-i-)* 64;»«\
■^Vs<;.A'»*V 41 / '»nC^O* (41)" (41)V
j- /124i-i')^ 160^»(H')' , 192;r^a-i)\V /i'* , .\ ^ 1
7i»äV (4 0* (4 0* (4 0' //■\4?i»"'' V J'
Es sollen nun Wellenlängen von der Ordnung der Licht-
wellen in Betracht gezogen werden, die schwache Absorption
erleiden. Dann ist (j — j) klein und es folgt aus der ersten
Gleichung, wenn die Glieder mit der vierten und sechsten
Potenz des Vemichtungsindex fortbleiben.
4
^ (\-'i\\ n4 V-E) %a\E' U
V 4 1 )Vs{ßV—E) "^s»c,a(3— i!;:F)«J "
In der dritten Gleichung sollen auch nur ausser den vom
Vemichtungsindex unabhängigen Gliedern die mit seiner ersten
Paul Olan: Theoretische Untersuchungen, 128
Potenz berĂĽcksichtigt werden ; es wird dann, wenn G die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit bezeichnet :
L s(3 F- E) "*■s»c,o(3— ^: F)»J
"*"«»c,o(3--B:r)Hsc,(^V 41 7 \scj "ö'^J'
In erster Näherung braucht nur das erste Glied der
rechten Seite der letzten Gleichung gerechnet zu werden, und
es ergiebt sich:
(F(4r-J?) ZalE' U
Ls(3 V- E) "^ s»c,a(3 - E: Vy\
zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit und der
Erlöschungsindex wird
4
= C-i^) "â–
und danach der Erlöschungsindex für eine Schwingung:
r = i:2.
Aus der zweiten, aus der Bewegungsgleichung fĂĽr das
Innere sich ergebenden Gleichung folgt mit demselben Grade
der Annäherung wie bisher,
41 s^c,a{^-E:V)^ sc.G^Uy
r ZalE'ji'l f Je Y 1 1- '
oder es wird der Vemichtungsindez, da das zweite Glied der
eckigen Klammer klein gegen deren erstes ist, wenn N den
Brechungsindex dieser Strahlen gegen den Weltraum bezeichnet,
^-~ = 2a;^Ä«'i^:s'c.o(3— J;:F)'sc,G;(4(.)',
wenn G„ und 4fo Fortpflanzungsgeschwindigkeit und Wellen-
124 Sitzung der mathrphys. Glosse wmi ö. Februar 1898,
länge im Weltalle für diese Wellen bei gleicher Schwingungs-
zahl sind.
Die Teilchen verschieben sich in derselben oder entgegen-
gesetzter Richtung des Fortschreitens der Wellen um
und das ergiebt fĂĽr eine kurze Strecke g, die sie in einem
StoflFe vorschreiten, annähernd als bestimmend für die Grösse
der Verschiebung, um deren Endpunkt sie schwingen,
Das Verhältnis des Dehnungs- zum Verdrehungsindex E: V
ist für Icingsame Formänderungen, wie es sich aus dem Deh-
nungsverhältnis IV gleich 2 — 2w ergiebt, für verschiedene
Substanzen wenig anders und schwankt im äussersten Falle
zwischen 2 und 3. Wir werden dies auch fĂĽr sehr rasche
Aenderungen annehmen. FĂĽr die Metalle Messing, Stahl, Fe,
Äg, Cu, Pb, Ni, für die E:V aus dem Dehnungsverhältnis
erhalten werden kann, ergiebt sich auch
l^a[* ^'"^ ^ sc,aV(Ăź-E:V)\
bei langsamer Formänderung nicht sehr verschieden und ist
2*920 am kleinsten beim Fe und 4*973 am grössten für Pb.
Wir werden dies bei den Metallen auch fĂĽr sehr rasche Aende-
rung der Form so annehmen. Bei derselben Temperatur und
Grösse der Anfangsamplitude g ist bei Wellen mit gleicher
Schwingungszahl A : 4 die Grösse der Verschiebung dann haupt-
sächlich bestimmt durch alJc:sc\, Ich werde für a© den Wert
des thermischen Ausdehnungsindex der langsamen Temperatur-
änderung bei Metallen nehmen und statt der spezifischen Wärme
bei konstantem Volumen c^, diejenige bei konstantem Druck Cp,
wie zuvor.
Ich gebe im folgenden die Werte von alkiscp multi-
pUziert mit 10»«.
Patd Glan: Theoretische Untersuchungen, 125
a;*10'»:scp'
Silber
122-9
Kadmium
79-25
Gold
66-85
Blei
63-43
Quecksilber
40-70
Zink
31-54
Kupfer
29-41
Maguesium
25-63
Aluminium
16-47
Zinn
33-96
Neusilber
3-881
Platin
3-661
Antimon
3-444
Wismut
2-907
Eisen
2-584
Kobalt
2-361
Nickel
2-315
In Pulvern aus Silber und Nickel werden durch diese
Wellen Silberteilchen viel mehr verschoben als Nickelteilchen
und in die nächsten Schichten gedrängt, deren Zusammenhang
sie vermehren. Dadurch wird deren elektrischer Widerstand
vermindert. Diese in zwei entgegengesetzten Arten auftreten-
den Wellen, wie die beiden Elektrizitäten, wirken wie elek-
trische Wellen. Die Wirkung ist nach der vorigen Tabelle in
Pulvern aus Nickel und Silber, wie sie in Marconis Empfänger
verwandt sind, grösser als in solchen aus anderen Metallen.
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 6. März 1898.
1. Herr Richard Hebtwig theilt in längerem Vortrage die
Resultate seiner Beobachtungen: „Ueber Befruchtung und
Kerntheilung bei Actinosphaerium Eichhorni** mit.
Die Abhandlung ist ftir die Denkschriften bestimmt.
2. Herr EĂĽuen v. Lommel legt zwei Arbeiten des Herrn
Privatdozenten Dr. Arthur Korn vor:
a) »lieber die Entstehung des Erdmagnetismus
nach der hydrodynamischen Theorie**;
b) „Ueber die Erhaltung des dielektrischen Zu-
standes einer incompressiblen FlĂĽssigkeit**.
3. Herr Hugo Seeliger überreicht eine Abhandlung : „Ueber
die Grossenklassen der telescopischen Sterne der
Bonner Durchmusterungen**.
4. Herr Ferdinand Lindemann macht eine Mittheilung:
»üeber die Drehung eines starren Körpers um seinen
Schwerpunkt**.
1896. Sitzongsb. d. outli.-phyi. OL 9
128
5. Herr Walter Dyck giebt einen dritten Bericht zur
Potentialtheorie: „Ueber die Bestimmung der Anzahl
der Nullstellen eines Systems von Funktionen meh-
rerer Variabein in einem gegebenen Bereich und ĂĽber
die Berechnung der Werthe einer gegebenen Funktion
in diesen Punkten".
129
Ueber die Entstehung des Erdmagnetismus nach der
hydrodynamischen Theorie.
Von Irthar Korn.
{Eingdaufen 5. Hart )
Die am allgemeinsten verbreitete Ansicht ĂĽber den Erd-
magnetismus ist die, dass die gewaltigen jedenfalls in der Erde
vorhandenen Eisenmassen zum Teil wenigstens permanente
Magnete sind, und dass eine Richtung in ihrer Axenlagerung,
die magnetische Axe der Erde, bevorzugt ist ; man kann dabei,
wie Lamont*) es gethan hat, von der Ampere'schen Theorie
des Magnetismus Gebrauch machen und an Stelle der per-
manenten Magnete elektrische Ströme im Erdinnem annehmen,
deren Wirkungen denen der Magnete äquivalent sind. Man
könnte sich ja wohl mit dieser Erklärung beruhigen, wenn
man sich ĂĽber den Mechanismus eines Magneten, resp. eines
elektrischen Stromes, keine weiteren dynamischen Vorstellungen
machte; sowie man aber mit derartigen Ideen an die Er-
scheinung des Erdmagnetismus herantritt, wird man zu der
Frage gedrängt:
Welche mechanischen Einflüsse können die einseitige Be-
vorzugung einer Axenrichtung veranlassen, und wie kommt es,
dass die Pole dieser bevorzugten Richtung den Polen der Erd-
axe so verhältnismässig nahe liegen? Können wir nicht die
*) In bezug auf die reichhaltige Literatur ĂĽber den Erdmagnetismus
und die möglichen Ursachen seiner Entstehung verweise ich auf das aus-
gezeichnete Werk von S. GĂĽnther, Handbuch der Geophysik, Stuttgart 1897.
9*
130 Sitzutig der math.-phys. Classe vom 5. März 1898.
Erdrotation mit der Erscheinung des Erdmagnetismus in einen
kausalen Zusammenhang bringen? Mit Hilfe der hydrodyna-
mischen Theorie der Gravitation und der elektrischen Erschei-
nungen kann man nun auf diese Fragen so ausserordentlich
einfache Antworten geben, dass die Theorie des Erdmagnetis-
mus aus der genannten mechanischen Theorie wohl einigen
Nutzen ziehen dĂĽrfte.
Wir wollen uns eine Kautschukkugel in einer inkompres-
sibeln Flüssigkeit denken, auf deren Oberfläche wir beliebige
Drucke ausüben können. Hat die Kautschukkugel von Hause
aus eine beliebige Drehungsgeschwindigkeit q* um eine Axe,
die wir zur ^ Axe nehmen, so wird sie diese Drehungsge-
schwindigkeit, falls man keinerlei Reibung annimmt, zu jeder
Zeit beibehalten, so lange der Druck auf der FlĂĽssigkeits-
oberfläche konstant ist. Denken wir uns nun diesen Druck
verändert, so wird sich die Kautschukkugel zusammenziehen
oder ausdehnen; der Radius JB der Kugel wird einen mit der
Zeit veränderlichen Wert haben, und es wird nun nicht:
q' = const. ,
sondern
jR* ^' = const.
sein. Es ist nicht schwierig, diese Formel aus den allgemeinen
mechanischen Prinzipien herzuleiten ; es genĂĽgt aber hier wohl
die Einsicht, dass, wenn die Kugel sich ausdehnt, sie zur
Drehung mit derselben Geschwindigkeit Arbeit leisten mĂĽsste,
und umgekehrt; es muss also thatsächlich bei einer Ausdeh-
nung der Kugel eine Verminderung der Drehungsgeschwindig-
keit, bei einer Kontraktion der Kugel eine Vergrösserung der
Drehungsgeschwindigkeit eintreten.
Ist nun der auf die Flüssigkeitsoberfläche wirkende Druck
periodisch mit der kleinen Schwingungsdauer T, so pulsiert
die Kautschukkugel, d. h. ihr Radius hat zur Zeit t den Wert :
li=: Bq -\- a cos ^ 2 TT ,
Arthur Korn: Ueher die Entstehung des Erdmagnetismus, 131
wo Rq den Mittelwert des Radius, den Wert desselben zu einer
Zeit vorstellt, in der
t
cos ^ 2 JT = 0
ist, und a die Amplitude der Pulsation bedeutet.
Wiederum wird die Formel
U^ q' =z const. = IĂśqq
stattfinden, wenn Rq und ^o die Werte von R und q' zu irgend
einer Anfangszeit t^ vorstellen; es ist somit;
/ , Rl
oder:
f JSo + a cos ^ 2 71 j
>' = ^0 I 1 — ^ cos y 2 JT 1 ,
wenn wir die Amplitude a als sehr klein im Vergleich mit
dem Radius Rq annehmen. Dem entspricht eine lineare Ge-
schwindigkeit an der Oberfläche der Kugel, von der Grösse:
F= JS ^0 — 2 a ^0 cos ^ 2 :7r ,
_ t
= jBo qI) — oLQi) cos ^ 2 ji.
Diese Formel zeigt, dass durch die Pulsation der Kautschuk-
kugel die Konstanz der Drehungsgeschwindigkeit so abgeändert
wird, dass zu der konstanten Drehungsgeschwindigkeit ^o noch
eine vibratorische Drehungsgeschwindigkeit hinzutritt, welche
die Periode der Pulsationsschwingungen besitzt und von einer
solchen Grössenordnung ist, dass die derselben entsprechenden
linearen Geschwindigkeiten an der Oberfläche der Kugel durch
das Produkt
^ o
a Qo cos 7p 2 TZ
gegeben sind.
132 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 5. März 1898.
Legen wir die Annahme der hydrodynamischen Gravitations-
theorie zu grĂĽnde, dass das gesamte Sonnensystem unter der
Einwirkung eines äusseren periodischen Druckes stehe und
somit unsere Erde wie eine Kautschukkugel in einer inkom-
pressiblen FlĂĽssigkeit sehr rasche Pulsationsschwingungen aus-
führe, so können wir durch die eben durchgeführte Unter-
suchung sofort zu einem wichtigen Resultat ĂĽber die Erdrotation
gelangen :
Infolge der raschen Pulsationsschwingung kann die Erde
keine völlig konstante Rotationsgeschwindigkeit haben, wir
haben vielmehr neben einer solchen konstanten Rotations-
geschwindigkeit noch eine schwingende, deren Periode mit der
Periode der Pulsationsschwingungen übereinstimmt. Die Grössen-
ordnung dieser schwingenden Rotationsgeschwindigkeit ist von
solcher Art, dass die infolge derselben an der Erdoberfltäche
vorhandene lineare Schwingungsgeschwindigkeit den Wert hat:
ctQo,
wo a die Amplitude der Erdpulsation, ^6 die mittlere Dreh-
ungsgeschwindigkeit der Erde vorstellt.*)
Mit dieser Rotationsschwingung erhalten wir nun nach
der hydrodynamischen Theorie der elektrischen Erscheinungen
ein elektromagnetisches Feld, in welchem die Rotationsaxe der
Erde eine ausgezeichnete Richtung vorstellt. Es ist ja die
Grundannahme in jener ' Theorie, dass die Geschwindigkeiten
eines jeden Mediums, in welchem sich elektrische Erscheinungen
abspielen, von der Form sind:
^) Nach den ziemlich rohen Schätzungen, welche man bisher noch
in bezug auf die für die Erdpulsation in betracht kommenden Grössen
anstellen kann, ist etwa a von der Ordnung der Wellenlängen des
Lichtes, während die Schwingungsdauer T von der Ordnung: 10—*' sec
anzunehmen ist. Qq ist bekanntlich von der Ordnung: 10—* sec—*, so
dass also die der schwingenden Rotation der Erde entsprechende lineare
Schwingungsgeschwindigkeit an ihrer Oberfläche von der Ordnung
10— *® cm sec-* wird.
Arthur Korn: lieber die Entstehung des Erdmagnetismus. 133
u = Uf^ -\- X cos -=27i-\-Lsm^27i,
^ 2 jr + -Jf sin ^
v = Vq-\- Ycoä v^ 2 JT 4" -äf sin 7^ 2 tt ,
j,2 7t-{- Nsin ^
w = Wq-\-Zcos^2 7i-{- Nsin 7^ 2 ti ,
wo X YZ und LJf-A/' im Dielektrikum genau dieselben Be-
deutungen haben, wie die elektrischen, resp. magnetischen
Verschiebungen in der Theorie Maxwells.
Wir brauchen nun nur vorauszusetzen, dass die Periode
der die Gravitation veranlassenden Pulsationsschwingungen mit
der Periode der das Wesen der elektrischen Erscheinungen
ausmachenden Schwingungen ĂĽbereinstimme, und dass ihre
Phase dieselbe sei, wie die Phase der von magnetischen Teil-
chen oder elektrischen Strömen ausgehenden Schwingungen,
dann sagt die oben bewiesene Thatsache einer schwingenden
Kotationsgeschwindigkeit der Erde, in die Sprache der Elek-
trizitätstheorie übersetzt, folgendes aus:
Wäre die Erde ein Dielektrikum, so würden die elektri-
schen Komponenten X Y Z eine Resultante besitzen, die ĂĽberall
innerhalb der Erde die Richtung der Breitenkreise besitzt; ist
aber, wie es in Wirklichkeit der Fall ist, die Erde ein Leiter
der Elektrizität, so werden in der Richtung der Breitenkreise
elektrische Ströme vor sich gehen, deren Intensitäten jener
Resultanten der elektrischen Komponenten und der Leitungs-
fahigkeit der Erde proportional sind. Alle diese Ströme sind
Magneten äquivalent, welche die Erdaxe zur magnetischen Axe
haben.
Wir gelangen so zu dem folgenden Resultat:
Die Erdpulsation zusammen mit der Erdrotation liefert
in den leitenden Teilen der Erde elektrische Strömungen, welche
Magneten mit lauter unter sich parallelen und gleichgerichteten,
zugleich der Erdiixe parallelen Axen äquivalent sind, wenn die
Schwingungen der Pul«ation mit den magnetischen Schwing-
134 Sitzung der mathrphys, Classe vom 5, März 1898,
ungen in der hydrodynamischen Theorie gleiche Perioden und
gleiche Phasen haben.
Die Abweichung der magnetischen Axe von der Rotationsaxe
der Erde kann man sich durch eine ungleichmässige Lagerung
der leitenden Teile innerhalb der Erde erklären, wie man sich
auch die täglichen und säkularen Veränderungen des Erdmag-
netismus durch die Einwirkung der übrigen Himmelskörper
auf die Lagerung der leitenden Teile und die Richtung der
elektrischen Ströme innerhalb der Erde hervorgebracht denken
kann.
Zum Schluss möchte ich die eben angedeutete Auffassung
des Erdmagnetismus zu einer ganz allgemeinen Auffassung ĂĽber
den permanenten Magnetismus erweitern. Ich kann mir den-
selben nur dadurch entstanden denken, dass leitende Teilchen,
welche in einer konstanten, sehr raschen Rotation begriffen
wären, wenn die universelle Pulsation unseres Sonnensystems
nicht existierte, jetzt unter der Einwirkung derselben gezwungen
sind, Rotationsschwingungen auszufĂĽhren. Diese Teilchen werden
ihren Magnetismus so lange behalten, bis sie durch Reibung
ihre ursprĂĽngliche konstante (nicht schwingende) Rotations-
geschwindigkeit verloren haben; temporär magnetische Teil-
chen haben dagegen von Hause aus eine derartige konstante
(nicht schwingende) Drehungsgeschwindigkeit nicht, ihre Ro-
tationsschwingungen hören damit auch sofort auf, sobald ihre
unmittelbare Veranlassung (inducierende elektrische Ströme etc.)
ausser Wirkung tritt.
135
ĂĽeber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes
einer inkompressiblen FlĂĽssigkeit.
Von Arthur Korn.
{SiMgtlauftH 5. Mars.)
Wenn man die elektrischen Vorgänge in einem Dielektrikum
als sehr rasche Schwingungen einer inkompressiblen FlĂĽssigkeit
auffasst, so hat man sich vor allem das Problem vorzulegen:
Unter welchen Bedingungen können Geschwindigkeiten
von der Form:
u =Wo +w, cos^27r-|-WjSin rp^^i
1)
V =Vq +v^ cos^27r-(-i;, sin^27r,
w = Wq-\-w^cos-p^27i -}-?t',sin-^27r
Lösungen der allgemeinen hydrodynamischen DiflFerential-
gleichungen:
du dp
2)
dt
dv
dp du dv dW
^ dt dy ' dx ^ dy ^ dz
dw
dp
^ dt~ dJS '
vorstellen, wenn man über die Grössen:
Mq Vq Wq Mj Vj Wj Mg Vg w^
136
Sitzung der matK-phys, Glosse vom 5. März 1898,
die Voraussetzung macht, dass
3)
Wo» ^0» ^0
M„ Vp Wj
Wr «^i» ^«
nicht gegen die
Geschwindigkeitseinheit,
4)
du,
dt '
3fo
dw„
dt
3»,
3«;,
dt
a«.
dv.
dWf
dt
nicht gegen die Grösse
Geschwindigkeitseinheit
Zeiteinheit
von der Ordnung
dt ' dt
Zeiteinheit
gross sein sollen und T die ausser-
ordentlich kleine Schwingungsdauer der das Wesen der elek-
trischen Erscheinungen ausmachenden Schwingungen vorstellt.
Der einfachste unter allen derartigen Bewegungszuständen
ist jedenfalls der wirbellose Zustand, bei welchem
«*o Vo w^o
Mj V, W,
U^ V^ W^
den folgenden Bedingungen genĂĽgen:
5)
^ dx
^0 =
3q7
" 3^
_3(p,
«'.=3y'
« ay '
d(p^
' 3^
Ich habe neben diesem einfachsten FlĂĽssigkeitszustand
noch einen anderen beschrieben, welchen ich, wegen seiner
Wichtigkeit fĂĽr die Theorie der Dielektrika, als den dielektri-
schen Zustand einer inkompressiblen FlĂĽssigkeit bezeichnet habe.
Dieser Zustand ist dadurch definiert, dass die Grössen:
Wo Vo ^0
Mj Vj W^
Wg t;, w^
den folgenden Bedingungen genĂĽgen sollen:
A. Korn: lieber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes. 137
* a^r * > ' 27i\dX ^ ^ dy ^ ' dJS ^
* aa; ' 27t\dx ^ dy ^ djsf ^
^ ' * ay ' * 2ji\a:r ^ ' ay ' * a^ *
* a^ * ^ 2jr\aa; ' ' ay ^ ' a^ '
wo c eine Konstante ist,
Uj Dj tO] Ug t)^ tDj
die Bedeutungen haben:
ii-T t-\-T
8)
9)
t ' " /
138
Sitzung der mcUhrphys. Glosse vom 5, März 1898.
und wo schliesslich von Uq Vq Wq nur vorausgesetzt wird, dass
sie reine sichtbare Geschwindigkeiten vorstellen, d. h. dass:
10)
U
du.
V
W
dv^ dw^
nicht gegen ihre Dimensions-
einheiten von der Ordnung
Zeiteinheit
dt' dt' dt
9*Wq d^V^ d^Wf^
gross sein sollen.
Wir setzen noch:
11)
und verstehen unter -j eine Geschwindigkeit von der Grössen-
ordnung der Lichtgeschwindigkeit.
Führen wir die Grössen XYZ und LMN durch die
Gleichungen ein:
2 r t
271Ă„
12)
X= j,ju cos ^2 71 dt ,
t
2 C t
t
Z = ypl tv cos -^2 7t dt ,
13)
L =^\u sin -^2 71 dt ,
t
M=Yy sin y 2 71 d^ ,
i
i'\-T
^ =TJ sin y 271 d^ ,
Ă„, Korn: lieber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes. 139
so können wir die De&nitionsgleichungen des dielektrischen
Zustandes 6) — 9) folgendermassen schreiben:
U)
15)
dx 2jt\A\dy dz) \dx ^ dy^^ dz^jy
'^ oZ di7i\A.\dX oy J \^x dy dz J\
dx 2n\A\dy dz J'^ dx ^ dy '^ 3z j'
oy ÂŁi7ii,/i.\oÂŁ ojb I oJj oy es i
a^ 2 7rjJ.V5^ ^y J d^ 9y 3-^ j'
Ich habe frĂĽher*) gezeigt, dass dieser Bewegungszustand
der FlĂĽssigkeit den hydrodynamischen Gleichungen genĂĽgt,
falls die Bedingungen erfĂĽllt sind:
') A. Korn, Eine Theorie der Gravitation und der elektrischen
Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik II. Teil, II. Abschnitt,
p. 211—227, Berlin 1898. Ich hatte in dem Beweise daselbst:
_ 9 M?i d Ci dw^ d V2
^* "" 9T "" dx ' ^^ ~ ~dJ " 95" *
_ 9 Vi 9 tii V« - ^ ^'2 ^ "2
dx dy dx dy
gesetzt, doch bleibt derselbe auch bei unserer Definition 8) 9) in GĂĽltig
keit. Ich beschränke mich an dieser Stelle mit dem Hinweis auf jene
Untersuchungen, da ich weiter unten den Beweis noch einmal in der
fĂĽr die jetzigen Zwecke passenden Form geben werde.
140 Süzung der math.-phys. Glaste vom 5. Märt 1898.
16) .
de
d^ \ dt dX dy dS /
dX dV de /
= —A
17) ^
— = — ji.\ -r=- -1j -m. =
dX V dt dx dy de
dT aX_ (In dw^ dw^ ^^oj^\
'd^~^'-'~^y~dt~^^^~^^~^i^}'
dy dz V dt dx dy dz )''
1^_1:^ = ^(J?_^-X — ^ Y—^z]
de dx \ dt dx dy dz J'
dM^dL^ ^j^/dZ ^^0 ^ ^^0 Y——^Z )
dV \ dt dx ^ dii dz / ^
dx dy \ dt dx dy
wobei die Operation -tt die Bedeutung hat:
^^) -dt -Tr + ^F"«» + -ay *''» + ^"'»-
Wir wollen nun zeigen, dass der dielektrische Zustand
ein zu jeder Zeit notwendiger FlĂĽssigkeitszustand ist, wenn
derselbe zu irgend einer Anfangszeit <„ besteht und eine gewisse
Bedingung an der Grenze gefordert wird.
Wir wollen dazu jetzt unsere frĂĽhere Definition des di-
elektrischen Zustandes in folgende Form fassen:
Es sollen die Geschwindigkeiten
[u] [v] [w]
des dielektrischen Zustandes durch die Gleichungen
gegeben sein:
Ir 1 c ^ ir ^
[u] = jijuQdt+^^Xdtcos^2n+^jL dtsm-^27i ,
19)
t
rJ»o dt
4
t
*
t
t
•
•
i-\'T
M= j,(»'t<it + jijZdtcos ji2n-\- ^JN dt sin -^271 ,
A, Köm: Üeber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes, 141
wo:
20)
u,
0 »
X,
n
0 f
Wo
z
N
nicht gegen die
Geschwindigkeitseinheit,
21)
du.
dVn dW,
dt' dt '
dX aj[
dt ' dt '
dL dM
dt ' dt ' dt
dt
dZ
dt
dN
nicht gegen die
Beschleunigungseinheit
, ^ , Zeiteinheit . n i
von der Ordnung = gross sein sollen und m^jV^m^^,
XYZ, LMN den Bedingungen genĂĽgen:
22)
l
f
«0
1
T
^0
1
T
i.
«^o
<+r
_3yo
<+r
l+T
a^ '
23)
H-r
t
dX
ay
399,
|{i(f-lf)-G^+t^+'»}-
Tfi/ax aZ'
2;rUl, äJ ~a^)~(a5^+äj'^+ä7-^)} '
Tfi/ar aX\_/a«;o^
2;7iU\aa; ay/ \dx '^ dy
^^Jf+g^J^)},
142
Sitzung der math.-phys. Classe vom 5, März 1698,
/4-r
l^;"'-Ă„-iĂĽ(ir-^+^-+'""
24)
dx
9y
^+IH
3f«a
dz )'
t+T
^jNät=
dz
T
2n
r 1 (dM dL\ dw^^ dw^ dw^ \
\a\Jx ~J^r ä^ "*"äy + ai / '
Bilden wir zunächst mit der Funktion [m], ohne dieselbe
als eine Qeschwindigkeitskomponente aufeufassen, den Diffe-
rentialquotienten :
so erhalten wir:
d[u\
dt
<4-r
1
sin^2ji
+
+
dZ
9Y
dz
)-(gi+^Jf+-"^V.sini2.
ay
.)}.
{ IS+idf-'^l-e'^+^^+Hl-r^""
analofif ,/ und — ,t^ .
^ dt dt
Bestehen nun fĂĽr X YZ^ L M N die Bedingungen:
5y
y dz- ^Irr
ao; dy
-H-
dZ
dx
,i+T
dx dy djs
la- dy \T\
t+T
dx dy dz J
A. Korn: Ueber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes. 143
26)
dN
dz
dÂŁf [T \ dx dy dz ]
9t'o V' 9»«^ 9«'o7
dM
dx
so wird:
analog
dy \T\ dx dy dz ]'
^di'^dxV^ + -y^ 9:^8 cos y 2 TT — ^ 7)jsm ^2;rj ,
d\v\ d ( ,27t t ^ 27r . t ^ \
^M ^ ( ^271 t ^ 271 . t ^\
~dt j^\n-\r -f^^^o^-j^^Ti- ^-q^^^m^27ij.
Sind andererseits uvw irgend welche Geschwindigkeiten
einer inkonipre^siblen FlĂĽssigkeit, so ist:
l du 1 3^?
~d'i~ ""
28)
/t dx '
dv \ dp
dt A* ?y'
dw
1 dp
dt /t dz '
Wir subtrahieren die entsprechenden Gleichungen 27) und
28), multiplicieren resp. mit u — [w], v — [r], w — [w\ ad-
dieren und integrieren ĂĽber den ganzen FlĂĽssigkeitsraum -4,
so folgt:
A
, . r n.d f . 2jI ^ ^ 2jI . ^ ^ , 1 \
+ (t;— [r])^ (9-0+ ^, (^jjCosy2.T — Y99,sm-^,2ji + — i)j
+ 0«' M)3^-i^ro+jV'jCos^2jr~ ^ Tyjsm ^y/2Jr+ ^^i;j |c/r.
1898. Sitxongib. d. iiiai]i.-pb7s. GL
10
144 Sitzung der nuUhrphys. Classe vom 5. März 1898,
oder wenn wir rechts von der Qreen'schen Umformung Gebrauch
machen :
29) i ^^ J[(M - [«])» + (t; - M)» + («• - [«'])*] äz
A
= + J (9^0+ ^'P% ^^-f 2;r— -^9^, sin -^ 2;r+-j? j(w- [m])^ do,
ĂĽ
wo das Integral rechts über alle Elemente do der Oberfläche
zu erstrecken ist und, wenn man unter cos (nx), cos (ny) cos (nz)
die Richtungskosinusse der inneren Normalen versteht, (u — [w])m
die Bedeutung hat:
30) {u - [u])n
= (m — [w]) cos(na;) + (v — [v]) cos(ny) -f (w — [«']) cos(w r).
Ist an der ganzen Flüssigkeitsoberfläche:
31) Un=[u],,,
so folgt aus 29), dass das Integral:
X [(« - [«])* + (« - M)* + (w - M)'] ä t
stets gleich null sein muss, wenn es zu irgend einer Anfangs-
zeit t^ verschwindet; besteht also der dielektrische Zustand zu
einer Anfangszeit t^ und erfĂĽllt zu jeder Zeit die normale Ge-
schwindigkeitskomponente an der Oberfläche die Bedingung
des dielektrischen Zustandes:
so muss der dielektrische Zustand der FlĂĽssigkeit zu jeder
Zeit t erhalten bleiben.
Bedenken wir noch, dass die fĂĽr unseren Beweis benĂĽtzte
Definition des dielektrischen Zustandes mit der früheren völlig
übereinstimmt, so können wir noch einmal unsere Resultate in
folgender Weise formulieren:
A. Korn: Ueber die Erhaltung des dielektrischen Zustandes. 145
I. Haben die Differentialgleichungen:
dZ ar
dy 9z
dX
9e
[ dt dx dy dz J
dx \dt dx dy ^^ \
0X ay \ dt ax oy dz
dN
dz
dz [ dt dx dy ^^ ]
dx \dt dx dy dz ]'
\
ajtf_ aL _ I dZ _ aMfl 3«^, a«»"
dx dy \dt dx 9y 3z
dX
)-fö^+'5^+^^)|
Lösungen, welche den Bedingungen genügen:
dx 27i\Ă„\dy dz) \dx ^ dy ^ dz )\
dy 'l7l\A\dz dx / \dx ' dy ^ dz /]
dz 2n\A\dx dy
^ ~ dx 2n\A\dy dz J ^ dx ^ dy "â– '^ dz \
dy 2n\A\dz dx/ ' dx 3y * dz |
a^p, r j 1 (d3f dL\ du-, dw, dw, \
80 stellen die Geschwindigkeiten:
10*
146 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 5. März 1698,
M =-^^%dt + X cos y 271 + Z siny 271 ,
i
t-\'T
[y] = y-J v^ dt 4- Tcos y^ 271 + Jfsin-^ 27i ,
t
M= yJ ^'o dt + ^cos -y 271 + A^siny 27r ,
t
einen möglichen Bewegungszustand einer inkompressiblen
FlĂĽssigkeit dar, welchen wir als den dielektrischen Zustand
der FlĂĽssigkeit bezeichnen.
n. Befindet siöh eine Flüssigkeit zu irgend einer
Anfangszeit im dielektrischen Zustande, so muss
dieser Zustand stets erhalten bleiben, wenn nur von
der normalen Geschwindigkeitskomponente w» der
Flüssigkeit an der Oberfläche stets die Erfüllung
der Bedingung des dielektrischen Zustandes:
gefordert wird.
U7
Ueber die GrSssenklassen der telescopischen Sterne
der Bonner Darchmnstemngen.
Von Hago Seeliger.
(Eingdaufm 5. Jfdr«.) '
FĂĽr viele Fragen der Stellarastronoraie ist das Verhalten
der in den Bonner Durchmusterungen enthaltenen Qrössen-
schätzungen gegenüber einer festen Helligkeitsscala von erheb-
lichem Interesse. Für die helleren Sterne bis etwa zur 6. Grösse
liegt eine grosse Anzahl von Untersuchungen') vor, durch die
ihr photometrisches Verhalten ziemlich sicher bestimmt ist
und wenn erst die Potsdamer Beobachtungsreihe, welche alle
Sterne des nördlichen Himmels bis zur 7}j Grösse enthalten
wird, vollständig publicirt sein wird, wird man diesen Gegen-
stand nach allen Richtungen hin übersehen können. Für die
Sterne von der 6. bis 9. Grösse dagegen fehlen bisher nähere
Angaben, obwohl alle Speculationen über die räumliche Ver-
theilung der Fixsterne sich vorerst hauptsächlich auf das
photometrische Verhalten der Sterne 6. — 9. Grösse stützen
mĂĽssen, weil hier in den Bonner Durchmusterungen ein nahezu
vollständiges Material vorliegt und die Anzahl dieser Sterne
genĂĽgend gross ist, um allgemeinere Gesetze in der scheinbaren
Vertheilung deutlich zum Ausdruck bringen zu können. Auf
die hier entschieden vorhandene LĂĽcke in unserer Kenntniss
^) Vgl. MĂĽllers Photometrie der Gestirne. S. 456 flf.
148 Sitzung der math,-phys. Glosse vom 5. März 1808,
bin ich öfters mit grossem Bedauern gestossen und da nunmehr
seit einigen Jahren ein umfangreiches Beobachtungsmaterial
vorliegt, das nach der gewĂĽnschten Richtung hin noch nicht
verwerthet worden ist, hielt ich es fĂĽr nĂĽtzlich aus diesem
Materiale jene Schlüsse zu ziehen, welche die erwähnte Lücke
wenigstens einigermassen ausfüllen können. Auch bedurfte ich
dieser Resultate zu Untersuchungen, ĂĽber die ich an anderer
Stelle berichten werde. Das genannte Material bietet die
„Photometrie Revision of the Durchmusterung",*) welche die
photometrische Beobachtung vieler Tausend Durchmusterungs-
sterne enthält und mit dem Meridianphotometer der Harvard
Sternwarte während der Jahre 1882 — 88 gewonnen worden ist.
In dieser Publication, die im Folgenden stets mit H. R, be-
zeichnet werden soll, ist für jeden Stern die Grösse nach der
Bonner Schätzung neben dem Resultat der gewonnenen photo-
metrischen Bestimmung angefĂĽhrt, was die Festlegung der
Durchmusterungsgrössen gegen die photometrische Helligkeits-
scala sehr wesentlich vereinfacht, denn diese besteht im Wesent-
lichen auf der Bildung einer allerdings sehr grossen Zahl von
DiflFerenzen und ihrer passenden Vereinigung zu Mittelzahlen.
Bei diesen Operationen wurde ich wesentlich durch Herrn
cand. astr. C. Schwend unterstützt , der ungefähr die Hälfte
der Vergleichungen ausfĂĽhrte.
Ehe ich auf die Mittheilung der gewonnenen Resultate
eingehe, möchte ich zuerst darauf hinweisen, was bisher über
das Verhalten der Durchmusterungsgrössen bekannt war.
In der Hauptsache war man in Bezug auf das photo-
metrische Verhalten der Sterne 6. — 9. Grösse der Durchmuste-
rungen fast allein auf die Resultate zweier in Pulkowa mit
einem Zöllner'schen Photometer ausgeführten Arbeiten ange-
wiesen, welche sich die Aufgabe stellten den Logarithmus log y
des Helligkeitsverhältnisses zweier um eine Grössenklasse aus-
') Annais of the Astronoinical Observatory of Harvard College.
Vol. XXIV, Cambridge. 1890.
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne, 149
einanderliegenden Sterne der nördlichen Bonner Durchmusterung
(D. M.) festzustellen, welcher in der jetzt allgemein angenom-
menen photometrischen Scala 0.4 ist. Die beiden Arbeiten
rĂĽhren von Herrn Ros^n^) und dem kĂĽrzlich verstorbenen
Lindemann') her. Herr Ros^n hat 110 Sterne untersucht und
gefunden für Sterne von der Grösse
5"»— 6™,
log y = 0.388
6 —7
0.388
7 —8
0.363
8 —9
0.379
Lindemann hat in seine Ableitung 92 Sterne von der
Grösse 6.1™— T.O"», 101 zwischen 7.1™— 8.0"^ und 97 Sterne
zwischen 8.1™ — 9.5™ einbezogen und das Resultat erhalten für:
6™— 7™, log >' = 0.394
7 —8 0.392
8 —9 0.437
Diese beiden Zahlenreihen, auf den ersten Blick gut ĂĽber-
einstimmend, zeigen doch bedeutende Unterschiede, wenn man
weiter entfernte Helligkeitsgrade, z. B. Sterne 9. und 6. Grösse
mit einander vergleichen will. Bezeichnet A»* die Helligkeit
eines Sternes von der Grösse iw, so geben z. B. die Zahlen
Herrn Ros^ns: log A^^ — log Ag.^ = 1.130, während nach Linde-
mann dafĂĽr 1.223 herauskommt, was einem Unterschiede von
fast ^ Grössenklasse gleichkommt. An sich sind beide Beob-
achtungsreihen mit grosser Sorgfalt und nach eingehendem
Studium des angewandten Instrumentes ausgefĂĽhrt. Bei der
vorliegenden Aufgabe kommt es aber auf möglichst grosse Ge-
*) Ros^n, Studien und Messungen mit einem Zöllner'schen Photometer.
Bulletin de l'acad. d. St. Petersbourg 1870. Referat von Engelmann in
der Vierteljabrsscbrift der A. G. Jahrgang V, S. 29 flP.
^) Lindemann, Photometrische Bestimmung der Grössenklassen der
Bonner Durchmusterung. Supplement II aux Observations de Poulkova.
1889. Referat von Herrn G. MĂĽller, V. J. S. Jahrg. 25, S. 25 flp.
150 Sitzung der math.-phya, Classe vom 5, März 1898,
nauigkeit der Einzelmessungen in erster Linie nicht an. Es
unterliegt keinem Zweifel imd ist leicht erklärlich, dass die
einzelnen Grössenschätzungen der nördlichen Durchmusterung
bedeutenden zufalligen Fehlern unterworfen waren. Um diese
zu eliminiren, um also Aussagen machen zu können, die sich
auf eine mittlere in Bonn eingehaltene Helligkeitsscala be-
ziehen, wird die Anzahl von 110 Sternen, wie bei Ros^n, und
werden wohl auch die 290 Sterne Lindemanns nicht ausreichen.
Dazu kommt aber noch ein viel einflussreicherer Umstand. Die
Bonner Durchmusterung enthält, wie ebenfalls leicht erklärlich,
constante Schätzungsfehler, welche zonen weise auftreten. Diese
können erst durch eine weit grössere Anzahl von Vergleichs-
punkten unschädlich gemacht werden und zwar wird man eine
sehr grosse Anzahl ĂĽber den ganzen Himmel vertheilter
Sterne betrachten müssen, wenn die constanten Schätzungs-
fehler sich nur langsam mit dem Ort am Himmel ändern und
wenn diese Abhängigkeit einen nennenswerthen Betrag erreicht.
Beides findet, wie gezeigt werden wird, bei der D. M. statt.
Aus diesem Grunde muss man der H, R, eine erhöhte Wichtig-
keit zuerkennen, denn sie enthält eine überaus grosse Anzahl
photometrischer Bestimmungen von Durchmusterungsstemen,
die über den ganzen nördlichen Himmel verstreut sind, wenn
auch mit einer wohl beträchtlich geringeren Genauigkeit, als
im Einzelnen zu erreichen möglich ist.
Wie schon erwähnt, ist die in der D,M. angewandte Hellig-
keitsscala variabel mit dem Orte am Himmel und zwar bei den
schwächeren Sternen in einem ziemlich erheblichen Betrage.
Vor allem tritt eine Abhängigkeit von der Lage zur Milchstrasse
oder, was formell auf dasselbe hinausläuft, von der StemfüUe
in der betrachteten Himmelsregion, deutlich hervor. Da aber
die Lage zur Milchstrasse bei allen stellarastronomischen Unter-
suchungen eine wesentliche Rolle spielt, so muss diesem Punkte
auch bei der Aufsuchung der Beziehung der Bonner Stem-
grössen zu einer festen photometrischen Scala ganz besondere
Aufmerksamkeit zugewendet werden. Eine Vergleichung der
Grössen der Durchmusterung mit photometrischen Messungen
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne, 151
kann eben nur dann ein unzweideutiges Resultat ergeben,
wenn man zugleich angeben kann, wie die Räume, in denen
die verglichenen Sterne sich befinden, gegen die Milchstrasse
liegen.
Die erste Hindeutung darauf, dass die Bonner Stern-
schätzungen in stemreichen Gegenden merklich anders ausge-
fallen sind, als in sternarmen, hat Schönfeld in der Einleitung
zur südlichen Durchmusterung — S, D. — Seite [36] ge-
macht. Ihm fiel danach gleich beim Beginne seiner Arbeit auf,
dass die Differenzen der Grössenangaben der S, D. weniger
derjenigen der Bessel'schen Zonen „um so mehr positiv sind,
ie stemreicher die verglichenen Räume sind*. Dieses Vor-
kommniss hat später Herr Scheiner ^) näher untersucht und
bestätigt gefunden. Er hat auch Vergleichungen mit Argelander
und Schjellerup angestellt und die Differenzen der Grössenan-
gaben S. D. — Bessel bez. Argelander und Schjellerup in die
Form gebracht:
wo D die StemfĂĽlle in der betrachteten Gegend, Dq eine gewisse
nicht näher angegebene mittlere Sternfillle bedeutet. Es er-
gab sich
S, D, — Bessel S, D. — Argelander
Grösse
h
a
ho
a
7 m
O.IS-»
+ 0.323"
■■{- o.ig»
+ 0.276
7«
0.10
+ 0.247
+ 0.21
+ 0.357
8
0.03
+ 0.285
+ 0.12
+ 0.307
H
0.13
+ 0.224
+ 0.05
+ 0.161
9
0.20
+ 0.139
0.02
+ 0.185
m
*) Vergleicbung der Grössenangaben der sädlichen Durchmusterung
mit denen anderer Cataloge. Astr. Nachr. Nr. 2766, 1887.
152 Sitzung der math.-phys. Classe vom 5. März 1898,
wobei die Grössenangabe in der ersten Verticalreihe diejenige
des verglichenen Kataloges ist. Die natürlich viel schwächer
begrĂĽndete Vergleichung mit Schjellerup ergab:
SJ»
A, = 0.31 ■»
a = + 0.065
8|
0.21
+ 0.178
9
0.21
+ 0.073
m
Sämmtliche a haben das positive Vorzeichen und die aus
den Vergleichungen mit Bessel und Argelander hervorge-
gangenen stimmen auch ihrem Betrag nach recht gut ĂĽberein.
Man wird deshalb aus diesen Vergleichungen wohl mit einiger
Sicherheit den Schluss ziehen dĂĽrfen, dass die aufgefundenen
Differenzen in der Hauptsache in systematischen Schätzungs-
fehlem der S. D. ihren Grund haben und man wird sich auch,
wie es Herr Scheiner thut, mit plausiblen Erklärungsversuchen
über die Thatsache hinwegsetzen können, dass die Vergleichung
der S.D. mit Lalande von dem erwähnten Einfluss der Stem-
fĂĽlle nichts zeigt.
Die Coefficienten a sind positiv und nehmen, wenn die
Vergleichung mit Schjellerup ausser der Betrachtung bleibt,
mit zunehmender Stemgrösse ab. Die zweite Eigenschaft, auf
die es bei manchen Anwendungen besonders ankommt, ist in-
dessen nicht als verbĂĽrgt anzusehen. Die Vergleichung mit
H.R. wird auch die erste, aber keineswegs die zweite Eigen-
schaft ergeben.
Dass EinflĂĽsse von der Art, wie die eben besprochenen,
bei Stemgrössenschätzungen in einem grösseren Gesichtsfelde
zu erwarten sind, kann man leicht einsehen, wenn man berĂĽck-
sichtigt, dass sich das schätzende Auge in stemreichen Gegenden
in einem anderen Ăźeizungszustand befindet als in stemarmen
und wenn man ferner annimmt, dass die adoptirte Schätzungs-
scala hiervon abhängig ist. Die letztere Annahme scheint
nothwendig zu sein, wenn man die von Herrn Scheiner ge-
fundenen Zahlen in ihrer Abhängigkeit von der Stemgrösse
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescojnschen Sterne, 153
durch eine Foniiel darstellen wollte,, die auf der Grundlage des
Fechner'schen psychophysischen Gesetzes aufgebaut ist. Dadurch
werden aber so weitgehende WillkĂĽrlichkeiten in die Betrach-
tung eingefĂĽhrt, dass eine auf diesem Wege aufgestellte Formel
nicht viel mehr Werth als eine Interpolationsformel bean-
spruchen kann, weshalb ich auf dahingehende Versuche nicht
näher eingehen möchte.
Die Vergleichungen des Herrn Scheiner beziehen sich aut
Cataloge, deren Stemgrössen ebenfalls durch Schätzungen er-
halten sind, deren Helligkeitsscala auch nicht näher bekannt ist.
Es ist femer eine naheliegende Vermuthung, dass die Stem-
schätzungen der S.D. durch die angewendete Feldbeleuchtung
nicht ganz unbeeinflusst geblieben sind. Diese Feldbeleuchtung
wurde am Anfange jeder Zone sorgfältig den äusseren Um-
ständen angepasst, zu denen natürlich auch die Stemfülle in
der eingestellten Himmelsgegend gehört. Und wenn auch der
Beobachter Schönfeld mit bewundemswerther Annäherung das
Bestreben, seine Arbeit der nördlichen D,M, möglichst homogen
zu gestalten, erreicht hat, so könnte man doch von vornherein
geneigt sein zu vermuthen, dass sich in den Stemgrössen der
D,M. der Einfluss der Milchstrasse in einer ganz andern Weise
zeigen könnte. In jedem Falle ist aber a priori nichts näheres
ĂĽber diesen Punkt zu sagen, und man muss ihn als einer
Untersuchung dringend bedĂĽrftig bezeichnen.
Bei den Vergleichungen der nördlichen D. M, mit der H.E.^
worauf nunmehr eingegangen werden soll, ist deshalb auch auf
den Einfluss der Sternfülle gehörig Rücksicht genommen worden
und es hat sich in der That herausgestellt, dass bei den
schwächeren Sternen dadurch ein ganz wesentlicher Einfluss
aufgedeckt worden ist.
Bei Gelegenheit der Mittheilung der Abzahlungen der in
der Bonner Durchmusterung enthaltenen Sterne*) habe ich
den Himmel in 9 Zonen eingetheilt, die parallel zu der Milch-
^) Sitzungsberichte der MĂĽnchener Akademie 1884 und 1886.
154 Sitzung der matK-phys. Classe vom 5. März 189S.
Strasse, deren Mitte als läpgs eines grossen Kreises verlaufend
angenommen wurde, liegen. Zone I reicht von -j- 90*^ bis -\- 70*^
nördlicher galactischer Breite, Zone 11 von -f- 70*^ bis -}- 50® u. s. f.,
Zone V von +10° bis — 10® die Milchstrasse umschliessend,
Zone IX endlich von — 70® bis — 90®. Ich habe a. a. 0. die
Grenzcurven dieser Zonen durch Diagramme dargestellt, durch
welche die Zone, in welcher eine gegebene Himmelsgegend liegt,
sofort abgelesen werden kann und ĂĽberall dort, wo es nicht
auf grosse Genauigkeit ankommt, werden diese Curven nĂĽtzlich
befunden werden. Ich habe im vorliegenden Falle diese Curven
ebenfalls benutzt und ihre Verwendung gestaltete sich ĂĽberaus
einfach, weil die Resultate der H, JB. nach einzelnen Declinations-
graden geordnet sind. Es waren also in den Tabellen der
einzelnen Declinationsgrade die Grenzen der Zonen I bis VDI —
IX kommt in D,M, nicht vor — kenntlich zu machen. Die
H. E, enthält die Declinationsgrade + 0®, + 1®, + 4®, + 5®, + 9®,
-|- 10® u. s. f. Bei der beschränkten Genauigkeit reichte es aus für
zwei anstossende Declinationsgrade, also für 0® und 1®, für 4®
und 5® etc., dieselben Grenzcurven anzunehmen. Um eine etwaige
Controle zu ermöglichen, führe ich in der folgenden Tabelle
die angenommenen Grenzen der Zonen an. Die Zahlen sind so
zu verstehen: Für + 0® und + 1® reicht z. B. Zone VIII von
0^ 0°^ bis 2^ 48°^ und von 22^ 54°» bis 0\ Zone III von 9»» 5°»
bis 10^54"» und von 14M8™ bis 16»»33">.
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopiscken Sterne. 15o
+0» +50
+100 4.150 4-200 +250 +30« +35«
â–ş +400
h m h m
h m
0 0 0 0
^^ hmlimhmhin
Vm 2 48 2 24
VIII
1 46 00000000 h„
li m
VII 4 80 4 16
VII
408 42 8 20 2 54 2000
0 0
Vi 6 2 5 50
VI
6 38 5 30 6 15 5 0 4 42 4 24
8 54
V 7 86 7 24
V
7 12 7 0 6 54 6 42 6 80 6 18
6 6
IV 9 6 8 50
IV
8 42 8 82 8 24 8 16 8 10 8 3
7 65
III 10 54 10 30
III
10 18 10 5 9 54 9 48 9 45 9 42
9 42
II 14 48 16 6
II
12 4 11 86 11 25 11 18 11 18 11 20
11 30
III 16 88 16 45
I
13 25 13 50 14 6 14 15 14 18 14 18
14 10
IV 18 5 18 15
II
15 18 15 30 15 42 15 48 15 54 16 48
15 54
V 19 33 19 42
III
16 54 17 0 17 10 17 20 17 25 17 32
17 40
VI 21 12 21 24
IV
18 24 18 30 18 42 18 50 19 3 19 15
•
19 24
VII 22 54 23 12
V
19 54 20 3 20 18 20 82 20 50 21 12
21 40
VIII Ol» 0^
VI 21 32 21 50 22 15 22 45 23 26 0^
0^
VII Ql^ Q^ 0^ 0^ 0^
+50« +550 +60° +650 +700 4.750 +800 +850>860
h m
^^ famhmhm hm
VI 2 15 0 0 0 0 0 0 0 0 1, m h m h m
V6 38 5 15 4 48 4 10V30 OOOĂĽOO
IV 7 48 7 46 7 42 7 42 IV 7 40 IV 7 42 8 0 8 48 IV
III 9 50 10 6 10 30 11 15 III 18 0 III 17 54 17 40 IĂź 40
II 16 45 15 30 15 10 14 24 IV 22 36 IV 0»' 0»» 0»'
III 17 50 17 54 17 55 18 0 V 0»'
IV 20 0 20 20 20 50 21 24
V 22 10 0^ 0»» 0»»
VI Oh
Es wurden nun fiir die einzelnen DecHnationsgrade und
Zonen die Differenzen der Grössenangaben D.M, — H.R, gebildet
und zusammenaddirt. Hierbei wurden die Differenzen ohne
jede Correctur dem angefĂĽhrten Werke entnommen und nur
jene ausgeschlossen, deren absoluter Betrag ^ 0.7 war. Das
ist freilich eine ziemlich willkĂĽrliche Maassnahme. Sie entstand
aus dem Bestreben, nicht gar zu viele Ausschliessungen machen
zu müssen und in der That bildet die Zahl der thatsächlich er-
folgten einen ganz geringfĂĽgigen Procentsatz. Unzweifelhaft
befinden sich unter den mitgenommenen Differenzen viele, die
156 Süzung der mathrphys, Glosse vom 5. März 1698.
durch Fehler irgend welcher Art entweder in der D,M, oder
in der H, R, entstanden sind. Es bleibt also nur die Annahme
ĂĽbrig, dass sich alle diese Ungenauigkeiten, die zum Theil
kaum festzustellen wären, im Mittel aufheben. Man wird dies
bei der ĂĽberaus grossen Anzahl von Vergleichungen, die benutzt
werden konnten, mit einiger Sicherheit annehmen können, aber
nur dort, wo sehr verschiedene Regionen des Himmels bei den
einzelnen Mittelwerthen mitstimmen. Denn bei den Differenzen
fallt sofort auf, dass sie sehr oft innerhalb engerer Bezirke
von annähernd gleichem Betrage sind, dass also eine Art syste-
matischer Beeinflussung mitgespielt hat, sei es bei den Schätz-
ungen der D.M,, sei es bei den photometrischen Messungen.
Diejenigen Mittelwerthe also, welche nur aus Vergleichungen,
die sich auf kleinere Bezirke erstrecken, entstanden sind, wird
man nicht als' sicher betrachten dĂĽrfen. Dies findet bei den
Zonen VIII und I statt, und thatsächlich weichen die ihnen
zugehörigen Mittelzahlen theilweise stark von den Werthen ab,
die man durch eine nicht ganz unzuverlässige Extrapolation
aus den den andern Zonen entsprechenden Mittelwerthen
gewinnt.
Die erhaltenen Summen der Differenzen fĂĽr die einzelnen
Declinationsgrade und Zonen wurden in Tabellen zusammen-
gestellt. Diese sollen aber nicht mitgetheilt werden, vielmehr
enthalten die folgenden Tabellen gleich die Mittelwerthe, vor
denen die Anzahl der Differenzen steht. Am Fusse jeder
Tabelle steht indessen die Summe fĂĽr jede Zone und die dazu-
gehörige Anzahl der Sterne. Diese Summen sind also direct
gebildet und genauer, als sie aus den auf 2 Stellen abgekĂĽrzten
Mittelwerthen hervorgehen wĂĽrden. Um mittlere Differenzen
für die ganzen und halben Grössenklassen der D.M. zu er-
halten, sind folgende Grössenklassen der D.M, zu Gruppen
vereinigt worden:
Gruppe 1 enthält die D. J/. Grössen 6.3 bis 6.7 incl. Die
Gruppen 2, 3, 4 und 5 bezw. die Grössen 6.8 bis 7.2 incl.,
7.3 bis 7.7 incl., 7.8 bis 8.2 incl., 8.3 bis 8.7 incl, endlich
JETn^o Seeliger: Grössenhlassen der tehscopischen Sterne, 157
die Ghnippen 6 und 6 a die Grössen 8.8, 8.9, 9.0 bezw. 9.1
und 9.2.
Die letzten beiden Gruppen wurden zunächst aus dem
Grunde auseinander gehalten, weil vermuthet werden konnte,
dass sich die D.M. Grössen 9.1 — 9.2 der Schätzungsscala,
welche bei den helleren Sternen angewendet worden ist, nicht
einfĂĽgen. Es ergab sich indessen zum SchlĂĽsse, dass diese
Vermuthung sich wenigstens nicht mit Sicherheit bestätigt und
so konnten dann die beiden Gruppen 6 und 6 a in eine einzige
unbedenklich vereinigt werden. Die fĂĽr die einzelnen Gruppen
erhaltenen Mittelzahlen werden nun sehr nahe fĂĽr die D.M.
Grössen 6.5, 7.0 etc. bis 9.0 gelten. Abgesehen davon, dass
die Grössen der einzelnen Gruppen sich symmetrisch um die
ganzen und halben Grössenklassen lagern, kommt hierbei noch
in Betracht, dass die Decimalen 0 und 5 sowohl in der D. M.
als auch in dem Verzeichnisse der H.II. sehr bedeutend ĂĽber-
wiegen. Zu den nun folgenden Tabellen wäre noch zu be-
merken, dass wegen der geringen Anzahl von Sternen, welche
die Gruppe 6 a bilden, hier mehrere Declinationsgrade zusammen-
gefasst worden sind.
158
Sitzung der math.-phys, Glosse vom 5, März 1698.
Grösse 6.3,
vm
vn
VI
V
0— 6«
2
+ 0.03
8
+ 0.10
- - 0.09
8
+ 0.30
9—15
1
— 0.42
16
+ 0.11
26
20
— 0.09
19—25
24
— 0.16
32
— 0.10
24
-
-0.03
29-35
2
— 0.06
85
— 0.12
26
-
hO.Ol
39—45
31
— 0.06
38
-
-0.04
49-55
12
0.00
35
— 0.14
59-65
41
0.00
69-75
11
0.00
>75o
Summe
3
— 0.36
42
— 2.17
144
— 5.82
293
—
-0.56
Grösse: 6.8,
00
6
+ 0.11
2
-
-0.60
5
+ 0.25
6
-
-0.05
1
—
1
-
-0.36
—
—
2
-
-0.26
4
—
—
2
-
-0.40
2
+ 0.10
6
-
-0.18
5
—
—
1
-
-0.29
3
+ 0.87
9
-
-0.11
9
3
+ 0.34
5
-
-0.27
4
+ 0.06
4
-
-0.30
10
2
+ 0.21
6
-
-0.04
8
+ 0.11
7
-
-0.10
14
7
— 0.07
7
+ 0.02
11
— 0.06
15
9
— 0.03
8
-0.06
10
— 0.08
19
«
12
— 0.15
12
— 0.26
12
+ 0.03
20
9
— 0.21
7
-0.22
6
+ 0.27
24
5
— 0.32
4
+ 0.84
4
+ 0.08
25
5
— 0.18
5
-0.25
6
— 0.14
29
1
— 0.26
7
0.00
14
+ 0.04
30
5
— 0.20
6
— 0.16
18
+ 0.02
34
20
— 0.28
10
+ 0.10
+ 0.07
35
17
— 0.22
4
39
22
— 0.08
18
+ 0.05
40
18
— 0.16
12
— 0.08
44
11
+ 0.13
10
+ 0.06
45
17
— 0.06
8
— O.Ol
49
7
-0.81
12
— 0.10
50
12
— 0.03
7
— 0.16
54
16
— 0.26
55
12
+ 0.06
59
23
— 0.18
60
13
— O.ll
64
12
— 0.27
65
15
— 0.24
69
6
— 0.14
70
1
— 0.54
74
75
76
79
>800
Summe
i>;
+ 2.07 .
70 1
—
-4.04 i
202
- 16.98
288 I
—
12.66
Sugo Seeliger: Gnh
1 der leleavopkchen Sterne. 159
IV
m
U
I
i
+ 0.23
4
+ 0.16
8
+ 0.30
_
10
+ 0.27
2
+ 0.34
— 0.16
tl
+ 0.13
11
+ 0.04
21
+ 0.07
ö
+ 0.21
6
+ 0.01
S
+ 0.23
11
— 0.04
U
+ 0.04
Ifi
— 0.04
— 0.06
Itl
-0.06
U
— O.IB
IR
— o.n
81
+ 0.04
U
-0.04
171
— 8.26
118
-3.64
70
+ 1.96
28
+ 2.10
6.9, 7.0, 7.1, 7^.
+ 0.08
9
4
hO.43
+ 0.17
_
_
— 0.13
1
â– 0.16
+ 0.37
1
â– 0.36
-0.22
~om
I
â– 0.34
+0.12
+ 0M
6
-0.03
+ 0.29
-i-0.08
2
-0.23
-056
4
-0.05
-0.03
1
+ 0.3C
-0.06
6
+ 0.08
— 0.09
3
+ 0.39
+ 0.06
G
— 0.16
+0.23
6
+ 0.06
+ 0.20
+ 0.1 1
3
+ 0.40
+ 0.36
3
+ 0.18
2
+ 0.08
— 0.84
5
— 0.30
-0.03
2
+ 0.27
+ 0.13
6
— 0.25
+ 0.15
+ 0.13
2
-0.36
-0.34
7
— 0.20
3
+ 0.18
— 0.13
8
— 0.26
— 0.17
6
0.00
+ 0.36
2
-0.42
11
— 0.13
+ 0.04
— 0.03
7
-0.32
IC
-0.26
— 0.18
+ 0.28
4
-0.86
13
-0.08
11
-0.11
— 0.29
8
-0.36
g
+ 0.09
+ 0.08
-0.30
1
— 0.82
— 0.89
+ 0.22
10
— 0.32
-0.04
-0.18
— 0.19
-0.14
-0.02
— 0.08
+ 0.13
+ 0.47
+ 0.03
11
— 0.11
— 0.07
+ 0.04
— 0.10
-0.39
12
+ 0.01
-O.TO
+ 0.07
— 0.08
-0.07
-0.3 t
-0.22
— 0.36
- 0.40
10
— 0.20
-0.20
-0.13
— 0.07
+ 0.08
— O.U
14
- 0.11
10
-0.33
-0,20
-0.30
+ 0.13
-0.21
35
— 003
19
-0.16
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— 10.78
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Siteitng Her maüi.-i'hys. ClasM vom 5. März 1S98.
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1
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— 0.14
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+ 0.01
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6
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~ 0.02
G
+ 0.17
10
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B
+ 0.03
6
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U
8
— O.ll
8
+ 0.39
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-0.01
16
b
+ 0.07
11
— 0.13
8
+ 0.02
19
9
— 0.07
7
— 0.10
14
— 0.O4
30
11
— 0.05
7
— 0.23
8
+ 0.04
34
4
— 0.06
9
+ O.U
9
+ 0.08
35
10
— 0 17
8
— 0.05
10
+ 0.01
29
5
+ 0.21
18
— 0.12
11
+ 0.08
SO
12
— 0.09
IĂź
+ 0.08
31
Itj
— 0.22
10
+ 0.05
SS
12
— 0.16
13
+ 0.18
SD
17
— 0.14
20
~ 0.02
4(1
20
— 0.23
20
+ 0.09
4-1
U
- 0.07
13
-0.17
45
9
- 0.28
12
— 0.25
49
9
— 0.21
13
+ 0.02
50
7
— 0.14
IS
-0.11
Gl
27
— 0.22
fifi
21
— 0.04
b9
19
— 0.04
60
16
— 0.17
64
IS
-0.17
Gä
6
0.00
C9
5
— 0.26
70
1
-0.09
74
75
76
79
80
>80
Sniiimc
IB
+ 1.81
89
— 9.B7
201
- 22.22
844
-9.26
äugo Setiiger: GröasenJäassen der teteacopischen Sterne, 1^)1
7.4, 7.6, 7.6, 7.7.
IV
III
0.16
7
II
O.Ol
— -- ■==r.
I
6
h 0.05
10
+
6
- 0.22
3
+
0.09
1
-[-
0.51
2
- 0.25
8
+
0.28
6
-J-
0.25
3
- 0.10
2
-+-
0.37
6
-|-
0.10
4
h 0.25
2
+
0.31
2
-|-
0.51
2
+ 0.38
8
r 0.12
6
+
0.30
6
0.08
3
+ 0.36
6
— 0.12
2
+
0.06
1
—
0.04
4
+ 0.12
8
- 0.10
4
0.12
3
0.12
8
+ 0.53
7
— 0.08
4
—
0.10
5
+
0.19
4
+ 0.28
9
+ 0.08
4
+
0.05
6
0.14
3
— 0.21
11
+ 0.20
3
0.81
5
+
0.04
4
— 0.27
8
— 0.07
4
—
0.18
8
0.14
9
— 0.37
11
4- 0.27
9
+
O.Ol
2
—
0.02
4
— 0.22
6
+ 0.08
2
O.U
5
—
0.18
4
— 0.24
6
+ 0.02
8
—
0.07
5
—
0.06
3
— 0.09
8
— 0.16
8
0.13
2
0.55
3
-0.21
14
— 0.26
4
—
0.30
10
—
0.24
2
+ 0.27
15
— 0.20
9
—
0.20
7
0.26
6
— 0.17
10
— 0.12
4
—
0.22
10
—
0.07
2
— 0.52
7
— 0.19
10
—
0.25
4
—
0.47
1
— 0.62
9
— 0.15
8
—
0.22
5
—
0.21
7
— 0.24
10
—-
0.16
11
—
0.26
9
— 0.45
7
—
0.02
5
—
0.16
6
— O.U
4
—
0.02
5
0.08
U
— 0.13
3
—
0.04
4
—
0.15
4
— 0.12
6
—
0.32
9
—
0.29
7
+ 0.12
2
0.08
4
—
0.13
13
+ 0.02
7
—
0.04
3
+
0.10
6
— 0.23
12
—
0.24
12
— 0.22
3
+
0.00
6
+ Ăś.Ol
5
0.17
22
— 0.12
10
—
0.21
3
— 0.19
4
0.27
10
— O.Ol
2
—
0.16
10
+ 0.17
7
—
0.16
35
+ 0.02
21
+
O.U
322
— 15.30
212
— 16.00
147
— 14.89
57
— 4.89
11*
162
Sitzung der math.-phys, Classe vom o. März 1898.
Summe
21
+ 1.40
Hl
— 2.B4
247
— 26.84
389
Grösse: 7.8,
VIII
VII
VI
V
00
7
— 0.17
10
+ 0.24
8
+ 0.02
10
+ 0.18
1
5
+ 0.20
3
+ 0.03
3
+ 0.02
6
+ 0.29
4
1
+ 0.30
6
+ 0.07
10
+ 0.26
8
+ 0.20
6
6
+ 0.18
10
+ 0.06
5
+ 0.39
7
+ 0.19
9
1
-0.17
6
— 0.02
7
+ 0.01
6
-0.03
10
1
— 0.17
15
-0.13
10
+ 0.07
6
-0.04
14
8
— 0.08
8
— 0.08
10
-0.20
15 '
18
0.00
9
0.00
10
H
hO.Ol
19
4
— 0.25
7
— 0.23
5
-0.02
20
4
— 0.18
12
— 0.24
8
+ 0.11
24
8
— 0.04
7
— 0.02
8
+ 0.18
25
7
-0.30
11
— 0.08
16
+ 0.03
29
6
+ 0.01
17
— 0.12
14
+ 0.01
30
11
+ 0.01
16
— 0.08
18
+ 0.06
34
25
— 0.19
10
— 0.06
35
18
— 0.21
11
+ 0.12
39
16
— 0.14
29
— 0.13
40
16
— 0.22
13
— 0.17
44
9
— 0.05
18
— 0.12
45
11
— 0.18
19
— 0.03
49
15
— 0.29
15
— 0.10
50
7
— 0.26
10
— 0.20
54
27
— 0.23
55
26
— O.Ol
59
28
-012
60
15
-0.06
64
9
-0.21
65
14
— 0 25
69
9
— 0 27
70
4
~o!o3
74
75
76
79
80
>80
- 1 7.07
Bugo Sediger: aTĂ–uenUatsen der ttlescojiiachcH SUrnt.
7.9, 8^, 8. 8.3.
9
17
III
n 1 [
+ 0.22
8
+ 0.29
8
+ 0.17 1
6
+ 0.09
-0.54
C
- O.ll 1
6
-^0.81
+ 0.10
6
— 0.13 1
7
+ 0.96
+ 0.16
6
— 0.09
18
— 0.08
+ 0.06
3
+ 0.35 2
+ 0.21
11
+ 0.06
+ 0.19
4
+ 0.20 3
+ 0.60
13
— 0.04
— 0.17
3
— 0.24 5
+ 0.21
lU
-0.18
— 0.04
6
- (1,33 1
+ 0.31
7
-0.19
+ 0.04
B
-0.17 1 9
+ o.oa
— 0.18
-0.10
3
- 0.28 1 4
— 0.14
111
+ 0.05
-0.37
3
- 0.0(i 1 3
— 0.06
6
-0.18
3
+ 0.29
6
- 0.04 3
-0.41
9
+0.16
10
+ 0.29
6
— 0.14 1 2
- 0.39
13
-O.OB
â– 1
+ 0.08
8
— 0.32 3
-0.68
10
-0.09
8
+ 0.02
3
— 0.39 . 3
-0.05
7
— 0.29
9
— 0.16
1
0.00 3
-0.40
18
— 0.30
6
-0.25
5
- 0.13 2
-0.22
8
— 016
ö
— 0.17
13
— 0.02 1 3
-0.64
&
— 0.19
8
Ăś
-0.17 , 2
-0.32
10
— ose
6
-o!28
8
- 0.31 3
-0.29
7
— 006
9
— 0.21
-o.n
11
— 0.30
2
+ 0.13
6
-0.18
11
— 0.11
1
+ 0.04
4
-0.37
U
-0.16
6
-0.03
6
— 0.15
19
-0.20
9
+ 0.07
3
-0.09 ,
7
-0.17
7
-0.20
6
— O.lß '
10
-0.04
4
-0.21
3
— 0.13 1
9
-0.18
7
-0.31
a
-0.08 1
13
-o.ao
8
+ 0.02
10
— 007
7
— 0 09
9
-003
4
— 0.22
28
— 012
15
— 016
10
+ 009
1
-0'20
10
— 0 08
3
-038
17
— 007
9
— 005
bi
+ 005
20
-o:o8
410
— 37.34
227
- 16.18
143
- 16.87
51
— 6.47
164
Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5, März J898.
Grösse: 8.8,
VIII
VII
VI
V
00
17
— 0.18
20
-0.06
28
+ 0.07
25
+ 0.15
1
10
— 0.26
6
— O.ll
18
+ 0.15
8
+ 0.06
4
8
— 0.23
18
— 0.28
24
+ 0.01
20
0.00
5
10
+ 0.30
17
— 0.22
18
— 0.05
22
+ 0.09
9
1
— 0.07
10
— 0.19
19
-0.05
16
+ 0.10
10
7
— 0.38
14
+ 0.08
18
+ 0.01
28
+ 0.02
14
14
-0.17
18
— 0.05
16
+ 0.U7
15
9
— 0.32
6
- 0.02
15
+ 0.03
19
6
— 0.31
9
— 0.19
17
— 0.08
20
17
— 0.21
12
— 0.19
21
— 0.12
24
8
— 0.26
14
— 0.18
17
— 0.08
26
10
-0.22
16
— 0.10
15
— 0.08
29
8
-0.09
27
-0.17
18
— 0.02
30
7
+ 0.08
14
-0.25
17
0
84
20
— 0.36
22
— 0.08
35
18
— 0.30
25
— O.Ol
39
23
— 0.26
21
— 0.22
40
19
— 0.82
26
— 0.22
44
19
— 0.08
9
— 0.08
45
21
-0.09
25
— 0.10
49
16
— 0.20
21
— 0.10
60
12
— 0.29
22
— 0.26
64
10
— 0.19
56
19
— 0.13
59
22
— 0.19
60
17
— 0.14
64
15
— 0.19
65
11
— 0.25
69
11
— 0.18
70
5
— 0.10
74
75
76
79
80
>80
Summe
58
-9.86
159
— 26.99
888
— 46.95
526
— 37.81
Hugo Seeliger: Grössenklassen der tclescopisehen Sterne, 1^5
8.4, 8.5, 8.6, 8.7.
20
IV
ni
II
I
— 0.11
6
+ 0.03
18
— 0.09
10
— 0.06
4
-f- 0.04
11
— 0.06
24
— 0.04
10
— 0.13
15
+ 0.12
9
— 0.09
7
+ 0.21
16
— 0.02
13
— 0.08
6
1 + 0.11
8
H- 0.03
6
— 0.09
19
+ 0.05
13
+ O.Ol
16
— 0.05
6
— O.Ol
10
- 0.13
4
— O.Ol
5
- 0.04
5
— 0.19
11
— 0.02
7
- 0.05
6
+ O.Ol
4
— 0,18
12
— 0.26
11
— 0.12
8
— 0.26
2
— 0,40
9
— 0.08
8
— 0.14
6
— 0.21
10
— 0.24
10
— 0.19
6
- 0.22
5
— 0.24
1
— 0.61
14
— 0.29
11
— 0.23
4
— 0.32
7
— 0.82
13
+ 0.08
7
— 0.25
7
- 0.25
2
— 0.81
13
— O.Ol
10
— 0.32
5
— 0.38
3
— 0.26
16
— 0.24
6
— 0.27
5
— 0.1 1
3
— 0.08
18
— 0.20
8
— 0.26
8
— 0.30
10
— 0.09
14
— 0.32
4
— 0.41
2
— 0.37
7
— 0.51
20
- 0.29
5
— 0.47
4
— 0.26
1
— 0.57
9
— 0.26
7
— 0.17
5
— 0.45
3
— 0.29
16
— 0.?2
5
0.22
6
— 0.34
3
— 0.89
20
; — 0.10
5
— 0.30
5
— 0.18
11
— 0.21
4
— 0.37
0
— 0.19
15
— 0.21
8
+ 0.03
3
— 0.23
6
— 0.19
6
— 0.14
6
- 0.19
17
— 0.07
11
— 0.36
8
— 0.19
16
- 0.31
3
— 0.23
3
— 0.59
â–
11
— 0.09
11
— 0.18
3
— 0.08
7
— 0.21
8
— 0.05
2
- 0.45
11
0.00
18
— 0.17
8
— 0.10
4
— 0.10
4
— 0.03
5
— 0.08
60
— 0.06
36
— 0.09
13
+ 0.06
10
+ 0.03
10
— 0.06
4
— 0.02
7
0.00
2
- 0.28.
11
+ 0.09
9
— 0.13
507
!
1
i
1
— 58.80
1
1
1
289
1
— 39.62 i
196
- 28.14
I
!
1
73
1
1
— 17.11
166
Sitzung der mathrphys, Classe wm 5. März 1898,
Grösse 8.8,
VIII
VII
VI
V
+00
27
— 0.30
25
— 0.28
42
+
O.Ol
48
+ 0.05
1
9
— 0.16
17
— 0.12
20
—
0.06
16
+ 0.07
4
18
— 0.26
20
— 0.31
23
—
0.16
80
-f 0.02
5
11
— 0.83
17
— 0.25
25
0.23
23
— 0.01
9
4
— 0.82
16
— 0.14
26
—
0.15
19
+ 0.03
10
14
— 0.29
20
— 0.20
21
—
0.16
85
+ 0.03
14
12
— 0.31
24
—
0.13
20
— 0.02
15
17
— 0.18
13
—
0.11
17
0.00
19
21
— 0.35
17
—
0.26
22
0.00
20
18
— 0.32
11
0.82
25
— 0.16
24
18
— 0.24
19
—
0.38
26
— 0.19
26
9
— 0.30
8
—
0.27
25
— 0.10
29
8
— 0.26
19
—
0.31
28
— 0.09
80
11
- 0.26
82
0.23
29
— 0.14
84
41
—
0.29
80
— 0.04
85
26
—
0.34
24
0.19
89
27
—
0.38
28
— 0.14
40
29
0.38
82
— 0.32
44
18
—
0.26
27
— 0.22
45
23
—
0.22
22
— 0.28
49
28
—
0.82
30
— 0.27
50
16
—
0.26
21
— 0.26
54
34
— 0.26
55
81
— 0.15
59
26
— 0.19
60
21
— 0.24
64
14
— 0.18
65
13
— 0.30
69
11
- 0.12
70
9
— 0.06
74
75
76
79
80
•
>80
Summe
88
— 23.88
224
— 56.08
508
116.88
781
— 89.58
Hugo Seeliger: Grössenklasaen der teleseopischen Sterne, 1Ö7
a9, 9.0.
IV
III
II
I
26
^_
0.21
24
^^amm
0.28
25
— 0.32
19
—
0.31
11
0.26
12
— 0.41
84
—
0.08
18 1
0.15
19
— 0.28
14
—
0.07
10
0.19
9
-- 0.32
28
—
0.08
4
0.07
12
— 0.21
8
— 0.31
23
—
0.05
7
0.09
14
— 0.28
7
— 0.46
18
—
0.18
16
0.18
11
— 0.07
3
— 0.42
20
—
0.06
18
0.18
7
— 0.22
6
— 0.20
14
—
0.26
10
0.35
4
— 0.88
4
— 0.84
12
—
0.24
8
0.20
4
— 0.35
5
— 0.18
17
0.28
11
0.25
3
— 0.49
6
— 0.32
16
—
0.87
7
0.87
12
— 0.36
6
— 0.46
15
—
0.09
9
0.37
6
- 0.89
9
— 0.53
15
—
0.16
17
0.18
6
— 0.42
3
— 0.43
19
«M^«
0.18
5
0.46
7
— 0.44
;
— 0.22
15
0.84
8
0.89
6
— 0.20
8
— 0.31
21
—
0.88
6
0.82
9
— 0.31
8
— 0.40
25
0.41
9
0.32
5
— 0.34
5
— 0.56
16
0.32
13
0.42
6
— 0.59
4
~ 0.25
6
0.37
10
0.45
11
— 0.50
3
- 0.52
25
0.20
9
0.37
18
— 0.33
18
0.26
6
0.40
12
— 0.88
14
0.27
9
0.21
5
— 0.19
20
0.27
5
0.08
10
— 0.15
16
0.31
11
0.16
5
— 0.37
9
0.21
18
0.20
4
— 0.60
15
0.12
6
0.21
9
— 0.29
18
0.08
11
0.20
7
— 0.21
22
0.12
20
0.06
10
0.12
11
0.09
15
0.08
10
0.16
72
0.14
51
0.14
21
0.07
9
0.02
16
0.09
10
0.15
•
7
+
0.10
4
0.30
17
0.08
5
â–
0.15
1
i
673
— 1
122.63
406
86.38
258
— 81.56
80
1
— 30.24
168
Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. Märt 1898.
Grösse 9.1,
VIII
VII
VI
V
0— 1»
1
— 0.27
3
-0.13
6
+
0.06
11
+ 0.02
4— 6
2
— 0.83
9
— 0.21
2
0.11
13
— 0.06
9-10
4
— 0.86
9
- 0.11
9
+
0.03
7
-+- 0.16
14—15
12
— 0.30
U
0.21
7
— 0.07
19-20
—
—
4
0.06
8
— 0.16
24—25
6
— 0.14
2
—
0.16
6
— 0.27
29—30
3
— 0.18
4
—
0.24
11
- 0.22
84—35
8
— ~
0.35
14
— 0.15
39-40
9
—
0.86
6
— 0.07
44-45
16
0.25
21
- 0.21
49-50
•
9
—
0.19
6
— 0.21
54-55
4
— 0.86
59—60
12
— 0.10
64-65
1
— 0.40
69-70
7
— 0.11
74—75 '
—
—
76,79-80
10
+ 0.06
>80
1
+ 0.07
Summe
— 2.36
42
-8.29
80
— 15.10
145
— 17.14
Hwfo Seeliger: QrössenMassen der telescopischen Sterne, 169
9.2.
IV
III
II
I
9
6
4
3
14
10
6
11
4
18
3
3
6
2
6
25
7
1
— 0.24
— 0.12
+ 0.12
— 0.18
— 0.21
— 0.29
— 0.27
— 0.12
— 0.06
— 0.19
— 0.18
— 0.86
— 0.18
— 0.10
— 0.23
— 0.08
+ 0.11
— 0.23
7
3
3
11
8
4
1
11
5
2
7
2
6
13
16
— 0.47
+ 0.16
— 0.09
— 0.22
— 0.40
— 0.27
— 0.66
— 0.24
— 0.29
— 0.46
— 0.35
— 0.09
— 0.08
— 0.19
— 0.02
3
3
3
10
6
5
6
5
5
7
4
4
5
— 0.33
— 0.19
— 0.30
— 0.23
— 0.42
— 0.51
— 0.37
— 0.41
— 0.36
— 0.36
— 0.32
— 0.66
— 0.16
2
2
3
3
5
3
5
4
— 0.05
+ 0.04
— 0.38
— 0.46
— 0.43
— 0.38
— 0.56
— 0.47
137
- 21.03
99
— 21.20
65
— 22.19
27
— 10.52
170
Sitzung der mathrphys. Classe vom 5. Mars 1698,
Die vorstellenden Tabellen vereinigen 10660 Vergleicli-
ungen. Ein blosser Anblick der Zahlen bestätigt die schon
oben gemachte Bemerkung, da.ss die einzelnen Himmelsgegenden
(hier Declinationsgrade) ausgeprägte systematische Abweich-
ungen zeigen.
Um über diese sehr deutliche und systematische Abhängig-
keit der Bonner Grössenscala von der Declination eine bessere
Uebersicht zu gewinnen, mögen die mit Rücksicht auf die
Stemzahlen gebildeten Mittel der in horizontaler Reihe stehenden
Abweichungen D.M, — U.R. mitgetheilt werden. Ich habe gleich
2 Declinationsgrade vereinigt und das resultirende Mittel dem
einfachen Mittel der Declination zugeordnet.
d
6.3—6.7»"
d 6.8-7.2^
7.3 -7.7m
7.8—8.2°»
8.3-8.7ra
8.8—9.2«
3?0
+0.187
10 H
-0.167
+0.105
+0.124
-0.016
—0.156
12.5
—0.065
5 H
-0.203
+0.125
+0.161
—0.038
-0.158
22.5
—0.038
10
-0.161
+0.120
+0.043
—0.019
-0.118
82.5
-f-0.019
15
-0.033
—0.011
—0.033
—0.065
—0.149
42.5
-0.055
20
-0.042
-0.036
—0.112
—0.169
-0.242
52.5
— 0.056
25
-0.078
—0.05 1
—0.051
—0.183
-0.276
62.5
-0.041
30
-0.040
+0.004
—0.026
-0.121
-0.228
72.5
-0.079
35
-0.117
—0.083
—0.134
-0.188
-0.244
75.5
+0.013
40
-0.119
—0.140
—0.173
—0.291
—0.329
46
-0.042
—0.194
—0.170
—0.167
- 0.301
50
-0.134
-0.157
-0.188
-0.193
-0.281
55
- 0.046
—0.131
-0.130
-0.151
-0.224
60
-0.093
—0.145
—0.113
-0.210
- 0.242
65
-0.232
—0.032
—0.188
-0.170
-0.189
70
-0.167
—0.204
—0.098
-0.117
-0.113
75
-0.123
-0.127
—0.122
—0.070
—0.117
78
-0.110
-0.108
—0.056
+0.011
—0.043
>800 -
-0.070
+0.053
—0.006
-0.026
-0.063
Die einzelnen Werthe schwanken zwar nicht unbeträcht-
lich in unregelinässiger Weise hin und her, aber ein durchaus
systematisch von der Declination abhängiger Gang ist unver-
kennbar. Dieser letztere ist keineswegs durch den verschie-
denen Antlieil, mit welchem die einzelnen Zonen an den Mitteln
theilnehmen, zu erklären, sondern thatsächlich zeigt die in Bonn
angewandte Helligkeitsscala beträchtliche Schwankungen, welche
von zwei Argumenten, der Rectascension und Declination, oder,
wie hier die Anordnung geschah, der Declination und der
Zone, abhängig ist. Man wird deshalb auch die Resultate der
Itugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne, 1/1
obigen Tabellen nicht durch einfacher verlaufende Zahlenreihen
so darstellen können, dass ihre Anwendung in allen Füllen zu
empfehlen wäre, vielmehr wird man am besten immer auf die
ursprĂĽnglichen Tabellen zurĂĽckgehen.
Der Einfluss der StemfĂĽUe bezw. die Lage der betreffenden
Sterne zur Milchstrasse tritt besonders bei den schwächeren
Sternen ĂĽberaus deutlich hervor. Besonders auffallend wird
diese Erscheinung, wenn man die Mittel der Differenzen fĂĽr
jede Zone und Grössengruppe bildet. Es findet sich:
6.3— 6.7m
6.8—7.2"»
7.3-7.7"»
Zone A
Ă„
F
A
A
F
A
A
F
VIII —0.120
3 -
-0.023
+0.188
11
-0.066
+0.121
15
—0.077
VII —0.051
42
21
—0.058
70
63
—0.029
89
76
VI —0.040
144
14
—0.084
202
56
—0.110
201
66
V —0.003
203
09
0.044
288
51
—0.027
344
56
IV —0.019
171
16
—0.042
266
58
—0.076
322
68
III —0.033
118
22
—0.060
168
64
—0.079
212
76
11 +0.028
70
24
—0.063
99
6(3
—0.113
147
79
I +0.076
28
779
24
—0.161
5,
5
9
66
—0.085 67
—0.060 1387
79
Mittel -0.016
—0.059 1 13'
7.8-8.2ni
8.3-8
jm
Zone
A
Ă„
F
A
A
F
VIII +0.067
21
-0.087
—
-0.186
63
- 0.156
VII -
0.023
111
83
-
-0.164
159
148
VI -
0.109
247
62
—
-0.121
388
109
V -
- 0.047
389
47
-
- 0.072
526
079
IV -
0.067
410
i
38
-
-0.116
607
121
III -
0.067
227
84
-
-0.137
289
151
II -
•0.118
143
89
—
- 0.144
196
161
I -
â– 0.107
51
91
—
- 0.234
73
164
Mittel -
- 0.069
1599
-
-0.121
2191
8.8
-9.0"
9.1— 9.2m
8.8-
-9.2«»
Zone A
Ă„
A
A
A
A
F
VIII —0.281
83
-
- 0.337
7
— 0.2
B6 90
- 0.270
VII - 0.250 224
-
- 0.200
42
— 0.2
42 266
256
VI — 0.229 508
-
- 0.189
80
-0.2
28 688
183
V —0.123 731
-
-0.118
145
— 0.1
22 876
125
IV —0.182 673
-
-0.154
137
-o.r
77 810
204
III —0.213 406
-
- 0.214
99
-0.2
13 506
261
II —0.316 268
-
- 0.341
66
— 0.3
21 323
280
I — 0.378
80
-
- 0.390
27
-0.3i
31 107
285
Mittel —0.205 2963
-
- 0.196
60
2
— 0.2(
1)3 3565
Die Rubrik J enthält die Mittelwerthe der Differenzen der
Grössenangaben D.M, — if.Ti., die danebenstehenden Ä be-
172 Sitzmig der maihrphys. Classe vom 5. März 1898,
deuten die Anzahl der benützten Sterne. F soll später erklärt
werden. Man sieht, dass im Allgemeinen nur jene A von einem
ziemlich regelmässigen Verlaufe abweichen, bei denen A relativ
klein ist. Die Differenzen fĂĽr Zone VIII in den ersten 4 und
für Zone I für die 3 ersten Gruppen sind thatsächUch ganz
unsicher und wĂĽrden am besten als unbestimmbar fortzulassen
sein. Man wird, was sich aus anderen GrĂĽnden empfehlen wird,
mdessen diese Unsicherheit auch zum Ausdrucke bringen, wenn
man Ä als die Gewichte der zugehörigen A ansieht.
Die zuletzt angefĂĽhrten Tabellen geben die aus den an-
gestellten Vergleichungen direct hervorgehenden Mittelzjihlen.
Um aber eine bessere Uebersicht über die Abhängigkeit der
Bonner Sternschätzungen von der Lage zur Milchstrasse zu
erlangen, wird es sich empfehlen, mit einer entsprechenden
Genauigkeit die A durch eine Interpolationsformel darzustellen.
Es gelingt dies in der That in recht befriedigender Weise
durch eine Formel mit verhältnissmässig wenig Constanten.
Die einzelnen Zonen kann man durch ihre mittlere StemfĂĽUe
— Anzahl aller in der D.M. enthaltenen Sterne auf dem
Areale eines Quadratgrades, was natürlich eine zunächst will-
kürliche Annahme bildet — characterisiren. Setzt man für die
Milchstrassenzone V die StemfĂślle 2) = 1, so kann man an-
nehmen, wenn noch d = D — 0.7 gesetzt wird:
Zone
J)
A
VIII
0.41
0.29
VII
0.47
0.23
VI
0.77
+ 0.07
V
1.00
+ 0.30
IV
0.68
— 0.02
III
0.45
0.25
TI
0.37
0.33
I
0.35
— 0.35
Es sei m der Ueberschuss der Stemgrösse jeder der Gruppen über
6.5, also der Reihe nach 0, 0.5, 1,0, . . 2.5, //,„ die Helligkeit
eines Sternes von der Grösse m, wobei Ae.5 = 1 angenommen
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne, 17*3
wird. Nimmt man die Helligkeitsscala, welche der H.IL zu
Grunde liegt, so ist log Am_i — log A« = 0.4 und 1 ihm hat für
die 6 Gruppen der Reihe nach die Werthe :
1, 1.58, 2.51, 3.98, 6.31, 10.00
Dann hat eine Ueberschlagsrechnung ergeben, dass die
besser bestimmten DiflFerenzen der obigen Tabelle sich durch
eine Formel von der Form:
befriedigend darstellen lassen, c^ ist eine der betreffenden Gruppe
eigenthtimliche Zahl. Den vorliegenden 48 Differenzen wurden
die Gewichte Ă„ gegeben, der Einfachheit wegen wurde indessen
für Yä die nächstgelegene ganze Zahl angesetzt. Die 48 Be-
dingungsgleichungen enthalten 9 Unbekannte, nämlich (?6.5,
^7.0 . . ^9.0, ot, Ăźi y- Die Aufstellung der Normalgleichungen
nach der Methode der kl. Quadr. und ihre Auflösung ist ver-
hältnissmässig einfach, da sich immer nur ein Theil derselben
zusammenfindet. Wegen des interpolatorischen Charakters der
ganzen, im Uebrigen nach allen Richtungen controllirten Rech-
nung hätte es kein Interesse mehr als das Endresultat anzu-
fĂĽhren. Es ergab sich:
n.ÄL—iin, = c.n — 0.014 d
OM^ (dm) -\- 0M68 (j-j
worin
^C5
=
O.Ol«
^7 0
—
0.058
^75
— —
O.0G7
^8 0
0.0(57
^86
0.118
^90
0.199
also fĂĽr
lf)8
Sitzung der tnath.-phy$. Cleuse vom 5. März 1898.
Grösse 9.1,
VIII
VII
VI
V
0— 1»
1
— 0.27
3
-0.13
6
+ 0.05
11
+ 0.02
4— 6
2
— 0.83
9
— 0.21
2
— 0.11
13
— 0.06
9—10
4
— 0.36
9
- 0.11
9
+ 0.08
7
-f 0.16
14—16
12
— 0.30
11
— 0.21
7
— 0.07
19-20
—
—
4
— 0.06
8
— 0.16
24—25
6
— 0.14
2
— 0.16
6
— 0.27
29—30
3
— 0.18
4
— 0.2 i
11
— 0.22
84-35
8
0.35
14
0.15
39—40
9
— 0.36
6
— 0.07
44-45
16
— 0.26
21
— 0.2 ^
49-50
•
9
- 0.19
6
— 0.21
54—65
4
— 0.86
59—60
12
— 0.10
64-65
1
— 0.40
69-70
7
— 0.11
74-75 »
76, 79-80
10
+ 0.06
>80
1
+ 0.07
Summe
— 2.86
42
8.29
80
— 15.10
145
— 17.14
Hugo Seeliger: Grössenldassen der telescopischen Sterne, 169
9.2.
IV
III
II
I
9
— 0.24
7
— 0.47
3
— 0.33
6
— 0.12
3
+ 0.16
3
— 0.19
4
+ 0.12
3
— 0.09
3
— 0.30
2
— 0.05
3
— 0.18
11
— 0.22
10
— 0.23
2
+ 0.04
14
— 0.21
8
- 0.40
6
— 0.42
3
— 0.38
10
— 0.29
4
— 0.27
5
— 0.51
3
— 0.46
5
— 0.27
1
— 0.66
—
5
— 0.43
11
— 0.12
11
— 0.24
5
— 0.37
3
— 0.38
4
— 0.06
5
— 0.29
5
— 0.41
5
— 0.56
18
— 0.19
2
— 0.45
5
— 0.35
4
- 0.47
S
— 0.18
7
— 0.36
7
— 0.35
S
— 0.36
2
— 0.09
4
— 0.32
6
— 0.18
6
— 0.08
4
— 0.56
2
— 0.10
—
—
5
— 0.16
6
— 0.28
13
— 0.19
25
— 0.08
16
— 0.02
7
•+- 0.11
1
— 0.23
137
- 21.03
99
— 21.20
65
— 22.19
27
— 10.52
170 Sitzung der mathrphys, Clastte vom 5, März 1698,
Die vorstehenden Tabellen vereinigen 10660 Vergleich-
ungen. Ein blosser Anblick der Zahlen bestätigt die schon
oben gemachte Bemerkung, dass die einzelnen Himmelsgegenden
(hier Declinationsgrade) ausgeprägte systematische Abweich-
ungen zeigen.
Um über diese sehr deutliche und systematische Abhängig-
keit der Bonner Grrössenscala von der Declination eine bessere
Uebersicht zu gewinnen, mögen die mit Rücksicht auf die
Stemzahlen gebildeten Mittel der in horizontaler Reihe stehenden
Abweichungen D.M, — U.R. mitgetheilt werden. Ich habe gleich
2 Declinationsgrade vereinigt und das resultirende Mittel dem
einfachen Mittel der Declination zugeordnet.
d
6.3— 6.7"i
d 6.8- 7.2m
7.3—7.7™
7.8—8.2«!
8.3-8.7ra
8.8—9.2"
3?0
+0.187
10 H
-0.167
+0.105
+0.124
-0.016
—0.166
12.5
+0.065
5 H
-0.203
+0.125
+0.161
—0.038
-0.168
22.5
—0.038
10
-0.161
+0.120
+0.043
—0.019
-0.118
82.5
+0.019
15
-0.033
—0.011
—0.033
—0.066
—0.149
42.5
—0.055
20
-0.042
-0.036
—0.112
—0.169
-0.242
52.5
— 0.056
25
-0.078
—0.05 1
-0.051
—0.183
-0.276
62.5
-0.041
30
-0.040
+0.004
—0.026
-0.121
-0.228
72.5
-0.079
35
-0.117
—0.083
—0.184
- 0.188
-0.244
75.6
+0.013
40
-0.119
—0.140
—0.173
—0.291
-0.329
46
-0.042
-0.194
—0.170
—0.167
- 0.301
50
-0.134
-0.157
-0.188
-0.193
-0.281
55
- 0.046
—0.131
-0.130
—0.151
-0.224
60
-0.093
—0.146
—0.113
-0.210
- 0.242
65
-0.282
—0.032
—0.188
-0.170
-0.189
70
-0.167
—0.204
—0.098
-0.117
—0.113
75
-0.123
-0.127
-0.122
—0.070
-0.117
78
-0.110
-0.108
-0.056
4-0.011
—0.043
>800 -
-0.070
+0.053
—0.006
-0.026
-0.063
Die einzelnen Werthe schwanken zwar nicht unbeträcht-
lich in unregelmä.ssiger Weise hin und her, aber ein durchaus
systematisch von der Declination al)hilngiger Gang ist unver-
kennbar. Dieser letztere ist keineswegs durch den verschie-
denen Antheil, mit welchem die einzelnen Zonen an den Mitteln
theilnehmen, zu erklären, sondern thatsächlich zeigt die in Bonn
angewandte Helligkeitsscala beträchtliche Schw^ankungen, welche
von zwei Argumenten, der Rectascension und Declination, oder,
wie hier die Anordnung geschah, der Declination und der
Zone, abhängig ist. Man wird deshalb auch die Resultate der
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne, 1 / 1
obigen Tabellen nicht durch einfacher verlaufende Zahlenreihen
so darstellen können, dass ihre Anwendung in allen Füllen zu
empfehlen wäre, vielmehr wird man am besten immer auf die
ursprĂĽnglichen Tabellen zurĂĽckgehen.
Der Einfluss der StemfĂĽUe bezw. die Lage der betreffenden
Sterne zur Milchstrasse tritt besonders bei den schwächeren
Sternen ĂĽberaus deutlich hervor. Besonders auffallend wird
diese Erscheinung, wenn man die Mittel der Differenzen fĂĽr
jede Zone und Grössengruppe bildet. Es findet sich:
6.3— 6.7m
6.8— 7.2m
7.3-7.7™
Zone A
Ă„
F
A
A
F
A
A
F
VIII —0.120
3 -
-0.023
+0.188
11
-0.065
-H).i2i
15
—0.077
VII —0.051
42
21
—0.058
70
63
—0.029
89
75
VI —0.040
144
14
0.084
202
56
—0.110
201
65
V —0.003
203
09
—0.044
288
51
—0.027
344
56
IV —0.019
171
16
—0.042
256
58
—0.076
322
68
III —0.033
118
22
—0.060
158
64
—0.079
212
76
11 +0.028
70
24
- 0.063
99
6(3
—0.113
147
79
I +0.075
28
779
24
—0.161
5i
5
66
—0.085
57
[387
79
Mittel —0.015
-0.059 113<
—0.060 ]
7.8 -8.2m
8.3-8
.7"
Zone
A
A
F
A
A
F
VIII + 0.067
21
- 0.087
- 0.186
53
- 0.156
VII -
0.023
111
i
33
-0.164
159
148
VI -
- 0.109
247
(
S2
-0.121
388
109
V -
- 0.047
389
i
il
- 0.072
526
079
IV -
- 0.067
410
(
S8
-0.116
507
121
III -
0.067
227
(
34
-0.137
289
151
II -
-0.118
143
i
39
- 0.144
196
101
I -
- 0.107
51
<
n
- 0.234
73
164
Mittel -
- 0.069
1599
-0.121
2191
8.8
1-9.0"
9.1— 9.2'n
8.8-
-9.2m
Zone A
Ă„
A
A
A
A
F
VIII — 0.281
83
-
- 0.337
7
— 0.2
86 90
- 0.270
VII - 0.250 224
-
-0.200
42
— 0.2
42 266
256
VI — 0.229 508
-
- 0.189
80
— 0.2
23 588
183
V —0.123 731
-
-0.118
145
— 0.1
22 876
125
IV —0.182 673
-
-0.154
137
-O.l
77 810
204
III —0.213 406
-
-0.214
99
-0.2
13 505
261
II — 0.316 258
-
- 0.341
65
— 0.3
21 323
280
I — 0.378
80
-
-0.390
27
-0.3
81 107
285
Mittel -0.205 2963
-
- 0.196
60
12
— 0.2
03 3565
Die Rubrik A enthält die Mittelwerthe der Differenzen der
Grös.senangaben D.M. — H.R., die danebenstehenden Ä be-
172 Sitzung der maihrphys, Classe vom 5. März 1898,
deuten die Anzahl der benützten Sterne. F soll später erklärt
werden. Man sieht, dass im Allgemeinen nur jene A von einem
ziemlich regelmässigen Verlaufe abweichen, bei denen Ä relativ
klein ist. Die Differenzen fĂĽr Zone VIII in den ersten 4 und
für Zone I für die 3 ersten Gruppen sind thatsächlich ganz
unsicher und wĂĽrden am besten als unbestimmbar fortzulassen
sein. Man wird, was sich aus anderen GrĂĽnden empfehlen wird,
indessen diese Unsicherheit auch zum Ausdrucke bringen, wenn
man Ä als die Gewichte der zugehörigen J ansieht.
Die zuletzt angefĂĽhrten Tabellen geben die aus den an-
gestellten Vergleichungen direct hervorgehenden Mittelzahlen.
Um aber eine bessere Uebersicht über die Abhängigkeit der
Bonner Sternschätzungen von der Lage zur Milchstrasse zu
erlangen, wird es sich empfehlen, mit einer entsprechenden
Genauigkeit die A durch eine Interpolationsformel darzustellen.
Es gelingt dies in der That in recht befriedigender Weise
durch eine Formel mit verhältnissmässig wenig Constanten.
Die einzelnen Zonen kann man durch ihre mittlere StemfĂśUe
— Anzahl aller in der D,M. enthaltenen Sterne auf dem
Areale eines Quadratgrades, was natürlich eine zunächst will-
kürliche Annahme bildet — characterisiren. Setzt man für die
Milchstrassenzone V die StemfĂĽlle D = 1, so kann man an-
nehmen, wenn noch d = D — 0.7 gesetzt wird:
Zone
n
d
VIII
0.41
0.29
VII
0.47
0.23
VI
0.77
+ 0.07
V
1.00
+ 0.30
IV
0.68
— 0.02
m
0.45
— 0.25
II
0.37
0.33
I
0.35
0.35
Es sei m der Ueberschuss der Stenigrösse jeder der Gruppen über
6.5, also der Reihe nach 0, 0.5, 1,0, . . 2.5, //,« die Helligkeit
eines Stenies von der Grösse w, wobei 7*6.5 = 1 angenommen
Hugo Seeliger: Grössenklassen der telescopischen Sterne. 173
wird. Nimmt man die Helligkeitsscala, welche der H.R. zu
Grunde liegt, so ist log A^-i — log Am = 0.4 und 1 : hm hat für
die 6 Gruppen der Reihe nach die Werthe:
1, 1.58, 2.51, 3.98, 6.31, 10.00
Dann hat eine Ueberschlagsrechnung ergeben, dass die
besser bestimmten DiflFerenzen der obigen Tabelle sich durch
eine Formel von der Form:
befriedigend darstellen lassen. Cm ist eine der betreflfenden Gruppe
eigenthĂĽmliche Zahl. Den vorliegenden 48 DiflTerenzen wurden
die Gewichte Ă„ gegeben, der Einfachheit wegen wurde indessen
für Yä die nächstgelegene ganze Zahl angesetzt. Die 48 Be-
dingungsgleichungen enthalten 9 Unbekannte, nämlich (?g.5,
Ci.o . . C9.01 «, ß^ y. Die Aufstellung der Normalgleichungen
nach der Methode der kl. Quadr. und ihre Auflösung ist ver-
hältnissmässig einfach, da sich inmier nur ein Theil derselben
zusammenfindet. Wegen des interpolatorischen Charakters der
ganzen, im Uebrigen nach allen Richtungen controUirten Rech-
nung hätte es kein Interesse mehr als das Endresultat anzu-
fĂĽhren. Es ergab sich:
D,3L — H.R.
m
O.OU <J — 0.043 (<hu) -f- 0.0368 (^ J
worin
^C5
:
0.01«
^70
0.058
^75
0.067
^8 0
0.067
^8-5
0.118
/»
0.199
also fĂĽr
174 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 5. März 1898,
m m
«i = 6.5 D.M. — KR = — 0.0U + 0.023 • d
7.0 — 0.058 + 0.024 • d
7.5 — 0.067 + 0.035 • d
8.0 — 0.067 + 0.068 • <J
8.5 —0.118 + 0.131. a
9.0 — 0.199 -h 0.246 • <J
(F)
Das Resultat dieser Formel ist unter F in der obigen
Tabelle angegeben. Der Anschluss der Zahlen 2^ an die J ist,
abgesehen von den bereits namhaft gemachten unsicheren J,
ein ziemlich zufriedenstellender und die Formel (F) wird in vielen
Fällen die frühere Tabelle ersetzen können. Die starke Zu-
nahme der Coefficienten von d mit m ist ganz zweifellos, wie
auch schon der Anblick der ursprĂĽnglichen Tabellen ergiebt.
Die Vergleichung zwischen der sĂĽdlichen Durchmusterung
(S. 7).) und der H. R. konnte in Anbetracht der weit geringeren
Zahl von Vergleichspunkten nur in weniger ausgedehntem Masse
durchgeführt werden. Es wurden hier die Sterngrössen der S. D.
in die 4 Gruppen zusammengefasst : 1. Gruppe 6.6™ — 7.5™ incl.,
2. Gruppe 7.6™-8,5™ incl., 3. Gruppe 8.6™-9.0™ incl., 3a. Gruppe
9.1™ — 9.2™. Die Gruppe 3a wurde zunächst aus denselben Grün-
den, wie 6a bei der D.M. gebildet. Die Zahl der verfĂĽgbaren
Differenzen ist bei ihr viel zu gering, sodass sich nur con-
statiren lässt, dass eine auffallende Abweichung in ihrem Ver-
halten gegen die Gruppe 3 nicht besteht, weshalb nichts
anderes ĂĽbrig bleibt, als beide Gruppen zu vereinigen. Im
Ganzen enthalten die folgenden Tabellen 2789 Sterne, also etwa
^/4 der Anzahl, welche bei der D. M. angewendet werden konnte.
Diese Tabellen sind ganz ähnlich entstanden und angeordnet,
wie die analogen für D.M. Es wäre der Vollständigkeit wegen
nur zu erwähnen, dass in Gegenden, wo stärkere negative Diffe-
renzen auftreten, noch solche vom Betrage 0.71 und 0.72 zuge-
lassen und also nicht ausgeschlossen worden sind. Die Grenzen
fĂĽr die Zonen, welche manchmal kleine Verschiebungen erlitten,
wenn sie dadurch in eine LĂĽcke im Verzeichnisse der H.R.
fielen, wurden den folgenden Zahlen gemäss angenommen:
Hu^ Seeliger: Orosaenhlaasen der telescopischen Sterne. 175
-40 -60
—90 —100
— 14<* —160 _i90 -.200
OhQim OhQm
OhOm OhOm
Oh 0™ ClhQm Qh Qm Qh Om
Vm 2 58 2 68
IX 1 28 1 28
IX 1 50 1 60 2 6 2 6
Vn 4 48 4 48
Vm 3 28 8 18
Vlll 8 80 8 80 3 42 8 42
VI 6 14 6 10
Vli 4 55 4 55
VII 5 0 5 0 5 18 5 13
V 7 40 7 40
VI 6 22 6 22
VI 6 80 6 80 6 41 6 42
IV 9 20 9 20
V 7 54 7 54
V84878 16 8 16
m 11 12 11 12
IV 9 88 9 36
IV 9 48 9 64 10 15 10 15
II 14 81 14 26
ITT 11 45 11 45
m 15 86 15 86 15 20 15 20
m 16 20 16 22
n 18 50 18 49
IV 17 80 17 26 17 20 17 13
IV 17 52 17 60
III 16 1 16 1
V 19 6 19 0 18 53 18 60
V 19 21 19 21
IV 17 40 17 40
VI 20 80 20 SO 20 24 20 24
VI 20 56 20 50
V 19 11 19 11
VII 22 5 22 5 21 54 21 54
VII 22 85 22 SO
VI 20 42 20 42
VIII 23 33 23 33 23 20 23 20
Vm Oh 0J>
VII 22 12 22 12
Vin 0^ Ol»
IX 0^ Ol» 0^^ Oh
Ich lasse nun die Tabellen fĂĽr die Mittelwerthe der Diffe-
renzen S.D. — H.B. für die einzelnen Declinationsgrade und
Zonen folgen.
IdM. Sitznngsb. d. math.-phys. Gl. 12
176
Sitzung der math.'phys, Glosse vom 3. Juli 1897.
Grössen 6.6
IX
VIII
VII
VI
— 40
— 5
— 9
-10
— 14
— 15
— 19
— 20
2
3
8
7
10
8
+ 0.24
— 0.31
— 0.09
— 0.12
+ 0.06
-0.29
13
6
10
16
9
9
12
12
— 0.04
— 0.02
— 0.03
+ 0.06
— 0.39
— 0.10
— 0.05
— 0.18
14
9
16
10
15
11
18
9
— 0.07
+ 0.10
— 0.05
-0.18
-0.04
— 0.08
— 0.14
— 0.03
14
6
9
10
12
14
10
6
+ 0.19
+ 0.02
— 0.10
+ 0.17
+ 0.26
+ 0.17
+ 0.06
+ 0.17
Summe
33
— 2.23
86
— 7.54
101
— 6.70
81
+ 10.39
Grössen 7.6
- 40
—
—
13
— 0.04
27
— 0.25
13
—
-0.06
— 6
—
17
— 0.14
16
— 0.16
20
— 0.10
— 9
6
— 0.06
9
— 0.09
12
— 0.05
18
-
h0.13
— 10
7
— 0.37
12
— 0.16
7
+ 0.09
22
-
ho.oi
— 14
10
-0.28
18
-0.26
16
— 0.04
11
—
1-0.22
— 16
6
— 0.35
11
— 0.26
16
— 0.14
10
-
h0.04
— 19
10
— 0.31
9
— 0.11
15
— 0.06
21
-
[-0.09
— 20
11
— 0.27
8
— 0.22
3
— 0.03
19
ho.io
Summe
49
— 18.11
97
— 16.73
112
— 12.74
129
+ 5.66
Grössen 8.6
- 40
—
—
20
— 0.28
15
— 0.32
20
— 0.18
— 6
—
—
23
— 0.24
20
— 0.27
22
— 0.12
— 9
8
— 0.26
12
— 0.37
18
— 0.24
16
— 0.18
— 10
6
— 0.40
8
— 0.46
9
— 0.30
26
— 0.08
— 14
9
— 0.48
13
— 0.40
9
— 0.28
19
— 0.20
— 15
9
— 0.41
12
— 0.41
10
— 0.19
24
— 0.03
19
6
— 0.40
14
— 0.36
8
— 0.39
19
— 0.06
— 20
5
-0.44
11
— 0.30
19
— 0.18
26
— 0.06
Summe
37
- 14.92
US
- 37.58
108
— 28.17
171
— 17.41
40
— 6
-^
— 9
— 10
—
— 14
— 16
—
— 19
—
— 20
3
Summe
3
— 0.28
— 0.84
1
3
2
2
3
1
4
J_
17
0.06
3
0.23
8
0.29
5
0.19
1
0.39
2
0.06
4
0.21
3
0.53
3
— 4.29
24
0.40
8
0.43
3
0.12
4
0.46
8
0.34
4
0.38
15
O.Ol
6
0.18
8
6.33
51
Grössen 9.1
— 0.31
— 0.23
— 0.11
— 0.14
+ 0.03
— 0.04
— 0.24
— 0.14
— 7.08
H*go Seeliger: GTĂ–ssenklasaen der ulescopischen Sttme.
Trii 7.5 iDcl.
V
TV
m
11
16
— 0.03
U
— 0.00
6
— 0.13
Ifi
+ 0.13
9
+ 0.12
18
-0.92
12
— QJ)i
«
-O.U
11
-0.02
7
-O.IĂ–
H
-0.03
+ 0.17
16
--0.10
U
— 0.06
4
+ 0,02
0.00
Ifi
--0.04
18
— 0.05
+ 0.02
U
- - O.Ol
U
+ 0.13
+ 0.10
12
-O.Il
IV
+ 0.08
+ n.i2
-0.03
13
-0.05
111
+ 6.7tl
107
— Ö.01
loa
— 0.80
™
+ 0.02
IB
-0.0*
lA
— 0.32
7
— 0.12
23
— 0.19
1»
-0.05-
9
— OJ36
17
-0.12
14
— 0.02
1»
— aiB
16
— 0.27
13
+ 0.02
4
IH
— 0.01
14
+ 0.07
as
19
-0.09
20
— osa
21
— 0.19
25
-0.03
17
- 0.18?
12
-0.14
1»
+ 0.01
24
-0.10
20
— 0.12
147
- tt.l«
137
-20.50
.SB
- 14.65
46
— 3.98
36
— 0.06
in
-0.21
16
-0.23
13
— 0.28
10
-0.16
17
— 0.18
19
— 0.19
80
-0.36
31
-0.16
IR
— 0.41
22
29
— 0.08
14
— 0.35
21
33
— 0.13
22
-0.20
14
31
-0.12
25
-0.27
24
— 0.21
42
+ 0.01
19
-0.28
2«
— 0.09
24
— 0.02
•M
— 0.21
29
-0.18
- 18.24
156
- 88.66
173
-33.01
52
— 12.92
— 0.20
-0.08
9
-0.38
4
-0.36
— 0.11
— 0.09
d
-0.81
2
-0.28
— 0.22
— 0.16
-0.34
— 0.26
— 0.23
— O.U
-0.06
— 0.25
— 0.19
-0.38
10
-0.37
U
0.00
6
— 0.23
-0.18
•*
+ 0.01
5
-0.22
-0.39
61
-6.01
27
-6.51
61
-19.60
10
-2.99
178
SUeung der maih.-phys, Classe f>om 5, Märt 1898»
Nimmt man die Mittel für die einzelnen Zonen und Grössen-
gruppen, so ergibt sich folgende Zusammenstellung:
6.6«tt-
-7J^
7.6«— 8.5«
Zone
A
A
A
A
IX -
-0.068
33
— 0.268
49
vm -
-0.088
86
— 0.162
97
VIT -
-0.066
101
— 0.114
112
VI +0.128
81
-t- 0.044
129
V + 0.062
111
— 0.062
147
IV -
-0.062
107
— 0.150
137
III -
-0.008
102
— 0.110
188
11 + 0.021
39
— a086
46
Mittel -
-0.009
660
— d099
850
8.6«-
-9.0»
9.1«,
, 9.2«
8.6« —
9.2«
A
A
A
A
A
A
TX
— 0.408
87
— 0.280
8
—
' 0.394
40
VTII
— 0.833
113
— 0.252
17
—
-0.322
180
VU
— 0.261
108
— 0.264
24
—
- 0.261
132
VI
— 0.102
171
— 0.139
51
—
0.110
222
V
— 0.081
225
— 0.098
51
—
-0.084
276
IV
— 0.248
156
— 0.204
27
—
-0.241
188
m
— 0.191
173
— 0.325
61
'—
- 0.225
284
n
— 0.248
52
— 0.299
10
—
0.257
62
1035
244
— 0.197 1279
Der Einfluss der Milchstrasse tritt in den vorstehenden
Zahlen ĂĽberaus deutlich hervor, aber die einzelnen Mittelwerthe
verlaufen nicht mehr so regelmässig, wie bei der 2).3f. Dies
ist zum Theil jedenfalls eine Folge der kleineren Anzahl der
benĂĽtzten Differenzen, zum Theil aber auch vielleicht eine
Folge davon, dass durch die stärker wirkende Extinction und die
dadurch bedingte Veränderung im Aussehen der Sternbilder die
S.D. grösseren systematischen Schätzungsfehlem leichter aus-
gesetzt war. Es ist auch nicht die Vermuthung abzuweisen,
dass die Feldbeleuchtung, so sorgfaltig ihre Regulirung auch
geschehen und so gering auch ihre Intensität gewesen sein mag,
dabei mitgewirkt hat. Auffallend ist auch das asymmetrische
Verhalten der symmetrisch gegen die Milchstrasse gelegenen
Zonen, namentlich der Zonen FV und VI. Zone VI zeigt ĂĽberall
beträchtlich grössere Werthe — algebraisch genonmien — als
IV und bei den ersten beiden Gruppen liegt das Maximum
nicht in Zone V, sondern in VI. Hier hat also irgend ein
Hugo Seeliger: Oröesenklaasen der tdescopischen Sterne, 179
zweiter Einfluss stark mitgewirkt und es ist von yorherein
klar, dass es nicht möglich ist, die gefundenen Differenzen
durch so einfache Formeln, wie bei der D.ĂĽf., in gleich be-
friedigender Weise darzustellen. Um indessen das Verhalten
der S.D. deutlicher, wenn auch nur in ganz allgemeinen ZĂĽgen,
übersehen zu können und eine Abschätzung des Einflusses der
Lage zur Milchstrasse vornehmen zu können, habe ich die
Zonen H und Vm, m und VII, IV und VI nach Massgabe
der Gewichte Ă„ zu Mitteln vereinigt und diese Mittelwerthe,
mit auf ganze Zahlen abgekĂĽrzten Wurzeln aus den A, fĂĽr
jede Gruppe einzeln durch die Formel
nach der Methode der kl. Quadr. dargestellt und es ergab sich so
S.D.— KR. = 0.000 + 0.214 d
= — 0.092 + 0.196 d [ (F)
= — 0.192 + 0.374 a
für 7.0»°
t 8.0
. . 9.0
Hierbei wurde d fĂĽr die Zonen IX, | (H + Vni), ^ (III
+ Vn), I (IV + VI), V, entsprechend der Anzahl der Sterne,
die in der S.D. ĂĽberhaupt vorkommen, der Reihe nach ange-
nommen: — 0.24, —0.23, —0.17, +0.05, +0.30, Dies ist
an und fĂĽr sich wieder eine einigermassen willkĂĽrliche Annahme,
die sich aber in der Hauptsache, wie eine Vergleichung der
Werthe F und J in der folgenden Zusammenstellung zeigt,
bewährt hat.
Zone
6.6 «tt-
-7.6«
7.6»-
-8.5 m
8.6»-
-9.2»
A
F
A
F
A
F
IX
— 0.068
— 0.052
— 0.268
— 0.189
- 0.894
— 0.282
IIa. VIII
— 0.064
-0.050
— 0.137
— 0.137
— 0.801
— 0.278
IIIU.V1I
- 0.037
— 0.036
-0.112
— 0.126
— 0.238
— 0.256
IV11.VI
+ 0.026
-- 0.011
-- 0.064
— 0.056
— 0.082
— 0.170
— 0.174
V
- - 0.052
-0.068
— 0.038
— 0.084
-0.080
Insoweit die letzten Formeln (F) fĂĽr die S.D. und die analogen
für die D.M. als Ausdruck für die Differenzen der Qrössen-
angaben der beiden Durchmusterungen — Harvard Revision
180 Sitzung der matK-phys, Classe vom 5. März 1898.
angesehen werden dürfen, würden ako für die Grössenangaben
der D.M. und S.D. die Relationen folgen:
m m
Grösse 7.0"» S.D. — D.M. = + 0.058 + 0.180 d
, 8.0 = — 0.025 -I- 0.128 d
, 9.0 = + 0.007 + 0.128 d I
Auf die Stemschätzungen der S. D. ist demnach der Ein-
fluss der Stenihäufigkeit ein grösserer gewesen, wie bei der
D.M. In roher Annäherung wird man in vielen Fällen setzen
dürfen: S.D. — D.M. = + 0.14" d.
181
üeber die Drehung eines starren Körpers
um seinen Schwerpunkt.
Von F. Lindemann.
(SingilauftH 20. Aprfl.)
Die Lösung des Problems der Rotation eines starren
Körpers um seinen Schwerpunkt geschieht bekanntlich mittelst
elliptischer Functionen; die EinfĂĽhrung derselben erfordert zwei
Schritte: zuerst die Integration der Euler'schen Differential-
Gleichungen, die keinerlei Schwierigkeiten bietet, dann die Be-
rechnung der neun Cosinus der Neigungen der im Körper festen
Coordinaten-Axen gegen die im Räume fest gedachten Axen.
Letztere Berechnung erscheint trotz der von Her mite und
anderen angebrachten Vereinfachungen noch immer sehr um-
ständlich. Indem ich umgekehrt den Körper fest, den ganzen
Raum aber bewegt denke, fĂĽhre ich im Folgenden das Problem
auf eine von W. Voigt behandelte Aufgabe der Hydrodynamik
zurück, für welche die Lösung von Venske in sehr eleganter
Form auf Quadraturen reducirt ist. Unter den Integralzeichen
erscheinen dabei elliptische Functionen, und man braucht
daher die verlaugten Integrationen nur nach bekannten Regeln
auszufĂĽhren, um die fertigen Formeln zu erhalten. Ich habe
die Rechnungen so weit durchgefĂĽhrt, dass die Resultate in
der von Her mite gegebenen Gestalt erscheinen, mich deshalb
auch ausschliesslich der Ja c ob i' sehen Bezeichnungsweise fĂĽr
die elliptischen Functionen bedient.
Zum SchlĂĽsse zeige ich, dass durch eine analoge ĂĽeber-
182 Sitzung der mcUh.'phys. Glosse vom 5. März 1898.
legung auch ein gewisses anderes Rotationsproblem, das eben-
falls von W. Voigt besprochen ist, auf eine durch Clebsch,
H. Weber und F. Kötter erledigte Aufgabe der Hydrodynamik
zurĂĽckgefĂĽhrt werden kann.
§ 1. Die Euler'schen Differentialgleichungen.
Die Haupt-Trägheits-Axen eines um seinen Schwerpunkt
frei beweglichen Körpers mögen mit den Coordinaten-Axen
zusammenfallen. Sie seien niit Ă„^ B, C bezeichnet (wo
^ < jB < (7), so dass die Gleichung des Trägheits-Ellipsoids in
der Form
(1) Ax^-^-By^^ Cjs^— 1 = 0
gegeben ist. Sind p, q, r die Winkelgeschwindigkeiten des be-
wegten Körpers um die drei (im Körper festen) Haupt-Träg-
heitsaxen und ist w die Winkelgeschwindigkeit lun die momen-
tane Drehungs-Axe, so ist
(2) jp = M;cosa, q = wcosĂź, r = wcosy,
(3) M;*=jp»+g* + r»,
wenn a, /?, y die Richtungswinkel der momentanen Drehungs-
axe bezeichnen. Der Pol der Drehung, d. i. der Schnittpunkt
dieser Drehungsaxe mit dem Centralellipsoide hat die Goordinaten
wenn
(5) Ă„p^ + Bq^+Cr'^ = h^
ist. FĂĽr jp, g, r bestehen bekanntlich, da wir das Wirken
äusserer Kräfte ausschliessen, die Euler' sehen Gleichungen:
(6) JB^ = iC-Ă„)rp,
0^ = (^-S)PĂś.
F, Lindemann: Ueber die Drehung eines starren Körpers. 183
Mit HĂĽlfe der Gleichung (3), (5) und der weiteren Relation
(7) ^»i>» + -B»g»+C»r* = i»,
wo h und Tc Integrationsconstante bedeuten, wird die Integration
der Gleichungen (6) leicht auf elliptische Integrale reducirt.
Man kann auch so vorgehen, dass man die Gleichungen (6)
direct mit den Differentialgleichungen
d sin am u .
— = cos am u • J am i«,
du
/o\ ä cosin am u .
\p) ^ = — J am u • sm am ti,
du
d A amu
du
X* sin am u • cosin am u
vergleicht, und dann das Argument u und den Modul x* ent-
sprechend bestimmt. Auf diese Weise ergibt sich:*)
»== a cosin am u, g'sisinamu, r = e?Jamw,
(9)
u^=Xt -\' fiy
wo nun die Constanten a, ft, c, X durch die Gleichungen
j,._^.MA-C) AA-0{li-0
B{B — Cy AB
(10)
^_a}A{A — B)
" ~c» C(B—Cj
berechnet werden, während /i von den Anfangswerthen p„, q^, r„
der Grössen p, q, r abhängt, so dass
(11) P(,= a cosin am n, Qo^h sin am /i, *"(>= c A am /*.
*) Vgl. z. B. Kirchhoff' 8 Vorlesungen ĂĽber Mechanik, 7. Vor-
lesung.
184 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. März 1698.
§ 2. Relative Bewegung des Baumes gegen das feste
Gentral-EUipsoid.
Eine unendlich kleine Drehung um eine Axe mit den
Richtungs- Winkeln a, Ăź, y, bei der ein Punkt a;, y, jh in den
Punkt X -{- dx^ y -(- dy^ js -{- dz ĂĽbergefĂĽhrt wird, kann be-
kanntlich durch folgende Formeln dargestellt werden:
dx = dq)\^ * — y • cosy 4" '^' cos/?],
(12) dy = c?9i[ a;cosy+ * — £r.cosa],
dz = d(p [ — a: cos /? 4" y cos a -f- * ],
wo d(p den unendlich kleinen Drehungswinkel bezeichnet. Die
Rotation ist dadurch von selbst in ihre drei Componenten um
die drei Coordinaten-Axen zerlegt.
Um die Rotation des Trägheits-EUipsoids um die instantane
Drehungs-Axe darzustellen, müssten wir ein im Körper festes
Coordinatensystem einfĂĽhren und auf dieses die Gleichungen
dm
(12) anwenden, wobei dann -^ = m; zu setzen wäre, da die
Winkelgeschwindigkeit mit w bezeichnet wurde. Statt dessen
kann man aber sich vorstellen, dass der Körper fest in seiner
Lage verharre, dagegen der ganze Raum sich relativ zu ihm
in entgegengesetztem Sinne um die Axe drehe, in welchem
Falle dann nur
(13) ^f = - »
ZU setzen ist, wenn tv die frĂĽhere Bedeutung behalten soll.
Mit RĂĽcksicht auf (2) gehen dadurch die Gleichungen (12) ĂĽber
in die Form
dx
^~^=ry -qs,
dy
(14) ~dt^^^'~ ^^'
dz
F. lAndemann: Üt^tr die Drehung eines starren Körpers. 185
Die Elimination von zweien der Grössen a:, y, z führt auf
eine lineare homogene Differentialgleichung dritter Ordnung
für die dritte dieser (Jrössen, deren Coefficienten in Folge von
(6) rationale Functionen von p^ </, r sind. Diese Coefficienten
sind somit doppelt-periodische Functionen von w, und die In-
tegrale der Differentialgleichung mĂĽssen sich nach Picard als
doppelt periodische Functionen zweiter Art (im Sinne Hermite's)
ergeben.
Gerade mit einem Systeme von DiflFerentialgleichungen von
der Form (14) hat sich Picard eingehend beschäftigt unter
der Voraussetzung, dass p^ q, r doppelt periodische Functionen
erster Art seien, und ist hier zu folgenden Itesultaten ge-
kommen:*) Es gibt ein Fundamentalsystem von Integralen
Xj,
^i.
^t
x^^
y».
«%
•^8»
ys-
^8
von der Beschaffenheit, dass zwischen zwei lieihen zusammen-
gehöriger Integrale Identitäten der Form
(15) X„, Xn + Vm Vn + ^m ^h = C
mn
bestehen, wo m auch gleich n sein kann und Cmn Constantc
bedeuten.
In unserem Falle lässt sich nun ein System x^^y^^z^ von
Lösungen angeben, das durch doppelt periodische Functionen
erster Art von u dargestellt wird ; und dadurch treten wesent-
liche Vereinfachungen ein. In der That können wir setzen
x^=^ ap = aa cosin am u==^aa * cn w,
(16) y^z=^ ß q=z ßb sin am M = /ff 6 • sn t«,
^^ = y r = y c A am u= y c * An u.
FĂĽhren wir nemlich diese Werthe in (14) ein, so folgt:
^) Picard, Sur les equations diflf^rentielles lineaires a coöfficienta
doublement p^riodiques, Crelle's Journal Bd. 90, 1881.
186 SitMung der mathrphys. Glosse vom 5. März 1898.
"^='^-''^«''' /'^=(y-°)*'i'' yfj=(°-Äi'«.
so dass sich die Constanten a, /}, y durch die Gleichungen
(17) a = A^l, Ăź = B^l Y = CI'l
bestimmen, wenn l zunächst unbestimmt bleibt.
Es ist dies dieselbe Rechnung, welche auch sonst bei Be-
handlung des vorliegenden Problems benutzt wird,*) denn die
Gleichungen (14) sind wesentlich identisch mit denjenigen
Differentialgleichungen, durch die man die neun Goef&cienten
in den linearen Gleichungen
(18) tj = c„ x + c^y + c^^i
bestimmt, welche das im Körper feste Coordinatensystem f , 17, C
mit dem im Räume festen x^ y, js verbinden.
Die Gleichung (15) können wir hier für m = n = l auf
die Form
(19) a;! + yl + ^ = l
gebracht denken, wenn wir die Constante l mit RĂĽcksicht auf
(7) durch die Bedingung
(20) *».P=1
festlegen.
Durch die Gleichungen (16), in denen die Constanten
a, ß, y, l nunmehr durch (17) und (20) vollständig gegeben
sind, wird die Bewegung eines ausgezeichneten Raumpunktes,
nemlich des Schnittpimktes der instantanen Drehungsaxe mit
der Kugel (19), dargestellt, d. h. die relative Lage dieses Punktes
gegen das Ellipsoid zu jeder Zeit angegeben. Der Punkt be-
wegt sich bekanntlich auf einer Raumcurve vierter Ordnung.
>) Vgl. z. B. Hermite, Sur quelques applications des fonctions
elliptiques, p. 24, Paris 1885 (Abdruck aus den Comptes rendos).
F, lAndemann: üeher die Drehung eines starren Kärpers, 187
§ 8. Allgemeine LOsung der Differentialgleichungen
des Problems.
Da jetzt eine Lösung der linearen Differentialgleichung
dritter Ordnung bekannt ist, welche man aus dem Systeme (14)
abzuleiten hätte, so wird sich diese Gleichung auf eine solche
zweiter Ordnung reduciren lassen, und dadurch wĂĽrden wir
im Wesentlichen auf die von Hermite (a. a. 0.) zur Bestim-
mung der CoefQcienten Cot in (18) befolgte Methode gefĂĽhrt
werden. Die Aufistellung dieser Gleichung zweiter Ordnung
kann aber auch erspart werden, indem sich auf einem von
Venske angegebenen Wege die weitere Behandlung des Pro-
blems direct auf Quadraturen zurückführen lässt.
Im Anschliisse an ein Problem der Hydrodynamik, das
von W. Voigt bearbeitet war, beschäftigt sich Venske mit
dem Systeme von Gleichungen:*)
(21) ^y=2v(-^ ^"i
de
~di
in denen a, ft, c Constante bedeuten und f , iy, f elliptische
Functionen von t sind, definirt durch die Gleichungen:
dS _ 2a\V — c')
df^ ""(«« + &•) (a'+o"^ '
(22) diy_ 2V{c'-a')
dt~{V-\'C') (6« + a*)^^'
dt
*) Vgl. Nachrichten der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen, Jahrg. 1891, p. 86.
188 Sitzung der maihrphys. Clcisse ivni 5, März W98:
Offenbar braucht man hier die auftretenden constanten
Factoren nur in die Definition der Functionen' f, i;, C und
x^ y, z passend eingehen zu lassen, um direct zu unseren Glei-
chimgen (13) und (9) geführt zu werden. In der That lässt
sich auch die Venske'sche Methode leicht auf das uns vor-
liegende Problem in der folgenden Weise ĂĽbertragen.
Die Picard'schen Relationen (15) lassen sich durch pas-
sende Auswahl der particulären Lösungs-Systeme rCg, y^, z^ und
^s» J/si ^8 ^^ ®i^® solche Form bringen, dass neben der Glei-
chung (19) noch die folgenden Identitäten erfüllt sind:
+ yj +-e^5 =1,
x\ +yj +irj =1,
(23) a;,a:, + y»y3 + £r,^, = 0,
XĂź^i + ysyi + z,z, = 0.
Aus ihnen folgt in bekannter Weise:
(24) x^ = e{y^z^--y^z^, ^«=«(ys^i— ^i-s'«), x^ = e{y^z^^y^z^\
wo e = + 1 den Werth der Determinante
«;
^1 ^«
X.
Vi y^ ys
z^
bedeutet. Ebenso ist
(25)
y^^e{z^x^—z^x^, y^=e{z^x^—z^x^, y^-=e{z^x^—z^x^),
^i=£(x^y$'-x^y%\ ^8 =«(^8^1 —^1^3)» '2'8=K^iy«-^2yi)-
Aus (24) und (25) folgen dann die weiteren Relationen
x] + 3fi + xl=l, y,^i + y2'S', + y3-8'3 = 0,
(26) y\ + yl'\-yl = l, ^i ^i + ^2 ^i + -s^s ^s = 0 ,
^J + ^5 + 4 = 1 , x^yi + x.y^ + x^yt = 0 .
F. iMidemann: üeber die Drehung eines starren Körpers. 189
Nun ist identisch
Im Zähler der rechten Seite führen wir dx^ und dx^ ver-
möge (14) auf ^g, ^2 und y^^z^ zurück; diese Zähler sind dann
gleich
oder wegen (25) und (26) gleich
{—rx^y^-^^qx^z^ +ierz^ + i€qy^)dt
und wegen (16) und (17) gleich
[pqrAPiC ^B) + i€l(}i' — Äp')] dt
Auf den Nenner unseres Ausdruckes fĂĽr d log (x^ -\- i x^
wenden wir die erste Relation (26) an und finden mit Be-
nutzung von (20):
ebener fĂĽr die anderen Goordinaten:
<?iog(y» +m)_i^j. Ji*—Sq* ^.^ .^ pqr
dt k^ — B*q* "■'k*—B*q*'
(27a)
Hiemit ist im Principe die gestellte Aufgabe vollständig
gelöst; es handelt sich nur noch darum, die vorkommenden
elliptischen Integrale in die ĂĽbliche Form zu transformiren.
*) Auf dieser Identität beruht auch die Durchführung der Quadra-
turen bei dem Probleme der Bewegimg eines starren Körpers in einer
unbegrenzten Flüssigkeit; vgl. Halphen, Traitä des fonctions elliptiques;
2i«i"e Partie, p. 167, Paris 1888.
190 Sitzung der m<Uh.'phy8. Classe vom 5. März 1896,
§ 4. Ausführung der Quadraturen.
Statt i fĂĽhren wir wieder u = Xt -{- fx als Integrations-
variable ein. Zunächst finden wir für das zweite Glied der
rechten Seite von (27):
ö p!
Zur Umformung des ersten Gliedes der rechten Seite von
(27) benutzen wir einige Relationen, die sich aus (8) und (9)
für w = 0 und u = K ergeben, nämlich:
V = A a^ ^ C (? = B V + C c' - x^ C c\
(29)
le = A' a^ -\' C c' = B'V -\' C* c' — x^ (P & ;
femer definiren wir eine reelle Constante (o durch die Gleichung
(30) sin* am i CO = — (j)j^_jß< »
so dass auch:
(31) cosin*amiÂŁo=^;yy-2 ^, i4*amia>=-^y^;
dann wird
V—Ap^ _Tc a^A{A—C)m'u
Tc'—A'p^ '" C c»C»(l— x«sn«icosn»w)
- . . , x' sn i CO • cn i CO • dn i CO • sn' M
= C ' OniCO lA, :; = r-; = .
1 — x' sn' t £0 • sn u
Die nöthige Integration lässt sich hiemach mittelst der
Jac ob i 'sehen Formel fĂĽr Normalintegrale dritter Gattung
Jx*sna-cna«dna«sn*w , j, 0{u — a) , 0'(a)
1-x'snV.sn'a ''*'-^^''^ 0(tH=^)'^*' ©F)
0
ausfĂĽhren und ergibt:
F, Lindemann: üeher die Drehung eines starren Körpers, 191
5/ j ~y" 1 5/1
log
X2 "p ^ Xg
Hierin ist c = + 1 und fi ist der Werth von u fĂĽr ^ = 0,
mit dem p^ durch (11) zusammenhängt; afi und xl bezeichnen
die Werthe von x^ und x^ zur Zeit ^ = 0. Das letzte Glied
lässt sich noch weiter vereinfachen, denn es ist:
h^ a*^* = (?*(7*(l — x*sn*ia>'sn*M)
~ "^ ^ "0 (f^)* 0 (i o>)» ' ^ ^""^ •
Wählen wir e = 4- 1 (andernfalls wäre nur i mit — i zu
vertauschen), und setzen zur AbkĂĽrzung
(33) Q = -^,^ + i c . dn i a> ,
cy(a>)
so wird schliesslich:
,0 . X ^2 + ia:3 _ 0 (t^ - i co) S (ji) ^„_^^j
Um auch y^ und yj, -sr^ und -^3 zu finden, braucht man
die in (27 a) verlangten Quadraturen nicht wirklich auszu-
füliren: Es können diese Grössen vielmehr aus den Werthen
von x^ und x^ vermöge (24) und (25) gefunden werden, ohne
dass eine neue Integration nöthig wäre. In der That ist
identisch
(^8 + i^z)iy^ — i Vi) = ^2 ^2 + ^3 ^s — i (^2 ^s — ^8 ^2)
aber nach (25) und (26):
(35) = — x,y, — i£;,.
1898. SifcsungBb. d. mAth.-pbya. Ol. 13
192 Sitzung der tnathrphys, Glosse vom 5. März 1896,
Nun ist nach (16) und (17)
x^y^=:aßpq = a hA B P sn w • cn w ;
Das Vorzeichen der durch (30) eingeführten Grösse a> ist
noch nicht bestimmt; wir definiren es so, dass
aA
cC
wird; aus den Gleichungen (10) und (31) folgt dann weiter:
aA . sn i a> , x ., , x^
-^— = — IX 1 — -. — = t — cn (» CO 4- jK.) ,
K dnico X
(36) -T- = ^ 1-^ — = X sn(t(o4- K) ,
-j- = -z — -. — = —dniicoA-K),
Je antco X
Die Gleichungen (16) gehen dadurch ĂĽber in
a:, = i —r cn (i CO + K) • cn m ,
(37) ^1 = X sn (i ÂŁ0 + ^) ' sn w ,
£r, = — r dn (i £0 + JK^) • dn M ,
Nach dem Additionstheoreme der Function 4 am wird daher
— yi^i — i^i
= —7- (1 — X* sn* w sn* (i ce> 4- K)) dn (fi — i a> — K)
X
(38) _ — i0(u+iQ> + ^Q(^— iQ>— -g)z)/,x^Qi(^— ift>— -g)
""V7' e{uye{ia)-\-Ky ^ ^ Ö(w — iro-^)
— i 0j (m 4- i ö>) • ö (w — i a>) • 0 (0)*
~V^' 0 (M)» 0, (i to)» •
Diesen Werth fĂĽhren wir in (35) ein, drĂĽcken noch
x^-\- ix^ mittelst (34) durch 0-Functionen aus, vertauschen i
mit — i und finden so
F. Lmdemann: Ueher die Drehung eines starren Körpers, IdS
(39) -- 1. e,(u-i<o)e{,M + i<o)eio)*
»l/x' ö(M)e(/x)e,(ia))» ^
und, wenn die Anfangswerthe von y, und y, benutzt werden:
(40) Vt + iy» _ 6>, (m - i a>) e Qi) ^
Ebenso findet man aus (23), (24) und (37)
(^,— ierjXy,+»y,)=-yA - ix^
, , , , = — >(l-x*sn'(ia>-l--©sn*M) cn(w4-io>H- JT)
(41) ?<
^ _|/7e^(ti~ia>)g^(u + ta>)e(Q)^
F «' ©(w)*0,(Ja>)»
oder unter Benutzung von (40) und durch Vertauschung von
i mit — i :
(42) («.+i«.K-i^=-|/ ^^?fc-^^±|i*)'.-"
In der gleichen Weise hätte man die Relation
= , ^. sn (ta> — w) • (1 — «* sn*iö> sn* m)
"~ * x' 0(w)»0i(tcü)»
benutzen können, aus der sich dann mittelst (34) das Resultat
/vio \ / 1 • \/ 0 . o\ .V^-ff(w— iö))ö(^+iö>)0(o)* n.„ ^x
(42a) (.,+ ,..)(^_,:^)=_,^-^-^^-^^^^J^e^«-.)
ergibt. Hieraus oder aus (42) findet sich endlich
a?.\ !i±i^» _ g(«— ift>) QQ*) -o(«_,o
*- ^ ^ +> «J ~ -ff (/i —io>)e (m)
18«
194 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. März 1898,
Durch die Formeln (34), (37), (40), (43) ist das Pro-
blem der Drehung des starren Körpers um seinen
Schwerpunkt vollständig gelöst; denn für die drei
Punkte mit den Coordinaten
(44) ^vVv^i; ^vyr^t'i ^81^8» ^3
sind diese Coordinaten als Functionen der Zeit t ex-
plicite dargestellt; und dadurch ist die relative Be-
wegung des Raumes gegen den starren Körper voll-
ständig bestimmt.
§ 5. Lage eines festen Azenkreuzes gegen
ein bewegliches.
Immerhin, wird es nĂĽtzlich sein, noch einige weitere Aus-
fĂĽhrungen folgen zu lassen, um den Zusammenhang mit der
üblichen Darstellung zu vervollständigen, gleichzeitig auch die
Formeln durch nähere Bestimmung der Constanten x\^ x% yj, yj,
ÂŁ^, ^ zu vereinfachen.
Die drei Punkte (44) sind die Durchstossungs-Punkte von
drei zu einander rechtwinkligen Axen mit einer um den An-
fangspunkt gelegten Kugel vom Radius Eins. Ihre Coordinaten
sind daher direct gleich den Cosinus der Neigungen dieser Axen
gegen das im Körper feste Axen-System der Hauptträgheits-
axen. Bezeichnen wir also durch f, »;, C die Coordi-
naten eines Punktes gegen die neuen Axen, welche
den Anfangspunkt mit den drei Punkten (44) verbin-
den, durch a:, y, z die Coordinaten desselben Punktes
gegen das im Körper feste Axenkreuz, so bestehen
die Gleichungen
f = a;, a; + yj y + ^1 ÂŁr, x = xj + x^ri -{- x^l:,
(45) iy = ^,a; -h y,y +- ^,ir, y = yy^ +y^ri '\' y^l:,
^ = x^x + y^y + 0^^, ^ = ^if + ^,»; + ^8^»
hierdurch sind die in den Gleichungen (18) auftreten-
den neun Coefficienten vollständig bestimmt; und zwar
F. Lindemann: Ueher die Drehung eines starr efi Körpers. 195
sind die Grössen x^, y,, -s^j durch (37) gegeben, während x^-]- ix^,
y«+*y8» ^t~\'^^i ^^^ ^^ ^^^ Gleichungen (34), (40), (43)
berechnen.
Besonders einfach werden die AusdrĂĽcke fĂĽr die absoluten
Betr%e dieser complexen Zahlen. Es ist
^« i_ ^ — 1 ^t _ 1 — X* sn* i o) ' sn* ti
x, + xi^i-x,- ^^^^^^
(46)
ß(u — io))' 0 (m + i a>) • 9j (o)*
yJ + yJ = 1 — yl = 1 — «* • sn* w • sn* (i a> + ^
(46a) ^ 0^ (u — i(o) 0^ (u + ico)e(of
"" 0(M)»0,(ico)»
, , . - o sn*w — sn*iö> ^
2\ + ^^=l—Js\= T-n «
an* KW
(46 b)
^ ir(ie~ico)g(ti + ico)H,{oY
Diese Formeln stimmen mit den von Hermite a. a. 0. in
§ XIV gegebenen im Wesentlichen überein.
Indem wir die rechten und linken Seiten der Gleichungen
(34) und (46) mit einander multipliciren, femer in (39) und
(42a) die Grössen x und x durch H^(p\ 0(o), 0, (o) in be-
kannter Weise ausdrĂĽcken, erhalten wir die folgenden drei zu
einander symmetrischen Gleichungen:
(x,-^ix,\x, lar^)- e(«)0O*)©,(ia>)' *
K^O {J/.+iy,){x, tx,)- t 0(„) 0(^)0. (iß,)' ^ '
{^^■^-l^,)(x^ tau)- i e(u)e(j^)e,(i(oy "^ •
Folglich können wir
196 Süsung der math.'phy8. Glosse vom 5, März 1898,
e (jj) Ăźi (v co)
setzen, wenn ilf^ aus M dadurcli entsteht, dass u durch jj, und
i durch — i ersetzt wird. Wegen der ersten Gleichung (47)
muss aber Jlf--3f?=l sein; also ist M eine Constante,
und zwar eine solche, deren absoluter Betrag den Werth Eins
hat, so dass
wo V eine willkĂĽrlich bleibende reelle Constante bedeutet. So
ergeben sich schliesslich die drei einfachen Gleichungen:
^2+^3=
(48) y,+ty3= ^ eV)e(i4^ (rr,+t:r,).t.dn(w— iw)
welche mit den entsprechenden Gleichungen bei Hermite und
Jacob i ĂĽbereinstimmen, wie man leicht erkennt, wenn man
i io durch ioy -\- iK ersetzt. Die Constante v bleibt noth-
wendig willkĂĽrlich, da das Coordinatensystem um die f-Axe
gedreht werden kann, ohne dass sich etwas wesentliches ändert ;
eine solche Drehung nämlich wird gerade durch Multiplication
von ly + i f mit einer Constante ^ analytisch dargestellt.
§ 6. Die Herpolhodie.
In den Gleichungen (48) kommen die Functionen 0, 0j
und H. in symmetrischer Weise vor; es fehlt die Function jET,.
Auf den aus ihr in entsprechender Weise gebildeten Ausdruck
wird man durch Betrachtung der Componenten der Drehungs-
geschwindigkeiten des Körpers um die Axen f , ly, f geführt.
Nennen wir diese Componenten bez. v,, v,, Vj, so ist bekannt-
lich nach (45)
F, Lindemann: Ueher die Drehung eines starren Körpers, 197
(49) ^t = ^%p + ytQ + ^t^i
und mit diesen Gleichungen kann man in derselben Weise
weiter operiren, wie es Hermite a. a. 0. thut. Aus (16), (17)
und (20) folgt insbesondere
(50) vi = l{Äp^ + Bq^ + Cr») = y .
Die f-Axe ist also dadurch ausgezeichnet, dass die Com-
ponente der Drehungsgeschwindigkeit um sie constant bleibt.
Zur Berechnung von v^ + ivj kann man auch den
folgenden neuen Weg einschlagen. Zwischen den Co-
ordinaten i, rj, C und den Winkelgeschwindigkeiten Vj, Vg, v^
mĂĽssen dieselben Relationen erfĂĽllt sein, wie zwischen den Co-
ordinaten x, y, ^ und den Geschwindigkeiten p, q, r. Analog
zu den Gleichungen (14) bestehen daher auch die Beziehungen
dl
dt
= «»»? — »»f.
(51) ^| = t;,C-«,f,
dC .
und aus den letzten beiden Gleichungen folgt:
-^ + i ^ = — |(v, + i v^ — i V, (iy + i 0 .
Die Winkelgeschwindigkeiten sind unabhängig von der
Lage des betrachteten Punktes im Räume; wir können also
insbesondere f=l, iy = C = 0 wählen und erhalten dadurch
r ^^-H^s) , ,, ^(y«4-iy») . , d{^^+iz^y
= ~h dt +^^ dt +^« "dT"
oder nach (48)
204 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 5. März 1898.
Kronecker zu seinen Formulirungen geführt hat. Es lässt sich
nämlich die Charakteristik eines Functionensystems definiren
als diejenige Zahl, welche angiebt, wie oft eine gewisse ge-
schlossene, im w + 1-dimensionalen Räume gelegene Mannig-
faltigkeit von n Dimensionen den Coordinatenanfangspunkt um-
giebt. BenĂĽtzt man dann weiter den Satz, dass jeder durch
diesen Nullpunkt geführte n — Ä-dimensionale ebene Schnitt
aus der Mannigfaltigkeit von n Dimensionen eine solche von
n — k — 1 Dimensionen ausschneidet, welche ebenso oft wie die
n-dimensionale den Nullpunkt umgiebt,') so erhält man die
Charakteristik in der Gestalt eines n — Ä—1- fachen über
jenen Schnitt ausgedehnten Integrals, welches speciell fĂĽr k = o
in das Kronecker'sche Integral, für k = n — l in die Kron-
ecker'sche Summenformel ĂĽbergeht.
Das erwähnte Gauss'sche Integral ergiebt sich durch eine
Specialisirung aus der bekannten von Gauss im Artikel 10
seiner „Allgemeinen Lehrsätze in Beziehung auf die im ver-
kehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden
Anziehimgs- und Abstossungskräfte**) gegebenen Darstellung
des Ausdruckes Au fĂĽr die Potentialfunction 77 einer drei-
dimensionalen Masse mit HĂĽlfe eines zweifachen ĂĽber die Be-
grenzung und eines dreifachen ĂĽber das Innere der Masse aus-
gedehnten Integrales. Dieser Umstand führte Kronecker „auf
die durch den Erfolg vollkommen bestätigte Vermuthung, dass
die Potentialtheorie Anhaltungspunkte bieten dĂĽrfte, um zu
einer allgemeinen Darstellung beliebiger Functionen der durch
ein Gleichungssystem definirten Punkte und damit auch zu
einer Verallgemeinerung des sogenannten Cauchy'schen Integrals
zu gelangen*.') Die Verallgemeinerung hat Kronecker in
Formel A des VIII. Abschnittes seiner Abhandlung vom Jahre
1869 gegeben. Sie ermöglicht, die algebraische Summe aUer
Werthe zu berechnen, welche eine gegebene Function 5 von
n reellen Variabein im Innern eines von einer n — I-dimen-
1) Beitn^ zur Potentialtheorie I, Seite 268 und 269.
3) Werke Bd. V. Seite 209.
') Kroneoker a, a, 0., Abschnitt VI.
F, lAndemann: üeber die Drehung eines starren Körpers. 199
Ihre Entfernung vom Anfangspunkte ist nach (4) und (7)
gleich
und die Cosinus der Neigungen ihrer Normale gegen die Axen
sind
woraus die Identität der f-Axe mit dieser Normalen hervor-
geht. Das Ellipsoid rollt also auf dieser festen Ebene und
der BerĂĽhrungspunkt beschreibt in ihr eine Curve,
die sogenannte Herpolhodie, deren Parameter-Dar-
stellung fĂĽr die Coordinaten i;^, to iii dieser zur f-Axe
senkrechten Ebene unmittelbar durch (49) vermittelt
wird; man findet
also ist
mittelst (52) zu berechnen. Auch hier sind wir zu den
Hermite'schen Formeln gelangt, an welche die weitere Dis-
cussion der Curve angeschlossen werden kann.
Die Gestalt dieser Curve ist bekanntlich von Hess') ge-
nauer untersucht.
§ 7. Drehung des starren Körpers unter Wirkung
gewisser äusserer Kräfte.
Die Reciprocität, welche zwischen der Theorie der Be-
wegung eines staiTen Körpers in einer Flüssigkeit einerseits
und dem Probleme der Drehung eines solchen Körpers um
^) Das Rollen einer Fläche zweiten Grades auf einer invariabeln
Ebene, Inaugural - Dissertation, MĂĽnchen 1880; vgl. auch Halphen:
Traite des fonctions elliptiques, 2^^°^® partie, p. 68 ff.
200 Sitzung der mcUh.'phys, Classe vom 5, März 1898.
einen festen Punkt andererseits besteht, kommt auch bei Wir-
kung äusserer Kräfte in letzterem Probleme zur Geltung, wie
das folgende Beispiel zeigt.
In der £*- -ff- Ebene, welche im Räume fest liegt, sei
eine Masse m^ auf einen Kreis vom Radius r^, dessen Mittel-
punkt im Anfangspunkte liegt, gleichmässig vertheilt; und die
Masse m^ wirke nach dem Newton' sehen Attractionsgesetze
auf die Masse des betrachteten starren Körpers. Mit jp, q, r
seien wieder die Drehungsgeschwindigkeiten des letztem um die
in ihm festen Haupt-Trägheitsaxen bezeichnet, mit y,, y^, y^ die
Cosinus der Neigungen der Z-Axe gegen die Haupt-Trägheits-
axen; ferner werde
^"^ rl
gesetzt, wo f die Constante aus dem Attractions-Gesetze be-
zeichnet. Die Bestimmung der Drehung des starren Körpers
um seinen im Anfangspunkte gelegenen Schwerpunkt hängt
dann von den folgenden beiden Systemen von je drei Differential-
gleichungen ab:^)
(53) B^ = {C-Ă„)[rp + ry,y,l
C^=(Ă„-B)[j>q + ry,Y,-]
und
wobei das letztere System mit dem Systeme (14) identisch ist.
Drei erste Integrale, die. aus dem Satze von der lebendigen
Kraft und den Flächensätzen hervorgehen, sind von Voigt
a. a. 0. angegeben, das allgemeine Problem ist aber nicht
weiter behandelt. Deshalb möge hier auf die allgemeine
Lösung desselben kurz eingegangen werden.
A) Vgl. W. Voigt, Elementare Mechanik, Leipzig 1889, p. 24S f.
F, Lindemann: lieber die Drehung eines starren Körpers. 201
Die DiflFerentialgleichungen (53) sind ein besonderer Fall
eines Systemes solcher Gleichungen, das von Clebsch bei Ge-
legenheit einer hydrodynamischen Aufgabe behandelt und auf
Quadraturen zurĂĽckgefĂĽhrt ist.*) Es handelt sich um die Be-
wegung eines starren Körpers in einer incompressibeln Flüssig-
keit, falls der Körper hinsichtlich seiner Gestalt und Massen-
vertheilung drei zu einander rechtwinklige Symmetrie-Ebenen
besitzt.
Fällt das dadurch definirte Hauptaxensystem mit dem im
Körper festen Coordinaten-Kreuze zusammen, so fürt das Pro-
blem auf die Differentialgleichungen*)
(55) J?^=(g — ^)rj>+ CA ^«^'' ^-''-*.-:::_i_---'
C_ = (^-^)^^ + -^-J-y,y,,
WOZU noch die Gleichungen (54) kommen. Hierin bedeuten
A^ i?, C, -4p jBj, Cj wesentlich positive Gonstante, die von der
Gestalt der Oberfläche des Körpers und von der Massenver-
theilung im Körper abhängen. Die Constante Ä ist willkürlich
und hängt von den Anfangsgeschwindigkeiten ab. Die von
Clebsch gegebene Integrationsmethode bezieht sich auf den
Fall, wo zwischen den Constanten die Relation
(56) A A, (B, - C\) -\-BB, (<7, -A,)-{-G C, (A, -B,) = 0
erfĂĽllt ist. Dieselbe Annahme macht Weber a. a. 0., um die
^) Vgl. Clebsch, Ueber die Bewegung eines Körpers in einer
FlĂĽssigkeit, Math. Annalen Bd. 3, p. 261, 1871.
^) Vgl. H. Weber: Anwendung der Thetafunctionen zweier Ver-
änderlichen auf die Theorie der Bewegung eines festen Körpers in einer
FlĂĽssigkeit, Math. Annalen Bd. 14, p. 173 ff., 1879. Im Texte sind
Web er' s Grössen p, q, r durch — jp, — q, — r und die X-Axe durch die
Z-Axe, also oj, a2, a^ bez. durch yi, ^2, Yi ersetzt.
202 Sitsung der math.-phys. Glosse vom 5. März 1698.
Integration mittelst der Theta-Functionen von zwei Variabein
vollständig durchzuführen.
Die Gleichungen (53) gehen offenbar aus den Gleichungen
(55) hervor, wenn man in letzteren
(57) ^=^'5; = -^'Z, = ^'**=-^'
setzt, wodurch die Bedingung (56) von selbst erfĂĽllt ist.
Da die Constante/* des New ton 'sehen Anziehungs-Gesetzes
wesentlich positiv ist, so beziehen sich die aus den Weber 'sehen
Formeln durch die Substitution (57) abgeleiteten Resultate
zunächst auf das entsprechende Problem für eine abstossende
Kraft. Soll f positiv werden, so muss die Constante Je ima-
ginär gewählt werden. Es hat dies zur Folge, dass in den
Formeln (26) a. a. 0., wenn J. < i? < C, mithin nach (57)
-4j > -B, > Cj gewählt wird, co* eine negative Grösse darstellt;
das negative Zeichen auf beiden Seiten föllt fort, und die Ar-
gumente der Theta-Functionen werden rein imaginär.
Die Web er 'sehe Untersuchung des erwähnten hydro-
dynamischen Problems ist unter einer besonderen Voraussetzung
über den Anfangs-Zustand durchgeführt. Von F. Kötter*)
ist gezeigt, wie man fĂĽr den allgemeinsten Fall die entsprechen-
den Entwicklungen durchzufĂĽhren hat. In gleicher Weise wird
das von Voigt behandelte Rotations-Problem bei beliebiger
Voraussetzung ĂĽber den Anfangs-Zustand erledigt werden
können.
^) Sitzungsberichte der Berliner Akademie vom 22. Jan. 1891 und
Crelle's Journal Bd. 109.
203
Beiträge zur Potentialtheorie. ^)
Von Walther Byck.
{KngtUntfm U Mai.)
m.
ĂĽeber die Bestimmung der Anzahl der Nullstellen eines
Systems von Functionen mehrerer Veränderlicher in
einem gegebenen Bereiche und ĂĽber die Berechnung der
Werthe einer gegebenen Function in diesen Punkten.
Einleitung.
Im ersten Teil der „Beiträge zur Potentialtheorie"*) habe
ich eine Reihe von Darstellungen der Kronecker'schen Cha-
rakteristik eines Systems von n -f- 1 reellen Functionen von n
reellen Veränderlichen durch bestimmte Integrale gegeben, in
welcher die von Kronecker in seiner Abhandlung „Ueber Sy-
steme von Functionen mehrerer Variabein** ^) entwickelte Inte-
gralformel als specieller Fall, die ebendort gegebene Summen-
formel als Grenzfall enthalten ist.
Man gelangt zu diesen Darstellungen auf Grund des von
Gauss in der „Theoria attractionis corporum sphaeroidicorum
ellipticorum** im 6. Artikel*) gegebenen Integrals, welches auch
*) Vorgetragen in der Sitzung vom 5. März 1898.
*) Beiträge zur Potentialtheorie I. Diese Sitzungsberichte Bd. 25.
Heft II. (1896).
*) Monatsberichte der Berliner Akademie vom März 1869.
*) Werke Bd. V, Seite 9.
204 Sitzung der mathrphys. Glosse tx>m 5. März 1898.
Kronecker zu seinen Formulirungen geführt hat. Es lässt sich
nämlich die Charakteristik eines Functionensystems definiren
als diejenige Zahl, welche angiebt, wie oft eine gewisse ge-
schlossene, im w + 1-dimensionalen Räume gelegene Mannig-
faltigkeit von n Dimensionen den Coordinatenanfangspunkt um-
giebt. BenĂĽtzt man dann weiter den Satz, dass jeder durch
diesen Nullpunkt geführte n — Ä;-dimensionale ebene Schnitt
aus der Mannigfaltigkeit von n Dimensionen eine solche von
n — k — 1 Dimensionen ausschneidet, welche ebenso oft wie die
n-dimensionale den Nullpunkt umgiebt,') so erhält man die
Charakteristik in der Gestalt eines n — Ä — 1 -fachen über
jenen Schnitt ausgedehnten Integrals, welches speciell fĂĽr k = o
in das Kronecker'sche Integral, für k = n — 1 in die Kron-
ecker'sche Summenformel ĂĽbergeht.
Das erwähnte Gauss'sche Integral ergiebt sich durch eine
Specialisirung aus der bekannten von Gauss im Artikel 10
seiner „Allgemeinen Lehrsätze in Beziehung auf die im ver-
kehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden
Anziehimgs- und Abstossungskräfte***) gegebenen Darstellung
des Ausdruckes AH fĂĽr die Potentialfunction 77 einer drei-
dimensionalen Masse mit HĂĽlfe eines zweifachen ĂĽber die Be-
grenzung und eines dreifachen ĂĽber das Innere der Masse aus-
gedehnten Integrales. Dieser Umstand führte Kronecker „auf
die durch den Erfolg vollkommen bestätigte Vermuthung, dass
die Potentialtheorie Anhaltungspunkte bieten dĂĽrfte, um zu
einer allgemeinen Darstellung beliebiger Functionen der durch
ein Gleichungssystem definirten Punkte und damit auch zu
einer Verallgemeinerung des sogenannten Cauchy'schen Integrals
zu gelangen".') Die Verallgemeinerung hat Kronecker in
Formel A des VIII. Abschnittes seiner Abhandlung vom Jahre
1869 gegeben. Sie ermöglicht, die algebraische Summe aller
Werthe zu berechnen, welche eine gegebene Function 5 von
n reellen Variabein im Innern eines von einer n ~ 1-dimen-
1) Beiträge zur Potentialtheorie I, Seite 263 und 269.
2) Werke Bd. V, Seite 209.
') Kronecker a. a. 0., Abschnitt VI.
TT. Dyck: Beiträge zur Potentialtheorie. IIL 205
sionalen Mannigfaltigkeit begrenzten n-dimensionalen Gebietes
annimmt an den Nullstellen eines Systems von n Functionen
dieser Variabein; und zwar wird die Berechnung gegeben mit
Hülfe eines w-fachen über das Innere und eines n — 1- fachen
ĂĽber den Rand des Gebietes hin erstreckten Integrals. Dabei
sind aber die Werthe der Function g an jenen Nullstellen
noch versehen je mit dem Vorzeichen der Functionaldetermi-
nante der n Functionen des Systems an eben diesen Stellen.
Nun kann man sich einmal von dem Vorzeichen der
Functionaldeterminante frei machen, wenn man die Function g
mit einem Factor versieht, welcher an den Nullstellen des
Functionensystems den Wert 4" 1 o^^r — 1 annimmt je nach-
dem das Vorzeichen der Functionaldeterminante positiv oder
negativ ist — wie ich dies in zwei kurzen Noten „Sur la
determination du nombre des racines communes ä un Systeme
d'^quations simultan^es et sur le calcul de la somme des valeurs
d'une fonction en ces points" *) dargelegt habe. Man kann
damit die Fragen ĂĽber die Bestimmung der Functions-
werthe eines Functionensystems im Sinne des Cauchy-
schen Theorems vollständig erledigen. Speciell führt
die Anwendung jener Formeln fĂĽr den Fall eines con-
stanten g jetzt direct auf die Bestimmung der Anzahl
der Nullstellen des Functionssystems und zwar in einer
^) Comptes rendus vol. 119 S. 1254 u. vol. 120 S. 34, Paris, Dezember
1894 u. Januar 1895. Durch ein Versehen der Druckerei hat die zweite
dieser Noten nur die Ueberschrift ,Sur les racines communes ä plusieurs
equations* erhalten und diesem Umstände mag es zuzuschreiben sein,
dass in mehreren Referaten ĂĽber diese beiden Noten (vergl. Revue
semestrielle (Amsterdam) Bd. HI, Theil 2, S. 68 1896, und Fortschritte
der Mathematik, Bd. 25, S. 145) nur berichtet ist ĂĽber die in jenen Noten
gegebene Bestimmung der Anzahl der Nullstellen innerhalb eines ge-
gebenen Bereiches. Der wesentliche Inhalt der beiden Noten bezieht
sich aber auf die Entwicklung der Methode fĂĽr die Bestimmung der
Summe der Werthe einer gegebenen Function an diesen Null-
stellen und geht gerade dadmch über die sogleich zu erwähnenden
Pi Card 'sehen Untersuchungen, welche sich nur auf die Anzahl-
bestimmung beziehen, hinaus.
206 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. Märe 1898,
Darstellung, die zuerst Picard gegeben hat auf Grund einer
Ableitung, in welcher derselbe die Kronecker'sche Charak-
teristikenformel zu Grunde legt und durch einen GrenzĂĽber-
gang umgestaltet.*)
Die von mir in jenen Noten vom Jahre 1894/95 gegebene
Methode ist im 11. Abschnitte des Vorliegenden ausgefĂĽhrt.
Sie gestattet noch weiter die Abänderung der Grenzen
des »-dimensionalen Gebietes, über welches die Integration zu
erstrecken ist, insofeme sie die Bildung von Formeln ermög-
licht, welche die Aufgabe der Functionswerthbestimmung
innerhalb eines gegebenen Bereiches löst durch Aus-
fĂĽhrung von Integrationen, welche ĂĽber einen den
ersten willkĂĽrlich umfassenden Bereich sich erstrecken
(§ 5 des gegenwärtigen Aufsatzes).
Aber noch eine zweite Bemerkung lässt sich einfügen:
Analog wie man fĂĽr die Darstellung der Kronecker'schen
Charakteristik eines Functionensystems eine (in den Beiträgen I
hergeleitete) Reihe von Formeln verwenden kann, von einem
w-fachen, n — 1 -fachen, . . . n — Ä- fachen Integral bis zu einer
Simimenformel, so lassen sich auch Formeln aufstellen,
welche die Summe der Werthe jener Function g an den
Nullstellen unseres Functionensystems, statt durch
eine Summe aus einem w-fachen und einem n — 1-
fachen Integrale, geben mit Hülfe eines n — 1-fachen
und eines n — 2-fachen, . . . eines n — i-fachen und
eines n — k — 1-fachen, . . . eines 2-fachen und eines
1-fachen Integrales und endlich eines einfachen In-
^) Vergl. die beiden Noten Picard 's vom 7. und 12. Nov. 1891
(Gomptes rendus Bd. 118), sowie die Abhandlung ,Sur le nombre des
racines communes ö, plusieurs equations simultan^es* im Journal de
Liouville, Serie 4, Bd. 8, S. 6, endlich vergl. man noch Capitel IV, Ab-
schnitt VII in Bd. I und Capitel VII in Bd. II von Picard's Cours d' Analyse.
— Die von Kronecker in einer Note vom Dezember 1891 (Comptes
rendus Bd. 113, S. 1006) gegebene Bestimmung dieser Anzahl ist inso-
feme unbefriedigend, als sie eine Integration durch das Innere des ge-
gebenen Bereiches längs der durch Nullsetzen der Functionaldeterminante
sich ergebenden Mannigfaltigkeit erfordert.
W, Dyck: Beiträge zur Potentiältheorie. III. 207
tegrals und einer Summe. Man hat dabei nur, statt,
wie Kronecker, von der Betrachtung des Potentials einer
n-dimensionalen Masse auszugehen, die Formeln fĂĽr das Po-
tential einer n — Ä-dimensionalen Masse zu Grunde zu legen,
welche über einen ebenen (n — Ä-dimensionalen) Schnitt des
ersteren ausgebreitet ist.
Die hierauf bezĂĽglichen Formeln sind im I. Abschnitt der
gegenwärtigen Abhandlung entwickelt. Es erscheint dabei
nicht uninteressant, zu bemerken, dass sich dieselben Bezieh-
ungen auch ableiten lassen je durch einen GrenzĂĽbergang aus
den für die nächsthöhere Mannigfaltigkeit geltenden Formeln.
Es kommt dabei der Umstand zur Geltung, dass bei einer Zer-
legung des ganzen ursprĂĽnglichen w-dimensionalen Integrations-
bereiches in 00**, etwa parallelepipedisch begrenzte, Elementar-
gebiete nur diejenigen Elemente fĂĽr die Integration in Betracht
kommen, welche die Nullstellen des Functionensystems uni-
schliessen, insofeme sich nämlich die Summe der Functions-
werthe von % zusammensetzt aus den Werthen der ĂĽber jene
Nullstellen genommenen Begrenzungsintegrale. Man kann also
die Integration beschränken auf einen beliebig aus der Gesammt-
heit herausgenommenen Bereich von oo"~* dieser Elemente,
wenn man nur jene wesentlichen Elemente in denselben ein-
schliesst. Auf die hiemit angedeutete Entwicklung, bei wel-
cher die Unabhängigkeit unserer Beziehungen von dem speciellen
zu Grunde gelegten Potentialgesetz hervortritt, gehe ich indess
an dieser Stelle nicht näher ein.^)
*) Man vergleiche hierĂĽber meinen Aufsatz ,Ueber die Verallgemeine-
nmgen des Cauchy'schen Satzes* im 51. Bande der Mathematischen
Annalen.
1808. Ăźitzungsb. d. math.-phyn. Gl. 14
208 Sitzung der math.-phys. Classe vom 5, März 1898.
I. Abschnitt
§ 1-
Die Kronecker'sche Transformation der Gauss'schen
Formel fĂĽr die Potentialgleichung. ^)
Die Kronecker'sche Darstellung geht aus von dem ĂĽber
das ganz im Endlichen angenommene, n-dimensionale Gebiet
-^0 i^v ^r ' ' ' -^w) ^ ^
erstreckten w-fachen Integral:
1)
""M(^.-^.)'
Fo>0
in welchem JJ, F^y F^^ -F,, . . . JF'n im Integrationsbereiche ein-
deutige reelle Functionen der n reellen Veränderlichen ^,, ^g, . . .-s*«
bezeichnen und Aq die Functionaldeterminante der Functionen
Fj, jFg, . . . Fn bedeutet.
Das Integral geht durch die Substitution:
3>j ^ Xj [ßy ^2» • • • ^ti) t
n\ '^i ^^^ -^^2 \^V ^%^ ' ' ' ^*»/ »
• • •
ĂĽber in das andere auf den Raum der Xt bezogene:
*) Wir schicken hier des Zusammenhangs wegen die von Kronecker
im VIII. Abschnitt seines Aufsatzes vom März 1869 entwickelten Formeln
voraus. Man vergleiche hierzu noch die 16. Vorlesung (ĂĽber das Potential)
der (von Netto herausgegebenen) , Vorlesungen ĂĽber die Theorie der ein-
fachen und der vielfachen Integrale* von L. Kronecker. Leipzig 1894.
W. Dyck; Beiträge zur Potenlialtheorie. III. 209
in welchem an Stelle von JJ die Function q
getreten ist.
Durch diese Formel 3 ist die Function 77^ {() als Potential-
function einer ĂĽber das Gebiet der Variabein Xg ausgebreiteten
Masse definirt. In diesem erscheint indess die Dichtigkeits-
function g im Allgemeinen als eine mehrdeutige Function
des Ortes, so dass wir uns eine mehrblĂĽttrig ĂĽber den Raum
der Xi ausgebreitete Masse, ĂĽber welche sich die Integration
zu erstrecken hat, zu denken haben. Als Begrenzung dieser
Masse ergiebt sich dabei eine durch
^0 i'^v ^r • • • ^n) = ^ (^1, a?j, . . . Xn) = 0
gegebene Mannigfaltigkeit, die ihrerseits (nacli bekannten
Sätzen) umkehrbar eindeutig auf die Mannigfaltigkeit Fq = o
bezogen ist.')
FĂĽr die Function 77,, (<?) hat man nun die der Gauss'schen
Gleichung analog gebildete Darstellung von J/7„(f):
') Es sei hier erwilhnt, dass im I. Theil dieser Beiträge die Varia-
beln z^ als Parameter im Räume der ct^ gedeutet sind für die Mannig-
faltigkeit M^^:
In der gegenwärtigen Abhandlung ist — in naturgemässer Auszeichnung
der Function Fq — von der durch die Gleichungen 2) vermittelten Ab-
bildung des Raumes der z^ in den Raum der x^ Gebrauch gemacht, die
auch Kronecker zu Grunde gelegt hat. Ich gedenke indess auf die
erstere Deutung bei nächster Gelegenheit zurückzukommen. Man ver-
gleiche noch die Anmerkungen auf Seite 209 und 274 der Beiträge I.
14*
210
Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. März 1898.
4)
J/7,(f)=-
JQ'COS{RnN„) ^^ 1 S Qi (Xj — |>)
[n^^-l)"^
•dO,.,
in welcher cos ( JZ„ Nn) den Cosinus des Neigungswinkels der
(in den Innenraum des Gebietes gerichteten) Normalen auf 0 = o
gegen den (vom ^ Aufpunkt** f nach dem Punkte x gerichteten)
Radius vector i?» bedeutet, ^, die nach der i*®" Variabein ge-
nommene Ableitung der Dichtigkeitsfunction q bezeichnet, dO,t
bez. dfO„_i endlich die Elemente im Räume der Xf, bez. auf
der Mannigfaltigkeit 0 = o. Dabei ist die Integration beim
ersten Integral zu erstrecken ĂĽber 0^0, beim zweiten ĂĽber
das dem Gebiete -Fq > o entsprechende Gebiet im Räume der a?/.
â–
Führt man nunmehr die Variabein -sr, ein, und verlegt —
was nur eine Vereinfachung der Schreibweise ergiebt, — den »Auf-
punkt** in den Coordinatenanfangspunkt, so gelit die Gleich-
ung 4 ĂĽber in die Kronecker'sche Formel:
5)
in welcher
An,{0) = -W„-i+Wn
OFF
F F F
F F F
-^2 -^21 -^22
6 a)
F„ F„ F^2 .
F(,„
Fu.
Fi,,
F.
MN
- n -1 »I
L F! [^
rfOn-l
" iL
^Fo'iU
TT. Dyck: Beiträge zur Potentialtheorie. III,
211
6 b)
W.
0 5i 5« • • • iSm
F F F Fi
-*■1 -'■11 12 • • • -*- In
F F F
^2 -^21 ^22
i^2„
• •
J^H -^Ml J^l»2 ... -P'f
nH
• do
H
Fo>o
gesetzt ist. Hierbei ist
- n -iH^
dfört = df^j df-2^j . . . dzn
das Element der ,an sich** betrachteten Mannigfaltigkeit
i^v^ii'''^n\ dOn-\ dagegen das Element der durch Fq = o
aus dieser ausgeschnittenen Mannigfaltigkeit von n — 1 Di-
mensionen, welches man bekanntlich in einer der Formen
7)
rfo„_i =
r n
n 1
1
Ol
2
F '
d^j, ^^2 • • • dZj—\ dzj^i . . . dzn
(fĂĽr beliebiges/) zu Grunde legen kann.
FĂĽr einen Bereich Fq > 0, in welchen an keiner Stelle
die Functionen F^y F^, . . . i^n gleichzeitig verschwinden, hat
man nun nach den bekannten Sätzen
8)
- Wn-l + F» = 0,
während für die unmittelbare Umgebung eines Punktes, für
welchen diese Functionen gleichzeitig verschwinden, das w-
fache Integral Wn verschwindet, das n — 1 fache aber den
Werth
9)
Wn^i = d>»-i • sign Aq • g
212 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 5. März 1898.
annimmt, in welchem con-i die „Oberfläche" der w-dimensionalen
Einheitskugel
bedeutet.
FĂĽr einen ganz allgemeinen Bereich ergiebt sich
sonach die Kronecker'sche Formel (A in No. VIII des
genannten Aufsatzes):
10) — Wn^l + Wn = - Cbu-i • -S-Signzl, • (J ,
in welcher sich die Summation rechts auf alle Punkte
bezieht, fĂĽr welche
ist.
§2.
Neue Formeln zur Darstellung von 2* sign /Iq« 5-
Statt die Formeln fĂĽr das Potential der n-diniensionalen,
im Räume (x^, x^, , , . x^) gelegenen Mannigfaltigkeit zu Grunde
zu legen, beschränken wir uns nunmehr auf die Betrachtung
einer durch die Gleichungen
x^ = 0 ,
Xk = 0
aus dieser Mannigfaltigkeit ausgeschnittenen Mannigfaltigkeit
von n — h Dimensionen. Für sie legen wir die Function
als neue Dichtigkeitsfunction zu Grunde und definiren fĂĽr die
so bestimmte n — A-dimensionale Masse eine neue Potential-
function //^-^(f) durch die Gleichung:
W. Dyck: Beiträge zur PotentiaJtheorie. III. 213
//„.»(ft+i, . . . f 1.)=— ji— 2 • \^ ^_^_^-dxt^\dXk^i...dx„ .
Für dieselbe gilt zunächst die der Gleichung 4) analoge
Formel:
12) J/7„_»(|) =
e-cos(72„-*JV„_*)
in welcher cos {Rn-k Nn-k) den Cosinus des Neigungswinkels der
inneren Normalen auf das in der Mannigfaltigkeit x^ = o, x^ = o,
, . . Xk = 0 gelegene n — Je — 1-dimensionale Element dOn-u-i
von (2^ = 0 gegen den ebendort vom „ Aufpunkte " f j = o,
Ig = 0, . . . f k = 0, 1*4-1, . . . Ih nach dem Elemente gezogenen
Radius vector bedeutet.
Nun transformiren wir diese Formeln, gemäss den Gleich-
ungen:
X^ — J-\ (^j, i'g, . . . ^h) — ö,
13)
Xk =Fk (^j, ^jj, . . .^„) = o;
•^*H-l = -P*+l ('S*!, <2'2J . • • '2'm),
14)
Xfi X yi \^ll "^2? • • • ^h)
214
Sitzung der mathrphys, Glosse vom 5, März 1098.
in den Raum der z und erhalten dann durch eine einfache, der
in den Beiträgen I gegebenen analog verlaufende Rechnung,
eine der Gleichung 5) entsprechende Formel
15)
/f77„_» (p) = — Wn-k-l + Wn-l ,
in welclier als , Aufpunkt" wieder der Coordinatenanfangspunkt
angenommen ist und wobei W„-h-i, bez. Wn-k die folgenden
Integrale bedeuten:
16 a)
0 JFoi -^02
0 Fn Fvz
Wn-k-l =
Foh
0 Fm FiĂź
5-2=; F„, F„o
[n -jn—k
F,
tu
Fk+lH
F.
tm
dOn-k-\
I
F11F12F13,., F(H,
• •
FkiFk2Fk3...FkH
2 »
W. JJyck; Beiträge zur Potentidltheorie. III.
215
16b)
0 fji di
0 JF'ii jFi2
0 Ji, F,
k2
Fk^i Fk-{.iiFi,^i2
Fn Fnl Fnl
kH
Fi
/C+IM
nn
dOn^l
Lr']
n-fc
FiiFi2Fiz...Fin
• •
FuiFkoFk^'-'Fkn
Dabei Ist das erste Integral ĂĽber die durch
Fo = o; Fi = o,F2 = Oy...Fk = o
definirtc Begrenzungsmannigfaltigkeit, das zAveite Integral ĂĽber
den durch
Fq > o; Fi = o,F2=^Oy.,.Fk = o
gegebenen Innenraum derselben zu erstrecken.
Durch die Matrixquadrate im Nenner der beiden Integral-
ausdrĂĽcke ist in bekannter AbkĂĽrzung die Summe der Qua-
drate der Unterdeterminanten bezeichnet. Weiter sind (Zo„_k-i
bez. don-k je die Elemente der Mannigfaltigkeiten, ĂĽber welche
sich die Integration erstreckt. Diese Elemente können in den
Formen :
216
Sitzung der math.'phys, Classe vom 5. März 1898.
17 a)
dOn-k^l =
Fol Fi)2 FiĂź . . . Fl
02
ce
0»!
Fn F\2 F\2 . . . -Fj,
Fki Fki FkA , , , Fl
kn
Di J
j 1. • • • j
n—k V
• ds^j dzi . . . dzj
beziehungsweise
Fn Fi2 Fis . . . Flu â– *
17 b)
dOu-k'=
• •
Fk\ Fki Fkii . , , Fi
kn
• dzi dzi . . . rfr,
H-k
geschrieben werden, in welchen Dj . . . j- bez. Dj ... y
irgend eine der ünterdeterminanten der Matrix des Zählers,
dzi dzj , bez. dz: . . . dzj das „correspondirende**
■^1 ' ' * ''n—k—l i u -k
Differential bezeichnet.
FĂĽr die beiden Integrale Wn-k-i und W^-k gelten nun
direct die den oben fĂĽr Wn - 1 und Wn gegebenen analogen
Sätze: Für einen Bereich
Fo>o,Fi = o,,,Fk = o,
in welcliem an keiner Stelle die ĂĽbrigen Functionen Fk^] ...F^
sämmtlich verschwinden, ist
18)
-TVh »-,+ Wn-k = 0.
Beschränkt man andererseits die Integration auf die un-
mittelbare Umgebung eines in Fi = o, . . . Fk = o gelegenen
Punktes, in welcliem auch die Functionen /^k+i, . . .Fn je ein-
fach verschwinden, so wird das Integral TF„_fc zu Null, wäh-
rend das Integral Wn-k-i — in Uebereinstimmung mit Formel 26
der „Beiträge I** — den Werth
yV. Dyck: Beiträge zur Potenlialtheorie, III, 217
19) Wn-k-i = con-k-i -sign Jo*5
annimmt, fĂĽr welchen JJ wieder den Werth der Dichtigkeits-
function an der betr. Stelle, cbn- u-i die Oberfläche der n — Ä-
dimensionalen Einheitskugel bezeichnet.
Es folgt daher fĂĽr die ĂĽber den ganzen Bereich
ausgedehnten Integrale die Formel
20) — Wn-k^i + Wn^k = — cün-k^i • 2' sign Jo ' 5
in welcher das Summenzeichen genau dieselbe Be-
deutung besitzt, wie in Formel 10.
Indem man nun der Zahl k die Werthe von Ă„; = 0
bis Jc = n — 2 beilegt, gelangt man zu einer ganzen
Keihe von Darstellungen des Ausdruckes
2* sign A^ . g,
der mit den Vorzeichen der Functionaldeterminante
gebildeten Summe der Werthe, welche eine FunctionJJ
im Innern des Bereiches i^Q = o annimmt an den Stellen
Fi = o, F2 = o] Fn = o, und zwar mit Hülfe eines w— 1-
fachen und eines nfachen, eines w — 2-fachen und eines
n — Ifachen, schliesslich mit Hülfe eines einfachen
und eines zweifachen Integrals.
FĂĽr die letzte dieser Formeln ist dabei vom logarith-
mischen Potential (im Raum der x) auszugehen.
Als Grenzfall dieser Darstellungen kann man endlich die
für k = n — 1 sich ergebenden Formeln betrachten, in welchen
sich für den Ausdruck 2 2 sign Aq • g eine Summe und ein ein-
faches Integi'al ergiebt; man kann nach leichter Umformung
der entstehenden Gleichung die Gestalt geben:
- 2sign((-l)"I^;j„).g+Jsign(( l>i^.)(gicZ.-,+g2d^2+...+5.(?--«)=
= -22sign(Jo)-g,
in welcher die Summe links sich auf alle Punkte erstreckt,
fĂĽr welche
218 Sitzung der math.-jyhys. Glosse vom 5. März 1898,
ist, das einfache Integral auf das Gebiet
Fo>o, Fi = o, F2 = o. ,. Fu-i = 0 ,
die Summe rechts aber (wie in allen Formeln) auf die Punkte,
fĂĽr welche
Fo > 0, Fl = ö, -F2 = 0 . . . F„ = 0 .
Es kann diese nicht uninteressante Beziehung auch direct
unter BenĂĽtzung der elementaren Formel fĂĽr das einfache be-
stimmte Integrtd zwischen gegebenen festen Grenzen (hier in n
durch die Gleichungen i^i = 0, . . . F^-i = 0 verknĂĽpften Varia-
bein geschrieben) hergeleitet werden.
§ 3.
Allgemeine Bemerkungen zu den gewonnenen Formeln.
FĂĽr die in der Formel 20) gewonnenen Darstellungen
unserer Functionswerthsumme gelten nun die schon in den
Beiträgen I (Seite 275) für das Integral der Charakteristik —
das sich als specieller Fall für 5 = const aus 20) direct ergiebt —
gemachten Bemerkungen.
Die Auflösung der Zählerdeterminanten in Wn^k^i und
Wft-k nach Unterdeterminanten der 1^^ bis A^®", bez. 2^° bis
h^^ Reihe und Ersetzung der Elemente don-u-i und don-k durch
die nach 17 a) und 17 b) jeweils entsprechenden AusdrĂĽcke zeigt
sofort, dass die fĂĽr die Grenzen der Integration in Betracht
kommenden, gleich Null gesetzten Functionen
Fo; Fu F2, . . . F,
in die AusdrĂĽcke unter dem Integralzeichen nur schein-
bar eingehen; dass diese letzteren vielmehr ausschliesslich von
den Functionen
Fk^\, Fk+2, . . . F„
und von der „Dichtigkeitsfunction** 5 abhängen.
TT. Dyck: Beiträge zur Potentialtheorie. III, 219
Dabei hat man es völlig in der Hand, welche h Functionen
-F,- , . . . Fi man (unter den n Functionen Fi . . . Fn) fiir die
Grenzen der Integrale verwenden will, so dass fĂĽr jeden Werth
von k noch f , j Darstellungen möglich sind.
Es darf indess nicht ausser Acht gelassen werden, dass
fĂĽr die Auswerthung der hiermit eingefĂĽhrten mehrfachen
Integrale im Vergleich zu Integralen, welche über „ebene**
Mannigfaltigkeiten („an sich betrachtete M." nach Kronecker s
Ausdrucksweise) laufen, in noch höherem Grade die Bemer-
kungen gelten, welche Kronecker ĂĽber die Werthermittelung
des (n — 1)- fachen Integrals der Charakteristik im Abschnitt XI
seiner Untersuchungen vom März 1869 niedergelegt hat. Gleich-
wohl aber erscheint mir die hier gegebene Darstellung der
Functionswerthsumme in iliren verschiedenen Formen von Inter-
esse und Werth, weil sie den Charakter derartiger Fragestell-
ungen nach einer ganz bestimmten Richtung kennzeichnet.
Verbindet man mit der Gesammtheit der hier gegebenen Mög-
lichkeiten fĂĽr die Bestimmung jener Functionswerthsummen
noch diejenigen Umformungen, welche einerseits die Functionen
i^i, . . . Ff,, von denen ja nur die im Gebiete Fq'>o gelegenen
Nullstellen wesentlich sind, im Sinne der Analysis situs erleiden
können, und beachtet andererseits, dass auch die Dichtig-
keitsfunction JJ beliebig stetig so abgeändert werden
kann, dass nur die Werthe derselben an den Null-
stellen der i^i erhalten bleiben, so ist damit eine bestimmte
Gruppe von Darstellungsformen fĂĽr unsere Functionswerthsumme
bezeichnet.
Ueber eine Abänderung, welcher, abgesehen von den im
Sinne der Analysis situs zulässigen, die Grenze Fo = 0 des
Gebietes unterzogen werden kann, soll im folgenden Ab-
schnitte (§ 5) noch besonders gehandelt werden.
220 Sitzung der math.-phys, Classe vom 5, März 1S98.
II. Abschnitt.
§4.
EinfĂĽhrung eines analytischen Ausdruckes fĂĽr sign zl^
und Anwendung desselben zur Aufstellung der For-
meln zur Berechnung von H^,
Um uns von dem Vorzeichen der Functionaldeterminante A^
frei zu machen fĂĽhren wir nunmehr eine Dichtigkeitsfunction JJ
ein, welche an den Nullstellen der Functionen -Fi, -F2, - - - Fn
den Werth + ^ beziehungsweise -^ ^ annimmt, je nachdem
dort die Functionaldeterminanten J^ positiv oder negativ ist.
Dies gelingt auf die einfachste Weise, denn es lĂĽsst sich
— und zwar noch auf mannigfache Art — eine im Innern
unseres Bereiches ĂĽberall endliche und stetige Function bilden,
welche an den Nullstellen der Fi den Werth sign Aq • 1 besitzt.
Eine solche Function ist beispielsweise:
22) ^ ^"
in welcher X irgend eine Constante bezeichnet, oder auch eine
stetige Function der -s^,, die an allen Nullstellen positiv ist und
ebenso wie J^ *) nirgends im Gebiet zugleich mit allen Functionen
F\, . , . Fn verschwindet; sie besitzt nämlich, weil nach den
getroffenen Voraussetzungen die Quadratwurzel im Nenner in
unserem Gebiete unverzweigt ist ĂĽberall das Vorzeichen von Aq
und nimmt an den Nullstellen der Fi den verlangten Werth
sign Af^ • 1 an.
Ersetzt man also in den Entwickelungen des I. Abschnittes
und speciell in den Formeln 10) und 20) durchweg die Function g
durch die neue Dichtigkeitsfunction
^) Vergl. die in den Beiträgen I S. 2G2 für die F^ gegebenen Be-
dingungen.
TT. DycJc: Beiträge zur Potentialtlieorie. III. 221
23) yF'2 + Fl + ...+Fl + X^Al ^
so ergeben sich Formeln, welche direct im Cauchy'schen Sinne
die Aufgabe lösen:
Gegeben ist in einer Mannigfaltigkeit von w Di-
mensionen ein n — Ä-dimensionales Gebiet
in welchem sich eine Anzahl von Nullstellen der
Functionen
Fk^x = 0 Fu+2 = o,.,Fn = o
befinden. Man bestimme mit Hülfe eines n — Ä:-fachen
durch das Innere und eines n — Je — 1-fachen über den
Rand des Gebietes gefĂĽhrten Integrales die Summe
der Werthe einer Function §f in diesen Nullstellen.
Dabei haben wir (durch Aenderung der Gruppirung der
Functionen und Wahl von k) es in der Hand, zu bestimmen,
welche und wie viele der Functionen Fi, . , . Fn wir zur Be-
grenzung der Integration, bez. zur Festlegung der Nullstellen
im Integrationsgebiete verwenden wollen.
Setzt man weiter, wie noch anschliessend bemerkt sein mag:
24) ^"1/^2^72^2-:^^^
{= sign Jo- sign §f.§f (fürFi ==ö, JF2 = ö,. ..^^ = 0)}
so ergeben sich Formeln fĂĽr die Bestimmung der Summe
der absoluten Beträge der Function §f an den Null-
stellen der F,.
^) Oder auch
er __ ^0 3^ ^
222 Sitzung der math.-phys, Classe vom 5. März 1898,
§5-
Weitere Anwendungen: Bestimmung der Anzahl und
Lage der Nullstellen eines Functionensystems in einem
gegebenen Gebiete. Abänderung der Integrations-
grenzen.
Die im vorangehenden Paragraphen entwickelte Methode
gestattet nun mannigfache weitere Anwendungen.
Vor Allem lassen sich jetzt Formeln fĂĽr die Be-
stimmung der Anzahl der Nullstellen des Functionen-
systems Fi^F2...Fn im Innern von JFo = o gewinnen:
Man braucht zu dem Ende nur in der Formel 23) §f = 1 zu
setzen, also in den Integralen des vorigen Abschnittes
cv^ ^^ _ i
25) "" yFl+Fl + ...Fl + X^Al
{= sign ^0-1 für -Fl = 0, ii^2 == ö, . . . JPh = ö}
als Dichtigkeitsfunction einzufĂĽhren. Man gelangt damit zu
den zuerst von Picard (auf anderem Wege) abgeleiteten
Formeln.*)
Andererseits lassen sich die Nullstellen selbst
mit HĂĽlfe unserer Integralformeln berechnen.
Setzt mjin nämlich
26) ^ ~ Yt^-Ff^::+Fi+j^Ai ' "^^
{ = sign Aq'^^ (ilrFi = o,F2 = o,...Fn = o}
unter v die Zahlen 1, 2, . . .p verstanden, wennjp die Anzahl
der Nullstellen im Innern unseres Bereiches ist, so ergeben
sich der Reihe nach die Potenzsummen der Werthe C/n welche
eine bestimmte Coordinate ^f^ an jenen p Stellen annimmt, und
*) Vergl. die in der Einleitung citirten Abhandlungen.
TT. Dyck: Beiträge zur Potentialtheorie. III, 223
damit eine algebraische Gleichung p^^^ Grades zur Berechnung
dieser Werthe.
Versteht man speciell unter JPi, ÂĄ2^ - - - Fn algebraische
Functionen der 04, so bedarf es nach Bestimmung der
Anzahl^? der Nullstellen des Bereiches ĂĽberhaupt nur
noch der Auswerthung der soeben bezeichneten auf eine
bestimmte Coordinate js^^ bezĂĽglichen jp Integralpaare,
sowie der Auflösung einer Gleichung p^^ Grades, um
dann nach den bekannten Methoden alle ĂĽbrigen
Schnittspunktscoordinaten f, und damit jede beliebige
rationale Function der f, auf rationalem Wege zu be-
rechnen.
Endlich kann man innerhalb des GĂĽltigkeits-
bereiches der fĂĽr die Functionen i^^ zu Grunde geleg-
ten Bedingungen die Grenze i^ü = ö für die Integration
ersetzen durch eine -Fo = ö umfassende aber sonst will-
kĂĽrlich vorzuschreibende Grenze T^o,
Die Mannigfaltigkeit JFo = ö theilt nämlich das Gebiet
T>o in die Theile
Fq>o^ T>Oj in welchem unsere |? Nullstellen f liegen,
und
Fq<o, T>o, in welchem weitere q Nullstellen f sich befinden.
Nun fĂĽhre man einerseits fĂĽr die in den Formeln 23), 24)
und 25) gegebenen Dichtigkeitsfunctionen die Integrationen
ĂĽber T=o bez. T>o aus, andererseits aber beziehungsweise
fĂĽr die folgenden:
et ^ _ _^_^Q^ — 3f
27) "^ YF\ + Ff\^7:/+~Fl + ÂĄĂ„fFl^
{ = sign Ao • sign J^o • §f für Fi = 0, Fo = 0 . . . -Fn = 0} ,
cfc_ AJpFogf ^
28) "^ VFi + Fl + .,, + Fl + k^AlFl^'
{= sign Aq • signi^o • sign §f • ^f für Fi = 0, JF2 = 0 . . . JPh = 0},
1806. Sitznngtb. d. math.-phjB. Ol. 15
224 Sitzung der tnathrphys. Classe vom 5. Märe 1898,
29) "^ yF'i+Fi+::.+Fi+x^AiFi
{ = sign Aq • sign Fq-I für JPi = o, F2 = o, . . . F„ = o} .
Dann ergeben sich beziehungsweise aus 23) und
27) die Werthsummen:
30) (S(^)+S(§f)) «^d (S (§^) - S (§f)),
er er
aus 24) und 28) die Summen:
31) (S(abs^)+2(abs3f)) und (S (abs §f) - 2 (abs ^f)),
endlich aus 25) und 29) die Anzahlen
32) 0 + g) und (p — g)
fĂĽr die durch Fq = o getrennten Nullstellen des Ge-
bietes T>o, und daraus unmittelbar die auf das Ge-
biet Fo'>o bezĂĽglichen Punctionswerthsummen.
Es gelingt also fĂĽr die Berechnung aller in Frage
stehenden Grössen auch noch die letzte Function Fq
der gegebenen «-f* 1 Functionen JFo» Fi, - - - Fn als Grenz-
bedingung fortzuschaffen und statt dessen in dem
Ausdruck unter dem Integralzeichen einzufĂĽhren. Es
ist diese Bemerkung wichtig insbesondere fĂĽr die Dar-
stellung durch ein w-faches und ein n — 1-faches Inte-
gral, insoferne sie gestattet neben dem n-fachen „an
sich" betrachteten Integral auch noch für das n — 1-
fache, über Fo = o laufende Integral eine Summe „an
sich" betrachteter n — 1-fache Integrale einzuführen
indem man etwa fĂĽr die Begrenzung eines neuen In-
tegrationsgebietes T>o lauter ebenen — 1-fache Man-
nigfaltigkeiten -3^,= const. annimmt, welche — wenn
nöthig in treppenformigen Absätzen — das Gebiet
Fo>o innerhalb des GĂĽltigkeitsbereiches unserer
Functionsbedingungen umschliessen.
225
Sitzung vom 4. Mai 1898.
Herr C. v. Kupfper hält einen Vortrag: »lieber die
Sternzellen der Leber.* Derselbe wird an einem anderen
Orte zur VeröflFentlichung gelangen.
15'
226
Sitzung vom 11. Juni 1898.
1. Herr Johannes Ranke hält den in der Maisitzung zurück-
gestellten Vortrag: ^lieber den Stirnfortsatz der Schläfen-
schuppe bei den Primaten.*
2. Herr Emil Salenka spricht: ,,XJeber die erste Em-
bryonalanlage der Menschenaffen.* Die Abhandlung
wird an einem anderen Orte veröffentlicht werden.
3. Herr Hugo Seeligeb legt eine Abhandlung von Herrn
Dr. K. Schwarzschild, Assistent der v. Kuffner'schen Stern-
warte zu Wien, „lieber die Beugungsfigur im Fernrohr
weit ausserhalb des Focus* vor.
4. Herr Hugo Seeligeb überreicht eine Arbeit: „Betrach-
tungen über die räumliche Vertheilung der Fixsterne.*
Dieselbe wird in die Druckschriften aufgenommen.
5. Herr Alfbed Pbingsheim theilt zwei Abhandlungen mit:
a) „lieber die Convergenz einer allgemeinen
Classe von KettenbrĂĽchen,*
b) „lieber die ersten Beweise der Irrationalität
von e und ti.*
227
Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe
bei den Primaten.
Von Johannes Ranke.
(Sfnffdafifm J8, Jnnf.)
L Der Stirnfortsatz beim Menschen.
a) Europäer.
Im Jahre 1875 erschien Herrn R. Virchow's Werk:
„Ueber einige Merkmale niederer Menschenrassen am Schädel*,*)
durch welches die Kraniologie einen neuen anhaltenden Impuls
erhielt.
Unter anderem wurde in jenem Werke der Stirn fortsatz
der Schläfenschuppe, Processus frontalis oss. temp., einer
eingehenden Betrachtung unterzogen. Diese Bildung ist bei
dem Menschen recht selten, erweckt aber dadurch ein höheres
Interesse, weil die Mehrzahl der Autoren darin ĂĽbereinkommt,
das Vorkommen des Stimfortsatzes beim Menschen fĂĽr eine
entschiedene Thierähnlichkeit zu erklären. Herr R. Virchow
gibt folgende Darlegung der anatomischen Verhältnisse.*)
^Es gibt bei einer grossen Anzahl von Säugethieren, und
zwar überwiegend von höheren, eine Knocheneinrichtung am
Schädel, welche nach der gewöhnlichen anatomischen Ei fahrung
sich beim Menschen nicht findet und daher dem Anschein nach
') Denkschriften der Berliner Akademie der Wissensch. 4P. 1876.
Mit 7 Tafeln.
«) 1. c. 8. 9.
228 Sitzung der tnath.'phys. Classe vom 11. Juni 1898,
einen durchgreifenden Unterschied dieser Thiere vom Menschen
darstellt. Es ist das die Verbindung der Schuppe des Schläfen-
beins mit dem Stirnbein durch einen besonderen Fortsatz, den
Stirnfortsatz, Processus frontalis. Zuweilen geschieht diese
Verbindung in einer so breiten Fläche, dass man ein Zusammen-
stossen der beiden Knochen selbst annehmen könnte. Durch
diese Verbindung wird der grosse FlĂĽgel des Keilbeins
von der BerĂĽhrung mit dem vorderen unteren Winkel
des Scheitel- oder Seitenwandbeines abgeschnitten.
Beim Menschen dagegen erreicht der KeilbeinflĂĽgel
nicht nur das Scheitelbein, sondern beide pflegen
sich in einer verhältnissmässig langen Strecke an
einander zu legen. Die Schläfenschuppe bleibt daher
in einer beträchtlichen Entfernung vom Stirnbein.
Unter den Säugethieren sind es besonders die Nager, die
Dickhäuter, die Einhufer und die Affen imd vor allem
die anthropoiden Affen, deren Schädel die Verbindung der
Schläfenschuppe mit dem Stirnbein zeigen. Indes geschieht
die Verbindung in sehr wechselnder Form und keineswegs bei
allen Gattungen der genannten Ordnungen. Herr W. Gruber
sagt in seiner eingehenden Untersuchung über dieses Verhält-
niss, dass es zur Verbindung durch einen platten und gut ab-
gegrenzten Fortsatz eigentlich nur bei den Affen komme. Von
den anthropoiden Affen besitzen Gorilla und Schimpanse den
Fortsatz konstant. Beim Orangutan vermisst man ihn häufiger,
doch ist sein Vorkommen durch die Herren Owen, BrĂĽhl,
Bischoff, Gruber und Trinchese auch fĂĽr dieses Thier
nachgewiesen worden. Herr Grub er sah ihn beim Orangutan
unter 15 Fällen, von denen 3 wegen Verwachsung der Nähte
keinen Aufschluss gaben, achtmal, während Herr Owen ihn
unter 8 Fällen nur einmal beobachtete. Ebenso ist das Vor-
kommen inkonstant beim Hylobates. Diese Thatsachen er-
scheinen um so mehr bemerkenswerth, als eine ähnliche Ver-
bindung bei den Halbaffen bis jetzt noch nicht beobachtet
worden ist, letztere also in dieser Beziehung dem Menschen
näher stehen. **
/. Eanke: Der Stirnfortaatz der Sefdäfenschuppe. 229
In der Literatur fand sich bis dahin nur eine Angabe
über das Vorkommen eines Schläfenfortsatzes an einem modernen
deutschen Schädel;^) Herr Virchow selbst konnte auch nur
eine einzige Beobachtung aus deutschem Gebiete mittheilen und
zwar an einem sehr jugendlichen prähistorischen Schädel
aus dem Gräberfelde von Camburg, wo er das Vorkommen von
Cretinismus schon in jener alten Zeit constatirt hatte.^)
Im Jahre 1877 begann ich mit der VeröflFentlichung meiner
Untersuchungen: Ueber die Schädel der altbayerischen
Landbevölkerung.*)
Unter 2421 Schädeln der altbayerischen Landbevölkerung
fand ich: 43 mit theils einseitigem, theils doppelseitigem voll-
kommen trennendem Stimfortsatz der Schläfenschuppe, es sind
das je 1 Schädel auf 56,3 oder 17,3 Schädel auf je 1000.
Auch aus anderen Gegenden Deutschlands liefen nun
Einzelangaben über das Vorkommen von Stimfortsätzen der
Schläfenschuppe ein, aus welchen soviel hervorzugehen scheint,
dass ĂĽberall in Deutschland das Vorkommen ziemlich gleich
häufig rsp. selten ist. Auch für andere Europäische Völker
gilt das Gleiche, fĂĽr welche ich damals schon ĂĽber 8000
Schädel, die von mir beobachteten eingerechnet, aus der Lite-
ratur vergleichen konnte. Unter 4000 Slavenschädeln hatte
W. Grub er den Stimfortsatz 60 mal gefunden = 15,0 pro
mille, Virchow gibt fĂĽr Slaven 16,6 p. m. an, Calori fand
unter 1013 Italienerschädeln den Fortsatz zu 22 p. m. bei
Frauen-, und nur zu 4 p. m. bei Männer-Schädeln. Im Mittel
berechnete ich daraus die Häufigkeit des Stirnfort-
satzes bei europäischen Völkern zu 16 pro mille.
*) J. He nie, Handbuch der Knochenlehre. Braunach weig 1855.
S. 184.
2) R. Virchow. 1. c. S. 40.
•) Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. I.
S. 227 flf. und Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern. München,
Th. Riedel Lexic. 8» mit 16 Tafeln und 2 Karten.
228 Sitzung der math.-phys, Glosse vom IL Juni 1898.
einen durchgreifenden Unterschied dieser Thiere vom Menschen
darstellt. Es ist das die Verbindung der Schuppe des Schläfen-
beins mit dem Stirnbein durch einen besonderen Fortsatz, den
Stirnfortsatz, Processus frontalis. Zuweilen geschieht diese
Verbindung in einer so breiten Fläche, dass man ein Zusammen-
stossen der beiden Knochen selbst annehmen könnte. Durch
diese Verbindung wird der grosse FlĂĽgel des Keilbeins
von der BerĂĽhrung mit dem vorderen unteren Winkel
des Scheitel- oder Seitenwandbeines abgeschnitten.
Beim Menschen dagegen erreicht der KeilbeinflĂĽgel
nicht nur das Scheitelbein, sondern beide pflegen
sich in einer verhältnissmässig langen Strecke an
einander zu legen. Die Schläfenschuppe bleibt daher
in einer beträchtlichen Entfernung vom Stirnbein.
Unter den Säugethieren sind es besonders die Nager, die
Dickhäuter, die Einhufer imd die Affen und vor allem
die anthropoiden Affen, deren Schädel die Verbindung der
Schläfenschuppe mit dem Stirnbein zeigen. Indes geschieht
die Verbindung in sehr wechselnder Form und keineswegs bei
allen Gattungen der genannten Ordnungen. Herr W. 6 ruber
sagt in seiner eingehenden Untersuchung über dieses Verhält-
niss, dass es zur Verbindung durch einen platten und gut ab-
gegrenzten Fortsatz eigentlich nur bei den AflFen komme. Von
den anthropoiden AflFen besitzen Gorilla und Schimpanse den
Fortsatz konstant. Beim Orangutan vermisst man ihn häufiger,
doch ist sein Vorkommen durch die Herren Owen, BrĂĽhl,
Bischoff, Gruber und Trinchese auch fĂĽr dieses Thier
nachgewiesen worden. Herr Grub er sah ihn beim Orangutan
unter 15 Fällen, von denen 3 wegen Verwachsung der Nähte
keinen Aufschluss gaben, achtmal, während Herr Owen ihn
unter 8 Fällen nur einmal beobachtete. Ebenso ist das Vor-
kommen inkonstant beim Hylobates. Diese Thatsachen er-
scheinen um so mehr bemerkenswerth, als eine ähnliche Ver-
bindung bei den Halbaffen bis jetzt noch nicht beobachtet
worden ist, letztere also in dieser Beziehung dem Menschen
näher stehen. **
J, Bänke; Der StirnfortsaU der Sehläfenachuppe, 229
In der Literatur fand sich bis dahin nur eine Angabe
über das Vorkommen eines Schläfenfortsatzes an einem modernen
deutschen Schädel;^) Herr Virchow selbst konnte auch nur
eine einzige Beobachtung aus deutschem Gebiete mittheilen und
zwar an einem sehr jugendlichen prähistorischen Schädel
aus dem Gräberfelde von Camburg, wo er das Vorkommen von
Cretinismus schon in jener alten Zeit constatirt hatte.*)
Im Jahre 1877 begann ich mit der VeröflFentlichung meiner
Untersuchungen: üeber die Schädel der altbayerischen
Landbevölkerung.')
Unter 2421 Schädeln der altbayerischen Landbevölkerung
fand ich: 43 mit theils einseitigem, theils doppelseitigem voll-
kommen trennendem Stimfortsatz der Schläfenschuppe, es sind
das je 1 Schädel auf 56,3 oder 17,3 Schädel auf je 1000.
Auch aus anderen Gegenden Deutschlands liefen nun
Einzelangaben über das Vorkommen von Stimfortsätzen der
Schläfenschuppe ein, aus welchen soviel hervorzugehen scheint,
dass ĂĽberall in Deutschland das Vorkonmien ziemlich gleich
häufig rsp. selten ist. Auch für andere Europäische Völker
gilt das Gleiche, fĂĽr welche ich damals schon ĂĽber 8000
Schädel, die von mir beobachteten eingerechnet, aus der Lite-
ratur vergleichen konnte. Unter 4000 Slavenschädeln hatte
W. Gruber den Stimfortsatz 60 mal gefunden = 15,0 pro
mille, Virchow gibt fĂĽr Slaven 16,6 p. m. an, Calori fand
unter 1013 Italienerschädeln den Fortsatz zu 22 p. m. bei
Frauen-, und nur zu 4 p. m. bei Männer-Schädeln. Im Mittel
berechnete ich daraus die Häufigkeit des Stirnfort-
satzes bei europäischen Völkern zu 16 pro mille.
*) J. He nie, Handbuch der Knochenlehre. Braunach weig 1855.
S. 184.
2) R. Virchow. 1. c. S. 40.
•) Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. I.
S. 227 flf. und Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern. München,
Th. Biedel Lexic. 8^ mit 16 Tafehi und 2 Karten.
230 Sitzung der mcUhrphys. Glosse vom 11, Juni 1898.
Fünf Jahre später hat Herr DimitrijAnutschin*) aus der
Literatur und aus eigener Beobachtung die Gesammtzahl der
darauf untersuchten Europäer-Schädel, unter Einrechnung
der von mir untersuchten, auf nahezu 10 Tausend (9867)
gebracht — Deutsche (vor allem meine Altbayem), Franzosen,
Italiener, Russen, Oeslerreicher. — Er fand in der Gesammt-
zahl den Stimfortsatz ebenfalls zu 16 pro mille und bestätigte
damit meine älteren Resultate.
Unbeschadet der XJebereinstimmung der statistischen Er-
gebnisse im Grossen konnte ich jedoch im Einzelnen enorme
Differenzen der Anzahl der Schläfenfortsätze für lokal
engbegrenzte Gruppen nachweisen.
Während in bayerischen Flachlandorten — mit und ohne
slavische Beimischung — die Anzahl der Stimfortsätze 16 pro
mille betrug, stieg dieselbe in Gebirgsorten auf 44,8 pro mille.
In dem kleinen Gebirgsorte Bergen am Chiemsee fand ich unter
8 Schädeln 1 mit vollständigem und 5 mit unvollständigem
Schläfenbeinfortsatz zum Stirnbein, der vollständige Fortsatz
fand sich dort sonach in 125 pro mille. In manchen meiner
Untersuchungsreihen dagegen fand ich den Stimfortsatz ĂĽber-
haupt gar nicht.
Aehnliche Beobachtungen machte Herr R. Virchow.
Während Calori unter 1013 Italienerschädeln nur achtmal
den vollständigen Stimfortsatz zählte, sah ihn Virchow unter
5 Schädeln von St. Remo zweimal = 400 pro mille; unter
13 Finnenschädeln dreimal = 230 pro mille; unter 8 Ungam-
schädeln zweimal = 250 pro mille.
Aus diesen Ergebnissen tritt uns die ausgesprochene „Erb-
lichkeit" dieser seltenen Bildung mit Entschiedenheit ent-
gegen: in eng abgeschlossenen kleinen Bevölkerungsgruppen,
bei den sich in solchen ergebenden gleichartigen verwandt-
schaftlichen Beziehungen der Bewohner kleiner Ortschaften,
kann sich das Moment der Erblichkeit in gesteigertem Masse
geltend machen. Es gilt das, wie ich gefunden habe, filr alle
seltenen angeborenen Schädel- und sonstigen Körperanomalien.
^) Biol. Centralblatt. 1882, II. Band. S. 38 ff.
J. Ranke: Der Stirnfartsatz der Schläfenschuppe. 231
b) Aussereuropäische Völker.
Herr R. Virchow und ich hatten aus z. Thl. freilich
kleineren statistischen Reihen, mit Benützung der älteren
Literatur, statistisch festgestellt, dass der Stirnfortsatz bei
aussereuropäischen Schädeln zum Theil weit häufiger
sei, und zwar um etwa das Zehnfache als bei den Europäern.
Herr R. Virchow hat das vor allem für Schädel aus Australien
und den Philippinen sowie aus Celebes konstatirt, ich fĂĽr
Schädel der nordafrikanischen Mischbevölkerung, Papuas aus
Neu-Guinea, KalmĂĽcken und Neger.
GestĂĽtzt auf unsere Statistik und unter Zuziehung noch
weit grösseren statistischen Materials als uns damals zur Ver-
fügung war, hat in jener oben erwähnten verdienstvollen Unter-
suchung Herr Anutschin auch dieses unser Resultat fĂĽr
aussereuropäische Völker voll bestätigt. Seine Gesammt-Statistik
umfasst ausser den schon besprochenen 9867 Europäer-Schädeln
noch 5302 aussereuropäische Schädel. Unter der Gesammt-
zahl von 15169 Menschen-Schädeln verschiedener
Rassen fanden sich 449 mit Stirnfortsatz d. h. im Mittel
also 3®/o (genau 2,96^/o). Die Schwankungsbreite war nach
Herrn Anutschin wie 1 : 10 nämlich:
minmum: Europäer l,6**/o
maximum: Australier 16,0®/o (genau 15,7^/o).
Die betreflfenden Untersuchungen wurden seit dieser Zeit
(1882) eifrig fortgesetzt. In den im Archiv fĂĽr Anthropologie
publizirten Catalogen der Anthropologischen Sammlungen
Deutschlands ^) ist nun ein weit grösseres statistisches Material
zusammengebracht, als es frĂĽher Irgendjemandem zu benĂĽtzen
möglich war. Diese Mehrung kommt vor allem den Mongolen
und Mongoloiden, den Malaien und Polynesiern, den Papua,
Australiern*) und Negern, also den fĂĽr unsere Betrachtungen
*) J. Ranke, Archiv für Anthropologie Bd. 1883 — Bd. 1897.
2) W. Krause: Zeitschr. f. Ethnologie Bd. XXIX. 1897. Verhand-
lungen der Berliner anthropol. Gesellschaft S. 575 fP.
232
Sitzung der mathrphys. Glosse vom IL Juni 1898.
wichtigsten Völkern und Rassen, zu gute. Im Ganzen umfasst
meine folgende Statistik nun
20030 Menschenschädel,
imd zwar 11000 Europäische Schädel
und 9020 Ausser-Europäische Schädel,
also eine Mehrung um 4861 Schädel im Ganzen. Um die
älteren statistischen Ergebnisse Herrn Anutschin's mit den
neuen hier gegebenen vergleichen zu können, wurden in die
folgende Tabelle auch Herrn Anutschin's Zahlen eingestellt.
Tabelle
über das Vorkommen des Stirnfortsatzes der Schläfen-
schuppe bei 20030 Menschen-Schädeln verschiedener
Rasse.
Gesammt-
Darunter
Anzahl der Schädel
Anzahl
solche mit
Bezeichnung der
mit Stimfortsatz
der
Stimfort-
Schädel:
in
I'rocenteu
Schädel:
satz:
J. Ranke:
( Anutachin) :
11000
: 169
Europäer
(Deutsche, Oesterreicher,
Italiener, Franzosen,
Russen)
1,580/0
( 9867:
1,6 0/«)
2520
43
Amerikaner
1.74.
( 2386:
1.6 .)
1200
2\
Asiaten
nicbt mongoloider Rasse
(Kaukasier, Inder, Turke-
staner, Turkofinnen)
2,00,
( 1194:
1,9 ,)
710
: 27
Mongolen
und Mongoloiden
8,80.
( 696:
8,7 .)
1250
: 54
Malaien
und Polynesier
4,82.
( 946:
3,7 .)
787
: 73
Papua
(Melanesier)
9,28.
( 697:
8.6 .)
422
38
Australier
9.00,
( 210:15,7 .)
81
: 9
Ceilonesen
(Vedda 38:4;
Tamilen 27:2;
Singalesen 16 : 3)
11,11 .
( -- :
- .)
1281
: 146
Neger
11,86.
( 884:12,4 .)
830
47
Nord-Afrikaner
6.66.
( - :
- .)
S.20080
: 637
8,100/0
(16169:
2,96«/o)
J, Bänke: Der Stirnfortsatz der SMäfenscfmppe. 233
Unter den 20030 Schädeln von Menschen verschie-
dener Rasse fanden sich 637 mit theils einseitigem
theils doppelseitigem vollkommen ausgebildetem (tren-
nendem) Stirnfortsatz der Schläfenschuppe im Ge-
sammtmittel sonach 3 auf 100.
Aber die DiflFerenzen sind auch bei dieser reichen Statistik
enorm. Wenn auch mit der steigenden Anzahl der zur Beob-
achtung beigezogenen Schädel der aussereuropäischen Rassen
das procentische Vorkommen des Stirnfortsatzes nicht unwesent-
lich herabgedrückt erscheint, so bleibt doch unser älteres
Resultat bestehen, dass, abgesehen von den Amerikanern, alle
Ausser-Europäischen Völker und Rassen den Stimfortsatz in
grösserer relativer Häufigkeit aufweisen als die Europäer.
Bemerkenswerth erscheint es, dass die in fast verdoppelter
Anzahl vorliegenden Australier-Schädel von ihrer letzten Stelle
bei Anutschin mit 15,7^/o sich mit nun 9,0% ziemlich weit
über die Neger mit c. 12®/o erhoben haben und den Papua
(Melanesiem) mit 9,28 ^/o zunächst stehen. Aehnlich nah
stehen sich die Mongolen (Mongoloiden) mit c. 4®/o (3,8%)
und die Malaien (und Polynesier) mit 4,32%. Die gegenĂĽber
den Europäern etwas grössere Anzahl der Stirnfortsätze bei
den „nicht-mongoloiden" Asiaten mit 2%, lässt sich vielleicht
durch Beimischung mongoloiden Blutes erklären; ähnlich
erklärt sich wohl die relativ hohe Anzahl der Stimfortsätze
bei den Nord-Afrikanern mit 5,66^/o aus Zumischung von
Negerblut. Bei den Ceilonesen mit ll^/o darf man, obwohl
hier die Statistik noch keineswegs ausreicht, doch an australo-
iden oder Papua-Einfluss denken.
Aber vor allem ist es wichtig, dass, wie oben dar-
gelegt, die lokalen Differenzen in Europa selbst noch
weit beträchtlicher sind als die Differenzen zwischen
den verschiedenen Menschenrassen.
Das Vorkommen des Stimfortsatzes erscheint als eine erb-
liche Variation im Schädelbau der gesammten Menschheit.
Die grössere Häufigkeit des Stirnfortsatzes bei ausser-
europäischen Völkern erscheint danach zunächst weniger als ein
234 Sitzung der tncUhrphys, Glosse wtm 11, Juni 1898.
Rassen-Merkmal, als ein Erfolg gesteigerter Inzucht, wie sie
sich bei kleineren Stämmen und Inselbevölkerungen der Natur
der Sache nach ergibt. Es wĂĽrde nach unseren Erfahrungen
möglich sein, auch bei Europäern ähnliche Häufigkeit des
Stirnfortsatzes durch Isolirung und Inzucht zu erzielen. Die
Bevölkerungen von Bergen oder St. Remo würden, isolirt und
auf Inzucht angewiesen, in dieser Hinsicht bald Neger, Austra-
lier und Papua ĂĽbertreflFen.
Immerhin deutet aber die grössere Häufigkeit des Stirn-
fortsatzes bei allen engschädeligen schwarzen Rassen: Negern,
Australier und Papua, gegenüber den weitschädeligen hell-
häutigen Rassen: Mongoloiden (Mongolen, Malaien, Amerikaner)
und Europäer, darauf hin, dass bei jenen schwarzen Rassen
allgemeiner begĂĽnstigende Momente fĂĽr die Entstehung des
Schläfenfortsatzes bestehen, wie sie sich bei ersteren nur ver-
einzelt und lokal finden.
n. Der Stimfortsatz bei Affen und Halbaffen.
a) Orangutan.
Mit den im Vorstehenden dargelegten Resultaten erscheint
eine statistisch gesicherte Grundlage gewonnen zunächst zur
Vergleichung zwischen Mensch und Anthropoiden sowie den
ĂĽbrigen Affen.
Hier hat Herr Anutschin zuerst ein grösseres statisti-
sches Material zusammengebracht durch Untersuchungen in
vielen europäischen Sammlungen, auch denen Münchens.
Unter 6 Orangutan-Schädeln hatte ich in der oben citirten
Publication nur 1 mit Stirnfortsatz gefunden; zahlreiche alte
Schädel mussten dabei wegen Verwachsung und Verstreichen
der Nähte in der Schläfengegend von der statistischen Zählung
ausgeschlossen werden. Aus der Literatur brachte ich noch
20 brauchbare Schädel zusanmien. Unter der Gesammtzahl
von 26 zeigten 10 Stimfortsatz, was nahezu 40^/o ausmachen
würde. Jedenfalls bestätigten aber meine Untersuchungen das
/. Bänke: Der SHrnfortsatz der Schläfenschuppe, 235
von Herrn R. Virchow angegebene*) inkonstante Vorkommen
des Stimfortsatzes beim Orangutan. Anutschin konnte 65
Schädel der Zählung unterziehen, er fand darunter 11 mit
doppelseitigem und 7 mit einseitigem Stimfortsatz = 27,7 ^'/o.
Mit Einrechnung der obigen 26 meiner Zählung sind das 81
Orangutan-Schädeln, darunter 28 mit Stimfortsatz = 34,5 ®/ü.
Meine neuen Ergebnisse habe ich der Hauptsache nach
an der von Herrn E. Selenka der MĂĽnchener kgl. Akademie
der Wissenschaften zur Aufstellung in der anthropologisch-
prähistorischen Sammlung geschenkten Kollektion von Oran-
gutanschädeln aus Bomeo gewonnen.
Unter den 245 Orangutan - Schädeln aus Bomeo der
Selenka' sehen Sammlung, welche von mir fĂĽr diese Unter-
suchungen benĂĽtzt werden konnten, waren bei 226 die anato-
mischen Verhältnisse der Schläfengegend deutlich genug, um
Anwesenheit oder Abwesenheit des Stimfortsatzes der Schläfen-
schuppe, Processus frontalis oss. temp. constatiren zu können.
Unter diesen fanden sich 76 mit entweder doppelseitigem oder
einseitigem vollkommen trennenden Stimfortsatz , das gibt
33,62 ^/o, also fast genau ein Drittel der Gesammtsumme.
Doppelseitig, rechts und links, zeigten den Fortsatz 54, ein-
seitig, rechts oder links, 22 Schädel. Der doppelseitige Stirn-
fortsatz erscheint danach weit häufiger als der einseitige.
Die procentische Anzahl des Vorkommens des Stimfort-
satzas zu 33,62 ®/o ist fast identisch mit der von mir oben aus
der Zusammenfassung der älteren Zählungen berechneten 34,5^/o.
Mit Zuzählung jener oben erwähnten 81 Orangutan-Schädel
meiner älteren Statistik zu den 226 der neuen Statistik erhebt
sich die von mir verglichene Gesammtzahl der Orangutan-
Schädel auf 307, davon 104 mit Stimfortsatz = 33,8«/o.
Das vortreflFliche Material der Selenka'schen Sammlung
erlaubt eine exakte Trennung der Schädel auch nach der Hei-
math der Thiere. Da tritt nun der gleiche Ein flu ss schein-
bar des Lokals, in Wahrheit der Vererbung nicht
1) S. oben S. 228.
236 Sitzung der math.-phys. Claase vom 11. Juni 1898,
weniger deutlich hervor als bei unseren Untersuchungen am
Menschen. In folgender kleinen Tabelle sind die Einzelresul-
tate nach lokalen Gruppen geordnet, ohne Trennung nach
Alter und Geschlecht.
Tabelle
ĂĽber das Vorkommen des Stirnfortsatzes bei Oran-
gutans aus verschiedenen Gegenden Borneo's.
Herkunft der
Anzahl der
Schädel
Procentische
Schädel:
Schädel :
mit Pro-
cessus
frontalis:
Anzahl 100:
Eapuas u. Belaban
8
8
100,0 o/o
Berantau
6
4
80,0 ,
Qenepai
17
7
41,2 ,
Batangtu
18
5
88,6 ,
Bantei
11
4
86,4 ,
Dadap
80
10
88,8 ,
Bogau
16
5
88.8 ,
Batang Bara
9
3
88,8 ,
Ketungau
8
1
88,8 ,
Skalau
106
81
29,2 ,
Landak
14
8
21,4 ,
Summe: 226 76 83,62o/o
Die Schwankungsbreite geht von lOO^/o bis 21,4^/o.
Ein so ausgesprochener Unterschied, wie ihn Calori fĂĽr
das weibliche und männliche Geschlecht beim Menschen
(Italiener-Schädel) gefunden hat, findet sich bei den beiden
Geschlechtern des Orangutan nicht. Ein besonderer Werth
der Selenka^schen Sammlung liegt darin, dass alle Schädel
nach dem Gesclilecht bezeichnet wurden. Die Qesammtzahl
von 226 Schädeln, welche für diese Untersuchungen brauchbar
waren, setzt sich aus 92 männlichen und 134 weiblichen
Schädeln zusammen, unter letzteren fanden sich 47 = 35,07 ®/o,
unter den ersteren 92 dagegen 29 == 31,52 ®/o mit Stimfortsatz.
Der Unterschied = 3,55 ^/o grössere Häufigkeit bei den Weibchen
— fällt noch in die Fehlergrenzen derartiger statistischer
Aufnahmen.
J. Manke: Der SHmfartsaU der Schläfenschuppe, 237
Immerhin verdient Beachtung, dass bei den Weibchen ein
nur einseitig ausgebildeter Stimfortsatz 16 mal = 12®/o, bei
den Männchen nur 6 mal = 6,5 ®/o beobachtet worden ist. Der
einseitige Stimfortsatz ist im Verhältniss zum Menschen bei
unseren Orangutan^s auffallend selten, noch seltener der bei
dem Menschen so sehr häufig auftretende unvollständige Stim-
fortsatz, Proc. frontalis oss. temp. incompletus. Bei den alt-
bayerischen Schädeln fand ich unter 2421 den completen Stirn-
fortsatz 43 mal = 17,3 pro mille, den unvollständigen 146 mal
= 60,3 pro mille, sonach letzteren mehr als dreimal so häufig
als ersteren. Unter den 226 Orangutan-Schädeln dieser Statistik
kam der unvollständige Stimfortsatz der Schläfenschuppe nur
zweimal, und zwar beide Male an männlichen Schädeln, vor.
Als Resultat der Untersuchung der Orangutanschädel
ergibt sich:
Der Stimfortsatz der Schläfenschuppe, Processus frontalis
oss. temp. s. squamae, bildet bei dem Orangutan von Bomeo
keineswegs einen regelmässigen Befund, er findet sich nur etwa
bei Vs der Schädel und erscheint danach als eine individuelle
Bildung, entsprechend wie bei dem Menschen.
Das Vorkommen des Stimfortsatzes ist bei dem Orangutan
von Bomeo stets dreimal so häufig als bei den „Negern**
(s. oben die Tabelle, die Zahlen sind 33,6«/o : ll,86«/o), und
etwa 10 mal so häufig als in der „gesammten Menschheit** mit
etwa 3®/o (genau 3,1 ®/o) und 21 mal häufiger als bei den euro-
päischen Völkern mit l,53^/o.
Bei dem Orangutan zeigt sich wie bei dem Menschen der
Einfluss des Lokals rsp. der Vererbung auf die Häufig-
keit des Stimfortsatzes in der ausgesprochensten Weise, die
Häufigkeit schwankt bei ersteren in den einzelnen lokalen
Reihen von dem Minimum 21,4 ®/o, welches sich nur um einige
Procente ĂĽber das Mittel der Neger erhebt, und dem Maximum
80®/o rsp. 100®/o. Bei Europäern ergab sich als lokales Maxi-
mum 40%.*)
*) Die Zahl der von Sumatra stammenden Orangutan-Schädel,
welche ich untersuchen konnte, war nur 4, davon hatte nur 1 Schädel
beiderseits stark ausgebildeten Stimfortsatz = 26®/o.
238 Sitzung der math.'phya, Classe f>om 11. Juni 1898,
b) Gorilla, Schimpanse, Hylobates und die niederen
Affen und Halbaffen.
Das Vorkommen des Stirnfortsatzes bei Gorilla
und Schimpanse ist bis jetzt noch nicht an einer fĂĽr eine
statistische Aufnahme genĂĽgenden Anzahl geprĂĽft. Es ist
aber inunerhin wichtig, dass man noch keinen Gorilla-
Schädel ohne Stimfortsatz gefunden zu haben scheint, sodass
Virchow's dahin gehende Angabe sich bestätigt. Unter 35
Schädeln, z. Thl. nach der Literatur, z. Thl. von mir persön-
lich geprĂĽft, fanden sich aber doch 3 = 8,5 ^/o, bei welchen
der Fortsatz nur einseitig auftrat, zum Beweis, dass doch
auch bei dem Gorilla das Vorkommen dieser Bildung nicht als
eine absolute Baunothwendigkeit des Schädels angesprochen
werden muss.
Am Seh im pause -Schädel wird der Stimfortsatz selten
vermisst; nach meinen und Anutschin's Zählungen an 70
Schädeln fand er sich bei 54 = 77%.
Das Vorkommen des Stirnfortsatzes bei den Schädeln von
Hylobates verschiedener Species konnte von mir (10) und
Anutschin (27), zusammen an 37 Schädeln, an welchen die
Nahtverhältnisse in der Schläfengegend deutlich waren, geprüft
werden, es fanden sich darunter 4 mit theils doppelseitigem,
theils einseitigem Stimfortsatz. Aus der Sammlung E. Selen ka's
hat G. Kirchner*) 36 Schädel von Hylobates concolor ge-
prüft, er fand darunter 6 Schädel mit Stimfortsatz. Im Ganzen
fanden sich sonach unter 73 Schädeln 10 = 13,7%.
Die niederen Affen der alten Welt verhalten sich im
Allgemeinen wie der Schimpanse; ich fand unter 83 Schädeln
60 mit theils doppelseitigem, theils einseitigem Stimfortsatz
= 72,3«/o.
Im Einzelnen kann ich die älteren Resultate der Autoren
namentlich Anutschin^s bestätigen: am häufigsten ist imter
*) Der Schädel des Hylobates concolor, sein Variationskreia und
Zahnbau. Erlangen, Inaugural-Dissertation, 1895.
/. Ranke: Der Stimfortsatz der Schläfenschuppe. 239
den niederen Affen der alten Welt der Stimfortsatz bei den
Makaken (Macficus und Inuus), A. fand bei 78 Schädeln 67
mit Fortsatz = 85,9<>/o, ich bei 20 : 18 = 90,00/o. Dann
folgen bei uns beiden die Paviane, A. 81 : 63 = 77,8 ^/o, ich
20 : 16 = 80®/o; Meerkatzen (Cercopithecus, Cercocebus) A.
63 : 36 = b7% ich 23 : 17 = 74,0^/0; Semnopithecus (mit
Rhinopithecus, Colobus), A. 69 : 27 = 39,1, ich 21 : 9 = 42,3^/0.
Für alle 291 untersuchten Schädel von niederen Affen der
alten Welt berechnen sich nach Anutschin 67,3®/o; mit Zu-
zählung der obigen 83 von mir geprüften Schädel stellt sich
für die Gesammtsumme von 374 Schädeln das Vorkommen des
Stirnfortsatzes zu 68,4%.
Bei diesen niederen Affen der alten Welt ist sonach das
Vorkommen des Stimfortsatzes der Schläfenschuppe ein so
häufiges, dass man dasselbe nahezu als typischen Befund be-
trachten darf, sie reihen sich hinsichtlich dieser Bildung dem
Gorilla und dem Schimpanse an. Vielleicht macht die Gruppe
Semnopithecus einen Uebergang zu der folgenden Reihe, als
deren Repräsentant zunächst der Orangutan erscheint.
Bei Orangutan und Hylobates ist, im Gegensatz zu
den letzt besprochenen Affen, das Vorkommen des Stirnfort-
satzes so selten, dass es wie beim Menschen als eine indivi-
duelle Variation angesprochen werden muss: 33,6 und 10,8%.
Noch ausgesprochener hat der Stirnfortsatz der Schläfen-
schuppe den Charakter der individuellen Variation bei den
Affen und Krallenaffen der neuen Welt.
Ich habe 53 Schädel darauf geprüft (11 Mycetes =^ 0;
2 Ateles = 1 Stimfortsatz; 3 Logothrix = 0; 17 Cebus = 0;
4 Pithecia = 2; 7 CalUthrix = 0; 1 Chrysothrix =0; 8 Ha-
pole = 1), es fanden sich 3 mit Stirnfortsatz und 1 mit An-
lagen des Schläfenbeins ans Stirnbein ohne Fortsatzbildung,
im Ganzen also 4 = 7,5 °/o.
Die Angabe Virchow's, dass den Halbaffen der Stim-
fortsatz der Schläfenschuppe fehle, konnte ich an 26 Schädeln
prĂĽfen ; bei keinem derselben war mit Sicherheit ein Stimfort-
satz zu konstatiren; in 2 Fällen blieb wegen Nahtverwachsung
180R. Siizongsb. d. math.-phys. Cl. 1 6
240 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 11. Juni 1898,
das Verhältniss zweifelhaft. Gewiss erscheint sonach das Vor-
kommen des Stirnfortsatzes der Schläfenschuppe bei den Halb-
affen nicht häufiger als bei den Affen der neuen Welt: er fehlt
ganz oder ist, wenn er vorkommen sollte, eine seltene Variation.
Das Gesammtresultat der Untersuchung fĂĽr das Vor-
kommen des Stimfortsatzes der Schläfenschuppe bei den Pri-
maten ist in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
Tabelle
ĂĽber das procentische Vorkommen des Stirnfortsatzes
bei den Primaten.
Häufigkeit des
1. Menschen. Stirn fortsatzes
20030 Menschenschädel verschiedener Rassen . . S,10^/o
11000 Europäer 1,53 ,
1231 Neger 11,86 ,,
2. Affen:
35 Gorilla») 100,0 o/o
70 Schimpanse 77,0 ,
874 Niedere Affen der alten Welt .... 68,4 „
307 Orangutan (Bomeo) 83,6 ,
73 Hylabates verschiedener Species . . 13,7 »
58 Affen der neuen Welt 7,5 ,
3. Halb-Affen:
26 Halbaffen 0,0 o/o.
Bei dem Orangutan und bei dem Menschen konnte oben
der Einfluss des Lokals, d. h. der Vererbung in einer
örtlich enger abgeschlossenen Gruppe auf die Häufigkeit des
Vorkommens des Stirnfortsatzes der Schläfenschuppe sicher
gestellt werden. Im Grossen und Ganzen zeigt einen solchen
Einfluss des Lokals (= Vererbung) auch die vorstehende Ge-
sammtreihe sowohl fĂĽr die niederen AflFen als fĂĽr die menschen-
ähnlichen Affen im Allgemeinen. Bei den Afrikanischen
Menschenaffen (Gorilla und Schimpanse) bildet das Fehlen des
*) Darunter 3 = 8,50/o mit nur einseitigem Stimfortsatz der Schläfen-
schuppe.
/. Ranke: Der Stirnfortsatz der SMäfetischuppe, 241
Stirnfortsatzes die seltene Ausnahme, umgekehrt ist es bei den
Asiaten (Orangutan und Hylobates), bei welchen das Vor-
kommen des Stimfortsatzes die Ausnahme bildet; bei nahezu
Dreiviertel aller niederen Affen der alten Welt findet sich
der Stirnfortsatz. In Amerika dagegen fehlt der Stirnfort-
satz den Affenschädeln so gut wie ganz.
Als Resultat ergibt sich:
Die direkte Verbindung der Schläfenschuppe mit dem
Stirnbein durch einen Stirnfortsatz gehört sonach bei dem
Gorilla und auch bei dem Schimpanse, wie bei fast allen
niederen Affen der alten Welt, zur typischen Schädelbildung,
das Fehlen dieser Verbindung erscheint als individuelle Aus-
nahme, Variation.
Bei Orang, Hylobates sowie den niederen Affen der alten
Welt, einschliesslich den Krallenaffen, lässt das Vorkommen
des Stimfortsatzes entweder mehr oder weniger häufige Aus-
nahmen zu oder wird selbst zu einer seltenen oder sehr sel-
tenen individuellen Variation. Letzteres gilt auch fĂĽr den
Menschen. Den Halbaffen felilt der Stimfortsaiz nach den bis-
herigen Untersuchungen.
Der Menscli reiht sich bezĂĽglich des Vorkommens dieser
bemerkenswerthen Bildung am Schädel zwischen die Halbaffen
und die Affen der neuen Welt ein.
Sehen wir von den niederen Affen ab, so steht der Mensch
nach unserer obigen Tabelle zwischen Halbaffen und Hylo-
bates, Neger und Hylobates stehen fast vollkommen gleich.
Der Mensch trennt sich sonach in dieser Hinsicht von den
grossen menschenähnlichen Affen im engeren Sinne, an deren
Spitze sich der Gorilla stellt. —
Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe ist ein Beispiel für
die eine Seite der individuellen Variation:
In den gesetzmässigen Bauverhältnissen des
Schädels aller Primaten ist die Möglichkeit zur Aus-
bildung des Stirnfortsatzes der Schläfenschuppe ge-
geben, aber nur individuell erfolgt diese mögliche
Ausbildung auch faktisch.
16*
242 Sitzung der mathrphys. Classe vom 11. Juni 1697.
III. Die Entstehung und Bedeutung des Stimfortsatzes.
Aber die Betrachtung darf sich nicht nur auf die Pri-
maten beschränken.
Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe ist eine für den
Schädel nicht nur der Primaten, sondern wahrscheinlich aller
Säuger im Typus des Schädelbaus begründete mögliche und
thatsächlich weit verbreitet vorkonmiende Bildung.
Wie oben schon erwähnt, zeigt sich als regelmässiger
Befund eine Verbindung der Schläfenbeinschuppe mit dem
Stirnbein nach W. Gruber u. A. bei: „Nagern, Einhufern
und Dickhäutern.**
Die Art der Verbindung ist bei den einzelnen genannten
Gruppen etwas verschieden, und vielfach findet sich auch, was
ich gegen W. Gruber's gegentheilige Bemerkung (s. oben)
hervorheben möchte, ein gut ausgebildeter wahrer Stirnfortsatz.
Bei Hippopotamus und Elephas berĂĽhrt das Stirnbein das
Schläfenbein in relativ geringer Ausdehnung, bei Equus ist das
Stirnbein mit dem Schläfenbein in breiter Berührungslinie ver-
bunden, dagegen findet sich bei Sus, Tapir und Hyrax meist
ein gut ausgebildeter Stimfortsatz der Schläfenschuppe ähnlich
dem bei den Primaten, und vor allem bei dem Menschen, typi-
schen Verhältnisse. Bei letzterem kommen übrigens die anderen,
eben genannten Arten der Verbindung der beiden Knochen:
von der schmalen bis zur ausgedehnten BerĂĽhrung und von
der Bildung eines kleinen bis zu der eines extrem grossen
eigentlichen Stirnfortsatz als individuelle Variation bekanntlich
ebenfalls vor. Bei Nagern sah ich einen zum Theil gut aus-
gebildeten Stirnfortsatz der Schläfenschuppe z. B. bei Arctomys,
Sciurus, Pteromys, Erethizon u. a., während bei Hystrix eine
breite Verbindung der beiden Knochen gewöhnlich erscheint,
was ĂĽbrigens gelegentlich auch bei Arctomys (A. empetra) zur
Beobachtung kam.
Die Erklärungsversuche des Stimfortsatzes der Schläfen-
schuppe beim Menschen dĂĽrfen daher, nach dem eben Gesagten,
nicht auf den Menschen allein, und etwa noch auf die menschen-
J, Ranke: Der StirnfoHsatz der SclUäfenschuppe. 243
ähnlichen Affen, zugeschnitten sein. Wir haben es mit einer
Frage zu thun, welche eine BerĂĽcksichtigung des Baues des
Säugethierschädels im Allgemeinen nothwendig macht.
Lediglich die menschlichen Schädelverhältnisse berück-
sichtigt die älteste Theorie der Bildung des Stirnfortsatzes der
Schläfenschuppe, welche in der neuesten Zeit wieder mehrfach
z. B. von Graf Spee und W. Krause u. A., gleichsam als
die einzig mögliche, vorgetragen wird. Diese Erklärung wurde
schon von Joh. Friedr. MeckeP) angedeutet im Zusammen-
hang mit einer von ihm gelieferten Beschreibung der in der
Schläfenfontanelle und in deren nächster Nachbarschaft auf-
tretenden atypischen Verknöcherungscentren, deren häufigste
Form als Fontanellknochen der Schläfenfontanelle, tem-
porelle Schaltknochen, Os epiptericum, bezeichnet wird.
Henle und Hyrtel schlössen sich an die von Meckel
geäusserte Meinung an, dass es sich bei dem Stimfortsatz der
Schläfenschuppe beim Menschen eigentlich um einen dieser
atypischen Fontanellknochen handle, der jedoch mit der Schläfen-
schuppe verschmelze.*) Bei der Beschreibung eines Schalt-
knochens der Schläfenfontanelle an einem Schädel der Wiener
Anatomischen Sammlung sagt z. B. Hyrtl:') „Verwachsung
dieses Schaltknochens mit der Schläfenschuppe bedingt jene bei
allen Rassen ausnahmsweise vorkommende und deshalb irrthĂĽm-
licher Weise als charakteristisches Zeichen einzelner derselben
angesprochene Nahtverbindung zwischen Schläfenschuppe und
Stirnbein. ** Auf diesen mehrfach an verschiedenen Orten wieder-
holten Ausspruch Hyrtl's gehen die meisten Wiederholungen
dieser Meinung vor allem zurĂĽck. Herr W. Krause sagt in
seiner neuesten vortrefflichen Publikation ĂĽber 180 von ihm
studirter Australier-Schädel:*) „Verwächst der Schlaf en-
*) Die ältere Literatur s. bei R. Virchow 1. c. S. 41 iF.
2) R. Virchow, l. c. S. 41.
^) Jos. Hyrtl, Vergangenheit und Gegenwart des Museums fĂĽr
menschliche Anatomie an der Wiener Universität. Wien 1869. S. 64. Nr. 73.
*) Zeitschrift fĂĽr Ethnologie Bd. XXIX. 1897. Verhandlungen der
Berliner anthropologischen Gesellschaft S. 615.
244 Sitzung der mcUh.-phys. Glosse vom 11. Juni 1898.
fontanellknochen (Os epiptericum) mit der Squama teraporalis,
so entsteht ein Processus frontalis der letzteren, verwächst er mit
dem Os parietale, was die Norm ist, so verbindet sich letzterer
durch die Sutura parieto-sphenoidalis mit der Ala magna.*
Herr Virchow hat sich in der oft citirten Abhandlung
mit Entschiedenheit wenigstens gegen die allgemeine Giltigkeit
dieser Erklärung der Entstehung des Stirnfortsatzes der Schläfen-
schuppe ausgesprochen. Es kann ja nicht verkannt werden,
dass unter Umständen eine derartige Verwachsung eines solchen
atypischen temporalen Fontanellknochens mit der Schläfen-
schuppe eintreten kann, da im späteren Lebensalter, mit all
den anderen Schädelnähten, auch die, nicht weniger zäh wie
die normalen Nähte sich erhaltenden, Grenznähte der Fontanell-
knochen gegen die Nachbarknochen verstreichen. Ein Beweis
aber dafür, dass durch eine solche Verwachsung thatsächlich
ein typischer wahrer Stimfortsatz gebildet worden sei, ist, wie
mir scheint, noch niemals erbracht worden, die blosse Möglich-
keit darf nicht als Beweis angesprochen werden. Die senile
Verwachsung der Fontanellknochen der Schläfenfontanelle findet
auch gewöhnlich unregelmässig und an allen Grenznähten ziem-
lich gleichzeitig statt.
Herr Virchow fĂĽhrt gegen die Verwachsungstheorie
noch weitere gewichtige GrĂĽnde an. Am ausschlaggebendsten
erscheint, dass der Stimfortsatz der Schläfenschuppe an ganz
jugendlichen Menschen-Schädeln beobachtet worden ist, bei
welchen von einer solchen hypothetischen, wie gesagt, gewöhn-
lich erst im senilen Alter erfolgenden Nahtverstreichung nicht
die Rede sein kann. Herr Virchow hat gut ausgebildete
Stirnfortsätze der Schläfenschuppe an dem oben erwähnten
Schädel eines l^a jährigen Kindes beobachtet.*) Unter den
zahlreichen von mir beobachteten Fällen beim Menschen zeigten
sich in der überwiegenden Anzahl die Schädelnähte der Schläfen-
gegend noch offen. Von Affen, vor allem vom Orangutan,
stehen mir zahlreiche Beispiele von Stirn foiisatz aus dem aller-
ersten Jugendalter zur VerfĂĽgung.
*) Aus dem Gräberfelde von Kamburg.
/. Ranke: Der Stimfortsatz der ScMäfenschuppe. 245
Noch auf ein anderes Verhältniss macht Herr Virchow^)
aufmerksam. Wenn der Stimfortsatz der Schläfenschuppe seine
Entstehung der Verwachsung eines temporalen Schaltknochens
mit einem der nachbarlich anliegenden Knochen rsp. mit der
Schläfenschuppe verdankt, ist kein Grund abzusehen, warum
eine solche Verwachsung nicht auch mit einem der anderen
Nachbarknochen, namentlich mit dem Stirnbein, erfolgen sollte,
da die Fontanellknochen doch auch dem Stirnbein dicht an-
liegen und senil thatsächlich mit allen drei benachbarten
Knochen (meist gleichzeitig) verschmelzen. Aus einer hypo-
thetischen einseitigen Verwachsung eines Fontanellknochens mit
dem Stirnbein wĂĽrde dann kein Processus frontalis squamae
temporalis, sondern „ein Processus temporalis ossis fron-
tis entstehen/ „Aber ein solcher ist, sagt Herr Virchow,
meines Wissens niemals beobachtet worden/*)
Danach muss es zunächst scheinen, als würde die Ent-
deckung eines Processus temporalis ossis frontis die alte Theorie
MeckePs und HyrtPs bestätigen. Ich werde sogleich zeigen,
dass das doch nicht im strengen Sinn zutrifft.
Den von Herrn Virchow fĂĽr die BegrĂĽndung der Ver-
wachsungstheorie HyrtPs geforderten Schläfenfortsatz
des Stirnbeins, als Widerspiel des Stirnfortsatzes der
Schläfenschuppe, habe ich thatsächlich an Menschen-
schädeln entdeckt. In meiner Statistik der altbayerischen
Schädel konnte ich unter den 2421 Schädeln, deren Schläfen-
gegend eine genaue Untersuchung zuliess, 2 mit gut entwickel-
tem Processus temporalis ossis frontis nachweisen. Diese Auf-
findung des offenbar an Europäerschädeln ausserordentlich sel-
tenen Vorkommens eines Schläfenfortsatzes des Stirnbeins hat
Herr Brösike einige Jahre später (1880) in dem Katalog der
Berliner kraniologischen Sammlung der Anatomie (Archiv fĂĽr
Anthropologie, 1880) durch Auffindung eines dritten derartigen
Falles bestätigt. 3)
1) 1. c. S. 45, 46. 2j 1. c. S. 46.
•) Ob die der Angabe nach aus Verwachsung von Schläfenschalt-
knochen mit dem Stirnbein entstandenen .Schläfenfortsätze'' der Strass-
246
Sitzung der math.-phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
In neuester Zeit hatte ich Gelegenheit, diesen Schläfen-
fortsatz des Stirnbeins noch mehrfach zu beobachten und zwar
an Schädeln aus dem Bismarckarchipel. Das Münchener anthro-
pologische Institut bewahrt 6 solcher Schädel, alle vortrefflich
erhalten, aber ohne passende Unterkiefer.
Diese Schädel zeigen eine überraschend grosse Anzahl von
sonst, wie im Vorstehenden statistisch nachgewiesen, sehr
seltenen individuellen Bildungen in der Schläfengegend.*)
Fig. I a.
Schläfenfortsatz des Stirnbeins. Schädel aus dem Bismarek-Arcbipel (rechte Seite).
burper Sammlung Arch. f. Anthr. unseren Schläfenfortsätzen entsprechen,
wage ich nicht zu entscheiden.
*) Ein Schädel aus Neuguinea (Nr. 7 der Sammlung) zeigt dagegen
annähernd normale Verhältnisse in der Schläfengegend; die Entfernung
der Schläfenschuppe vom Stirnbein beträgt aber rechts nur 3, links
2,5 Millimeter, die beiden Knochen zeigen sonach doch eine beträchtliche
Annäherung begründet auf einer Reduction und Schmalheit der Spitze
des grossen KeilbeinflĂĽgels (s. unten).
J. Ranke: Der Stimfortsats der ScMäfenscliuppe.
247
Einer dieser 6 Schädel aus dem Bismarckarchipel zeigt
links einen zwar rel. kleinen aber vollkommen ausgebildeten
Stimfortsatz der Schläfenschuppe, rechts erreicht ein kleinerer
solcher Fortsatz das Stirnbein nicht vollkommen (Processus
frontalis squamae temporalis incompletus). Dieser eine Schädel
besitzt sonach rechts noch eine kurze Spheno-Parietalnaht imd
nähert sich hierin allein normalen Verhältnissen an.
Drei andere dieser Schädel weisen doppelseitige Stirn-
Fig. 1 b.
stimfortsatz der Schläfenschuppe. Der gleiche Schädel aus dorn Bismarck-Archipel (linke Seite).
fortsätze der Schläfenschuppe auf, zum Theil in extremer,
ganz an die bei dem Orangutan beobachteten Verhältnisse
erinnernder, Ausbildung.
Ein Schädel besitzt doppelseitig grosse Schläfenfort-
sätze des Stirnbeins, Processus temporalis ossis frontis.
Der letzte Schädel dieser Gruppe zeigt links einen mächtig
ausgebildeten Stirnfortsatz der Schläfenschuppe, (Fig. Ib),
rechts einen rel. kolossalen Schläfenfortsatz de8Stimbeins(Fig.la).
248
Sitzung der math.-phys. Classe vom 11, Juni 1898,
Dieses gleichzeitige vicarirende Vorkommen von
Stirnfortsatz der Schläfenschuppe und Schläfenfort-
satz des Stirnbeins weist darauf hin, dass beide Bildungen
als nächst verwandt betrachtet werden müssen.
Aber das ist gewiss, dass bei den eben beschriebenen
Schädeln aus dem Bismarckarchipel , ebenso wie bei den
Schädeln der Primaten, Nichts daflir spricht, dass hier ein-
seitige Verwachsungen einmal gebildeter atypischer temporaler
Schaltknochen, das eine Mal mit der Schiäfenbeinschuppe, das
andere Mal mit dem unteren Winkel des Stirnbeins, stattge-
funden habe. Die Nähte in der Nachbarschaft sind offen, eine
senile Verwachsung ausgeschlossen. Die 6 Schädel bringen
aber auch noch einen positiven Beweis dafĂĽr, dass temporale
Schaltknochen und die beiden besprochenen Fortsätze prinzipiell
auseinander gehalten werden mĂĽssen:
Fig. 2 a.
Schädel vom
Bismark-Archipel
einer der Schädel zeigt hinter einem breiten stark in
das Stirnbein einspringenden Stirnfortsatz der Schläfen-
schuppe noch einen länglichen Schaltknochen zwischen Stirn-
bein, Scheitelbein und Schuppe des Schläfenbeins, welcher die Fon-
tanelle ganz ausfüllt (Fig. 2 a), also einen wahren Schläfen-
/. Ranke: Der StimfortsaU der Schläfenschuppe.
249
fontanellknochen mit allseitig offenen Nähten, welcher die
Schläfenfontanelle ganz erfüllt. Auch Herr R. Virchow hat
einen grossen, die Fontanelle ganz ausfüllenden Schläfen-
fontanellknochen neben einem Stimfortsatz (Fig. 2b) beobachtet.')
Hiedurch erscheint der direkte Beweis erbracht, dass, da
beide gleichzeitig an derselben Schläfe auftreten
können, Schläfenfontanellknochen und Stirnfortsatz
der Schläfenschuppe, und seinWiderspiel: derSchläfen-
fortsatz des Stirnbeins, nicht im Prinzip dasselbe sein
können.
Thatsächlich ist der bei dem Menschen so häufig auf-
tretende temporale Schaltknochen, in der weit ĂĽberwiegenden
Mehrzahl der Fälle, eine atypische, der Stirnfortsatz der
Schläfenschuppe und der Schläfenfortsatz des Stirnbeins da-
gegen eine typische Bildung am Schädel. Das gilt nicht nur
Flg. 2 b.
(Nach Virchow.)
Schädel von den
Neu Hebriden
für die Schädel der AfiFen und die oben genannten niederen
Säugethiere, sondern auch für den Menschen. Der Stimfort-
satz der Schläfenschuppe des Menschenschädels ist in allen
1) Zeitschr. f. Ethnologie, ISSi, Bd. XVI. S. (167) Figur l.
250 Sitzung der mathrphys. Classe vom 11, Juni 1898.
Beziehungen vollkommen entsprechend gebildet wie der des
Orangutan und der ĂĽbrigen anthropoiden Affen, sodass fĂĽr den
Menschen keine andere Entstehungsgeschichte desselben ange-
nommen werden darf als fĂĽr jene.
Graf Spee sagt in seinem ausgezeichneten Werke ĂĽber
den Schädel S. 160^) (Varietäten): »Vom vorderen Schuppen-
rande aus schiebt sich zuweilen ein Knochenfortsatz (Pro-
cessus frontalis squamae [Gruber]) zwischen Parietale und Ala
temporalis des Keilbeins durch bis zum Stirnbein vor. Der-
selbe findet sich bei manchen Säugethieren, Nagern, anthro-
poiden Affen, typisch. Beim Menschen entsteht er dadurch,
dass ein Schaltknochen der vorderen Seitenfontanelle mit dem
Schuppentheil allein verwächst, anstatt den vorderen unteren
Winkel des Os parietale zu bilden.**)
Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass Graf Spee den
Stirnfortsatz der Schläfenschuppe bei den Affen u. a. für eine
typische, bei dem Menschen dagegen fĂĽr eine atypische d. h.
pathologische Bildung hält, welche jene typische Affenbildung
imitirt.
Eine verschiedene Erklärung der Entstehung dieser ganz
gleichartigen Bildungen bei dem Menschen und den Anthro-
poiden und anderen Säugethieren erscheint mir aber, wie
gesagt, unzulässig. Der Versuch einer Trennung zwischen
einem typischen Stimfortsatz der Schläfenschuppe der Affen
und einem atypischen solchen Fortsatz beim Menschen wird
lediglich durch die fĂĽr den Menschen adaptirte hypothetische
Erklärung der Entstehung des Stirnfortsatzes der Schläfen-
schuppe, durch einseitige Verwachsung eines atypischen Fon-
tanellknochens mit der letzteren, nahe gelegt. Das ist sicher,
dass diese Erklär ungshypothese augenscheinlich für die Affen
und die anderen Säugethiere, welche Processus frontalis squamae
besitzen, nicht passt. Für den Menschen bietet die geläufige
Erklärung der Entstehung des Stimfortsatzes doch nur dadurch
eine grössere Wahrscheinlichkeit, weil in der menschlichen
1) l. c. — vergl. auch 1. c. S. 326.
2) cf. auch oben S. 244, W. Krause.
J. RanJce: Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe. 251
Schläfenfontanelle in so beträchtlicher Anzahl und in so wech-
selnden Formen Schaltknochen vorkommen. Je häufiger solche
sind, desto leichter könnte ja, so hat man geschlossen, eine
zuftllige einseitige Verwachsung mit der Schuppe des Schläfen-
beins eintreten.
Aber bei den Aflfen gehören Fontanellknochen in der
Schläfenfontanelle zu den allerseltensten Vorkommnissen und
sind speziell weit seltener als die Stimfortsätze der Schläfen-
schuppe.
Unter den Orangutanschädeln der Selenka'schen Samm-
lung, welche eine Prüfung dieser Verhältnisse zuliessen,
zählte ich:
1. Unter 226 Orangutan-Schädeln:
Schädel mit Processus frontalis squamae 76 = 100
Schädel mit temporalen Fontanellknochen 3 = 4®/o
Oanz anders zeigen sich die entsprechenden Verhältnisse
an Menschenschädeln. Ich zählte
2. Unter 2421 Menschen-Schädeln,
(Schädel der altbayerischen Landbevölkerung):
Schädel mit Processus frontalis squamae 43 = 100
Schädel mit temporalen Fontanellknochen 251 = 581 ®/o
Von diesen 251 Menschenschädeln mit temporalen Fon-
tanellknochen zeigten 123 auf einer oder auf beiden Seiten
vollkommen trennende, die Ala magna von der BerĂĽhrung
mit dem Seiten wandbein abschneidende Schaltknochen; fast
gleich viele, nämlich 128, hatten unvollständig trennende
Schaltknochen d. h. solche, welche entweder das Stirnbein
nicht erreichen (Os epiptericum posterius) oder die Schuppe
nicht erreichen (Os epiptericum anterius). Beide Formen sind
als, dann gemeinschaftlich vollkommen trennende, Fontanell-
knochen, nicht selten gleichzeitig vorhanden; der sonst ein-
heitliche Fontanellknochen erscheint in solchen Fällen durch
eine Mittelnaht in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt
getrennt.
252 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
Ganz ähnlich wie bei Europäern ist das Verhältniss der
Schlaf enfontanellknochen bei anderen Menschenrassen, auch bei
den Australiern, (s. R. Virchow 1. c).
Von den 3 Orangutan-Schädeln, an welchen ich temporale
Fontanellknochen fand, zeigt einer beiderseits vollkommen
trennende Schaltknochen (Nr. 129 5). Der zweite (Nr. 231 Q)
hat rechts normale Schläfen, links wird das Seitenwandbein
von der Ala magna durch zwei Schaltknochen vollkommen ab-
getrennt, durch ein kleineres Os epiptericum anterius und ein
grösseres Os epiptericum posterius. Bei dem dritten Schädel
(Nr. 287 5) finden sich links und rechts Stimfortsätze der
Schläfenschuppe, rechts neben einem solchen Stirnfort-
satz noch ein Schläfenfontanellknochen.
Nach diesen Erfahrungen kann an die HyrtTsche Hypo-
these für die Erklärung der Entstehung der Stirnfortsätze der
Schläfenschuppe für die Affen, speziell für Orangutan, der sich
ja sonst in den fraglichen Beziehungen relativ menschenähnlich
verhält, nicht mehr gedacht werden, da ja der Schläfenfontanell-
knochen bei ihnen eine weit seltenere Erscheinung ist als der
Stimfortsatz.
Noch weniger möglich ist das für die übrigen oben ge-
nannten Säugethiere, bei welchen der Stimfortsatz der Schläfen-
schuppe als eine regelmässig auftretende Baueinrichtung des
Schädels erscheint. Bei den betreffenden Thieren waren an nor-
malen Schädeln, so viel mir bekannt, bis jetzt überhaupt Fon-
tanellknochen der Schläfenfontanelle noch niemals beobachtet
worden.
In neuester Zeit habe ich jedoch einen hierher gehörenden
Fall thatsächlich gesehen. Bei dem Schädel eines Sciurus
caucasicus, bei welchem einseitig ein wohlbegrenzter, annähernd
viereckiger Stirnfortsatz der Schläfenschuppe bestand, zeigte
sich auf der anderen Schädelseite anscheinend die gleiche
Bildung, jedoch war der „Stimfortsatz** an seiner Grenze gegen
die Schläfenschuppe durch eine Naht vollkommen abgetrennt.
Dadurch entsteht „eine Art von Fontanellknochen", welcher in
diesem Fall zweifelsohne fĂĽr den Stirnfortsatz vicarirt.
J. Ranke: Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe, 253
Derartige Beobachtungen, welche auch an Menschenschädeln
gelegentlich entgegentreten, mahnen an den Satz des Herrn
Virchow, welchen er als Schlussergebniss seiner bezĂĽglichen
Untersuchung formulirte: *)
Die temporalen Schaltknochen sind verwandte,
aber nicht gleichartige Bildungen, wie der Stirn-
fortsatz.**
Unsere neuen Beobachtungen gestatten es, diesen Satz nun
näher zu begründen und das verwandtschaftliche Verhältniss
zwischen den beiden Bildungen darzulegen.
Die Bildungen, welche uns als Fontanellknochen der
Schläfenfontanelle entgegentreten, haben eine verschiedene Ent-
stehung und für den typischen Schädelbau verschiedenen Werth.
Es werden unter den gemeinsamen Namen prinzipiell ver-
schiedene Gebilde zusammen gefasst. Die einen Schalt-
knochen der Schläfenfontanelle sind pathologische,
atypische Verknöcherungen, die anderen sind Indivi-
daalisirnngen typischer, regelmässig ent wickelungsge-
schichtlich gesondert angelegter, aber normal mit
Nachbarknochen zu einem Knochen-Complex ver-
schmolzener Elementar-Elnochen.
Bisher wurden gewöhnlich nur die ersteren atypischen
Formen beachtet. So sagt z. B. Herr Virchow:*) „es ist
nicht zu übersehen, dass die Fontanellknochen relativ späte
Bildungen sind. Wir nennen Fontanellen die zur Zeit der
Geburt noch offenen (oder genauer, häutigen) Stellen am Schädel,
und wir denken uns daher unter dem Namen von Fontanell-
knochen solche knöcherne Gebilde, welche in der Regel erst
nach der Geburt in diesen offenen Stellen entstehen*** Diese
hier von Herrn Virchow genauer beschriebenen „Fontanell-
knochen** sind solche, welche soeben als atypische, p.atholo-
gische Bildungen in der Schläfenfontanelle bezeichnet worden sind.
Von diesen mĂĽssen, wie oben angedeutet, jene viel selte-
*) I. c. S. 69.
2) 1. c. S. 47.
252 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 11, Juni 1698.
Ganz ähnlich wie bei Europäern ist das Verhältniss der
Schläfenfontanellknochen bei anderen Menschenrassen, auch bei
den Australiern, (s. R. Virchow 1. c).
Von den 3 Orangutan-Schädeln, an welchen ich temporale
Fontanellknochen fand, zeigt einer beiderseits vollkommen
trennende Schaltknochen (Nr. 129 5)- D^r zweite (Nr. 231 9)
hat rechts normale Schläfen, Unks wird das Seitenwandbein
von der Ala magna durch zwei Schaltknochen vollkommen ab-
getrennt, durch ein kleineres Os epiptericum anterius und ein
grösseres Os epiptericum posterius. Bei dem dritten Schädel
(Nr. 287 5) finden sich links und rechts Stirnfortsätze der
Schläfenschuppe, rechts neben einem solchen Stirnfort-
satz noch ein Schläfenfontanellknochen.
Nach diesen Erfahrungen kann an die Hyrtl'sche Hypo-
these für die Erklärung der Entstehung der Stirn fortsätze der
Schläfenschuppe für die AflFen, speziell für Orangutan, der sich
ja sonst in den fraglichen Beziehungen relativ menschenähnlich
verhält, nicht mehr gedacht werden, da ja der Schläfenfontanell-
knochen bei ihnen eine weit seltenere Erscheinung ist als der
Stimfortsatz.
Noch weniger möglich ist das für die übrigen oben ge-
nannten Säugethiere, bei welchen der Stimfortsatz der Schläfen-
schuppe als eine regelmässig auftretende Baueinrichtung des
Schädels erscheint. Bei den betreffenden Thieren waren an nor-
malen Schädeln, so viel mir bekannt, bis jetzt überhaupt Fon-
tanellknochen der Schläfenfontanelle noch niemals beobachtet
worden.
In neuester Zeit habe ich jedoch einen hierher gehörenden
Fall thatsächlich gesehen. Bei dem Schädel eines Sciurus
caucasicus, bei welchem einseitig ein wohlbegrenzter, annähernd
viereckiger Stirnfortsatz der Schläfenschuppe bestand, zeigte
sich auf der anderen Schädelseite anscheinend die gleiche
Bildung, jedoch war der „Stimfortsatz** an seiner Grenze gegen
die Schläfenschuppe durch eine Naht vollkommen abgetrennt.
Dadurch entsteht „eine Art von Fontanellknochen", welcher in
diesem Fall zweifelsohne fĂĽr den Stirnfortsatz vicarirt.
J. Ranke: Der Stirnfortsatz der Schlaf efi schuppe, 253
Derartige Beobachtungen, welche auch an Menschenschädeln
gelegentlich entgegentreten, mahnen an den Satz des Herrn
Virchow, welchen er als Schlussergebniss seiner bezĂĽglichen
Untersuchung formulirte : ^)
Die temporalen Schaltknochen sind verwandte,
aber nicht gleichartige Bildungen, wie der Stirn-
fortsatz/
Unsere neuen Beobachtungen gestatten es, diesen Satz nun
näher zu begründen und das verwandtschaftliche Verhältniss
zwischen den beiden Bildungen darzulegen.
Die Bildungen, welche uns als Fontanellknochen der
Schläfenfontanelle entgegentreten, haben eine verschiedene Ent-
stehung und für den typischen Schädelbau verschiedenen Werth.
Es werden unter den gemeinsamen Namen prinzipiell ver-
schiedene Gebilde zusammengefasst. Die einen Schalt-
knochen der Schläfenfontanelle sind pathologische,
atypische Verknöcherungen, die anderen sind Indivi-
daalisimngen typischer, regelmässig ent wickelungsge-
schichtlich gesondert angelegter, aber normal mit
Nachbarknochen zu einem Knochen -Complex ver-
schmolzener Elementar-Enochen.
Bisher wurden gewöhnlich nur die ersteren atypischen
Formen beachtet. So sagt z. B. Herr Virchow:*) „es ist
nicht zu übersehen, dass die Fontanellknochen relativ späte
Bildungen sind. Wir nennen Fontanellen die zur Zeit der
Geburt noch offenen (oder genauer, häutigen) Stellen am Schädel,
und wir denken uns daher unter dem Namen von Fontanell-
knochen solche knöcherne Gebilde, welche in der Regel erst
nach der Geburt in diesen offenen Stellen entstehen^" Diese
hier von Herrn Virchow genauer beschriebenen „Fontanell-
knochen" sind solche, welche soeben als atypische, patholo-
gische Bildungen in der Schläfenfontanelle bezeichnet worden sind.
Von diesen mĂĽssen, wie oben angedeutet, jene viel selte-
*) 1. c. S. 69.
2) 1. c. S. 47.
254 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 11. Juni 1898,
neren, aber auch in der Schläfengegend gelegene, Schaltknochen
getrennt werden, welche aus typischen Verknöcherungs-
punkten des Schädels sich entwickeln, und welche gewöhn-
lich schon in sehr früher Zeit, meist schon vor dem vierten Fötal-
monat, mit grösseren Nachbarknochen verschmelzen. In man-
chen Fällen tritt jedoch diese normale Verschmelzung mit dem
betreffenden Hauptknochen nicht ein, sodass aus solchen typischen
Knochenpunkten individualisirte Knochen entstehen, ebenfalls
ringsum durch Nähte von den Nachbarknochen getrennt.
Die in der Schläfenfontanelle zusammenstossenden Knochen
zeigen an der Grenze der Fontanelle zwei solche typische,
normal mit grösseren Nachbarknochen verschmelzende, Ver-
knöcherungscentren, von welchen der eine schon seit längerer
Zeit bekannt und näher beschrieben ist.
Das Stirnbein hat in der Schläfengegend je ein solches
besonderes Ossifikations-Centrum, welches gesondert von den
ĂĽbrigen Theilen dieses grossen Knochens entsteht. Herr Vir-
chow hat^) auf diesen unteren Knochenkern des Stirnbeins
hingewiesen. Derselbe wurde zuerst von S er res, dann genauer
von den Herren Rambaud und Renault sowie von Herrn
von Ihering^) beschrieben und als Apophysis orbitaria
externa, als Post frontale oder Frontale posterius be-
zeichnet. Dieser Knochentheil liegt dicht an und vor der
Schläfenfontanelle, nach rückwärts von dem Processus zygo-
maticus des Stirnbeins und obwohl seine Verschmelzung mit
dem MittelstĂĽck des Stirnbeins schon sehr frĂĽh beginnt, und
im dritten oder vierten Monat des Fötallebens grossentheils
vollzogen ist, so finden sich Spuren seiner Trennung doch
nicht ganz selten noch bei Neugeborenen. Herr R. Virchow
bildet einen sehr characteristischen Fall der Art in der oft
genannten Abhandlung ab,') bei welchem sich der betreffende
sonst mit dem Stirnbein verschmelzende Elementarknochen
vollkommen individualisirt, rings durch Nähte getrennt, zeigt.
1) 1. c. S. 42 f.
2) Reichert und du Bois-Rcymont, Archiv f. Anatomie 1872. S. 649.
3) 1. c. S. 43; Tafel 111. Fig. G.
«r. Bafike: Der Stimfortsatz der Schläfenschuppe, 255
An Schädeln aus dem dritten und dem Anfang des vierten
Embrjonalmonats ist die Trennung noch eine vollkommene
und ich habe dieselbe mehrfach constatirt.
Eine vollkommene Trennung bei älteren Schädeln habe
ich aber bisher noch nicht gesehen. Im Uebrigen kann ich
jedoch die Angaben des Herrn von Ihering und R. Virchow
bestätigen. Unter 162 Schädeln von menschlichen Embryo-
nen und Neugeborenen, vom dritten Embryonal-Monat durch
alle Monate bis zur normalen Geburt, welche ich auf dieses
Verhältniss geprüft habe, vermisste ich nur an sieben (jüngeren)
Schädeln deutlichere Spuren der Abtrennung der Apophysis
orbitaria externa (Postfrontale), bei allen ĂĽbrigen waren diese
Spuren unverkennbar und drei Schädel aus dem 9. und 10.
Monat zeigten die von von Ihering beschriebenen oflFenenNaht-
reste annähernd senkrecht auf den unteren Verlauf der Kranz-
naht in das Stirnbein gegen die Augenhöhle zu einspringend.*)
Dieses untere hintere selbständige Verknöcherungs-Centrum
des Stirnbeins kann, da es jederseits im Stirnbein selbst,
nicht in der Fontanelle, liegt, zur Entstehung eines Stirnfort-
satzes des Schläfenbeins oder eines Schläfenfortsatzes des Stirn-
beins keine Veranlassung geben, ein Verhältniss, welches die
beigegebenen Abbildungen (Fig. 4 — 12) direkt deutlich machen.
Ein ähnlicher typischer Knochenkern findet sich an dem
Schläfenfontanellrand der Schuppe des Schläfenbeins nicht.
Dagegen haben es schon ältere Beobachtungen, vor allem die
Hannover's,*) wahrscheinlich gemacht, dass der grosse
Keilbeinflügel ein oberes Ergänzungsstück besitzt,
welches als Deckknochen, Hautknochen, entsteht,
während sich bekanntlich der grosse Keilbeinflügel
seiner Hauptausdehnung nach aus knorpeliger Anlage
als Primordialknochen entwickelt.
^) S. die folgenden Abbildungen von Schädeln von Neugeborenen
und Embryonen Fig. 6—12, bei letzterer oflfner Nathrest.
^) Primordialbrusken og dens forbening, Det kgl danske vidensk.
selskab Skrifter. Naturw. mathem. Afdel. 11. Band. Kopenhagen. 1888.
citirt nach Graf Spee 1. c.
1S98. Sitznngsb. d. phiL u. hiot. GL 17
256 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 11, Juni 1898.
Meine Beobachtungen erheben diese Vermuthung')
zurGewissheit: wir haben ein Hauptknochen-Ergänzungsstück
an dem oberen Ende der Ala magna von dem durch primordiale
Verknöcherung entstandenen Haupttheile zu unterscheiden.
Dieses Hautknochen - Ergänzungsstück der Ala magna,
welches man nicht, wie vielfach geschehen, mit den atypischen
Formen der Schläfenfontanellknochen verwechseln und zusammen
werfen darf, hat genetisch als Deckknochen mit der, dem knor-
pelig vorgebildeten Schädelskelet als Primordialknochen zuge-
hörenden, Ala magna nichts zu thun. Die Ala magna zeigt sich,
wie das Hinterhauptsbein und das Schläfenbein, als ein Complex
principiell differenter Skelettheile, welche sich auf verschiedene
Weise und sonach anfanglich gesondert bilden.
Eine ganz ähnliche Bildung, wie das Deckknochen-Er-
gänzungsstück der Ala magna ist bekanntlich das Interparietale
der Säuger. Das Interparietale erscheint als Hautknochen-Er-
gänzungsstück des Occipitale posterius, welche zusammen beim
Menschen die Schuppe des Hinterhauptsbeines bilden.
Hier sind auch die Schicksale, welche diese beiden zu
einem Knochenkomplex verschmolzenen differenten Elementar-
bestandtheile des Skelets erfahren können, festgestellt. Es ist
bekannt, dass sie im Ganzen vollkommen oder theilweise von
einander getrennt bleiben können, sodass eine, beide Elementar-
knochen — das Interparietale und das Occipitale superius —
trennende Quernaht, die fötale Hinterhauptsquernaht,
(Sutura occipitalis transversa fötalis R. Virchow) während
des erwachsenen Lebens persistirt. Besonders bemerkenswerth
erscheint es aber, dass sich das Interparietale, welches als
Hautknochen-Ergänzungsstück des Occipitale superius beim
Menschen und den meisten Säugethieren, wenn es nicht dauernd
individualisirt bleibt, mit dem Oberrand des Occipitale superius
') Graf Spee, I. c, S. 142, citirt nach Hannover (s. S. 141): „Von
der Ala magna ( Alisphenoid) werden wahrscheinlich auch die oberen
Theile des Randes zwischen Frontale, Parietale und Squama als Deck-
knochen ausgebildet". S. auch 1. c. S. 282 und S. 326.
«r. Bänke: Der StimfartscUs der Sdüäfenschuppe, 257
verwächst und mit seinen Aussenrändem den Haupttheil der
Lambdanaht bildet, bei einer ganzen Anzahl von Säugethieren
nicht mit dem letzteren Knochen sondern mit den Parietalia
verbindet. Es bleibt dann die fötale Naht zwischen Inter-
parietale und Occipitale superius dauernd offen, während die
Grenznaht (Lambda-Naht) zwischen dem Interparietale und den
Parietalia (resp. dem vereinigten Parietale) so vollkommen ver-
schwinden, dass bei Erwachsenen keine Spur mehr auf die ehe-
malige Trennung hindeutet. Sehr charakteristisch zeigt sich
dieses Verhältniss an Hirsch-Schädeln. Bei solchen zeigen auch
noch ältere Embryonen und ganz junge Thiere das Interparietale,
ähnlich in der Form wie das des Menschen, rings von Nähten
gegen die Nachbarknochen abgegrenzt. Bei etwas älteren Schä-
deln sind die oberen Grenznähte gegen das Parietale verstrichen
und eine gerade quere Grenznaht (die fötale Hinterhaupts-
quernaht) scheidet scheinbar die Parietalia, in Wahrheit das
Interparietale, vom Hinterhauptsbein.
Nach den Angaben der vergleichenden Anatomie*) findet
sich die Verwachsung des Interparietale mit den Parietalia bei
Nagern und Wiederkäuern. Es ist leicht diese Beobach-
tungen zu bestätigen, ich möchte aber daran erinnern, dass,
wie mehrfach schon constatirt, bei manchen Nagern, auch an
Schädeln von erwachsenen Thieren, das Interparietale un ver-
bunden, frei, durch Nähte vollkommen getrennt, zwischen den
Parietalia und dem Occipitale superius zu liegen pflegt. Es
gilt das z. B. für Castor fiber, bei welchem mir drei Schädel
ein freies, individualisirtes Interparietale zeigten. Gelegentlich
scheint bei derselben Säuger-Gruppe doch auch eine Verwach-
sung des Interparietale mit dem Occipitale superius vorzu-
kommen, wie es, wie gesagt, fĂĽr den Menschen und die Mehr-
zahl der Säuger typisch ist.
Nach meinen Beobachtungen kann das Haut-
knochen-Ergänzungsstück der Ala magna in Bezieh-
^) C. Gegenbauer, Grundriss der vergleichenden Anatomie. II. Aufl.
1878. S. 488, 489.
17*
258 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
ung auf seine Verbindung mit Nachbarknochen ganz
ähnliche Schicksale, wie das Hautknochen-Ergänzungs-
stĂĽck des Occipitale superius, das Interparietale, er-
fahren.
Es ist doch wohl zweckmässig, das Hautknochen-Ergän-
zungsstück der Ala magna — entsprechend der Benennung
des Interparietale — auch mit einem eigenen Namen zu be-
zeichnen, da die Bezeichnungen: Fontanellknochen der Schläfen-
fontanelle, temporaler Schaltknochen, Os epiptericum schon fĂĽr
die atypischen Formen festgelegt sind. Ich schlage fĂĽr den neu
gefundenen typischen Elementarknochen den indilBFerenten Namen
Os Intertemporale oder Intertemporale vor. Diese Be-
zeichnung hat einerseits den Vortheil, ĂĽber den vergleichend-
anatomischen Werth, dieses elementaren Hautknochengebildes
Nichts zu präjudiciren, anderseits erinnert sie an den Namen
des, wie gesagt, nächst verwandten Hautknochens, das Inter-
parietale.
Das Intertemporale verbindet sich beim Menschen in
der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle so vollkommen mit
dem oberen Ende der Ala magna, deren obere Partie es dann
bildet, dass kein Rest einer Trennungsnaht beobachtet werden
kann.
Bei voller Ausbildung erscheint dann der obere Theil der
Ala magna im Ganzen und namentlich nach hinten gegen die
Schläfenschuppe verbreitert, woraus die bekannte Flügelform
beim Menschenschädel entsteht. Die ganze Ala magna ist dabei
auch relativ lang und ĂĽberhaupt wohl ausgebildet. (Fig. 3.)
Ebenso wie das Interparietale vollkommen individualisirt
und durch Grenznähte gegen die Nachbarknochen abgegliedert
sein kann, so kann sich auch das Intertemporale durch eine
vollkommen trennende Quernaht von der ĂĽbrigen Ala magna
abgliedern. Ein solcher Fall ist der oben an einem Schädel
von Sciurus caucasicas beschriebene scheinbare Schläfenfontanell-
knochen, welcher für einen Stirnfortsatz der anderen Schädel-
seite vikarirt.
An Menschen-Schädeln ist entwickelungsgeschichtlich das
cT. Ranke: Der Stirnfortsatz der ScMäfenschuppe.
259
Verhalten der beiden betreffenden Abschnitte des grossen Keil-
beinäügels: das aus primordialer Verknöcherung hervorgehende
Hauptstück zu dem Hautknochen-Ergänzungsstück, Intertem-
porale, nicht schwer zu konstatiren. Ich habe 200 Embryo-
nen-Schädel, vom 3. Monat bis zum Geburtsalter, darauf
untersucht.
An macerirten Schädeln von Embryonen aus dem vierten
Monat sitzt das Hautknochenergänzungsstück auf der schmalen,
Fig. 3.
Gut ausgobildoto Schläfongogend bei einem Ncgcr-Schüdel (Parc).
nach oben sich zuspitzenden, durch primäre Knorpelverknöche-
rung entstandenen Ahi m«agna wie eine Haube scliief auf, wobei
sich das lockere Gefüge der Hautverknöcherung, wie das ge-
legentlich aucli noch bei älteren Früchten (Fig. 4) zu sehen ist,
scharf von dem dichteren Gefllge der eigentlichen Ala magna
unterscheidet. In der Richtung gegen die Schläfenbeinschuppe
ist die Hautverknöcherung etwas breiter und greift tiefer nach
abwärts. So innig in dieser Periode beide Bestandtheile der
r
260 SĂĽtvttff der maih.-phys. Claise vom 11. Juni 1898.
Ala magna schon verschmolzen zu sein pflegen, so findet ma
doch Fälle, wie der in Fig. 4 abgebildete, welche die Trei
nung nach erkennen lassen, die beiden Abschnitte greifen i
einer feinen Zackenlinie in einander ein.
ÂĄ
Reste und Spuren einer Trennungsnaht sind bei jünger«
und älteren Embryonen häuüg genug, die nebenstehend«
Abbildungen (Fig. 5-8) geben einige Beispiele. Der Oberrar
der Ala magna erscheint manchmal zweilappig, durch ein«
seichten Einschnitt getrennt. Fig. 5.
In anderen Fällen geht eine tiefe Spalte, manchmal fa
senkrecht, in dem grossen KeilbeinflUgel vom Oberrand ai
nach abwärts Fig. 6 und 7.
J. Bänke: Der Stimfortsatz der Schläfenschuppe.
261
Besonders charakteristisch sind aber solche Bildungen, in
welchen eine Naht schief von oben und vom nach hinten und
Fig. 6.
Fig. 7.
unten einspringt und die hintere obere Ecke des Keilbein-
flĂĽgels mehr oder weniger weit abtrennt wie in Fig. 8.
Fig. 8.
In zwei Fällen ist es mir gelungen, an menschlichen Em-
bryonen-Schädeln aus dem 10. Monate eine vollkommene Ab-
262
Sitzung der mathrphys, Glosse vom 11. Juni 1898,
trennung der hinteren oberen Spitze der Ala magna
resp. des Intertemporale zu constatiren, sodass hier das
Intertemporale vollkommen individualisirt erscheint, ganz ent-
sprechend der bekannten Individualisirung des Interparietale.
Die von der Ala magna abgetrennten StĂĽcke sind an den mensch-
lichen Embryonen-Schädeln verschieden gross. Bei dem einen
Schädel, bei welchem beiderseitig das Intertemporale selbständig
besteht (Fig. 9 und Fig. 10), zeigen sich rechts und links be-
Fig.9.
trächtliche Grössenunterschiede desselben: rechts grösste Länge
9 — 11mm, grösste Breite 8 — 9 mm. An dem zweiten Schädel
(Fig. 11) findet sich die Abtrennung des Intertemporale nur
einseitig (rechts) und im Ganzen etwas kleiner, die Masse sind
grösste Länge : 9 mm, grösste Breite: 7 mm.
Wenn ich nicht irre, kann auch durch eine annähernd
quer verlaufende Naht der obere Abschnitt der Ala magna,
das Intertemporale, von dem unteren Abschnitt abgetrennt
werden. In einem derartigen Fall mass das in der rechten
J, Bankt: Der Stirnforlsatg dtr Schläfensehuppe. 263
Schläfe abgetrennte Stück 12 mm in der Länge und an der
A1& magna 5 mm in der Breite, und war annähernd viereckig
gestaltet;') an einem zweiten Schädel war das durch eine
Quemaht abgetrennte Stück, durch senkrechte Nähte in der
einen Schläfe, in zwei, in der anderen in drei TheilstUcke zer-
fallen. Auch eine für die Ränder der Hautknochen in früheren
Perioden so charakteristische AuSaserung des Intertemporale
kann sich erhalten. (Fig. 12.)
Diese in der Gegend der Schliifenfontanelle liegenden,
letztere aber in Wahrheit begrenzenden und ihr daher niemals
eigentlich angehörenden, typischen Bildungen de.s Inter-
temporale sind bisher im Allgemeinen mit den atypi-
schen Fontanellknochen der Schläfenfontanclle zu-
') Die Ala magna ist auf der rechten Seite um 6 mm verkĂĽrzt im
Verhältni»» zur linken Seite, an der sich keine Äbapaltung findet.
264
Sitzung der mathrphys. Classe vom 11. Juni 1898.
sani menge werfen, ihr prinzipieller Unterschied wenigstens
nicht genĂĽgend hervorgehoben wordeh. Sie sind aber, was sich
schon aus der oben gegebenen Beschreibung der atypischen
Fontanellknochen ergibt, meist sicher von letzteren zu trennen.
Die atypischen Fontanellknochen, indem sie sich als
neue Formelemente zwischen die vier in der Gegend der
Schläfenfontanelle zusammenstossenden Knochen : Stirnbein,
Scheitelbein, Schläfenbein und grossen Keilbeinflügel, hinein-
Fig. 11.
legen, beeinträchtigen die volle Ausbreitung aller vier Knochen.
Diese Beeinträchtigung ist jedoch, da sie sich, wie gesagt, auf
alle Nachbarknochen in ziemlich gleicher Weise bezieht, im
Allgemeinen meist eine unbedeutende.
Ganz anders ist das Verhältniss bei dem Intertemporale.
Das individualisirte Intertemporale, derZwischenschläfen-
knochen, ist gleichsam von dem grossen KeilbeinflĂĽgel oben
weggeschnitten, nur letzterer wird daher in seiner Ausbildung
/. Ranke: Der StimfortscUz der ScMäfenschuppe.
265
beeinträchtigt: er wird um das abgetrennte individualisirte
oder mit anderen Nachbarknochen verschmolzene Ergänzungs-
stĂĽck verkĂĽrzt.
FĂĽr den Nachweis dieser VerkĂĽrzung bieten die Orangutan-
Schädel der Selenka' sehen Sammlung ein vortreffliches
Material. Unter ihnen findet sich, wie oben gesagt, eine
nicht unbeträchtliche Anzahl solcher, welche nur auf der
einen Schädelhälfte einen Stimfortsatz besitzen, während die
andere Schläfe davon frei ist. Bei solchen Schädeln mit ein-
Fig. 12.
seitigem Stirnfortsatz kann man sonach an demselben Indi-
viduum die verschiedene Höhe der Ala magna mit und ohne
Stimfortsatz der Schläfenschuppe messen.
In der folgenden Tabelle habe ich die Messungs-Ergebnisse
an zehn solcher Schädel zusammengestellt.
266
Sitzung der math.-phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
Tabelle
über die Höhe der AI a magna bei 10 Orangu tan seh adeln
mit einseitigem Stirnfortsatz der Schläfenschuppe.
Bezeichnung Höhe der Ala magna in den Schläfen
der S
chäd
el:
mit Stimfortsatz :
ohne Stimfortsatz :
i/iucrt;ii-/i :
1. Nr,
. 83
9
23
mm
28
mm
+ 5 mm
2. .
207
6
22
n
28
+ 6 .
8. .
119
9
20
28
+ 8 .
4. .
109
9
22
81
+ 9 .
6. »
116
9
20
80
+ 10 .
6. .
140
9
22
25
+ 8 .
7. ,
40
6
21
81
+ 10 .
8. ,
247
9
22
26
+ 4 .
9. .
200
6
26
88
+ 7 ,
10. .
179
6
28
88
+ 10 .
10 Schädel 22,1 mm
28,8 mm = +6,7 mm.
Die Ala magna ist danach im Durchschnitt um V« ^6^-
kĂĽrzt auf der Seite des Stimfortsatzes.
Da das Intertemporale die obere flügeiförmige Verbreite-
rung der Ala magna bildet, wird durch seine Abgliederung
letztere nicht nur verkĂĽrzt, sondern auch entsprechend ver-
schmälert. Der obere Rand der Ala magna zeigt sich dann
meist nach oben vielfach abgerundet, was an die ursprĂĽnglich
nach oben sich zuspitzende oder wenigstens verschmälemde
Form der primordialen Knochenanlage der Ala magna erinnert.
Speziell soll noch einmal direkt darauf hingewiesen werden,
dass das Intertemporale, wie das Interparietale und manche
andere typische Elementar-Bestandtheile des Hirnschädels, so-
weit sie normal zu Knochencomplexen verschmelzen, diese Ver-
schmelzung schon sehr bald, beim Menschen meist schon vor
dem 4. Erabrjonalnionat, erfahren. Im Gegensatz gegen das
Verhalten dieser typischen Elementarknochen verwachsen die
atypischen Fontanellknochen, welche ĂĽberhaupt vielfach weit
später als erstere entstehen, meist erst im späteren, senilen
Lebensalter mit den Nachbarknochen.
J. Bänke: Der Stirnfortsatz der SMäfenschuppe. 267
K. von Bardeleben ^) hat das Epiptericura ak »Post-
frontale** bezeichnet. Abgesehen davon, dass eine solche Be-
zeichnung nicht fĂĽr die grosse Mehrzahl der atypischen Fon-
tanellknochen der Schläfe, sondern nur für das Intertemporale
in Frage kommen könnte, so ist für die menschliche Anatomie
die Bezeichnung „Postfrontale** schon für das oben Beschriebene
Apophysis orbitaria externa durch vonihering*) belegt. Die
vergleichend-anatomische WĂĽrdigung der betrefiFenden Elementar-
knochen des Menschenschädels kann nur im Zusammenhang der
Betrachtung aller entsprechenden Bildungen erfolgen.
Resultate.
Wie das Interparietale, welches beim Menschen und der
Mehrzahl aller Säuger gesetzmässig mit dem Oberrand des
Occipitale verschmilzt, doch bei einigen Säugergruppen (Nage-
thiere und Wiederkäuer) sich nicht mit dem Occipitale superius
sondern mit den Parietalia zu einem, fĂĽr diese Thiere auch
typischen und gesetzmässigen Knochen-Komplex verbindet, so
kann sich auch das Intertemporale, anstatt mit dem
oberen Theil der Ala magna, mit einem der anderen
Nachbarknochen zu einemKnochenkomplex vereinigen.
Bei dem Menschen findet eine solche Vereinigung
in seltenen Fällen
1. mit dem vorderen oberen Hand der Schläfen-
schuppe statt: daraus entsteht der
Stirnfortsatz der Schläfenschuppe,
der Processus frontalis squamae temporis.
2. mit dem unteren hinteren Winkel des Stirn-
beins, daraus entsteht der von mir entdeckte
Schläfenfortsatz des Stirnbeins,
der Processus temporalis ossis frontis.
') K. von Bardeleben, Anatomischer Anzeiger. Bd. XII. 1896.
Erganz.-Heft S. 153—164.
^) V. Ibering 1. c. und oben S. 265.
268 SitMung der math,-phy8. Clause vom 11. Juni 1898,
3. Eine Verwachsung des Intertemporale mit dem vorderen
unteren Winkel des Scheitelbeins habe ich beim Menschen bis-
her noch nicht sicher nachweisen können.
4. Ganz ähnlich wie bei dem Menschen sind die typischen
Verwachsungsverhältnisse des Intertemporale bei der Mehrzahl
der Affen.
Auch bei diesen, so namentlich bei Orangutan und Hylo-
bates, ist die Verschmelzung des Intertemporale mit dem oberen
Ende der Ala magna das Gewöhnliche.
Daneben findet sich aber gelegentlich bei diesen Menschen-
affen , und zwar bei Hjlobates kaum häufiger als bei dem
Menschen, auch eine Verschmelzung des Intertemporale mit
der Schläfenschuppe zu einem Stirnfortsatz.
Ein Schläfenfortsatz des Stirnbeins ist bei den Affen bisher
noch nicht beschrieben.
Dagegen fand ich mehrfach an Orangutanschiideln eine
doppelte Verschmelzung des Intertemporale, unten mit
der Ala magna, oben mit dem vorderen unteren Winkel des
Scheitelbeins, sodass eine zusammenhängende Knochenbrticke
zwischen Stirnbein und Schläfenschuppe gebildet wird.
Bei Gorilla und Schimpanse und jenen oben genannten
niedrigeren Säugethieren ist der Stimfortsatz der Schläfenschuppe
das gewöhnliche Vorkommniss. Bei ihnen verschmilzt fast
ausnahmslos das Intertemporale nicht mit der Ala magna
sondern mit der Schläfenschuppe zur Bildung des Stimfort-
Satzes derselben.
Dieses Wechsel verhältniss der Verschmelzung mit ver-
schiedenea Nachbarknochen entspricht im Principe jenem oben
von dem Interparietale erwähnten.
5. Da das Intertemporale durch Verschmelzung mit der
Schläfenschuppe den Stirnfortsatz derselben bildet, so lässt sich
bei den Schläfen mit Stirnfortsatz eine entsprechende Verkür-
zung und VerkĂĽmmerung der Ala magna, deren oberes ver-
breitertes EndstĂĽck das Intertemporale sonst bildet, nachweisen.
J. Bänke: Der Stirnfortsatz der Schläfenschuppe. 269
Beschrelbungr der AbbildoBgren im Texte.
Figur la und b (S. 246 und 247): Männlicher, jugendlicher Schädel aus
dem Bismarckarchipel.
Fig. la: Hechte Schläfenansicht.
Fig. Ib: Linke Schläfenansicht.
Figur la: Schläfenforiaatz des Stirnbeins. Vom Stirnbein springt
unten beinahe senkrecht nach hinten gewendet ein breiter Fort-
satz vor und verbindet sich mit dem vorderen oberen Rande
der Schläfen schuppe. Die Ala magna ist entsprechend verkürzt
und von der BerĂĽhrung mit dem Scheitelbein vollkommen aus-
geschlossen.
Figur Ib: Stirnfortsatz der Schläfenschuppe. Von dem vorderen
oberen Rand der Schlüfenschuppe springt, ganz dem Schläfen-
fortsatz des Stirnbeins in Figur 1 a entsprechend, ein grosser
breiter Stimfortsatz der Schläfenschuppe gegen das Stirnbein
vor. Derselbe schliesst ebenfalls die entsprechend verkĂĽrzte Ala
magna von der BerĂĽhrung mit dem Scheitelbein aus.
Figur 2 a und b (S. 248 und 249): Die Schläfenansicht zweier Schädel,
bei welchen gleichzeitig grosse Stirnfortsätze der Schläfenschuppe
und Schläfen-Fontanellknochen vorhanden sind.
Figur 2a: Rechte Schläfenansicht eines Schädels vom Bismarck-
archipel. Ein breiter an seiner Basis etwas eingezogener Stirn-
fortsatz des Schläfenbein« erhebt sich von dem vorderen oberen
Rande der Schläfenschuppe und trennt die entsprechend ver-
kĂĽrzte Ala magna von der BerĂĽhrung mit dem Scheitelbein ab.
Hinter dem Stirnfortsatz zwischen dem Oberrand der Schläfen-
schuppe und dem vorderen unteren Winkel des Scheitelbeins
zeigt sich ein länglicher unregelmässig gestalteter Schläfen-
Foutanellknochen .
Figur 2b: Schläfenansicht eines Schä^lels von den Neuhebriden nach
R. Virchow. Das Verhältniss entspricht ganz dem vorhin (Fig. 2 a)
beschriebenen.
Figur 3 iS. 259): Linke Schläfenansicht eines Negerschädels (Pare) mit
wohlausgebildetem grossen KeilbeinflĂĽgel, dessen Oberrand sich
breit vorn an den unteren Rand des Scheitelbeins anlegt.
Figur 4-12. Abbildung von Schädeln von Embryonen und Neugebore-
nen der Müncheiier Stadtbevölkerung. Fig. 4 7 Schädel aus dem
5. bis G. Entwickeluugsmonat.
Figur 4 (S. 260): An der nach oben sich verschmälornd und
abgerundet zugehenden Ala magna erkennt man noch die
Trennung der beiden Abschnitte der letzteren, das In ter tem-
porale zeigt die Hautknochenstruktur und ist durch eine feine
Zackenlinie (Fötalnaht) abgegrenzt.
270 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 11, Juni 1898.
Figur 5 (S. 260): Der Oberrand der Ala magna zeigt hier wie bei
Fig. 6, 7 und 8 Spuren der Abtrennung des Intertemporale. Bei
Fig. 4 ist der Oberrand des grossen EeilbeinflĂĽgels aurch einen
seichten Einschnitt gleichsam gelappt.
Figur 6 (S. 261): Die Trennungsspalte (Rest der Fötalnaht) schneidet
annähernd senkrecht von oben nach unten in den grossen Keil-
beinflĂĽgel ein und halbirt denselben nahezu.
Figur 7 (S. 261): Die Verlaufsrichtung der Trennungsspalte (Rest
der Fötal naht) geht schief von hinten nach vom.
Figur 8 (S. 261): Schädel aus dem 10. Entwickelungsmonat. Die
Trennungsspalte (Fötalnaht) schneidet von der Mitte des Ober-
randes der Ala magna, schief nach unten und hinten gerichtet,
tief ein, das Intertemporale fast vollkommen abtrennend.
Figur 9 und 10 (S. 262 und 263): Rechte und linke Schläfenansicht
eines Neugeborenen-Schädels mit doppelseitiger vollkommener
Abtrennung und Individualisir an g des Intertemporale von
der übrigen Ala magna. Die offen gebliebene Fötalnaht schneidet
wie bei Fig. 8 nahe dem vorderen Rand der Ala magna in diese
schief nach unten und hinten ein. Der Rand des dadurch ab-
getrennten Intertemporale zeigt noch die charakteristische
Auffaserung der Hautknochen, das obere Ende der ĂĽbrigen Ala
magna spitzt sich in der charakteristischen Weise zu , wie
es der ursprĂĽnglichen embryonalen Form der Ala entspricht.
Rechts ist das Intertemporale kleiner als links.
Figur 11 (S. 264): Rechte Schläfenansicht eines Schädels aus dem
10. Entwickelungsmonat mit vollkommen abgetrenntem und
individualisirtem Intertemporale, die linke Schläfe zeigt
keine Trennungsspuren (Fötalnahtreste) des letzteren. Die offen
gebliebene fötisile Naht zwischen der übrigen Ala magna und
dem Intertemporale schneidet nahezu senÂŁ:echt ein, etwa der
theilweisen Trennung in Abbildung No. 6 S. 261 entsprechend.
Figur 12 (S. 265): Linke Schläfenansicht eines Schädels aus dem
10. Entwickelungsmonat, welcher das Intertemporale ohne
Trennungsspur in der fĂĽi* die Hautknochen charakteristischen Weise
gleichsam aufgefasert zeigt, ebenso den unteren Scheitelbein-Rand.
In Fig. 5 bis 12 ist durch eine von dem unteren Ende der Kranz-
naht in das Stirnbein einschneidende Linie die Trennungsspur des
Postfrontale vom Stirnbein angedeutet, s. S. 254 und 255.
271
Die Bengungsfigur im Fernrohr weit ausserhalb
des Focns.
Von K. Schwarzschild.
{SingttauftH 11. Juni.)
(Mit Tftfel I.)
§ 1. Die Beugungsfigur einer punktförmigen Lichtquelle im
idealen, aplanatischen Fernrohr ist unter Benutzung der Theorie
der BesseFschen Funktionen von H. Struve ^) und ausfĂĽhrlicher
von E. V. Lommel*) gehandelt worden. Nur in einem Punkte
erscheinen diese Untersuchungen noch der Ergänzung fähig. Sie
beziehen sich nämlich nur auf Einstellungen in ziemlicher Nähe
des Focus. Das Interesse des Gegenstandes fĂĽr den Mathe-
matiker, wie fĂĽr den Optiker, und die RĂĽcksicht auf die ver-
schiedenen Anwendungen des Fernrohrs, bei welchen Ein-
stellungen weiter ausserhalb des Focus in Betracht kommen,
machen es aber wĂĽnschenswert, die Theorie auch fĂĽr letztere
Fälle näher auszuführen. Das ist im Folgenden geschehen.
Es zeigt sich, dass die Lichtintensität im Beugungsbilde weiter
ausserhalb des Focus einer Darstellung durch semikonvergente
Iteihen fähig ist, auf deren erste Glieder man sich in Praxis
beschränken kann. Der anscheinend so verwickelte Verlauf
der Lichtintensität längs jedes Radius des kreisförmigen Beu-
gungsbildes stellt sich dann dar als Uebereinanderlagerung
*) Die allgemeine Beugungsfigur im Fernrohr. Memoires de TAc.
d. Sc. de St. Petersbourg. 1886.
*) Die Beugungserscheinungen einer kreisrunden OeflFnung und eines
kreisrunden Schirmchens. Abhandlungen der math.-phjs. Klasse der
bajer. Akad. d. Wissenschaften. 1886.
1898. SiUnngbb. d. niatli -pliys. C1. 18
272 Sitzung der matK-phys. Glosse vatn 11. Juni 1898.
zweier Wellen, welche angenähert die Form von Sinuskurven,
aber verschiedene Wellenlänge und Amplitude haben, über
diejenige konstante mittlere Intensität, welche bei geradliniger
Fortpflanzung des Lichts auftreten wĂĽrde.
§ 2. Trifft eine ebene Welle, welche von einem unendlich
fernen Punkte in der Axe eines fehlerlosen Objektivs kommt,
auf dieses auf und wird von ihm gebrochen, so verwandelt
sich die ebene Welle in eine kugelförmige, welche zum Centrum
den Brennpunkt des Objektivs hat und unmittelbar hinter dem
Objektiv über das ganze durchgetretene Bereich der Wellenfläche
hin mit gleicher Amplitude schwingt. Aus dem Huyghens'schen
Prinzipe erhält man dann für die Lichtintensität J in irgend
einem Punkte P hinter dem Objektiv den Ausdruck:
J^S^+T^ 1)
wo S und T definiert sind als reeller und imaginärer Teil des
Integrals :
Tr= iS + iT = pa e-ÂĄ<'^+^ 2)
Hierin bezeichnet da ein Element der Wellenfläche, A die
Distanz des Punktes P von diesem Elemente, X die Wellen-
länge und d eine beliebige reelle Eonstante, die aus dem Werte
J der Norm von W offenbar herausfällt. Das Integral ist
dabei über sämtliche Elemente der WeUenfläche zu erstrecken.
Nun lege man ein rechtwinkliches Goordinatensystem durch
den Brennpunkt, dessen x-Axe in die Axe des Objektivs falle.
Die Coordinaten des Elementes da der WeUenfläche seien f,
17, f, die des Punktes P seien w, v, 0. Wir dĂĽrfen die dritte
Coordinate des Punktes P null setzen, weil offenbar die ganze
Beugungsfigur zur Objektivaxe symmetrisch ist und durch
Rotation der in einem Schnitte durch die Axe erhaltenen Figur
um die Axe geliefert wird. Es ist dann:
FĂĽhrt man weiter Polarkoordinaten mit dem Brennpunkt als
Pol ein durch die Gleichungen:
S = f cos 1? 7] =fsind^ cos (p C = /^ sinii> sin 9?
K, Sehwareschild: Die Beugungsfigur im Fernrohr etc. 273
wobei f die Brennlänge bezeichnet, so erhält man :
A^ = (f — uY -\' ifu sin* ^ '\' v^ — 4t fv sin -^ cos -^ cos (p
Setzt man noch:
2 sm 2 = ^
und entwickelt bis auf Glieder dritter Ordnung in q genau,
so folgt*):
Das Flächenelement do hat den Ausdruck:
da=if^ sin '&d&d(p=PQdQd(p 4)
Man nenne nun ^, den halben OeflFnungswinkel des Objektivs
und fĂĽhre die AbkĂĽrzungen ein:
Durchläuft man die Wellenfläche von der Aie bis zum Rande,
so wächst r von 0 bis 1. Die Grösse p andrerseits ist dem
Abstände v des Punktes P von der Axe proportional und wird
nahezu 1 in der Grenze des geometrischen Schattens der Kugel-
welle. Denn man hat an dieser Grenze offenbar:
mithin:
— = sm xr.
u *
sint?,
P = ir
2"i
ein Ausdruck, der fĂĽr kleines dp ein Objektiv von massigem
Oeffhungswinkel, nahezu den Wert 1 hat. Die Grösse w ist
eine Konstante fĂĽr konstantes w, fĂĽr jede zur Axe senkrechte
^) Darüber, dass die Glieder höherer Ordnung vernachlässigt werden
dĂĽrfen, vgl. Kirchhoff, Optik pag. 62 und 86, sowie Strehl, Theorie des
Femrohrs (Leipzig 1894), p. 55.
18*
274 Sitzung der matK-phys, CloBse vom 11, Juni 1696,
Ebene, also fĂĽr jedes einzelne Beugungsbild. Um uns einen
Ueberblick ĂĽber ihre Werte zu verschaffen, wollen wir Licht
von der Wellenlänge 0.0005 mm und ein Objektiv von 30 cm
Durchmesser und 3 m Brennweite zu Grunde legen. FĂĽr eine
Verschiebung von u Millimetern aus dem Focus wird dann
ffenähert:
m = 31.4 w
Beträgt also u nur wenige Millimeter, so wächst m bereits
ĂĽber 100. Derartig grosse Werte von m werden wir im Fol-
genden voraussetzen.
Wählt man nun noch für die Eonstante d den Wert :
und führt die Ausdrücke 3) bis 6) in 2) ein, so erhält man
fĂĽr das auszufĂĽhrende Integral:
0 0
Da es hier gleichgĂĽltig ist, welche Einheit wir fĂĽr die Licht-
intensität wählen, so dürfen wir W mit einem beliebigen Faktor
multiplizieren. Wir nehmen hierfĂĽr:
mi
und spalten das hiermit multiplizierte W gleich in zwei Teile,
indem wir setzen:
W = W,-W^ 7)
0 0
A* 2n
8)
W, = '^^^e-T<^-'''^-^^\drd<p
1 0
Dabei soll K eine Konstante bedeuten, welche wir später ins
Unendliche wachsend denken wollen.
K. SehtoargsckUd: Die Beugungsfigur im Fernrohr etc, 275
§ 3. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem Integral Wy
Fasst man r und q? als Polarkoordinaten eines Punktes in einer
Ebene auf, nennt df das Flächenelement dieser Ebene und s
die Entfernung des beliebigen Punktes r, q> vom Punkte mit
den Coordinaten r=p, 9? = 0, so erhält man für W^ den
Ausdruck :
und dabei ist das Integral ĂĽber einen mit dem Radius K um
den Nullpunkt beschriebenen Kreis zu erstrecken. FĂĽhrt man
letzt Polarkoordinaten s, yf mit dem Punkte p, 0 als Pol ein,
die also mit rund q> durch die Gleichungen zusammenhängen:
r* = s* — 2sp cos V' + i'* r sin 9? = 5 sin v^
so geht das Integral ĂĽber in :
lr, = ^ l6 « sdsdxp
imd hierbei ist der Grenzkreis der Fläche, über die das Integral
zu erstrecken ist, durch die Gleichung:
bestimmt. In dieser Form lässt sich aber die Integration nach s
ausfĂĽhren :
0 0
Hierin ist fĂĽr s* der aus 9) folgende Wert einzufĂĽhren.
Derselbe ist:
5* = £"* + ^* cos 2 v^ + 2p cos xp YK^ — p^ sin* ip
oder, wenn q eine fĂĽr alle grossen Werte von K endliche
Grösse bezeichnet:
s^ =^ K^ -^ 2p K cos V + i>* cos 2 v^ + -^
276 Sitzung der matK-phya. Cliuse vom 11, Juni 1898,
FĂĽr das Integral in 10) folgt somit:
0 0
Der entstellende Integrand enthält den Faktor:
^-«•p cosy __. cos(mjpJSL'cosv^) — i sin {mp K costp)
dessen reeller, wie imaginärer Teil mit wachsendem K immer
rascher, fĂĽr immer geringere Aenderungen von tp^ zwischen
den Grenzen -^ 1 oscilliert. Man beweist unschwer nach be-
kannten Mustern, dass infolge dieses Umstandes fĂĽr lim K=soo
das ganze Integral verschwindet, und erhält dann aus 10):
FĂĽr limJr=oo:
W^ = 1 11)
§ 4. Um weiter das Integral W^ auszuführen, erinnere
man sich der Integraldarstellung der Besserschen Funktion:
0
Mit ihrer HĂĽlfe kann man in 8) die Integration nach (p
ausführen und erhält, wenn man zugleich K ins Unendliche
wachsen lässt:
W^ = miJe~'^^'*'^^^J^{mpr)rdr 12)
1
Das hier erscheinende Argument der Besserschen Funktion
mp r wird, da r > 1 ist und es sich fĂĽr uns um grosse Werte
von m handelt, gross, so lange nicht p sehr klein ist, so lange
es sich nicht um Punkte nahe der Axe, dem Centrum des
Beugungsbildes handelt. Man wird daher, von letzterem Fall
abgesehen, mit Vorteil von der bekannten semikonvergenten
Entwicklung der BessePschen Funktion fĂĽr grosses Argument^)
Gebrauch machen können, die sich in der Form schreiben lässt:
*) Vgl. Lommel, Studien ĂĽber die Besserschen Functionen, p. 68.
K, SehwargschĂĽd: Die Beugungsfigur im Fernrohr^. 277
wo Ă„{x) durch die semikonvergente Reihe geliefert wird:
1* 1 1* • 3* 1
Ä{x)^l + — j^^^ + -gp p-^ + . . . 13)
Indem wir das erste Glied dieser Entwicklung von den
ĂĽbrigen abtrennen, schreiben wir:
ix ^ -_^«-f_
y27tx y2nx
Durch Einsetzen dieses Ausdrucks in 12) erhält man:
OD
W. = """ - ^e 2 ' " Vrdr
' 14)
-l__ OD OD
, mie ^ f -'^(•^+P)S>^^ , -f -Y^'*+P"^ r/ \ /
-| — Ig 2 yrar+m^le -^ J^{mpr)'rdr
y2jimp^ ^
Die beiden ersten Integrale lassen sich durch partielle
Integration in folgender Art umformen:
mite
/r?"-'V...=[-r?"-"^f
00 j
^ im
15)
I
mtle * yrar= —
e ^ — j —
1
16)
278 Sitzung der mathrphys. Classe vom 11. Juni 1896.
Die hier rechts auftretenden Integrale sollen mit W^ und
W^ bezeichnet werden. In W^ und W^ würde man eine ähn-
liche partielle Integration ausführen und so fortfahren können
und dabei offenbar jedes Mal Yon Neuem den Faktor m in
den Nenner treten sehen. Ein ähnliches Verfahren liesse sich
aber auch auf die aus den folgenden Gliedern der Entwick-
lung 13) entspringenden Integrale anwenden. Was man so
im Oanzen schliesslich erhielte, wäre eine semikonvergente
Entwicklung von TP, nach negativen Potenzen von m. Wir
begnĂĽgen uns damit, die ersten Glieder dieser Entwicklung
explicit aufzustellen und eine Formel fĂĽr den Rest anzugeben.
Die eben erhaltenen Formeln geben:
mije 2^' ^^"Yrdr = ^-^^-~ \r W^
1
mije « ^"^'^Yrdr^^-—— + TT,
1
und, wenn man dies in 14) einsetzt:
^(1-P)«-^ _«'(i+p>.+^ 17)
y2nmp ^—P y2nmp ^+P
worin R die Sunmie der drei Integrale ist:
® mi
e * Jo{mpr)rdr
1
5° mi. .. ^i
^ - fr^^'"'^'"^-'' (-^)d
j dr \r — p)
YinmpJ
Y2^tnpJ dr\r+pj
Eine obere Grenze fĂĽr diesen Rest R habe ich nun auf
folgende Weise gewonnen. Ich habe zunächst ähnlich, wie
K. SchwareschĂĽd: Die Beugungafigur im Fernrohr ete, 279
in 15) und 16), in allen drei Integralen einmal partiell inte-
griert, so dass der Faktor m in den Nenner trat. Femer habe
ich die Maxima und Minima der Integranden aufgesucht und
nach den Mittelwertsätzen Grenzen ftlr die Integrale über die
dazwischen liegenden Intervalle aufgestellt. FĂĽr das erste
Integral habe ich dabei von dem Satze Gebrauch gemacht, dass
der Modul des Restes der Entwicklung 13) kleiner ist als der
Modul des ersten ausgelassenen Gliedes. So fand sich fĂĽr den
Rest R ein Ausdruck von der Form:
Mod i^<-$=^-^ 18)
in welchem K^ und K^ die nachstehenden Funktionen von |?
bedeuten :
IT 1 27 1 1
1/2^ 64 /'• 1 —i?
_ 1 -f 6;? — Zf' 1 — 6jp — %f_
fĂĽr: 0<ĂĽ< ^-=
^ l + 6j>-3j>> ,1 1 1
für: — ^-^<;,<j/ A — 1
1/24 r 3
^ =
4 V2 71 p^ {l+pf 1/2 TT (5 + 1/24)*" (4 + 1/24)* p^
19)
^^ 71 c ■/ — — I
5 + 1/24
l +&P — Sp* _ l — 6p — 'dp*
4 Vi'np''' (1 + p)* W^^p''' (1 —pf
+ -J -_i 1
Y27i (5 + 1/24)''' (4 + V2if p*
fUr:|/| -KiXl
Die Werte dieser Funktionen sind folgender kleiner Tafel
zu entnehmen:
280
SÜBung der math.-fhj/». Clasie vom 11. Jum 1898.
p
100^*
iT.
P
* K
Kt
O.Ol
168
199
0.50
0.0
6.4
0.02
29.7
70.8
0.60
0.0
12.5
0.03
10.8
87.9
0.65
0.0
18.5
0.05
3.0
17.8
0.70
0.0
29.5
0.10
0.5
5.8
0.75
0.0
51.1
0.20
0.1
2.1
0.80
0.0
99.9
0.30
0.0
2.7 :
0.85
0.0
287
0.40
0.0
3.9
0.90
0.0
798
Mit dem aus der Tafel und Gleichung 18) zu entnehmen-
den maximalen Reste R erhält man nach 17), 11) und 7) für
das gesuchte Integral W den einfachen Ausdruck:
W=l —
^'(i-P)«-^
~'(i+f)H-^
Y2~7i
mp
1 — p y^nrnp 14-1>
- A)
§ 5. Die Formel 18) verbunden mit 19) und die Tafel
lassen erkennen, dass der Rest 12 gross wird, sobald sich p
der Null oder der 1, dem Centrum oder dem Rande des Beu-
gungsbildes nähert, dass mithin die Formel A) nur für einen
mittleren ringförmigen Streifen des Beugungsbildes anwendbar
ist, der ĂĽbrigens bei vorgeschriebener Genauigkeit um so breiter
wird, je mehr m wächst. Es soll daher eine andere Darstellung
von W abgeleitet werden, welche auch für grösseres p^ für
Randpunkte brauchbar bleibt.
Man schreibe an Stelle von 15):
00
mite 2 ^'' ^^* Yrdr
20)
OD
= mi^e'T^'-^^Wr — Y~p)dr -^ miVp[i
l'(r-p).^^
i
K. Schwaruchäd: Die Beugungsfigur im Femrohr etc. 281
und integriere nur das eiste Integral partiell:
00
im
1 21)
L yr^y-p\^J^ dr\yr^yp)
Man nenne das hier rechts stehende Integral W^ Man bemerkt,
dass W^ nicht wie TTj, einen Nenner r — p im Integranden hat,
der an dem grossen Werte des obigen Restes R fĂĽr p in der
Nähe von 1 schuld ist. Aus 20) imd 21) findet man:
OD _!!? (!_«)• ®
1 \ Y P ^
und durch Einsetzen in 14):
1 c-T<i-h')'+-4- , 1 c-T <'-''• -T
V^^fnp 1 +i? y2nmp 1 +Vl>
/ * . 22)
wobei sich S von B dadurch unterscheidet, dass W^ an Stelle
von Wf tritt. Für i? habe ich nun ähnliche üeberlegungen
ausgefĂĽhrt, wie sie oben fĂĽr R geschildert worden sind, und
erhalten :
Mod ir < 5= + "§= 23)
wobei Ă„l und K2 die folgenden Funktionen von p sind:
1 27 1 1
V^ 128 //• 1 + 1> 24)
iCi =
£' = 1_ L I J_ + 1 + 6i> - 3 j?» l+3Vi>j
282
SĂĽzung der math.-phya. Glaste vom 11, Juni 1898.
deren Werte nachstehendem Täfelchen entnommen werden
können :
p
K\
ä;
P
K\
^;
0.10
24.1
24.1
0.70
0.1
0.4
0.20
3.8
6.2
0.80
0.1
0.8
0.30
1.2
2.2
0.90
0.1
0.2
0.40
0.6
1.3
1.00
0.0
0.2
0.60
0.3
0.8
1.10
0.0
0.1
0.60
0.2
0.5
1.20
0.0
0.1
Mit dem aus dieser Tafel und Formel 23) zu entnehmenden
maximalen Rest R' erhält man nach 22), 11) und 7) für W
den Ausdruck:
W= 1 —
e 2 ^ ^^' ^ 4
0 2^^* 4
Y2 71 mp
OD
y 2 71 mp 1 -\-Vp
_,|/»j^..W-¥,
B)
Dass hier in dem Ausdruck von W fĂĽr Randpunkte gerade
dieses Integral stehen bleibt, entspringt nicht einer UnvoU-
kommenheit unsrer Behandlungsweise , sondern ist eine Not-
wendigkeit. Denn die Beugungsfigur im idealen Fernrohr ist
identisch mit der Beugungsfigur einer kreisförmigen Oefiiiung *)
und zwar einer Oeflhung von um so grösserem Radius, je
grösser m ist. Für grosses m wird daher der Rand der kreis-
förmigen Oeffnung streckenweise nahezu durch einen gerad-
linigen ersetzt werden können, und es wird als Hauptglied
dieses Integral auftreten mĂĽssen, welches von 1 abgezogen
das fĂĽr die Beugungserscheinung eines geradlinigen Randes
geltende W ergiebt. Letzteres ist z. B. der Abhandlung von
E. V. Lommel: „Ueber die Beugungserscheinungen geradlinig
1) Vgl. Kirchhoff, Optik p. 83 ff.
K, SchwarĂźschild: Die Beugungsfigur im Femrohr etc, 283
begrenzter Schirme* *) zu entnehmen, in welcher ausserdem
Tafeln fĂĽr das Integral gegeben sind, von denen wir Gebrauch
zu machen haben. Um ganz auf die LommeFsche Form zu
kommen, setze man:
y (^ — i>)* = ^ y (1 — JP)* = ?
Läuft r von 1 bis oo , so läuft a?, falls p kleiner als 1 ist,
von g bis 00, falls aber p grösser als 1 ist, zunächst von q
nach 0 und erst dann von 0 bis oo. In RĂĽcksicht auf diese
Verschiedenheit folgt:
FĂĽr i> < 1 :
___ 00 . OD /
1 0
00 , 9 / 9
0 0 u
,J j/ Acosa:d:r -ij [/ A ain^d^_^.J [/ 1
FĂĽr j9 > 1 :
1
OD
0 0 0
Mit Hülfe der folgenden Formeln, die man § 34 und 76
der LommePschen Abhandlung entnimmt:
OD , OD ^—
I 1/ — smxdx= I 1/ — cosxdx= 1
0 0
X
1 n / 2 11 1
0
^) Abhandlungen der kgl. bajer/ Akademie der Wissenschaften 1886.
288 Sitzung der mathrphys. Cl(M$e vom 11, Juni 1898.
Es bangt also vom Werte von m ab, ob im Centrum
Dunkelheit oder möglicher Weise eine maximale Helligkeit
herrscht, und geringe Aenderung der Einstellung fĂĽhrt schon
einen Wechsel zwischen diesen Extremen herbei. Um das
Centrum lagern sich dann eine Reihe heller und dunkler Ringe,
die nach III zu berechnen sind und wesenthch durch das
Oscillieren der Funktion Jq (m p) bestinunt werden.
Von welcher Grenze an sind nun die Formeln I und 11
zu verwenden? Da das Auge Helligkeitsdifferenzen unter l®/o
unter den hier in Betracht kommenden Verhältnissen keines-
falls unterscheiden kann, genĂĽgt es, wenn man J auf O.Ol
genau berechnet, was erreicht ist, wenn man den Wert von W
auf 0.005 richtig bestimmt hat. Man entninmit den obigen
Tafeln und Formeln fĂĽr die Reste R und R^ dass diese Ge-
nauigkeit von den Formeln I resp. I' und ĂĽ resp. H' geliefert
wird innerhalb der Grenzen:
Formel I und II.
fĂĽr m = 100 von p = 0.11 bis p = 0.44
300 « « == 0.04 „ „ = 0.68
900 « « = O.Ol „ „ = 0.82
Formel T, II und 11'.
fĂĽr w = 50 und p > 0.35
100 , i>>0.21
300 , p> 0.10
Man bemerkt weiter, dass, soweit fĂĽr K und Je die
Formeln I verwendbar sind, die quadratischen Glieder in H
den Nenner m, die linearen Glieder nur den Nenner Ym er-
halten. Erstere Glieder werden .also klein gegen letztere und
man erhält für das mittlere Gebiet der Beugungsiigur die
Näherungsformel :
y Ttmp 1 — p L2 4J
Y nmp \-\' p L2^ 4J
K, SchwarzsehĂĽd: Die Beugungafigur im Femrohr etc. 289
Aus dieser Formel liest man den Satz ab, der schon in
§ 1 hervorgehoben wurde: Ueber die mittlere Intensität 1
lagern sich zwei WellenzĂĽge, deren einzelne Win-
dungen nahezu die Form von Sinuskurven haben.*)
Denn die Argumente wachsen (ausser fĂĽr die hier ausge-
schlossenen Werte von p in der Nähe von 1 beim ersten Glied)
nahezu proportional mit p, die WeUenlänge ist
fĂĽr die erste Welle filr die zweite Welle
und die Amplituden ändern sich für das vorausgesetzte grosse
m nur wenig innerhalb dieser Wellenlängen. Die Anzahl der
Maxima und Minima zwischen p = 0.1 und p = 0.5 wird
bei der ersten Welle und bei der zweiten Welle
fĂĽr w = 100 9 fĂĽr m = 100 17
m = 900 81 w = 900 163
Die Amplitude der Schwingungen nimmt von innen nach aussen
bei der ersten Welle anfangs ab, dann zu, bei der zweiten ständig
ab. Im halben Radius des Beugungsbildes {p == 0.5) beträgt sie:
1. Welle 2. WeUe
für m = 100 : + 0.23 ± 0.08
„ 900 : + 0.08 ± 0.03
FĂĽr m = 900, was einer Verschiebung von 3 cm aus dem
Focus bei einem Femrohr von 30 cm Oeflfnung und 3 cm Brenn-
weite entspricht, betragen also die Schwankungen der
Intensität um den Mittelwert in der Nähe des halben
Radius des Beugungsbildes nur mehr ll^/o.
Die Erscheinung, die sich aus der Uebereinanderlagerung
dieser beiden Wellen von verschiedener Wellenlänge ergiebt, ist
sehr verwickelt und wechselt in allen ihren Einzelheiten rasch
mit jeder Aenderung von w.
*) Man überzeugt sich leicht, dasa die Intensität 1 diejenige Inten-
sität bedeutet, welche bei geradliniger Ausbreitung der Lichtstrahlen
gleichförmig über die ganze extrafokale Lichtscheibe herrschen würde.
19*
290 SĂĽtung der mcUhrphya, Cltuse vom 11. Juni 1898.
Stärkere Schwankungen der Intensität bleiben, auch fur
beliebig grosses m, am Rande des Beugungsbildes be-
stehen. Denn es tritt hier — das liess sich, wie erwähnt,
voraussehen — dieselbe Erscheinung auf, wie am Rande
eines gradlinigen Schirms. Der Wert von L und der
Wert des zweiten Gliedes von K cos k in Formel I' sinkt am
Rande des Beugungsbildes (p = 1) schon fĂĽr m = 100 auf 0.02.
Man erhält also eine sehr genäherte Darstellung der Erscheinung
am Rande, wenn man:
L = 0
Kcosk = Y^i t^(l — ^)T Ksmk = y F, [m(l — ;?)»]
setzt. Hieraus folgt aber durch einfache Umstellungen in 11
und U':
FĂĽr 1? < 1 :
^= { 2 ^1 [^Ki -py^ - cos[|^ (1 --py + ^]p
FĂĽr p>l:
j^= { 2 n [^(1 ~py']f+ [y ^i t^(i â– ~^)'jf
Diese Ausdrücke stimmen, wenn man x = fn(l — pY setzt,
überein mit den von Lommel a. a. 0. § 127 gegebenen und in
Tafel XXI. und XXII. tabulierten AusdrĂĽcken fĂĽr die Beugung
an einem gradlinigen Rande. Diesen Tafeln ist folgendes zu
entnehmen (was man auch leicht aus den Formeln in Verbindung
mit den obigen kleinen Tafeln fĂĽr F| und Kj ableitet).
Am Rande des geometrischen Bildes (^ = 1) beträgt die
Intensität -. der Durchschnittsintensität 1. Sie sinkt dann
4
nach aussen, in den geometrischen Schatten hinein, beständig
und schnell ab. Nach innen hingegen wächst sie und erreicht
ein Maximum von 1.37 fĂĽr:
K, Schwarzschild: Die Beugungsfigur im Fernrohr ete, 291
2 2
m (1 — py = 4.65 p=l ^
ym
sinkt dann wieder auf 0.78 ftir:
m (1 —py = 11.0 p=l — ^
ym
um hierauf weitere kleinere Schwankungen auszufĂĽhren.
Die ganze Beugungsfigur erscheint demnach umgeben von
einem hellen, durch einen relativ dunkeln Zwischenraum abge-
trennten Ring, welcher ĂĽbrigens noch ganz innerhalb der Grenze
des geometrischen Bildes zu liegen kommt.
Wir wollen uns schliesslich klar machen, welche schein-
bare Breite (vom Objektiv aus gesehen) die hier auftretenden
Ringe haben, welcher Winkelwert ihnen entspricht.
Die scheinbare Grösse x ^^ Radius des geometrischen
Bildes ist, wenn v den Abstand eines Randpunktes desselben
von der Axe bezeichnet, bestimmt durch:
V
sm X = 7
Für einen Punkt im geometrischen Rande war aber in § 2 :
— = sm V.
u *
wo t?j der halbe Oeflftiungswinkel des Objektivs ist. Demnach:
sin y = 7; sm v,
Die Einheit der Wellenlängen, wie sie die Gleichungen 25)
geben, war der Radius des geometrischen Bildes. Der Winkel wert
dieser Grössen ist daher, wenn man Sinus durch Bogen ersetzt:
, 2 JT M sin t?, . 2 71U sin t>,
^P' X = —7r ^ 1 resp. Ap* x^=^ —Tc \ i â–
m{j — u) \ —p r X A ^^ — ^ 1 +i>
und wenn man den Wert von m nach 5) einfĂĽhrt:
l cos»-^ ;i cos»-^
292 SĂĽzung der matK-phya, Glosse vom 11, Juni 1898.
Bedenkt man, dass 2 f sin ^, gleich dem Objektivdurch-
messer d ist und dass cos* -^ gleich 1 gesetzt werden kann, so
erhält man für die scheinbare Breite der Ringe, wie sie in
dem mittleren Gebiete der Beugungsfigur auftreten:
d. h. die scheinbare Breite dieser Ringe ist unabhängig von
der Grösse der Verschiebung aus dem Focus. Für die
oben Yorausgesetzten Grössenverhältnisse des Femrohrs imd
p = 0.5 erhält man:
VA resp. OrS
Diese Grössen bedeuten die Breite eines hellen Rings und
des auf ihn folgenden dunkeln Rings zusammengenommen, also
den Abstand auf einander folgender heller Ringe.
Anders steht es mit den Ringen am Rande der Beugungsfigur.
Betrachtet man als Breite des äussersten Rings den Abstand des
ersten Minimums lp=l ^J vom geometrischen Rande,
\ YmJ
also die Grösse:
3.3
0 = —=z.
so ist der Winkelwert dieser Grösse:
3.3 ti
und hierfür erhält man mit Hülfe der Gleichungen 5):
3.3 Ym-X . t>i
by = — j—. — r- COS -—•
^ 2ji/8int>, 2
oder ähnlich, wie oben:
6 . ;^ = 1.1 |/m • -j
Die Ringe am Rande der Beugungsfigur nehmen
also mit wachsendem m an scheinbarer Breite und
hiermit an Deutlichkeit zu.
K, SchwarzschĂĽd: Die Beugungsfigur im Femrohr etc.
293
§ 8. Es soll schliesslich die Beugungsfigur für m = 100
(3 mm Verschiebung aus dem Focus eines Fernrohrs von 30 cm
Oefl&iung und 3 m Brennweite) ausgefĂĽhrt werden. Man sieht an
diesem Beispiel am besten, wie sich die drei verschiedenen Dar-
stellungen der Intensität für Centrum, mittleren Ring und Rand
des Beugungsbildes ablösen und wie sich die Grössenordnung der
einzelnen Glieder dieser Ausdrücke zu einander verhält.
Es wurden zunächst JT, k und L von ^ = 0.1 bis i? = 0.5
(vgl. den vorigen Paragraphen) nach Formel I, von p = 0.5 an
nach Formel T gerechnet und die Werte von K^ -f- i* und KL
abgeleitet. Es fand sich (die Querstriche bezeichnen das An-
wendungsbereich der einzelnen Formeln):
p
K
L
k
ZHi«
KL
P
K
L
Je
ZHL«
KL
0.10
0.140
O.UĂ–
0.08
0.02 0.970
0.441
0.021
-84?6
0.10
O.Ol
0.20
0.111
0.074
0.02
O.Ol 0.980
0.465
0.020
37.2
0.22
O.Ol
0.80
0.104
0.056
O.Ol
O.Ol 0.990
0.489
0.020
40.1
0.24
O.Ol
0.40
0.105
0.045
O.Ol
0.00, 1.000
0.516
0.020
-48.4
0.27
O.Ol
0.50
0.60
0.70
0.80
0.112
0.128
0.156
0.207
0.82710.228
0.859 0.260
0.900 0.312
0.987 0.872
0.955
0.407
0.038
- 1?6
O.Ol
0.00 '
I.OIO
0.458
0.082
2.7
0.02
0.00
1.020
0.488
0.028
4.6
0.02
0.00
1.080
0.407
0.025
9.4
0.04
0.01
1.045
0.878
0.024
11.6
0.05
O.Ol 1.063
0.883
0.028
14.7
0.07
0.01,1.100
0.278
0.022
20.2
0.10
O.Ol 1.141
0.219
0.021
26.7
0.14
O.Ol '1.173
0.191
0.021
-80.8
0.17
O.Ol
1
1.200
1
0.167
0.020
0.020
0.019
0.019
0.018
0.018
0.018
0.017
0.017
43.5
0.21
40.5
0.19
87.8
0.17
84.2
0.14
29.9
O.ll
28.1
0.07
17.5
0.05
14.0
0.04
11.7
0.08
O.Ol
O.Ol
O.Ol
O.Ol
O.Ol
0.00
0.00
0.00
0.0p
Dann wurden alle Werte von p berechnet, fĂĽr welche die
Argumente y (1 — !>)* -f * + -^ und ^ (1 +!>)* — ^
em
Vielfaches von -j- wurden, wobei fĂĽr ersteres Argument zu-
nächst nur Werte von p unter 0.8 in Betracht gezogen wurden.
Die zugehörigen Werte der Ausdrücke:
^ = 2iJ:cos[|-(l-i))»+&+^]
294 Sitzung der math.'phys. Classt vom IL Juni 1898.
und: -B = 2icos[ya+i>)» — ^1
wurden dann graphisch aufgetragen und durch eine Curve von
der Form der Windungen einer Sinuscurve verbunden. FĂĽr
die Werte von p ĂĽber 0.8, wo das Argument von A lang-
samer wächst, wurde Ä für alle in der vorstehenden Tafel
angegebenen Werte p direkt berechnet. Auf diese Weise sind
die Curven A und 2? (Figurentafel I.) entstanden.
Die Curve C giebt die Werte von:
0 = 1 i-K^ + L^
Das letzte Glied des Ausdrucks 11 (resp. U')
2 KL sin (2 mp — k)
welches nicht über 0.03 steigt und aus Wellen von der Länge
0.032 in p besteht, habe ich nicht berĂĽcksichtigt, weil es bei
der KĂĽrze der Wellen verbunden mit der geringen AmpUtude
fĂĽr den Anblick der Beugungsfigur im Fernrohr bedeutungslos
bleiben muss.
Die (graphisch ausgefĂĽhrte) Superposition der Wellen A
und B ĂĽber C liefert die Curve J, die Darstellung der Licht-
intensität für einen Radius des Beugungsbildes, \onp = 0.1 an.
FĂĽr p unter 0.1 habe ich in Intervallen von 0.005 in p fort-
schreitend die Werte von «7 nach den Formeln lU direkt berechnet,
dieselben eingetragen und durch eine Curve verbunden. FĂĽr j^
ĂĽber 1 wurde J unmittelbar durch die Summe K'^ + L^ geliefert.
Man bemerkt, dass fĂĽr ^ > 0.1 der Charakter der Beugungs-
figur in groben ZĂĽgen bereits durch die Curve A dargestellt
wird. Die Beugungsfigur besteht im Wesentlichen aus acht
hellen Ringen. Der innerste ist besonders schmal und hell, dann
folgen Ringe mit abnehmender Intensität und zunehmender Breite.
Besonders hell wird wieder der äusserste Ring, der sich zugleich
durch seine Breite, wie durch die Dunkelheit des Zwischenraums,
welcher ihn von den ĂĽbrigen Ringen trennt, auszeichnet.
295
ĂĽeber die Convergenz unendlicher EettenbrĂĽche.
Von Alfred Pringsheim.
{Singihufm BS. JnU,)
FĂĽr die Beurtheilung der Convergenz von Ketten-
brĂĽcheu mit beliebigen reellen oder compl exen Gliedern
besitzt man bisher, soweit mir die betreffende Literatur bekannt
ist, keinerlei allgemeine Kriterien. In dem folgenden Aufsatze
sollen einige Formen hinreichender Convergenz-Bedingungen
von sehr einfachem Charakter und verhältnissmässig grosser
Allgemeinheit mitgetheilt werden. Ich benĂĽtze diese Gelegen-
heit, um zunächst das Wesen der beiden verschiedenen Con-
vergenz-Charaktere, die ich als unbedingte und bedingte
Convergenz eines Kettenbruches bezeichne, genauer festzu-
stellen (§ 2). Da bei dieser Untersuchung das eventuelle Vor-
kommen von sinnlosen Näherungsbrüchen (d. h. solchen
mit dem Nenner 0) eine eingehende BerĂĽcksichtigung erfordert,
so schicke ich zunächst einige Bemerkungen über die Natur
und eventuelle Häufigkeit derselben voraus (§ 1). Sodann wird
ein allgemeines Kriterium fĂĽr die unbedingte Convergenz
eines Kettenbruches mit beliebigen Gliedern aufgestellt, welches
sich als eine directe Verallgemeinerung eines bekannten Kri-
teriums fĂĽr KettenbrĂĽche mit lauter reellen negativen Gliedern
erweist (§ 3). Nach einer Digression über eine durch jenes
Kriterium ermöglichte Verallgemeinerung des Legendre'schen
Irrationalitäts-Satzes (§4), werden mit Hülfe von sehr
einfachen Transformationen zunächst für zwei speciellere Ketten-
bruch-Formen, schliesslich aber auch wieder fĂĽr ganz beliebige
KettenbrĂĽche noch andere Convergenz-Bedingungen von wesent-
lich verschiedenem Charakter abgeleitet (§ 5).
296 Sitzung der tnath.'phys. Glosse vom 11, Juni 1898,
§ 1.
Zur Bezeichnung des n-gliedrigen Kettenbruches:
(1) ±h±ai
6j + a,
&.±.
+
a„
bediene ich mich der gedrängteren Schreibweise:
a,\ . a.\ . . a.
(2) +&o±fr^±ir + ---±iT^
oder auch der Symbole:
(3) [±V±t]"-.. [+V±|^....±g.±l;l.". .
wofĂĽr ich im Falle 1^ = 0 kĂĽrzer schreibe:
i • m+l
Analog bezeichne ich den entsprechenden unendlichen
Kettenbruch durch:
(5) +6 +;^ + ^ + ... + ^ + ...
oder:
(6) [±V+fp. [±K: ±^. ■■■±Z- ±'S â–
1 * m-f-l
Dabei pflege ich in (3), (4) und (6) die ausdrĂĽckliche
Hervorhebung des laufenden Index v durch das beigesetzte
Zeichen (r) überall da wegzulassen, wo ein Missverständniss
M
ausgeschlossen erscheint (also: + 6^^; -^j etc.).
Ă„, Fringsheim: lieber die Convergenz unendlicher KettenbrĂĽche. 297
Die tty, br sollen im folgenden beliebige (reelle oder com-
plexe) Zahlen bedeuten, mit der einzigen (gewissermaassen
selbstverständlichen) Beschränkung, dass die Uy durchweg als
von Null verschieden angenommen werden. Wegen der
WillkĂĽrlichkeit der a^, b^ kann daher das oben beliebig ge-
lassene Vorzeichen + ĂĽberall wegfallen, da derselbe Grad von
Allgemeinheit erzielt wird, wenn man statt + 60» i ^^ (*' = 1»
2, 3, . . .) lediglich 6^, a^ schreibt. Es genĂĽgt also, fĂĽr die
folgenden Betrachtimgen einen Kettenbruch von der Form:
M
.00
(7) [i,; ^]^ bezw. [ft„; ^^
zu Grunde zu legen.
Wird sodann ein System von Zahlen Ă„y, By durch die
Gleichungen definirt:
(a) ^ = 6, B, = l
(8)j (b) A,=b,b, + a, B,=b,
(C) Ă„y = byAy^i+ayAy-2 By = by By^l + ĂĽy By-O (^ ^ 2),
so bezeichne ich den zunächst rein formal definirten Aus-
druck ^ (m= 1, 2, 3 . . .) als den m^^ Näherungsbruch
der KettenbrĂĽche (7), gleichgĂĽltig, ob -j^ eine bestimmte Zahl
vorstellt oder nicht. Ersteres findet offenbar allemal statt,
wenn | Bm \ > 0 ist, und dieser Fall tritt sicher dann ein, wenn
m
der Kettenbruch 6^,; ^\ einen bestimmten Sinn besitzt;
zugleich wird hierbei:
Es kann aber auch -^r- eine bestimmte Zahl vorstellen,
ohne dass das gleiche fĂĽr den betreffenden Kettenbruch gilt.*)
») Vgl. Stolz, Vorl. über Allg. Arithm. Bd. II, S. 269.
298 Sitzung der math.'phys. Claase vom 11, Juni 1898.
In diesem Falle sehe ich den Werth des Kettenbruches als
durch Gl. (9) definirt an, so dass ich also -^- schlechthin
als den Werth des Kettenbruclies bezeichne, sofern nur
Bm von Null verschieden ausfallt.
Ist dagegen Bm = 0, so sage ich, der m^® Näherungsbruch
werde sinnlos. Ueber den einzig möglichen Charakter solcher
sinnloser NäherungsbrQche und den eventuellen Umfang ihres
Auftretens gewinnt man Aufechluss mit HĂĽlfe der bekannten
Formel :
(10) ^m^m-l — ^m^m-l = (— l)"»"^ 'ttiOi.., a^,
aus welcher sich unmittelbar die naclistehenden Consequenzen
ergeben :
I. Es kann niemals gleichzeitig Äm-\ = 0, A„, = 0 sein
II. Sind jBm-i, Bm von Null verschieden, so kann nie-
mals die Beziehung bestehen:
iBZ^'^Bin'
in. Ist Btn = Oj so kann nicht gleichzeitig £„»-1=0
sein — vice versa; es kann also mit Bm = 0 nicht auch
gleichzeitig £„,+i = 0 sein.
IV. Es kann niemals gleichzeitig -4m = 0, Bm = 0 sein.
Aus der Zusammenfassung von III und IV ergiebt sich
schliesslich:
A
V. Wird irgend ein Näherimgsbruch ~ sinnlos, so
kann das nur in der Weise geschehen, dass jB,„ = 0, dagegen
Am von Null verschieden. Zugleich kann dann keiner der
benachbarten Näherungsbrüche '**" , J^ sinnlos werden.
Bm~\ -Om+l
Ă„, Ptingsheim: ĂĽeber die Convergent unetuUicher KettenbrĂĽche. 299
§2.
Der Kettenbruch 6^; -z^\ heisst convergent, wenn
lim -j^ eine bestimmte Zahl (incl. 0) vorstellt. Aus dieser
Definition folgt unmittelbar, dass zu einem convergenten
Kettenbruche höchstens eine endliche Zahl von sinnlosen
Näherungsbrüchen gehören kann, während andererseits die Zu-
lässigkeit einer solchen endlichen Anzahl sinnloser Näherungs-
brĂĽche keineswegs ausgeschlossen erscheint.
Bekanntlich involvirt die Convergenz des obigen Ketten-
bruches durchaus nicht diejenige aller KettenbrĂĽche von der
,'^1 fĂĽr m^l: mit anderen Worten, ein conver-
genter Kettenbruch kann — im Gegensatze zu einer con-
vergenten Reihe oder einem convergenten Producte — durch
Weglassung einer endlichen Anzahl von Anfangsgliedem diver-
gent werden.*)
Ich bezeichne nun den Kettenbruch 6^; , ** 1 als unbe-
dingt convergent, wenn \-r-\ fĂĽr jedes m'^O convergirt;
m-f-I
andererseits als bedingt convergent, wenn zwar l^l con-
vergirt, dagegen unter den Ketten brĂĽchen |y^| fĂĽr wi > 1
mindestens ein divergenter sich befindet.*)
1) Vgl. Stolz, a. a. 0. S. 280. — Stern, Algebr. Analyais, S. 307. 482.
2) Besondere Benennungen zur ausdrĂĽcklichen Kennzeichnung dieser
beiden verschiedenen Convergenz-Charaktere scheinen bisher nicht
üblich geworden zu sein. Da ich solche — wie die folgenden Aus-
einandersetzungen des näheren zeigen — für äusserst wünschenswerth
halten muss, so bediene ich mich der im Texte angegebenen AusdrĂĽcke.
Dieselben werden also hier in wesentlich anderer Bedeutung gebraucht,
als in der Theorie der unendlichen Reihen und Producte, wo sie die
300 SiUung der math.-phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
Da das Anfangsglied b^ auf den Convergenz-Charakter des
betreffenden Kettenbruches offenbar keinen Einfluss ausĂĽben
kann, so steht es frei, bei der weiteren Untersuchung der beiden
angedeuteten Möglichkeiten von vornherein \ = 0 anzunehmen
und somit von dem Kettenbruche 1 ^ 1 auszugehen. Es werde
dann wieder gesetzt:
n
(10) [^J = ^fĂĽrn>l; ^ = 0, ÂŁ,= 1,
und entsprechend fĂĽr m ^ 0 :
<"' [ti
4"'" fiirn > m + 1; A,« = 0, ^«.« = 1,
so dass also speciell: Ao^n = ^i ^o.« = ^h wird. Dabei sind
die Beziehungen (10), (11) wiederum lediglich so zu verstehen,
dass Ă„n^ Bn bezw. ^m.M) Bm,n die rein formal nach dem
Vorbilde der Gleichungen (8) gebildeten Zähler und Nenner
der betreffenden Näherungsbrüche bedeuten — gleichgültig, ob
Bn^ -Bm,»* für jeden Werth n von Null verschieden sind
und ob die links stehenden KettenbrĂĽche ein Sinn haben
oder nicht. Zwischen den -4„, Bn und A^^^^ B„^^ bestehen
alsdann, wie leicht zu sehen, die Relationen:
(12) I -^ = B,n,nA„, + A^^nÄni-l /^ > ^ > j)
\ Bn = ^,M,„ Bm + Am,n -Bm-I
Es werde nun der Kettenbruch l^l als convergent und
Ă„
sein Werth lim -^ = K vorläufig als von Null verschieden
M=ao -l^H
vorausgesetzt. Ueber die Convergenz oder Divergenz des
Existenz bezw. Nicht-Existenz des commutativen Charakters bezeichnen.
Da bei der gnind verschiedenen Bildungsweise der KettenbrĂĽche etwas
derartiges ĂĽberhaupt nicht in Frage kommen kann, so erscheint wohl
jedes Missverständniss nach dieser Richtung von vornherein ausgeschlossen.
Ă„. Pringsheim: Ăśeber die Convergene unendlieher KettenbrĂĽehe, 301
Kettenbruches \ ri (^ ^ 1) entscheidet auf Grund der oben
Ă„
gegebenen Definition lediglich das Verhalten von lim -W*^.
Hierbei sind folgende zwei Fälle zu unterscheiden:
L Die B,„^n sollen — zum mindesten von einer bestimmten
Stelle n > n^ ab — durchweg von Null verschieden sein.
Da in Folge der Convergenz von —^ ^^ analoge für die B^
gilt, so stellen — zum mindesten für hinlänglich grosse -n —
die Quotienten:
bestimmte Zahlen vor. Alsdann ergiebt sich aus (12) die
Beziehung:
^^^^ -^^ = P I IT »
und, da der Nenner der rechten Seite (= .p * 1 wiederum
von Null verschieden ist, so folgt weiter:
also schliesslich fĂĽr lim n = oo :
(16) (K- B^.i - A^-0 • [j;J= -(K'B^- Ä^) (m > 1)
Hieraus folgt aber, dass |y^| allemal convergirt, wenn
I K' B^^\ — Äm-i I > 0, d. h. wenn J^" von JT verschieden
ausfallt (wobei es gleichgĂĽltig ist, ob -jz eine bestimmte
Zahl vorstellt oder sinnlos wird, da ja im letzteren Falle, nach
§ 1, V, j Äm-\ I > 0 sein muss).
302 SiUung der mcUh,'phy8, Classe vom 11. Juni 1898,
Ist dagegen K'Bm~\ — -4«,_i = 0, d. h.:
(17) ^ = K=^Umf-,
SO muss offenbar \-r\ nach oo divergiren^) (da keinesfalls
gleichzeitig K • £|» — Am, = 0 sein kann , nämlich weder:
A -4-1
^^==^^ = 0 nach § 1, IV, noch: -^^=^K=-z^ — nach
§ 1. U)-
IL Es mögen unter den £«,,« unendlich viele den
Werth 0 haben, etwa -0«,,^^ = 0, wo (nj für r = 1, 2, 3 . . .
eine unbegrenzte Folge natĂĽrlicher Zahlen bedeutet. Alsdann
ist ohne weiteres klar, dass |-7^| keinesfalls convergiren
kann. Man kann aber auch nicht sagen, dass er nach oo
A
divergire, da ja unter den Näherungsbrüchen W^^ unendlich
viele schlechthin sinnlos werden. Dagegen lässt sich nach-
weisen — und das scheint mir hierbei wesentlich — dass auch
in diasem Falle*) die Gleichung (17) bestehen muss. Ersetzt
man nämlich in öl. (12) n durch n , so folgt, wegen JBw.w == 0:
^) Darunter ist hier immer nur zu verstehen, dass der absolute
oo
Betrag von
%
K
unendlich gross wird. Dagegen braucht, wenn z. B.
m+l
die rty, h^ reell sind, der Kettenbruch keineswegs »eigentlich*, d. h.
nach + oo bezw. — oo, zu divergiren, sondern könnte auch zwischen
den Werthen — oo und + ® oscilliren.
2) Dass dieser zunJlchst nur als möglich erscheinende Fall auch
wirklich vorkommt, d. h. dass es wirklich convergente Kettenbräche
T-- giebt, für welche unendlich viele Näherungsbruche -5- sinn-
los ausfallen, wird weiter unten gezeigt werden. Vorläufig bemerke
man, dass aus:
(19)
-4« A
^n^ ^m^l
\
Ă„. PfingAeim: Ăśeher die Convergene unendlicher KettenbrĂĽcke, 303
und daher, weil | -^m,«^ | > 0 und für hinlänglich grosse v, etwa
fĂĽr V ^ Vo ^^^^ I -^Hy I > 0 sein muss:
(19) ^^ = -jg^ (y = ^Qi ^0 + 1» ''o + 2, )
also schliesslich:
^..
(20) 4=i = lim ^ = lim ^ = iT, q. e. d.
Bezeichnet man sodann mit p^ (v = 1, 2, 3, ) die nach
Ausschluss der m^ ĂĽbrig bleibenden natĂĽrlichen Zahlen,^) so
dass also durchweg | jBm,py | > 0, so ergiebt sich mit BerĂĽck-
sichtigung von Gl. (20), wenn man in Gl. (15) n^=py setzt,
dass die Folge der nicht -sinnlosen KettenbrĂĽche j^ fĂĽr
lim V == 00 nach oo divergirt.
und den fĂĽr n = n^ aus (12) hervorgehenden Beziehungen:
•ly ^^ fM, My Wl • ftt^lly m— "1
%y ~~ lll|ny W ' M,fly Ifl— 1
stets auch umgekehrt folgt:
Denn wäre | B^ ^ | > 0, so würde sich (gleichgültig, ob 1 Ä^ ^ 1 > 0 oder = 0)
-^m A A
allemal ergeben: -^ — = ^— = -« , was nach § 1, II unmöglich ist.
«y m Ä»— I
Besteht also 61. (19) fĂĽr unendlich viele n^, so werden auch die unendlich
fMjMy
vielen Näherungsbrüche -^ sinnlos.
fNltty
') Die Py mĂĽssen allemal wirklich eine unendliche Menge bilden,
da ja niemals zwei consecutive B^ ^ verschwinden können.
1898. Sitsnogsb. d. matlL-phys. OL 20
304 Sitzung der math.'phya. Clasae vom 11. Juni 1898.
Ich will von einem Kettenbruche, der zwar unendlich viele
sinnlose Näherungsbrüche besitzt, während immerhin die Folge
der ĂĽbrigen nach oo divergirt, sagen: er divergire im
wesentlichen nach oo. Man hat dann fĂĽr einen derartigen
[ -|Q0 J
^1 zwar nicht lim ^ ** = oo (sondern nur:
Ori ,, «=00 ■Om.n
m+1
lim p ' ^ = 00 ), dagegen: lim .*"'* = 0. Bei Anwendung
dieser Terminologie gilt nun der Satz:
Wenn I-t-| schlechthin oder im wesentlichen nach
00 divergirt, so convergirt -r^l nach Null — und um-
m
gekehrt.
Für die nach Gl. (11) mit Äm-i^m -Bm-i,» zu bezeichnenden
Näherungsbruch-Zähler und -Nenner von hp gelten nämlich
die Beziehungen:
Folglich wird:
(22) „ B,,n
lim „ '•* = lim ^=- = 0, wenn: Um — ' = 0.
1 + 6«
tt=co •i'm— 1,» «=0D ■• I j •"ii«,« H=ii> •^m,n
umgekehrt ergiebt sich:
(23) ^,-1..
lim . ' = lim ^^ = 0, wenn: lim -^ — ^ = 0
Am— «»«•^ —
-4
(aber, im letzteren Falle, nicht noth wendig: lim— ^ = 00)
— q. e. d.
Ă„. Pringaheim: lieber die Convergenz unendlicher KettenbrĂĽche. 305
Mit Hülfe dieses letzten Resultates lässt sich auch noch
An
der oben vorläufig ausgeschlossene Fall: lim ^- = K = 0
MST» -^H
unmittelbar erledigen. Da hier rr" 1 = 0 wird, so folgt näm-
1
00
lieh aus dem eben gesagten, dass \-j^\ schlechthin oder im
wesentlichen nach oo divergirt. Zugleich hat man —
wegen -4^ = 0, jB^ = 1 :
(24) 4^ = lim 4^ (nämlich = 0),
d. h. es besteht Gl. (17) bezw. (20) fĂĽr den besonderen Werth
m = 1 und es divergirt auch (schlechthin oder im wesent-
lichen) -7^1 fĂĽr m = 1, so dass also dieser Fall ohne weiteres
unter die frĂĽher als I., 11. bezeichneten subsumirt werden kann.
Findet dann aber die Gleichung:
(25) ^==lĂĽnA = 0
fĂĽr irgend einen weiteren Werth m statt, so hat man Ă„m-i == 0,
also I -4,H I > 0, und erkennt analog wie frĂĽher aus Gl. (15)
(mit der einzigen Modification, dass jetzt lim JT« = 0 zu setzen
,00
ist), dass ~- 1 schlechthin oder im wesentlichen nach oo
m-|-l
divergirt; und in gleicherweise ergiebt sich die Convergenz
dieses Kettenbruches, falls fĂĽr das betreffende m die Gl. (25)
nicht besteht, d. h. wenn Ă„m-i von Null verschieden ist.
Durch Zusammenfassung dieser Resultate ergiebt sich nun,
wenn man noch die bisher mit m bezeichnete Zahl durch w + 1
ersetzt, der folgende Satz:
20*
306 Sitzung der math.'phys. CUisae vom 11, Juni 1898.
Ist K^ = Ă„'(wo K endlich oder Null), so con-
1
vergirt t^I (w^O), falls -^ von K verschieden
o divergirt \j^\ schlechthin oder im wesentlichen
• 00
m4-2
(event. auch sinnlos) ausfällt; ist dagegen -^=K,
so divergirt \j^\
•'-^m+2
nach 00, während dann y^| = 0 wird.
" w+l
Und es folgt weiter:
Die nothwendige und hinreichende Bedingung fĂĽr
die unbedingte Convergenz des convergenten Ketten-
bruches -^ = JT besteht darin, dass fĂĽr keinen
Werth m ^ 0 die Beziehung -^r— = K stattfindet.
Convergirt der Kettenbruch nur bedingt, so existirt
A
mindestens ein Werth w derart, dass ^^ = Ă„'wird,
d. h. der unendliche Kettenbruch: \-r^\ kann in diesem
Falle durch den endlichen: t^I ersetzt werden.*)
1) Dabei wird im Falle Ă„" = 0 auch w = 0, d. h. der im allge-
meinen Falle | /T | > 0 auftretende endliche Kettenbruch 1 -r— 1 reducirt
sich hier auf 0. Zugleich erkennt man, dass ein Eettenbruch I — 1 ~ ^
nie anders als bedingt convergiren kann. Denn nach dem oben ge-
sagten muss ja \-r-\ allemal schlechthin oder im wesentlichen nach od
divergiren. Man könnte danach die Definition der unbedingten
Ă„, Pringsheim: ĂĽeber die Convergenz unencUicher KettenbrĂĽche. 307
Hiemach besitzen also ausschliesslich unbedingt conver-
gente Kettenbruch-Entwickelungen einer Zahl oder Function K
den Charakter einer gewissen analytischen Noth wendig-
keit: jede der Zahlen a,,, by steht, wie gross auch v sein
mag, zu K in einer bestimmten, durch die vorangehenden
Zahlen ao, bo^ . , . a^-i, 6y_i vermittelten Beziehung, in der
K selbst eine wesentliche Rolle spielt. Ist dagegen
iC= -7^ (wo |ir|>0) nur bedingt convergent, so giebt
es eine oder eine erste Zahl m von der Beschaffenheit, dass:
y^ = JT, dagegen: ri~ = 0 wird. Hier besteht offenbar
ein bestimmter Zusammenhang mit der Zalil K nur fĂĽr die
Zahlen a^, 6,, . . . a»,, 6»,» während alle übrigen a„, by (v> m)
von JT völlig unabhängig sind und nur der Bedingung
U - == 0 zu genügen haben. Man könnte geradezu in dem
m+I
Kettenbruche \j^\i ohne seinen Werth zu verändern , alle
Glieder -7^ fĂĽr v ^ m -f- 1 durch unendlich viele andere Systeme
Oy
t T n' 1*
— f (v = 1, 2, 3, . . .) ersetzen, die bis auf die Bedingung rrr = 0
als willkürlich anzusehen wären.
[€=
Ueber solche KettenbrĂĽche von der Form I -rr I = 0 sei
I
noch folgendes bemerkt. Aus dem oben gesagten geht hervor
Convergenz auch folgendermaassen fassen : Der convergente Kettenbruch
I-— heisst unbedingt convergent, wenn keiner der Kettenbrüche
1
-^ (m = 0, 1, 2, . . .) nach Null convergirt.
306 Sitzung der maih.-phya, Glosse wm 11, Juni 1898.
Ist -^=Ă„'(wo K endlich oder Null), so con-
i
vergirt \j^\ (p^^O), falls -^ von K verschieden
m+2 ***
(event. auch sinnlos) ausfällt; ist dagegen -jy^=K,
|Q0
SO divergirt -7^ schlechthin oder im wesentlichen
"-^»•+2
[_ -|00
-^ == 0 wird,
*" «+1
Und es folgt weiter:
Die nothwendige und hinreichende Bedingung fĂĽr
die unbedingte Convergenz des con vergenten Ketten-
bruches -^ = Ă„' besteht darin, dass fĂĽr keinen
Werth fn'^0 die Beziehung -jz— = K stattfindet.
Convergirt der Kettenbruch nur bedingt, so existirt
mindestens ein Werth . derart, dass 4^ = Z wird,
^lesem
d. h. der unendliche Kettenbruch: \-f^\ kann in d
Falle durch den endlichen: \j^\ ersetzt werden.*)
^) Dabei wird im Falle K= 0 auch w = 0, d. h. der im allge-
[III
^ I reducirt
sich hier auf 0. Zugleich erkennt man, dass ein Kettenbruch 1—1 = 0
nie anders als bedingt convergiren kann. Denn nach dem oben ge-
sagten muss j^ I 7— allemal schlechthin oder im wesentlichen nach od
divergiren. Man könnte danach die Definition der unbedingten
Ă„. Pringsheim: ĂĽeber die Convergenz unendlicher KettenbrĂĽcke. 307
Hiemach besitzen also ausschliesslich unbedingt conver-
gente Kettenbruch-Entwickelungen einer Zahl oder Function K
den Charakter einer gewissen analytischen Nothwendig-
keit: jede der Zahlen a^, by steht, wie gross auch v sein
mag, zu K in einer bestimmten, durch die vorangehenden
Zahlen ao, 60» ...ay_i, 6y_i vermittelten Beziehung, in der
K selbst eine wesentliche Rolle spielt. Ist dagegen
-fir= -7^ (wo |jr|>0) nur bedingt convergent, so giebt
es eine oder eine erste Zahl m von der Beschaffenheit, dass:
y^ = -K", dagegen: — ^ == 0 wird. Hier besteht offenbar
ein bestimmter Zusammenhang mit der Zalil K nur fĂĽr die
Zahlen a^, 6j, . . . a„, b^, während alle übrigen a^, by (y > m)
von JT völlig unabhängig sind und nur der Bedingung
U - == 0 zu genügen haben. Man könnte geradezu in dem
lOD
Kettenbruche y- L ohne seinen Werth zu verändern , alle
Glieder -^ fĂĽr v ^ w -f- 1 durch unendlich viele andere Systeme
Oy
— f (v = 1, 2, 3, . . .) ersetzen, die bis auf die Bedingung -f = 0
als willkürlich anzusehen wären.
[€=
Ueber solche KettenbrĂĽche von der Form | -7^ == 0 sei
noch folgendes bemerkt. Aus dem oben gesagten geht hervor
Convergenz auch folgendermaassen fassen: Der convergente Kettenbruch
[_ -|Q0
— 1 heisst unbedingt convergent, wenn keiner der Kettenbrüche
1
,00
nrl (•'* = ö» 1» 2, . . .) nach Null convergirt.
308 Sitzung der math.-phya. Glosse vom 11. Juni 1898,
(da -^ = -~ sicher von -rf d. h. 0 verschieden), dass 1 y^
1 3
«lOO
convergiren muss. Und da andererseits -77 1 schlechthin
oder im wesentlichen nach 00 divergirt, so folgt, dass:
(26) [I] = - 5.
8
sein muss. Besitzt nun der Kettenbruch die Eigenschaft, dass
fĂĽr keinen weiteren Werth m (d. h. ausser fĂĽr m = 0) die
A'
Beziehung besteht: -^^ = 0, so convergirt jeder der Ketten-
TT fĂĽr m>2, also convergirt der Kettenbruch (26)
unbedingt. Man gewinnt also in diesem Falle aus der nur
bedingt convergirenden Null-Entwickelung eine unbedingt
convergirende fĂĽr die Zahl 6,. Auf diese Weise hat z. B.
Legendre*) die Entwickelung:
w - ' - [- w^r
abgeleitet, die ihm zum Beweise der Irrationalität von Ji* diente.
Ein analoger Schluss ist offenbar auch dann möglich,
wenn fĂĽr eine endliche Anzahl von Werthen m die Relation
— - = 0 stattfindet.
Es ist aber auch der Fall denkbar, dass die Gleichung:
(28) ^ = 0
*) filements de Geometrie, Note IV. — Aus:
folgt nämlich für x = n:
»2
(Stolz, a. a. 0. S. 315. — Stern, a. a. 0. S. 481. 482).
Ă„, Pringsheim: Ueber die Convergewf unendlicher KettenbrĂĽche. 309
fĂĽr eine unendliche Folge von Zahlen lUy (v = 0, 1, 2, . . .)
stattfindet. Alsdann werden unter den KettenbrĂĽchen von der
[I -|00
-TT-I unendlich viele divergente vorkommen (näm-
•* «Hfl
lieh alle fĂĽr m = nty -{- 1 resultirenden, so dass also der vor-
gelegte Kettenbruch selbst nach Abtrennung einer beliebig
grossen Anzahl von Anfangsgliedern niemals einen unbe-
dingt convergenten liefern kann.
Da diese Möglichkeit meines Wissens niemals erörtert
worden ist, so dĂĽrfte es nicht ĂĽberflĂĽssig sein, nachzuweisen,
dass der fragliche, zunächst nur als denkbar hingestellte Fall
auch wirklich construirt werden kann.
Nach einer bekannten Euler'schen Formel*) hat man:
(29) ..=ÂŁ,i=ri,_-i^l=r|^l"
d 1
* 1
und hieraus resultirt für lim n = oo , falls S" — convergirt,
1 qr
die Transformation dieser Reihe in einen aequivalenten
Kettenbruch, d. h. einen solchen, dessen Näherungsbrüche ~~-
mit den Partialsummen Sh (« = 1» 2, 3, . . .) übereinstimmen.
Wählt man also die betreflfende lleihe in der Weise, dass
S*' — = 0 und ausserdem für unendlich viele Zahlen niy die
1 q^
Beziehung besteht: Sm^ = 0, so wird auch allemal -~- = 0.
liVy
Eine solche Wahl lässt sich aber auf unendlich viele Arten
mit Leichtigkeit bewerkstelligen: es braucht nur Sm^ = 0 und
für V ^ 1 : Sm^ — ^^y-i ^^ ^ angenommen zu werden, d. h. die
Reihe muss aus lauter Gliedergruppen mit der Summe 0 be-
stehen, wobei man noch, um durchweg von Null verschie-
M Introductio, T. I, § 369.
310 Sitzung der mathrphys. Classe vom 11, Juni 1898.
dene K zu erhalten, vermeiden wird, dass fĂĽr irgendwelche
Werthe von v: qy-\ + ^y = 0 sich ergiebt. Man setzeze z. B.
«1 1,1 1 1 ,
1 iv C\ (^2 Ci C2
(3«) +^_ + i_JL___L + ...,
C2v_l C2v C2v-\ C2v
SO wird diese Ruhe stets convergiren, wenn nur lim | c,. | = oo.
y=ao
Zugleich hat man für alle möglichen v: s^y = -^,- = 0,
J04y
Man kann also thatsächlich in unbegrenzter Zahl Ketten-
[I -|Q0
~ angeben, bei denen für unendlich viele Werthe m„
die Relation besteht:
(31) 0 = 4^ = "*"'
Aus einer frĂĽher gemachten Bemerkung (S. 4, Fussnote 2)
geht dann noch hervor, dass in diesem Falle der Kettenbruch
[n' 1*
-TT unendlich viele sinnlose Näherungsbrüche liefert,
indem nämlich durchweg ^1,«^ = 0 wird (der betr. Kettenbruch
divergirt also nur „im wesentlichen* nach oo). Dieses
Resultat lässt sich auch ohne weiteres auf einen Kettenbruch
mit beliebigem von Null verschiedenen Werthe K ĂĽber-
tragen: man braucht nur an irgend einen m-gliedrigen Ketten-
bruch JT = ^ einen Kettenbruch der eben betrachteten Art
-^1 ersetzt. Damit
ist schliesslich auch der Nachweis erbracht, dass dem oben unter
n als möglich angenommenen Falle reale Existenz zukommt.
Ă„. Pringsheitn: Ueber die Convergem unendiicher KettenbrĂĽche, 31 1
§3.
Elementare Convergenz-Kriterien von einiger Allgemeinheit
hat man, wie Herr Stolz in seinen »Vorlesungen über Allgemeine
Arithmetik* ausdrĂĽcklich hervorhebt/) nur fĂĽr KettenbrĂĽche
mit reellen, gleichbezeichneten Gliedern, d. h. fĂĽr solche
von der Form — und — — , wo die o^, (/, wesentlich
positive reelle Zahlen bedeuten.
Die nothwendige und hinreichende Bedingung fĂĽr
die Convergenz der ersteren besteht, wie Seidel*) imd Stern')
gezeigt haben, in der Divergenz der Reihe 2^v, wo:
(öZ) a2y = • gsri »2H-1 =^ ' •
P2Pi-"P2r PlPz^"P2y+l P2y+l
Daraus ergiebt sich dann als eine hinreichende Gon-
vergenz-Bedingung von merklich einfacherer Form die Diver-
genz der Reihe: S— -^*^.*)
Pr
Was die KettenbrĂĽche der zweiten Kategorie betriffb, so
hat Seidel*) für den besonderen Fall^v = l, Stern®) für
den allgemeineren beliebiger positiver py die hinreichende
Convergenz-Bedingung aufgefunden:
(33) qr—pr>l (v = 1, 2, 3, . . .)•
Im folgenden soll nun gezeigt werden, dass diese Con-
vergenz-Bedingung mutatis mutandis fĂĽr ganz beliebige
KettenbrĂĽche gilt, d. h. dass bei beliebigen reellen oder
1) A. a. 0. S. 280.
*) Untersuchungen ĂĽber die Convergenz und Divergenz der Ketten-
brĂĽche. Doctor-Dissertation, MĂĽnchen 1846.
3) Joum. f. Math. Bd. 87 (1848), S. 264. 266.
«) Stolz, a. a. 0. S. 284.
5) Abh. d. Bayr. Ak., 2. CL, Bd. VII (1865), S. 682.
*) Algebr. Analysis, S. 801.
312 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 11, Juni 1898.
complexen ay, by der Kettenbruch \^\ allemal convergirt
(und zwar unbedingt), wenn:
(34) I öv I — I 6v I ^ 1 (v = 1, 2, 3, . . .).*)
Zugleich lassen sich aus diesem Convergenz- Kriterium
durch passende Transformationen noch andere ableiten, welche
nicht als specielle Fälle darin enthalten sind. Ich beweise
den fraglichen Hauptsatz zunächst für Kettenbrüche von etwas
speciellerer Form, nämlich:
Sind jp„, Qy (y = 1, 2, 3, . . .) beliebige positive
Zahlen, welche durchweg der Bedingung genĂĽgen:
^) Wie ich nachträglich aus einer kurzen Notiz im Jahrbuch über
die Fortschritte der Mathematik Bd. 21 (1892), S. 186 ersehe, hat Herr
J. W. Sleschinski die Gonvergenz-Bedingung aufgestellt:
l«vl-IM>i
(also, wie es scheint, mit Ausschluss des weiter unten noch besonders
vortheilhaft zu verwerthenden Falles der Gleichheit). In dem citirten
Referate wird lediglich dieses Factum ohne jeden weiteren Zusatz ange-
fĂĽhrt, und es ist nicht einmal zu ersehen, ob die a^, b^ nur reelle
oder auch compleze Zahlen bedeuten. Die in russischer Sprache ge-
schriebene und in der Moskauer Math. Sammlung publicirte Arbeit
selbst ist mir bisher nicht zugänglich gewesen. Das gleiche gilt von
einer anderen in dem nämlichen Referate erwähnten Arbeit desselben
Verfassers, in welcher fĂĽr EettenbrĂĽche von der Form y die Gonvergenz-
Bedingung lim Cy = 0 angegeben wird. Die letztere ist in dieser Form
r=ao
sicherlich unrichtig. Denn, sieht man von dem besonderen Falle ab,
dass der Eettenbruch lauter positive Theilzähler und Theilnenner be-
sitzt, so ĂĽben ja die Anfangsglieder, wie aus den Untersuchungen
des vorigen Paragraphen des näheren hervorgeht, einen ganz wesent-
lichen Einfluss auf die Gonvergenz des Eettenbruches. Aus einer
Bedingung, die sich nur auf das Verhalten der Eettenbruch-Glieder im
Unendlichen bezieht, kann also höchstens auf die Gonvergenz des
Eettenbruches von einer gewissen (nicht einmal angebbaren) Stelle
geschlossen werden. Im ĂĽbrigen stellt die obige Bedingung (mit der
angemessenen Gorrectur) nur einen sehr speciellen Fall der weiter unten
(üngl. (78)) von mir aufgestellten: |Cyl«^4. dar.
Ä, Pringsheim: Ueber die Cowotrgen» unendlicher Kettehbrüche. 313
ÂŁv(y = 1| 2, 3, . . .) reelle oder complexe Zahlen mit
dem absoluten Betrage 1, so ist der Kettenbruch
-\ unbedingt convergent. Setzt man sodann:
" " = Kj so ist Jl = e\j wenn die Reihe 2j^ijP2 - - -Pv
divergirt und ausserdem fĂĽr jedes v^ 1:
2v — jPr = 1, ^,.+1 = — 1 ;
dagegen hat man in jedem anderen Falle: 0 < { Jl | < 1.
Beweis. Bezeichnet man mit -^ (y = 0, 1, 2, . . .) die
Näherungsbrttche des obigen Eettenbruches, so wird zunächst:
also:
P„ 0 P, e,p,
Qo 1' ft «1
(35)
Qo =1 Qx ='«.>i-
und daher:
(36) l<?,|-|<?,I^J',>0.
Da sodann fĂĽr y^2 die Beziehung besteht:
(37) Q^=Zq^. Q„_l -|- ßyPy Qv^2j
so folgt:
oder:
(38) I «. I - I Qr^l I >Pr {[ Qr-l | " | «.-2 |}.
Hieraus ergiebt sich durch Substitution von (v — 1), (v — 2),
... 2 an Stelle von v:
(39)
■I Qy-i I — I Qr-2 I '^Pr-l {\ Qy-2 I — I Qy-a \}
I Qy-2 I I Qy-i I ^l>r_2 {| Qy-3 I — I Qy-i 1}
[\Q2 \-\Qi \^Pi {\Qi 1-1 «o \)>p>Pi-
314 SUgung der m<Uh,-phy8. Glosse vom 11, Juni 1898.
Diese Ungleichungen lehren zunächst, dass sämmtliche
Differenzen von der Form | Qy | — | Qy^i \ wesentlich positiv
sind, d. h. die { Qy \ nehmen mit v monoton zu. Durch
successive EinfĂĽhrung der Gleichungen (39) in (38) findet man
alsdann :
(40) I Ö»' I — I Qy-i \>PiP2 *"Pv'
Wird hier nochmals für v der Reihe nach (y—l), (v— 2) ... 2
gesetzt, so folgt durch Addition der sämmtlichen resultirenden
Ungleichungen zu Ungl. (40):
(41) \Qr\ — \Qi \>PiPi + PlPiPi + . . . +PiPi • • 'Pyy
und hieraus schliesslich mit BerĂĽcksichtigung von (35):
(42) I Ă–v I ^ 1 +i?, + jPjft + . . . +PiPi . . .i?v ^ Sy.
Man bemerke, dass in dieser Relation das Gleichheits-
zeichen dann und nur dann gilt, wenn in den sämmtlichen
zu ihrer Herleitung benĂĽtzten Relationen (35), (38) ebenfalls
das Gleichheitszeichen steht. Hierzu ist aber nothwendig
und hinreichend, dass erstens:
(43) qr = l-\'py fĂĽr alle v = 1, 2, 3, . . .
imd zweitens:
(44) ey = — l für alle v = 2, 3, 4, . . .
(s. den Uebergang von Gl. (37) zu der darauf folgenden Un-
gleichung). Nur in diesem Falle wird also:
(42a) 1 ^^1 = 1 +i?, +i?,ft + ...+l?ii?8...i>v = Sr
in jedem anderen:
(42b) \Qy\>l+Pi+PiPi-\' ... +PiPi ...Pv = Sy.^)
Nun ist bekanntlich:
(45) ^^-'1 = Hm ^ = ^ + £, (- ir' . hPi-^tP»-JlPl
^) Das Zeichen ^ gilt dann, wie leicht zu sehen, auch noch fĂĽr
lim V = 00,
Ă„. Pringsheim: Ueher die Canvergenz unendlicher KettenbriUhe, 315
oder, wenn man:
substituirt:
und somit:
(47) r^ikv- +£•*'"''"'
IL 3» J, I Vi
2
Ă–.-I Qr
Sieht man zunächst von dem durch Gl. (43), (44) charak-
terisirten Specialfalle ab, so ergiebt sich mit BenĂĽtzung von
Ungl. (42 b):
(48)
r-^n<i_i+ÂŁ,(j__i)=i_umi
(mit Ausschluss der Gleichheit). Hieraus folgt, dass die
Reihe (46) absolut convergirt; es convergirt also auch
der Kettenbruch und wie Ungl. (48) lehrt, ist sein absoluter
Werth < 1 (gleichgültig ob lim — = 0 oder > 0).
Sy
Sind dagegen die Special-Bedingungen (43), (44) erfĂĽllt, so
geht durch EinfĂĽhrung Ton Gl. (44) und (42 b) die Beziehung (46)
in die folgende ĂĽber:
00
Ist also die Reihe 1 + i?i + S^JPiä • • 'Pr = ^^ ^r con-
2
vergent, etwa limSy = 5 (wo: 5> 1), so wird:
y^oo
y=QO
|00
(50) [^f] = e. (l - i), also wiederum: |[^]"
<1.
316 SUzung der nuUhrphys. ClasĂźe vom 11. Juni 1898,
Ist dagegen die obige Reihe divergent, d. h. limSy = oo,
so wird: ""*
(51) —~ ==£,, d. h. in diesem einzigen Falle: -^^ = 1.
^ ^ [ iy i ' ^ L «. JJ
Da die vorstehenden Betrachtungen auch gĂĽltig bleiben,
wenn man den Kettenbruch statt mit dem Gliede -^—^ mit
einem beliebigen späteren Gliede beginnen lässt, so ergiebt
sich, dass seine Oonvergenz eine unbedingte ist. Daraus
folgt schliesslich noch, dass sein Werth K stets von Null
verschieden ausfallt. Damit ist aber der oben ausgesprochene
Satz in allen Theilen bewiesen.
Ist jetzt der Eettenbruch in der Form vorgelegt hr^ L
wo tty, by beliebige reelle oder complexe Zahlen, so werde gesetzt:
wo also: | o^ | = 1
» » I i^" I = 1-
Alsdann hat man:
(52) r«.=«.'i«^
{ by = Ăź,-\br
[br\~[Ăźr'\K\\~l IM ' l^'l
(53) ■-''^•'
00
-J2
Damit ist der vorgelegte Kettenbruch auf die zuvor be-
trachtete Form gebracht und der oben bewiesene Satz kann
daher jetzt auch folgendermaassen ausgesprochen werden:
Bedeuten a^, 2)y reelle oder complexe Zahlen mit
den Charakteristiken^) Oy, /3y, so ist der Kettenbruch
M:
unbedingt convergent, wenn:
^) Ich pflege die Zahl - — ^- als die Charakteristik von a zu bezeichnen.
(Math. Ann. Bd. 83 (1889), S. 124).
Ă„. Pringskeim: ĂĽeber dU CawDergeng ufiendlicher KeitenbrĂĽehe. 317
(54) |a.| — |6.|^1 (v = l,2,3,...).
Sein absoluter Werth ist stets < 1, ausser wenn
durchweg:
(55) I a^ 1 — I 6v I = 1, ßi^ßr+i = — «r+i (v > 1),
und ^luiOi , . .ay\ divergirt. In diesem einen Falle
wird:
Es ist leicht ersichtlich, in welcher Weise dieser Satz zu
modificiren ist, falls die Convergenz-Bedingung (54) erst fĂĽr
V ^ m (wo m > 1 erfallt ist.
§4.
Mit Hülfe des eben bewiesenen Satzes lässt sich der be-
kannte Legendre^sche Irrationalitäts-Satz folgendermaassen
formuliren:^)
Sind gy^ hy positive ganze Zahlen, welche der
Bedingung genĂĽgen:*)
(57) hy-gy>l (v=l,2,3...),
und bedeutet €y für v=l, 2, 3, ... ganz nach Be-
lieben die positive oder negative Einheit, so con-
') Genau genommen ist dies im wesentlichen diejenige Form, in
welcher Legendre den fraglichen Satz schon ausgesprochen, aber
in der Hauptsache nicht bewiesen hat. Vgl. die bezĂĽglichen Be-
merkungen in der folgenden Mittheilung: , ĂĽeber die ersten Beweise der
Irrationalität von e und ^', p. 886.
*) Hat man durchweg «^ = + 1 , so genügt bekanntlich für die
Convergenz des Kettenbruches und die Irrationalität seines Werthes
schon die Bedingung: k^ — fl'y>0. Vgl. Stolz, a. a. 0. S. 297.
r^m
00
' ezw. ein
318 Sitzung der maih.'phys. Classe w)m 11, Juni 1896.
,ergirt a.r K.tt.nW.cl. [-^J'st.t» geg.» ei.,-
irrationalen Werth, sofern nicht durchweg:
(58) K — fl'y = 1, €^1 = — 1 für ^ > m (wo: m ^ 1).
Im letzteren Falle wird: c, • — r - = 1 b
rationaler ächter Bruch, je nachdem m = l bezw.
w> 1.
Beweis. Da der Kettenbruch nach dem Satze des § 3
unbedingt convergirt, so kann gesetzt werden:
^^^^ l^J^ iT» (m = 0, 1 , 2, . . .),
WO die Km (m = 0, 1, 2, . . .) bestimmte Zahlen von der Be-
schaffenheit bedeuten, dass im allgemeinen | £»» | < 1) nur
in dem durch die Gleichungen (58) charakterisirten Special-
falle Km = fm.^ Daraus folgt dann unmittelbar die Richtig-
keit der oben ausgesprochenen Behauptungen, soweit sie sich
auf den genannten Specialfall beziehen.
Sind nun die fraglichen Special-Bedingungen nicht erfiillt,
so hat man fĂĽr jeden Werth von m (w == 0, 1, 2, . . .):
Km I < 1 (mit Ausschluss der Gleichheit). Aus der Annahme :
P
Kq = — , wojp^g — 1 sein müsste, würde dann folgen:
also:
(61) JT, = "i^'g"*!^ und zugleich: 0 < | JT, | < 1,
d. h. K^ wäre ein ächter Bruch, dessen Nenner höchstens
= g — 1 sein könnte. Durch Uebertragung dieser Schluss-
weise auf K^, ÂŁ3, . . . gelangt man also zu dem Resultate,
dass JTm, wo m höchstens =3 — 1 sein könnte, ein ächter
') Die fĂĽr die Existenz dieser letzteren Beziehung noch erforder-
liche Bedingung, dass ^9x92 -- * g^ divergirt, ist hier wegen 5^^>1
eo ipso erfĂĽllt.
Ă„. Pringsheim: Oeber die CanvergenĂĽ unendlicher KettenbrĂĽclie, 319
Bruch mit dem Nenner 1 sein mĂĽsste, was absurd ist. Somit
kann in dem betrachteten Falle Kq nur eine Irrationalzahl
(wie leicht zu sehen, mit dem Vorzeichen ÂŁ,) sein.
Es hat wiederum keine Schwierigkeit, den vorstehenden
Satz auf den Fall zu ĂĽbertragen, dass die Haupt-Bedingung (57)
erst fĂĽr v > m, wo m > 1, erfĂĽllt ist.
§5-
Ich wende jetzt das in § 3 aufgestellte Convergenz-Kriterium
auf die besonders häufig vorkonMnenden Kettenbruch-Formen
an. Die unmittelbare Anwendung des-
L]\„. [±^]
selben auf den ersten dieser beiden Typen liefert die Con-
vergenz-Bedingung :
(62) 1 6v I :^ 2.
Auf den zweiten Typus lässt sich das fragliche Kriterium
ĂĽberhaupt nicht direct, sondern erst durch Vermittelung der
Transformation in einen aequivalenten Kettenbruch anwenden.
Das nämliche Hülfsmittel giebt auch für den ersten Typus
eine Convergenz-Bedingung von etwas grösserer Allgemeinheit
als die direct abgeleitete Bedingung (62).
Bezeichnet man mit c„ (v = 1, 2, 3, . . .) beliebige von Null
verschiedene Zahlen, so hat man bekanntlich:
00
(63)
und, wenn man speciell C2v = 1 (v = 1, 2, 3, . . .) setzt:
(64)
+ ...
Nimmt man sodann die (?2y-i als reell und positiv an, so
folgt, dass der Kettenbruch convergirt, wenn fĂĽr r = 1,2,3,...:
,^-v i C2y-1 • ! hr-l I — ^2v-l > 1
^^^) 1 I J. I ~ 1
{ I 02y I — C2r-l = 1.
1898. SiiBungsb. d. matb.-phys. Cl. 21
318 8itÂŁung der maih.-jphys. Classe vom 11, Juni 1898.
vergirt der Kettenbruch *! stets gegen einen
irrationalen Werth, sofern nicht durchweg:
(58) hr — gfy = 1, Cy^i = — 1 fiir fi>^m (wo: m > 1).
Im letzteren Falle wird: e^ • — v— == 1 b
ezw. ein
rationaler ächter Bruch, je nachdem m = l bezw.
w > 1.
Beweis. Da der Kettenbruch nach dem Satze des § 3
unbedingt convergirt, so kann gesetzt werden:
(59) [^^r= K^ {m = 0, 1, 2, . . .),
L Av J
wo die Kft^ (w = 0, 1, 2, . . .) bestimmte Zahlen von der Be-
schaffenheit bedeuten, dass im allgemeinen | JE» | < 1, nur
in dem durch die Gleichungen (58) charakterisirten Special-
falle JTm = £„|.^) Daraus folgt dann unmittelbar die Richtig-
keit der oben ausgesprochenen Behauptungen, soweit sie sich
auf den genannten Specialfall beziehen.
Sind nun die fraglichen Special-Bedingungen nicht erfĂĽllt,
so hat man fiir jeden Werth von m (m = 0, 1, 2, . . .):
I Km I < 1 (mit Ausschluss der Gleichheit). Aus der Annahme :
P
K^ = —^ wo p^q — 1 sein müsste, würde dann folgen:
(60) ^- *>^^
also:
(61) K^ = ^^3ii — KP ^^4 zugleich: 0 < | JE^ | < 1,
d. h. Jlj wäre ein ächter Bruch, dessen Nenner höchstens
= g — 1 sein könnte. Durch Uebertragung dieser Schluss-
weise auf K^^ J^, . . . gelangt man also zu dem Resultate,
dass Jlw,, wo m höchstens =g — 1 sein könnte, ein ächter
^) Die fQr die Existenz dieser letzteren Beziehung noch erforder-
liche Bedingung, dass ^9x9% .^^Qy di vergirt, ist hier wegen ^y>l
eo ipso erfĂĽllt.
Ă„. Pringsheim: Oeber die Convergem unendlicher KettevlbrĂĽche, 319
Bruch mit dem Nenner 1 sein mĂĽsste, was absurd ist. Somit
kann in dem betrachteten Falle K^ nur eine Irrationalzahl
(wie leicht zu sehen, mit dem Vorzeichen ÂŁ,) sein.
Es hat wiederum keine Schwierigkeit, den vorstehenden
Satz auf den Fall zu ĂĽbertragen, dass die Haupt-Bedingung (57)
erst fĂĽr v > m, wo m > 1, erfĂĽllt ist.
§ 5-
Ich wende jetzt das in § 3 aufgestellte Convergenz-Kriterium
auf die besonders häufig vorkommenden Kettenbruch-Formen
an. Die unmittelbare Anwendung des-
±.L]\.a [±'^
1
selben auf den ersten dieser beiden Typen liefert die Con-
vergenz-Bedingung:
(62) I ^ I ^ 2.
Auf den zweiten Typus lässt sich das fragliche Kriterium
ĂĽberhaupt nicht direct, sondern erst durch Vermittelung der
Transformation in einen aequivalenten Kettenbruch anwenden.
Das nämliche Hülfsmittel giebt auch für den ersten Typus
eine Convergenz-Bedingung von etwas grösserer Allgemeinheit
als die direct abgeleitete Bedingung (62).
Bezeichnet man mit Cy (v = 1, 2, 3, . . .) beliebige von Null
verschiedene Zahlen, so hat man bekanntlich:
(63)
"2
und, wenn man speciell c^r = 1 (v = 1, 2, 3, . . .) setzt:
(64) r±-ir=+^j+^±...+
I r~; "T . . .
Nimmt man sodann die Co^-i als reell und positiv an, so
folgt, dass der Kettenbruch convergirt, wenn fĂĽr r = 1,2,3,...:
.^-v j Coy-i • I h-2y-i I — c-ir^i ^ 1
\ I fe-ir I — C'2y^i = 1.
1898. SiiBungsb. d. matb.-phys. Gl. 21
320
SiUfung der mathrphys. Glosse vom 11. Juni 1898.
Aus der zweiten dieser Bedingungen findet man:
(66) C2y-1 = I 62y I — 1,
so dass die erste in die folgende ĂĽbergeht:
(67)' {|62v-i|-l}-{|62.|-l}^l
oder anders geschrieben:
(68)
1
bir-\
+
1
bir
^ 1 (v = 1, 2, 3, . . .).
Die Form dieser Bedingung zeigt unmittelbar, dass dann
mit dem Kettenbruche +-r- auch alle diejenigen von der
Form: iy- (n = 1, 2, 3, . . .) convergiren. Da aber der
'- •'■'2H+1
absolute Werth eines jeden dieser KettenbrĂĽche nach dem Satze
des § 3 die Einheit nicht übersteigt und andererseits die Be-
dingung (68) allemal die folgende involvirt: | ftin | > 1, so ist
\^n] iT~ stets von Null verschieden, also auch jeder
Kettenbruch von der Form: i-r- convergent. Somit ge-
winnt man den Satz: **
r
OD
GenĂĽgen die (reellen oder complexen) Zahlen b
der Bedingung (68), so ist der Kettenbruch +-t-
unbedingt convergent. *
Die ursprĂĽnglich aufgefundene Convergenz-Bedingung (62)
ist ofienbar als specieller Fall in (68) enthalten.^)
*) Eine noch etwas speciellere, nämlich: |&y|>2-he, wo e>0,
hat Herr S. Pincherlc angegeben: Rendicenti Accad. dei Lincei, Serie 4,
Vol. V (1889), p. 640.
Ă„. Pringsheim: Deber die Convergenz unendlicher KettenbrĂĽcke, 321
Nach Analogie von Gl. (63) hat man femer:
(69)
r_i_ ^"T r_i_ ^1 ^i _i_ ^"-i (Jvöyi*
Eine einfache Ueberlegung zeigt, dass sich hier die Wahl
c-2y = 2 (y = 1, 2, 3 . . .) als zweckmässig erweist. Alsdann
wird zunächst, wenn man der Symmetrie halber den Ketten-
bruch noch mit 2 multipUcirt:
L ~ 1 J ~~\ Ci "~ I 2 —
Xi ;; ±] 9 X •• .»
so dass bei reellen positiven Werthen der c-zr-i der Ketten-
bruch sicher convergirt, wenn fĂĽr v= 1, 2, 3, . . .:
,_^ V j C2r^l 2 C2r^l ' \ O^v-l \ ^ 1
2€2y-~\ ' I chv I = !•
Aus der zweiten dieser Bedingungen folgt sodann:
(72) C2.-1 =
2|a2,|'
wodurch sich die erste auf die folgende reducirt;
1
d.h. 2|a,,
{l-2.|a2.-,|}^l,
00
I
(73) I 02.-1 1 + I 02. 1 ^ J (v = 1, 2, 3, . . .).
Auch hier ergiebt sich wiederum aus der Form dieser
Bedingung, dass gleichzeitig mit dem Kettenbruche: +-r-
auch alle möglichen: +-^ (w = 1, 2, 3, . . .) convergiren.
Da aber, wie Gl. (70) lehrt (wenn man darin den Index 1
durch 2 n -|- 1 ersetzt) , hier das Doppelte jedes solchen
21*
322 SĂĽzung der fMdh.-pkys. Clas$e vom 11, Juni 1898.
Kettenbruches der Convergenz-Bedingung des § 3 genügt und
daher, absolut genommen, die Einheit nicht ĂĽbersteigt, so ist
ll; +^ stets von Null verschieden, folglich i-f-
2«+! 2m
convergent und daher 1+-^^ unbedingt convergent.
Dabei lässt sich schliesslich die Anfangs -Bedingung der
Serie (73), d. h.
(74) l«il + l«,!^i
noch vereinfachen. Da nämlich die Convergenz des Ketten-
bruches nicht alterirt wird, wenn man denselben mit einem
beliebigen von Null verschiedenen Factor multiplicirt, so kann
man in der Bedingung (74) | a, | ohne weiteres auch durch
€ • I a, I ersetzen. Nimmt man hier für e eine hinlänglich
kleine positive Zahl, so wird die Bedingung
(75) «•|«,H-|«.l<i
immer erfĂĽllt sein, sofern nur:
(76) i ^« I < i ("^i^ Auschluss der Gleichheit).
Somit ergiebt sich der folgende Satz:
GenĂĽgen die (reellen oder complexen) Zahlen ĂĽy
den Bedingungen:
(77) >,!<!, |a2.+,|+|ao,+o|^|(v = l,2,3,...),
so ist der Kettenbruch | + "i~ unbedingt convergent.
Als einfachere, aber oflenbar weniger allgemeine Form
der Convergenz-Bedingung ergiebt sich dann aus (77) noch
unmittelbar die folgende:
(78) \a,\<}, \ay\<l (v>3).
Ă„. Pringsheim: lieber die Convergem unendlicher KettenbrĂĽche. 323
Der zuletzt gewonnene Satz kann benĂĽtzt werden, um
eine neue Convergenz- Bedingung fĂĽr KettenbrĂĽche von der
allgemeinen Form: l-^^ abzuleiten. Transformirt
man näm-
lich diesen Kettenbruch in einen aequivalenten von dem eben
betrachteten Typus, so wird:
(79)
Der letztere Kettenbruch und somit auch der vorgelegte
convergirt aber unbedingt,*) wenn (Ungl. (77)):
(80)
a.
b,b.
<'
¥»
+
do r-\'2
62V+I 62^+2
<i (">!)
oder auch, etwas weniger allgemein (ĂĽngl. (78)):
(81)
a«
<^
7»
a.
by-\ b.
<i i^^^)'
Die vorstehenden Convergenz-Bedingungen tragen ofiFenbar
einen wesentlich anderen Charakter als die frĂĽher aufgestellte
(Ungl. (54)), da hier nicht mehr die Differenzen der ein-
zelnen |ay|, 6v|, sondern lediglich die Verhältnisse
by-i 6,
in Betracht kommen. Dieselben gestatten mancherlei functionen-
*) Convergirt der eine von zwei aequivalenten KettenbrĂĽchen unbe-
dingt, 80 gilt dies offenbar auch von dem anderen. Denn aus:
folgt fĂĽr n > 1 :
vice versa.
auch
■••+1
-r- 1 auch I r- j convergirt ~
324
SĂĽeung der wMthrphys, Claase vom 11, Juni 1898,
theoretische Anwendungen, auf die ich bei anderer Gelegenheit
einzugehen gedenke. Hier sei nur noch erwähnt, dass die
folgende Gonvergenz-Bedingung:
(82)
00
1
a.
by-i K
<'
T»
welche Herr Helge von Koch mit HĂĽlfe von unendlichen
Kettenbruch-Determinanten zu functionentheoretischen Zwecken
abgeleitet hat,^) offenbar als ein sehr specieller Fall der Be-
dingung (80) erscheint.
1) Comptes rendus, T. 120 (1896), p. 146.
325
üeber die ersten Beweise der Irrationalität
von e und n.
Von Alfred Prlngshelm.
So viel niir bekannt ist, hat sich ganz allgemein die An-
sicht herausgebildet, dass der erste Beweis fiir die Irratio-
nalität von e und tt, d^ und tang o; (wo x ein für allemal
eine rationale Zahl bedeuten soll) von Lambert herrĂĽhre,
dass indessen dieser Beweis erst durch Legendi'e die nöthige
Vollständigkeit und Strenge erhalten habe. ^) Ein genaueres
Studium der betreffenden Literatur hat mich indessen zu der
Ueberzeugung gefĂĽhrt, dass diese Ansicht in mehrfacher Be-
ziehung einer Modification bedarf, nämlich:
1. Die Irrationalität von e und c* ist schon von Euler
im Jahre 1737, d. h. 30 Jahre vor Lambert, im wesentlichen
bewiesen worden. Zugleich giebt auch Euler schon diejenigen
allgemeinen Kettenbruch-Entwickelungen, auf denen der Lam-
bert'sche bezw. Legendre'sche Irrationalitäts-Beweis für
e*, tangic und n beruht.
2. Lambert hat, ohne diese Euler'schen Entwickelungen
zu kennen, die Irrationalität von e*, tang x und tt vollständig
») Vgl. z. B. Stolz, Vorl. über Allg. Arithmetik, Bil. II (1886),
S. 325, Note 16. — Bachmann, Vorl. über die Natur der Irrational-
zahlen (1892), S. 63. — Rudio, Archimedes, Hnygens, Lambert, Legendre.
(1892), S. 66. 66. — F. Klein, Vortr. über ausgew. Fragen der Elem.-
Geometrie (1896), S. 46.
326 SĂĽeung der math,'phy8. Clasu wnn 11. Juni 1898.
und mit einer fĂĽr die damalige Zeit (1767) geradezu excep-
tionellen Strenge bewiesen.
3. Das Verdienst Legendre's beschränkt sich auf einen
allerdings sehr glĂĽcklichen und an sich werthvoUen, aber bei
Legendre auf durchaus unbewiesener Grundlage ruhenden
Gedanken, welcher keineswegs eine Vervollständigung des
angeblich unzulänglichen Lambert'schen Beweises, sondern
lediglich eine massige AbkĂĽrzung desselben liefert und ausser-
dem auch gestattet, den Irrationalitäts-Beweis auf ti^ auszu-
dehnen. Im ĂĽbrigen ist Legendre von der klaren und tiefen
Einsicht Lambert^s, dass Betrachtungen der fraglichen Art
ohne die nöthigen Convergenz-Beweise eigentlich werthlos
sind, sehr weit entfernt.
Im folgenden will ich nun versuchen, die vorstehenden
Behauptungen näher zu begründen.
Dass sich bereits in Euler's „Introductio" (1753) die
Kettenbruch-Entwickelung findet : *)
e—l _ 1| . 1| . 1 I , 1 I , 1 I I 1^ ,
^^ 2 "" II "^ I 6 "^ 110 "^ 114 "^ 118 "^ I 22 ■*" • • •
d. h. nach der in der vorangehenden Mittheiluug von mir
benĂĽtzten Schreibweise:
^ ^ 2 ~[l ' 2 + 4vJ;
ist wohl allgemein bekannt. Als weniger bekannt hebt Herr
Rudio in seiner anregenden und lehrreichen Abhandlung ĂĽber
die Geschichte der Kreis-Quadratur mit llecht hervor,*) dass
Euler schon in seiner grundlegenden Abhandlung ĂĽber die
Lehre von den KettenbrĂĽchen ^) noch verschiedene andere mit
1) A. a. 0. p. 319.
*) S. die oben citirte Schrift, p. 61.
•) De fractionibus continuis diasertatio. Comment. Aca<l. Petrop.
T. IX (ad annum 1787), p. 98—137.
A. Pringsheim: üeber die ersten Beweise der Irrationdlüät etc, 327
der Zahl e zusammenhängende Kettenbruch -Entwickelungen,
z. B. vsolche für e^ Ye angegeben hat.*) Die grössere Mannig-
faltigkeit der an dieser Stelle mitgetheilten Kettenbruch-
Entwickelungen scheint mir indessen von secundärer Be-
deutung: wesentlich erscheint mir dagegen die Methode,
welche hier zur endgĂĽltigen Herleitung der fraglichen Ent-
wickelungen dient und von deren Existenz in der Introductio
sich lediglich eine kurze und leicht gänzlich zu übersehende
Andeutung findet. Dort werden lediglich durch numerische
«^ 1
Rechnung aus dem der Reihe 6=1 + Xi" — entnommenen
Decimalbruche e = 2, 718281828459 die oben (Gl. (1)) ange-
schriebenen 6 Anfangsglieder des Kettenbruches bestimmt, im
übrigen heisst es: „cujus fracüonis ratio ex calculo inßnitesiniaü
dari potest,^ In der citirten Abhandlung findet nun Euler die
genannten KettenbrĂĽche fĂĽr e, Ye (ausserdem noch solche fĂĽr
i\Yc — l), |(e* — 1), :j-) zunächst gleichfalls durch eine
rein numerische Induction, welche vermuthen lässt, dass
die betreffenden Theilnehmer arithmetische Reihen bilden.
Dann aber fahrt er folgendermaassen fort:*) „Cum autcm in
praecedentibuSj ubi numerum e ejusque potestates in fradwnes
continuas converĂĽ, progressionem arithmeticam denaminatorum
tantum observaverimy neque praeter probUitat^m de hujus pro-
gressionis conĂĽnuatione in infinUtim quicquam affinnare vahienm ;
in id poHssimiim incuhui, ut in hujus progressionis necessHatetn
inquirereni, eamque firmiter demonstrarem,'*^ Und nun folgt
die Angabe einer wirklich analytischen Methode, welche
zur definitiven Herleitung jener Kettenbrüche — sogar in
merklich verallgemeinerter Form — sich als brauchbar erweist.
Dieselbe beruht auf einer zwiefachen Integration der Ric-
cati'schen Differential-Gleichung, einmal mit HĂĽlfe eines
unendlichen Kettenbruches, sodann in geschlossener Form mit
J) L. c. p. 120. 121.
2) L. c. p. 129.
328 SUeung der mathrphya, Clcisse vom 11. Juni 1898,
HĂĽlfe von Exponential-Functionen.*) Die erste Art der Inte-
gration ist immer möglich, die zweite, wenn die in der
Gleichung auftretenden Exi)onenten gewissen Bedingungen ge-
nĂĽgen. Im letzteren Falle ergiebt sich dann auf Grund der
Eindeutigkeit des betreffenden Integrals eine Kettenbruch-Dar-
stellung des aus der Integration resultirenden Exponential-
Ausdruckes. Von den auf diese Weise von Euler abgeleiteten
KettenbrĂĽchen hebe icji hier die folgenden hervor:*)
(3)
7_r __2 1 r
L 2s — 1' (2 + 4v)sJ|
e* — 1 '
deren zweiter für - = 2x bezw. — = 2xi im wesentlichen
s s
diejenigen Ent Wickelungen giebt, welche von Lambert und
Legen dre zu den fraglichen Irrationalitäts-Beweisen benützt
worden sind; während der erste für 5=1 bezw. s = l un-
mittelbar die volle Bestätigung der zunächst auf rein induc-
tivem Wege gefundenen regelmässigen Kettenbruch-Ent-
e 1 e» 1
Wickelungen für - -^- , — ^ — liefert. Da nun den Aus-
gangspunkt jener Euler'schen Betrachtungen die ausdrĂĽck-
^) Euler hat diese Methode, die an der betreffenden Stelle ziem-
lich kurz behandelt iat, später in einer eigenen Abhandlung (,Suiu-
niatiofractioniscontinuae, cujus indicosprogressionemarith-
meticam constituunt etc.") ausfĂĽhrlich entwickelt: Opusc. analyt.
T. II, p. 217 — 239. Eine hierauf beruhende gedrängtere Darstellung
giebt Stern in seiner Theorie der KettenbrĂĽche: Journ. f. Math. Bd. 11
(1834), S. 60 ff. — Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass
auch Lagrange („Sur Tusage des fractions continues dans le calcul
int^'gral'*, Mem. Acad. de Berlin, 1776) ähnliche Kettenbruch-Entwicke-
lungen, wie die hier in Frage kommenden, gleichfalls durch zwiefache
Integration gewisser Differential -Gleichungen abgeleitet hat: Oeuvres,
T. IV, p. 319—823.
3) L. c. p. 181. 132.
Ä. Pringsheim: ü^>er die ersten Beweise der Irrationaiüät etc, 329
liehe Bemerkung bildet, dass jeder rationalen Zahl immer
nur ein endlicher regelmässiger^) Kettenbruch entspricht,
dass also ein unendlicher Kettenbruch dieser Art nur einen
irrationalen Werth besitzen könne,*) so darf man sagen, dass
Euler durch die Aufstellung jener regelmässigen Ketten-
bruch-Entwickelungen den Beweis für die Irrationalität
von e und e* nicht etwa nur implicite geleistet habe,*)
sondern dass er sich dieser Thatsache auch vollkommen
bewusst gewesen sei.
Von den beiden Arbeiten, welche Lambert dem vor-
liegenden Gegenstande gewidmet hat, nämlich:
1. Memoire sur quelques proprietes remarquables
des quantit^s transcendantes circulaires et loga-
rithmiques. Lu en 1767. (Abgedruckt 1768 in dem-
jenigen Bande der „Histoire de TAcadämie royale des
sciences et helles lettres" (Berlin), welcher sonderbarer
Weise die Bezeichnung: „ Annee 1761 • trägt, S. 265 — 322.)
2. Vorläufige Kenntnisse für die, so die Quadratur
und Rectification des Circuls suchen. (Beiträge
zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung.
Theil U, Abschnitt I, S. 140—169)
giebt die zweite lediglich ein ganz allgemein gehaltenes,
orientirendes Referat ĂĽber die von Lambert gefundenen
*) D. h. ein solcher von der Form: l&o; T" » ^^ die b^ natürliche
Zahlen sind.
^) L. c. p. 108. — Dass ein aolcher unendlicher Kettenbruch über-
haupt einen bestimmten Grenzwerth besitze, wird — natürlich nicht
mit der heute üblichen Strenge, aber doch in der Hauptsache richtig —
aus dem Gange der Näherungsbrüche geschlossen.
') NatĂĽrlich mit Ausschluss der nach heutigen Begriffen erforder-
lichen Convergenz-Betrachtungren : diese letzteren fehlen aber nicht minder
bei den fĂĽr streng ausgegebenen Legendr ersehen Beweisen.
330 Sitzung der mathrphya. Classe vom 11, Juni 1898.
Resultate.^) Sie enthält überhaupt keine analytischen Ent-
wickelungen, einige wenige Formeln ohne Beweis und zur
Erläuterung dienende numerische Beispiele, im übrigen
Kaisonnements, welche keineswegs dazu dienen sollen, die daran
geknĂĽpften SchlĂĽsse streng mathematisch zu beweisen, sondern
nur dazu, dem Leser den (Jang des Beweises verständlich
zu machen. Die ganze Arbeit kann als ein glänzendes Muster
populär-anschaulicher Darstellung gelten, von der wirk-
lich wissenschaftlichen Bedeutung und dem specifisch ana-
lytischen Scharfsinne ihres Verfassers giebt sie eine äusserst
unzureichende Vorstellung. Und nur dadurch, dass man diesem
populären AufsatzeLambert's eineallzugrosse, dem streng
wissenschaftlichen „Mt^moire" dagegen bei weitem nicht
genĂĽgende Beachtung geschenkt haben mag, erscheint mir
überhaupt jene Auffassung einigermassen erklärlich, wonach
die dem Lambert 'sehen Beweise angeblich fehlende Voll-
ständigkeit und Strenge erst durch Legendre nachgeholt
worden sein soll. In Wahrheit verhält sich die Sache genau
umgekehrt: Lamberts Untersuchungen sind von so muster-
hafter Strenge, dass sie dem völlig in der Luft schwebenden
Legendre'schen Satze erst eine brauchbare Grundlage ver-
liehen und es dadurch ermöglicht haben, denselben auf die
vorliegende Frage anzuwenden. Um dies nachzuweisen, umss
ich vor allem etwas näher auf den Inhalt jener Lambert'schen
Haupt-Abhandlung eingehen.
Da Lambert nur den Euler'schen Kettenbruch fĂĽr
2 (^ — 1) ^us der Introductio kennt,*) nicht aber die unmittel-
*) Dieselbe ist zwar, wie Lambert in der Vorrede (zweite Seite)
selbst angiebt, schon im Jahre 1766 und unmittelbar vor der defini-
tiven Ausarbeitung des oben erwähnten Memoire geschrieben worden.
Lambert muss aber die jenen Resultaten zu Grunde liegenden und im
Memoire verwertheten analytischen Entwickelungen im wesent-
lichen damals schon besessen haben : zum mindesten hat er die in dieser
Hinsicht etwa noch bestehenden LĂĽcken bei der Abfassung des Memoire
vollständig ausgefüllt.
*) In dem citirten populären Aufsätze S. 162 (Abdruck bei Rudio:
S. 150) sagt er ausdrücklich: Die Veranlassung aber, diese Formeln (nämlich
A, Pringsheim: Heber die ersten Beweise der Irrationalität etc, 331
bar zuvor besprochenen allgemeineren Entwickelungen, so trans-
sin V
formirt er zunächst tanffi; = rein formal in einen Ketten-
^ cosv
bruch, indem er auf die beiden zur Darstellung von sin v, cos v
dienenden Potenzreihen das bekannte Euklidische Divisions-
Verfahren zur Aufsuchung des grössteu gemeinsamen Theilers
anwendet. Schon hierbei zeigt sich ein merklicher Fortschritt,
wenn man Lambert^s Darstellungsweise mit derjenigen zeit-
genössischer Autoren vergleicht: während diese sich in analogen
Fällen begnügen, einige wenige Anfangsglieder zu bestimmen
und das ĂĽbrige der Induction ĂĽberlassen, wobei noch ĂĽberdies
die Wahl einer ganzen Folge verschiedener Buchstaben
fiir die in Betracht kommenden Grössen zumeist gar nicht
gestattet, das allgemeine Gesetz mit genĂĽgender Deutlichkeit
zu ĂĽbersehen und zu formuliren, so bedient sich Lambert zur
Bezeichnung der fraglichen Quotienten und Reste in ganz mo-
demer Weise nur zweier Buchstaben Q, R mit laufendenln-
dices,*) findet Q\ R\ Q'\ R" durch direkte Rechnung und be-
stimmt sodann das allgemeine Bildungsgesetz durch den Schluss
von n auf n -\- \, Das ist freilich nur eine Aeusserlichkeit: ich
glaubte sie aber erwähnen zu müssen, weil sie mir bei einer
Arbeit aus dem Jahre 1767 fĂĽr die analytische Genauigkeit und
Schärfe des Verfassers charakteristisch erscheint. In dieser
Weise wird also zunächst der Kettenbruch für tang v mit aller
irgend wĂĽnschenswerthen Praecision formal hergeleitet.
Nun aber stellt Lambert eine Betrachtung an, die mir
— immer mit Rücksicht auf die Jahreszahl 1767 — geradezu
erstaunlich dünkt. Während nämlich jeder seiner Zeit-
genossen sich mit dieser formalen Ableitung sicherlich begnĂĽgt
~ e*- 1
die Kettenbrüche für — , tang a;) zu suchen, gab mir Herrn Euler's
c -f-1
Analysis infinitorum, wo der Ausdruck
.^l = -iJ4-JLl-i.-Ll-i._LJ4- _1j4.
2 |1 ^|6 "^llü "^114 "^118 "^•"
in Zahlen berechnet, in Form eines Beispieles vorkommt.*
^) Dieser Kunstgriff rĂĽhrt von Leibniz her. Vgl. Gerhardt, Gesch.
d. Math. p. 183.
332 Siteung der tnaih.'phys, Glosse vom 11, Juni 1898.
hätte, ja während auch noch spätere und sogar weit grössere
Mathematiker sich thatsächlich mit dergleichen begnügt haben,
so stellt Lambert mit minutiöser Genauigkeit das Gesetz für
die Bildung der Näherungsbrüche j^ fest und beweist ganz
direkt, dass nun auch wirklich: lim -^- = tang v wird.
Jedem, der in derartigen Dingen einigermaassen versirt ist,
wird dieser Schritt heutzutage ebenso nothwendig, wie natĂĽrlich
erscheinen. Denn man weiss jetzt zur genĂĽge, dass eine durch
solche formale Operationen gewonnene „unendliche", d. h.
allemal auf der Vernachlässigung irgend eines Restgliedes be-
ruhende Entwickelung ĂĽberhaupt gar nicht zu convergiren
und, selbst wenn sie convergirt, noch keineswegs mit der
erzeugenden Function ĂĽberein zu stimmen braucht. Dass
nun aber schon Lambert einen ausdrĂĽcklichen Convergeuz-
und GĂĽltigkeits-Beweis fĂĽr seine Kettenbruch-Entwickelung
durchgefĂĽhrt hat, muss um so bemerkenswerther erscheinen,
wenn man bedenkt, dass Gauss in seiner Abhandlung ĂĽber
die hypergeometrische Reihe (1812) bezĂĽglich der dort gegebenen
Kettenbruch -Entwickelungen noch vollständig auf dem alten
formalistischen Standpunkte steht: die Convergenz- und GĂĽltig-
keitsfrage wird mit keinem einzigen Worte berĂĽhrt,^) dieselbe
ist in der That erst in sehr viel späterer Zeit, insbesondere
durch die mĂĽhsamen und eingehenden Untersuchungen von
Heine*) und W. Thome*) erledigt worden.*)
Die Lambert^sche Arbeit giebt also das erste und
auf längere Zeit hinaus auch einzige Beispiel einer
nach heutigen Begriffen wirklich strengen Entwicke-
1) Werke, Bd. III, p. 134.
2) Journ. f. Math. Bd. 34 (1847), p. 301; Bd. 67 (1860), p. 231.
8) Ibid. Bd. 66 (1866), p. 322. — Bd. 67 (1867), p. 299.
^) Die Skizze eines anderen, auf complexer Integration beruhenden
Beweises hat sich bekanntlieh in Riemann's Nachlass vorgefunden:
Werke, p. 400.
Ă„. Pringsheim: Ăśeher die ersten Beweise der ImxtionaliUU etc, 333
lung gewisser Functionen in convergirende Ketten-
brĂĽche, insbesondere:
(3)
^g" = [lTi^'-(2v+l):t;]
(
und entsprechend fĂĽr
Der an Gl. (3) anknüpfende Irrationalitäts-Beweis für
den Fall eines rationalen t; nimmt sodann ungefähr folgenden
Gang. Bezeichnet man mit 9?, co irgend zwei natĂĽrliche, relativ
prime Zahlen und setzt:
so wird:
(5)
sin — = jM",
CO
cos
^ = p,
^_M _\(p y* T
Alsdann lässt sich, wie unmittelbar zu sehen, dieser Ketten-
bruch durch das folgende unbegrenzte System von recurrenten
linearen Gleichungen ersetzen:
<pP =
(oM
R'
<p*M —
ScoR'
R'
•
9
<P*R' —
5<oR'
R"'
,» JR(H-2) ^
(2n 1)3"-
-') Sf.»)
oder,
anders geschrieben:
fi)
K =
(oM
-cpP
2)
JB" =
3a) iJ"
<P^M
(6)
<
3)
R" =
• . * •
. . . •
q>*S!
n) i?-) = (2 n — 1) CO JS^"-») — 9?» i?— 2),
Die i?") genügen also — abgesehen von den beiden An-
fangsgleichungen (6j), (6j) genau derselben Recursionsformel (6„),
334 Sitzung der tnath.-phys. Classe vOm 11. Juni 1898.
wie die Zähler und Nenner der zum Kettenbruche (5) ge-
hörigen Näherungsbrüche. Werden diese also etwa wieder
mit -4„, Bn (n = 1, 2, 3, . . .) bezeichnet, so ergiebt sich mit
BerĂĽcksichtigung jener Anfangsgleichungen (6,), (6^) die Be-
ziehung:
(7) i?-) = MB. -PAn = PBn (^-:^y
Hieraus folgt, dass die J?**^ durchweg von Null ver-
schieden sind und mit unbegrenzt wachsendem n beliebig
klein werden; die bei Gelegenheit des vorausgehenden Con-
vergenz-Beweises durchgeführte Untersuchung der Näheruugs-
M A
brüche zeigt nämlich, dass nicht nur -^ p^, sondern auch
BA-=p -^ \ mit lim n = oo gegen Null convergirt.
M
Angenommen nun, es wäre -^ rational, also etwa:
(8) P~ p'
WO ni, p natĂĽrliche, relativ prime Zahlen. Alsdann kann
man setzen:
(9) — = — = D, also: M=m'D, F = p>D,
m p
wo D eine ganz bestimmte Irrationalzahl bedeutet (da von
den Zahlen -3f=sin— , P = cos — = 1^1 — JiP unter allen
CO CO
Umständen mindestens eine irrational sein muss. Mul-
tiplicirt man nun die Gleichungen (6) mit -y^, so gehen sie
in die folgenden ĂĽber:
Ä, Pringaheim: Üeber die ersten Beweise der Irrationälüät etc. 335
(10)
m
D
B"
D
K"
D
= (om — (pp
= 3ö)-ij <p^m
= 5co
D
<P^ •
D
= (2 n — 1 ) ö> — f^ 99» ~~ir~
D
D
, , . durch-
welche zeigen, dass ^ , also aucn -^ » . . - -^^
weg ganze Zahlen sein müssten. Man hätte also ein unbe-
grenztes System von Null verschiedener und schliess-
lich beliebig klein werdender ganzer Zahlen, was unmög-
lich ist. Somit muss tang — irrational sein.
Dies also ist den Hauptzügen der angeblich so unzulängliche
Lambert'sche Beweis: mir erscheint er ausserordentlich
scharfsinnig und im wesentlichen vollkommen ein-
wandfrei.
Ich komme nun schliesslich auf den Antheil Legendre^san
dem fraglichen Irrationalitäts-Beweise su sprechen. Legendre
leitet in der bekannten Note IV seiner Elements de g^o-
m^trie zunächst die erforderlichen Kettenbruch-Entwickelungen
von neuem ab.*) Sein recursorisches Verfahren ist merklich,
einfacher und eleganter als die etwas schwerfallige Divisions-
Methode Lambert' s. Aber, da jeglicher Convergenz- und
öültigkeitsbeweis fehlt, so bleibt Legendre in Bezug auf
Strenge hinter Lambert weit zurück. — Nun folgt jener
HĂĽlfssatz, welcher den eigentlichen Kern des Legendre 'sehen
Irrationalitäts-Beweises bildet, nämlich:
1) Rudio, p. 169 ff.
1898. SiUungkb. d. math.-phys. Ol.
22
336 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 11. Juni 1898,
Bedeuten m, n, m\ n etc. ganze positive oder
neirative Zahlen von der Art, dass — , — r, —ir% etc.
^ n n n
ächte Brüche sind, so hat der Kettenbruch:
//
m\ m\ m \ . . . , iiir xu
: — - + -r—r + T—fT + . . . einen irrationalen W erth.
\n \n \n
Hier muss gesagt werden, dass das von Legendre ange-
wendete Beweis-Princip, welches auf der völlig unbe-
wiesenen Supposition beruht, dass der Kettenbruch selbst
und jeder durch Weglassung von Anfangsgliedern daraus hervor-
gehende ohne weiteres einer bestimmten Zahl gleich ge-
setzt werden dürfe, direkt unrichtig ist. Thatsächlich lässt
sich nach dieser Methode alles mögliche, richtiges und falsches
beweisen. Man könnte z. B. mit genau demselben Maasse
von Strenge, welches dem fraglichen Legendre^schen Be-
weise innewohnt, zeigen, dass unter den periodischen Ketten-
brĂĽchen mit lauter reellen Gliedern unendlich viele mit com-
plexen Grenzwerthen vorkommen. Mit anderen Worten:
der Legendre'sche Beweis hat ĂĽberhaupt erst einen Sinn,
wenn die Convergeuz und sogar (nach der in der vorangehenden
Mittheilung benĂĽtzten Terminologie) die unbedingte Con-
vergenz jener KettenbrĂĽche wirklich feststeht. Die ent-
sprechenden Convergenz-Be weise und zwar zunächst nur
für die besonderen Fälle, dass alle — r-r positiv oder alle
—^y- negativ, sind aber erst um die Mitte unseres Jahrhunderts
geliefert worden,^) und consequenter Weise findet man auch
in den LehrbĂĽchern der Analysis die GĂĽltigkeit des obigen
Satzes auf diese besonderen Fälle eingeschränkt.*) Dass dieser
letztere sogar in dem von Legendre ausgesprochenen weiteren
Umfange d. h. bei ganz beliebigen Vorzeichen der w^*'^ n^*')
*) Vgl. die vorige Mittheilung, p. 311.
2) Stern, Algebr. Anal. p. 482. 484. Schlömilch, AI gebr. Anal,
p. 303. Stolz, Allgem. Arithm. Bd. II, p. 297.
Ä. Pringsheim: Üeher die ersten Beweise der Irrationalität etc. 337
gilt, habe ich in dem eben citirten Aufsatze gezeigt. Aber
alles dies ist doch bis zu einem gewissen Grade ein reiner
GlĂĽcksfall: auf Grund des Legendre'schen Beweises allein
brauchte der Satz fĂĽr keinen einzigen Fall richtig zu sein.
Er gewinnt ĂĽberhaupt erst in dem Augenblicke eine reale
Existenz, wo die nöthigen Convergenz-Beweise erbracht sind.
Und wenn er speziell auf den Kettenbruch fĂĽr tang x anwendbar
erscheint, so ist das doch schliesslich nur deshalb der Fall,
weil Lambert dessen Convergenz wirklich bewiesen hat.^)
Dabei kann dann aber immer nur von einer (nicht einmal allzu
erheblichen) AbkĂĽrzung, dagegen in keiner Beziehung von
einer wirklichen Ergänzung des Lambert^schen Beweises
die Rede sein. Da mir dieser letztere weit öfter abfällig be-
urtheilt,*) als grĂĽndlich studirt worden zu sein scheint, so hielt
ich es im Interesse der historischen Gerechtigkeit fĂĽr geboten,
seine Vorzüge, sowie die Mängel der nach meiner Ansicht
ĂĽber GebĂĽhr gepriesenen Legendre'schen BeweisfĂĽhrung in
ein etwas helleres Licht zu setzen.
M Vgl. p. 332. — Dass diese Convergenz eine unbedingte ist,
kann dann leicht erschlossen werden.
*) Vgl. z. B. Bachmann, a. a. 0.
22'
339
Yerzeiehniss der eingelaufenen Druckschriften
Januar bis Juni 1898.
Die yerehrlioheii GesellBolulAen und Institute, mit welchen nneere Akademie in
TanaehYerkehr eteht, werden gebeten, naolistehendea YeneicbniBS sugleieh ala Emplkngs-
beetltignng sa betrachten.
Von folgenden Qesellsohaften nnd Instituten:
Eoyal Society of South-Äusträlia in Adelaide:
Transactions. Vol. XX, part 2. 1897. 8®.
SĂĽdslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Rad. Vol. 182. 133. 1897. 8^.
Monom enta spectantia historiam Slayornm merid. Vol. XXIX. 1897. 8^.
Djela. Vol. XVIII. 1897. 4».
Natko Nodilo, Znanstvena djela. Knjiga I. 1898. 8^.
Ant. Radic, Zbomik. Svezak 2. 1897. 80.
Oeschichts- und Alterthums forschende Gesellschaft des Osterlandes
in Altenburg:
Mittheilungen. Band XI, Heft 1. 1898. 8^.
SocUU des Antiquair es de Picardie in Amiens:
Memoires Documenta in^dits. Tome XIV, fasc. 1. 1897. 4^.
Album arch^logique. Fase. 12. 1897. fol.
Notice historique sur le canton de Bernaville (Somme) par Tbeodose
Lef^vre. 1897. S®.
Bulletin. Ann^e 1896 No. 2—4; 1897 No. 1. 2. 6^.
Historischer Verein fĂĽr Schwaben und Neuburg in Augsburg:
Zeitschrift. Band XXIV. 1897. S®.
Johns Hopkins ĂĽniversity in BcUtimore:
Studies in Historical and Political Science. Ser. XV, No. 6—12. 1897. 8^.
Circulars. Vol. XVII, No. 184. 185. 1898. 4®.
American Journal of Mathematics. Vol. XIX, 4; XX, 1. 1897/98. 40.
The American Journal of Philology. Vol. XVIII, 1-3. 1897. 8«.
American Chemical Journal. Vol. XIX, No. 6 — 10; Vol. XX, No. 1.
1897/98. 8^.
Bulletin of the Johns Hopkins Hospital. Vol. VHI, No. 81, 1897, Vol. IX.
No. 82-86. 1898. 40.
The Johns Hopkins Hospital Reports. Vol. VI. 1897. 40.
Maryland Oeological Survey in Baltimore:
Survey. Vol. I. 1897. 40.
340 Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften.
Kgl, Bihlioihelc in Bamberg:
Katalog der Handschriften. Bd. I, Abth. 1, Lfg. 2. 1898. ^.
Historischer Verein in Bamberg:
68. Bericht för das Jahr 1897. 1898. 8»
R. Ă„cademia de ciencias in Barcelona:
Boletfn. Ano I, Vol. 1, No. 1. 1892. 4®.
Historisch-antiquarische Gesellschaft in Basel:
22. Jahresbericht 1896/97. 1897. 8«.
Bataviaasch Genootschap van KĂĽnsten en Wetenschappen in Batavia:
Tijdechrift. Deel 40. afi. 1 en 2. 1897. 8°.
Notulen. Deel 35, aĂź. 1. 2. 1897. &^,
Verhandelingen. Deel 49, stak 3. 1897. 4^
Nederiandsch-Indisch-Plakaatboek. Deel XVI. 1897. 8^.
Historischer Verein in Bayreuth:
ArchiT. Band XX. 2. 1897. 8**.
K. Serbische Akademie in Belgrad:
Glas. No. LHI. 1898. 8«.
Spomenik. No. XXXI. 1898. 4^.
Godischnijak X, 1897. 1898. BP.
M. Tsch. MiliUchewitsch Manastir Ealenitach 1898. S9.
Museum in Bergen (Norwegen):
G. 0. Sars, An Account of the Crustacea. Vol. II, part 9. 10. 1898. 4<>.
Aarbog for 1897. 1898. 8»
K. preussische Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen. Bd. XXIV. 1897. 8^.
Acta bornssica. Bd. II der BehOrdenorganisation. 1898. 8^.
Abhandlungen aus dem Jahre 1897. 4^.
Sitzungsberichte. 1897, No. XL-LIIl; 1898, No. I— XXIIl. 4®.
Corpus inscriptionum latinarum. Vol. IV, Supplementum. 1898. fol.
K. geolog. Landesanstalt und Bergakademie in Berlin:
Abhandlungen. N. F. Heft 26—28. 1897. 40.
Central- Bureau der internationalen Erdmessung in Berlin:
Bericht ĂĽber den Stand der Erforschung der Breitenvariation im Des.
1897 V. Th. Albrecht. 1898. 4«.
Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin:
Berichte. 80. Jahrg., No. 19. 20; 31. Jahrg., No. 1—10. 1898. 8®.
Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin:
Zeitschrift. Band 49, Heft 3. 4. 1897. 8».
Medicinische Gesellschaft in Berlin:
Verhandlungen 1897. Band 28. 1898. 8®.
Physikalische Gesellschaft in Berlin:
Die Fortschritte der Physik im Jahre 1892, 8 Bände. Braonschweiff
1898. 8<>.
Verhandlungen. Jahrg. 16, 1897, No. 11. 12; Jahrg. 17, 1898, No. 1—6. BP.
Namenregister zu Bd. 21—43. II. Hälfte. 1898. S^.
PhysiologiscJie Gesellschaft in Berlin:
Centralblatt fttr Physiologie. Bd. XI, No. 20—26; Bd. XII, No. 1—7.
1897/98. 8«.
Verhandlungen. Jahrg. 1897—98, No. 1—4. 1897. 8<>.
VerzeichnUs der eingelaufenen Drucksehriften, 341
K, technische HochschiĂĽe in Berlin:
Otto N. Witt, Die Lebensbedingungen der modernen chemiicben Industrie.
Rede. 1898. 4».
Kaiserlich deutsches archäologisches Institut in Berlin:
Jahrbuch. Band XH, 4; Xllf, 1. 1898. 40. Erg&uzungsband IV Alter-
thämer von Hierapolis.
Mittheilungen (römische Abtheilung). Bd. XIII, fasc. 1. Rom 1898. 8^.
K. preuss. meteorologisches Institut in Berlin:
Die Feier des 50j&hrigen Bestehens des k. meteorologischen Instituts
am 16. Oktober 1897. 1898. 4®.
Veröffentlichungen 1896. Heft 2. 1898. 4».
Ergebnisse der meteorolog Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1896.
1898. 40.
Ergebnisse der Gewitterbeobachtungen in den Jahren 1895 u. 96. 1898. 4<^.
Verhandlungen der Konferenz der Vorstände deutscher meteorologischer
Zentralstellen, Oktober 1897. S^.
Jahrbuch Ober die Fortschritte der Mathematik in Berlin:
Jahrbuch. Band XXVI, Heft 4. 1898. 8®.
Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss, Staaten
in Berlin:
Katalog der Bibliothek, VI. Auflage. 1897. 8®.
Gartenflora. Jahrg 1898, Heft 1—13. B^.
Verein fĂĽr Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XI,
1. Hälfte. Leipzig 1898. 8«.
Naturwissenschaftliche Wochenschrift in Berlin:
Wochenschrift. Band XI II, Heft 1-6. 1898. 4».
Zeitschrift fĂĽr Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. 18. Jahrg., 1898, Heft 1-6. 4«.
Sociele d* Emulation du Doubs in Besangon:
M^moires. VI. S^rie, Vol. 10. 1895. 1896. 8«. VII. Särie, Vol. 1. 1896.
1897. 80.
Gewerbeschule in B istritz:
XXII. Jahresbericht für 1896/97. 1897. 8®.
Obsercatorio in Bogota:
Latitud del Observatorio de Bogota. Por^ulio Garavito 1897. 8®.
R, Ă„ccademia delle Scienze delV Istituto Bologna:
Memorie. 8er. V, Tom. 5, fasc 1—4. 1895—96. 4^.
Renticonto. Nuova Serie, Vol. 1, 1896—97. 1897. 8<>.
B. Deputazione di storia patria per le Provincie di Eomagna
in Bologna:
Atti e Memorie. Serie III, VoL XV, 1-3. 1897. 4«.
Niedeirheinische Gesellschaft fĂĽr Natur- und HeĂĽkufide in Bonn:
Sitzungsberichte 1897, II. Hälfte. 8^.
Verein von Ă„lterthumsfreunden im Rheinlande in Bonn:
Bonner JahrbĂĽcher. Hefe 102. 1898. 4<>.
Naturhistorischer Verein der preitssischen Rheinlande in Bonn:
Verhandlungen. 54. Jahrg., II. Hälfte. 1897. 8®.
342 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
SocUti des sciences physiques et naturelles in Bordeaux:
Proc^-yerbaux des s^nces 1894/95, 1895/96 et 1896/97. 09.
Esquisse d^une carte gMogique des environs de Bordeaux par ÂŁ. Fallot.
(1 Blatt.) 1895.
M^moires. V. S^rie, Tome 1, cahier 1. 2; Tome 2, cahier 1. 2. 1895/96. S^.
Obseryations pluviom^triqoes 1894/95, 1895/96. 1896/97. 8*^.
SociStS Linnienne in Bordeaux:
Actes. Vol. 50. 1896. 8«.
Societi de gSographie eommercidle in Bordeaux:
Bulletin. 1897, No. 23. 24; 1898, No. 1—12. 1897/98. 8».
American Ă„cademy of Arts and Sciences in Boston:
Proceedings. Vol. 33, No. 5—12. 1897/98. 8^.
American FhHological Association in Boston:
Transactions. Vol. 28. 1897. 8®.
Geschäftsführung der 69, Plenarversamnüung deutscher Naturforscher
und Aerzte in Braunschweig:
Festschrift der herzogl. technischen Hochschule. 1897. 8^.
Die medicin. Festschrift : Beitr&ge zur wissenscbaftl. Medicin. 1897. 8^.
Festgruss des Vereins fĂĽr Naturwissenschaft. 1897. 8^.
Tageblatt der Versammlung. 1897. 4^.
Naturwissenschaftlicher Verein in Bremen:
Abhandlungen. Band XIV, 3. 1898. 8^.
Beitr&ge s. nordwestdeutschen Volks- und Landeskunde. Heft 2. 1897. 8^.
Queefvsland Museum in Brisbane:
Annais No. 4. 1897. 8<>.
Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens in Brunn:
Zeitschrift. 2. Jahrg., 1. u. 2. Hea. 1898. 8^,
Natur forschender Verein in Brunn:
Verhandlungen. Band 35, 1896. 1897. &^,
XV. Bericht der meteorol. Commission, 1895. 1897. 8^.
Acadimie Boyaie de mSdecine in BrĂĽssel:
Mdmoires couronnds. Tome XV, fasc. 2. 3. 1898. 8^.
Bulletin. IV. Sdrie, Tome XI, No. 11. 1897. Tome XII, No. 1—5.
1898. 8«.
Acadimie Boyaie des sciences in BrĂĽssel:
Bulletin. 3. Serie, Tome 84, No. 12, 1897; Tome 85, No. 1—5. 1898. 8<>.
Annuaire 1898. 64« ann^e. S^.
Programme du concours 1898 et 1899. 1898. 8^.
Classe des lettres. Concours pour les anndes 1897—99. 1897. 8®.
SocietS des Bollandistes in BrĂĽssel:
Analecta Bollandiana. Tome 16, fasc. 4. 1897. Tome 17, fasc. 1. 2.
1898. 8^
Sociiti entomologique de Belgique in BrĂĽssel:
Annales. Tome 41. 1897. 8^
Mämoires. Tome 6. 1897. Bfi,
SocUtS beige de gSologie in BrĂĽssel:
Bulletin. Tome X, 2. 8. XI. 1898. 8^.
Verzeichnias der eingelaufenen Druckschriften, 343
Observaioire Royale in BrĂĽssel:
Annales. Nouy. S^r.
Annales asironomique. Tome 7.
Annales mät^orologiqae. Tome 3. 4. 1895 — 96. 4^.
Annuaire. Ann^e 66-64. 1889—97. 8^,
Bibliographie generale de Tastronomie par J. G. Honzeaa et~A. Lancaster.
Tome I, 2. 1889. 4».
K, ungarische geologische Anstalt in Budapest:
Mittheilungen. Band XI, 6—8. 1897. 4^
Földtani Közlöny. Bd. 87, 10-12. 1897. Bd. 38, 1—4. 1898. 4«
Jahresbericht fĂĽr 1895. 1898. 4<>.
K, ungarisches Ă„ckerbauministerium in Budapest:
Landwirthichaftliche Statistik der Länder der ungarischen Krone. Bd. II.
III. 1897. 40.
Officina meteorologica Argentina in Buenos Aires:
Anales. Toma XI. 1897. 4^.
Botanischer Garten in Buitenzorg (Java):
Mededeelingen. No. XXII— XXIV. 1898. 4^.
Academia Bomana m Bukarest:
Analele. Ser. IL Vol. XV, Sect. iator; Vol. XVI, Sect. istor. sciintif.;
Vol. XVII, Partea administrat. Sect. istor. 1895. 4**.
Actes et Documents rel. & Thistoire de la rdg^n^ration de la Ronmanie.
Vol. I, 2; II— V; VI, 1; VII. 1888—92. 8^.
N. Manolescu, Igiena t^ranĂĽlĂĽi. 1895. 8^.
0. Cräiniceanu, Igiena t^ranülüi Rom&n. 1895. 8^.
Bumänisehes meteorologisches Institut in Bukarest:
Analele. Tom. XII, 1896. 1898. 4^.
Buletinul. Anul VI, 1897. 1898. 4P.
Sociiti Linneenne de Normandie in Caen:
Bulletin. 4* S^r., Vol. 10, fasc. 3. 4; 5« Sdr., Vol. 1, fasc. 1. 1897. 8P.
Meteorological Department of the Government of India in Calcutta:
Monthly Weather Review. August-Dezember 1897. Januar 1898. fol.
Rainfall of India 5^ year 1895. 1896- fol.
Asiatic Society of B eng cd in Calcutta:
Bibliotheca Indica. New 8er., No. 901—909. 1897. 8^.
Journal. No. 362-369. 1897/98. 8«.
Proceedings. 1897, No. V— XI. 1898, No. I— IV. 8«.
The Ea9mira9abdämrta, a Kä9mirl graifiar by I9vara-Kaula.'![ £d. by
G. A. Grierson. Part I. 1897. 4»
Geological Survey of India in Calcutta:
Memoire. Vol. 25. 26. 1895—96. 27, part 2. 1898. 4».
Palaeontologica Indica. Ser. XV, Vol. I, 4, Vol. II, 1, Ser. XVI, Vol. I,
part 1—3. 1895/97. fol.
Astronomical Observatory of Harvard College in Cambridge, Mass, :
Annais. Vol. 41, No. 5. 1898. Vol. 42, part 1. 1897. 4»
344 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
Philosophical Society in Cambridge:
Proceedings. Vol. IX. 7. 8. 1898. 8«.
Transactions. Vol. XVI, 3. 4. 1898. 4».
Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge, Mass.:
Bulletin. Vol. 28, No. 4. 5; Vol. 31, No. 5—7; Vol. 32, No. 1-5.
1897/98. 8».
Ă„ccademia Crioenia di scienze naturaJi in Catania:
Atti. Serie IV, Vol. 10. Anno 74. 1897. 40.
Bullettino mensile. Nuova Ser., fasc. 50—52. 1898. ^9.
Physikalisch technische Reichsanstält in Charlottenburg:
Die Tbätif^keit der physikalisch-technischen Reichsanstält im Jahre 1897.
Berlin 1898. 4«.
K, sächsisches meteorologisches Institut in Chemnitz:
Jahrbuch. XIII. Jahrg. 1895, II. Hälfte; XIV. Jahrg. 1896, Abih. 1. 2.
1896/97. 40.
Sociiti des sciences naturelles in Cherbourg:
M^moires. Tome 30. Paris 1896—97. 8«
John Crerar Library in Chicago:
3^ annual Report for 1897.
Field Colunibian Museum in Chicago:
Publications. No. 22. 24. 25. 1897. 8».
Zeitschrift „The Monist*' in Chicago:
The Monist. Vol. 8, No. 2—4. 1898. 8«.
Zeitschrift „The Open Court" in Chicago:
The Open Court. Vol. XII, No. 1—7. 1898. 4».
Norsk Folkemuseum in Christiania:
Aarsberetning 1897. 1898. 4^.
Chemiker-Zeitung in Cöthen:
Chemiker-Zeitung 1898. No. 1—42. 45—52. fol.
Äcademia nacioncU de ciencias in Cördoha CRepübl, ÄrgentJ:
Boletin. Tom. 14, No. 2. 1894. 15, No. 4. Buenos Aires 1898. 80.
Franz-JosephS' Universität in Czemowitz:
Verzeichniss der Vorlesungen. Sommer-Semester 1898. 8®.
Die feierliche Inauguration des Rektors am 4. Oktober 1897. 1898. 8^.
Historischer Verein fĂĽr das Grossher zogthum Hessen in Darmstadt:
Quartalblätter. N. F., 1896, No. 1—4. 1897, No. 1—4. 8«.
ijcole polytechnique in Delft:
Annales. Tome VIII, 3. 4. Leiden 1897. 4<>.
Colorado Scientific Society in Denver, Colorado:
The Proceedings. Vol 6. 1894—96. 8^.
Bulletin. No. 10 and 11 of 1897; No. 1 of 1898. B^.
Acadtmie des Sciences in Dijon:
Mdmoires. IV. S^rie. Tome 5. 1896. S^,
Union geographique du Nord de la France in Douai:
Bulletin. Vol. 18, trimestre 4. 1897. Vol. 19, trimestre 1. 1898. B9,
VerzHehniss der eingelaufenen Druckschriften. 345
Boy dl Irish Ă„cademy in Dublin:
Proceedinf(8. Ser. ĂśI. Vol. IV, 4, 5. 1897/98 S^.
Transactiong. Vol. 31, pari 1—6. 1896—98. 4®.
List of the Membera. 1898. S^,
Boyal Dublin Society in Dublin:
The Scientific Proceedings. N. S. Vol. VIII, part 6. 1897. b^
The Scientific Transactions. Seriee IL Vol. V, No. 13; Vol. VI, No. 2—13.
1896-97. 40.
American Chemical Society in Easton, Pa,:
The Journal. Vol. XX, No. 1—7. 1898. S^.
BoyaJ Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. XXI, p. 473-549. 1897. Vol. XXII, No. 1. 1898. 8«.
Transactions. Vol. 28, part III, IV; Vol. 29, part I. 1896—98. 4«.
Geologicai Society in Edinburgh:
Transactions. Vol. VII, 3. 1897. 8^.
Rolland Lans of the Edinburgh Geologicai Society. 1897. 8<^.
Scottish Microseopical Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. 2, No. 2. 1897. 8<>.
Boyal Physical Society in Edinburgh:
Proceedings. Session 1896—97. 1897. 8®.
Karl FriedrichS'Gymnasium zu Eisenach:
Jahresbericht f. d. J. 1897—98. 1898. 4».
K, Akademie gemeinnĂĽtziger Wissenschaften in Erfurt:
Jahrbücher. N. F. Heft 24. 1898. 8«.
Senckeiibergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt ajM,:
Abbandlungen. Band XXI, 1; XXIV, 1. 2. 1897. 49.
KaUlog der Reptilien-Sammlung, Theil IL 1898. B^.
Naturwissenschaftlicher Verein in Frankfurt ajO.:
Helios. Band XV. Berlin 1898. S^.
Societatum Litterae. Jahrg. XI, 1897, No. 7—12; XII, 1898, 1—4. 8®.
Naturforschende Gesellschaft in Freiburg ijBr.:
Berichte. Bd. X, Heft 1—8. 1897—98. 8«.
Kirchlich-historischer Verein in Freiburg i/Br.:
Freiburger Diöcesan- Archiv. 26. Band. 1898. S^.
Universität Freiburg in der Schweiz:
Index lectionum per menses aestivos anni 1898. 8^.
Behörden, Lehrer und Studirende. Sommer-Semester 1898. 8^.
K. Gymnasium in FĂĽrth:
Jahresbericht für 1896/97. 1897. S«.
Societi d^histoire et d'arcMologie in Genf:
Bulletin. Tome II, livr. 1. 1898. 8^.
Museo civico di storia naturale in Genua:
Annali. Serie IL Vol. XVIII. 1897. 8^.
Oberhessischer Geschichtsverein in Gfiessen:
Mittheilungen. N. F. 7. Band. 1898. 8«.
346 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
Oherlauaitzische Gesellschaft dtr Wissenschaften in Görlitz:
Neues Lausitzisches Magazin. Band 73, Heft 2. 1897. Band 74, Heft 1.
1898. 8«.
JT. Gesellschaft der Wissenschaften in Gottingen:
GOttingische gelehrte Anzeigen. 1898. No. I— VII. Berlin. 4<^.
Nachrichten, a) Mathem. - phjB. Glasse. 1897, Heft 8. 1898, Heft 1.
Berlin. 4Ă–.
b) Philol.-hist. Clasee. 1897, Heft 3. 1898, Heft 1. Berlin. 4«.
c) Philos.-hist. Glasse. Geschäftliche Mittheilungen. 1897,
Heft 2. 1898, Heft 1. Berlin. 4^.
Abhandlungen. N. F. Bd. I, No. 1 u. 2. N. F. Bd. II, No. 4-6. Berlin
1898. 40. Mathem.-physikal. Glasie.
The Journal of Comparative Neurology in GranvĂĽle (U.St.A.J:
The Journal. Vol. VII, No. 3. 4. 1898. 8^.
Scientific Laboratories of Denison ĂĽniversity in GranvĂĽle, Ohio:
Bulletin. Vol. IX, part 2. 1897. 8».
Naturwissenschaftlicher Verein fĂĽr Neu- Vorpommern in Greifswaid:
Mittheilungen. 29. Jahrgang 1897. Berlin 1898. 8^.
Fiersten- und Landesschule in Cfrimma:
Jahresbericht von 1897—98. 1898. 40.
K, Instituut voor de Taäl-, Land- en Volkenkunde van Nederlandscli-Indie
im Haag:
Bijdragen. VI. Reeks. Deel V, aflev. 1. 2. 1898. 8^.
Naamlijst der leden. 1898. 8^.
SocUtS Hollandaise des Sciences in Haarlem:
Archives Näerlandaises des sciences exactes. S^r. II. Tome 1, livr. 4. 5.
La Haye 1898. 8«.
Nova Scotian Institute of Science in Halifax:
The Proceedings and Transactions. Vol. IX, part 3. 1897. 8^
K. K. Obergymnasium zu Hall in Tirol:
Programm ftlr das Jahr 1897/98. Innsbruck 1898. 8®.
Kaiserl, Leopoldinisch-Cardinische Deutsche Akademie der Naturforscher
in Halle:
Leopoldina. Heft 33, No. 12. 1897. Heft 84, No. 1—6. 1898. 4«.
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Band 51, Heft 4. 1897. Band 52, Heft 1. 1898. Leipzig. 8<>.
Indische Studien. Bd. XVIII. Leipzig 1898. 8<>.
Universität in Halle:
Verzeichniss der Vorlesungen. Sommer-Halbjahr 1898. 8^.
Naturwissenschaftlicher Verein fĂĽr Sachsen und ThĂĽringen in Halle:
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 70, Heft 3—6. Leipzig 1898. 8«.
ThĂĽring, -Sachs. Geschichts- und AU erthums- Verein in Halle:
Neue Mittheilungen. Band 19, Heft 1. 1898. QP.
Mathematische Gesellschaft in Hamburg:
Mitteilungen. Band III, 8. Leipzig 1898. 8^.
Verein fĂĽr Hamhurgische Geschichte in Hamburg:
Mitteilungen. 18. Jahrgang 1896/97. 1897. 8^.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschrifteft . 347
Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg:
Verhandlungen. 1897. IV. Folge. V. 1898. 80.
Naturhistorische Gesellschaft in Hannover:
Festschrift zur Feier des lOOj&hrigen Bestehens. 1897. 8^
Flora der Provinz Hannover von W. Brandes. 1897. 8^.
Verzeichnis der im Provinzialmuseam za Hannover vorhandenen Säuge-
tiere. 1897. 8».
Katalog der Vogel Sammlung aus der Provinz Hannover. 1897. 8^.
Katalog der systematischen Vogelsammlung des Provinzialmuseums^in
Hannover. 1897. S^,
Historischer Verein fĂĽr Niedersachsen in Hannover:
Zeitschrift. Jahrgang 1897. 8^.
Historisch-philosophischer Verein in Heidelberg:
Neue Heidelberger Jahrbücher. Jahrg. VIII, Heft 1. 1898. 8®.
Geschäftsfahrender Ausschtiss der Beichslimeshommission in Heidelberg:
Der Obergermanisch-Baetiscbe Limes. Lfg. I — VIII. 1894—97. 4P,
Limesblatt. No. 1-28. Trier 1892—98. 8^.
Finländisehe Gesellschaft der Wissenschaften in Helsingfors:
Observations de Tlnstitut mät^orologique central. Vol. XV, livr. 1 und
Räsumd des annäes 1881—90. 1897. fol.
Verein fĂĽr siebenbĂĽrgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. N. F. Band XXVHI, Heft 1. 1898. S«.
Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in SiebenbĂĽrgen. Band II.
1897. gr.-80
Verein fĂĽr Meiningisehe Geschichte und Landeskunde in Hildburghausen:
Schriften. 28. u. 29. Heft. 1897/98. 8^.
Ungarischer Karpathen- Verein in Iglö:
Jahrbuch. XXV. Jahrg. 1898. 8®.
Ostsibirische Ă„btheilung der Kaiserlich russischen Geographischen Gesell-
schaft in Irkutsk:
Isweatija. Bd. 28, No. 4. 1897. Bd. 29, No. 1. 1898. 8^.
Sapiski. Tom. I, Heft 1. 3; II. Heft 1. 3; III, Heft 1. 1889-96. 8».
Journal of Physical Chemistry in Ithaca, NY,:
The Journal. Vol. I, No. 12. 1897. Vol. II, No. 1—3. 6-6. 1898. 8«.
Medicinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena:
Jenaische Zeitschrift fĂĽr Naturwissenschaft. Band XXXI, Heft 3 u. 4.
Band XXXII. 1898. S^.
Naturforschende Gesellschaft bei der Universität Jurjew (Dorpat):
Sitzungsberichte. Band XI. Jurjew 1898. 8^.
Centralbureau fĂĽr Meteorologie etc. in Karlsruhe:
Jahresbericht des Centralbureaus f. d. J. 1897. 1898. 4^.
Socictd physico-mathematique in Kasan:
Bulletin. IL Serie. Tome VII, No. 4; VIII, No. 1. 1898. S«.
Universität Kasan:
Utschenia Sapiski. Bd. 64, Heft 12. 1897. Bd. 66, Heft 1-4. 1898. 8«.
7 medicinische Dissertationen von 1897/98.
348 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
Verein fĂĽr hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel:
Zeitschrift. N. F. Band XXIf. 1897. 8«.
Mittheilungen. Jahrgang 1896. 1897. 8^.
Verein fĂĽr Naturkunde in Kassel:
Abhandlungen und Bericht XLII. 1897. S^.
SocUti mathimatique in Kharkow:
Communications. 2« S^rie, Tome VI, No. 2. 3. 1897. 4<>.
SociSte de tnidecine in Kharkow:
Travaux 1896. No. 1. 1897. S®.
Universiti Imperiale in Kharkow:
Sapiski 1898. Band 1—3. 8^.
Annales 1897. Heft 4. 8«.
Universität in Kiew:
Iswestija. Band 87, No. 11. 12. 1897. Band 88, No. 1-6. 1898. 8».
Medicrnaturunssenschaftl, Sektion des Museumsvereins in Klausenburg:
firtesitö. 2 Hefte. 1897. 8<>.
Physikaiisch-ökonomische Gesellschaft in Königsberg:
Schriften. 88. Jahrgang. 1897. 4^
K, Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Oversigt. 1897, No. 6; 1898, No. 1-8. 8».
M^moires. 6® S^rie. Section des Lettres, Tome IV, 4; Section des
Sciences, Tome VIII, 6. 1898. 4<>.
Nordiska Museet in Kopenhagen:
Samfundet fOr Nordiska Museets främjande 1895 och 1896. 1897. 8^
nebst 5 kleineren Schriften.
Gesellschaft fĂĽr nordische Alterthumskunde in Kopenhagen:
Aarböger. II. Eaekke, 12. Bind, 4. Heft und Tillaeg. 1897. 13. Bind,
1. Heft. 1898. 8».
Mämoires. Nouv. Sdr. 1897. 1898. 8^.
Genealogisk Institut in Kopenhagen:
Etatsraad Knud Nicolai Enudsens Ungdomserindringer. I uddrag med-
delte af Sofus Elvius. 1898. 8<>.
Akademie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. 1897, December; 1898, Januar— Mai. 8®.
Rozprawy. Ser. II. Tom. 11. 1897. 8».
BibHoteka pisarzow polskich. Tom. 84. 35. 1897. 8®.
Bocznik. Rok 1896/97. 1897. 8«.
Scriptores rerum Polonicarum. Tom. 16. 1897. B9,
Acta Rectoralia. Tom. 1, fasc. 4. 1897. S^.
Sprawozdanie komisji fizjograf. Tom. 32. 1897. 8®.
M. Federowski, Lud Biatoruski. Tom. 1. 1897. 8^.
F. KiekosiĂĽski, Rycerstwo Polskie. Tom. 1. 2. 1896. 8^.
Botanischer Verein in Landshut:
16. Bericht über d. J. 1896—97. S^.
Societi Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. IV. Sdrie, Vol. 83. No. 126. 127. 1897/98. 8».
..-. ^
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften, 349
Kansas Academy of Science in Lawrence, Kansas:
Transactions. Vol. XV. Topeka 1898. 8^.
Kansas University in Lawrence, Kansas:
The Kansas University Qaarterly. Vol. VI, No. 4, Serie« A u. ß. 1897.
Vol. VII, Serie A, No. 1. 1898. 8^
Maatsdiappij van Nederlandsche Letterkunde in Leiden:
Tijdschrift. N. Serie. Deel XVII, 1. 2. 1898. 8®.
Archiv der Mathematik und Physik in Leipzig:
Archiv. II. Reihe. Band 16, Heft 2. 1898. 8^
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der math.-phys. Classe. Bd. XXIV, No. 2. 3. 1898. 4^.
Berichte der philol.-hist. Classe. Band 50, No. 2.
Berichte der mathem.-physik. Classe. 1897, V, VI. 1898, I. II. 8<>.
Journal fĂĽr praktische Chemie in Leipzig:
Journal. N. F. Bd. 56, Heft 10—12; Bd. 57, Heft 1—9. 1897/98. ^.
Verein fĂĽr Ei'dkunde in Leipzig:
Mittheilungen 1897. 1898. 8®.
Anthropologischer Verein in Lemherg:
Lud. Organ des anthropologischen Vereins in Lemberg. Tom. IV,
Heft 1. 2. 1898. 8^.
Sociedade de geographia in Lissabon:
Boletin. 16. Serie, No. 7. 8. 1897. 8^.
ĂĽniversitS Catholique in Loewen:
Annuaire 1898. 8^.
Schriften der Universität a. d. J. 1891—97. 8<>.
Zeitschrift „La Cellute" in Loewen:
La Cellule. Tome XHI, 2. 1897. Tome XIV, 1. 4«.
Boycd Institution of Great Britain in London:
Proceedings. Vol. XV, part 2. 1898. 8<>.
The English Historicdl Review in London:
Historical Review. Vol. XIII, No. 49. 50. 1898. 8^.
Boyal Society in London:
Year-Book 1897—8. 8».
Proceedings. Vol. 62, No. 382—388. Vol. 63, No. 389—398. 1898. 8®.
R, Astronomical Society in London:
Monthly Notices. Vol. 58, No. 2—7. 1897/98. 8».
Chemical Society in London:
Journal. No. 42*2—427 (January— June 1898). e9,
Proceedings. No. 187—197. Session 1897/98. 8«.
Geological Society in London:
The quarterly Journal. Vol. 53, part 1—4. 1897. 8^,
Geological Literature 1896. 1897. 8^.
Royal Microscopical Society in London:
Journal. 1898, part 1—8. 8®.
350 Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften,
Zoölogical Society in London:
Proceedings. 1897. Part IV. 1898. Part I. 1898. 8®.
Transactions. Vol. XIV, pari 5. 6. 4^.
Zeitschrift „Nature" in London:
Nature. No. 1472—1496. 1898. 4®.
Missouri Botaniccd Garden in St, Louis:
8^ and 9^^ annual Report. 1892 n. 1898. S^.
SocUtS gSologique de Belgique in Luttich:
Annales. Tome 22, livr. 3; Tome 23, livr. 3; Tome 24, livr. 2; Tome 25,
livr. 1. 1894—98. 8».
Sociiti Boyale des Sciences in LĂĽttich:
Mämoires. II. S^rie, Tome 20. Bruxelles 1898. 8®.
Universität in Lund:
Acta Universitatis Lnndensis. Tom. 33, afdel. 1. 2. 1897. 4^.
SocUte botanique in Luxemburg:
R^cueil des m^moires et des travaux. No. XIII. 1890—96. 1897. 8^.
Acadimie des sciences in Lyon:
Mämoires. Sciences et Lettres. III« S^rie. Tome 4. Paris 1896. gr.-8^.
SocietS d'agriculture science et industrie in Lyon:
Annales. VII. S^rie. Tome 4. 1896. 1897. gr.-Sf^.
Sociiti Linneenne in Lyon:
Annales. Tome 43. 1896. gr.^S^.
B, Ă„cademia de ciencias exactas in Madrid:
Memorias. Tomo XVlf. 1897. 4<>.
Discursos leidos en la recepciön publica de Pr. M. Sagasta. 1897. 4^.
Annario 1898. ^,
B. Ă„cademia de la historia 4n Madrid:
Boletin. Tomo 82, cuad. 1—6. 1898. 8».
Biblioteca liazionaie di Brera in MaĂĽand:
Lud. Frati, I Ck>dici Morbio della R. Biblioteca di Brera. Forli 1897. 49.
B. Istituto Lombardo di scienze in Mailand:
Memorie. Vol. XVIII, fasc. 5. 1898. 4«.
B. Osseroatorio astronomico in MctUand:
Osservazioni meteoroloji^iche eseguite neir anno 1897. 1898. 4®.
Societä Italiana di scienze naturali in Maüand:
Atti. Vol. 37, fasc. 2. 1898. 80.
Societä Storica Lombarda in Maüand:
Archiyio Storico Lombardo. Ser. III. Anno 24, fasc. 16. 1897. Anno 25,
fasc. 17. 18. 1898. 8«.
Ortsausschuss fĂĽr deutsche Nationalfeste in Mainz:
Die Reicbsfeststätte bei Mainz. Denkschrift. 1897. 8^.
Liter ary and phĂĽosophical Society in Manchester:
Memoirs and Proceedings. Vol. 42, pari I. II. 1898. 8*.
Faculte des sciences in Marseäle:
Annales. Tome VIII, fasc. 5—10 et tables. 1898. 4».
Vereeichnias der eingelaufenen JDrackachnften. 351
FĂĽrsten' und Landesaehule 8t, Ă„fra in Meisaen:
Jahresbericht fĂĽr das Jahr 1897/98. 1898. 4^,
Boy cd Society of Victoria in Melbourne:
Transactions and Proceedinffs. Vol. XXII. XXIII, XXIV, part I. II. New
Series. Vol. 1-IX, X, part I. 1888—97. 8».
Bivista di Storia Ă„ntica in Messina:
RiviBta. Anno III, fasc. 1. 1898. 8^.
Ohservatorio meteorolögico-magnStico central in Mixico:
Boletin mensual. Octubre— Diciembre 1897. Enero, Febrero 1898. 4®.
Resnmenes mensnales de 1891 j 1892. 1897. 4<^.
Sociedad cientifica „Antonio Alzate** in Mexico:
Memorias. Tomo 10, No. 6-10. 1897. Tomo 11, No. 1— 4. 1898. S^.
Ă„mministrazione delle Pubblicazioni Cassinesi in Montecassino (Caserta):
Spicilegium Casinense. Tomas III, pars prior. 1897. 4^
Internationales Tausch-Bureau der Bepublik Uruguay in Montevideo:
Anuario estadfstico de rĂĽmgnay. Afio 1896. 1898. 40.
Ă„cadSmie de sciences et lettres in Montpellier:
M^moires. Section des lettres. 2* Särie. Tome 1, No. 5 — 7. Tome 2,
No. 1.
Section des sciences. 2« 86t. Tome 2, No. 2—4. 1896—97. 8^.
Numismatic and Ă„ntiquarian Society in Montreal:
The Canadian Ă„ntiquarian. III^ Series. Vol. I, No. 2. 1898. 8^.
SociHi Imphriale des Naturalistes in Moskau:
Bulletin. Annöe 1897, No. 2—4. 1897/98. 8».
Mathematische Gesellschaft in Moskau:
Matematitscheskij Sbornik. Band I— XX. 1866—97. 8^.
Statistisches Amt der Stadt MĂĽnchen:
Münchener Jahresübersichten für 1896 (Mitteilungen XVI, 1). 1898. 4«.
Deutsche Gesellschaft fĂĽr Anthropologie in Berlin und MĂĽnchen:
Correspondenzblatt. Jahrg. 28, No. 11. 12. 1897. Jahrg. 29, No. 1—6.
1898. 40.
K. Armeebibliothek in MĂĽnchen:
I. Nachtrag zum BĂĽcherkatalog der k. Armeebibliothek vom Jahr 1885.
1898. 8<>.
K. bayer. technisclhc Hochschvie in MĂĽnchen:
Personalstand. Sommer-Semester 1898. 8®.
Metropolitan- Kapitel MĂĽnchen-Freising in MĂĽnchen:
Schematismus der Geistlichkeit fĂĽr das Jahr 1898. 8^.
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. 1898, No. 1—18. 8<>.
K. Staatsministerium des Innern fĂĽr Kirchen- und Schulangelegenheiten
in MĂĽnchen:
Ergebnisse der Untersuchung der Hochwasser Verhältnisse im deutschen
Rheingebiete. Heft V. Beriin 1898. fol.
Universität in München:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4^ u. S^,
Amtliches Verzeichniss des Personals. Sommer-Semester 1898. 8®.
Verzeichniss der Vorlesungen. Sommer- Semester 1898. Winter-Semester
1898/99. 40.
1808. Bitiuigsb. d. mailL-phys. Ol. 23
352 Verzeichnias der eingelaufenen Druckschriften,
Ă„er etlicher Verein in MĂĽnchen:
Sitzungsberichte. Vol. VII, 1897. 1898. S«.
Historischer Verein in MĂĽnchen:
Monatsschrift. 1898, No. 1—4. 8^.
K, Oherhergamt in MĂĽnchen:
Geognostische Jahresbefte. IX. Jahrgang 1896. Cassel 1897. 4^.
Verlag der Hochschttl' Nachrichten in MĂĽnchen:
Hochschul-Nachrichten. 1898, No. 88—98 (Januar— Juni). 4<>.
K. hayer. meteorologische Zentralstation in MĂĽnchen:
Beobachtungen der meteorologischen Stationen des Königreichs Bayern.
19. Jahrgang, Heft 1—3. 1897/98. 4^.
üebersicht über die Witterungsverhaitniase. 1897, November— December.
1898, Januar— Mai. fol.
Westphal. ProvinziaH'Verein fĂĽr Wissenschaft und Kunst in MĂĽnster:
25. Jahresbericht für 1896/97. 1897. 8«.
Acadimie de Stanislas in Nancy:
M^moires. 5* S^rie. Tome 14. 1897. 8®.
SociH6 des sciences in Nancy:
Bulletin. Särie II. Tome 14, fasc. 31, 1896. 1897. 8^.
Reale Ă„ccademia di scienze moraJi et politiche in Neapel:
Atti. Vol. 29. 1898. 8^
Rendiconto. Anno 36. 1897. 8^.
Ă„ccademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Serie 8. Vol. 3, fasc. 12. 1897. Vol. 4, fasc. 1—5. 1898. 4».
Zoologische Station in Neapel:
Mittheilungen. 13. Band, Heft 1 u. 2. Berlin 1898. 8^.
North of England Institute of Engineers in New-Castle (upon-Tyne) :
Transactions. Vol. 46, part 6; Vol. 47, part 2. 3. 1898. 8^.
An Account of the Strata of Northumberland U — Z. 1897. 8®.
The American Journal of Science in New-Haven:
Journal. IV. Series. Vol. V, No. 25—29. Vol. VI, No. 31. 1898. S^.
American Museum of Natural History in Neto-York:
Bulletin. Vol. IX. 1897. 8^
American Oeographical Society in New- York:
Bulletin. Vol. 29, No. 4. 1897. Vol. 30, No. 1. 2. 1898. 8<>.
Archaeological Institute of America in New -York:
American Journal of Archaeology. Vol. Xf, No. 4. (Oct. — Dec. 1896.)
II. Series. Vol. I, No. 1. 2. 4. 5. 1897/98. S®.
Verein fĂĽr Geschichte der Stadt NĂĽrnberg:
Jahresbericht 1895, 1896 u. 1897. 1896—98. 8«.
Mittheilungen. Heft XII, Abth. 1. 2. 1896—98. 8»
Des Hieronymus Braun Prospekt der Stadt NĂĽrnberg vom Jahre 1608.
1896. fol.
Germaniaches Nationalmuseum in NĂĽrnberg:
Anzeiger. Jahrgang 1897. 8®.
Mittheilungen. Jahrgang 1897. 8^.
Katalog der Gewebesammlung. Th. I. 1897. 8^.
Versseiehniss der eingelaufenen Druckschriften, 353
Neuru88i8che naturforschende Gesellschaft in Odessa:
Sapiiki. Tom. XVUI, XXI, 2; XXII, 1. 1897—98. 8».
Historischer Verein in OsnabrĂĽck:
OsnabrĂĽcker Oeschichtsqnellen. Band III, Heft 1. 1898. 8^.
Verein fĂĽr Geschichte und Landeskunde in OsnabrĂĽck:
Mittheilungen. 22. Band, 1897. 1898. 8«.
Verein fĂĽr Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Paderborn:
Zeitschrift für vaterländische Geschichte. Bd. 66 und Ergänzungsheft I,
Liefg. 4. MĂĽnster 1897. 8^.
B. Ă„ccademia di scienze in Padua:
Atti e Memorie. Nuova Serie. Vol. Xm. 1897. 8«.
Circolo matematico in Palermo:
Rendiconti. Tomo XII, fasc. 1—4. 1898. 4«.
Collegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti. Anno 1897, Agosto— Dicembre. 1898, Gennaio— Aprile. 1897—98. 49.
Ă„cadSmie de midecine in Paris:
Rapport sur les vaccinations pendant Tannäe 1894 et 1895. Melun 1896. 4^.
Rapports annuels de la Commission permanente de Thygibne de Tenfance
pour rannte 1895 et 1896. 1895/96. 8^.
Memoires. Tome 86, fasc. 1. 2; Tome 87, fesc. 1. 2. 1891—95. 4®.
Bulletin. 1898, No. 1—27. 8^.
JcadSmie des sciences in Paris:
Oeuvres complMes d*Augustin Cauchy. Särie I. Tome 9. 10. 1896/97.
Sdrie IL Tome 3. 1897. 40.
Comptes renduB. Tome 126, No. 1—26. 1898. 4°.
Btbliothkque nationaie in Paris:
Notice sur les manuscrits syriaques acquis depuis 1874. Par J. B. Chabot.
1896. 40.
£cole pölytechnique in Paris:
Journal. II. Särie. 2« cahier. 1897. 4®.
Comiti international des poids et mesures in Paris:
Procbs-verbauz des sdances de 1897. 8^.
Minister e de Vinstruction publique in Paris:
Bibliographie des travaux scientifiques des soci^t^s savantes de la France
par J. Deniker. Tome 1, livr. 2. 1897. 4«.
Moniteur Scientifique in Paris:
Moniteur. Livr. 671 (Nov. 1897), Livr. 674-679 (F^vrier-Juillet 1898). 40.
Musie Guimet in Paris:
Petit Guide illustrd, par L. de Millou^. Nouv. r^cension. 1894. 8^.
Annales in 4». Tome XXVI, part 2. 3. 1897.
Revue de l'histoire des räligione. Tome 33, No. 3; Tome 34, No. 1 — 3;
Tome 35, No. 1-3; Tome 86, No. 1. 2. 1896/97. 8^.
Musium d'histoire naturelle in Paris:
Bulletin. Annöe 1896, No. 7. 8. Annde 1897, No. 1—8. 8^.
Nouvelles Archivee. 86r. lU. Tome VUI, fwc. 1. 2. 1896. Tome IX,
fasc. 1. 1897. 40.
354 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
SocUtS cPanthropologie in Paris:
Bulletins. IV. Sörie, Tome VII, 6. 6. 1896. Tome VIII, 1—4. 1897. 8^
SociiU des itudes JUstoriques in Paris:
Reyne. 63« annde 1897, No. 4, 64« ann^e 1898, No. 1—3. ^,
SociiU de giographie in Paris:
Comptes rendus. 1897, No. 18—20; 1898, No. 1—5. ^,
Bulletin. VII. Särie. Tome 17, 4fi trimestre; Tome 18, 3« trimestre
Tome 19, 1« trimestre. 1896/98. 8«.
SociiU mathimatique de France in Paris:
Bulletin. Tome 26, No. 8. 9 et demier. 1897. Tome 26, No. 1—3
1898. 8».
Ă„cadimie Imphiale des sciences in St, Petersburg:
M^moires. VIII* S^rie. 1. Glaase historico-philologique, Vol. I, No. 7
Vol. II, No. 1. 2. 2. Classe physico-math^matique, Tome 5, No. 6 — 19
Tom. 6, No. 1—3. 6. 1897—98. 4«.
Byzantina Chronika. Tom. IV, 3 u. 4. 1897. 40.
Bulletin. V. S^rie, Tome VII, No. 2.
Comiti giologique in St. Petersburg:
BuUetins. 1897, XVI, 3—9. ^,
Kaiserlich russische archäologische Gesellschaft in St, Petersburg:
Sapiski. Orientalische Abtheilung. Bd. 10, Heft 1—4. 1897. 4^.
Kaiserl, mineralogische Gesellschaft in St, Petersburg:
Verhandlungen. II. Serie. Bd. 35, Lfg. 1. 1897. 8<>.
Sach- und Namenregister der 11. Serie 1885—1895. 1898. 8^.
Physikalisch-chemische Gesellschaft an der kaiserl, Universität
in St, Petersburg:
Schumal. Tom. 29, No. 9, 1897; Tom. 30, No. 1 u. 2. 3. 1898. 8<>.
Musie eoologique de VĂ„cademie Imperiale in St. Petersburg:
Annuaire 1897. No. 4. 8<>.
Physikalisches Central-Observatorium in St. Petersburg:
Annalen. Jahrg. 1896, partie I. II. 1897. 4^.
Kaiserliche Universität in St, Petersburg:
Godischni Akt (Jahrbuch). 1898. 8^.
Ă„cademy of natural Sciences in Philadelphia:
Proceedinga. 1897, part II. III. 8^.
American pharmaceuticcU Association in Philadelphia:
Proceedings. 45^^ Meeting at Lake Minnetonka, August 1897. 8^.
Geographica! Society in Philadelphia:
Charter, By-Laws, List of Members. 1898. 8^.
Alumni Association of the College of Pharmacy in Philadelphia:
Alumni Report Vol. 34, No. 1—5. 1898. S«
American Philosophical Society in Philadelphia:
Proceedings. Vol. 36, No. 156. 1897. 8^.
22. Scuola normale superiore di Pisa:
Annali. Vol. XIX. 1897. 8^.
Societa Toscana di sdenee naturali in Pisa:
Atti. Processi verbali. Vol.X,p. 243-292; Vol. XI, p. 1—10. 1897-98. 4
Verzeichnias der eingelaufenen Druckschriften, 355
K. Gymnasium in Plauen:
Jahresbericht fOr 1897/98 nebst Programm. 1898. A^.
Historische Gesellschaft in Posen:
Zeitschrift. 12. Jahrg., Heft 2—4. 1897. 8<>.
K, geodätisches Institut in Potsdam:
Die Polböhe yon Potsdam, Heft I. Berlin 1898. 4<>.
Bestimmungen Yon Azimuten im Harzgebiete. Berlin 1898. 4^.
Ă„strophysikdlisches Observatorium in Potsdam:
Publicationen. Bd. XL 1898. 4^
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und
Literatur in Prag:
Beiträge zur deatscb-böhmischen Volkskunde. Bd. I, 3; II, 1. 1898. 8^.
Mittbeilung. No. VTH. 1898. 8».
Rechenschaftsbericht fĂĽr das Jahr 1897. 1898. ^.
K, Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:
Pam&tnfk na oslavu st^ch narozenin FrantiSka Palackeko. 1898. 8^.
Jahresbericht fĂĽr das Jahr 1897. 1898. 8^.
Sitzungsberichte 1897. a) Classe fdr Philosophie, 1897. b) Mathem.*
naturw. Classe, 1897. I. IL 1898. S^.
Mathematisch-physikalische Gesellschaft in Prag:
Ă–asopis. Bd. 26, No. 4; Bd. 27, No. 8 u. 6. 1898. Q^.
Lese- und Bedehalle der deutschen Studenten in Prag:
Bericht ĂĽber das Jahr 1897. 1898. 8^.
Museum des Königreichs Böhmen in Prag:
Pam&tky. Vol. 17, sesit 4—8; Vol. 18, sesit 1. 2. 1896—98. 4».
Ă–asopis. Bd. 71, Heft 1-6. 1897. 8^
K, K, Sternwarte in Prag:
Magnetische und meteorologische Beobachtungen im Jahre 1897. 58. Jahr-
gang. 1898. 40.
Deutsche Carl -Ferdinands -Universität in Prag:
Die feierliche Installation des Bectors fĂĽr das Jahr 1897/98. 1897. ^.
Ordnung der Vorlesungen. Sommer-Semester 1898. 8^.
Zeitschrift „Kr 6k" in Prag:
.Krok*. Bd. XII, No. 1—3. 1898. 8».
Verein fĂĽr Natur- und Heilkunde in Presshurg:
Verhandlungen. Jahrg. 1894—96, N. Folge, Heft 9. 1897. 8^.
Archaeologicdl Institute of America in Princeton (New- Jersey):
American Journal of Archaeology. Vol. XI, No. 1—4; XII, No. 1—4.
1895-96. 80.
B. Ă„ccademia dei Lincei in Born:
Atti. Ser. V. Classe di scienze fisiche. Rendiconti. Vol. VI, Semestre 2,
fasc. 12; Vol. VII, Semestre 1, fasc. 1—11. 1897—98. 40.
Atti. Ser. V. Classe di scienze morali. Vol. 4, parte 1. Memorie.
Vol. 5, parte 2. Notizie degli scayi. Novembre - Decembre 1897.
Gennaio-Marzo 1898. 4<>.
Rendiconti. Classe di scienze morali. Serie V. Vol. VI, fasc. 11. 12.
1897. Vol. VIL fasc. 1—4. 189a 8».
Annuario 295 (1898). 8^.
356 Verzei^nisa der eingelaufenen Druckschriften.
Ă„ccademia Pontificia de* Nuovi Lincei in Rom:
Atti. Anno 61, Sessione I— III. 1897/98. 4^
B. Comitato geölogico d^Italia in Born:
Bollettino. Anno 1897, No. 3. 4. S^.
Kais, deutsches archäologisches InstittU (röm, Äbth,) in Bom:
Mittheilonf^en. Band XII, fasc. 3. 4. 1898. 8^.
B. Ministero della Istruzione pubblica in Bom:
Indici e cataloghi IV. I. codici Palatini. Vol. 2, fasc. 5. 1897. 8^.
Le opere di Galileo Galilei. Vol. VII. Firenze 1897. 4»
B. Corpo delle miniere, Ufficio geölogico in Bom:
Carta geologica delle Alpi Apaane in 4 fogli e 3 tavole di sezioni. 1897. fol.
Service de la carte giologique d*Itdlie in Bom:
Garte g^ologiqae d*IUlie fenilles 236—288, 241—248, 245—247, 255, 263,
264 et Table 1. 2. 1897. fol.
B. Societä Bomana di storia patria in Bom:
Archivio. Vol. XX, fasc. 3. 4. 1897. 8®.
Societi Batave de philosophie experimentcde in Botterdam:
Programme 1897. 8®.
Ă„cadimie des sdences in Bouen:
Pr^cis analytique des travaux. Annäe 1895—96. 1897. 8^.
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Atti. Serie DI, Vol. 3, fagc. 4. 80.
Essex Institute in Salem:
Bulletin. Vol. 26, p. 65—202; Vol. 27, p. 1—147; Vol. 28, p. 1—56;
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MittheĂĽongen. 37. Vereinsjahr. 1897. 8^.
Historischer Verein in St. GaUen:
Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek St. Gallen. III.
Heraosg. v. Emil Arbenz. 1897. B^,
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Bericht über das Jahr 1895—96. 1897. 80.
Instituto y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Almanaque naĂĽtico 1899. 1897. 09.
Californio Academy of Sciences in San Francisco:
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Proceedings. III^ Series, Zoology, Vol. I, No. 5; Botany, Vol. 1, No. 2;
Geology, Vol. 1, No. 3. 1897. 4°.
Museu Patdista in S. Paulo:
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Bosnisch-Herzegowinische Landesregierung in Sarajevo:
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Vergeichnias der eingelaufenen Drueksehriften, 357
Verein fĂĽr mecklenburgische Geschichte in Schwerin:
Mecklenburgisches Urkundenbacb. Band 17. 18. 1897. 4<>.
K. K, archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Arcbeologia. Anno XX, 1897, No. 12; XXI, 1898,
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Verein fĂĽr Geschichte und Ă„lterthĂĽmer in Stade:
Qeschicbte der Stadt Stade, y. M. Bahrfeldt. 1897. 8^.
Gesellschaft fĂĽr Pommer^sche Geschichte in Stettin:
Baltische Stadien. Neue Folge, Band 1. 1897. 8^.
JT. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Handlingar. N. F. Band 29. 1896—97. 4».
K, Vitterhets Historie och Ă„ntiquitets Akademie in Stockholm:
M^nadsblad. 28. Jahrg. 1894. 1897-98. 8».
Antiquarisk Tidskrift för Sverige. Bd. XVI. 4. 1895—98. 8^.
K. öffentliche Bibliothek in Stockholm:
Register 1886—95. 1896—98. S^.
Sveriges offentliga bibliotek Accessions- Katalog 12. 1897. 1898. 8^.
Geologiska Förening in Stockholm:
Förhandlingar. Band XIX, Heft 7; Band XX, Heft 1—4. 1898. 8«.
Institut Royal giologique in Stockholm:
Sveriges geologiska undersökning. SeriesC, No. 161. 163 — 171. 173 — 175.
1896—97. 8<>.
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Strassburg:
Monatsbericht. Bd. 31, No. 8—10. 1897. Bd. 32, No. 1—4. 1898. 8^.
K. WĂĽrttewh. statistisches Landesamt in Stuttgart:
WĂĽrttembergische JahrbĂĽcher fĂĽr Statistik. Jahrg. 1897. 1898. 4^.
Department of Mines and Agrictdture of New -South -Wales in Sydney:
Records. Vol. 5, part 4. 1898. 4«.
Mineral Resources, No. 1. 2. 1898. 8<>.
Observatorio astronömico nacional in Tacubaya:
Boletfn. Tomo 2, No. 3. Mexico 1898. 4^.
Anuario. Ano XVIII. Aiio de 1898. 1897. 8«.
Kaiserliche Universität Tokyo (Japan):
Mittheilungen aus der medicinischen Facultät. Bd. III, No. 3. 1897. 4^.
Canadian Institute in Toronto:
Proceedings. Vol. I, parts 4 and 5. 1898. 8®.
Transactions. Vol. V, part 2. 1898. 8®.
Facuite des sciences in Toidouse:
Annales. Tome 11, Ann^e 1897; 12, Ann^e 1898. 4^.
R. Accademia delle scienze in Turin:
Atti. Vol. 83, disp. 1—18. 1897—98. 8*\
h
IL
358 Verteichnita der eingelaufenen Druckschriften.
Qeaelhchaft „Eranos" in Upsala:
Eranoa. Acta philotogic« Lnecana. Toi. II, hac. 8. 4; Vol. Ill, f^c. 1,
1897—98. 8«.
Humanistika VetenkapOiamfund >n ĂĽpgala:
Skrifter. Band Y. 1897. 6«.
Meteorohg. Observatorium der Unioersität Upsala:
Balletin mensuel de l'obBerratoire mät^roloitique. Vol. XXIX, Annäe 18'
1897—98. fol.
Bistorisek Qenootsekap in Utrecht:
Werken. 8er. Ill, No. 8, 1897; N. Ser., No. 60, 1898. »'OraTeDhage.
Provindal VtreektscH Oenootsehap in Utrecht!
AanteekeDingen 1897. 80.
Tenlag. 1897. 8".
Bureau of American Ethnologif in WaAington:
XVItb aunaal Eeport for 1894—96. 1897. 4".
U. S. Department of Agricutture in Washington:
Yearbook 1897. 1898. 8^.
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Smithsonian Institution in Washington :
Miacellaoeoiu Collection«. No. 1084. 1087. 1898. 8°.
Hiatorj of the Snt half Century of tbe Smitfasonian Institution 1846—!
1897. 4,".
Surgeon General'» Office, U. S. Artny in Washington:
Indei-Catalogae. II. Seriea. Vol. 2. 1897. if.
United States Geaiogical Survey in Washington:
Bulletin. No. 87. 127. 130. 135—148. 1897. 8".
MonOKT»ph». No. XXV— XXVilt nnd 1 Atlas in fol. 1896-97. 4«.
XVil^ annual Beport for 1895--9G. Part I. II. 1896. 4«.
K. K. geologische Beichsanstalt in Wien:
Jahrboch. Jahrg. 1897. Band 47. Heft 2. 1897. 4».
Verhandlongen. 1897, No. 14-18; 1998, No, 1-8. 4».
Abbandlangen. Band XTII, Heft 4. 1897. fol.
Geographische OesellachaĂź in Wien:
HittheiluDgen. Band 40. 1897. &>.
K. K. Gradmessungs-Gommission in Wien:
Astronomiacbe Arbeiten. Band IX. 1897. i".
K. K. GesellsAaft der Aertte in Wien;
Wiener kliniacbe Wochenschrift. 1898, No. 1—26. 4°.
Anthropologische Gesellschaft in Wien:
Hittheilongen. Band XXVII, 6. 1897. Band XXVUl, 1—3. 1898. .
Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften. 359
Zoologisch-botanische Gesellschaft in Wien:
Verhandlungen. Band 47, Heft 10; Band 48, Heft 1-6. 1898. 09,
K. K, rnüitär-geographisches Institut in Wien:
Astronomisch-geodätische Arbeiten. Band X a. XL 1897. 4^.
K. K, naturhistorisches Hofmuseum in Wien:
Annalen. Band XII, 2—4. 1897. 40.
Verein fĂĽr Nassauische Ă„lterthumskunde etc, in Wiesbaden:
Mittheilangen. 1898, No. 8 a. 4. 4^.
Oriental NohĂĽity Institute in Woking:
Vidyodaya. Vol. 26, No. 12; Vol. 27, No. 1—6. 1897/98. 8°.
Ortsverein fĂĽr Geschichte und Ă„lterthumskunde in WolfenbĂĽttel:
Brannschweigisches Magazin. 8. Band, 1897. Braanschweig 1897. 4^.
Physikalisch-mediciniscJie Gesellschaft in WĂĽrzhurg:
Verhandlungen. N. F. Band XXXI, No. 8. 1898. 8^.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1897, No. 8—9. 8^.
Historischer Verein von ĂĽnterfranken in WĂĽrzhurg:
Archiv. 89. Jahrgang. 1897. 8^.
Jahresbericht fOr 1896. 1897. 8^
Antiquarische Gesellschaft in ZĂĽrich:
Mittheilungen. Band XXIV, 6. 1898. 4«.
Naturforschende Gesellschaft in ZĂĽrich:
Vierteljahrsschrifb. 42. Jahrg., 1897, Heft 3 u. 4; 48. Jahrg., 1898,
Heft 1. 1898. &.
Physikalische Gesellschaft in ZĂĽrich:
9. Jahresbericht. 1896 u. 1897. Uster-Zflrich 1898. 8^.
Sternwarte in ZĂĽrich:
Astronomische Mitteilungen. No. 89. 1898. 8®.
Universität in Zürich:
Schriften a. d. J. 1897-98 in 4* u. 8^.
Schweizerische meteorologische Zentralstation in ZĂĽrich:
Annalen. 82. Jahrgang, 1896. 1897. 4<>.
Verteiehnw der eingelaufetKn Druckschriften.
Von folgenden FrlTatpersonen:
Prinz Albert I. von Monaco:
Snr la qnatribme campa^e scieatifiqae de U .Princesse Alice*. Pf
1898. 4".
Sar lee obBervations m^t^rologiques de l'Ocäan Atiantique. Paria 1898-
Boberl Ball in Dublin:
The XIIU> and conclading Hemoir on the Theorie of Screws. Dnl
1898. 4<>.
Ă„ttlonio Cabreira in LisBabon:
SoT l'aire des poljgonei. Lisbonne 1897. 8".
Snr les Titeiae« aar la apirale. Ligbonne 1896. 8".
Auguste Daubrie'g Relieten in Paris:
Augaate Daabröe aS. Jnin 1614 bia 29. Mai 1896. Paria 1897. i".
Ja. Denisov in Kharkom:
Die Dochmien bei AeRchylua (ruaa.). Kharkow 1698. S".
Alexander Biete in Frankfurt ajM.:
Frankfurter BOigerbucfa. Frankfurt 1897. 4?>.
Chnrlea Janet in Baueaie (Oi»e):
ätudes snr lea founnia No. 14—16; Limogea, Parit, Lille 1897. 6".
Motice aar lei travaui acientifiqoea de M. CharleB Janet Lille 1896.
Friedrieh Keinz in MĂĽnchen:
A. LacToix in Paris:
A des Cloiieani 1617-1897. Paria 1897. i".
Vito La Mantia in Palermo:
Cnnanetndini di Trapani. Trapuii 1B9B— 97. &.
', CoDBolato del mare e dei mercanti. Palermo 1897. 8**.
PriTilegi inediti di Heaaina. Palenno 1897. &>.
[ Auguste Le Jolis in Gherbourg:
\ Remarqnea eur la Noineiiclature algologique. Paria 1696. 8".
Tito Martini in Venedig:
Intomo al calore che ai BTĂśappa nel bagnare le polveri UDOve ricerci
Venezia 1896. 8°.
Gabriel Monod in Versailles:
' Bevae biatoriqoe. Tome 66, No. L 11; Tome 67, No. l. II. Paria 1898.
Giovanni Omboni in Padua:
I II gabinatto di geologia della B. Univerait^ di PadoTa. Padova 1898.
Ed. Piette in Rumigny, Ardennes:
fitudea d'ethnographie prfliiatorique. Paria 1697. ffl.
Dietrich Reimer in Berlin:
Vergeiehniss der eingelaufenen Druckechriften, 361
Httgo Sehitchardt in Gras:
Tch^qaes et Allemands. Paris 1898. 8^.
Jr, Skworteow in Kharkow:
Soleil, terre et ^lectricit^. Kharkow 1898. 8® (in französischer und in
russischer Sprache).
Jerge Socolow in Moskau:
Nouvelles recherches astronomiques. Moscou 1896. 8^.
Des planstes se tronvant yraisemblablement au delk de Mercure et de
Neptune. Moscou 1897. 8^.
Bila Szentesy in Budapest:
Die geistige Ueberanstrengung des Kindes. Budapest 1898. 8^.
A. ThievXlen m Paris:
Les vdritables instruments usuels de Tage de la pierre. Paris 1897. 4P,
N. Wecklein in MĂĽnchen:
Euripidis fabulae. Vol. I, pars 4, Electra. Lips. 1898. 8^.
Melchior Weiss in Freising:
Ueber mariologische Schriften des seligen Albertus. Paris 1898. 8^.
Primordi noyae bibliographiae Alberti Magni. Parisiis 1898. 8^.
1898. Sitzungsber. d. math.-phys. Cl. T*^'/- -'•
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 2. Juli 1898.
1. Herr H. Seeliger hält den in der Juni-Sitzung zurück-
gestellten, für die Denkschriften bestimmten Vortrag: »Be-
trachtungen über die räumliche Vertheilung der Fix-
sterne/
2. Herr Gustav Bauer beantragt eine in dem Nachlasse
des verstorbenen ordentlichen Mitgliedes der Classe, Ludwig
V. Seidel, gefundene Abhandlung: ,,TJeber die Bedingungen
möglichst präciser Abbildung eines Objekts von end-
licher scheinbarer Grösse durch einen dioptrischen
Apparat", welche in der Classen-Sitzung vom 6. März 1880
vorgetragen und zur Aufnahme in die Sitzungsberichte bestimmt
worden war, aber nicht zur Publikation gelangte, in den
Sitzungsberichten zu veröffentlichen ; Herr Professor Dr. Sebastian
FiNSTERWALDER hatte die GĂĽte, dieselbe durchzusehen und eine
Einleitung dazu zu schreiben. ^
1898. Sitznngsb. d. mAth.-phyt. Ol. 24
Sitiung dar malh.-fhy». CloMe vom 2. Jtdi 189B.
3. Herr Eugen v. Lomjjel ĂĽberreicht eine Abbandlu
Herrn Dr. Lunwio Fomm, Assistenten am physikalischen 1
der Universität : ,TJeber eine neue Erscheinung bei
triscbeii Entladungen in verdĂĽnnten Oasen.'
4. Herr Walter Dyck legt eine Abhandlung des
Dr. Eduard v. Werbb, Privatdozenten an der Univ
,Ueber Schaaren von Bilinearformen", vor.
365
ĂĽeber eine neue Erscheinung bei elektrischen
Entladungen in verdĂĽnnten Gasen.
Von Dr. Ludwig Fonmi.
Legt man um eine Glasröhre zwei Ringe von dünnem
Drahte und verbindet dieselben mit den Polen eines Induk-
toriums, so zeigen sich beim Evakuieren der Röhre folgende
Erscheinungen:
Die Glasröhre hatte eine Länge von 20 cm, einen Durch-
messer von 3 cm und war mittelst eines seitlich angeblasenen
Rohres mit einer Quecksilberluftpumpe in Verbindung. Die
Ringe aus 0,5 mm starkem Aluminiumdrahte waren in gegen-
seitiger Entfernung von 15 cm angebracht und mit den Polen
eines Induktoriums von 15 cm Maximal-Funkenlänge in Ver-
bindung.
Bei den ersten Pumpenzügen hat man ganz ähnliche
Erscheinungen, wie bei den gewöhnlichen Geissler- Röhren.
Zuerst funkenartige Entladung, dann Auftreten von positivem
und negativem Licht, Bildung eines dunklen Raumes und
Schichtung des positiven Lichtes.
In Röhren mit äusseren Elektroden treten nur oscilla-
torische Entladungen auf, da die Elektroden, in unserem Falle
die Ringe, die eine Belegung, das leitende Gas die andere Be-
legung eines Kondensators darstellen, während das Glas die
Rolle des Dielektrikums ĂĽbernimmt.
24*
366 SUeung der ma^.-phya, Classe vom 2, Juli 1898,
Bei solchen Entladungen erscheinen beide Elektroden fĂĽr
das Auge gleichzeitig als Anode und Kathode. Mit HĂĽlfe
eines Magneten, dessen Kraftlinien senkrecht zur K()hrenaxe
verlaufen, lassen sich jedoch leicht die ĂĽbereinander gelagerten
Erscheinungen trennen.
Bei weiterem Evakuieren bildet sich konzentrisch zu den
Ringen an der inneren Glaswand ein blauer Ring und aus der
Mitte desselben quillt scheinbar positives Licht, den ganzen
Querschnitt der Röhre erfüllend und sich allmählich schichtend.
Das blaue Licht unter den Ringen wächst dann sowohl
seitlich als gegen die Röhrenaxe hin, bis es den Querschnitt
ganz ausfüllt, während das positive Licht allmählich verschwindet.
Jetzt tritt eine merkwürdige Erscheinung auf. Während
das Vakuum höher wird, löst sich das blaue Licht unter den
Ringen von den Glaswänden los und schnürt sich in der Ring-
ebene gegen deren Mittelpunkt zusammen, so dass ein Doppel-
kegel entsteht, dessen Spitze im Mittelpunkt des Ringes sitzt.
Der vordere Theil verwandelt sich dann in einen lang-
gestreckten graublauen Strahl, während der hintere Kegel,
d. h. der der anderen Elektrode abgewandte Kegel, zu einem
wulstartigen Gebilde wird.
Diese blaugrauen Strahlen zeigen nun alle Eigenschaften
von Kathodenstrahlen. Sie breiten sich unbekĂĽmmert um die
Stellung des zweiten Ringes aus, stehen in ihrer Hauptmasse
senkrecht zur Ringebene, gleichgĂĽltig, welche Neigung die-
selbe zur Axe der Glasröhre haben mag, erwecken, wo sie an
die Glaswand treffen, lebhafte Phosphorescenz, setzen ein in
ihren Weg gestelltes Rädchen in Bewegung und werden vom
Magneten abgelenkt, wobei sie sich um den Mittelpunkt des
Ringes als Ausgangspunkt drehen. Der Wulst dagegen, der
als rückwärtige Fortsetzung dieser Strahlen zu betrachten ist,
unterliegt dem Einfluss des Magneten weniger und erregt die
Glaswand zu rothgelber Phosphorescenz.
Bei Anwendung von zwei Ringen als Elektroden ent-
stehen diese blaugrauen Strahlen nur in dem Räume zwischen
den beiden Elektroden. Verbindet man dagegen nur einen
L. Fomm: lieber eine neue Erscheinung etc. 367
Ring mit dem Induktorium, während man den freien Pol des
Letzteren zur Erde ableitet, so treten diese Strahlen auf beiden
Seiten des Ringes auf.
. Ist das Vakuum hoch genug, so werden diese Strahlen
allmählich unsichtbar und sind nur mehr an ihrer phosphores-
cenzerregenden Wirkung zu erkennen; zugleich bildet sich zu
beiden Seiten der Ringe ein dunkler Streifen auf dem Glase,
dem ein breiter phosphorescierender sich anschliesst.
Schaltet man zwischen die Ringe eine metallische Platte,
welche die Röhre ziemlich gut abschliesst, so verhält sich
diese wie eine metallische Trennungsfläche in einem Elektro-
lyten. Die Platte wird zur Elektrode und sendet intensive
Strahlen aus senkrecht zu ihrer Oberfläche und zwar aus ihrem
Mittelpunkte, welche lebhafte Phosphorescenz und Röntgen-
strahlen erzeugen. Dasselbe findet auch statt, wenn die Platte
in ihrer Mitte durchbohrt ist.
Was fĂĽr eine Metallplatte gilt, findet auch bei mehreren
statt; sobald dieselben als Trennungsflächen auftreten, über-
nehmen sie die Rolle von Elektroden.
369
Ueber Schaaren von Bilinearformen.
Von E. Yon Weber.
In der vorliegenden Mitteilung soll die Invariantentheorie
einer Schaar von Bilinearformen
(1) tl'lijaafiXayß+ vJ^baßXat/ft (o /? = 1, 2 . . . «)
aft aĂź
fĂĽr den Fall entwickelt werden, dass die Formen (l) schief-
symmetrisch sind, d. h. den Relationen
(2) a„/? = — ttßa'i Kß = — hßa
unterliegen, und dass nur congruente lineare Transformationen
der beiden Variabeingruppen x und y in Betracht gezogen
werden. Dieser Fall, dem u. a. in der allgemeinen Theorie
der Systeme Pfaflf'scher Gleichungen eine hervorragende Wich-
tigkeit zukommt, erscheint umsomehr einer besonderen Unter-
suchung bedĂĽrftig, als auf ihn die von Weierstrass *) und Kron-
ecker*) angegebenen Keductionsmethoden nicht ohne wesent-
liche Modificationen anwendbar sind.
I.
1. Es sei r der Rang der Matrix
(3) ' upik -\-vqik} (i = 1, . . . r; äj = 1 . . . s),
d. h. es mögen alle t + 1 -reihigen, nicht aber alle t- reihigen
Determinanten dieser Matrix fĂĽr beliebige Werte m, v vor-
1) Berl. Monatsber. 1868 = Werke II p. 19.
2) Sitzungaber. Berl. Ak. 1890 p. 1225.
370 Sitzung der math.-phys. Classe vom 2, J%Hi 1898.
schwinden. Ist femer a = uv — vu ein gemeinsamer Linear-
faktor aller r-reihigen Determinanten von (3), so werde fĂĽr
A = T, T — 1, ... 2, 1 die höchste Potenz von a, die in den
grössten gemeinschaftlichen Divisor aller A- reihigen Deter-
minanten von (3) aufgeht, mit a^* bezeichnet.
Nennt man dann eine A- reihige Determinante von (3)
hinsichtlich a „regulär", falls sie a genau in der t^*®" Potenz
enthält, so gilt nach Herrn Frobenius*) der Satz, dass jede
reguläre A- reihige Determinante von (3) eine reguläre A — 1-
reihige Determinante als Unterdeterminante enthält.
2. Dies vorausgeschickt, sei 2q der Rang der schief-
symmetrischen Matrix
0, uai2 + vbi2 . . . uain + vbi^
,,v ,wa2i + v62i, 0 ,..ua2n + vb2i
Uan\ + Vbnl, Uan2 + vbn2 ... 0
wir setzen
(ik) = — (jki) = ua + vbik
und definieren den Ausdruck (ii, ^2 • . . iik) in bekannter Weise
durch die Recursionsformel
(5) (iik '" kk) = S^""^ (ii is) (^3 . . . ku)]
darin bedeuten ii, (2. . . irgend 2k Zahlen der Reihe 1 bis w,
und 2j ist eine Summe von 2 k — 1 Gliedern, die alle aus
dem ersten Glied durch einmalige, zweimalige ... 2k — 2-
malige cyclische Vertauschung der Zahlen i2, h - - - hk ent-
stehen. Der Ausdruck (5) werde ein „Pfaff'sches Aggregat*
der Ordnung 2 k genannt; er ist eine binäre Form vom Grade k
in den Variabein «, v und sein Quadrat ist eine 2 Ä- reihige
Hauptunterdeterminante der Matrix (4). Es gilt nun der Satz:
„Ist d^ der grösste gemeinschaftliche Divisor aller PfaflT-
schen Aggregate der Form
{ii ^2 . • . ho),
1) Sitzungsber. Berl. Ak. 1894 p. 31.
E, V, Weber: lieber Schaaren von BĂĽinearfarmen, 371
also d^ der grosste gemeinschaftliche Divisor aller 2 ^-reihigen
Hauptunterdeterminanten von (4), so ist d^ auch der grösste
gemeinschaftliche Divisor aller 2 ^ -reihigen Unterdeter-
minanten von (4).**
In der That, ist Ă„ eine 2^ -reihige Unterdeterminante
von (4), und sind D bezw. D' diejenigen 2Ăź-reihigen Haupt-
unterdeterminanten, die aus denselben Horizontalreihen bezw.
Vertikalreihen entnommen sind, wie Ă„, ferner A* die 2 Ăź-reihige
Determinante, deren Elemente zu denen von Ă„ symmetrisch
liegen, so hat man, da 2^ der Rang von (4)^):
DD' = Ă„Ă„ = A\
Damach ist A^ durch df*, also A durch dfj teilbar, und
da auch umgekehrt der grösste gemeinsame Divisor aller Deter-
minanten A in dl aufgeht, so ist unsere Behauptung erwiesen.
3. Es enthalte nun dg den Linearfaktor a in der Potenz X^,,
Wir können dann, um die Ideen zu. fixieren, annehmen, dass
insbesondere das Aggregat
(1, 2...2e)
keine höhere Potenz von a enthalte, dass also die Determinante
(6) DiQ — I uaik + vhn \ (i, äj = 1, 2 . . . 2 ^)
hinsichtlich a regulär sei. Der grösste gemeinschaftliche Divisor
aller Pfaflf 'sehen Aggregate der Form:
wo ii . . . i2fc irgend 2 h Zahlen der Reihe 1 ... 2 ^ bedeuten,
enthalte a in der Potenz Xk.
Es seien nun mit Aik die 2q — 1- reihigen Minoren der
Determinante D^q bezeichnet. Nach bekannten Sätzen hat
man dann:
AüAkk — Aik Aki :^ Afk =^ Die ^^-2,
wo D%o-2 eine 2^ — 2-reLhige Hauptunterdeterminante von D%q
bezeichnet. Damach ist der grösste gemeinschaftliche Divisor
1} Frobenius, Crelle's J. 82 p. 240 f.
372 Siizung der mathrphys. Classe vom 2. Juli 1898,
aller A^^ durch die Potenz a^e+^«?-i und durch keine höhere
Potenz von a teilbar; wir wissen nach Nr. 1 ĂĽberdies, dass
eine der Determinanten Aik hinsichtlich a regulär ist.
Es seien jetzt ij , ij ; Ă„j , Jc^ irgend welche Zahlen der Reihe
1 ... 2 ^ ; dann hat man :
wo A' eine 2^ — 2-reiliige Unterdeterminante von Di^ be-
zeichnet. Alle diese Unterdeterminanten sind darnach durch
ar^e-i teilbar, und eine derselben ist nach Nr. 1 regulär.
Da aber eine der Hauptunterdeterminanten D25-2 durch keine
höhere Potenz von a teilbar ist, als a^^e-i, so ergibt sich,
dass Dzq eine reguläre Hauptunterdeterminante Dje-2 enthält.
4. Auf die letztere lassen sich nun offenbar dieselben
SchlĂĽsse anwenden, wie auf D^^; man findet, dass a in den
grössten gemeinsamen Divisor aller 2q — 3-reiliigen Unter-
determinanten von D2fj-2 in der Potenz a\'-i+^(>-2 aufgeht,
und dass eine dieser Determinanten, also auch eine 2^ — 4-
reihige Hauptunterdeterminante von 2)20-2 regulär ist. Durch
Wiederholung dieser Schlussweise erhält man folgende Sätze:
„Ist dfi der grösste gemeinsame Divisor aller
Pfaff'schen Aggregate der Form:
(7) (ii ir2 ' ' ' hh) (ii , ^2 . . . = 1 . . . n; A < q),
so ist dli der grösste gemeinschaftliche Divisor aller
2A-reihigen Unterdeterminanten, und dh'dh-\^) der-
jenige aller 2A — 1-reihigen Unterdeterminanten der
schiefsymmetrischen Matrix (4)."
„Ist 2o der Rang der Matrix (4), und geht der
Linearfaktor a in dh in der Potenz kh auf, so kann
man die Zeilen und Colonnen der Matrix (4) so an-
ordnen, dass die g Pfaff'schen Aggregate
P(0 = (2 i + 1, 2i 4- 2 . . . 2 (>) (i = 0, 1 ... ^ — 1)
bezw. durch a^o, a\>-i,...a^i und durch keine höhere
Potenz von a teilbar sind."
') t/n = 1.
E. v. Weher: lieber Schaaren von BĂĽinearformen, 373
5. Wir setzen zur AbkĂĽrzung
(p = IjaaĂźXaPĂź; tp = JjbaĂźXayĂź
f=w<p—xp; w = — j.
Offenbar lässt sich die Form q) von vorneherein so aus
der Schaar (1) auswählen, dass die 2 ^ -reihigen Determinanten
der Matrix (4) für v = 0 nicht sämtlich verschwinden. Dann
können wir schreiben:
d^ = (— v) • " . (-w — u^^)/h^ (w — uß^fh^ ...{w — uf^'^fh\
indem wir die Anzahl der verschiedenen Linearfaktoren von
df, mit r bezeichnen. Setzt man
4") = 0; ^r - Alrli = e^i*+. (A = e, e - 1 . . . 1),
so sind nach Nr. 4 die Eleraentarteiler der Matrix (4) die
folgenden :
Jr) Jy) Ay) Jy)
(w — !<;<»')) « , (w; — «;<")) i ; (w — w;^'')) » , (w — w;^'')) » ; . . .
(v = 1, 2 . . . r),
sie sind also paarweise identisch.
6. Ist der Rang 2^ der Matrix (4) kleiner als «, und
schreiben wir
n — 2q = (o;
dw dw — dw — dxi)
SO bestehen zwischen den Ausdrücken w q>i — x^u genau (b linear
unabhängige lineare Identitäten, deren Coefficienten ganze Funk-
tionen von w sind; wir wollen sie in der Form schreiben:
n "»«
(8) & I>4'^m;*(u;(^* — V*) = 0 (5 = 1, 2, . . . d>).
1 ĂĽ
NatĂĽrlich hat man aus SymmetriegrĂĽnden ebenso
n »"«
(9) l>l>c^iW{wcp^ — xpk)^0 (5=1,2. ..d>).
1 0
374 SUeung der mathrphys. Classe vom 2, Juli 1898,
Wir dürfen voraussetzen, dass diese Identitäten von vorn-
herein auf eine solche Form gebracht wurden, dass die Zahlen
mj . . . ma, so klein als möglich ausfallen.
Nach den allgemeinen Untersuchungen von Weierstrass
und Kronecker lässt sich daher die Schaar W(p — tp auf die
folgende Normalform bringen:
tö "'«
(10) ' " . ,
+ L' ÂŁ/< [(w - w'") <' - Wl:'] ;
dabei ist gesetzt
<' = S (x<;i r;l - x^i Y<;>)
(o + T = e{r>-l; 0 = 0,1. ..c^'-l);
(o + r = ej:^ — 2; a = 0, 1 . . . ejT^ — 2),
und es ist S^f^ = 0 zu setzen, wenn e^/'J = 1 , femer $Jr^ = !Pjr^ = 0,
falls ej^=0; auch ist in der ersten Doppelsumme (10) die
Summation nur auf diejenigen Indices s zu erstrecken, fĂĽr die
m, > 0 ist.
Die mit X, 36, X, X bezeichneten Grössen sind linear
unabhängige Linearfunktionen der Variabein Xi . . . a;„, die
9), 3, 1^, Y ebenso linear unabhängige Linearfunktionen der y.
Ferner hat man:
(11) n = L. (2 m, + 1) + 21>.i:.ejr>,
mithin
also
7*
1 1
ti) o r
2e = S«2m, + ^.£.2eW,
1 1
(12) e = M+^^\
wenn
(13) 31= mi + W2 + • • • + wi,5
E, V, Weher: ĂĽeber Schaaren wm BĂĽinearformen, 375
gesetzt wird. Die Normalform (10) hat, wie man sieht, die
schiefsymmetrische Form; es ist aber zu zeigen, dass diese
Normalform stets durch congruente lineare Transformationen
der X und y hergestellt werden kann, d. h. dass die 3E, I,
X, X ebenso von Xi . , , Xn abhängen, wie die entsprechenden
9), % Z, Y von den Variabein yi . . . y« .
n.
7. Um die soeben ausgesprochene Behauptung zu er-
weisen, betrachten wir zunächst den Fall, dass die Determinante
D = I watk — bik I (i, A; = 1, 2, . . . n)
nicht fĂĽr beliebiges w verschwindet, dass also n gerade, und
die oben mit 2 g bezeichnete Zahl = n ist. Aus den Identitäten
tVq)ß — Xpß =^{waaß haß)Xa
a
XV(pa — ipa = lj(W(^aß — Kß)yß
Ăź
gewinnen wir, wenn mit
{-ly-^ĂźD.Ăź
die aus D durch Streichung der a*®" Zeile und der /^" Colonne ent-
stehende Unterdeterminante bezeichnet wird, folgende Formeln:*)
BaĂź
X-> BaĂź f V
Ăź JJ
<P = lj(Pßyß=lj -jf (^'' ^f^ 9^« ~ 9^ßWa)
Ăź aĂź -Lf
a aĂź -Lf
wq) + ^» = ]C —^ (w^(pa(Pß — V« W)'
aĂź -Lf
*) Weierstrasa, Werke II p. 24.
376 SĂĽzung der math.-phys. Claaae vom 2, Juli 1898,
Wir schliessen daraus mit Weierstrass, dass, wenn der
Ausdruck
F(^i . . . fn I ^1 . . . ^i») = S ~^rr Va iß
aĂź
— ^Daß
D
nach fallenden Potenzen von w in der Form:
entwickelt wird, fĂĽr q? und ip sich die folgenden Darstellungen
ergeben :
/i i\ I Y' --1 VY'l • • • 9^n I 9^1 • • • ^n)
{9? = Fj (9?j . . .
(Pn\(Pi" ' fpn)'
8. Indem wir in den Bezeichnungen der Nr. 2 ĂĽberall u
durch %v und v durch — 1 ersetzen, können wir schreiben :
P=(l,2,...n); D — P\
Ist femer a < /?, so verstehen wir unter :
dasjenige Pfaff'sche Aggregat der Ordnung n — 2, das aus P
durch Weglassung der Ziffern a und Ăź entsteht; ferner sei
allgemein
Pa^= PĂźa] Paa = 0.
Dann hat man
DaĂź= P ' PaĂźi
und die Funktion F wird
F=^-Y-VaSĂź'
Diesen Ausdruck wollen wir nun als rationale Funktion
von w in PartialbrĂĽche zerlegen.
Zu diesem Zwecke betrachten wir irgend eine vierreihige
Hauptunterdeterminante der zu D adjungierten, schiefsymme-
trischen Determinante
I I^aĂź I a, Ăź = 1 , , , n.
E, V, Weher: ĂĽeher Schaaren von BĂĽinearformen, 377
Eine solche Hauptunterdeterminante lässt sich dann in
den beiden Formen
(15) (DaĂźDys + DayDsĂź+ DasDĂźyy = D'D''
darstellen, wo D" diejenige Hauptunterdeterminante der Ordnung
n — 4 darstellt, die aus D durch Streichung der Zeilen und
Colonnen mit den Indices aĂź yd entsteht. Wir nehmen an,
dass a < /? < y < ^ sei, und verstehen unter dem Ausdruck
dasjenige Pfaflf'sche Aggi'egat, das aus P durch Weglassung
der Ziffern aĂź yd entsteht. Dann folgt aus (15):
(16) PaĂźPyd + PayPsĂź + PadPĂźy^= sP ' PaĂźyS,
WO ÂŁ = + 1 ist. Um dies Zeichen zu bestimmen, bemerken
wir, dass der CoefBcient von ĂĽaĂź in der Entwickelung von P
mit P„ß identisch ist. Daraus folgt sofort, dass der Coefficient
des Produkts UaĂź ttys in der Entwickelung von P mit PaĂźyd
identisch wird. Der Coefficient dieses Produkts auf der rechten
Seite von (16) ist sonach ePaĂźys^ und auf der linken PaĂźyd i
woraus e = + 1 folgt. Setzt man ausserdem fest, dass der
Ausdruck PaĂźyd sein Zeichen wechsele, wenn zwei seiner
Indices vertauscht werden, also null sei, wenn er zwei gleiche
Indices enthält, so folgt allgemein:
(17) PaĂźPyd + PayPdĂź + PadPĂźy = P ' PaĂźyd
fĂĽr 4 beliebige Indices aĂźyd der Reihe 1 bis w.
9. Wir verstehen nun unter
pw 1)
dasjenige Pfaff'sche Aggregat der Ordnung n — 2 x , das aus
P durch Weglassung der ZiflFem 1 , 2 ... 2 x entsteht, und setzen
p(ü) == p(J«) = 1. Ferner bezeichne der Ausdruck
(18) (_l)«+/?+ip(;0
») PC") = P, iXD = p' etc.
378 SĂĽsung der mcUh.-phya. Claase vom 2, Jtdi 1893,
falls /8 > a > 2 X dasjenige Pfaff 'sehe Aggregat der Ordnung
2 w — 2x — 2, das aus P^*"^ durch Weglassung der Ziffern a
und Ăź entsteht; allgemein sei
pJr; = _pW; it! = 0 (a,/?=l...n);
endlich wollen wir festsetzen, dass der Ausdruck (18) immer
dann verschwinde, wenn eine der Zahlen a, ß nicht grösser
als 2x ist. Die wiederholte Anwendung des Satzes (17) fĂĽhrt
dann auf die folgende Serie von Relationen:
J*12 Paß •+- Pia P/?2 -\- Pl /i Pia ^ PP'aßi
PUP'aĂź + PaaP'ĂźA + PsĂźPin-^ P' PLĂź
WO A die Werte 0, 1 ... Ăź annehmen kann, wenn Pa,Ăź null
gesetzt wird.
Man findet hieraus:
T^A-l) T>(A-1) p(A-l) WA-l) p(A-l) p(A)
^o/? -^A~l,a • ^A,/? ^A-l./g' -^^2A,a , -t^
JKk-\) — P(A-1) P(A) "• JP(A) '
woraus sich ergibt:
p (? p(A-l) 7>(A-1) 7>(*-l) p(*-l)
^a/? y^ -f2A-l,a^2A,// ^th-\J ' ^2h,a
P ~ Y P(*-0 P(A)
Setzt man nun
n n
2A+1 2A + 1
2A4-1 2A + 1
(Ă„ = 0, 1, 2, . . . e - 1),
so erhält man:
-t v^^j . . . gn I //i . . . ?/„; — /> P' ' 7>' p- T • • • '
die Summe auf der rechten Seite besteht aus J n Gliedern.
E, V, Weber: ĂĽeber Schaaren von BĂĽmearformen. 379
10. Es sei nun
w — w^''^
irgend einer der r Linearfaktoren von D, und ei\ ej ... 4*^
seien die zu demselben gehörigen, in Nr. 5 definierten Exponenten ;
femer sei ^r^>0. Dann ist P^~^^ als Pfaflf'sches Aggregat
der Ordnung n — 2^ + 2 durch die A^-^^. i Potenz von tv — w ,
ebenso P^^ durch die ^-i«*** Potenz von w — w^''^ teilbar; wir
dĂĽrfen nach Nr. 4 ĂĽberdies annehmen, dass i^*"^^ und P^^
durch keine höheren Potenzen von w — w^ teilbar sind.
Ferner sind die AusdrĂĽcke t^^'\ 3E^'~'\ 9)^*"'^ %^'~'^ samt-
lieh durch die 4*1/«** Potenz von w — w^''^ teilbar. Erinnern
wir noch daran, dass nach Nr. 5
zu setzen ist, so erkennt man, dass, wenn man die AusdrĂĽcke
j>(/*-i) pO«) j(a*-i) j(/*-i) 5)(a*-1) 5j(i^-»)
nach steigenden Potenzen von w — w^^^ entwickelt, das Anfangs-
glied der ersten dieser Entwickelungen um eJ, Einheiten grösser
ist, als dasjenige aller ĂĽbrigen. Hieraus folgt fĂĽr genĂĽgend
kleine Werte des absoluten Betrages von w — w^""^:
(19)
yilr,n« =<"-""'' ''•?*''
= iw— m;<')) * */« . S" X'-;i (w — td^'^y-,
I(^-'> , ,..-i«<" ^ ^
= (w— id-)y~ * '/• . S" x^;i (w - f«w)' ;
= («;—«;<''))"*> • S' r^;' (tp - m;('))';
= (m> — w('))~ ' > . L- r;v (to — tpwy ;
l l/p(/'-l) . Pd»)
1898. Sitiongtb. d. math.-pb]r(. CL 26
380 SĂĽzung der mathrphya. Claaae vom 2. Juli 1898.
dabei ist:
(20)
^fto = r~ \ykn-\,fA,o f 2/4-1 + ^2/«,/i,a f 2/« + • • • + Cn./i.a ChJ ;
I i^/a = ^rrT- [^2iu-l,A4,a^2/i-l + C2''^,/4,a^2|« + . • • + C|«%,a l?«] ;
(21)1 _ '^^'" _
worin die Constanten C ganze Funktionen der Grössen u'^''\
«ijk, 6ijk bedeuten.
Aus den Identitäten (19) folgt:
= s°( 1^.:'. xj,-?, - Y?,:i x<:;'„) (,r - ti^'-r + ' - <!
O.T
Bilden wir daher die Summe:
I O, T
worin sich die Summation hinsichtlich /i nur auf diejenigen
Werte zu erstrecken hat, fĂĽr die e^ > 0 ist, so stimmt diese
Reihe mit der Reihenentwickelung von F in allen Gliedern
ĂĽberein, die fĂĽr w = w;^**^ unendlich werden. Denkt man sich
nun für jeden der r verschiedenen Linearfaktoren w — «^"^ der
Determinante J) die analoge Entwickelung durchgefĂĽhrt, wobei
natĂĽrlich fĂĽr jede einzelne Wurzel x^"^ die Determinante durch
congruente Vertauschungen der Zeilen und Colonnen nötigen-
falls erst so umgeformt werden muss, dass die Pfaff 'sehen
Aggregate P^ P . , . der Bedingung der Nr. 4 genĂĽgen, so
ergibt sich, da F fiir w = co verschwindet:
E. V, Weber: Ueber Schaaren van Bäinearfarmen, 381
1 I O.T
(o + T<e5:>; ^,v = 0,l,2,...e<:'-l),
wobei die Summation hinsichtlich /i auf alle Werte zu erstrecken
ist, fĂĽr die ejT^ > 0.
11. Verstehen wir jetzt unter X^„^ XjTl diejenigen linearen
homogenen AusdrĂĽcke der ursprĂĽnglichen Variabein x^ , , , Xn,
die sich aus (20) ergeben, wenn man darin f j . . . f » bezw.
durch 9?i 9?2 . . . 9?n ersetzt, dagegen unter YJ^l , Y^l "] die Linear-
funktionen der ^j . . . y,M in welche die AusdrĂĽcke (21) ĂĽber-
gehen, wenn man rj^ . . , rjn bezw. durch — 9?^ , — 99^... — (pn
ersetzt, so werden die X, X in der gleichen Weise von den x
abhängen, wie die entsprechenden Y, Y von den y, Mittels
der Identitäten (14) erhält man nunmehr für die Schaar wq) — yf
die Darstellung:
S^i>[(ic;-u;^^>)<-!P;^^],
1 1
wo die $, W aus Nr. 6 zu entnehmen sind. Da sich jetzt
hinterher leicht zeigen lässt, dass die Variabein XJ^«,, X/fa ge-
nau tj linear unabhängige Linearformen der x darstellen,^) und
analoges fĂĽr die Fi*]?, F//^^ gilt, so haben wir den Satz bewiesen :
„Jede schiefsymmetrische Schaar von Bilinear-
formen W(p — ip mit nicht verschwindender Deter-
minante lässt sich durch congruente lineare Trans-
formationen der X und y in eine Summe von „elemen-
taren" schiefsymmetrischen Schaaren
ĂĽberfĂĽhren."
Eine solche Formenscliaar bezeichnen wir als „elementar",
weil sie nur zwei (identische) Elementarteiler besitzt, und weil
*) Weierstrass, Werke II p. 29.
25
382 SiUung der maih.-phys. Claase vom 2, Juli 1898.
dies nach Nr. 5 die Minimalzahl von Elementarteilem ist, die
bei einer schiefsjmmetrischen Schaar auftreten kann.
Wir wollen noch die fĂĽr das folgende wichtige Bemerkung
hinzufĂĽgen, dass alle Formen der Schaar (1), falls die Deter-
minante (4) nicht null ist, durch \n congruente lineare Gleichungs-
paare, in der a:, und y^ zum Verschwinden gebracht werden
können; z. B. dadurch, dass man alle Ausdrücke X^lj ^/i«
null setzt.
m.
12. Indem wir uns nunmehr zu der Betrachtung des
allgemeineren Falles wenden,^) dass der Rang 2 q der Matrix (4)
kleiner als n ist, und die Bezeichnungen der Nr. 6 beibehalten,
bemerken wir zunächst, dass die Jfcf + d> Grössensysteme
€k\ Ckl . . . ci'l (A = 0, 1 . . . m,; 5 = 1, 2, . . . ö>)
linear unabhängig sind. Andernfalls könnte man nämlich
das System der Identitäten (8) durch ein anderes ersetzen, in
welchem die Summe der Gradzahlen < M wäre,*) was mit der
ĂĽber die Zahlen m, gemachten Annahme in Widerspruch steht.
Darnach können wir durch die congruenten Transfor-
mationen
mt ""tti
0 0 jr+oi+i
statt der x, y die neuen Variabein
X<») -y tH») TT
^) Wir beziehen uns im Folgenden mehrfach auf die Darstellung,
die Herr Sau vage (Ec. Norm. 1893) von den pag. 369 citierien Kron-
ecker'schen Untersuchungen ĂĽber Ăźilinearformen mit verschwindender
Determinante geliefert hat.
') Sauvage, 1. c. pag. 12 ff.
E. V, Weber: Ueher Schaaren von BĂĽinearformen, 383
in die Schaaru;^? — tp einführen. Die Constanten C, sind nur
der Bedingung unterworfen, dass die Determinante der obigen
Substitution nicht null sei, im ĂĽbrigen aber willkĂĽrlich.
Gehen nun durch diese Substitutionen die Formen 97, tp und :*
f^wtp — tp
bezw. ĂĽber in *, !?, F, so hat man
dF _ " . df ^,j dF _ " df ^.j
also ist nach (8):
Diese lielationen drĂĽcken aus, dass JF die Variabein X* ,
bezw. F^*\ fĂĽr welche m, > 0 ist, nur in den Verbindungen
te^Xi'i, — Xi'^ bezw. w Y^l.x — ll'^ (A = 1, 2, . . . m.),
während die Variabein Xo*\ ro'\ für die m, = 0 ist, in F über-
haupt nicht vorkommen. Daraus folgt sofort, dass in F keine
der Variabein Xj* mit einer der Variabein YI^ multipliciert
auftreten kann, da andernfalls F in xc quadratisch wäre. Mit
RĂĽcksicht auf die schiefe Symmetrie von F dĂĽrfen wir daher
setzen :
iO »"«
(23) ' ' +,^(P'_r,
worin die Xi*\ Yi['^ congruente Linearformen der vorhin mit
Xr, Yr bezeichneten Variabein, femer *', T' schiefsymmetrische
Bilinearformen derselben Grössen bezeichnen. Die Summation
hinsichtlich s ist in (23) natĂĽrlich nur auf diejenigen Zahlen
1 . . . c5 zu erstrecken, fĂĽr die m, ^ 1 ist.
13. Wir bemerken vorab, dass die Coefficienten der Linear-
formen Xy[*\ Yh^ von w nicht abhängen können. Li der That,
384
SitMung der math.-phys. Glosse vom 2. Juli 1898.
es muss zunächst X2 von w frei sein, da sonst F die Grösse w
in einer höheren als der ersten Potenz enthielte, ferner können
die AusdrĂĽcke:
XS:i_,«)-XS:i, lC\-2 ■w - XÜ\., etc.
die Grösse w nur in der ersten Potenz enthalten, woraus der
Reihe nach folgt, dass die Formen
-Xii,-i» Xm^^2 etc.
von w frei sein mĂĽssen.
14. Nach Nr. 6 und 12 enthält der Ausdruck Fv Variable
Xi'\ Xr und ebenso viele Variable Yh*\ 17, wenn mit n — v
die Anzahl der verschwindenden unter den Zahlen m^ bezeichnet
wird. Es ist nun leicht zu zeigen, dass auch umgekehrt, wenn
die Schaar / durch congruente lineare Substitutionen der x
und y auf eine Form mit v (und nicht weniger) Variabein-
paaren reducierbar sein soll, genau n — v der Zahlen w, ver-
schwinden mĂĽssen, oder anders ausgedrĂĽckt, dass dann der
Rang der Matrix:
I 0 a\2 . . . tiiM 0 b]2 . . ^ bin
021 0 . . . 02» 621 0 ... 62»
fl^M 1 fl^n 2 . . • 0 buih^o • . . 0
gleich V sein muss. In der That, soU vermöge der Sub-
stitution
Xi = S* YikX'k + L»- YirXr
1 y+1
y n
1 v+l
(i = 1 , 2, . . . n)
die transformirte Schaar f von Xy^i , , , x^^ y^+i . . . y» frei
werden, so muss man haben:
Al^
E, V, Weber: Ueber Schaaren von Bäinearformen, 385
Aus diesen Bedingungen erhält man unmittelbar die fol-
genden
n H
£• a.* yir = 0, £•' 6/fc j'.T = 0 (ä = 1 . . . n; r = v -f- 1 . . . n),
1 1
woraus die obige Behauptung ohne weiteres hervorgeht.
Wir schliessen daraus, dass die Zahl der Variabein in dem
Ausdruck (23) durch congruente Transformationen der X und Y
nicht vermindert werden kann.
15. Die in (23) auftretenden M Linearformen Xi der
Variabein Xr, und ebenso die M Linearformen Yi sind von
einander linear unabhängig. Man hat nämlich:
■^^""^^" ^ — ^"••
^^ =«;Xi!}.,-^" (A = l,2, ...w.-!),
und hieraus:
tn^—h __
• dF
Xi" = ÂŁâ– (- l)'+> to' -^.- (A = 1, 2, . . . m.).
Bestände also eine Relation der Form:
dt *"•
(24) ÂŁ. 5> al," Xi" = 0
1 1
mit Constanten Coefficienten ai* , so erhielte man daraus zwischen
dF
den Ableitungen , eine lineare Identität, deren Coeffi-
cienten ganze Funktionen von w wären. Diese Identität müsste
sich andererseits auch dadurch gewinnen lassen, dass man die
linken Seiten der Identitäten (22) mit gewissen Funktionen
von w multiplicierte und addierte ; dies ist aber unmöglich, da
dF
die Identität (24) die Ableitungen r-r nicht enthält.
386 Sitzung der tnath.-phys. Glosse vom 2, Juli 1898.
16. Nach dem soeben Bewiesenen können wir die Aus-
drĂĽcke Xi'\ Yk^ als neue Variable statt ebenso vieler Xr, Yr
einfĂĽhren, was auf congruente lineare Transformationen der
beiden Variabeingruppen X, , Yr hinaus konmit. Der bequemeren
Schreibweise halber wollen wir die Variabein
Y<^) Y<') Y<2) -yii) yid>) -^w)
.A.J . . . .i\.mi » -**-| • • • -**-m2 • • • -**i • • • '^••fti
in dieser Reihenfolge mit
lilj ... |j^ (-af=ÂŁm,)
und ebenso die Variabein Yi in derselben Reihenfolge mit:
bezeichnen. Femer wollen wir die noch ĂĽbrig bleibenden
Variabein Xr, Yr mit
' -' --' (d
bezw. yxyz '-> Vn i m."
bezeichnen. Die in (23) auftretende Schaar von Bilinearformen
JE" = w^' —W
nimmt dann die Form an
(25) F' = F'{w\ fi . . . lir, a;! . . . a;ir I i;i . . . i;jf, y\ . . , y'n),
17. Um den Ausdruck F weiter zu behandeln, schicken
wir folgenden HĂĽlfssatz voraus:
,,Ist T<|^n, und verschwinden alle Formen einer
schiefsymmetrischen Schaar (1) identisch vermöge eines
Systems von t unabhängigen, congruenten Relationen-
paaren:
n n
Ui = ^ai^Xk = Q, F, = l>a,*y* = 0 (i=l,2...T),
i 1
so ist der Rang der Matrix (4) höchstens gleich 2t.*
Unter der gemachten Annahme sind nämlich die Formen
9^, rp in folgender Weise darstellbar:
E, V, Weber: lieber Schaaren von BUinearformen, 387
<p-.i'iU.Vr+.-r.Ur+.)
l
rp=i>(U.rr+.-r.U'+.)
' . 1
wonn:
C/y+a = i8,i a?! + . . . + ßtnXn\ F^+t ^ ^8,1 ^i + • • • + ßtnyn\
U',^9 = y.l ^1 + • • • + y«»^»; Fr+t = Y$\yi + '" + Y^nVn
gesetzt ist, und die Ăź, y gewisse Constante bedeuten.
Man hat daher:
waik — bik = I> [a,i (wß,k — Y^k) — a,k (wß^i — y,^)].
1
Die Matrix (4) entsteht also durch Zeilencomposition der
folgenden beiden Matrices:
Oll 021 • Ori wßn — yii, wßsi — y2i . . . wß^i — y^i
012 022*^72 Wßi2 — yi2, «^^822 Yn * » - ^ ßx2 — yT2
rn
Cllnain' CLxnW ßin — Y^H^W ß2n— Y^n - - - "f^ßm — Y^
IjW'/Jll — yil, Wß2\ 721 ...Wßrl— Yzli «11» —«21, ... Orl
li
woraus obiger Satz sofort folgt.
18. Wir nehmen nun zunächst an, dass in dem Ausdruck
F* keine der Variabein x mit einer Variabeln y multipliciert
auftritt. Dann treten die Variabein x\ y in jF* ĂĽberhaupt
nicht auf; denn es verschwindet jetzt die Schaar F oder f
identisch, wenn man alle Variabein f, ly null setzt, was M.
congruente lineare Relationenpaare in den a:, y liefert. Nach
dem soeben bewiesenen Satze hat man daher
O)
(26) 2^<i:»2m.;
i
andererseits aber ist nach Nr. 6:
2^ > ]S2m,.
388 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 2, JtUi 1898.
Also gilt in (26) das Gleichheitszeichen, und man hat:
CO
(27) n = E'(2m,+ l); cl:* = 0;
1
d. h. die Schaar (23) enthält überhaupt nur die Variabein
X(s) vi») xH») xr(«)
h , -Ä-A , Za , J:a •
Nun lässt sich die schiefsymmetrische Schaar von Bilinear-
formen
stets in der Form schreiben:
M M
(28) S. I, (w P,_, - P.) - 1:* f], (w Q, - g,_ ,)
1 1
worin:
(2,- = An f I + ^,-> ^2 + . . . + Ă„in fw
gesetzt ist, und die Constanten Ă„ik von m; frei sind. In der
That, ist
M M
JF' = 5> S« (w aa — ßik) f. Vk i
1 1
so liefert die Vergleichung der beiden Darstellungen von F'
fĂĽr die Unbekannten Ă„ik die Gleichungen:
(29) /'* ~ /*' ^ T (», * = 1, 2, . . . M),
A-l,fc -^A-l,i = Pik
die sich auf M{M — 1) unabhängige reducieren. Schreibt
man die zweite Gleichung (29) in der Form
und subtrahiert von ihr die erste Relation (29), so folgen die
Bedingungen
Aki — Ak-\,i^\ = ßij^\,k — cia {i =^ 1, ...-af— 1; Ä;= 1 . . . Jf),
die ebenfalls M(M — 1) unabhängige Gleichungen darstellen,
also mit (29) aequivalent sind. Man kennt sonach in dem Schema
E, V, Weber: lieber Schaaren von BUinearfonnen, 389
-4.11 , , , Ă„iM
Am\ Äm2 • • . Amm
den Unterschied irgend zweier benachbarter Elemente in der-
selben von rechts oben nach links unten verlaufenden Diagonal-
reihe, und kann mithin Aqi . , , Ă„qji, Aim - - - Amm willkĂĽrlich
wählen, worauf die übrigen Äik eindeutig bestimmt sind.
Schreibt man jetzt statt der f, rj wieder Xa, Ya*, und
vereinigt man diejenigen Glieder der ersten Doppelsumme von
(23) und des Ausdrucks (28), die mit demselben X}* bezw.
Yk multipliciert sind, so erhält man durch einfache Aenderung
der Bezeichnungsweise für die Schaar wcp — tp die folgende
Darstellung
di •"»
(30) s« £* [Ü" (w ^ti - ?)i") - ?)i" («; li'l, - 30.")] ,
I 1
worin die 3£, j unabhängige Linearformen von x^ . . . x^ imd
die 9), ^ die dazu congruenten Linearformen der y bedeuten.
Diese Darstellung gilt natĂĽrlich nur fĂĽr den Fall, dass die
Bedingungen (27) erfĂĽllt sind, die Matrix (4) also ĂĽberhaupt
keinen Elementarteiler besitzt.
19. Wir betrachten nun zweitens den Fall, dass der Aus-
druck (25) die Variabein x\ y wirklich enthält; denn zerlegt
sich i^ in 3 Bestandteile
(31) F^(iv\ Ci . . . Cjr| i?i . . . ^jr) + -f'i + F<i(w\ a;i . . . x's\y[ . . .yir),
worin JFj die Form hat:
u N
F^ EE £• S* (jJiik w — va) (f . yi — rjk xi)
1 i
und die /i,*, v,* Constante bedeuten; die AusdrĂĽcke Fq, F^, F^
sind Schaaren schiefsymmetrischer Bilinearformen.
Es lässt sich nun leicht einsehen, dass die Determinante
der Formenschaar F^ nicht fĂĽr jedes w verschwindet. Li der
390 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 2. JiUi 1898,
That, verschwindet die Determinante von F^ nicht identisch,
so lässt sich nach der Schlussbemerkung von § II die Form F^
durch ^ N congruente Paare von Gleichungen annullieren, und
indem man diesen Gleichungen die Relationen f , = 0, »;, = 0
hinzufĂĽgt, kommt man zu dem Resultat, dass sich alle Formen
wq) — xp durch
congruente Relationenpaare in x und y annullieren lassen.
Verschwände nun aber die Determinante P von JFg, und wäre
2 Q (< N) ihr Rang, so könnte man auf F^ dieselbe Schluss-
weise anwenden wie vorher auf die Schaar /*= t<;9? — yf; d. h.
man könnte F2 in 4 Bestandteile * + JFo -}- i^ + 2^ zerlegen,
wo <P die Form (30) besässe, während JFo» -Fi, -F2 den vorhin
mit Fq, F^, JFj bezeichneten Formenschaaren analog wären.
Wäre dann F2 identisch null, so könnte man nach Nr. 18 die
Formenschaar F^ durch g congruente Relationenpaare annul-
lieren; das Gleiche wäre der Fall, wenn die Determinante von
F2 nicht null wäre. Unter der Annahme endlich, dass die
Determinante von F2 identisch null wäre, konnte man auf F2
die gleiche Ueberlegung anwenden wie auf 2^,, etc. In allen
Fällen käme man zu dem Resultate, dass F^ durch g oder
weniger congruente Relationenpaare zum Verschwinden gebracht
werden könnte; dann aber wäre die Schaar wtp — xp vermöge
weniger als g congruenter Relationenpaare identisch null, was
nach Nr. 17 mit der Voraussetzung, dass 2^ der Rang der
Matrix (4) sei, in Widerspruch steht. Setzt man also
N N
(32) F^ --^ £.• i:» {wpi, — qa) Xi yL ,
1 1
so ist die Determinante
(33) I tvpik — qik\ ihk=l .., N)
nicht fĂĽr jedes w null.
Beiläufig ergibt sich hieraus noch der Satz: „Damit alle
Formen der Schaar e(;9? — yj durch g und nicht weniger
E. V. Weber: Ăśeber Schaaren von BĂĽinearformen. 391
unabhängige, lineare, congruente Paare von Gleich-
ungen zwischen den x und den y zum Verschwinden
gebracht werden können, ist nicht nur notwendig,
sondern auch hinreichend, dass der Rang der Matrix (4)
gleich 2q sei."
20. Es sei jetzt:
(34) «, = }t> S* c':\ Xi'> + 2> S* c':] Xi" + L» ci , xl
10 11 1
(i=l,2,...n)
die lineare Substitution, welche den Uebergang von den ur-
sprĂĽnglichen X zu den neuen Variabein Xi , Xi , xl vermittelt.
Die Constanten ci, sind dabei dieselben, wie diejenigen, die in
den Identitäten (8), (9) auftreten. Ersetzt man nun in der
Schaar f den Parameter w durch w -\- Wf^, wo Wq eine Con-
stante bedeutet, so verwandeln sich die Identitäten (8) in die
folgenden :
's H
ĂĽ i
worin
£* i> Chi w [w q?k — iWk — t(\i (pk)] = 0,
m.
c^ = SK0t^!^4
-h
gesetzt ist. Die Linearformen
Xi"^I> cÄv» (A = 1, 2, . . . m.)
1
verwandeln sich hierdurch in die folgenden:
"•»
1 k
hieraus folgt ohne weiteres: die Ersetzung des Parameters w
durch tv + Wq kommt darauf hinaus, in der n- reihigen Deter-
minante der linearen Substitution (34) jede der Colonnen:
(ob) Ck\Ch2 ' " Ckn
392 Sitzung der matK-pkya, Glosse vom ^. Juli 1898,
bezw. durch die Colonnen
und ebenso jede der Colonnen
(ob) ChiCh2 ' . . Ca»
durch eine lineare Combination der mit demselben Index s ver-
sehenen Colonnen (36) zu ersetzen. Hierdurch erfahren aber
die aus (34) zu berechnenden AusdrĂĽcke der x keine Aenderung.
Ersetzt man in der Schaar /" die Grösse z(; durch — , so kommt
w
dies nach (8) offenbar darauf hinaus, in der Determinante von
(34) die Colonnen (35), (36) in gewisser Weise zu vertauschen.
Schreibt man endlich in der Schaar (l) aw statt tv, so werden
die Colonnen (35) und (36) mit gewissen Potenzen von a
multipliciert. Beide Substitutionen aber lassen die aus (34)
folgenden Darstellungen der Variabein x\ . , , x's vollkommen un-
geändei-t. Da nun jede lineargebrochene Substitution des Para-
meters w sich aus den drei genannten zusammensetzen lässt,
so haben wir den Satz:
Eine lineargebrochene Transformation des Parameters w
unserer Schaar (1) ist aequivalent mit einer gewissen linearen
Transformation der Variabein Xi , Xi unter sich, wobei die
Variabein Ya*\ Yh^ die congruente Substitution erleiden, während
die Veränderlichen x\ y völlig ungeändert bleiben.
Wir dĂĽrfen in Folge davon annehmen, dass keine der
beiden Determinanten
\Pik\'i \(lik\ (i, Ă„= l,2...iV)
verschwinde. In der That, wäre eine dieser Determinanten
(oder beide) null, so könnten wir nach Nr. 19 zwei Zahlen tv^
und M', so wählen, dass die Determinante (33) weder für u; = tv^
noch fĂĽr tc = n\ verschwindet. Ersetzt man dann in der
Formenschaar f den Parameter tv durch
w — 1
E. «. Weber: lieber Schaaren von Büinearformen, 393
und fĂĽhrt man in den Coefficienten der Substitution (34) die
dieser Substitution entsprechenden Aenderungen aus, so ver-
wandelt sich JFj in eine Formenschaar, die den gestellten An-
forderungen genĂĽgt.
21. Dies vorausgesetzt, wollen wir nun durch congruente
lineare Transformationen der x und y aus dem Ausdruck (31) die
Terme Fq und jF\ wegschaffen. Wir setzen zu diesem Zwecke:*)
a:; = a:; + fl;; yi=y: + Ki ii = l..,N)
Hl = Xi\ f 1 + Xi2 f 2 + . . . + XiM f jf
Ki = XiiTJi + i|2 ^2 -}-... + hu^lMi
wodurch der Ausdruck (31) in die Summe der drei folgenden
ĂĽbergeht:
M N NN
11 11
M N M N
2. iI«L«(/i/a«<? -V,^{^iya—riiXa) -[-^''}j^(j>aßW~q„ß)(XaKß ¥yaHß)
11 11
N N
3. ^^{PaĂźW-'qaĂź)XayĂź.
1 1
Wir wollen nun die Unbekannten Xik so bestimmen, dass
der Ausdruck (2) die Form annimmt:
(37) L I, {XV P,^i — P.) - S ^, (u; (2,_i - Q)
n t n
WO die P, Q congruente Linearformen der y bezw. x bedeuten,
oder also, dass der Coefficient von f » • w in dem Ausdruck (2)
mit demjenigen von — f,_i und ebenso natürlich der Coefficient
von r;,tr mit demjenigen von — i;,_i identisch sei. Dies liefert
die Bedingungen:
N N
(38) /^,s + i:*i)skA»,= n_,.. + ^^^skKi-i
I 1
(,9=l,2,...iV^; i = 2,3...Jtf).
*) Sauvage 1. c. p. 20 f.
394 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 2. Juli 1698,
Da nun die Determinante der q^k nicht null ist, kann man
hieraus die Unbekannten ii,,_i . . . Ajv;/-! berechnen, wenn Jin
. . . l^i bekannt sind. Wir können also ili ^ . . . ^nm willkürlich
annehmen, worauf alle andern lik durch (38) eindeutig bestimmt
sind. Nunmehr lassen sich die Terme (37) mit den ent-
sprechenden Tennen der Doppelsumme in (23) vereinigen (vgl.
Nr. 18). Ferner können wir jetzt auch den Ausdruck (1) als
Schaar von Bilinearformen der Variabein f, t] wie in Nr. 18
in der Form (37) darstellen und mit der Doppelsumme in (23)
vereinigen, worauf die Schaar W(p — rp dargestellt ist als eine
Summe zweier AusdrĂĽcke, von denen der erste die Form (30)
besitzt, während der zweite mit der Formenschaar 3. pag. 393
identisch ist. Da nun die Detenninante der p^fi nicht null ist,
lassen sich auf diese letztere Fomienschaar unmittelbar die
Entwickelungen des § II anwenden, und wir kommen schliess-
lich zu dem Resultat:
„Jede Schaar w<p — y^ von schiefsjmmetrischen
Bilinearformen lässt sich durch congruente lineare
Transformationen der beiden Variabeinsysteme x und y
als eine Summe (10) von elementaren schiefsymme-
trischen Schaaren darstellen.**
Man schliesst daraus in bekannter Weise,*) dass das volle
Invariantensystem einer schiefsymmetrischen Schaar utp — vy^
gegenĂĽber congruenten Transformationen der x und y und
linearen Transformationen von u, v durch die ganzen Zahlen m,
und e),l\ sowie durch die r — 3 unabhängigen Doppelverhält-
nisse der Zahlen id^\ w^^^ . . . w^*^ dargestellt wird.
1) Kronecker 1. c. pag. 1233.
395
Ueber die Bedingungen möglichst präziser Abbildung
eines Objekts von endlicher scheinbarer Grösse durch
einen dioptrischen Apparat.
Von L. T. Seidel.
Aus dem Nachlasse herausgegeben von S. Finsterwalder.
{Singdauftn 4. Oktober.)
Vorbemerkung des Herausgebers.
Die vorliegende Arbeit fand sich im Nachlasse Ludwig
V. SeideTs in nahezu druckfertiger Form (redigiert im Jahre 1881)
vor. Ihr Inhalt wurde bereits in der Akademie-Sitzung vom
6. März 1880 vorgetragen. Sie bot zur Zeit ihrer Entstehung
entschieden viel Neues und, wenn auch in den 18 Jahren,
während welcher sie im Schreibtische geruht hat, das Meiste
davon wieder entdeckt wurde, so ist sie doch fĂĽr die Stellung
des Verfassers in der Dioptrik so charakteristisch, dass sich ihre
Veröffentlichung auch jetzt noch verlohnt. Sei del's Verdienste
um die rechnende Dioptrik liegen nach zwei Richtungen; er
hat einerseits praktische Formeln nebst Controlen zur strengen
trigonometrischen Durchrechnung einzelner Strahlen in und
ausser der Axenebene eines zentrierten Systems angegeben,
welche gegenwärtig allgemein benutzt werden; andrerseits hat
er aber auch Näherungsformeln (Reihenentwicklungen) aufge-
stellt, welche mit für viele Fälle ausreichender Genauigkeit
die Gesamtheit des Strahlengangs in seiner Abhängigkeit von
den Componenten des Linsensystemes darstellen und SchlĂĽsse
allgemeiner Natur gestatten. Im Bereiche der letzteren Nähe-
rungsformeln bewegt sich die vorliegende Untersuchung, die
1898. Sitzungsb. d. niAtb.-phys. Ol. 26
396 Sitzung der mcUK-phys, Classe vom 2, Juli 1698.
durch den Abbe'schen Sinussatz angeregt war und zunächst
das Ziel verfolgt, dessen Uebereinstimraung mit der sogenannten
Fraunhoferbedingung zu zeigen. Nebenher wurden die bereits
frĂĽher aus den Formeln gezogenen Resultate zusammengefasst
und ergänzt; offenbar in der Absicht, die Brauchbarkeit der
Formeln, die, trotzdem sie bereits vor einem Vierteljahrhundert
veröffentlicht waren, kaum Beachtung gefunden hatten, aufs
neue zu zeigen. Zu dieser Inslichtstellung seiner Erfolge hatte
V. Seidel allen Grund, denn das in seinen Formeln längst
gelöste Problem ist von verschiedenen Seiten wiederholt auf-
gegriffen worden, ohne dass die von ihm von Anfang an ge-
wollte und erzielte Vollständigkeit und Eleganz der Resultate
wieder erreicht wurde. Keiner von den Späteren hat an
Seide l's Untersuchungen angeknĂĽpft, ja sie auch nur genannt
und dem Verfasser dieser Bemerkungen blieb es vorbehalten,
nach 35 Jahren auf dem von Seidel gelegten Grunde weiter
zu bauen.^) Indessen hat auch Seidel einen ihm unbekannt
gebliebenen Vorgänger auf dem Gebiete der Dioptrik gehabt,
dessen Leistungen auf diesem Gebiete allerdings selbst heute
noch gar nicht gewĂĽrdigt werden und dessen Unbekanntheit
bei Seidel um so weniger ins Gewicht fällt, als er über seine
Leistungen nur einen vorläufigen, in seiner Kürze schwer ver-
ständlichen Bericht der Oeffentlichkeit übergeben hat. Der
Genannte ist kein Geringerer als William R. Hamilton,
der Entdecker des nach ihm benannten mechanischen Princips.
Der erwähnte Bericht findet sich im Report of the third
mceting of the British Association held at Cambridge in 1833.
London 1834, S. 360—370 (On some Results of the View of
a Characteristic Function in Optics). Herr F. Klein in
Göttingen hat in einem Vortrage gelegentlich der Natur-
forscher-Versammlung in Halle 1891 die Fäden aufgedeckt,
welche die wohlbekannten allgemeinen Untersuchungen Hamil-
^) Die von optischen Systemen grösserer Oeffnung und grösseren
Gesichtsfeldes erzeugten Bilder. Auf gnmd der SeideTschen Formeln
untersucht von S. Finsterwald er. Abhandl. der k. b. Akad. d. Wiss.,
II. Cl., XVII. I3d., III. Abth. 1891.
X. V, Seidel: Ăśeher die Bedingungen etc, 397
ton^s ĂĽber Strahlensysteme mit seiner Integrationstheorie der
mechanischen Differentialgleichungen verknĂĽpfen , und dar-
gethan, wie erstere rein analytisch betrachtet einen speciellen
Fall der letzteren betreffen. Ihm verdanke ich auch den Hin-
weis auf den oben erwähnten Bericht. Das Studium dieses
Berichtes ĂĽberzeugte mich, dass Hamilton in der Theorie der
Aberrationen eines dioptrischen Apparates nicht nur weiter
vorgedrimgen war, als Seidel in seinen bereits frĂĽher ver-
öffentlichten Untersuchungen, sondern auch in der hier vor-
Kegenden. Von den Resultaten, die ich s.elber im Jahre 1891
auf grund der SeideTschen Formeln entwickelt habe, sind
fast alle, die sich nicht auf die Verteilung der Helligkeit des
Lichtfleckes und die Aenderung desselben bei veränderter Ab-
biendung beziehen, angedeutet. Die Hamilton^sche Methode
zur Herleitung der Formeln ist bei weitem umfassender als
die SeideTsche, obschon letztere im Gegensatz zur ersteren
die Formeln in unmittelbar praktisch verwendbarer Gestalt
liefert; sie ist von Herrn Thiesen^) im Jahre 1890 von neuem
entdeckt worden. In jĂĽngster Zeit wurde sie noch ĂĽbertroffen
durch die Theorie des Eikonals*) von Herrn H. Bruns, der
Lie's Lehre von den BerĂĽhrungstransformationen fĂĽr die Diop-
trik fruchtbar gemacht hat.
Hiemach stellt sich die Geschichte der Entdeckung der
Aberrationen 3. Ordnung kurz folgendermassen. Nachdem
Euler in den Jahren 1757 — 61 die Aberration in der Axe
systematisch berechnen gelehrt hatte, erkannte Fraunhofer
etwa im Jahre 1825 den Einfluss des in der Praxis erheb-
lichsten Gliedes der Aberrationen ausser der Axe und verstand
es, ihn praktisch zu beseitigen. Im Jahre 1833 fand Hamilton,
weit seiner Zeit vorauseilend, die allgemeine Gestalt der For-
meln, welche sämmtliche 5 Aberrationen in und ausser der
Axe dai-stellen, mittels der ihm eigentĂĽmlichen Methode der
*) Beiträge zur Dioptrik. Sitzungaber. der k. Akad. d. Wiss. zu
Berlin 1890.
'*') Das Eikonal von Heinrich Bruna. Abhandl. der math.-phys.
Classe der k. sächs. Akad. d. Wiss., 21. Bd. Leipzig 1895.
26*
398 Sitzung der nuUh.-phya. Glosse vom 2, Juli 1898.
Variation einer charakteristischen Funktion (in diesem Falle
der Zeit, die das Licht braucht, um von einem Pimkte des
Weges zu einem andern zu kommen). Doch hat er vermutlich
den Zusammenhang der Constanten seiner Formeln mit den
BestimmungsstĂĽcken des dioptrischen Apparates nicht abge-
leitet, wie er ĂĽberhaupt seinen diesbezĂĽglichen Untersuchungen
mehr theoretisches als praktisches Interesse beinusst. Be-
wundernswert bleibt die uns im Detail allerdings unbekannte
vollständige Diskussion der Formeln, die auf nichts weniger
als die Bestimmung der Gestalt der Centrafläche einer Fläche
2. Grades hinauskommt. Unter dem EinflĂĽsse von Gauss^
dioptrischen Untersuchungen 1838 — 43 hat Seidel die Reihen-
entwicklung der BestimmungsstĂĽcke eines Strahles, die dort
beim 2. Gliede abbricht, auf Glieder 3. Ordnung ausgedehnt
und die zur numerischen Berechnung aufs beste vorbereiteten
Formeln im Jahre 1855 pubhciert. Auf ähnlichem Wege war
seit 1842 bereits Petzval in Wien vorgegangen, aber trotz
unendlichen Itechenaufwandes, der allerdings zu dem praktisch
höchst bedeutsamen PetzvaTschen Porträtobjektiv führte, ge-
langte er nicht zu sicheren Resultaten allgemeinerer Natur.
Ohne von Seidel's Resultaten Kenntnis zu besitzen, hat sich
Zinken-Sommer^) in Braunschweig im Jahre 1870 das gleiche
Ziel gesetzt, dasselbe indessen in ähnlicher Vollkommenheit wie
Seidel nicht erreicht. Durch eine Betrachtung von Clausius
aus dem Jahre 1864, die sich auf den 2. Hauptsatz der
mechanischen Wärmetheorie stützt, war ein wichtiger diop-
trischer Satz vorbereitet worden, dessen weittragende Bedeutung
allerdings erst von Abbe (1873) und Helmholtz (1874) er-
kannt worden war und der heute den Namen des Abbe 'sehen
Sinussatzes fĂĽhrt. Dieser gibt die Bedingung an, die zu der
Vernichtung der Kugelabweichung hinzutreten muss, damit
beliebig weit geöffnete Büschel nicht nur einen Punkt der Axe
selbst, sondern aucli noch benachbjirte Punkte scharf abbilden.
^) ĂĽntersuchunp^en ĂĽber die Dioptrik der Linsensysteme. Braun-
schweig 1870.
Xr. V, Seidel: Ueher die Bedingungen etc. 399
Seine TJebereinstimmung mit der Fraunhoferbedirigung auf dem
beschränkten Gebiet der Aberrationen 3. Ordnung zeigt Seidel
in vorliegender Abhandlung. Aus etwas späterer Zeit dürfte
die auf Abbe zurĂĽckgehende getrennte Behandlung der ein-
zelnen Aberi'ationen stammen, welche durch Herrn Czapski
1893 an die OefFentlichkeit gekommen ist. Ganz unbeein-
flusst von Seidel's Arbeiten ist die Wiederentdeckung des
Hamilton 'sehen Weges zur Ableitung der Aberrationen durch
Herrn Thiesen 1890, welche durch Helmholtz angeregt war.
Aber auch sie fĂĽhrte nicht zu unmittelbar numerisch
verwertbaren Formeln. Die gleiche Bemerkung gilt von der
methodisch am höchsten stehenden Arbeit des Herrn H. Bruns
vom Jahre 1895. Herr Abbe hat seit Beginn der 70er Jahre
die gewöhnliche Näherungstheorie der optischen Instrumente
auf grund der Bemerkung entwickelt, dass dieselben eine
strahlen- und punktweise Abbildung des Objekt- und Bild-
raumes vermitteln. Lässt man die Eigenschaft der punktweisen
Abbildung fallen und fĂĽhrt man dafĂĽr jene ein: Nomalen-
sjsteme des Objektraumes in solche des Bildraumes ĂĽberzu-
fĂĽhren, so kommt man zu einer Erweiterung der Abbe'schen
Auffassung, welche auch die Theorie der Aberrationen ein-
schliesst. Herr Bruns hat diesen Schritt gemacht und gezeigt,
dass sicli die Abbildungsformeln, dann immer aus einer
erzeugenden Funktion (Eikonal) der Strahlencoordinaten in
analoger Weise durch DifFerentiieren ableiten lassen, wie die
Formeln fĂĽr die Componenten der Kraft aus dem Potential.
Er ist sich, wie aus seinen einleitenden Bemerkungen hervor-
geht, der nahen Verwandtschaft seiner Methode mit dem
mechanischen Principe Hamilton 's wohl bewusst, ahnt aber
^) Aus dem Jahre 1893 nach dein Erscheinen meiner eigenen an
Seidel anknĂĽpfenden Untersuchung (1891) ist mir eine Arbeit von
Heim M. L. V. Charlier bekannt geworden, aus welcher hervorgeht,
dass derselbe wenigstens die allgemeine Gestalt der Formeln fĂĽr die
Aberrationen 3. Ordnung wieder entwickelt hat, ohne seine Vorgänger
zu kennen (Sur la marche de la lumiere a travers un Systeme de len-
tilles spheriques. Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences 1893, S. 58.
400 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 2. Jtdi 1898,
nicht, dass der Urheber jenes Princips schon vor 60 Jahren
das gleiche Problem mit ähnlichen Mitteln behandelt hat.
Auch die Entwicklungen Seidel's, Zinken-Sommer's und
Thiesen's finden keine Erwähnung bei Bruns, wenn man
nicht annehmen will, dass er sie unter die „in der Literatur
gelegentlich vorkommenden langathmigen Ent Wickelungen, die
die Schwierigkeit der numerischen Berechnung ĂĽberwunden zu
haben vorgeben," zählt. Dieses harte Urteil würde am aller-
wenigsten auf Seidel's Leistungen in der Dioptrik passen.
In einem im November 1879 veröflfentlichten Aufsatz*)
bespricht Herr Abbe in Jena, dessen scharfsinnige Unter-
suchungen der Vervollkommnung der Optik sowohl auf theo-
retischem wie auf praktischem Gebiete zugewendet sind, die
bekanntlich zuerst von Fraunho^r ins Auge gefasste und
der Konstruktion seines Femrohrobjektivs zu grĂĽnde gelegte
Bedingung, gemäss welcher die genaue Vereinigung der Licht-
strahlen von mittlerer Brechbarkeit zu einem Bildpunkte, wie
sie durch Aufhebung der sogenannten sphärischen Aberration
fĂĽr die Mitte des Gesichtsfeldes erzielt ist, nunmehr auch
herbeigeführt wird für die die Mitte zunächst umgebenden
Regionen des Sehfeldes. Wenn man sich erlaubt, nach abge-
kĂĽrzter Redeweise, in dem Fall, in welchem die erste Be-
dingung zur Aufhebung der Kugelabweichung erfĂĽllt ist, zu
sagen, dass infolgedessen ein LichtbĂĽschel von endlicher Oeff-
nung zur strengen Konvergenz gebracht werde, so darf man
in ganz analogem Sinn die Fraunhofer 'sehe Bedingung als
diejenige bezeichnen, durch deren Hinzutritt ein Objekt von
endlicher Grösse zur präzisen Abbildung gelangt. Faktisch
wird man dabei nicht vergessen, dass, da das LichtbĂĽschel
unendlich viele Strahlen enthält, zur mathematisch strengen
Vereinigung aller in einen Konvergenzpunkt unendlich viele
^) Ueber die Bedingungen des Aplanatismus der Linsensystemc,
Sitzungsber. der Jen. Ges. f. Med. u. Naturw. 1879 Nov.
Xf. V. Seidel: ĂĽeber die Bedingungen etc, 401
Bedingungen erfĂĽllt sein mĂĽssten, und dass ebenso auch die
Ausdehnung der fĂĽr einen leuchtenden Punkt erst erreichten
Genauigkeit auf ein endliches Gesichtsfeld stricte genommen
unendlich viele Bedingungen erfordern wĂĽrde. Unsere diop-
trische Theorie, soweit sie einen analytischen Charakter trägt
und nicht lediglich Vorschriften zur Zahlenrechnung aufstellt,
setzt bekanntlich voraus, dass das anguläre Mass des Gesichts-
feldes und ebenso das entsprechende der OeflFnung des Apparats
kleine Grössen sind, nach deren Potenzen die für die Unter-
suchung massgebenden Grössen in rasch konvergierende Reihen
entwickelt werden können. Berücksichtigt man von diesen
Reihen nur die Glieder der niedrigsten Ordnung, so ergeben
sich bekanntlich die Näherungsformeln, wie sie in vorzüg-
lichster Eleganz in den „ dioptrischen Untersuchungen* von
Gauss gegeben sind: Formeln, die als eine erste Approxi-
mation fĂĽr jeden Apparat gelten, die aber zugleich das Ideal
für den Optiker repräsentieren, weil der Apparat allen An-
sprĂĽchen, die man an seine Leistungen stellen kann, dann voll-
kommen entsprechen wĂĽrde, wenn seine Wirkung durch jene
Näherungsformeln genau dargestellt wäre. Unter den vorhin
gemachten Voraussetzungen erscheinen die Dimensionen des auf
irgend einer Trausversalebene aufgefangenen Bildes von einem
endlichen Objekt als kleine Grössen erster Ordnung, welche
man aus jenen Näherungsformeln erhält. Die Fehler in diesem
Bild, d. h. die Differenzen zwischen den Punkten, in welchen
die Transversalebene von den aus dem Apparat hervorgehenden
Lichtstrahlen wirklich passiert wird, und den Stellen, an welchen
dieser Durchgang stattfinden müsste, um eine präzise Abbil-
dung der leuchtenden Punkte zu erzeugen, sind durch kleine
Grössen von der dritten Ordnung dargestellt, da ihre voll-
ständige Reihenentwicklung überhaupt nur Glieder ungerader
Dimension enthält, und sonach der Ausdruck dessen, was den
Unterschied zwischen der Aberration und der genauen Betrach-
tung enthält, in der dritten Ordnung, als seiner niedrigsten,
und unter den vorausgesetzten Verhältnissen wichtigsten, be-
ginnen muss. Soll die Leistung des optischen Apparats ihrem
402 SĂĽsung der mathrphys. Glosse vom 2. Jtdi 1898,
Ideal möglichst nahe gebracht werden, so handelt es sich zu-
nächst um die Aufhebung dieser Glieder dritter Ordnung als
der wichtigsten Bestandteile der AusdrĂĽcke fĂĽr die im Bild
zur Entstehung kommenden Fehler. Ihre Vernichtung, soweit
dieselbe mit disponiblen Mitteln erreichbar ist, muss bewirkt
werden durch die Disposition ĂĽber die optischen Elemente des
herzustellenden Apparats, d. i. solche Eonstanten, welche die
Krümmungen und die gegenseitigen Abstände der den Apparat
konstituierenden, zentrierten sphärischen Flächen bestimmen.
Die alten AusdrĂĽcke, wie sie zuerst von Euler fĂĽr die
Berechnung und Aufhebung der sog. sphärischen Aberration,
als des unter gewöhnlichen Umständen wichtigsten unter den
Fehlergliedem dritter Ordnung, aufgestellt worden sind, stellen
dieselbe nicht expHcite durch die Elemente des optischen
Systems dar und sind ausserdem ungenau wegen der Vernach-
lässigung der Dicke der Glaslinsen. Vermöge dieser Vernach-
lässigung und durch Einführung von gewissen, sehr sinnreich ge-
wählten, für die Form der Linsen massgebenden Hilfegrössen
(die man, verbunden mit den Brennweiten als die von ihm
angewandten Elemente des Systems betrachten kann) hat
übrigens Euler zunächst für den Fall des nur aus zwei Linsen
bestehenden Doppelobjektivs der Bedingung fĂĽr die Aufhebung
der Kugelabweichung die bekannte, für den Gebrauch hinläng-
lich bequeme, und viel benutzte Gestalt gegeben. Ich glaube
der erste zu sein, der den Ausdruck dieser Grösse vollständig,
ohne Vernachlässigung der Dicke der Gläser, und für beliebig
viele brechende Flächen gegeben hat,^) und zwar explicite
durch das ursprünglich zunächst zu diesem Zwecke einge-
führte Elementensystem, nämlich durch die von mir mit o
und h bezeichneten Grössen, für welche ich später den Namen
der auf eine bestimmte Objektebene bezogenen Ele-
mente des Apparats vorgeschlagen habe.*)
Mit Hilfe eben dieser Elemente lassen sich in gleicher
Weise die sämtlichen Glieder dritter Ordnung explicite in über-
^) Astr. Nachr. Nr. 835, Aufsatz vom 24. Aug. 1852.
«) Aatr. Nachr. Nr. 1027 ff.
Xf. V, Seidel: Ueher die Bedingungen etc. 403
sichtlichen AusdrĂĽcken darstellen, welche die Fehler in der
Abbildung irgend eines Objekts durch den aus sphärischen und
gegen einander centrierten Flächen bestehenden Apparat dar-
stellen, und zwar in solcher Weise, dass die Untersuchung in
gleicher Weise die in der Theorie frĂĽher beiseite gelassenen
zur Axe „windschiefen" Strahlen umfasst, wie diejenigen,
welche sich in einer durch die optische Axe gelegten Ebene
fortpflanzen. Die vollständig entwickelten Ausdrücke habe ich
in den Nummern 1027 — 1029 der Astr. Nachr. in einem Auf-
satz vom 6. April 1855 gegeben.*) Mit Hilfe dieser AusdrĂĽcke
wird also die Lage jedes austretenden Strahls explicite durch
die Grössen, welche seine Lage vor dem Eintritt in den Apparat
angeben, und durch die Elemente des Systems soweit dargestellt,
dass die vernachlässigten Bestandteile in den Fehlem des Bildes
nurmehr von der 5. Ordnung sind. Auch gewisse Konsequenzen
findet man a. a. 0. bereits zur Sprache gebracht in betreff von
Hindernissen, die sich vollständiger Aufhebung aller Fehler
dritter Ordnung entgegenstellen, ebenso die gĂĽnstigere Aus-
nahmestellung, welche einerseits ein Apparat, der zur Abbil-
dung eines Objekts in Naturgrösse zu dienen hat, und andrer-
seits das Femrohr, als ein Ganzes betrachtet, in Anspruch
nehmen. Zur Bestimmung der ursprĂĽnglichen Lage des Strahls,
sowie derjenigen, die er nach beliebig vielen Brechungen an-
genommen hat, erscheint es passend, die Koordinaten der Punkte
einzufĂĽhren, in welchen zwei verschiedene, auf der Axe stehende
Ebenen von ihm durchdrungen werden. Dabei erweist es sich
als nĂĽtzlich, nicht dieselben Ebenenpaare fĂĽr den einfallenden
und den gebrochenen Strahl zu betrachten, sondern die Ebenen,
welche fĂĽr den gebrochenen Strahl dienen, an jene Stellen zu
legen, wo durch den Apparat selbst die fĂĽr den einfallenden
Strahl beliebig gewählten Ebenen ihre Abbilder finden würden.
^) feinen vorläufigen Bericht über diese Arbeit, worin insbesondere
die ^Fraunhofer'scbe Bedingung" zur Sprache kommt, ist schon gegeben
in den Ă–itzungsber. der hies. Akad. v. Jan. 1855, eine weitere Besprechung
der abgeleiteten Resultate habe ich gegeben in den Abh. der naturw.
teehn. Kommission bei der kgl. Akad. d. Wiss., Bd. 1, pag. 227.
404 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 2, Jtdi 1898,
sodass für das ganze System brechender Flächen und Medien
zwei Systeme von Transversalebenen sich ergeben, deren jedes
durch seine Grundebenen fĂĽr jeden bestimmten Apparat be-
stimmt ist. In den gewöhnlichen Fällen lässt man am passend-
sten die Grundebene des einen Systems auf das Objekt fallen,
die des zweiten aber die erste brechende Fläche in ihrer Mitte
berĂĽhren. Mit der EinfĂĽhrung dieser beiden Ebenensysteme
stellt sich sozusagen von selbst auch der gleichzeitige Gebrauch
zweier verschieden gewählten Koordinatensysteme für den Ap-
parat ein, nämlich derjenigen, welche nach dem obigen Sprach-
gebrauch auf die Qrundebene des einen und des andern Systems
bezogen sind: Es ist aber ein Hauptvorteil von der Anwendung
dieser Art Elemente, dass zwischen ihren Systemen einfache
Verbindungsgleichungen bestehen, sodass man (wie ich gethan
habe) in den Endformeln alles durch die Grössen des einen
Systems allein ausdrĂĽcken kann,*) wodurch die Zahl der Varia-
bein auf das notwendige und ausreichende Mass reduziert wird.
Gleichfalls in Verbindung mit dem Gebrauch dieser Ebenen-
systeme steht, zur Bestimmung der Punkte, in welchen die
Lichtstrahlen die Transversalebenen durchsetzen, die EinfĂĽhrung
eines von Medium zu Medium innerhalb jedes Ebenensystems
sich ändernden Massstabs für die linearen Koordinaten jener
Punkte, oder die EinfĂĽhrung reduzierter Werte fĂĽr die
Koordinaten, mittels deren bewirkt wird, dass (mit Ausschluss
ihrer Korrektionsglieder dritter Ordnung) die erwähnten Ko-
ordinaten konstant fĂĽr alle (den verschiedenen Medien zuge-
hörigen) Ebenen eines jeden der beiden Systeme werden, wobei
sie auch endlich bleiben an unendlich entfernten Objekten von
endlicher scheinbarer Grösse. Führt man nun diese reduzierten
Grössen als Mass für die transversalen (das ist auf der op-
tischen Axe senkrecht stehenden) Koordinaten in den beiden
Grundebenen ein, die hier der KĂĽrze wegen als Objektebene
^) Diese Gleichungen habe ich abgeleitet in Nr. 871 der Astr.
Nachr., ihre umfassende Anwendung zu obigem Zweck in dem späteren
Aufsatz Nr. 1027 ff. dess. Journ.
L, V. Seidel: lieber die Bedingungen etc. 405
und als Oeffnungsebene benannt werden mögen, und be-
zeichnet man in den hiedurch vorgeschriebenen Massen mit R
in der Objektebene den Abstand eines bestimmten leuchtenden
Punktes von der optischen Axe, dagegen in der Oeffnungs-
ebene mit X die dem R parallel gezählte, oder, wie sie hier
heissen soll, radiale, mit y die auf ersterer senkrechte, oder
laterale Koordinate des Punktes, in welchem im speziellen
der von jenem leuchtenden Punkt kommende Strahl die Oeff"-
nungsebene trifft, so werden zufolge des frĂĽher Gesagten R, a:, y
als kleine Grössen erster Ordnung angesehen im Vergleich mit
den der Axe parallel gezählten Längen, welche beim Apparat
in Betracht kommen. Wäre nun der ideale Grenzfall genau
gegeben, welchen die bekannten Näherungsformeln repräsen-
tieren, so wĂĽrden alle von dem Punkte R kommenden Strahlen
einer gewissen Bildebene, welche zugleich die letzte Ebene
unseres ersten Systems ist (und ebenso auch jede einzelne
frĂĽhere Ebene dieses Systems), in einem und demselben, von
X und y ganz unabhängigen Punkt durchstossen und hier das
präzise Bild des leuchtenden Punktes erzeugen, dessen radiale
Koordinate in dem hier geltenden, reduzierten Mass ausgedrĂĽckt
gleichfalls R, und dessen laterale Koordinate 0 wäre. In
Wirklichkeit aber treten zu diesen beiden Koordinatenwerten
die mit Gliedern dritter Ordnung der kleinen Grössen be-
ginnenden Korrekturen hinzu, welche von x und y abhängig,
also fĂĽr die verschiedenen, von dem leuchtenden Punkte kom-
menden Strahlen verschieden sind, und sonach die Undeutlich-
keit des Bildes, sowie auch nach Umständen eine Verzerrung
in demselben bedingen. Unsere drei Grössen ü, x*, y liefern
folgende 10 Produkte dritter Ordnung:
x^ x^y xy^ y^
x^R xyR y'^R
xR^ yR}
R^
und in den Hauptgliedern dritter Ordnung, welche als Kor-
rektionen zur radialen Koordinate R und zur lateralen Ko-
406 SĂĽeung der math.-phya, Classe vom 2, Juli 1898.
Ordinate 0 in der Bildebene hinzutreten, hat man also neben-
einander die 10 Produkte zu erwarten, jedes multipliziert mit
einem von den Elementen des Apparats abhängenden Koeffi-
zienten. Die Entwicklung dieser verschiedenen Koeffizienten
bildet die eigentliche Schwierigkeit der Aufgabe. Aus der
Symmetrie, welche beiderseits derjenigen Ebene notwendig statt-
findet, die zugleich die optische Axe und den leuchtenden
Punkt enthält, und in welche unsere radialen Koordinaten
fallen, während die lateralen auf ihr senkrecht stehen, ist
ĂĽbrigens sofort zu erkennen, dass die radialen Fehlerabwei-
chungen im Bilde gerade, die lateralen ungerade Funktionen
von y sein mĂĽssen, dass also unsere 10 Produkte in der Weise
in zwei Hauptgruppen zerfallen mĂĽssen, dass nur vorkommen
können in dem Ausdruck der radialen Fehler des Bildes die
6 Glieder mit x', xy^, Rx^, iZy*, R^x, iZ*, und in dem der
lateralen Fehler die 4 Glieder mit x'^y, y^, Rxy, R^y. In
der That finden sich auch in den ersten AusdrĂĽcken jene 6,
in den zweiten die letzteren 4 wirklich alle vor. Die Anzahl
von 10 Koeffizienten, welche zur vollständigen Kenntnis der
Fehlerbestandteile dritter Ordnung durch die Elemente des
optischen Systems demgemäss darzustellen waren, reduziert
sich jedoch erheblich. Aus der Erwägung, dass in dem ein-
fachen Hauptfalle R = o, wo der leuchtende Punkt sich in
der Aie selbst befindet, der Strahl die Ebene nicht verlassen
kann, welche die Axe und seine erste Richtung enthält, und
dass die absolute Grösse der ganzen Abweichung, die er im
Bilde zeigt, hier notwendig proportional wird der dritten Po-
tenz des Abstandes von der Axe, in welchem er die Oeffiiungs-
ebene trifft, ergibt sich, dass nachbenannte 4 Glieder alle ein
und denselben Koeffizienten haben müssen, nämlich die beiden
mit X ' .r^ und x - y^ im ersten, und die beiden mit y • .z'* und
y ' y^ im zweiten Ausdruck. Mit der Vernichtung des gemein-
schaftlichen Koeffizienten dieser 4 Glieder wird fĂĽr die Mitte
des Gesichtsfeldes R = o die Kugelabweichung (genauer gesagt
ihr Bestandteil dritter Ordnung) völlig aufgehoben: in der
That hat sich die Bedingungsgleichung fĂĽr die Beseitigung
X. V, Seidel: Ueber die Bedingungen etc. 407
dieses Fehlers aus der auf den Baum ausgedehnten Unter-
suchung in den Astr. Nachr. No. 1027 ff. genau ebenso er-
geben, wie ich sie frĂĽher auf wesentlich anderem Wege in
No. 835 fĂĽr sich allein abgeleitet hatte. Durch diese not-
wendigen Beziehungen vermindert sich die Anzahl der Koeffi-
zienten fĂĽr unsere 6 -f- 4 Produkte von 10 auf 7. Dass diese
Anzahl sich noch weiter vermindert, nämlich von 7 auf 5, ist
ein Umstand, von welchem es nicht scheint, dass auch er sich
als notwendig a priori ohne Rechnung oder eine dieselbe er-
setzende Deduktion erkennen lasse. Wirklich verhält es sich
so, da die Entwicklung der Werte all dieser Koordinaten dar-
gethan hat, dass in dem Ausdruck der radialen Fehler die
beiden Produkte Rx^ und Ry^ nur in der Verbindung auf-
treten 2i(3x* + y*), und weiter, dass diese Verbindung mit
demselben Koeffizienten multipliziert erscheint, welcher in dem
Ausdruck der lateralen Fehler das Produkt 2 Rxy enthält.
Sonach treten im ganzen im Ausdruck der radialen Fehler
4 Koeffizienten auf, multipbziert mit den Grössen x (a;* + y*),
i2(3x*-ry*)» R^^ und R^, in dem Ausdruck der lateralen
Fehler aber drei Koeffizienten, multipliziert mit den Grössen
y {x'^ + y^), 2 R x y, R^ y, und dabei ist der erste Koeffizient
des einen Ausdrucks dem ersten des andern, ebenso der zweite
des einen dem zweiten des andern gleich, während die Koeffi-
zienten der beiderseitigen dritten Glieder verschieden sind.
Das vierte mit JR* multiplizierte Glied im Ausdruck der radialen
Abweichung steht ebenfalls isoliert. Da dieses Glied fĂĽr alle
von demselben leuchtenden Punkt kommenden {R = const.),
an den verschiedenen Stellen der Oeffnungsebene auffallenden
Strahlen konstant ist, so bewirkt es nur eine Verschiebung
im radialen Sinn des ganzen, in der Bildebene von jenem
leuchtenden Punkt herrĂĽhrenden Lichtphantom, hat aber auf
die Ausdehnung desselben keinen Einfluss, oder mit andern
Worten, dieses Glied ist nicht für die Schärfe der Abbildung,
sondern nur fĂĽr die Richtigkeit ihrer Perspektive von Einfluss.
Bezeichnen wir die 5 Koeffizienten mit Ă„, B . , . Ey die radiale
Abweichung, welche der durch JB, x, y bestinmite Strahl schliess-
408 Sitzung der mathrjihys, Classe vom 2, Juli 1898,
lieh in der Bildebene erleidet, durch f, die laterale durch 17,
so hat man nach dem Gesagten
I. S = Ă„x(x^ + y^) + B R{3 X* -\- y*) + CB}x -f ER^
n. 7] = Ay{x^ + y'') + 2BRxy + DR^y,
Die Ausdrücke der Koeffizienten Ä — E durch die Elemente
a, h des optischen Systems findet man entwickelt in der schon
zitierten Abh. No. 1027 der Astr. Nachr. Ich habe sie dort
in doppelter Form gegeben, — unter gleichzeitiger Anwen-
dung der Elemente a, A, die sich auf das der Objektebene zu-
gehörige Ebenensystem beziehen, und der Elemente a', h\
welche in ganz gleicher Weise auf das System der OeflFnungs-
ebene Bezug haben (siehe die Formeln I — VU a. a. 0.) —
sodann aber, weil selbstverständlich die Grössen a', h' in not-
wendiger Verbindung mit a, h stehen, nach Elimination der
erstgenannten durch letztere allein (siehe die AusdrĂĽcke VIII
und IX a. a. 0.). Für die meisten Fälle, aber nicht für alle,
ist die letztere Darstellung die bequemere.') In jener Ab-
handlung habe ich ĂĽbrigens statt der rechtwinkligen Koordi-
naten x, y in der OeflFnungsebene Polarkoordinaten angewendet.
FĂĽr die Vergleichung ist zu bemerken, dass unser x dem dor-
tigen K cos (v — y), unser y dem dortigen R sin {v — r)
gleich ist.
Bei Apparaten von sehr kleinem, angulärem Radius des
Gesichtsfeldes und verhältnismJissig beträchtlicher OefiFnung
(d. i. fĂĽr ganz kleine Werte des Winkels, unter welchem der
Halbmesser von ihrem KrĂĽmmungsmittelpunkt aus erscheint,)
bleibt der extreme Wert von R, der fĂĽr den Rand des Gesichts-
feldes gilt, sehr wesentlich kleiner als die dem Rand der OefiF-
nung zugehörigen Werte x, y. In diesem Fall, welcher u. a.
derjenige eines Fernrohrs von stärkerer Vergrösserung ist,
^) Ein paar Fehler, welche sich im Abdruck der erstgenannten
Formeln befinden und welche auch bei der Vergleichung mit dem oben
Gesagten ohne Belang sind, werden am Schluss des vorliegenden Auf-
satzes berichtigt. (Diese Berichtigung hat der Herausgeber in der S. 306
citierten Arbeit bereits vorgenommen.)
L. V, Seidd: Ueber die Bedingungen etc. 409
werden in den AusdrĂĽcken I. und ĂĽ. die Glieder an Wichtig-
keit der Ăźeibe nach abnehmen, wenn in ihnen die Ordnung
der Grössen x und y sinkt und dagegen die von R sich erhebt.
Seitdem die präzis rechnende Optik sich auch mit der Her-
stellung von Apparaten von sehr beträchtlichem Gesichtsfeld
zu beschäftigen hat (z. B. für photographische Zwecke), kann
zwar nicht behauptet werden, dass auch fĂĽr solche durchaus
die Anfangsglieder unserer AusdrĂĽcke, wenn sie nicht auf-
gehoben sind, die grössten Bestandteile der Fehler im Bilde
liefern werden, aber auch, wenn vermöge der Ausdehnung des
Gesichtsfeldes, d. h. der Grösse des Maximalwertes von R, in
den äusseren Partieen die späteren Glieder die vorwiegenden
werden sollten, mĂĽssen doch nach bekannten mathematischen
Gesetzen für hinlänglich kleine Werte von R die Glieder der
lleihen I. und IL stetig abnehmen, und da die mittleren Teile
des Gesichtsfeldes, fĂĽr welche dies gilt, kaum je bei einem
Apparat in Wegfall kommen, vielmehr fast immer diejenigen
sein werden, auf welche die Aufmerksamkeit zuvörderst zu
richten ist, so ist es hiedurch klar, dass man vor allem A,
dann B u. s. w. vernichten muss, um das Bild möglichst zu
vervollkommnen. Man kann dabei auch dies geltend machen,
dass durch die Vernichtung jeder einzelnen der beiden Grössen
das Lichtphantom gleichzeitig in der radialen und in der lateralen
Dimension verkleinert wird, während C =^ o nur in der ersteren,
2) = 0 nur in der letzteren Richtung einen Vorteil gewährt.
Die Bedingung Ă„ = o ist die alte Eulers 'che fĂĽr die Auf-
hebung der Kugelabweichung. Nur hat Euler bekanntlich
bei der Ableitung ihres Ausdrucks sich genötigt gesehen, die
Dicke der Glaslinsen zu vernachlässigen, während er der
Schwierigkeit, welche bei Anwendung seiner Formel aus dem
Umstand entspringt, dass nicht alles explicite durch die Ele-
mente des Apparats ausgedrĂĽckt ist, Herr zu werden gewusst
hat durch die EinfĂĽhrung gewisser besonderer, gerade auf das
Mtiss der Kugelabweichung bei den einzelnen Linsen bezĂĽg-
lichen Grössen, die man in Verbindung mit den Brennweiten
als Euler 'sehe Elemente des Apparats bezeichnen könnte. Durch
410 Sitzung der math.-phya, Clasae vom 2, Juli 1898,
die Elemente o und h habe ich die Gleichung Ă„==iO yoU-
kommen explicite zuerst ausgedrĂĽckt (No. 835 der Aatr. Nachr.
Gleichung I), und es war dabei, sowie in den femer auf diese
Elemente basierten Entwicklungen nicht nötig, die Gläserdicken
ausser acht zu lassen. Die nächstfolgende Bedingung für die
Aufhebung der Fehler ist nach der Reihenfolge die Gleichung
B = 0. Da sie die erste ist, welche dadurch hinzutritt, dass
nicht mehr fĂĽr den Punkt in der Mitte des Gesichtsfeldes
(iJ = o) allein vorgesorgt wird, kann man in der anfangs fest-
gestellten Ausdrucksweise sagen, dass durch ihre ErfĂĽllung die
Aufhebung der Kugelabweichung auf ein endliches Gesichtsfeld
ausgedehnt wird. Man muss nach den Mitteilungen, die von
Utzschneider nach Fraunhofer's Tode gegeben worden sind,
annehmen, dass der letztere bei der Ausrechnung seines Fern-
rohrobjektivs diese Vervollkommnung des Bildes bezweckt habe,
und da nach Aufstellung des mathematischen Ausdrucks fĂĽr
dieselbe^) sich ergeben hat, dass in der That die Bedingung
jB = o durch das Fraunhofer 'sehe Objektiv sehr genau erfĂĽllt
ist, so habe ich derselben den Namen „Fraunhofer 'sehe Be-
dingung** gegeben. Uebrigens haben bekanntlich theoretische
Untersuchungen Verschiedener, welche alle neueren Datums
sind als Fraunhof er's Leistung, gezeigt, dass sein Objektiv eine
so bedeutende Anzahl wichtiger VorzĂĽge vereinigt, dass mit
den gegebenen Mitteln geradezu ein Maximum des Erfolgs von
ihm in so glänzender Weise erreicht worden ist, wie vielleicht
niemals sonst in dem Gebiete der höheren Technik. (Ver-
gleiche darĂĽber den Aufsatz von Dr. Adolf Stein heil, welcher
zugleich Bezug nimmt auf die einschlägigen Untersuchungen
von J. Her sc hei, von Biot und von mir. Diese Berichte
2. Bd. S. 284, 1867.)
Prof. Abbe hat neuerlich*) fĂĽr die Fraunhof er 'sehe Be-
dingung ii = 0 , nach den im Ergebnis ĂĽbereinstimmenden,
wiewohl auf selir verschiedener Art der Betrachtung beruhen-
^) Siehe meine mehrfach citierte Abh. v. 6. April 185B, Astr. Nachr.
Nr. 1027.
*) Sitzungsber. der Jen. Ges. f. Med. u. Naturw. v. 28. Nov. 1879.
L. V, Sfidel: lieber die Bedingungen etc, 411
den Untersuchungen von Helmholtz und von ihm selbst,
einen Ausdruck gegeben, welcher durch seine elegante For-
mulierung bemerkenswert ist. Zwar setzt diese Formulierung
nur an Stelle des Postulats, dass auch die zunächst seitwärts
von der Mitte befindlichen Punkte im Gesichtsfeld ihre Kugel-
abweichung verlieren sollen, das andere Postulat, dass fĂĽr alle
von der Mitte des Gesichtsfelds ausgehenden Strahlen das Ver-
hältnis der Sinuse ihrer letzten Winkel mit der Axe zum Sinus
ihrer ersten Winkel mit derselben ein konstantes sei, ohne
dass durch Aufstellung einer zwischen den Elementen des
Apparats zu erfüllenden Gleichung ersichtlich wäre, auf welche
Art die Forderung erreicht werden soll. Indessen ist, auch
abgesehen von der theoretischen Eleganz des Satzes, die neue
Formulierung immerhin bequemer fĂĽr den auf dem Weg der
Versuche vorgehenden Rechner, als die ursprĂĽngliche. Be-
sonders interessant ist aus dem Aufsatz des Herrn Abbe auch
die Mitteilung, dass die Mikroskopobjektive aus den verschie-
densten Bezugsquellen, welche sich die Anerkennung ihrer
GĂĽte durch den Erfolg erworben haben, ĂĽbereinstimmend
unserer Bedingung genĂĽgen.^) Es ist sonach die Wichtigkeit
derselben auch schon durch eine umfangreiche Erfahrung, selbst
auf dem Felde der praktischen Optik bestätigt, auf welchem
dieselbe bis in die neueste Zeit fast nur tatonnierend zu Werke
geht. Diejenigen ihrer Produktionen, welche sich ohne Wissen
ihrer Verfertiger, die selbst nur nach dem Effekt kombinierten,
unserer Bedingung anschlössen, haben vermöge ihrer besseren
Leistung in der Konkurrenz die andern aus dem Felde geschlagen.
Es ist von Interesse, die Abbe-Helmholtz'sche Fassung
unserer Bedingimg, d. i. die Forderung der vorhin erwähnten
Proportionalität des Sinus, mit derjenigen Form zu vergleichen,
in welcher ich a. o. 0. bereits vor 25 Jahren dieselbe Be-
dingung aufgestellt habe. In dieser älteren Gestalt ist, durch-
^) Seidel's Fraunhoferbedingung ist, wie der Herausgeber bereits
in der Einleitung hervorhob, apecieller als der Abb e'sche Sinussatz und
wĂĽrde bei der Berechnung von Mikroskopobjektiven sehr grosser OeflPhung
nicht ausreichen.
189a SiUnngsb. d. math -phy8. Gl. 27
412 Sitzung der matK-phys. Glosse vom j9. Juli 1898,
aus verschieden von der neueren, alles durch die Elemente a, h
des Linsensysiems ausgedrĂĽckt, so dass die zwischen diesen zu
erfĂĽllende Gleichung explicite vorliegt. Nach der abbrevierten
Bezeichnung in den Astr. Nachr. Nr. 1028 ist es die Gleichung
S (2) = 0. Der neue Ausdruck der Bedingung giebt kein Mittel
an die Hand, dieselbe durch die Elemente darzustellen — um-
gekehrt aber ist es leicht, von meinen Gleichungen ausgehend
auch das Verhältnis der Sinus zu ermitteln und zu versuchen,
ob dasselbe konstant wird, wenn die Bedingung B= 0 nach
der oben gebrauchten Bezeichnungsweise erfĂĽllt ist. Nach
meinen in dem oft zitierten Aufsatz angewendeten Bezeich-
nungen passiert irgend ein Strahl, der von der Mitte des Ge-
sichtsfeldes ausgeht, in seiner ursprĂĽnglichen Lage die optische
Axe in dem Punkt, dessen Abszisse ist Ao : o_r, die der KĂĽrze
halber hier von uns so genannte Oeflfnungsebene hat, vom
gleichen Anfangspunkt aus gezählt, die Abszisse ho : aLi . Diese
Ebene wird von unserm Strahl getroflFen in einem Punkt, dessen
Abstand von der Axe ist rLi = ü- — p- (wobei JB' der „redu-
zierte Abstand** des Durchschnittspunktes von der Axe ist);
daher ist die Tangente des Winkels w^\, den der Strahl
ursprĂĽnglich mit der Axe bildet:*)
_, r_i f ho ho \ j^' ö-i
In g<anz analoger Weise ist bei dem Strahle, welcher die
seine ursprĂĽngliche Richtung und die Axe enthaltende Ebene
nicht verlässt, die Abszisse des Punktes, in welchem er nach
h
allen Brechungen die Axe schneidet, gleich — ^ (wenn der
Asteriskus als Index der letzten Grösse ihrer Art gebraucht
wird) ohne hinzutretendes Korrektionsglied, weil bei dieser
^) Eine nähere Feststellung des Sinnes, in welchem die Winkel
hier positiv gezählt sind, ist unnötig, da es sich nur um die Prüfung
einer Proportionalität handelt. Im übrigen verweise ich wegen der
Bedeutung aller hier nicht besonders erwähnten Grössen auf die Astr.
Nachr. Nr. 1027.
^*
X. V. SeiM: Ăśeber die Bedingungen etc, 41 S
Betrachtung fĂĽr die Strahlen des in Betracht gezogenen Licht-
kegels die Kugelabweichungen als aufgehoben vorausgesetzt
sind {Ă„ = 0). In der gleichen Finallage passiert der Strahl
diejenige Ebene, deren Abszisse ist -/* (die das reduzierte Bild
der OeflFnungsebene ♦ enthält) in einem Abstand von der Axe
und es findet sich hieraus fĂĽr den letzten Winkel des Strahles
mit der Axe
weil die Grösse
ho—h'o ^rp
V
konstant bleibt bei jeden! der analogen Uebergänge, sowohl
von dem vor einer bestimmten Fläche (deren Indices die 7i, A'
tragen), liegenden zu einem hinter ihr liegenden Medium, als
auch von der vorderen der beiden ein bestimmtes Medium (dessen
Index die o, o\ v tragen) begrenzenden Fläche zur hinteren, nach
einer von mir bereits in den Astr. Nachr. bewiesenen Qrund-
relation, welche sozusagen das GegenstĂĽck zu dem eben dort
T • O
gegebenen Satz von der ün Veränderlichkeit der Grösse = R
durch alle Medien vorstellt. Dabei enthält die Grösse A R'^
den Bestandteil dritter Ordnung, um welchen radiale Distanz
JfZ' -|- J R\ sich von dem Näherungswert R unterscheidet.
Man hat nun:
sintv^ ^ igw^ 1 / 1 + tg^
sint<;_i tgtt;_i Y 1 + tg*
1
Da hier die betreflfenden Winkel kleine Grössen dritter
Ordnung sind, so besteht das Verhältnis aus Gliedern 0*®',
2t6r^ 4tor Ordnung derselben. Substituiert man fĂĽr die
Tangenten ihre vorgegebenen Ausdrücke, so lässt sich alles
nach R' ordnen, an welchem die Korrektur A R\ (s. sogleich)
eine Funktion dritter Ordnung ist. Man erhält:
27»
414 SĂĽgung der math.-phys. Glosse vom 2. Juli 1898.
wobei die ausgeschriebenen Glieder die Grösse zweiter Ordnung
vollständig enthalten. Soll das Verhältnis dieser Sinus kon-
stant für den ganzen Strahlenbündel, also unabhängig von It
AR'
sein, so muss man haben (da auch — ^— zu den Gliedern
zweiter Ordnung nach JB' zählt):
und diese Gleichung ist, in den von mir eingeführten Grössen
ausgedrĂĽckt, die Formulierung der Abbe- Hei mholtz'schen
Forderung. Sie muss sich also als identisch erweisen mit meiner
alten Formulierung der Fraunhofer'schen Bedingung JB = 0,
wenn unsere Ergebnisse unter sich in Einklang stehen.
Dass dies in der That der Fall ist, ergiebt sich, wenn
man fĂĽr das Korrektionsglied dritter Ordnung ^i?'* seinen
Ausdruck aus meinen Entwicklungen a. a. 0. nimmt. Man
erhält denselben, wenn man in der Gleichung (Astr. Nachr. 1028,
Zeile I — IV) die nicht accentuierten und die accentuierten
Grössen JB, o, li gegenseitig vertauscht, bei welcher Vertauschung
T in — T übergeht, darnach ü ^ 0 setzt (weil der in Be-
tracht gezogene Lichtkegel von der Mitte des Gesichtsfeldes
kommt, wodurch sich der ganze Ausdruck auf das in Zeile IV
stehende Glied reduziert, und endlich über alle Flächen des
Apparats die durch S angedeutete Summation erstreckt. Wenn
dabei, wie a. a. 0. im allgemeinen Gliede der Summe, bei A
der Index der Fläche weggelassen, bei den Grössen o und v,
wo das der Fläche vorangehende Medium kurz durch — , der
des ihr nachfolgenden durch + vertreten wird, so erhält man
^^'fr=«|?(--];*)(!!-rJ-4v(rrr-);-
welcher Ausdruck in Gleichung III. zu substituieren ist. Um
das Ergebnis auf die eine oder die andere der beiden Formen
zurĂĽckzufĂĽhren, in welcher ich den Koeffizienten -B einerseits
X. V, Seidel: Ueber die Bedingungen etc, 415
in Zeile II des vorhin angefĂĽhrten Ausdruckes fĂĽr dTt\^
andrerseits in der entsprechenden Zeile von Gleichung VIII
a. a. 0. aufgestellt habe, ist noch eine Umgestaltung erforder-
lich, zu welcher die Gleichung 19) daselbst die Mittel enthält.
Man erhält die erste der von mir für die Fraunhofer'sche
Bedingung aufgestellten Formen (nach welcher Zeile II a. a. 0. in
der Summe über alle Flächen verschwindet), wenn man im zuletzt
gegebenen Ausddruck statt Ä' /o — o\ schreibt h /o — a\ — NT,
was nach den zitierten Gleichungen dasselbe ist, und dann
das zweite der so erhaltenen Glieder mit dem letzten in dem
AB*
Ausdrucke von 2T* — ^z— vereinigt, wovon der EflFekt ist,
dass nach geschehener Summation diese GKeder in Gleichung III.
gegen die Glieder o* — a* sich gegen einander aufheben. Da-
gegen gelangt man von der Form lH aus zur zweiten meiner
Formen f ĂĽr die F r a u n h o f e r'sche Bedingung (Gleichung VIII 1. c.)
oder, da die Gleichung S^ = 0 fĂĽr die Aufhebung der Kugel-
abweichung in der Mitte des Gesichtsfeldes als erfĂĽllt hier
angenommen wird, zur Bedingung S^ = 0, wenn man in dem
vorhin mitgeteilten Ausdruck für AR^, die Grösse -=f ersetzt
durch h ' rk — hü gemäss der letzten der Gleichungen 19) 1. c.
und auch hier das mit vo — vo multiplizierte Glied vermöge
-+ +-
der Gleichung — f va — va\ =va — vo — N ( o — o\ mit
\-+ -+y — ++ V- +/
dem andern verschmilzt. Hiernach kommt die linke Seite der
Gleichung III nach AusfĂĽhrung der Summation auf meine
Form zurĂĽck, welche in den Zeichen der Astr. Nachr. Nr. 1028
Gleichung X und XI einfach so steht:
-|S(1) + 5Ăś-(1),
oder man erhält die Fraunhofer'sche Bedingung in der Form
;i^/S(l) + T>S(2) = 0, was zu beweisen war.
4.16 SUzung der mcUh^-phys. Glosse vom 2, Juli 1898.
Die sachliche Uebereinstimmung zweierlei Formulierungen
der Bedingung fĂĽr die Aufhebung der Kugelgestalt in einem
Gesichtsfeld von endlicher Ausdehnung ist also dargethan.
Herr Abbe schlägt in dem zitierten Aufsatz für ein Objektiv,
welches neben den gewöhnlichen Bedingungen der Aufhebung
von Kugelabweichung und Farbenzerstreuung noch diese dritte
erfĂĽllt, den Namen eines aplanatischen vor, indem er dem
bisher ziemlich unbestimmten Ausdruck, welcher bald weniger,
bald auch, wie z. B. beim Steilheiischen „Aplanat" mehr be-
sagen sollte, als hier mit dem Worte gemeint ist, diesen be-
simmten Sinn fĂĽr die Zukunft vindizieren will. Ich habe
jedoch für die Bedingung 2? = o als die „Fraunhofersche* das
Recht der Namengebung als der erste, der ihren entsprechen-
den Ausdruck aufgestellt hat, schon vor 25 Jahren geĂĽbt, und
wie ich glaube, in der angemessensten Weise zu Ehren dessen,
der sie zuerst zu erfĂĽllen verstand, wĂĽrde es auch nicht fĂĽr
ratsam halten, aus dem Sprachschatz gerade ein Wort von
bisher so schwankender Bedeutung fĂĽr eine nun definitive
Sache zu wählen. Ein gutes Objektiv soll übrigens (wie auch
das Fraunhofersche bereits thut) ausser jenen drei Bedingungen
auch mindestens noch der vierten genĂĽgen, die durch das Ver-
hältnis der Dicken seiner Medien erfüllt werden kann, dass
die verschiedenen farbigen Bilder gleich gross werden, eine
Bedingung, welche zur gewöhnlichen Achromasie in ganz ähn-
licher Beziehung steht, wie die Fraunhofersche zur Eulerschen
wegen der Aufhebung der Kugelabweichung. ^)
Um die Gestalt derjenigen kleinen Lichtkurven kennen
zu lernen, die in der Bildebene verzeichnet werden von solchen
Strahlen unseres leuchtenden Punktes, welche die OeflFnungs-
ebcne an der Peripherie eines zur Axe zentrischen Kreises vom
1) Auch die mathematische Form jener zweiten auf die Farben
bezĂĽglichen Bedingung, die ich bereits in den Astr. Nachr. Nr. 871
gegeben habe, zeigt zu derjenigen der ersten genau dieselbe Art von
Verwandtschaft, wie der Ausdruck der Fraunhofer'schen Bedingung
B = 0 zur Euler'schen J. = 0, wie ich an anderem Orte erweisen werde.
Anmerkung vom Jahre 1881. (Ist nicht mehr geschehen. Anm. d. Hrsgb.)
L. V. Seidel: Ueher die Bedingungen etc, 417
Radius R treflFen, hat man in unseren Gleichungen I und II
zu setzen x== Rcos<p y = R än<p
und R konstant zu nehmen. Man darf jedoch nicht glauben,
dass etwa diejenige Kurve solcher Art, welche dem Werte von
R des OeflFnungsrandes zugehört, in der Bildebene die äussere
Umfassung des ganzen von leuchtenden Punkten erzeugten
Lichtphantoms vorstellen wird, denn im allgemeinen werden die
verschiedenen, R zugehörigen solchen Kurven nicht nach der
Grösse ihrer R eine die andere ganz umschliessen, sondern
vielmehr einander schneiden und die dabei entstehende imi-
hĂĽUende Linie (zugleich Durchschnitt der vom leuchtenden
Punkt erzeugten Brennfläche mit der Bildebene und vermöge
dieser Qualität hervorstechend durch ihre Helligkeit) wird
zum einen Teil, die Extreme unserer Linien R = const. und
zum andern jene Umfassung bilden.^) Mit der Substitution
X = R cos q) y = R sin(p
erhält man aus den Gleichungen I. und 11.:
IV. ^—EB'—2BRR^={AR^+CR^)Rcos(p + BRR^cos2(p
V t]={Ă„R^+DR^)Rsin(p-['BRR^sm2(p.
Man ersieht hieraus, dass die Kurve R = const. auf fol-
gende Art erzeugt werden kann, welche der Epicykelkon-
struktion ganz nahe verwandt ist: Man denke sich eine Ellipse
konstruirt, deren Mittelpunkt, in der radialen Axe der | ge-
^) Die Brennfläche selbst habe ich in den , Gelehrten Anzeigen*
dieser Akademie von 1857 Nr. 30 u. 31 besprochen und ihre Gleichungen
ausgedrĂĽckt durch eine Hilfsvariable, nebst Betrachtungen ĂĽber ihre
Beziehung zur Wellenfläche in einem Briefe an Herrn Kummer, abge-
druckt in den Berliner Monatsber. v. 18. Dez. 1862, mitgeteilt. SeiUlem
hat danach Herr Brill ihr Modell in Gips feststellen lassen und ver-
öffentlicht. In meiner betreffenden Publikation ist übrigens als Haupt-
axe statt der optischen Axe der „ausgezeichnete Strahl* eingeführt, um
welche her die Brennfläche als symmetrisch sich darstellt. Die auf
dieser senkrechten Querschnitte, welche dort zunächst besprochen werden,
enthalten also nicht unter sich den im Text in Frage kommenden Schnitt
mit der auf der optischen Axe senkrechten Ebene des , idealen Bildes.*
(Sie weichen aber nur um Grössen 6. 0. ab, die hier schon vernachlässigt
sind. Anm. d. Hrsgb.)
418 Siigutig der mathrphya. Classe vom 2. Juli 1898,
legen, von dem idealen Bild des leuchtenden Punktes den
reduzierten Abstand hat: ER^ -\- 2-B7JJB'*, und deren erste
Halbaxe (radiale) ist a = (^ JF?* -|- CJB*) R, wahrend die zweite
(laterale) 6 = (Ă„R^ 4" DR^) R- Den Mittelpunkt eines Kreises
vom Radius BRR^ fĂĽhre man auf der Peripherie der Ellipse
herum, indem man zugleich die Peripherie des Kreises selbst
von einem Punkt P so umlaufen lässt, dass in dem Moment,
wo die Koordinaten des Kreismittelpunktes, vom festen Mittel-
punkt der Ellipse aus gezählt, a cos 9?, 6 sin 9? sind, der nach P
gezogene Radius des Kreises mit der Richtung der Axe a den
Winkel 2 (p einschliesst. Bei dieser Bewegung beschreibt der
Punkt P unsere Kurve. Man kann hienach auch eine ziemlich
einfache geometrische Konstruktion fĂĽr beliebig viele Punkte
unserer Linie aufstellen, welche mit bekannten Epicykloiden
und Konchoiden eine Analogie darbietet.
Die für unsere Anwendung wichtigsten Fälle sind beson-
derer Besprechung wĂĽrdig.
1. Wenn man annimmt, dass A nicht gleich Null ist,
d. h. dass die Kugelabweichung nicht gehoben ist, und zu-
gleich, dass die durch ü' gemessene Grösse der OeflRnung über-
wiegend ist gegen die durch R gemessene Grösse des Gesichts-
feldes, so zwar, dass die Glieder mit 2?, C, D ausser acht
gelassen werden können gegen diejenigen mit A^ so wird
unsere Kurve zum Kreis (in welchem die Ellipse der allge-
meinen Figur übergeht, während der Epicykel verschwindet)
und die zu den verschiedenen ü' gehörigen Kreise erscheinen
als konzentrisch; man erhält also in diesem Fall die Sterne
in der Ebene des idealen Bildes dargestellt als kleine kreis-
runde Scheiben, deren Dimensionen unabhängig sind von 12,
also von den sclieinbaren Abständen der verschiedenen Sterne
von der Mitte des Gesichtsfeldes. Infolge der Proportionalität
der Radien dieser vScheiben mit R!^ sind dieselben ĂĽbrigens nicht
gleichmässig erleuchtet, sondern das Licht ist in der Mitte am
stärksten konzentriert und nimmt nach aussen ab, weshalb für
das Auge die Dimensionen der Phantome schwacher Sterne
von der Helligkeit abhängig erscheinen werden.
L. V, Seidel: ĂĽeber die Bedingungen etc, 419
2. Nimmt man an, dass die E ul er 'sehe Bedingung ^ = o
fĂĽr die Aufhebung der Kugelabweichung erfĂĽllt ist, nicht aber
auch die Fraunhofer'sche Bedingung B = o, und hält man
über die extremen Grössen von R und R die. vorigen Voraus-
setzungen fest, vermöge deren diesmal die Glieder in B allein
in betracht gezogen werden, so wird aus I. und 11.
VI. S — 2BBR^ = BRR^co82(p
Vn rj = BRR^sm2<p,
woraus sich ergibt, dass in der Bildebene die Erleuchtungs-
kurve derjenigen Strahlen, welche in der OeflRnungsebene auf
der Peripherie des Kreises R = const. aufgefallen sind, ein
kleiner Kreis ist vom Radius -B 2i i?*, welcher zweimal durch-
laufen wird, während der Auffallpunkt in der OeflFnungsebene
die Peripherie des Kreises einmal durchläuft. Die zu ver-
schiedenen R, d. h. zu konzentrischen Kreisen als Auffallörtem
in der Oeflftiungsebene gehörigen Erleuchtungskreise sind aber
nicht konzentrisch, sondern ihre Mittelpunkte haben von dem
festen Anfangspunkt der f, nämlich dem idealen Bild des
leuchtenden Punktes, Abstände, welche dem Quadrat von R
proportional und fĂĽr jeden einzelnen unserer Kreise gleich
seinem Durchmesser 2BRR sind. Daraus geht hervor, dass
alle diese Kreise zu gemeinsamen BerĂĽhrenden, als zu Um-
hĂĽllenden, zwei gerade Linien haben, welche durch den An-
fangspunkt der t gehen und mit der Axe der letzteren nach
der einen und der andern Seite Winkel von je 30° (= aresin |),
miteinander also einen Winkel von 60° einschliessen. Das
ganze, von dem leuchtenden Punkt in der Bildebene erhellte
Liehtphantom erhält daher seine Begrenzung auf zwei Seiten
durch diese beiden unter 60° zusammenlaufenden Geraden und
auf der dritten durch ein StĂĽck der Peripherie des letzten
oder zum grössten Wert von R gehörigen unter unseren vor-
her beschriebenen Kreisen, nämlich durch diejenigen | seiner
Peripherie, welche auf der vom Konvergenzpunkt der beiden
Geraden abgewendeten Seite vom BerĂĽhrungspunkt mit der
einen Geraden bis zu demjenigen mit der andern sich erstrecken.
Die beiden Geraden selbst sind nach der einen Seite nicht ĂĽber
420 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 2, JuHi 1898,
diese BerĂĽhrungspunkte mit dem ersten Kreis, nach der andern
nicht über ihren Konvergenzpunkt hinaus zu verlängern. In
der Nähe der beiden umhüllenden Geraden, welche Durch-
schnitte der Bildebene mit der Brennfläche sind, und ganz
besonders in der Gegend ihres Durchschnitts erscheint die
Lichtintensität der auf dieser Seite spitzen und der entgegen-
gesetzten abgerundeten Lichtfigur am grössten.*) Auch der-
jenige Teil des letzten unserer Kreise, welcher nicht zur Be-
grenzung der Figur kontribuirt, sondern ins Innere derselben
fallt, muss aus leicht zu erkennenden GrĂĽnden Ort einer dis-
kontinuirlichen Abschwächung der Helligkeit in der Figur
sein: Je nach dem Vorzeichen, welches die Grösse JB vermöge
der Anordnung des Apparats hat, werden die Spitzen der
durch sie erzeugten Lichtphantome entweder der Mitte des
Gesichtsfeldes oder dem Rande zugekehrt sein. Dabei ist es
interessant, dass derjenige Strahl, welcher von einem ausser
der optischen Axe gelegenen leuchtenden Punkt in der Mitte
der OeflFhungsebene R = o aufTallt, nicht etwa an irgend eine
Stelle im Innern der Lichtfigur gelangt, sondern ganz extrem
an ihre Spitze. Eine Verdeckung des mittleren Teils des
Apparats durch eine kleine kreisrunde Scheibe wĂĽrde das
Lichtphantom der Spitze und der ihr anliegenden hellsten
Partieen berauben und auf dieser Seite eine ähnliche, nach
aussen konvexe Abrundung der Figur durch einen an beiden
Geraden berĂĽhrenden Kreis bedingen, wie die entgegengesetzte
Begrenzung sie darbietet. In diesen Gleichungen VI. und VIL
werden, wie man leicht erkennt, f und >; zu Koordinaten des
BerĂĽhrungspunktes des kleinen Lichtkreises in den beiden um-
*) Für die Gestalt der Brennfläche selbst bildet der hier in Rede
stehende Fall, wo X = 0 ist, den Ausnahmefall, auf dessen Vorhanden-
sein ich in dem Aufsatz der ^.Gelehrten Anzeigen" Nr. 18 hingedeutet
habe, ohne ihn dort näher zu besprechen. (Der Herausgeber hat in der
auf der Anmerkung S. 39G citierten Arbeit diesen Ausnahmefall voll-
ständig diskutiert; vgl. § 3 S. 29 (545), ferner S. 4G (562), S. 52 (568),
S. 58 (574). Der Unterschied der Figuren gegenĂĽber der SeideTschen
Beschreibung des Lichtphantoms rĂĽhrt davon her, dass Seidel die
Grössen C, D^ E vernachlässigt, der Herausgeber dagegen nicht.)
L, V. Seidel: ĂĽeber die Bedingungen ete, 421
hüllenden Geraden dann, wenn 29? = + 120®, also 9? = + 60*^
ist, und zwar gleichzeitig fĂĽr alle Werte von R. Befindet
sich daher der leuchtende Punkt gerade ĂĽber oder auch gerade
unter der optischen Axe, so werden diejenigen Stellen der
OeflFnungsfläche, an welchen die schliesslich durch unsere Ge-
raden passirenden Strahlen auffallen, Positionswinkel von 60°
resp. 120*^ nach der einen oder andern Seite gegen die Verti-
kale haben und man wĂĽrde von dem Lichtphantom seine beiden
Durchschnitte mit der Brennfläche weglöschen, wenn man vor
der Oefihungsfläche zwei sich zentrisch kreuzende, undurch-
sichtige, schmale Streifen so anbringen wĂĽrde, dass ihre Enden
nach vier Spitzen eines auf der Fläche beschriebenen regulären
Sechsecks laufen wĂĽrden, dessen zwei ĂĽbrige Spitzen in dem
vertikalen Durchmeaser der Oefihungsfläche gelegen wären.
Im ĂĽbrigen sind die von den verschiedenen leuchtenden Punkten
herrührenden Lichtphantome alle einander ähnlich und ihre
Dimensionen sind proportional dem Abstand R des leuchten-
den Punktes von der Mitte des Gesichtsfeldes.
3. Wenn neben der Euler 'sehen Bedingung auch die
Fraunhofer 'sehe Bedingung JB = 0 erfüllt ist, so erhält man
unter Beibehaltung aller ĂĽbrigen Glieder dritter Ordnung aus
IV und V:
tj = DB^ R sin 9?.
Die Strahlen, welche in der Oeffnungsebene auf die Peri-
pherie des Kreises R = const. auflallen, bezeichnen also in
der Bildebene eine kleine Ellipse von den Halbaxen C R^ R
und B R^ R (in den gewöhnlichen Fällen, wo beträchtliche
Dicken der Medien nicht in Betracht kommen, ist die erste
oder radiale Axe die grössere), da die verschiedenen von leuch-
tenden Punkten erzeugten Ellipsen konzentrisch, ähnlich und
ähnlich liegend, und ihre Flächeninhalte auch denjenigen der
zugehörigen Kreise in der Oeffnungsebene gleich sind. So
bildet die zum grössten R gehörige unter ihnen den Umriss
des grossen Lichtphantoms und das Innere desselben ist durch-
aus gleichmässig erleuchtet, ohne dass Brennlinien entstehen:
422 SĂĽeung der mathrphys. Glosse vom 2. Juli 1898.
Der im Mittelpunkt der Oeffhungsfläclie auffallende Strahl
R = 0 gelangt dabei in den Mittelpunkt der Ellipse. Auch
alle von verschiedenen leuchtenden Punkten herrĂĽhrenden Licht-
phantome sind einander ähnlich, jedoch wachsen die Dimen-
sionen der sie einschliessenden Ellipsen bei wachsendem Ab-
stand R des leuchtenden Punkts von der Axe und zwar
proportional dem Quadrat desselben, wodurch bedingt wird,
dass sie in nächster Umgebung der Mitte des Gesichtsfeldes
noch sehr klein bleiben, weiter aussen aber sehr rasch zu-
nehmen. Der Umstand, dass in diesem Fall keine Brennfigur
zustande kommt und die Mitte des Lichtphantoms von den in
der Mitte des Gesichtsfeldes auffallenden Strahlen eingenommen
wird, begrĂĽndet an sich sehr wesentliche VorzĂĽge der Fraun-
hofer'sehen Konstruktion, besonders fĂĽr Messinstrumente. Ich
habe an anderem Ort erläutert, dass, wenn man die Unter-
suchung der Lage der Strahlen auch auf Ebenen ausdehnt,
welche unserer Bildebene nur benachbart sind, sich ergibt,
dass die im allgemeinen Fall entstehende Brennfläche, welche
zwei Schalen und an denselben zwei Schneiden zeigt, fĂĽr das
Fraunhofer 'sehe Objektiv sich reduziert auf zwei kurze,
nicht in einer Ebene gelegene, aber auf einander senkrecht
gerichtete gerade Linien, die letzten Reste der im andern Falle
existierenden Schneiden der Fläche. Vermöge des verschiede-
nen Abstandes, welchen beide von der Ebene unseres idealen
Bildes haben, kommt die Erscheinung, welche man jetzt
„Astigmatismus* nennt, mögUchst scharf in der Art zu stände,
dass es zwei verschiedene Einstellungen fĂĽr ein Okular gibt,
bei deren einer der exzentrisch im Gesichtsfeld befindliche
leuchtende Punkt als kurzer radialer, und bei deren andrer er
als kurzer lateraler Strich gesehen wird. Dass ein Apparat,
der die nächste Stufe der Verbesserung über die Euler'sche
Gleichung Ă„ = o hinaus erreicht hat, diese Erscheinung dar-
bieten wird, hat bereits Anfang der sechziger Jahre Petzval
in der damals erschienenen ersten AnkĂĽndigung seiner dioptri-
schen Untersuchungen ausgesprochen.
423
Oeffentliche Sitzung
zur Feier des 139. Stiftungstages
am 15. März 1898.
Der Präsident der Akademie, Herr M. v. Pettenkofer,
eröflFnet die Sitzung mit folgender Ansprache:
Die heutige öffentL'che Festsitzung der k. b. Akademie der
Wissenschaften im Monate März ist jährlich zur Feier ihrer
Stiftung angeordnet und dient zur YerkĂĽndung von Thatsachen,
welche mit dem Stifiaingszwecke zusammenhängen.
Zunächst erwähne ich, dass ein ausländischer, ein grie-
chischer Gelehrter sein ganzes beträchtliches Vermögen unserer
Akademie testamentarisch vermacht hat mit der Bedingung,
wissenschaftliche Arbeiten bayrischer und griechischer Gelehrter
ĂĽber Geschichte, Sprache, Literatur oder Kunst der Griechen
von den ältesten Zeiten bis zur Eroberung Konstantinopels
durch die Türken zu fördern und auszuzeichnen.
Die Schenkung führt den Namen Thereianös-Fond und
beträgt rund 260,000 Mark.
Dionysios Thereianös, am 28. August 1834 auf der
liebreizenden Insel Zante geboren, besuchte als Knabe das Gym-
nasium in Korfu. Zum JĂĽngling herangewachsen siedelte er
mit seinem Vater nach Triest ĂĽber, wo er seit dieser Zeit
ständig gelebt hat. Nachdem er eine Zeit lang als Beamter
einer Versicherungsgesellschaft gearbeitet hatte, trat er im
Jahre 1855 in die Redaktion der damals in Triest erscheinen-
den griechischen Zeitung Imera ein. Sechs Jahre später
gründete er die Zeitung Kliö, die er bald zum vornehmsten
Organ der griechischen Presse erhob. — Im Jahre 1883 liess
er die Kli(5 eingehen, um mehr Zeit fĂĽr seine gelehrten Stu-
424 OeffeMliche Sitzung vom 15. März 1898,
dien zu gewinnen. Doch hatte er auch später noch Gelegen-
heit, seine grosse journalistische Begabung zu bethätigen; er
war bis zu seinem Tode der treueste Mitarbeiter einer neu
gegrĂĽndeten griechischen Zeitschrift, der N^a Ira^ra.
Obschon Thereianös nie eine Universität besuchte, ist er
auf dem Gebiete der Wissenschaft nicht minder thätig gewesen,
als auf dem Felde der Journalistik. Von frĂĽher Jugend an
benützte er die kärgliche Müsse, die ihm seine Berufsthätig-
keit gewährte, zur Erlernung der wichtigsten modernen Sprachen
und zu grĂĽndlichen Studien auf dem Gebiete der altgriechischen,
byzantinischen und neugriechischen Philologie. Die erste wissen-
schaftliche Schrift, mit welcher Thereianös an die OeflFentlich-
keit trat, war eine Untersuchung ĂĽber die homerische Frage
(1866). Zu grösseren Arbeiten fand er erst Zeit als er von
den Redaktionsgeschäften befreit war.
Nun aber folgten rasch mehrere Werke aufeinander. Im
Jahre 1885 veröffentlichte er eine Sammlung verschiedener
Abhandlungen unter dem Titel „Philologische Skizzen". Vier
Jahre später erschien die dreibändige Biographie des Be-
grĂĽnders der neugriechischen Literatur, Adamantios
Korais, ein Werk, das ebenso durch umfassende Kenntnisse
als auch durch scharfes Urtheil ausgezeichnet ist. Im Jahre
1892 veröffentlichte Thereianös einen „Abriss der stoischen
Philosophie*, ein Buch, das in der Fachliteratur nicht minder
als die Biographie des Korais anerkannt wurde, welches Buch
ihm auch eine äussere Ehrung brachte. Die griechische Re-
gierung forderte den Verfasser auf, den Lehrstuhl fĂĽr Geschichte
der Philosophie an der Universität Athen zu übernehmen; doch
hat Thereianös den Ruf abgelehnt. In den letzten Jahren
seines Lebens sammelte er Material fĂĽr zwei Werke, die er
leider nicht vollenden konnte, fĂĽr eine Darstellung der Person
und Thätigkeit des Demosthenes und für eine Untersuchung
ĂĽber diis Wesen des Bilderstreites.
Ausserdem hat Thereianös zahllose kleinere Arbeiten in
den Zeitungen Kliö und Xea Imera veröffentlicht. Durch diese
bescheidenen Zeitungsartikel, in welchen er ĂĽber die bedeu-
V, Pettehkofer: Ansprache. 425
tendsten Erscheinungen auf dem Gebiete der griechischen
Philologie Bericht erstattete, hat er eine unberechenbare,
fruchtbringende Wirkung auf die Bildung seines Volkes aus-
geübt. Seine letztere grössere Publikation war eine sehr ein-
gehende, durch grĂĽndliche Sachkenntniss ausgezeichnete Be-
sprechung der zweiten Auflage der Geschichte der byzan-
tinischen Literatur E. Krumbacher^s, unseres hochverdienten
Kollegen.
Nach kurzer Krankheit starb der unermĂĽdliche edle Mann
am 15. März 1897 — also gerade heute vor einem Jahre, ein
herrliches Zeugniss seiner idealen Gesinnung und seiner tiefen
Einsicht in seinem Testamente niederlegend, das einen wĂĽr-
digen Abschluss dieses der Wahrheit und Wissenschaft gewid-
meten Lebens bildet. Der Thereinös-Pond ist für den Dahin-
geschiedenen ein unvergängliches Denkmal, ein Monumentum
aere perennius.
Aus dem seit 1877 bestehenden Zographos-Fond hat die
k. Akademie auf Anregung der philosophisch-philologischen
Klasse im Jahre 1895 einen Preis von 1500 Mark für „Neue
textkritische Ausgabe der Werke des Historikers Prokop mit
Einschluss der Geheimgeschichte auf Grund der besten Hand-
schriften- ausgesetzt. Eine Bearbeitung mit dem Motto ,Die
Nachwelt hat sich GlĂĽck zu wĂĽnschen etc.^ ist rechtzeitig
eingelaufen. Der Verfasser Dr. Jakob Haury, Gymnasiallehrer
am k. Wilhelmsgymnasium in MĂĽnchen, erhielt den Preis.
Als neue Preisaufgabe mit dem Einlieferungstermin 31. De-
zember 1900 mit einem Preis von 1500 Mark ist gestellt:
9 Abfassung eines Lexikons der byzantinischen Familiennamen
mit einer Untersuchung der historischen Entwicklung ihrer
Form und Bedeutung*.
Aus den Zinsen der MĂĽnchener BĂĽrger-Stiftung und der
Cramer-Klett-Stiftung werden in diesem Jahre zwei wichtige
Forschungen, von der mathematisch-physikalischen Klasse be-
antragt, unterstĂĽtzt werden. Herr Dr. Ernst Weinschenk,
Privatdozent an der Universität, hat in den letzten Jahren
ausgedehnte Untersuchungen über Gesteine und Lagerstätten
426 OeffenUiche Sitzung vom 15. März 1898.
nutzbarer Mineralien in Bayern ausgefĂĽhrt: er wird nun unter
Konservator Groth's Leitung dieselben in benachbarten Gebieten,
im Taunus, in der Monterosagruppe, in den piemontesischen
Alpen und in der Montblancgruppe fortsetzen und Vergleichs-
material sammehi, was unserer geologischen und mineralogischen
Sanunlung zugute konunen wird.
Die Konservatoren von Kupffer und Hertwig beantragten
im Interesse der anatomischen Anstalt und des zoologischen
Instituts, embryologische und systematische Forschungen ĂĽber
bestimmte Meerthiere durchzufĂĽhren, behufs welcher Herr
Dr. Franz Doflein, Assistent des zoologischen Instituts, sich
nach den Antillen, nach Mexiko und Kalifornien begeben wird,
um das nöthige Untersuchungsmaterial aufzusammeln und hieher
zu bringen.
Konservator Göbel beabsichtigt im Interesse des botanischen
Instituts höchst werthvolles Material aus Java und Australien
zu gewinnen und konnte ihm hiefĂĽr ein Beitrag aus Renten
der Akademie in Aussicht gestellt werden.
Das mit der Akademie der Wissenschaften verbundene
Generalkonservatorium der wissenschaftlichen Sanunlungen des
Staates hat auch im abgelaufenen Jahre wieder werthvoUe
Geschenke von Privaten erhalten. Ich habe bereits in meiner
Ansprache gelegentlich der Festsitzung am 15. November 1897
zu Ehren unseres allverehrten Protektors Sr. Königlichen Ho-
heit des Prinz-Regenten Luitpold, des Königreichs Bayern Ver-
weser, hervorgehoben, wie wichtig es sei, dass unsere mathe-
matisch-physikalische Sammlung auch ein historisches Museum
werde, um ein vollständiges und getreues Bild der physikali-
schen Forschungen bayrischer Gelehrter und der Thätigkeit
bayrischer Werkstätten für wissenschaftliche Instrumente zu
liefern. Die Idee dazu ging von Herrn Dr. Ernst Voit, Pro-
fessor der angewandten Physik an der hiesigen Technischen
Hochschule, aus und es gelang, zunächst Herrn Rentier Sigmund
Ritter von Merz anzuregen, das weltberĂĽhmte Original-Spektro-
meter von Fraunhofer, sowie Manuskripte von Fraunhofer's
Abhandlungen und eine Kollektion Fraunhofer -Glasprismen
V. Pettehkofer: Ansprache. 427
grossmĂĽthig zu schenken. Dieses Spektroskop ist das Instru-
ment, welches jĂĽngst auch Gegenstand eines im hiesigen Kunst-
verein viel bewunderten grossen Oelgemäldes von Herrn Pro-
fessor Rudolf Wimmer war, auf welchem dargestellt ist, wie
der junge Fraunhofer seine Erfindung Utzschneider und Reichen-
bach demonstrirt, welche beide wirklich spornstreichs von
MĂĽnchen nach Benediktbeuren geritten waren, um in der
dortigen optischen Anstalt das merkwĂĽrdige Instrument zu
besichtigen, mit dem es gelang, das Licht in seine einzelnen
Theile zu zerlegen.
Dem Beispiele des Herrn von Merz, der bekanntlich ein
Nachfolger Fraunhofer's in der optischen Anstalt geworden,
folgte nun auch ein Urenkel des geheimen Rathes von Utz-
schneider, Herr Adalbert Knorr, Hauptmann a. D. und Rech-
nungsrath im k. Eriegsministerium dahier. Utzschneider war
ia bekanntlich der erfolgreiche Protektor und Mitarbeiter von
Fraunhofer und Reichenbach und ihm hat die bayrische In-
dustrie ĂĽberhaupt in mehreren Richtungen einen wesentlichen
Aufschwung zu danken. Herr Hauptmann Knorr schenkte
aus dem Nachlass seines Urgrossvaters fĂĽr die historische Ab-
theilung der mathematisch-physikalischen Sammlung ein Mikro-
skop von Fraunhofer, eine Camera lucida, zwei Handfemrohre
und einen grösseren Tubus von Fraunhofer, femer eine Me-
daille, Utzschneider zu Ehren geprägt, sowie Porträte von
Utzschneider und Schiegg und schriftliche Aufzeichnungen mit
höchst werthvollen Mittheilungen über ölasfabrikation und
Berechnung von Objektiven.
Frau Stadtbaurath Preisser in Landshut, eine Tochter des
rĂĽhmlich bekannten Mechanikers Liebherr, schenkte aus dem
Nachlass ihres Vaters eine Mappe mit Zeichnungen von Instru-
menten von J. Liebherr, Mahler und Fraunhofer aus den Utz-
schneider-Fraunhofer'schen undUtzschneider-Reichenbach'schen
Instituten, sowie das Porträt von B. Liebherr.
FĂĽr das k. MĂĽnzkabinet schenkten die Herren Kommerzien-
ratli Anton Seidl, Architekt, und Professor Emanuel Seidl und
Ai'chitekt und Professor Gabriel Seidl eine schöne Kollektion
ieU8. SiUnogsb. d. math.-phys. Cl. 28
428 OeffetUlicke SUßung wm 16. Märe 1898,
von altrömisclien Schwermünzen (aes graye), wodurch diese Ab-
theĂĽung des MĂĽnzkabinets mit dem bereits darin Vorhandenen
zu einer hervorragend interessanten geworden ist.
Für die anthropologisch-prähistorische Sammlung schenkte
unser Mitglied Professor Emil Selenka seine grosse Sammlung
von Schädeln yon sogenannten Menschenaffen, 220 Schädel von
Orangutans und 65 Schädel des Gibbon.
FĂĽr das pflanzenphjsiologische Institut, beziehungsweise
fĂĽr das Eiyptogamen-Herbarium, schenkte Herr Dr. Melchior
Treub, Direktor der vereinigten kolländischen wissenschaftlichen
botanischen Anstalten in Buitenzorg auf Java, eine sehr werth-
volle Sammlung von mehr als 500 Exemplaren javanischer
Farne.
Das Wachsthum unserer Staatssammlungen zu sehen ist
sehr erfreulich und wir hoffen auf deren stetiges Fortschreiten,
welches auch von unserer Staatsregierung möglichst unterstützt
wird. FĂĽr die historische Abtheilung der mathematisch-physi-
kalischen Sammlung hoffen wir bald auch die berĂĽhmte Kreis-
theilmaschine von Reichenbach zu erhalten, fĂĽr deren Erwer-
bung das k. Staatsministerium fĂĽr Kirchen- und Schulange-
legenheiten an den zur Zeit tagenden bayrischen Landtag ein
Nachtragspostulat eingebracht hat.
Die verschiedenen Attribute des Generalkonservatoriums
sind zur Zeit in dem sogenannten Wilhelminischen Gebäude
nothdĂĽrftig untergebracht. Das BedĂĽrfniss nach weiteren
Räumen macht sich von Jahr zu Jahr fühlbarer. Insbesondere
bedarf die zoologische Sammlung dringend weiterer Räume,
wenn ein altes Desiderat, die Aufstellung einer bayrischen
Landesfauna und einer zoologischen Lehrsammlung verwirklicht
werden soll.
Schon vor zwei Jahren hatte das G^neralkonservatorium
bei dem vorgesetzten k. Staatsministerium angeregt, es möchten
zu diesem Zwecke der zoologischen Sammlung die an diese
Sammlung anstossenden, dermalen von der mathematisch-physi-
kalischen Sammlung eingenommenen Räume überwiesen und
fĂĽr letztere Sammlung anderweitiger Ersatz geschaffen werden.
V. Pett^kofer: Ansprache. 429
Als im vorigen Jahre das neue Justizgebäude bezogen und da«
durch ein grösserer Theil der bisher von der Justizverwaltung
benützten Räume in dem an der Maxburgstrasse gelegenen
Flügel des Wilhelminischen Gebäudes frei wurde, sah sich das
k. Generalkonservatorium veranlasst, auf diese Frage zurĂĽck-
zukommen.
Darauf ging uns mit Ministerialentschliessung vom 16. Juli
1897 die erfreuliche Mittheilung zu, dass die bisherigen Räume
des Oberlandesgerichts MĂĽnchen im zweiten Stocke des Wil-
helminischen Gebäudes an der Maxburgstrasse nach Ueberein-
kommen der betheiligten k. Staatsministerien dem Kultusmini-
sterium fĂĽr Zwecke der Staatssammlungen unter gewissen
Modalitäten überlassen seien.
Damit war ein erster Schritt zur Verbesserung der da-
maligen unzulänglichen Raumverhältnisse geschehen. Wir ver-
danken dieses dem lebhaften Interesse, welches der Chef der
bayerischen Unterrichtsverwaltung, Seine Excellenz der Herr
Staatsminister Dr. von Landmann unserer Angelegenheit ent-
gegenbringt und ich erfĂĽlle nur eine angenehme Pflicht, wenn
ich heute diesem unserem Danke auch öffentlichen Aus-
druck gebe.
Freilich sind noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt.
Die Ueberlassung der bezeichneten Räume für Zwecke der
Staatssammlungen erfolgte nicht endgiltig, sondern mit dem
Vorbehalte, dass sie an die Justizverwaltung zurĂĽckgegeben
werden sollen, wenn diese sie wieder fĂĽr ihre eigenen Zwecke
benöthiget. Und wenn es anfänglich schien und wir ims gerne
der Hoffnung hingaben, dass wir wenigstens fĂĽr absehbare
Zeit dort Unterkommen finden wĂĽrden, so ist dies neuerdings
wieder zweifelhaft geworden; denn es verlautet, dass die Justiz-
verwaltung möglicher Weise sehr bald und früher, als sie
selbst annahm, in die Lage kommen werde, die fraglichen
Räume wieder für ihre eigenen Bedürfhisse in Anspruch nehmen
zu mĂĽssen.
Aber auch wenn dies sich so verhalten sollte, möchten wir
unsere Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse nicht sinken
28*
43Ö OeffentUche Sitzung vom 15. März 1898.
lassen. Wir vertrauen auf die bewährte Einsicht der k. Staats-
regierung und die ĂĽbrigen betheiligten Faktoren, dass Mittel
und Wege gefunden werden, den BedĂĽrftiissen unserer Samm-
lungen gerecht zu werden.
Das Einfachste wäre, wenn das ganze Wilhelmi-
nische Gebäude den im Geueralkonservatorium ver-
tretenen Staatssammlungen eingeräumt, und wenn
das nicht möglich ist, wenn dann ein den Zwecken des
Generalkonservatoriums entsprechender Neubau auf-
gefĂĽhrt wĂĽrde. Aber dass das eine oder das andere
geschieht, ist eine Lebensfrage der wissenschaftlichen
Staatssammlungen.
An dem heutigen akademischen Festtage ist es auch ĂĽb-
lich, der im Laufe des Jahres verstorbenen Mitglieder zu ge-
denken, worüber die Herren Classensekretäre vortragen werden.
Die historische Classe verlor ein Mitglied, welches auch mit
dem Präsidium und dem Generalkonservatorium in innigster
Beziehung stand. Professor Dr. Max Lossen war auch Sekretär
der Akademie. Ich will dem Berichte des Herrn Classensekretärs
ĂĽber den Historiker Lossen nicht vorgreifen, aber fĂĽhle mich
verpflichtet, meinerseits hervorzuheben, dass der Verstorbene
nicht bloss ein grĂĽndlicher Gelehrter, sondern zugleich auch
ein vorzüglicher Beamter und Geschäftsmann war, der die zahl-
reichen, vielseitigen Beziehungen des Sekretariats treflFlich ge-
ordnet und musterhaft gestaltet hat.
Darauf theilte der Classensekretär, Herr C. v. Voit, die
Verluste mit, welche die mathematisch-physikalische Classe in
dem vergangenen Jahre erlitten hat; es sind ihr durch den
Tod elf Mitglieder entrissen worden, nämlich: zwei einheimische
ordentliche Mitglieder, Ludwig Andreas Buchner und Leon-
hard Sohncke; femer neun auswärtige und correspondirende
Mitglieder: der Mathematiker Francesco Brioschi in Mailand,
die Chemiker Karl Remigius Fresenius in Wiesbaden und
C, Voit: Nekrolog auf Ludwig Andreas Buchner, 431
Victor Meyer in Heidelberg, der Physiologe Rudolf Heiden-
hain in Breslau, die Zoologen Rudolf Leuckart in Leipzig
und Johann Japetus Steenstrup in Kopenhagen, der Botaniker
Julius Y. Sachs in Würzburg, der Paläontologe Edward Cope
in Philadelphia und der Mineraloge Alfred Ludwig Prosper
Descloizeaux in Paris.
Ludwig Andreas Bachner.
Am 23. Oktober 1897 ist das älteste Mitglied unserer
Classe, zugleich der Senior der Gesammtakademie, Ludwig
Andreas Buchner, im hohen Alter von 84 Jahren aus dem
Leben geschieden. Er gehörte seit dem Jahre 1846 der Aka-
demie an und er hat seitdem wohl bei keiner ihrer Sitzungen
gefehlt. Man war so sehr gewohnt, den rĂĽstigen liebens-
würdigen Greis, der uns an eine längst vergangene Zeit der
Akademie, in welcher noch Fuchs, Martins, Steinheil thätig
waren, erinnerte, stets an der gleichen Stelle, aufmerksam den
Verhandlungen folgend, zu sehen, dass wir ihn schmerzlichst
in unserem Kreise vermissen.
Bu ebner hat zahlreiche Untersuchungen auf dem Gebiete
der Chemie und Pharmazie gemacht; seine Arbeiten haben der
Wissenschaft zwar keine neuen Bahnen gewiesen, aber es finden
sich darin viele gute Beobachtungen und werthvolle Thatsachen,
welche das Wissen förderten.
Der Lebensgang Ludwig Andreas Buchner 's war ganz
wesentlich bestimmt durch das Vorbild seines Vaters Johann
Andreas Buchner, des verdienten, ebenfalls unserer Akademie
angehörigen Pharmazeuten; ihm hat der Sohn bei der 16. General-
versammlung des Deutschen Apothekervereins zu MĂĽnchen am
31. August 1887 zur Erinnerung an seinen 104, Geburtstag
pietätvolle Worte gewidmet.
Der Vater Bu ebner, der Sohn einfacher Gärtnersleute
dahier, hatte seine Ausbildung besonders in dem pharmazeu-
tischen Institute des ausgezeichneten Chemikers und Pharma-
kologen Johann Bartholomäus TromsdorflF in Erfurt erhalten,
432 Oeffenüiche SiUung vom 15. März 1898,
war dann Oberapotheker der Centralapotheke des allgemeinen
Krankenhauses dahier geworden, wo der strebsame Mann trotz
seiner vielfachen Amtsgeschäfte — er musste bei den täglichen
Krankenbesuchen der Aerzte zur Aufnahme der Ordination
anwesend sein — die Zeit zu wissenschaftlichen Untersuchungen
erĂĽbrigte. Er hatte sich dadurch, sowie durch die GrĂĽndung
des angesehenen Repertoriums fĂĽr die Pharmazie, welches er
während 36 Jahren redigirte und das geradezu die Geschichte
der Pharmazie während dieses Zeitraums enthält, so tüchtig
erwiesen, dass man ihn nach dem Tode des Professors der
Arzneimittellehre Bertele an der Universität Landshut zum
ausserordentlichen Professor der Pharmazie in der dortigen
medizinischen Fakultät erwählte. In Folge eines Rufes nach
Freiburg im Breisgau wurde er bald ordentlicher Professor der
Pharmazie, nachdem ihn vorher die medizinische Fakultät der
neu gegründeten Universität zu Bonn bei der Feier ihrer ersten
Doktorpromotion zum Doktor der Medizin ernannt hatte. Mit
der Uebersiedlung der Universität von Landshut nach München
kam er hierher, musste sich aber noch längere Zeit kümmer-
lich behelfen, bis ihm endlich ein fĂĽr damals genĂĽgendes
Laboratorium eingeräumt wurde.
Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind mehrere von
Bedeutung geworden. Bei der Untersuchung des Bergöls von
Tegemsee, des sogenannten St. Quirinöls, beschrieb er einen
darin gelösten, in der Kälte sich in festem Zustande abschei-
denden StoflF als Bergfett, welcher Kohlenwasserstoff sich als
identisch mit dem später von ßeichenbach aus demi Theer
gewonnenen, jetzt allbekannten und viel verwendeten Paraffin
erwies. Er hatte ferner aus dem Extrakte der Weidenrinde
einen in nadeiförmigen Kiystallen sich ausscheidenden, intensiv
bitteren Stoff erhalten, den er Salicin nannte; dieses Salicin
ist später von dem italienischen Chemiker Piria in seine zwei
Componenten, in Zucker und in Saligenin, zerlegt und so als
erstes Glied der interessanten Gruppe der Glucoside erkannt
worden ; dem Salicin entstammt die fĂĽr die theoretische Chemie
und durch die praktische Anwendung so wichtig gewordene
C. VoU: Nekrolog auf Ludwig Andrecu Buchner. 483
Salicjlsäure. Auch die Entdeckung des Berberins, eines in
gelben seidenglänzenden Nadeln krystallisirenden Bittei*stoffs,
einer stickstoffhaltigen Pflanzenbase, in der Wurzelrinde und
in dem Holze von Berberis vulgaris oder des Sauerdoms hat
seinen Namen bekannt gemacht.
Buch n er hat durch diese seine Thätigkeit die wissen-
schaftliche Entwicklung der Pharmazie sehr gefordert, so dass
Pettenkofer an seinem Grabe, in Zusammenfassung seines Wirkens,
aussprechen konnte: er habe die Idee verfolgt, das Apotheker-
gewerbe durch strenge Wissenschaftlichkeit in seinen Grund-
lagen zu adeln. Diesem vortrefflichen, bescheiden nur fĂĽr die
Wissenschaft lebenden, fĂĽr seine SchĂĽler liebevoll besorgten
Vater eiferte der Sohn nach; er ward sein bester SchĂĽler,
lernte von ihm den emsigen Fleiss und die Liebe zur Wissen-
schaft, so dass er die von ihm hinterlassene Erbschaft an
der Universität mit vollem Fug und Kecht anzutreten ver-
mochte.
Ludwig Andreas Buchner wurde am 13. Juli 1813 in
MĂĽnchen geboren. In Landshut begann er die Gymnasial-
studien und setzte sie in MĂĽnchen fort, aber nur bis zur
zweiten Gjmnasialklasse, um sich dann der praktischen Phar-
mazie zu widmen; der Entschluss zur wissenschaftlichen und
akademischen Laufbahn erwuchs erst später aus den Erfolgen
seiner Studien. Er machte zunächst eine dreijährige Lehrzeit
bei dem trefflichen Apotheker Bachmann in der Mohren-
Apotheke in NĂĽrnberg durch, verblieb daselbst noch ein halbes
Jahr als Gehilfe und trat dann fĂĽr Vl% Jahre in die Ober-
lin'sche Apotheke in Strassburg im Elsass ein, woselbst er
seine erste wissenschaftliche Arbeit: „Versuche über das Ver-
halten chemischer Stoffe zu Reagentien bei verschiedenen Graden
von VerdĂĽnnung, sowie ĂĽber die Grenzen der Wahrnehmbar-
keit chemischer Reaktionen" zur Lösung einer von dem Verein
studirender Pharmazeuten in MĂĽnchen gegebenen Preisaufgabe
ausfĂĽhrte, welche Arbeit mit dem ersten Preise belohnt wurde.
Von Strassburg aus wanderte er nach Paris, um in der höheren
pharmazeutischen Schule, an welcher damals als Direktor
434 Oeffentliche Sitzung vom 15, März 1898.
Robiquet und als Professor der Chemie Bussy angestellt war,
seine Kenntnisse zu erweitem; der Letztere verwendete ihn,
seine TĂĽchtigkeit erkennend, bald als Privatassistent bei seinen
organisch -chemischen Untersuchungen. Dabei versäumte er
jedoch nicht, die Vorlesungen der beiden berĂĽhmten Chemiker,
von Gay-Lussac, dem Lehrer Liebig's, und von Chevreul, dem
Entdecker der Constitution der Fette, zu hören; öfter erzählte
er später über die durch sie erhaltenen Eindrücke.
Nach der RĂĽckkehr in die Heimath schrieb er sich als
Candidat der Pharmazie an der Universität ein, um die phar-
mazeutische ApprobationsprĂĽfung zu machen; schon nach zwei
Semestern erhielt er, seiner vorzüglichen und längeren Aus-
bildung halber, unter Dispens von den ĂĽbrigen beiden Semestern
die Zulassung zu der PrĂĽfung, welche er mit der Note der
ausgezeichneten Befähigung bestand. Er wurde hierauf Assistent
am pharmazeutischen Institut der Universität bei seinem Vater.
Aber der strebsame Jüngling hatte mittlerweile höhere Ziele
ins Auge gefasst; er benĂĽtzte jede freie Zeit zur Vorbereitung
auf die Maturitätsprüfung, der er sich nach zwei Jahren mit
Erfolg unterzog. Jetzt erst konnte er sich als Candidat der
Philosophie an der Universität immatrikuliren und mit der
Dissertation: „Betrachtungen über die isomerischen Körper
sowie ĂĽber die Ursachen der Isomerie** den Grad eines Doktors
der Philosophie erlangen. Da dazumal die Pharmazie noch
ein Fach der medizinischen Fakultät war, so setzte er das
inzwischen schon begonnene Studium der Medizin fort und
wurde nach Vollendung desselben zum Doktor der gesammten
Medizin promovirt, wozu er eine Dissertation: „Neue chemische
Untersuchung der Angelikawurzel '^ vorgelegt hatte, welche
Wurzel unter dem Namen „Engelwurz* als beliebtes Haus-
mittel in Gebirgsgegenden gebräuchlich ist; er entdeckte darin
eine neue zur Oelsäurereihe gehörige, flüchtige, schön krystal-
lisirende Säure, die Angelikasäure und daneben ein krystal-
lisirbares Harz, das Angelicin. Nun folgte die Habilitation
als Privatdozent fĂĽr physiologische und pathologische Chemie
an der medizinischen Fakultät, wozu er als Probeschrift eine
C. VoU: Nekrolog auf Ludwig Andreas Buchner. 435
Abhandlung: „Dissertatio medico-chemica de aqua salsa Rosen-
heimensi** verfasst hatte.
Bevor er seine Lehrthätigkeit begann, begab er sich, in
Erfüllung eines länger gehegten Wunsches, auf ein Semester
nach Giessen, wo damals Liebig begeisterte SchĂĽler aus allen
Ländern um sich versammelt hatte. Er hielt darauf Vor-
lesungen ĂĽber physiologische und pathologische Chemie, ĂĽber
analytische Chemie fĂĽr Pharmazeuten und leitete die TJebungen
im pharmazeutisch-chemischen Laboratorium. Nachdem er mit
Hilfe eines Staatsstipendiums nochmals Giessen besucht und
die chemischen Laboratorien von Göttingen, Berlin, Leipzig
und Wien gesehen hatte, erhielt er die Anstellung als ausser-
ordentlicher Professor an der medizinischen Fakultät mit dem
Auftrage, die pathologisch-chemischen Untersuchungen an den
drei Kliniken vorzunehmen. Als der Vater starb, konnte kein
besserer an seine Stelle als ordentlicher Professor der Phar-
mazie an der medizinischen Fakultät gewählt werden wie
sein Sohn.
An dieser Stelle wirkte er vierzig Jahre lang in uner-
müdlicher Thätigkeit, lehrend und forschend. Er fasste seine
Aufgabe als Vertreter der Pharmazie an der Universität ernst
auf und seine Schüler, für die er stets väterlich besorgt war,
fĂĽhlten, wie gut er es mit ihnen meinte und dass sein eifrigstes
Bestreben war, ihnen die richtigen Kenntnisse fĂĽr ihren wich-
tigen Beruf beizubringen. Bei seiner grossen GrĂĽndlichkeit,
seinen umfassenden Kenntnissen und Erfahrungen war er ein
guter Lehrer, wie die Anhänglichkeit und Hochachtung be-
zeugt, welche die vielen von ihm ausgebildeten tĂĽchtigen Phar-
mazeuten ihm, dem Vater Buchner, entgegenbrachten. Man
könnte ihm höchstens den Vorwurf machen, zuweilen allzu
nachsichtig gegen seine SchĂĽler gewesen zu sein. Allerdings
hörte man später hie und da sagen, sein Laboratorium wäre
veraltet und entspreche nicht mehr den Fortschritten der Zeit,
aber solche Tadler wussten nicht, wie oft es Buchner frĂĽher
vergebens versucht hat, Mittel fĂĽr Verbesserung des Labora-
toriums und iiir neue Apparate zu bekommen.
436 OeffenUiehe Sitzung vom 16. März 1898.
Ausser seinem Lehramt hatte er als Mitglied des Medizinal-
Comite's an der hiesigen Universität die gerichtlich-chemischen
Untersuchungen zu machen, die er mit unĂĽbertroffener Gewissen-
haftigkeit ausfĂĽhrte und mit ĂĽberzeugender Klarheit yor dem
Schwurgerichte vertrat. Wie ofk hing hierbei von seiner Ge-
schicklichkeit die Entscheidung über Leben und Tod ab; häufig
ist er in das physiologische Institut gekommen, um die er-
haltenen Extrakte durch den Versuch am Thier auf giftige
Stoffe zu prĂĽfen. Auch im Obermedizinal-Ausschusse, wo ihm
die oft recht verwickelten Referate ĂĽber die Verleihung der
Apotheken ĂĽbertragen waren, ĂĽbte er durch seine Unpartei-
lichkeit und Sachkenntniss eine gedeihliche Wirksamkeit aus.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Buchner 's verfolgten
besonders diejenige Richtung in der Chemie, welche man die
medizinisch- pharmazeutische nennen könnte. Es sollen hier
nur einige derselben hervorgehoben werden, um ein Bild seiner
Bedeutung fĂĽr die Chemie zu geben.
Eine seiner ersten Veröffentlichungen war die „sehr gründ-
liche** Untersuchung, wie sie in Liebig's Annalen genannt wird,
ĂĽber die wechselseitige Wirkung des Schwefelwasserstoflfe auf
die Carbonate der Alkalien und alkalischen Erden, sowie ĂĽber
die der Kohlensäure auf Sulf hydrate, welche unsere Kenntnisse
über die sogenannten chemischen Massenwirkungen beträchtlich
erweiterten.
Durch seine Untersuchungen zahlreicher Pflanzen und
Pflanzentheile bereicherte Buchner die organische Chemie mit
einigen neuen interessanten Stoffen.
Von der Entdeckung der Angelikasäure ist vorher schon
die Rede gewesen.
Er war ferner der Erste, welcher die in dem giftigen
Eisenhut enthaltene, an Kalk gebundene Säure, die Akonit-
säure einer genaueren Prüfung unterwarf, wobei er fand, dass
sie zwar dieselbe Zusammensetzung besitze wie die bei der
trockenen Destillation von Aepfelsäure entstehende Fumarsäure
und Maleinsäure, dass sie aber dennoch in ihren Eigenschaften
von diesen Säuren so sehr abweiche, dass man sie als eine
C, VoU: Nekrolog auf Ludwig Andreas Buchner. 437
besondere Säure ansehen müsste. Diese Arbeit Buchner 's
erregte die besondere Aufmerksamkeit von Berzelius, welcher
sie als Anhaltspunkt bei der Untersuchung einer beim Erhitzen
der Citronensäure entstehenden Säure benutzte, wobei er sich
von der Identität dieser Säure mit der Aconitsäure überzeugte.
Aus der Rinde des Faulbaums (Rhamnus Frangula) isoHrte
er einen sehr schönen sublimirbaren Farbstoff, das Rhamno-
xanthin oder Frangulin und später noch einen rothen, dem
Alizarin ähnlichen, ebenfalls sublimirbaren Farbstoff.
Mehrere ätherische Oele und verwandte Stoffe wurden von
ihm und seinen SchĂĽlern genau untersucht und beschrieben,
so dasjenige von Pinus Pumilio Haenke, der sogenannten
Latsche, femer das ätherische Oel aus den Früchten der zu
den Fichten gehörigen Abies Reginae Amaliae, und der Porst-
Campher, welcher aus dem ätherischen Oele von Ledum palustre,
dem zu der Erikagruppe gehörigen Porst herauskrystallisirt.
Von besonderem chemischem und pflanzenphysiologischem
Interesse sind seine Beobachtungen ĂĽber die Bildung der sali-
cyligen Säure in den Blüthen der Spierstaude, der Spiraea
Ulmaria, welche uns das Entstehen mancher aromatischer
Pflanzenstoffe durch Oxydation erklären. Er hat zuerst er-
kannt, dass das ätherische, aromatisch riechende Oel der Blüthen
der Spiräa-Arten identisch mit der, jetzt Salicyl-Aldehyd ge-
nannten, salicyligen Säure ist, welche man auch durch Oxy-
dation des vorher erwähnten Salicins und Saligenins erhalten
kann. Und er that dann durch ĂĽberzeugende Versuche dar,
dass in den Ejiospen der genannten BlĂĽthen eine Salicyl-
verbindung vorkommt, aus welcher durch die oxydirende Wir-
kung der Chromsäure eben so gut das flüchtige Oel der Spiraea
entwickelt werden kann wie durch den Vegetationsprocess.
Von chemischen Verbindungen, welche Buchner zuerst
dargestellt und analysirt hat, sei der Ammoniak-Brechwein-
stein namhaft gemacht, welches Salz dem gewöhnlichen (Kali-)
Brech Weinstein isomorph ist.
Von Bedeutung sind die Abhandlungen über Gährungs-
und Verwesungserscheinungen von im Thierkörper vorkonunen-
438 Oeffenakhe Sitzung vom 15, März 1898.
den organischen Stoffen. AnknĂĽpfend an eine unter seiner
Leitung von Herrn v. Gorup-Besanez unternommene Arbeit
über die Galle, verfolgte Buchner die Veränderungen, welche
das bei der Fäulniss der GciUe aus der Taurocholsäure frei
gewordene schwefelhaltige Taurin bei weiterer Fäulniss erleidet;
er wies nach, dass dieser schöne Körper, welchen man für
einen der unveränderlichsten der organischen Chemie gehalten
hat, zu den gährungsfähigen Stoffen gezählt werden muss, und
ermittelte genau die Bedingungen und die Art seiner Ver-
änderungen unter solchen Verhältnissen. Auch noch zwei
weitere Arten der Gährung, die der im Harn der pflanzen-
fressenden Säugethiere vorkommenden Hippursäure und die des
Glykokolls, welches mit der Benzoesäure ein Component der
Hippursäure ist und auch aus dem Leim durch Zersetzung mit
Säuren dargestellt werden kann, werden in diesen Abhand-
lungen beschrieben. Ueberhaupt bieten diese an neuen That-
sachen reichen Arbeiten einen wichtigen Beitrag zur Kenntniss
eines der wichtigsten Kapitel der organischen Chemie.
Ein nicht zu unterschätzendes Verdienst hat sich weiterhin
Buchner um die Kenntniss einer Anzahl von Mineralwässern
durch sorgfältige Analysen derselben erworben. Er hat das
Brom in der jodhaltigen Adelheidsquelle zu Heilbrunn auf-
gefunden, und das Vorkommen von Jod in anderen Wässern
wie in Sulzbrunn im Kemptener Wald, in Hall in Oberöster-
reich, in Wildegg in der Schweiz nachgewiesen ; auch ermittelte
er die Zusammensetzung unserer oberbayerischen Salzsoolen in
Reichenhall und Rosenheim nach den neueren analytischen
Methoden. Er untersuchte femer das Wasser der Schwefel-
quelle zu Oberdorf im AUgäu und dasjenige der eisenhaltigen
Schwefelquelle zu Neumarkt in der Oberpfalz; in der Abhand-
lung ĂĽber letztere Untersuchung sind interessante Beobach-
tungen ĂĽber die Bildung des kohlensauren Eisenoxyduls und
des Schwefelwasserstoffes in derartigen Quellen mitgetheilt.
Das MĂĽnchener Wasser hat er zwei Male zum Gegenstande
eines eingehenden Studiums gemacht, wobei er in demselben
Jod und Brom nachweisen konnte, indem er sich in sinnreicher
C. VoU: Nekrolog auf Ludwig Andreas Buchner. 439
Weise grösserer Mengen Kesselsteins bediente; es ist dieser
Nachweis von Bedeutung, nachdem wir jetzt durch Baumann^s
glänzende Entdeckung wissen, dass das Jod in dem Jodothyrin
der SchilddrĂĽse zu den normalen Stoffen des thierischen Orga-
nismus gehört und es daher wichtig geworden ist zu erfahren,
auf welchen Wegen es in denselben gelangt.
Bei den gerichtlich -chemischen Untersuchungen hatte er
vielfach Gelegenheit, die Methoden des Nachweises giftiger
Stoffe auszubilden und bemerkenswerthe neue Beobachtungen
für forense Chemie und Medizin zu machen. Es gehören hier-
her seine Abhandlungen ĂĽber Arsenreduktion bei gerichtlich-
chemischen Fällen, über die Arsenik -Ausmittlung, über die
Anwendung der Dialyse zu gerichtlich-chemischer Ausmittlung
der arsenigen Säure, über die Bildung von Schwefel-Ai-senik
in den Leichen mit arseniger Säure Vergifteten, über eine
Vergiftung mit ätzendem Quecksilbersublimat, über Vergiftung
durch ätzende Säuren und deren chemischer Ausmittelung, über
Vergiftungen durch Morphium und deren chemische Ausmitte-
lung, ĂĽber die Beschaffenheit des Blutes nach einer Vergiftung
mit Blausäure.
Es dĂĽrfen femer auch Buchner 's BemĂĽhungen, wissen-
schaftliche Prinzipien fĂĽr die Praxis nutzbar zu machen, nicht
unerwähnt bleiben. Ihnen verdankt man eine Arbeit über
das pyrophosphorsaure Eisenoxydnatron als Arzneimittel und
eine leicht ausfĂĽhrbare Methode eine arsenhaltige Schwefel-
säure von Arsenik zu befreien. Durch seine in den Abhand-
lungen der naturwissenschaftlich -technischen Commission der
Akademie publizirte Arbeit ĂĽber die Bereitung und Anwendung
des Natronwasserglases, worin eine neue sehr praktische Methode
zur Darstellung dieses nĂĽtzlichen Produktes im Grossen be-
schrieben ist, hat Buchner auf den Dank der Technik An-
spruch zu machen, fĂĽr welche er schon in frĂĽheren Jahren
durch seine mit zahlreichen Anmerkungen und Zusätzen ver-
seliene Uebersetzung der drei letzten Bände des grossen Werkes
von Dumas: „Traite de Cliimie appliquee aux arts" ein leb-
haftes Interesse an den Tag gelegt.
440 Oeffefiiliehe Sitzung vom 15. Märe 1898.
Endlich ist der Fortführung des neuen Kepertoriuros fär
Pharmazie, welches er nach dem Tode seines Vaters während
25 Jahren leitete, sowie der Herausgabe seines grossen Com-
mentars zur Pharmacopoea Germanica in zwei Bänden zu
gedenken.
Diese seine Arbeiten sichern ihm wie seinem Vater eine
ehrenvolle Stellung in der Geschichte der Pharmazie.
Buchner hat ein arbeitsreiches, gesegnetes Leben gefĂĽhrt;
in stiller Thätigkeit suchte er innere Befriedigung. Die Er-
fĂĽllung der Pflicht gieng ihm ĂĽber Alles und noch wenige
Tage vor seinem Tode trug er, fast als Sterbender, ein muster-
haftes Gutachten im Obermedizinalausschusse vor; ja er war
getreu bis in den Tod.
KörperUch und geistig rüstig und frisch bis ins hohe
Alter, bewahrte er sich eine jugendliche Heiterkeit und eine
Lebensauffassung, die das Gute in Allem herausfand. Bei einer
Feier, bei welcher sein glückliches Alter gepriesen ward, äusserte
er sich in charakteristischer Weise: alt werden ist nicht schwer,
aber alt werden und jung bleiben, das ist nicht so leicht.
Was wir aber noch besonders an ihm schätzten, das ist,
dass er einer der besten Menschen war, geliebt und verehrt
von Allen, die ihn kannten, wegen seiner Freundlichkeit, seiner
GĂĽte, seiner Milde und seiner Treue. Niemals hat er Jemandem
etwas zu Leide gethan. Darum werden wir auch den guten
Collegen Buchner nicht vergessen und ihm ein ehrendes
Andenken bewahren.
Leonhard Sohncke.^)
Das zweite ordentliche Mitglied, welches die mathematisch-
physikalische Klasse im vergangenen Jahre (am 2. November
1897) durch den Tod verloren hat, ist der Professor der Physik
*) Mit BenĂĽtzung der Nekrologe von S. Finsterwalder (MĂĽnchener
Neueste Nachrichten vom 10. November 1897) und von S. GĂĽnther (Bei-
lage zur Allgemeinen Zeitung vom 4. Dezember 1897).
C. VoĂĽ: Nekrolog auf Leonhard Sdhncke. 441
an der technischen Hochschule, Leonhard Sohncke. Aber
während es sich im ersten Falle um einen hochbetagten Greis
handelte, der sein Tagewerk hienieden vollendet hatte und den
wir ob seines freundlichen Greschickes glĂĽcklich preisen durften,
betrauern wir hier voll Wehmuth einen Collegen, welcher noch
mitten im kräftigsten Schaffen war und von dem die Wissen-
schaft noch so manche Förderung erwarten konnte.
Leonhard Sohncke wurde am 22. Februar des Jahres 1842
als der zweite Sohn des verdienten Professors der Mathematik
an der Universität Halle, Ludwig Adolf Sohncke, geboren.
Es ist ihm frĂĽh der Ernst des Lebens nahe getreten und er
musste sich durch eigene Kraft emporarbeiten, denn bei dem
kärglichen Gehalte war der Vater Sohncke *s genöthiget, den
Lebensunterhalt fĂĽr seine Familie durch literarische Lohnarbeit,
durch TJebersetzungen und dergleichen, zu verdienen. Und als
bald der Vater starb, hinterliess er die Seinen in recht dĂĽrftigen
Verhältnissen.
Aber der, nach dem grossen Mathematiker Leonhard Euler,
Leonhard genannte Sohn wusste durch sein Talent und seinen
Eifer die seiner Ausbildung entgegenstehenden Hindernisse zu
besiegen. Auch ihm diente, wie so Vielen, das schwere Ringen
um das tägliche Brod zum Glücke, indem es ihm die Liebe zur
Arbeit und zur tieferen Erkenntniss lehrte. Nachdem er die
Schulen der Franke'schen Stiftungen besucht und schon im
17. Lebensjahre das Gymnasium absolvirt hatte, bezog er die
Universität seiner Vaterstadt, um sich dem Studium der Mathe-
matik zu widmen, zu welchem er von frĂĽh an, dem Beispiel
des Vaters folgend, eine besondere Neigung hatte.
An der Universität Halle waren seine Lehrer in der Mathe-
matik Eduard Heine, der sich vornehmlich durch seine Arbeiten
ĂĽber die Kugelfunktionen bekannt gemacht hat, und dann der
junge Karl Neumann, der Sohn des BegrĂĽnders der theoretischen
Physik in Deutschland, Franz Neumann in Königsberg, welcher
sich kurz vorher in Halle habilitirt hatte. Sohncke musste
darnach tracliten, sich die Mittel fĂĽr sein Studium und einen
baldigen Verdienst zu verschaffen, wessbalb er sich auf die
442 Oeffentliche Sitzung ĂĽom 15, Mars 1898.
PrĂĽfung fĂĽr das mathematische Lehramt in Mittelschulen vor-
bereitete. Inzwischen half ihm eine Stelle als Hilfsassistent
an der mineralogischen Sammlung der Universität über die
ersten Schwierigkeiten hinweg; noch am Gymnasium hatte er
durch den Einfluss eines treflFbchen Lehrers ein lebhaftes Inter-
esse fĂĽr die so anziehende Krystallographie gewonnen und
nun konnte er an dem Mineralienkabinet seine Kenntnisse der
Mineralien erweitem, was seinen späteren wissenschaftlichen
Arbeiten eine bestimmte Richtung gab und ihnen von grösstem
Nutzen war. Nachdem er im Alter von 20 Jahren die Lehr-
amtsprüfung glänzend bestanden und noch in Halle mit der
mathematischen Dissertation: „de aequatione differentiali seriei
hypergeometricae* promovirt hatte, begab er sich an die Uni-
vei*sität Königsberg, um seine Studien fortzusetzen und das
Probejahr abzuleisten, woselbst er auch nach drei Jahren die
erste Anstellung als Gymnasiallehrer erhielt.
In Königsberg trieb er zuerst noch Mathematik bei Richelot,
bald aber gewann der Physiker Franz Neumann, der so viele
JĂĽnger fĂĽr sein Fach angeregt und begeistert hat, einen solchen
Einfluss auf ihn, dass er sich ganz der theoretischen Physik
zuwandte. Die dortige Schule war damals der Mittelpunkt der
physikalischen Forschung in Deutschland; die bedeutendsten
Mathematiker und Physiker sind aus ihr hervorgegangen. Es
war ein gĂĽnstiges Zusammentreffen, dass Neumann sich in
hervorragender Weise mit der Erforschung der Krystallfonnen
beschäftiget hatte und die Neigung seines Schülers Sohncke
zur Krystallographie förderte.
Anfangs veröffentlichte er noch einige mathematische Ab-
handlungen: über regelmässige Polyeder und über die durch
Umdrehung eines regelmässigen Vierecks um eine Diagonale
entstehenden Gebilde; dann fing er aber an, in einem Winkel
seiner Wohnung mit den bescheidensten Mitteln physikalische
Untersuchungen zu machen, obwohl er an dem Gymnasium
wöchentlich 22 Stunden Unterricht ertheilen musste. So ent-
stand seine erste experimentell-physikalische Arbeit: „über die
Kohäsion des Steinsalzes in krystallographisch verschiedenen
. J-
C Foit; Nekrolog auf Leonhard Sohneke. 443
Richtungen**, mit welcher er sich als Privatdozent fĂĽr Physik
an der Universität habilitirte.
Ein glĂĽcklicher Zufall brachte in seinen Lebenslauf eine
entscheidende Wendung, die ihn ganz der Hochschule zufĂĽhrte.
Gustav Kirchhoff, der geistvolle Physiker an der Heidelberger
Universität, ebenfalls ein Schüler Neumann's, sah bei einem
Besuche in Königsberg den jungen Gelehrten und erkannte
sein Talent. Er empfahl ihn, als durch den Tod Eisenlohr's
die Professur der Physik an der polytechnischen Schule in
Karlsruhe erlediget war. Sohncke erhielt den Ruf und er-
langte dadurch einen weiten, lohnenden Wirkungskreis: er
hatte die grosse Vorlesung ĂĽber Experimentalphysik abzuhalten
sowie die Vorlesung ĂĽber theoretische Physik. Auch kam er
in einen ihm zusagenden Kreis von CoUegen, von denen er
namentlich dem Mineralogen Knop und dem Vertreter der dar-
stellenden Geometrie Chr. Wiener wegen der gleichen wissen-
schaftlichen Interessen näher trat.
Im Verkehr mit diesen beiden entstand sein bedeutendstes
Werk: die Entwickelung einer neuen Theorie der Krystall-
struktur. Es war dies der Anfang einer Reihe werthvoller
Forschungen, durch welche er verschiedene Gebiete der physi-
kalischen Wissenschaft, insbesondere der Krystallographie und
der Optik, durch neue Thatsachen und fruchtbare Theorien
bereichert hat.
Mit der Professur fĂĽr Physik war damals noch die Leitung
des badischen meteorologischen Dienstes verbunden ; diese Nöthi-
gung sich mit Fragen der Meteorologie zu befassen, fĂĽhrten
ihn auf ein anderes Gebiet der Forschung, in dem er besonders
durch eine Theorie der Gewitterelektrizität Bedeutendes leistete.
Bald verliess er Karlsruhe, um einem Rufe an die Uni-
versität Jena zu folgen; er wünschte von den lästigen meteoro-
logischen Geschäften befreit zu werden. In Jena, wo er an-
fangs mit dem Ausbau und der inneren Einrichtung des neuen
physikalischen Instituts beschäftiget war, verlebte er wohl die
glĂĽcklichsten Tage; die freie Auffassung an dieser altberĂĽhmten
schönen Stätte der Wissenschaft und das innige Zusammen-
1898. Sitzungsb. d. math.-phya. GL 29
444 Oeffefitliche Sitzung vom 15. März 1898.
leben mit einer Anzahl gleich gesinnter CoUegen und Freunde
entsprach ganz seinen Neigungen. Es wurde ihm daher, als
er nach wenigen Jahren unter glänzenden Bedingungen an die
aufblĂĽhende hiesige technische Hochschule gerufen wurde, der
Entscheid recht schwer. Er sollte der Nachfolger des vor-
treflFlichen Beetz werden, der die Sammlung und das Labora-
torium musterhaft eingerichtet und geleitet hatte; er entschied
sich fĂĽr MĂĽnchen und es hat dieser Entschluss ihm und der
Hochschule nur zum Besten gereicht. Er hielt die Vorlesung
ĂĽber Experimentalphysik mit steigendem Erfolge, denn er war
ein gewissenhafter Lehrer, der in klarem, ernstem Vortrage,
unterstĂĽtzt durch die richtigen Versuche, sein Bestes gab.
Die Uebungen im Laboratorium, an welchen sich zahlreiche
SchĂĽler betheiligten, waren so eingerichtet, dass Jeder die
Naturerscheinungen genau beobachten und messend verfolgen
lernte. So entfaltete er dahier, allerdings unter fast ĂĽber-
mässiger Anstrengung, eine äusserst gedeihliche Wirksamkeit,
bei der auch die wissenschaftliche Forschung eifrig fortge-
setzt wurde.
Ueberblickt man in dieser Richtung die Leistungen S o h n c k e 's,
sie ist vor Allem die schon erwähnte Abhandlung: „die unbe-
grenzten regelmässigen Punktsysteme als Grundlage einer Theorie
der Krystallstruktur" zu nennen. Schon Viele waren bestrebt,
zu ergründen, wie die schönen regelmässigen Formen der
Krystalle entstehen und warum dieselben in einer bestimmten
Richtung die gleichen, in anderen Richtungen aber andere
Eigenschaften zeigen. Da hatte, neben Delafosse und Franken-
heim, besonders der französische Mineraloge Bravais, an frühere
Anschauungen von Hauy, des BegrĂĽnders der mathematischen
Krystallographie, sich anschliessend, den Gedanken, jene Eigen-
thĂĽmlichkeiten auf eine gitterartige Struktur der krystallisirten
Materie zurĂĽckzufĂĽhren, indem er annahm, dass die Krystalle
aus vielen gleichgeformten und gleichgestellten Bausteinen auf-
gebaut sind; es gelang ihm auch die Uebereinstimmung der
an vollflächigen oder holoedrischen Krystallen beobachteten
Symmetrieverhältuissc mit den möglichen Synmietrieverhält-
C, Voit: Nekrolog auf Leonhard Sohncke. 445
nissen solcher Gitterstrukturen nachzuweisen. Jedoch war er
nicht im Stande, für die halbflächigen oder hemiedrischen
Krystalle, welche als die Hälften der vollflächigen Gestalten
erscheinen, eine solche Gitterstruktur zu finden. Später zeigte
nun Chr. Wiener, der Genosse Sohncke 's, dass man regel-
mässige Punktsysteme herzustellen vermöge, deren Elemente
zwar gleichgeformt, aber nicht gleichgestellt sind; und der
französische Mathematiker Camille Jordan erdachte eine Methode
zur Auffindung aller derartigen Punktsysteme. An diese Vor-
stellungen knĂĽpfte Sohncke an; indem er aus Jordan's Methode
die unmöglichen Fälle ausschied, leitete er aus jener Grund-
vorstellung die möglichen Krystallsysteme streng und voll-
ständig ab, mit Einschluss derer der halbflächigen Krystalle.
Die schöne Theorie, mit allen bekannten morphologischen und
physikalischen Eigenschaften der krystallisirten Körper im Ein-
klang, wirft auf mehrere derselben ein ĂĽberraschendes Licht.
Unserem korrespondirenden Mitgliede Eugraph*v. Fedorow ge-
lang es später, in äusserst einfacher Weise die Hauptstruktur-
fläche auf experimentellem Wege zu bestimmen. Eine Anzahl
weiterer Untersuchungen Sohncke 's beschäftigt sich mit dem
gleichen Thema; immer von Neuem suchte er seine Theorie
der Krystallstruktur mit den Beobachtungen in Einklang zu
bringen, wie z. B. in den Abhandlungen: elementarer Nach-
weis einer Eigenschaft parallepipedischer Punktsysteme, ĂĽber
Spaltungsflächen und natürliche Krystallflächen, und Erweite-
rung der Theorie der Krystallstruktur. Inhaltlich nahe ver-
wandt mit diesen Arbeiten ist die schon angegebene ĂĽber die
Cohäsion des Steinsalzes in krystallographisch verschiedenen
Richtungen, dann die ĂĽber die Aetzfiguren an SteinsalzwĂĽrfeln
und die ĂĽber das Verwitterungsellipsoid rhomboedrischer Kry-
stalle; in der letzteren führte er den Nachweis, dass die Fläche,
welche in einem gegebenen Moment den verwitterten von dem
intakten Theile scheidet, je nach der Natur der betreffenden Sub-
stanz abgeplattete und verlängerte Rotationssphäroidesein können.
Eine zweite Gruppe von Untersuchungen ist optischer
Natur und bezieht sich auf die Erscheinungen der Rotations-
29*
446 Oe ff entliche Sitzung vom 15, JMärz 1898.
Polarisation. In einer ausfĂĽhrlichen Abhandlung wird von
Sohncke die Glimmercombination, durch welche der TĂĽbinger
Physiker Reusch das Drehungsvermögen des Quarzes nach-
geahmt hatte, indem er kĂĽnstliche Krystalle durch Aufeinander-
legen gleichartiger Glimmerplättchen, deren jedes gegen das
obere und untere nächstfolgende um einen gewissen Winkel
gedreht erscheint, herstellte, experimentell und theoretisch
untersucht und hieran der Versuch geknĂĽpft, einen Einblick
in den Zusammenhang des Drehungsvermögens der Krystalle
mit ihrer molekularen Struktur zu gewinnen. Eine weitere
Experimentalarbeit der Art ĂĽber den Einfluss der Temperatur
auf das optische Drehungsvermögen des Quarzes stellt fest,
dass dieses Vermögen nicht, wie man bis dahin annahm, in
geradem, sondern in rascherem Verhältnisse mit der Temperatur
zunimmt. Femer wird durch sehr sinnreiche Versuche in einer
Abhandlung ĂĽber die elektromagnetische Drehung natĂĽrlichen
Lichtes nachgewiesen, dass diese Wirkung, welche man nur
an polarisirtem Lichte kannte, in der That auch bei natĂĽr-
lichem Lichte stattfindet. Hierher gehört auch die Unter-
suchung ĂĽber polarisirte Fluorescenz, ein Beitrag zur kine-
tischen Theorie der festen Körper.
In einer dritten Reihe von ebenfalls optischen Abhjind-
lungen werden die prächtigen Interferenzerscheinungen an
dünnen, insbesondere keilförmigen Blättchen sowie der New-
ton'schen Ringe behandelt, zum Theil im Verein mit seinem
Freunde Wangerin, welcher die theoretische Seite der Aufgabe
bearbeitete, während Sohncke die Beobachtungen und Mes-
sungen mit einem zweckmässig erdachten Apparate ausführte.
Auch diesem schon so vielfach behandelten Gegenstände wurden
bemerkenswerthe neue Resultate abgewonnen und wurde ins-
besondere gezeigt, dass die Ringe Curven doppelter KrĂĽmmung
sind, welche auf einer Kugelfläche dritter Ordnung liegen.
Sohncke hat auch einmal, im Anschluss an die von
Clausius aufgestellte Hypothese, eine Anschauung ĂĽber die Ent-
stehung des Stroms in der galvanischen Kette ausgesprochen,
welche werthvoUe neue Gesichtspunkte in dieser alten, aber
G, Voit: Nekrolog auf Leonhard Sohncke. 447
noch immer nicht endgiltig ausgetragenen Streitfrage liefert. —
Seine letzte in der Julisitzung des vorigen Jahres in der Aka-
demie vorgetragene Arbeit befasst sich mit der Aenderung der
^spezifischen Wärme mit der Temperatur, welche eine Mit-
theilung unseres CoUegen Carl Linde über die Veränderlichkeit
der spezifischen Wärme der Gase veranlasste, die Sohncke
nicht mehr erlebte.
In eine vierte Gruppe endlich gehören seine vorher er-
wähnten werthvollen Studien auf dem Gebiete der Meteorologie,
welche er bis in die letzte Zeit seines Lebens fortsetzte. Es
handelte sich dabei vorzĂĽglich um die elektrischen Erschei-
nungen der Atmosphäre, über welche er seine Ansichten in
einem Schriftchen: „der Ursprung der Gewitter-Elektrizität und
der gewöhnlichen Elektrizität der Atmosphäre, eine meteoro-
logisch-physikalische Untersuchung** zusammenfasste; er schuf
dadurch eine Theorie der atmosphärischen Elektrizität, welche
unter den zahlreichen in diesem schwierigen und räthselvollen
Gebiete bisher aufgestellten Theorien zur Zeit von sehr vielen
Fachleuten als die den thatsächlichen Verhältnissen am meisten
entsprechende anerkannt werden dĂĽrfte und welche jedenfalls
das Verdienst hat, der Forschung eine bestimmte Richtung
gegeben zu haben. Er erblickt die Ursache der Gewitter-
elektrizität in der Reibung der im aufsteigenden Luftstrom
empor gefĂĽhrten Wassertheilchen der Cumulus-Wolken an den
Eisnadeln, aus welchen die hochschwebenden Cirrus- Wolken
bestehen. Dem Ausbruch des Gewitters geht nämlich regel-
mässig eine Erhitzung der unteren Schichten der Atmosphäre,
verbunden mit einer starken Abnahme der Lufttemperatur nach
Oben, voraus, so dass schon in geringer Höhe der Gefrier-
punkt erreicht, ja unterschritten wird. Die Folgen davon sind
Ueber- und Nebeneinanderlagerung von Wasser- und Eiswolken
und deren tumultuarische Mischung durch die plötzlich auf-
steigenden Luftströme, zu deren Entstehung die Wärmeschich-
tung der Atmosphäre den Anlass gibt. Die Reibung zwischen
den Nebeltröpfchen der Wa«serwolken und den Eisnadeln der
Eiswolken ist dann die Quelle der Gewitterelektrizität, Dass
448 Oeffentliche SUzwig vom 15, März 1898.
Eis durch Wasserreibung positiv elektrisch wird, hat bereits
Faraday durch von Sohncke wiederholte Laboratoriumsver-
suche beobachtet. Die Fahrten des auf seinen Antrag mit
UnterstĂĽtzung unserer Akademie gebauten Luftballons ,, Aka-
demie* des hiesigen Vereins fĂĽr Luftschi flffahrt haben, ausser
mannigfachen anderen Bereicherungen unseres Wissens von
der Atmosphäre, seiqe Ansichten über Gewitterelektrizität
gestĂĽtzt.
Gerne lieh er seine Kenntnisse und seine Thatkraft Be-
strebungen , die er fĂĽr nĂĽtzlich hielt. Er war erster Vor-
sitzender und die Seele des genannten Vereins fĂĽr LuftschiflF-
fahrt; auch betheiligte er sich lebhaft an den Aufgaben des
hiesigen Zweigvereins der Deutschen meteorologischen Gesell-
schaft. Sehr tkiitig war er in dem Verein fĂĽr Schulreform,
welcher die Idee der Einheitsschule, des Reformgymnasiums
mit gemeinsamem Unterbau, verficht. Er verstand es auch, in
seltener Weise die Resultate der wissenschaftlichen Forschung
weiteren gebildeten Kreisen durch gemeinverständliche Vorträge
aus dem Gebiete der Physik zugänglich zu machen ; neun dieser
Vorträge sind, in einem Hefte gesammelt, veröffentlicht worden ;
äusserst anziehend ist sein in dem bayerischen Industrie- und
Gewerbeblatt erschienener Vortrag: „aus der Molekülarwelt *
geschrieben. Endlich muss auch des von ihm gestifteten, un-
gemein anregenden Colloquiums gedacht werden, an welchem
alle hiesigen Physiker von Fach sowie die sich fĂĽr die Physik
interessirenden Gelehrten anderer Fächer theilnahmen und wobei
abwechselnd Originalmittheilungen gemacht oder zusammen-
hängende Referate erstattet wurden, woran sich dann ein-
gehende Besprechungen anknĂĽpften.
So stellt sich uns Sohncke als ein höchst feiner und
zuverlässiger Beobachter der molekularen Vorgänge an der
Materie sowie als geistreicher Interpret derselben dar; mit
unablässiger Lust arbeitete er daran, die Erscheinungen der
Natur zu belauschen und beizutragen zu der Erkenntniss des
Baueis der Welt. Sein Name wird in der Wissenschaft stets
ehrend genannt werden.
G. Voit: Nekrolog auf Francesco Brioschi, 449
Die, welche ihn näher kannten, haben ihn als einen der
edelsten, reinsten Menschen von idealer Gesinnung geschätzt
und geliebt. Von ehrenfestem und unbeugsamem Charakter,
verbunden mit einer wahrhaft kindlichen HerzensgĂĽte, war es
ihm stets nur um die Wahrheit zu thun. Er bildete sich in
scharfer PrĂĽfung seine eigene Ansicht und Ueberzeugung ĂĽber
die Dinge und er wich so öfter von der landläufigen Meinung
ab; was er aber fĂĽr Recht hielt, das vertrat er mit der ganzen
Energie seines Wesens. Er war eine demokratisch angelegte,
unabhängige Natur, welche die Menschen nicht nach ihrer
zufalligen, äusserlichen Stellung, sondern nach ihrem inneren
Werthe, der redlichen BenĂĽtzung der ihnen verliehenen Gaben
und der Reinheit der Gesinnung schätzte. Seine Collegen und
Freunde werden seiner als leuchtendes Vorbild der Recht-
schaffenheit dankbarst gedenken.
Francesco Brioschi.^)
Am 13. Dezember 1897 ist zu Mailand der angesehenste
Mathematiker Italiens und Präsident der R. Accademia dei
Lincei, Francesco Brioschi, im 73. Lebensjahre gestorben.
Er war der FĂĽhrer in der mathematischen Wissenschaft in
seinem Vaterlande und er hat dieselbe durch seine Arbeiten,
namentlich auf dem Gebiete der Algebra und der Funktionen-
theorie, zu einer hohen Stufe erhoben.
Geboren am 22. Dezember 1824 in Mailand, studirte er
an der Universität zu Pavia, wo er sigh alsbald mit Vorliebe
der Mathematik zuwandte. Er erwarb sich, vor Allem durch
das Studium der grossen französischen Mathematiker, ein um-
fangreiches Wissen auf allen mathematischen Gebieten, wodurch
er später in den Stand gesetzt war, mit seltener Ausdauer und
Vielseitigkeit^ in die wichtigsten Theile der mathematischen
Forschung einzugreifen.
^) Mit BenĂĽtzunpf des Nekrologs von M. Noether in Erlangen, in
den mathematischen Anualen 1898, S. 477.
450 OeffenÜiche Sitzung vom 15. März 1898.
Nach seiner Lemzeit war er zuerst während 9 Jaliren an
der Universität Pavia als Professor der angewandten Mathe-
matik thätig. Aber sein lebhafter, auf das Allgemeine ge-
richteter Geist suchte ausser seiner Fachwissenschaft eine
weitere Wirksamkeit in der Hebung des Unterrichtswesens und
der Förderung der Wissenschaften in Italien. So gründete
und organisirte er im Auftrage der Regierung das Mailänder
Istituto Teenico Superiore, an dem er bis zu seinem Lebens-
ende die Professur fĂĽr Hydraulik inne hatte und das er als
Direktor in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung zu
einer Musteranstalt erhob. Nach der Einigung seines Vater-
landes war er Senator des Königreichs und übte als solcher
einen ungemein nĂĽtzlichen Einfluss auf den verschiedensten
Gebieten des Staates aus: er betheiligte sich eifrig bei allerlei
praktischen Bestrebungen, förderte das Eisenbahnwesen, liefei*te
eine umfangieiche Arbeit ĂĽber die Tiber ĂĽberschwemnmngen,
war als Mitglied des Schulrathes im Unterrichtsministerium fĂĽr
die Schulen thätig, besonders aber erwarb er sich als Präsident
der K. Accademia dei Lincei um dieses Institut und um alle
Wissenschaften in Italien die grössten Verdienste. So ver-
dankt man ihm zum Beispiel die grossartig angelegte Publi-
kation des Codice Atlantico des in den KĂĽnsten sowie in der
Technik und Jils Schriftsteller in Mathematik und Physik her-
vorragenden Lionardo da Vinci, welches Unternehmen fĂĽr die
Naturwissenschaften, die Mathematik und die Technik von hoher
Bedeutung zu werden verspricht; durch die Uebernahme und
Leitung der von Tortolini gegrĂĽndeten Annali di Matematica
gab er der italienischen mathematischen Forschung ein ange-
sehenes, auf die Entwicklung der mathematischen Studien in
Italien einflussreiches Organ, und er erzog eine den «inderen
Ländern ebenbürtige mathematische Schule, welcher Männer
wie Beltrami, Casorati und Cremona angehören. .
Bei seinen ersten mathematischen Veröffentlichungen war
Brioschi vorzĂĽglich noch bestrebt, der italienischen Wissen-
schaft die Fortschritte in der Mathematik und die sie be-
wegenden Ideen zugänglich zu machen. Aber daraus entfaltete
C, VoU: Nekrolog auf Francesco Brioschi. 451
sich allmählich seine eigenartige Thätigkeit als Forscher, der
die in der Mathematik aufkeimenden Gedanken Anderer rasch
erfasste, durch klare Aufdeckung ihres Wesens zugänglich
machte und dadurch zu deren weiterer Entwicklung, nament-
lich durch sein Bestreben, die Rechnungen und die Formeln
möglichst zu vereinfachen, ganz wesentlich beitrug.
Anfangs bewegten sich seine Arbeiten auf verschiedenen
analytischen Gebieten. Dann beschäftigte er sich mit den
Methoden der Determinanten- und Invarianten-Theorie, deren
er sich in vollendeter Weise zur Lösung von allerlei Problemen
bediente; es war hauptsächlich die Frage nach gewissen Dif-
ferentialgleichungen für die Invarianten zunächst binärer, dann
«allgemeiner Formen, im Anschluss an die grundlegenden Unter-
suchungen von Cayley, Sylvester und Hermite ĂĽber die alge-
braische Formentheorie, zu deren Entwicklung er durch sein
analytisches Talent beitrug; auch verdankt man ihm auf diesem
Gebiete wichtige Erweiterungen der Hemiite'schen Theorie der
associirten Formen, welche Methode Brioschi auch späterhin
noch häufig benützte.
Darnach folgten seine Arbeiten ĂĽber die Theorie der
Gleichungen fĂĽnften Grades im Zusammenhang mit der Trans-
formationstheorie der elliptischen Funktionen, ferner die Theorie
der allgemeinen linearen Differentialgleichungen und endlich
die Theorie der hyperelliptischen Funktionen. In allen diesen
Arbeiten machte er Anwendung von der Theorie der alge-
braischen Formen. Sie gipfelten in seiner höchsten Leistung auf
diesem Gebiete, in seinen Beiträgen zur Theorie der Gleichungen
fĂĽnften Grades und zur Theorie der Jakobi\schen Gleichungen.
Als letzte Frucht seiner Arbeiten ĂĽber die Theorie der
hyperelliptischen Funktionen erwuchs, auf Grund der epoche-
machenden Noten von Hermite und Kronecker ĂĽber die Auf-
lösung der Gleichung sechsten Grades, seine Betheiligung an
der Behandlung einer neuen Lösung der Gleichung sechsten
Grades mittelst hyperelliptischer Funktionen.
Den Arbeiten Brioschi 's ist, neben der Sicherheit des
Eindringens in den Kern der Frage, die Eleganz der Dar-
452 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
Stellung in besonderem Maasse eigen, wie sie nur die voll-
ständige Beherrschung des analytischen und hier insbesondere
des algebraischen Apparates erreichen lässt.
Es wird ihm der bleibende Dank fiir sein nĂĽtzliches
Lebenswerk in seinem Vaterlande und ĂĽberall, wo die mathe-
matische Forschung betrieben wird, gezollt werden.
Earl Remigius Fresenius.^)
Am 11. Juni 1897 ist in Wiesbaden der geheime Hofrath
Karl Remigius Fresenius gestorben, der sich namentlich um
die Ausbildung der analytischen Chemie der anorganischen Ver-
bindungen grosse Verdienste erworben hat.
Am 28. Dezember 1818 zu Frankfurt a. M. geboren, er-
hielt er den ersten Unterricht in der Musterschule zu Frank-
furt, dann im Bender'schen Institut zu Weinheim an der Berg-
strasse und am Gymnasium in Frankfurt. Er widmete sich
anfanglich der Pharmazie, indem er in die Stein'sche Apotheke
in Frankfurt als Lehrling eintrat; gleichzeitig besuchte er
au dem so wohlthätig wirkenden Senckenberg'schen Institut
chemische und physikalische Vorlesungen. Damals machte er
schon seine ersten analytisch-chemischen Versuche in einem
kleinen in dem Gartenhause des väterlichen Anwesens errich-
teten Laboratorium. Dann ging er auf ein Jahr an die Uni-
versität Bonn, woselbst er neben der Pharmazie mit grössteni
Eifer auch Naturwissenschaften studirte; zu dieser Zeit mu.sste
er bereits viele Erfahrungen in der analytischen Chemie ge-
sammelt haben, denn er schrieb dorten zu seiner Uebung die
Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse, welche später
auf den Rath seines Lehrers Marquart, in dessen Privatlabo-
ratorium er arbeitete, im Druck erschien. Dadurch reifte in
ihm der Entschluss, sich ganz der Chemie zu widmen. Du
*) Mit BenĂĽtzung der Nekrologe in den Berichten der Deutschen
ehem. (icsellschaft 1897, Nr. 11, und in der Zeitschrift fĂĽr analytische
Chemie 1^97, Jahrgang 30, Heft 12.
C. VoU: Nekrolog auf Karl Remiffius fVesefiius. 453
war es »elbstverständlich , dass er nach Giessen wanderte,
wo unter Liebig's genialer Leitung von den talentvollsten
iungen Chemikern mit wahrem Bienenfleiss gearbeitet wurde.
Fresenius nahm alsbald den regsten Antheil an den Arbeiten
des Laboratoriums, er wurde zuerst Privatassistent Liebig's und
dann staatlicher Unterrichtsassistent. Zu vielen der damaligen
Schüler trat er in nähere Beziehungen und in engere Freund-
schaft. In Giessen erhielt Fresenius seine letzte Ausbildung
in der analytischen Chemie und die Richtung auf die Anwendung
der Chemie in Landwirthschaft und Technik.
Nachdem er den Doktorgrad erworben hatte, habilitirte
er sich als Privatdozent an der Universität. Bald jedoch er-
hielt er einen Ruf als Professor der Chemie, Physik und Tech-
nologie an dem landwirthschaftlichen Listitut zu Hof-Geisberg
bei Wiesbaden. In dem Wunsche, SchĂĽler in der Chemie aus-
bilden zu können, gründete er daselbst ein eigenes chemisches
Laboratorium, das mit der Zeit grosse Erweiterungen erfuhr
und dessen Direktor und viel gesuchter begeisternder Lehrer
er sein ganzes ferneres Leben ĂĽber blieb.
Aus diesem nun fast ein halbes Jahrhundert bestehenden
Laboratorium sind viele Arbeiten von ihm und seinen SchĂĽlern
hervorgegangen. Es ist namentlich auch eine Lehrstätte für
die wissenschaftlichen chemischen BedĂĽrfnisse der Landwirth-
schaft und der Industrie geworden, und die daraus hervor-
gegangenen SchĂĽler haben sich sowohl im Lehramt der Chemie
als auch insbesondere in der Praxis derselben hervorgethan.
Es war in der Anstalt fĂĽr alle Anwendungen der Chemie Sorge
getragen: fĂĽr Ausbildung und Untersuchungen in der Agri-
kulturchemie, in der Chemie der Nahrungsmittel, besonders
der der Weine, der Obstarten etc., in der Pharmazie, im Berg-
bau, und auch in der Hygiene und Bakteriologie.
Im ersten Semester in Giessen erschien die schöne Unter-
suchung von Fresenius ĂĽber die traubensauren Salze; in
Giessen ermittelte er ferner ein neues, viel angewandtes Ver-
fahren zur Unterscheidung und Trennung des Arsens von
Antimon durch die mit dem Marsh'schen Apparat erhaltenen
454 OeffetUliche Sitzung vom 15. März 1898,
Metallspiegel. Die in Gemeinschaft mit Will ausgearbeiteten
neuen Versuchsweisen zur PrĂĽfung der Pottasche und Soda,
der Aschen, der Säuren und des Braunsteins haben in der
Technik allgemeine Anwendung gefunden; mit Haidien ver-
öffentlichte er eine Abhandlung über die Anwendung des Cyan-
kaliums in der chemischen Analyse, mit Babo ĂĽber ein neues
Verfahren zur Ausmittelung und quantitativen Bestimnmng des
Arsens bei Vergiffcungsfällen und mit Will über die unorga-
nischen Bestandtheile der Pflanzen. Weiter rĂĽhren von ihm
viele sorgfaltige Analysen von Mineralwässern, namentlich aus
dem Herzogthum Nassau, her, ebenso Untersuchungen der nas-
sauischen Thone und der wichtigsten nassauischen Kalksteine.
Von Nutzen war sein Lehrbuch der Chemie fĂĽr Land-
wirthe, Forstmänner und Kameralisten. Besonders aber muss
hervorgehoben werden sein zweibändiges Werk: »Anleitung
der qualitativen und quantitativen chemischen Analyse", von
dem die erstere in 16, die letztere in 6 Auflagen erschienen
und in fast alle lebenden Sprachen ĂĽbersetzt worden ist. Nach
dem veralteten Handbuch der analjrtischen Chemie von Rose
war das Werk von Fresenius dasjenige, nach dem die Che-
miker analytisch arbeiteten; es erhielt einen besonderen Werth
dadurch, dass er und seine SchĂĽler die Methoden selbst ge-
prüft hatten. Später hat er dann die Zeitschrift für analy-
tische Chemie gegründet, welche jetzt 36 Jahrgänge umfasst
und in der alle Fortschritte dieses Zweiges der Chemie seit
dieser Zeit verzeichnet sind.
Der Name von Fresenius war dadurch allen Chemikern
bekannt und seine Verdienste allgemein anerkannt. In der
Ueberzeugung, dass die verbesserten analytischen Methoden
zum Fortschritte der Chemie nothwendig sind, hat er durch
seine Arbeiten die Entwicklung der Chemie gefördert.
Viel Gutes hat er auch gewirkt durch sein lebhaftes
Interesse fĂĽr diejenigen Theile der Technik und der Industrie,
auf welche die Chemie von Einfluss ist, sowie durch seine
Antheilnahme an gemeinnützigen Bestrebungen und am öffent-
lichen Leben.
C. Vait: Nekrolog auf Victor Meyer, 455
Victor Meyer. ^)
Durch den am 8. August 1897 erfolgten frĂĽhzeitigen und
plötzlichen Tod des Chemikers Victor Meyer in Heidelberg
hat die Wissenschaft einen Gelehrten verloren, welchen seine
Fachgenossen als einen der talentvollsten und hervorragendsten
Forscher betrachteten, von dem man noch die grössten Leistungen
erwarten durfte. Auf mehreren Gebieten der jetzt so weit
verzweigten Chemie hat er zahlreiche, neue Gesichtspunkte
eröffnende Arbeiten gemacht, durch welche er ganz wesentlich
seit dem Ende der sechziger Jahre zu den Fortschritten dieser
Wissenschaft beigetragen hat.
Victor Meyer wurde am 8. September 1848 zu Berlin
geboren, woselbst sein Vater eine ansehnliche Kattundruckerei
besass. Er erhielt zuerst Privatunterricht und besuchte dann
das Friedrich- Werder'sche Gymnasium seiner Vaterstadt. Er
zeigte zu dieser Zeit zwar ein Interesse fĂĽr die Naturwissen-
schaften, aber als er das Maturitätsexamen gemacht hatte, war
er noch nicht entschlossen, welchem Studium er sich besonders
widmen wollte. Erst nach einem Besuch in Heidelberg, wo
damals Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz wirkten, entschied
er sich fĂĽr die Chemie und die akademische Laufbahn.
An der Universität in Berlin hörte er noch eine chemische
Vorlesung bei A. W. Hofrnann, dann begab er sich nach Heidel-
berg, wo er bei dem Altmeister Bunsen, der bald den Werth
des jungen Mannes erkannte, zu arbeiten begann. Er erwarb
sich daselbst, noch nicht 19 Jahre alt, den Doktorgrad und
wurde hierauf Assistent fĂĽr Mineralwasser- Analyse am Labo-
ratorium Bunsen's. Der Drang, sich in der organischen Chemie
auszubilden, fĂĽhrte ihn in die Gewerbeakademie zu Berlin, an
der damals Ad. Baeyer durch seine glänzenden Arbeiten die
Augen der Chemiker auf sich zog. In dieser Schule entwickelte
*) Mit BenĂĽtzung der Nekrologe von Liebermann in den Berichten
der Deutschen chemischen Gesellschaft 1897, Bd. 2, S. 2157; dann in der
Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1897, 24. August, Nr. 189; und in
Leopoldina 1897, Nr. 8, S. 118.
456 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
er sich rasch; der Umgang niit einer Anzahl talentvoller junger
Forscher, der Einfluss des geistreichen A. W. Hofmann und
der neu begrĂĽndeten chemischen Gesellschaft brachten viel-
fache Anregung.
Nach drei Lemjahren habilitirte er sich als Privatdozent
an der Universität. Und nun begann eine Laufbahn, wie sie
glänzender und ehrenvoller kaum gedacht werden kann.
Der alternde Fehling in Stuttgart suchte eine Hilfskraft
fĂĽr den Unterricht im Laboratorium und fĂĽr die Vorlesung
ĂĽber organische Chemie; Baeyer empfahl Meyer so angelegent-
lich, dass er die Stelle eines Assistenten und Titularprofessors
am Polytechnikum in Stuttgart erhielt. In dieser Zeit vollendete
er mehrere bedeutende Arbeiten, die seinen Ruf als aufstrebende
Kraft begrĂĽndeten. Als Wislicenus dem Rufe nach WĂĽrzburg
folgte, besuchte der bekannte schweizerische Schulrath Kappeier
eine Vorlesung von Meyer und fand alsbald an dem klaren
Vortrag des jungen noch nicht 24jährigen Mannes solches
Gefallen, dass er ihm ohne Bedenken die ordentliche Professur
der Chemie und das Direktorium des chemischen Laboratoriums
am Polytechnikum zu Zürich antrug. Nach 12 jährigem ausser-
ordentlich glĂĽcklichem und fruchtbarem Wirken in ZĂĽrich kam
er für 4 Jahre nach Göttingen, von wo es der Heidelberger
Universität gelang, den berühmten Forscher als Nachfolger
Bunsen's zu gewinnen. An allen diesen Orten hat er muster-
hafte Laboratorien eingerichtet und grosse Schulen der Chemie
geleitet.
Wenn wir einen Ueberblick ĂĽber die wissenschaftliche
Thätigkeit Meyer 's werfen, so ist vor Allem hervorzuheben,
dass diese nur ermöglicht war durch sein umfassendes Wissen
in der Chemie, sein rastloses Schaffen, seine eiserne Thatkrafk,
sein experimentelles Geschick und sein erfinderisches Talent.
Mit zäher Ausdauer, manchmal viele Jahre hindurch, verfolgte
er eine Aufgabe, bis ihm endlich die Lösung derselben gelang.
Er fing seine Karriere mit einigen kleineren Arbeiten an,
welche ĂĽber die Constitution des Chloralhydrats Und des Cam-
phei*s handelten. Dann kam bald eine grössere in Liebig's
C, Voit: Nekrolog auf Victor Meyer. 457
Annalen veröffentlichte Untersuchung über die Stellungsfrage
isomerer Benzolderivate, welche fĂĽr die Theorie der Benzol-
verbindungen von Einfluss geworden ist und schon die ganze
Art und Bedeutung des Autors erkennen lässt. Er zeigte darin
z. B. die Ueberführung der Sulfosäuren in Carbonsäuren, ebenso
des Dibrombenzols in Terephtalsäure, und die richtige Stellung
der Sulfo-, Brom- und Oxy-Benzoesäure.
Noch in Stuttgart entdeckte er die den Salpetrigsäureestern
isomeren Nitroäthane, d. i. die Mononitroderivate der Kohlen-
wasserstoffe der Fettreihe, an denen er merkwĂĽrdige Reaktionen
nachwies. In ZĂĽrich setzte er diese ungemein schwierigen und
auch gefährlichen Untersuchungen eifrig fort; dieselben haben
eine grosse Ausdehnung angenommen und gehören zu den
fruchtbarsten der Experimentalchemie. Den Nitrokörpern reihen
sich die Nitrosokörper und die den letzteren isomeren Isonitroso-
körper an. Dabei zeigte es sich, dass eine grosse Anzahl von
Nitrosoverbindungen eine andere Constitution besitzen, als man
allgemein angenommen hatte, und djiss sich diese nicht nur
durch die Einwirkung von salpetriger Säure auf Wasserstoff-
verbindungen, sondern noch viel leichter durch die Reaktion
von Hydroxylamin auf sauerstoffhaltige Körper, z. B. auf Ketone
und Aldehyde darstellen lassen, wo])ei die wichtigen Ketoxime
und die Aldoxime entstehen, welche später die Grundlage für
die Lehre von der räumlichen Lagerung der Volenzen des
Stickstoff- Atoms geliefert haben. Aus dem Nitroäthan und
dessen Homologen entwickelte er die Nitrolsäuren, die Pseudo-
nitrole und die gemischt aromatisch-fetten Azo Verbindungen.
Darauf folgte eine fast noch glänzendere Entdeckung,
nämlich die des Thiophens. Er hatte bemerkt, dass das aus
Steinkohlentheer dargestellte Benzol bei gewissen Reaktionen
anders sich verhält als dtis aus Benzoesäure; bei weiterer Ver-
folgung der Sache stellte er aus dem schon so vielfach unter-
suchten Steinkohlentheer einen Körper dar, durch den sich ein
weites neues Gebiet, das der Thiophengruppe, der organischen
Chemie erschloss. Es gelang ihm daraus einen ganz ĂĽber-
sehenen, merkwĂĽrdigen, schwefelhaltigen Stoff*, der dem Benzol
458 Oe/fenÜiche Süeung vom 15. Märe 1898.
glich und den er wegen des Schwefelgehaltes Thiophen nannte,
zu isoliren. Seine weiteren Arbeiten ergaben die Constitutions-
beziehungen des Thiophens zu dem Benzol, viele Abkömmlinge,
Homologen, Substitutions-Produkte und Isomeren desselben,
welche er mit den entsprechenden Benzolderivaten verglich.
Er ging nun zu fĂĽr die Chemie wichtigen physikalischen
Problemen ĂĽber.
Die gewöhnlich geübte Methode der Bestimmung der Dampf-
drähte von A. W. Hofinann versagte wegen der Spannung des
Quecksilberdampfes bei einer Temperatur von über 310®; es
war aber nothwendig, bei wesentlich höherer Temperatur die
Bestimmung auszufĂĽhren. Nach Meyer's Methode wird be-
kanntlich eine gewogene Menge der zu untersuchenden Sub-
stanz in einem geschlossenen Räume verdampft und das durch
den Dampf verdrängte gleiche Luftvolum gemessen. Indem
er das Verfahren durch Erfinden neuer Apparate und Oefen
immer mehr verbesserte, kam er zu höheren Temperaturen, zu-
letzt durch Anwendung von Platingefässen zu solchen von
1800° und noch in der letzten Zeit hatte er Aussicht, Gefasse.
zu bekommen, welche bis zu 4000° aushalten. Er hat durch
diese jetzt allgemein gebräuchliche Methode die Pyrochemie
ganz ungemein gefördert.
Durch die Anwendung seiner Methode auf die Gruppe der
halogenen Elemente, welche mit den Metallen salzartige Ver-
bindungen bilden, auf Chlor, Brom, Jod und Fluor, gelang ihm
durch die hohen Temperaturen die Spaltung oder Dissociation
der HalogenmolekĂĽle in ihre Atome. Indem er bei den ver-
schiedensten GlĂĽhtemperaturen Versuche ĂĽber die MolekĂĽlar-
verhältnisse des SauerstofiPs, des Stickstofis, des Schwefels, des
Stickstoflbxyds, der Kohlensäure, der schwefligen Säure, der
Salzsäure, des Zinks, des Quecksilbers, des Schwefelquecksilbers,
der Metallchloride und Bromide, sowie auch der Siede- und
Schmelzpunkte anorganischer Salze anstellte, brachte er die
wichtigsten AufschlĂĽsse ĂĽber die MolekĂĽlarge wich te der Elemente
und ihrer Verbindungen. Ja er gab sich der Hoffnung hin,
da die Gase des Quecksilbers, des Cadmiums, des Zinks und
C. Voit: Nekrolog auf Victor Meyer. 459
des Jods nur aus einem Atom bestehen, durch den Versuch
entscheiden zu können, ob wir mit diesen Atomen schon bis
zu der letzten möglichen Zertheilung der Materie angelangt
sind oder sie in noch einfachere Stoffe zerlegen können.
Zu den chemisch -physikalischen Arbeiten Meyer 's ge-
hören auch die über den zeitlichen Verlauf der Reaktion von
Gasen wie des Jodwasserstoffs, des Knallgases etc.
In Heidelberg glĂĽckte ihm die Darstellung der ersten
Jodoso- und Jodoverbindung , sowie der Jodoniumbasen , in
welchen das Jod die Rolle des Stickstoffs in den Ammonium-
basen spielt. Seine letzte Arbeit war die ĂĽber die diortho-
substituirten Benzoe-Säuren, wobei sich viele Aufschlüsse über
die Stereochemie, sowie das sogenannte Esterificirungs-Gesetz
ergaben.
Erwähnt zu werden verdient noch das mit P. Jacobson
herausgegebene grosse Lehrbuch der organischen Chemie, ein
vorzĂĽgliches Werk, in dem die Kohlenstoffverbindungen ein-
heitlich von grossen Gesichtspunkten aus dargestellt sind.
Meyer liebte es auch, die allgemein wichtigen Resultate
der chemischen Forschung fĂĽr weitere wissenschaftliche Kreise
zusammenzufassen; so hielt er in einer allgemeinen Sitzung
der Naturforscher- Versammlung zu Heidelberg einen Vortrag
ĂĽber die chemischen Probleme der Gegenwart, und zu LĂĽbeck
über Probleme der Atomistik. In einzelnen Aufsätzen suchte
er mit Glück das chemische Wissen gemeinfasslich in schöner
Sprache darzustellen ; auch hat er belletristische Mittheilungen
aus Natur und Wissenschaft nicht verschmäht.
Er war zugleich ein Mann von allgemeiner Bildung, der
die bildenden Künste, sowie die Musik und die schöne Literatur
mit feinem Verständniss erfasste. Durch seine einnehmende
Persönlichkeit, sein liebenswürdiges Wesen und seinen edlen
Charakter hat er sich ĂĽberall Freunde erworben.
In Folge der rastlosen Arbeit zeigten sich schon in ZĂĽrich
zeitweise Erscheinungen der Ueberanstrengung und ErmĂĽdung
der Nerven mit Schlaflosigkeit, besonders gegen Ende des
Semesters, welche sich aber durch Erholung in den Ferien
189S. Sitzungsb. d. math.-pliys. Gl. 30
460 Oe/fentliche Sitzung vom 15. März 1898.
Wieder hoben. Dazu gesellten sich, oflfenbar durch den langen
Aufenthalt in dem öfter bis über 50° warmen Feuerlaboratorium
hervorgerufen, schmerzhafte Muskelrheumatismen und Neuralgien.
Es kamen Stunden äusserster Abspannung und Depression und
in einem solchen Anfalle übermässigen Leidens und von Schwäche
machte der erst 49 Jahre alte edle Mann zum Bedauern aller
Freunde der Naturwissenschaft seinem Leben ein Ende.
Budolf Heidenhain. ^)
Der Physiologe an der Universität Breslau, Rudolf Heiden-
hain, ist am 13. Oktober 1897 nach längerer Krankheit im
64. Lebensjahre gestorben. Er hat die Physiologie durch eine
grosse Anzahl von Thatsachen von immer steigender Bedeutung
bereichert und dadurch auf die Entwicklung dieser Wissen-
schaft einen erheblichen Einfluss ausgeĂĽbt; namentlich hat er
durch seine meisterhaften mikroskopischen Untersuchungen der
lebendigen Drüsenzellen im Zustande der Ruhe und der Thätig-
keit während der Sekretion die Lehre von der Sekretion in
neue Bahnen gelenkt.
Rudolf Heidenhain wurde am 29. Januar 1834 in Marien-
werder in Westpreussen geboren, wo sein Vater, der Sanitäts-
rath Heinrich Heidenhain, ein angesehener Arzt war. Schon
während der Gymnasialjahre trat seine Vorliebe und sein Talent
fĂĽr die Naturwissenschaften hervor, anfangs besonders fĂĽr die
Botanik und fĂĽr die Physik; er sammelte eifrig Pflanzen und
half dem Lehrer der Physik bei seinen Experimenten. Er
bezog darnach die Universität Königsberg, wo er zuerst Natur-
wissenschaften studirte, dann aber zur Medizin ĂĽberging, von
der ihn bald die Physiologie in hohem Maasse interessirte.
Nach zwei Jahren verliess er Königsberg, um nach Halle über-
zusiedeln. Daselbst hörte er ausser dem ungemein praktischen
') Siehe den Nekrolog von Dr. F. Schenk in WĂĽrzburg in Leo-
poldina 1898, Nr. 5, S. 41, und in der MĂĽnchener med. Wochenschrift
1897, Nr. 60.
C. Voit: Nekrolog auf Rudolf Heidenhain, 461
Kliniker Krukenberg, dem ehemaligen Lehrer seines Vaters,
mit Vorliebe die Vorlesungen und Uebungen des trefflichen
Chemikers H. W. Heintz, der auch ein Lehrbuch der Zoo-
chemie herausgegeben hat, und des Physiologen Alfred Wil-
helm Volkmann. In Berlin wurde dann die ärztliche Prüfung
und das Doktorexamen gemacht, wozu er imter der Leitung
von Emil Du Bois-Reymond eine Dissertation ĂĽber die Nerven
und Nervencentralorgane des Froschherzens ausgearbeitet hatte.
Er blieb darnach noch 1^/» Jahre in Berlin, um als Assistent
Du Bois-Reymond's sich weiter in der Physiologie zu unter-
richten, und kehrte hierauf nach Halle zurĂĽck. Hier war er
zunächst Assistent bei dem aus Giessen berufenen Kliniker
Julius Vogel, der sich viele Verdienste um die mikroskopische
und chemische Untersuchung am Krankenbette erworben hatte;
später arbeitete er, nachdem er sich entschlossen hatte, aus-
schliesslich sich der Physiologie zu widmen, bei dem ausge-
zeichneten Volkmann, von welchem die ersten genaueren Be-
stimmungen der Geschwindigkeit des strömenden Blutes in den
Arterien, Venen und Capillaren, sowie des Blutdrucks bei ver-
schiedenen Thieren herrĂĽhren. Er habilitirte sich zum Ab-
schluss seiner Lemjahre in Halle als Privatdozent fĂĽr Phy-
siologie mit einer Untersuchung: „ disquisitiones criticae et
experimentales de sanguinis quantitate in mammalium corpore
exstantis", wobei er die Menge des Blutes bei verschiedenen
Säugethieren nach der von Welcker kurz vorher angegebenen
colorimetrischen Methode bestimmte; er zeigte dabei, dass das
venöse Blut stärker färbt als das arterielle und dass beim Hunger
die relative Menge des Blutes zum Körper sich nicht ändert.
Als nach dem Abgange von Purkyne nach Prag die Pro-
fessur fĂĽr Physiologie in Breslau frei geworden war, wurde
der erst 26 jährige, viel versprechende jimge Forscher als
ordentlicher Professor der Physiologie und Histologie und als
Vorstand des ersten von Purkyne gegrĂĽndeten physiologischen
Laboratoriums berufen. Als solcher wirkte er bis an sein
Lebensende. Indem er dorten alsbald eine fruchtbare wissen-
schaftliche Thätigkeit entfaltete und auch eine grössere An-
30*
462 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
zahl von SchĂĽlern ausbildete, denen er durch seine Gewissen-
haftigkeit und seinen Eifer in der Arbeit ein leuchtendes Bei-
spiel war, hat er die in ihn gesetzten Erwartungen in vollstem
Maasse erfĂĽllt.
Die ersten grösseren Untersuchungen Heidenhain 's be-
schäftigten sich mit den Vorgängen im Muskel bei der Con-
traktion, welche er grösstentheils in seiner Schrift: „mechanische
Leistung, Wärmeentwicklung und StolFumsatz bei der Muskel-
thätigkeit** beschrieb. Einige Zeit vorher hatte Helmholtz
gezeigt, dass der ausgeschnittene, länger thätig gewesene
Froschmuskel eine andere chemische Zusammensetzung der
FleischbrĂĽhe besitzt, als der ruhende, und daher die Muskel-
contraktion, wie es das Gesetz von der Erhaltung der Kraft
verlangt, mit einer Zersetzung der Muskelsubstanz verbunden
ist; auch hatte er durch eine feine Methode bei der Con-
traktion eine Erhöhung der Temperatur nachgewiesen. Von
diesen letzteren Erfahrungen ging Heidenhain bei seinen
Versuchen aus, indem er sich die Aufgabe stellte, am Frosch-
muskel zu prüfen, wie sich die Wärmeentwicklxmg im thätigen
Muskel bei verschiedener Arbeitsleistung gestaltet. Zur Mes-
sung der Wärme änderte er das Verfahren von Helmholtz ab,
indem er sich einer den Bewegungen des Muskels genau fol-
genden Thermosäule bediente. Es haben sich dabei bemerkens-
werthe Resultate ergeben, wenn auch Manches in dieser Rich-
tung noch unaufgeklärt blieb. Er vermochte eine Wärme-
entwicklung bei einer einzelnen Zuckung des Muskels darzu-
thun; mit der Hebung schwererer Gewichte oder mit der
Arbeitsleistung des Muskels nahm auch die dabei entwickelte
Wärme zu; wurde der belastete Muskel an der Contraktion
durch Festhalten seiner Enden gehindert, dann wuchs mit der
Spannung ebenfalls die Wärmeentwicklung; entsprechend diesem
Verhalten der Wärme verhielt sich auch der StoflFumsatz im
Muskel, gemessen durch die im Muskel während der Contraktion
gebildete Säuremenge. Dadurch war erkannt worden, dass im
Muskel nicht nur im Momente der Reizung, sondern waihrend
der ganzen VerkĂĽrzung, entsprechend der Spannung, Stofle
C, Voit: Nel'roJog auf Rtidolf Heidenhain. 463
zersetzt werden und lebendige Kraft entsteht, und ferner, dass,
wenn der Muskel grössere Lasten zu heben hat, dann auch in
Folge der grösseren Spannung regulatorisch die Kraftent-
wicklung entsprechend grösser wird.
Es gelang ihm, den Nerven mechanisch durch ein in
häufige Schwingungen versetztes Hämmerchen zu reizen und den
Muskel in Starrkrampf zu versetzen; der von ihm zu diesem
Zwecke construirte Apparat, der Heidenhain'sche Tetano-
motor, ist in allen physiologischen Laboratorien eingebĂĽrgert.
Er hat ferner erwiesen, dass die Muskeln im lebenden
Körper nicht stetig in einem geringen Grade der Contraktion,
in einem Tonus, sich befinden. Er war weiterhin an der Ent-
wicklung des sogenannten Zuckungsgesetzes betheiligt; man
hatte frĂĽher bei Einwirkung des constanten elektrischen Stromes
auf die Muskelnerven die verschiedensten Erfolge erhalten und
trotz der von vielen bedeutenden Forschem, wie Nobili, Volta,
Galvani, Valli, Marianini, Pfaff etc., darauf verwendeten MĂĽhe,
die Ursache davon nicht entdecken können; man kennt jetzt
die Faktoren, von denen der Erfolg abhängig ist, ganz genau,
und Heidenhain hat einen derselben, nämlich die Stärke des
angewendeten elektrischen Stromes, aufgefunden.
Bei Reizung einer vom Muskel entfernten Nervenstelle ist
der Erfolg grösser als bei Reizung einer dem Muskel nahen,
woraus man auf ein lawinenartiges Anschwellen der Erregung
bei der Fortleitung im Nerven schloss; nach Heidenhain 's
Ermittlung handelt es sich aber hierbei nur um die erhöhte
Erregbarkeit an der Schnittstelle des Nerven.
Die Gallensekretion beschäftigte ihn und seine Schüler zu
wiederholten Malen. Es wurde der Druck festgestellt, unter
welchem die Galle abgesondert wird, wobei sich, wie es schon
Ludwig fĂĽr die Speichelabsonderung beobachtet hatte, dieser
Druck grösser erwies als der Blutdruck, so dass es sich hier
nicht um eine einfache Filtration aus dem Blute handeln kann.
Die Reizung des die Leber versorgenden Nervus vagus ĂĽbte
keinen Einfluss auf die Gallenabsonderung aus; auch änderte
sich die Gallenmenge nicht, wenn nach Verletzung einer Stelle
464 Oeff entliche Sitzung vom 15, März 1898.
des verlängerten Markes, bei dem sogenannten Zuckerstich, in
Folge der Einwirkung auf die Leber Zucker im Harn auftritt.
Es reihten sich Untersuchungen über die Körpertemperatur
an, wobei sich ergab, dass das Gehirn wärmer ist als selbst
das Aortenblut.
Wichtige Beiträge hat er zur Lehre von der Innervation
des Herzens und der Blutgefässe geliefert. Bei Reizung des
Nervus vagus am Halse wird nicht nur die Zahl der Herz-
schläge geringer, sondern es nimmt auch die Stärke der Zu-
sammenziehung des Herzens ab und die Erschlaffung wird
grösser; die beiden Wirkimgen, die geringere Zahl der Herz-
schläge und die geringere Stärke der Contraktion, sind unab-
hängig von einander, da bei gewissen Reizungsarten Schwächung
ohne Verlangsamung erfolgen kann. Die Fasern, welche bei
der Reizung den Stillstand des Herzens in Erschlaffung her-
vorrufen, werden dem Nervus vagus vom Nervus accessorius
Willisii beigemischt.
Er stellte mit Ostroumoff fest, dass die in den peripheren
Nervenstämmen verlaufenden, die Blutgefässe verengernden und
erweiternden Nervenfasern eine verschiedene Erregbarkeit be-
sitzen, indem die letzteren durch einzelne schwache Induktions-
schläge, die ersteren durch starke gereizt werden. Von wei-
terem Interesse sind die zum Theil mit Grtitzner angestellten
Versuche über die sogenannten Gefössreflexe: eine ganz leichte
Reizung der sensiblen Nerven eines Hautbezirks, z. B. durch
Streichen oder Anblasen, bewirkt eine Erhöhung des Blut-
druckes in den Arterien durch die Zusammenziehung der
Muskeln innerer Gefasse bei gleichzeitiger Erweiterung der
äusseren Haut- und Muskelgefasse ; durch diese verschieden
starke Innervation der inneren und äusseren Gefassmuskeln
wird die Blutvertheilung und die Wärme im Körper regulirt,
indem in Folge der Erhöhung des Blutdruckes das Blut schneller
und reichlicher durch die erweiterten Hautgefässe strömt und
mehr Wärme nach Aussen unter Abnahme der Bluttemperatur
abgegeben wird.
Unstreitig von der grössten Bedeutung und dem grössten
C, Voit: Nekrolog auf Eudolf HeidenJiain, 465
Umfang sind die Arbeiten Heidenhain's ĂĽber das Zustande-
kommen der Sekretion der DrĂĽsen. Die Verpflichtung, neben
der Physiologie auch die Histologie zu lesen und die mikro-
skopischen Curse abzuhalten, waren wohl Veranlassung, den
Beziehungen zwischen der feineren Struktur und der Funktion
der Organe seine besondere Aufinerksamkeit zu schenken. Er
war, nach dem bahnbrechenden Vorgange von Ludwig, einer
der Ersten, der die noch lebenden Zellen während ihrer Thätig-
keit untersuchte, während die Anatomen früher zumeist nur
die todten Gebilde besichtigt hatten im Glauben, dieselben ver-
hielten sich in ihrer Form ebenso wie die lebendigen. Durch
die mikroskopische Beobachtung der lebendigen DrĂĽsenzellen
hat Heidenhain das Verständniss der so geheimnissvollen
Vorgänge bei der Absonderung des Sekretes um einen guten
Schritt gefördert.
Bei den SpeicheldrĂĽsen unterscheidet man EiweissdrĂĽsen
mit einem dĂĽnnflĂĽssigen schleimfreien Sekret, und Schleim-
drüsen mit einem zähen schleimhaltigen Sekret. Heidenhain
zeigte, dass die DrĂĽsenzellen der beiden Formen verschieden
gestaltet sind und dass die ruhenden Zellen ganz anders be-
schafien sind wie die thätigen, Sekret absondernden Zellen. —
Die Unterkiefer-SpeicheldrĂĽse wird nach Ludwig's Versuchen
von zwei die Absonderung bedingenden Nerven versorgt, die
Reizung des einen Nerven, der Paukensaite des Nervus facialis,
macht Absonderung eines dĂĽnnflĂĽssigen Sekretes unter Erwei-
terung der Blutgefässe der Drüse, die Reizung des anderen
Nerven, des Nervus sympathicus dagegen die eines zähen
Sekretes unter Verengerung der BlutgefUsse. Zugleich mit
dieser verschiedenen chemischen Zusammensetzung des Sekretes
erkannte Heidenhain eine Veränderung in der Form der
Drüsenzellen. Auch ermittelte er, dass der grössere Blutzufluss
bei der Erweiterung der Blutgefässe nicht die Ursache der
Absonderung des Sekretes ist, wie man hätte glauben können,
sondern eine Beeinflussung der DrĂĽsenzellen, da nach Ver-
giftung der letzteren mit Atropin durch Reizung der Pauken-
saite keine Sekretion mehr eintritt, wohl aber noch die Er-
466 Oeffentliche Sitzung vom 15, März 1898,
Weiterung der Blutgefässe. — Bei längerer Reizung der sekre-
torischen Nerven nimmt der Gehalt des Sekretes an festen,
namentlich an organischen Bestandtheilen ab, offenbar, weil
die Erzeugung der organischen Bestandtheile aus anderen eine
längere Zeit in Anspruch nimmt als die Ausscheidung der
schon vorgebildeten Mineralbestandtheile.
In den LabdrĂĽsen des Magens fand er ebenfalls zwei Ai-ten
von Zellen, die von ihm sogenannten Belagzellen und die Haupt-
zellen; in den Schleimdrüsen am Pförtner kommen nur die
letzteren vor. In den Hauptzellen wird der eine bei der Magen-
verdauung wirkende Stoff, das Ferment oder das Pepsin, erzeugt,
in den Belagzellen der andere, die freie Salzsäure. Die Zellen
sind verschieden geformt im Hungerzustande und während der
Sekretion und Verdauung.
Die Zellen der BauchspeicheldrĂĽse bestehen aus zwei un-
gleich gestalteten Hälften, einer Aussen- und einer Innenzone;
bei der Sekretion nimmt die letztere durch Ausstossen des
Sekretes an Volumen ab, während zugleich die erstere sich
verbreitert durch Aufnahme von neuem Material zur Abgabe
an die geschwundene Innenzone. Von Wichtigkeit ist sein
Nachweis, dass das Eiweiss verdauende Ferment des Pankreas-
saftes, das Trypsin, nicht als solches schon in den DrĂĽsenzellen
vorkommt, sondern nur eine noch nicht wirksame Vorstufe
desselben, das Zymogen, da sonst die DrĂĽsenzelle durch das
Ferment verdaut wĂĽrde.
Endlich schlössen sich die glänzenden Untersuchungen
ĂĽber den Bau der Nieren und ĂĽber die Theorie der Harn-
absonderung an mit dem wichtigen Ergebniss, dass in den
Zellen der Hamkanälchen die Ausscheidung der organischen
Hambestandtheile stattfindet, in den Malpighi'schen Bläschen
der Rindensubstanz aber im Wesentlichen nur die Ausscheidung
des Wassers des Harns, Nach Einspritzung der blauen Lösung
von indigoschwefelsaurem Natrium in eine Vene des lebenden
Thieres sieht man die blaue Färbung niemals in den Malpighi'schen
Bläschen, sondern ausschliesslich in den Zellen der gewun-
denen Hamkanälchen; in gleicher Weise verhalten sich die
C. Voit: Nekrolog auf Rudolf Heidetthain, 467
hamsauren Salze, die man, namentlich bei den reichlich Harn-
säure absondernden Reptilien und Vögeln, krystallinisch in den
Zellen der Hamkanälchen abgelagert findet. Die Wasser-
ausscheidung in den Malpighi^schen Bläschen kann nach ihm
nicht ausschliesslich durch Filtration durch den Blutdruck zu
Stande kommen, denn reichliches Wassertrinken steigert die
Harnausscheidung ohne Erhöhung des Blutdruckes, und ein
kurz dauernder Verschluss der Nierenarterie bewirkt einen
länger anwährenden Stillstand der Harnsekretion durch Schädi-
gung der Epithelzellen der Malpighi'schen Bläschen.
Aus diesen seinen Beobachtungen zog Heidenhain den
Schluss, dass die Sekretion der DrĂĽsen nicht ein rein physi-
kalischer Vorgang, bestehend in Filtration und Osmose, wäre,
bei dem die DrĂĽsenzellen als Filter nur passiv betheiligt sind,
sondern dass dieselbe auf einer aktiven Thätigkeit der Drüsen-
zelle beruhe. Als man in den vierziger Jahren begann, die
Lehren der Physik auf die Vorgänge im Thierkörper anzu-
wenden, da war es namentlich Carl Ludwig, der in jĂĽngeren
Jahren in seinem Lehrbuch der Physiologie darzuthun suchte,
dass bei vielen Erscheinungen an der Organisation die Fil-
tration und die Osmose wirksam sind. Diese Erklärungs-
versuche waren für die damalige Zeit von grösster Bedeutung,
indem sie darthaten, dass die Lebenserscheinungen nicht durch
die geheimnissvolle und unerforschbare Lebenskraft, sondern
durch bekannte physikalische und chemische Vorgänge veran-
lasst sind. Es ist wohl richtig, dass man anfangs glaubte,
dadurch weiter in der Erklärung der Sekretion vorgedrungen
zu sein und die grössten Schwierigkeiten schon überwunden
zu haben; jedoch hat man nie der lebenden Organisation gar
keine Bedeutung dabei zugeschrieben, wie es jetzt nicht selten
dargestellt wird, wenn man von einer frĂĽheren, rein mecha-
nischen oder rein physikalischen Theorie Ludwigs spricht.
Ludwig fand ja selbst den Absonderungsdruck der DrĂĽsen
grösser als den Blutdruck oder die Temperatur der thätigen
Drüse höher wie des zugeführten arteriellen Blutes, und wenn
er sah, dass die Absonderung des Sekrets nur unter dem
468 OeffentUche Sitzung com 15. März 1898,
Einfluss der Nerven stattfindet, so konnte er doch nicht der
Ansicht sein, die DrĂĽse verhalte sich bei der Absonderung wie
eine trockene todte Membran. Allerdings musste man immer
mehr erkennen, dass die lebende Organisation fĂĽr die physi-
kalischen und chemischen Wirkungen gewisse Bedingungen
stellt, durch welche die letzteren beeinflusst und eigenthĂĽmlich
gestaltet werden; trotzdem mĂĽssen wir die physikalischen und
die chemischen Kräfte der Filtration und Osmose als die
Triebkräfte für die Sekretion ansehen; ist ja doch auch die
jeweilige BeschaflFenheit der todten Membran von entscheiden-
dem Einfluss fĂĽr das Resultat der Filtration und Osmose, ohne
dass wir desshalb sagen, es fanden dabei keine physikalischen
Prozesse statt. Heidenhain hat durch seine Untersuchungen
viel dazu beigetragen, die Bedeutung der lebenden DrĂĽsen-
zellen fĂĽr die Sekretion zu erkennen, und er hat gezeigt,
dass wir von der Erklärung dieser Erscheinungen weiter wie
je entfernt sind. Wir mĂĽssen uns jedoch sorglich davor hĂĽten,
wieder in den glĂĽcklich besiegten, fĂĽr die Forschung so ge-
fährlichen Vitalismus zu verfallen; es muss vielmehr nach wie
vor unser Bestreben sein, zu suchen, welche Bedingungen die
Organisation stellt, dass die physikalischen und chemischen
Kräfte so eigen thümliche Wirkungen haben. — Heidenhain
hat seine durch 20 Jahre lang fortgesetzten Beobachtungen
ĂĽber die DrĂĽsensekretion in L. Hermanns Handbuch der Phy-
siologie zusammengestellt; er war mehr als irgend ein Anderer
dazu befähiget und berufen für das grosse, von einer Anzahl
von Physiologen bearbeitete Werk diese Lehre zu schreiben;
er entledigte sich der schwierigen Aufgabe mit tiefem Ver-
ständniss und der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit, so dass dieser
Theil des verdienstlichen Werkes unstreitig einer der voll-
endeisten ist.
Eine weitere Reihe von Untersuchungen Heidenhains
bezieht sich auf die Vorgänge der Resorption. Auch diese Auf-
nahme der verdauten Nahrungsstoffe aus dem Darm in die
Säfte hat man vielfach als einfache physikalische Prozesse an-
gesehen, die man durch osmotische Versuche, durch Trennung
C. Voit: Nekrolog auf Rudolf Heidenhain. 469
zweier StofiFlösungen durch eine todte Membran, leicht nach-
ahmen könne. J. Bauer und ich haben schon vor 26 Jahren
zuerst bewiesen, dass die Aufnahme von Stofflösungen aus einer
Darmschlinge eines lebenden Thieres nicht durch reine Osmose
wie bei einer todten Membran stattfinden könne; neben Anderem
erschien am schlagensten die Resorption des Blutserums aus
einer Schlinge, ohne dass die Hauptbedingung der Osmose,
die Concentrationsdifierenz, gegeben ist. Niemand hat jedoch
auf diese Versuche geachtet, da sie nicht in die Vorstellungen
der damaligen Zeit passten; erst als Heidenhain ähnliche
WidersprĂĽche der Versuchsresultate mit den Gesetzen der Os-
mose fand, da gewann die Lehre Eingang, wenn man sich
auch nicht erinnerte, wer sie zuerst aufgestellt hat. Ich halte
den Namen „physiologische Triebkraft der lebenden Zellen des
Daraiepithels" als Ursache der Resorption, welche Heidenhain
einfĂĽhrte, fĂĽr einen nicht ganz glĂĽcklichen, weil er nur allzu-
leicht Missverständnissen bei den Jüngeren ausgesetzt ist, welche
darunter eine einheitliche Kraft verstehen werden statt einer
Summe von Vorgängen.
Die letzten grösseren Untersuchungen Heidenhains be-
treffen die Frage nach der Entstehung der Lymphe. Nach
den Versuchen von Ludwig wird durch den Blutdinick plasma-
tische FlĂĽssigkeit dutch die Wandungen der Blutcapillaren in
die Zwischenräume der Gewebe gepresst, von wo sie als Lymphe
in die offenen Anfänge der Lymphgefässe übergeht. Heiden-
hain suchte dagegen darzuthun, dass es sich dabei nicht um
eine einfache Filtration durch eine todte Membran handeln
könne, sondern ebenfalls um eine Wirkung der lebenden En-
dothelzellen der Capillaren. Er hatte nämlich gefunden, dass
die Menge der aus dem Milchbrustgang ausfliessenden Lymphe
nicht proportional dem arteriellen Blutdruck ist; dann dass der
Gehalt der Lymphe an gewissen gelösten StoflFen, z. B. an
Traubenzucker grösser sein kann als der des Blutes; und drittens,
dass es Stoffe gibt, wie z. B. Krebsmuskelextrakt, Blutegel-
extrakt, Pepton etc., welche ohne Aenderung des Blutdrucks
die Lymphmenge sehr steigern, und er meinte, dass diese Stoffe
470 Oeffentliche Sitzung vom 15, März 1898.
als Lymphagoga die Thätigkeit der Endothelzellen anregten.
Es sind von Manchen auf Versuche gestĂĽtzte Einwendungen
dagegen erhoben worden, und es scheint mir, als ob Heiden-
hain hierin nicht ganz im Recht ist. Der Blutdruck ist die
nächste Ursache und die Triebkraft für den Durchgang der
plasmatischen Flüssigkeit durch die Capillargefässmembran ;
iedoch modificiren sicherlich die letzteren das Filtrat, sehen
wir doch, dass bei der Filtration einer eiweiss- und salzhaltigen
FlĂĽssigkeit durch todte Membranen das Filtrat von anderer Zu-
sammensetzung ist als die auf das Filter gegossene FlĂĽssigkeit.
Jedenfalls gebĂĽhrt Heidenhain das Verdienst, die wichtige
Frage wieder angeregt und zu ihrem Entscheid beigetragen
zu haben.
Heidenhain hat auch die vielfach noch räthselhaften
Erscheinungen der Hypnose, welche unter der Behandlung von
Laien so häufig getrübt und falsch aufgefasst werden, wissen-
schaftlich zu erforschen und dem Verständniss näher zu bringen
gesucht. Er gelangte dabei zu dem wichtigen Resultate, dass
bei der Hypnose die Reflexerregbarkeit gesteigert ist in Folge
des Ausfalls der hemmenden Wirkung der Grosshinirinde oder
des Willens; femer, dass das Bewusstsein herabgesetzt ist, und
zwar dadurch, dass die zur HerbeifĂĽhrung der Hypnose ange-
wendeten schwachen Sinnesreize die Thätigkeit der Grosshirn-
rindenzellen aufheben; in diesem Zustande fĂĽhren unbewusste
SinneseindrĂĽcke zu unbewussten Reaktionen. Dem entsprechend
gelang es ihm mit BubnofF, beim Hunde durch schwache Reize
der Grosshimrinde viele Muskelbewegungen zu hemmen.
Heidenhain war ein nĂĽchterner gewissenhafter Forscher
von feiner Beobachtungsgabe, der es sich in unablässigem
Streben angelegen sein liess, neue Thatsachen aufzufinden und
daraus vorsichtig seine SchlĂĽsse zu ziehen. Er ist dadurch
zu einem der verdientesten und angesehensten Physiologen
unserer Zeit geworden.
C, Voit: Nekrolog auf Rudolf LeueJcart. 471
Budolf Leuckart.
Der Nestor der deutschen Zoologen, Rudolf Leuckart,
Professor der Zoologie an der Universität Leipzig, ist am
6. Februar 1898 in seinem 76. Lebensjahre aus dem Leben
geschieden.
Mit ihm ist einer der grossen Männer dahin gegangen,
welche der Zoologie, die frĂĽher im Wesentlichen nur in einer
äusserlichen Beschreibung und Classifikation der Thiere bestand,
neue Ziele gewiesen haben. Ueber ein halbes Jahrhundert
wirkte er als ein in mehreren StĂĽcken bahnbrechender, ganz
hervorragender Forscher mit dem reichsten Erfolge.
Er war ein ächter Gelehrter: voller Begeisterung für seine
Wissenschaft und von unermĂĽdlicher Schaffensfreude.
Rudolf Leuckart wurde am 7. Oktober 1822 in der ehe-
maligen braunschweigischen Universitätsstadt Helmstedt geboren.
Als Knabe erhielt er durch seinen Oheim Friedrich Sigismund
Leuckart, welcher Professor der Zoologie an der Universität
in Freiburg im Breisgau war, die ersten Anregimgen fĂĽr die
Naturwissenschaft und die Medizin. Er studirte an der alt-
berühmten Universität Göttingen und zeichnete sich noch als
ganz junger Student durch einige selbständige Arbeiten, dar-
unter eine preisgekrönte, aus. Er schloss sich besonders an den
Physiologen Rudolf Wagner an, der sich durch seine mikro-
skopischen Beobachtungen und deren Anwendung auf die phy-
siologischen Vorgänge einen bedeutenden Namen gemacht hat
und ein höchst anregender Lehrer war; ihm verdankte Leuckart
die Anleitung zur mikroskopischen Untersuchung der thierischen
Gebilde sowie seine auf die Lebensweise der Thiere gerichtete
Auffassung. Wagner erkannte den Werth des strebsamen JĂĽng-
lings; er machte ihn zu seinem Assistenten am physiologischen
Institute und betraute ihn zugleich mit der Ausarbeitung seines
Lehrbuchs der Zootomie. Im Jahre 1847 fand seine Habilitation
als Privatdozent fĂĽr Zoologie und Physiologie statt; bald wurde
er als ausserordentlicher Professor der Zoologie nach der damals
durch Liebig, Bischoff, Buff, Kopp und Andere in hohem An-
472 Oeffeniliche Sitzung vom 15. Märe 1896.
sehen stehenden Universität Giessen gerufen, woselbst er 1855
zum ordentlichen Professor der Zoologie und vergleichenden
Anatomie von*ĂĽckte. Im Jahre 1870 erfolgte der ehrenvolle
Ruf als Vei*treter der Zoologie und Zootomie an die Universität
Leipzig, an welcher er bis an sein Lebensende als einer der
beliebtesten und ausgezeichnetsten Lehrer und als das Haupt
einer grossen Schule höchst erspriesslich thätig war.
Durch seine gewaltige Arbeit hat er, wie vorher schon
erwähnt, wesentlich dazu beigetragen, der Forschung in der
Zoologie eine neue fruchtbare Richtung zu geben ; Joh. MĂĽller,
Rudolf Wagner und Andere hatten auf die Bedeutung der
allgemeinen Formverhältnisse der Thiere, ihres Lebens, ihrer
Entwicklung, der biologischen Beziehung der einzelnen Classen
derselben fĂĽr die Erkenntniss der Thierwelt aufmerksam ge-
macht und so gegenĂĽber der Systematik die jetzige vergleichend-
morphologische Betrachtungsweise angebahnt. Diesen Weg
betrat Leuckart; er erkannte alsbald klar, dass vor Allem die
niederen Formen der wirbellosen Thiere über jene Verhältnisse
den besten Aufschluss geben, und so widmete er der Durch-
forschung der niederen Thiere vorzugsweise seine Thätigkeit;
auf diesem Gebiete liegen auch seine grössten Verdienste.
Dabei verwendete er als einer der ersten äusserst geschickt
den Versuch am Thier, um ĂĽber die Entwicklung gewisser
Thierformen näheren Aufschluss zu erhalten; auch muss er-
wähnt werden, dass er sich die Methoden und Hilfsmittel zu
diesen Untersuchungen zum grossen Theil erst selbst schaffen
nmsste. Die Wissenschaft verdankt seiner scharfsinnigen Be-
obachtung eine Menge neuer Thatsachen und Erkenntnisse
ĂĽber das Leben, die Entwicklung, Verwandlung und feinere
Struktur vieler niederen Thiere.
Es können hier von den in zahlreichen Monographien,
sowie in akademischen und periodischen Schriften niederge-
legten Arbeiten nur die bedeutungsvollsten hervorgehoben wer-
den, um die Art ihres Autors zu charakterisiren.
Eine seiner ersten Veröffentlichungen waren die mit Frey
herausgegebenen , Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere".
C. Voit: Nekrolog auf Budolf Leuckart. 473
An diese Arbeit schloss sich eine weitere an ĂĽber die Mor-
phologie und die Verwandtschaftsverhältnisse niederer Thiere.
Mit dieser fĂĽr die Systematik und die Morphologie bedeutungs-
vollen Leistung stellte sich der junge 25 jährige Privatdozent
in die erste Reihe der Zoologen. Cuvier hatte in dem von
ihm aufgestellten Thierkreise der Radiata die Stachelhäuter,
die Quallen und die Polypen zusammengefasst; in dem Streben,
die verschiedenen Bildungen nach ihrem inneren Charakter zu
beurtheilen, war es Leuckart aufgefallen, dass unter den
Radiaten Thiergruppen von verschiedenem Bau sich finden; er
stellte in Folge davon einen besonderen Typus der Pflanzen-
thiere unter dem Namen der Coelenteraten , welcher die
Cuvier'schen Classen der Polypen und der Scheibenquallen um-
fasst, zusammen und charakterisirte ihn so scharf und bestimmmt,
dass diese Coelenterarten gegenwärtig von allen Zoologen als
eine natĂĽrlich abgegrenzte Gruppe dem Thiersysteme einver-
leibt wurden.
Andere sinnreiche Auffassungen und Deutungen von ver-
schiedenen bisher unerkannt gebliebenen verwickelten Orga-
nisations-Verhältnissen bei den Siphonophoren oder Schwimm-
polypen, welche er bei seinem wiederholten längeren Aufent-
halte an den MeereskĂĽsten zu studiren Gelegenheit hatte, gaben
ihm in der Schrift ĂĽber den Polymorphismus der Individuen
oder die Erscheinungen der Arbeitstheilung in der Natur (1851),
sowie in den zoologischen Untersuchungen (3 Hefte, 1853 — 54)
Veranlassung, diese höchst complizirten Thierorganismen als
Animalia composita mit Arbeitstheilung aufzufassen und fĂĽr
diese eigenthümliche Lebensthätigkeit solcher höchst zusammen-
gesetzter, frĂĽher fĂĽr Einzelwesen gehaltener Thierkolonien den
Namen Polymorphismus vorzuschlagen, welche Bezeichnung
mit ihrer eigenthĂĽmlichen Bedeutung allgemein angenommen
worden ist.
Es folgten Untersuchungen ĂĽber den feineren Bau der
Schalenhaut der Insekteneier und ihrer Mikropyle, durch welche
die Samenfäden in das Innere des Eies eindringen. Durch
seine Studien ĂĽber den Generationswechsel imd ĂĽber die Ent-
474 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
Wicklung des Eies ohne Befruchtung, die Parthenogenesis, bei den
Insekten, besonders den Bienen, hat er sich mit grossem Erfolge
an der Erweiterung unserer Kenntnisse ĂĽber diese merkwĂĽrdigen
Vorgänge betheiligt. Auch hat er über die Fortpflanzung und
Entwicklung der Pupiparen, die zu den Zweiflüglern gehörigen
Lausfliegen, interessante Untersuchungen angestellt.
Von grösstem Einflüsse waren Leuckart's Resultate,
welche er durch äusserst mühsame und mit seltener Ausdauer
durchgefĂĽhrte Beobachtungen und Experimente ĂĽber die merk-
wĂĽrdigen Wanderungen und damit verbundenen Metamorphosen
der verschiedenen Schmarotzerthiere erhalten hat. Es ist dies
sein fruchtbarstes und eigenstes Arbeitsgebiet gewesen, welches,
bis dahin noch zum grossen Theil in Dunkelheit gehĂĽllt, von
ihm in bewundernswerther Weise aufgehellt worden ist; sein
Name ist dadurch in den weitesten Kreisen bekannt geworden.
In der Abhandlung ĂĽber die BlasenbandwĂĽrmer und ihre
Entwicklung thut er dar, wie die durch die Entleerungen der
Träger auf Düngerhaufen oder auf Pflanzen oder in Wasser
gelangten Eier mit der Nahrung in den Darmkanal von Thieren
kommen, von wo die daraus entstandenen Embryonen durch
die Darmwand in die Blutgefässe und die verschiedenen Organe
wandern, in denen sie zu Blasen, Finnen genannt, auswachsen,
welche ein nothwendiges Entwicklungsstadium darstellen und,
indem sie verzehrt werden, in den Darm eines neuen Thieres
gerathen, um daselbst erst in den Zustand des geschlechts-
reifen Bandwurms überzugehen, — Die berühmten Unter-
suchungen ĂĽber Trichina spiralis ergaben, dass die im Darm
des Menschen und vieler, vornehmlich freischfressender Säuge-
thiere befindliche Brut ebenfalls die Darmwandung derselben
durchsetzt und in die Muskeln einwandert, wo sie zu spiralig
zusammengerollten WĂĽrmchen auswachsen; mit dem Fleische
kommen diese WĂĽrmchen in den Darm eines anderen Warm-
blĂĽters, werden dorten zu Geschlechtstrichinen, welche sich
begatten und neue Brut erzeugen.
Ebenso verdankt man Leuckart die Kenntniss von dem
Bau, der Entwicklungsgeschichte und der Metamorphose der
C. Voit: Nekrolog auf Rudolf Leuckart, 475
Pentostomen oder Zungen wiirmer, sowie der Entwickelungs-
geschichte des Leberegels. In seinen „neuen Beiträgen zur
Kenntniss des Baues und der Lebensgeschichte der Nematoden"
berichtet er über eine Anzahl höchst sonderbarer zu den Faden-
würmern gehörigen Parasiten niederer Thiere.
Sein Lehr- und Handbuch ĂĽber die Parasiten des Menschen
und die von ihnen herrĂĽhrenden Krankheiten, sowie seine all-
gemeine Naturgeschichte der Parasiten sind als Hauptwerke
in dieser Richtung zu betrachten. Es haben gerade diese
hierbei gemachten Entdeckungen nicht allein die zoologische
Wissenschaft im höchsten Grade gefordert, sondern es haben die-
selben auch die fĂĽr die praktische Medizin so wichtige Lehre von
den Parasiten gänzlich umgestaltet und eine bisher ganz dunkel
gebliebene Seite der Gesundheitslehre in das klarste Licht gesetzt.
Ausserdem verdient noch erwähnt zu werden: die mit
C. Bergmann (1 852) bearbeitete anatomisch-physiologische Ueber-
sicht des Thierreiches , ein Werk, welchem bis heute keines
seiner Art folgte; dann der Aiiikel „Zeugung" in Rudolf
Wagner's Handwörterbuch der Physiologie, ein Muster klarer,
auf eine FĂĽlle von Beobachtungen gestĂĽtzter Darstellung; ferner
die fĂĽr das Handbuch der gesammten Augenheilkunde von
Graefe und Sämisch gelieferte vortreffliche Darstellung der
vergleichenden Anatomie des Auges.
Grossen Nutzen haben die von 1848 bis 1879 fĂĽr das
Archiv der Naturgeschichte von ihm bearbeiteten Jahresberichte
ĂĽber die wissenschaftlichen Leistungen in der Naturgeschichte
der niederen Thiere gestiftet; ebenso die mit seinem SchĂĽler
Chun herausgegebene Bibliotheca zoologica.
Die Deutsche zoologische Gesellschaft verliert in ihm ihr
einziges Ehrenmitglied und ihren ersten Vorsitzenden, der wohl
am meisten zum EmporblĂĽhen dieser angesehenen Vereinigung
beigetragen hat.
Der so ĂĽberaus verdiente Forscher mit seinem lebhaften
Geist, seiner anregenden lebensvollen Art, seinem schlichten
freundlichen Wesen wird in der Wissenschaft, sowie in der
Erinnerung bei seinen Freunden und SchĂĽlern fortleben.
1898. Siizangsb. d. math.-phys. CL 31
476 Oeffentliche Sitzung vom 15. Mars 1898.
Johann Japetus Smith Steenstrup.^
In Kopenhagen starb am 20. Juni 1897 im hohen Alter
von 84 Jahren der berĂĽhmte Naturforscher Johann Japetus
Steenstrup, weiland Professor der Zoologie an der Univer-
sität und Direktor des naturhistorischen Museums. Er war
mit Recht einer der angesehensten Gelehrten Dänemarks, der
auf mehreren Gebieten der Naturwissenschaft Hervorragendes
geleistet hat.
Er wurde am 8. März 1813 auf dem Pfarrhofe in Vang
in Nord-Jütland geboren. An der Kopenhagener Universität
bildete er sich in Philosophie, Naturwissenschaft und Medizin
aus. Schon während seiner Studienzeit lenkte er durch seine
Strebsamkeit und seine Kenntnisse die Aufmerksamkeit seiner
Lehrer auf sich, so dass er noch als Studirender den bekannten
Professor Forchhammer auf einer geognostischen Untersuchungs-
reise nach Bömholm begleiten durfte; dann erforschte er (1838)
auf Veranlassung der Rentkammer die Torfmoore in Nord-
JĂĽtland und bereiste 1839 Island zu naturwissenschaftlichen
und geognostischen Zwecken. Nach Beendigung seiner Studien
erhielt er alsbald die Stelle eines Lectors fĂĽr Botanik und
Mineralogie an der Akademie zu Soroe; in Folge seiner her-
vorragenden Arbeit ĂĽber den Generationswechsel wurde er (1845)
als ausserordentlicher Professor der Zoologie an die Universität
nach Kopenhagen berufen; 1848 wurde er zum Direktor des
naturhistorischen Museums und 1850 zum ordentlichen Professor
in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät ernannt;
von 1865 — 1878 war er Sekretär der kgl. dänischen Gesell-
schaft der Wissenschaften. Seit 1885 hat er sich von seinen
Aemtern zurĂĽckgezogen.
Steenstrup war ein ausgezeichneter Beobachter und Er-
forscher der uns umgebenden Natur. Seine Thätigkeit war
eine höchst vielseitige; denn er hat überaus zahlreiche Arbeiten
^) Siehe Leopoldina 1897, Nr. 8, S. 114, und Verhandlun<;jen der
anthropol. Gesellschaft zu Berlin 1897, S. 311.
C Voit: Nekrolog auf Johann Japetus Smith Steenstrup. 477
auf den Gebieten der Zoologie, vergleichenden Anatomie,
Mineralogie, Botanik, Geologie, Paläontologie, Urgeschichte
und Archäologie ausgeführt.
Sein erstes grösseres Werk, das Akademie-Programm vom
Jahre 1842 ĂĽber den Generationswechsel, war geradezu bahn-
brechend und begrĂĽndete seinen Ruhm ; es blieb die Aufstellung
dieses merkwĂĽrdigen Entwickelungsgesetzes auch seine bedeu-
tendste Leistung. Man versteht bekanntlich darunter den ge-
setzmässigen Wechsel einer geschlechtlich entwickelten Gene-
ration mit einer oder mehreren ungeschlechtlich sich fort-
pflanzenden Generationen. Der Dichter Adalbert v. Chamisso
hatte zuerst einen Vorgang der Art bei den Salpen gefunden;
derselbe blieb aber vereinzelt und länger als zwei Dezennien
unbeachtet, bis ihn Steenstrup an einer Reihe von niederen
Thieren, an Medusen, Trematoden und Aphiden erkannte und
einheitlich erfasste. Die Geschlechtsthiere erzeugen dabei Nach-
kommen, welche zeitlebens von ihren Eltern verschieden bleiben,
jedoch ebenfalls fortpflanzungsfähig sind, indem sie auf unge-
schlechtlichem Wege als sogenannte Ammen durch Knospung
oder Keimbildung eine Brut hervorbringen, welche entweder
zu der Form und Organisation der Geschlechtsthiere zurĂĽck-
kehrt oder sich abermals ungeschlechtlich vermehrt und erst
in ihren Nachkommen wieder zu den Geschlechtsthieren fĂĽhrt.
Ausserdem hat er noch auf verschiedenen anderen Zweigen
der Zoologie mit Erfolg gearbeitet. Hierher gehören : weitere
Untersuchungen ĂĽber die Efitwickelung mehrerer Formen niederer
Thiere, die Untersuchungen und Betrachtungen ĂĽber den Herma-
phroditismus, dann die Beobachtungen ĂĽber den Hectocotylus
bei Cephalopoden , worunter man einen mit Spermatophoren
gefüllten Arm versteht, der sich vom männlichen Leibe ganz
abtrennt und den Samen in die Mantelhöhle des Weibchens
überträgt, und ferner den Nachweis, dass die Augen bei den
Flachfischen ursprĂĽnglich symmetrisch angebracht sind und
erst bei der weiteren Entwicklung ihren Platz verändern.
Ln späterer Zeit nahmen vorzüglich Aufgaben der prä-
historischen Archäologie und der Anthropologie sein Interesse
31*
478 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
in Anspruch; er war einer der Ersten, der auf dieses vorher
häufig mehr dilettantenhaffc betriebene Gebiet die strenge
Methode der Natui-wissenschaft anwandte. Er hat in dieser
Weise die dänischen Kjokkenmöddinger oder Küchenabflille
erforscht, besonders am Kattegat befindliche HĂĽgel aus Muschel-
schalen und Thierknochen, welche die Ueberreste der Mahl-
zeiten der Menschen aus der Steinzeit darstellen. Er hat die
Waldmoore von Vidnesdam und Lillemose im nördlichen See-
land ausgegraben und genau geologisch -geognostisch unter-
sucht, und dadurch deren Bedeutung fĂĽr die Entwickelung der
ältesten prähistorischen Flora und Fauna Dänemarks, sowie
fĂĽr das Ei*scheinen des Menschen dargelegt. Ueberall, wo es
galt, die Fragen nach dem ältesten Vorkommen menschlicher
Thätigkeit zu entscheiden, war er persönlich betheiligt; so bei
der archäologischen Untersuchung der nordischen Brakteaten,
alter aus dem 12. — 17. Jahrhundert stammender, nur auf der
einen Seite geprägter Münzen oder bei der Prüfung der Mam-
muthjäger-Station bei Predmost in Mähren, welche er noch in
hohem Alter (1888) aufsuchte. Die reichhaltigen Sammlungen
diluvialer Thierreste im Kopenhagener Museum bilden die Grund-
lage fĂĽr eine genauere Bestimmung der vorhistorischen Thier-
reste. Durch seine Forschungen und dadurch, dass er nicht
mĂĽde wurde, die Arbeiten Anderer auf diesem Gebiete mit
Rath und That zu unterstĂĽtzen, hat er einen grossen Einfluss
auf die Entwickelung dieses jungen Wissenszweiges ausgeĂĽbt.
Julius Sachs. ^)
Mit dem am 29. Mai 1897 in WĂĽrzburg im 65. Lebens-
jahre verstorbenen Botaniker Julius Sachs ist einer der ver-
dientesten Naturforscher dahingegangen. Man kann wohl sagen,
dass er der BegrĂĽnder der experimentellen Pflanzenphysiologie
*) Mit Benützung de8 Nekrologs von Karl Göbel in der Flora,
Ergänzungsband 84 zum Jahrgang 1897, S. 101; dann in Leopoldina 181)7,
Nr. 6, S. 94, und von TIauptfleisch in Wflrzburg in der MĂĽnchener med.
Wochenschrift 1897, Nr. 26, S. 709.
C. VoU: Nekrolog auf Julius Sadis, 479
und längere Zeit der sichere Führer auf diesem schwierigen
Gebiete war. In der That, nach einigen bedeutenden Anfangen,
welche die Experimental-Physiologie der Gewächse im vorigen
Jahrhundert gemacht hatte, war dieselbe fast vollständig zuerst
durch die Systematik, dann durch die Morphologie und seit
den fĂĽnfziger Jahren durch die mikroskopischen Arbeiten der
grossen Botaniker Mohl, Hofhieister, Nägeli und De Bary ver-
drängt worden. Da war es nun vor Allen Sachs, welcher
die chemischen Beobachtungen und das physiologische Experi-
ment wieder aufnahm und mit grösstem Erfolge weiter führte.
So kam es, dass man in der Pflanzenphysiologie erst mit der
Anwendung der neuen durch die Physik und die Chemie ge-
schenkten Hilfsmittel anfing, als in der Thierphysiologie diese
Mittel schon viele FrĂĽchte gezeitigt hatten. Selbst Liebig ist
mit der Anwendung der Chemie auf die stofflichen Vorgänge
im Thierkörper tiefer eingedrungen als in die gleichen Vor-
gänge in den Pflanzen, wo er vorzüglich nur den Kj-eislauf
des Stoffes zwischen den Thieren und den Pflanzen klarer legte
und die Bedeutung der Mineralbestandtheile erkannte. Es darf
uns dies nicht Wunder nehmen, denn diese Verhältnisse sind
in den Pflanzen, bei denen von den einfachsten Nahrungsstoffen
aus ein allmählicher Aufbau zu den complizirtesten Kohlen-
stoff-Verbindungen durch viele Zwischenglieder hindurch statt-
findet, ungleich schwieriger zu erkennen wie bei dem höheren
Thier, wo so Vieles leicht zugänglich ist. Denn man vermag
bei dem letzteren die Vorgänge an den einzelnen Organen zu
verfolgen; wie wenig wĂĽssten wir z. B. ĂĽber die Verdauung
der Nahrungsstoffe, ĂĽber die Zersetzungen der Stoffe im Thier-
körper und deren Produkte, wenn wir nur an den einfachsten
Thierfonnen unsere Beobachtungen machen könnten. Es ist
Sachs geglĂĽckt, diese grossen Schwierigkeiten zum Theil zu
ĂĽberwinden ; er hat den Weg gezeigt, wie man an den Pflanzen
AufschlĂĽsse hierĂĽber zu erhalten vermag und dabei viele neue
Thatsachen aufgefunden und fruchtbare Ideen zu weiterer
Forschung angegeben.
Sachs wurde am 2. Oktober 1832 in Breslau geboren,
480 Oe/fefUliche Sitzung vom 15. März 1898,
wo sein Vater Graveur war, von dem er das kĂĽnstlerische
Talent ererbte und das Zeichnen lernte. Er besuchte das
Gymnasium zu Breslau, musste aber daselbe verlassen, da seine
Eltern frĂĽh starben und er nicht die Mittel zum weiteren
Studium besass; so war er von seinem 15. Lebensjahre an wesent-
lich auf sich allein angewiesen, so dass es ihm recht schwer
wurde, sich den Lebensunterhalt zu verschaffen. Aber gerade
dies war es, was ihn zur Arbeit anspornte. Schon am Gym-
nasium beschäftigte er sich mit den beschreibenden Natur-
wissenschaften, er zerlegte Thiere und sammelte eifrig Pflanzen,
die er mit Hilfe der Flora von Scholz bestimmte. Es war ein
glücklicher Zufall, dass er damals mit den Söhnen des Phy-
siologen Purkyn^ bekannt geworden war; durch diese hatte
der letztere von der Neigung des JĂĽnglings zu der Natur-
wissenschaft sowie von seinem Zeichentalent gehört und bot
ihm bei seiner Berufung nach Prag an, sein Privatassistent zu
werden, wodurch Sachs wenigstens vor der äussersten Noth
bewahrt war. Er behielt diese Stelle, in der er fast nur zu
zeichnen hatte, sechs Jahre lang; der Umgang mit Purkyne
hat jedoch gewiss auch belehrend und anregend auf ihn ein-
gewirkt. Dieser hervorragende Physiologe hat sich um die
mikroskopische Anatomie und um die Physiologie des Auges
grosse Verdienste erworben: er war der Entdecker des Keim-
bläschens, der Leberzellen, der Schweissdrüsen und der Flimmer-
bewegung und er beobachtete die drei Reflexbilder am Auge,
das sogenannte Accommodationsphosphen, mehrere subjektive
Gesichtsempfindungen, die Schattenfigur der Netzhautgefässe,
das in den Chorioidealgefässen strömende Blut bei Druck auf
das Auge, sowie die Erscheinungen bei elektrischer Reizung
der Netzhaut. Es existirt von ihm auch eine botanische Ab-
handlung (de cellulis antherarum fibrosis nee non de grjinorum
pollinarium fonnis commentatio phytotomica, Breslau 1830);
und er war der Erste, der ein physiologisches Laboratorium
einrichtete. Sachs hatte es durch eisernen Fleiss neben seiner
Beschäftigung bei Purkyne ermöglicht, die Maturitätsprüfung
nachzuholen und an die Universität überzutreten. Er hörte
C. Voit: Nekrolog auf Jtäius Sachs. 481
zwar daselbst Vorlesungen ĂĽber Mathematik, Physik, Chemie
und Philosophie, aber das Meiste hat er doch durch eigenes
Studium gelernt. Er betrieb fĂĽr sich die Zoologie und die
Botanik; nachdem er sich mit dem Schleiden'schen Lehrbuch
der Botanik bekannt gemacht und sich in Herstellung mikro-
skopischer Präparate geübt hatte, machte er seine ersten wissen-
schaftlichen Untersuchungen ĂĽber die Entwickelungsgeschichte
von Pilzen. Er habilitirte sich dann nach Besiegung mannig-
facher Hindemisse in Prag als Privatdozent fĂĽr Pflanzen-
physiologie. Und nun begann seine unermĂĽdliche und frucht-
bare wissenschaftliche Thätigkeit; es war ein unablässiges,
rastloses Streben nach Erkenntniss, das sein Wesen charak-
terisirte; er erzählte selbst, er habe während 20 Jahren täglich
14 — 15 Stunden geforscht und gedacht. In seiner Wohnung
stellte er Versuche über Verdunstungsphänomene und Wasser-
bewegung in Landpflanzen an, dann seine berĂĽhmt gewordenen
mikroskopischen Beobachtungen an den Keimpflanzen, durch
die er die Umgestaltung der in den Kotyledonen abgelagerten
StoĂźe erkannte.
Aber in Prag konnte er nicht bleiben ; Purkyne hatte sich
auffallender Weise der czechischen Bewegung mit Fanatismus
angeschlossen und diese Hess den deutsch FĂĽhlenden nicht auf-
kommen. Da erbat sich der verdiente Vorstand der sächsischen
land- und forstwirthschaftlichen Akademie in Tharandt, der
Chemiker Stöckhardt, von Sachs einen Bericht über den Nutzen
der Pflanzenphysiologie fĂĽr die Landwirthschaft, in Folge dessen
er als physiologischer Assistent an dieser Akademie angestellt
wurde, als welcher er auch öffentliche Vorträge in landwirth-
schaftlichen Versammlungen zu halten hatte. Von da wurde
er an die landwirthschaftliche Akademie in Poppeisdorf bei
Bonn als Lehrer der Botanik, Zoologie und Mineralogie be-
rufen, an der er dann bald die Professur flir Pflanzenphysio-
logie erhielt.
In den sechs Jahren seines Bonner Aufenthaltes hatte er
sich durch seine Arbeiten schon so bekannt gemacht, dass er
als Nachfolger des nach Strai^burg berufenen De Bary die
482 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
Professur der Botanik an der Universität in Freiburg erhielt
und dann nach drei Semestern die in WĂĽrzburg; er blieb der
letzteren Universität trotz vieler verlockender Berufungen nach
Jena, Heidelberg, Bonn, Wien, Berlin und MĂĽnchen treu und
war einer ihrer ersten Zierden.
Er hat daselbst eine grosse Schule fĂĽr experimental-phy-
siologische Arbeiten gebildet, aus der die bedeutendsten der
jĂĽngeren Botaniker hervorgingen; auch bei den Vorlesungen
hat er durcli seinen ausserordentlich klaren und durch ein-
fachste Experimente erläuterten Vortrag allgemeines Interesse
fĂĽr die Botanik zu erwecken verstanden.
Bei der Würdigung der wissenschaftlichen Thätigkeit von
Sachs muss bedacht werden, dass es vor ihm eine eigentliche
Pflanzenphysiologie kaum gab; die Untersuchungen von Ingen-
houss, Saussure, Liebig, Boussingault etc. lieferten nur die
ersten Vorstellungen über die stofflichen Vorgänge bei der
Ernährung der Pflanzen; Sachs musste, wie vorher schon
gesagt worden ist, vielfach erst suchen, wie man den Vor-
gängen in der Pflanze durch das Experiment beikommen kann,
und er musste die Apparate zur Verfolgung derselben ersinnen,
wozu er ein ganz besonderes Geschick besass.
Bei seinen ersten vorher erwähnten Untersuchungen über
die in den Keimpflanzen abgelagerten Stoffe erkannte er,
dass das Stärkemehl nicht nur eine sekundäre Einlagerung im
Chlorophyll ist, sondern dass es das erste sichtbare Produkt
des unter dem EinflĂĽsse des Lichtes und der Mitwirkung
des Chlorophylls stattfindenden Aufbaues aus den einfachsten
chemischen Verbindungen darstellt; es wird von hier aus zu
den wachsenden Knospentheilen und zu den Reserve auf-
speichernden Geweben geführt. Er hat sich später nochmals
mit der Entstehung des Stärkemehls beschäftigt und eine ein-
fache Methode zur quantitativen Bestimmung desselben mittelst
der Jodprobe angegeben.
Als Frucht seiner Thätigkeit an der laudwirthschaftlichen
Akademie war es ihm gelungen. Landpflanzen ohne Mithilfe
der Erde in wässerigen Nährlösungen zu kultiviren und keim-
C, Voit: Nekrolog auf Julius Sachs. 483
fiihige Samen daraus zu erhalten. Obwohl anfangs die Be-
deutung dieser Versuche nicht genĂĽgend erkannt wurde und
namentlich Knop sie in ungerechter Weise angriff, ja selbst
Nägeli sie hämischer Weise als „agrikultur- chemische" be-
zeichnete, so haben sie doch wichtige AufschlĂĽsse ĂĽber die
Ernährung der Pflanzen gebracht: sie zeigten namentlich,
welche Mineralbestandtheile zum Gedeihen der Pflanzen noth-
wendig sind und dass ohne dieselben kein Aufbau der com-
plizirten Kohlenstoff- Verbindungen stattfindet.
Daran reihten sich seine eingehenden Versuche ĂĽber die
Bedeutung des Chlorophylls fĂĽr die synthetischen Prozesse in
der Pflanze an. Dieser grüne Farbstoff ist nach ihm die Stätte,
wo die Abscheidung des Sauerstoffs aus dem aufgenommenen
Wasser und der Kohlensäure und die Bildung höherer sauer-
stoffiirmerer Kohlenstoff- Verbindungen stattfindet. Dabei wurde
auch die seit Liebig's verwerfender Meinung nur wenig beachtete
Bedeutung der Sauerstoff-Athmung der Pflanze klar gestellt,
dass dieses Gas fĂĽr das Leben der Pflanze ebenso nothwendig ist
wie fĂĽr das des Thieres, indem es Zersetzungen unter Bildung
von Kohlensäure und Wasser bedingt und kinetische Energie
(Wärmebewegung) für die Vorgänge in der Pflanze liefert.
Weitere Untersuchungen brachten das erste VerständnLss
der Thätigkeit und der Funktion der Wurzeln, deren Ausgang
die Beol)achtung war, dass polirte Marmorplatten durch die
Wurzeln corrodirt werden.
Von grundlegender Bedeutung sind seine mikroskopischen
und mikrochemischen Arbeiten ĂĽber die Wanderungen, die
chemischen Veränderungen und den Verbrauch der Reserve-
stoffe bei dem Wachsthum der Organe.
Sachs wandte sich darnach anderen Aufgaben zu: dem
EinflĂĽsse der Temperatur und des Lichtes auf das Wachsthum
der Pflanze.
Er beschäftigte sich viel mit der Untersuchung der drei
sogenannten Cardinalpunkte der Temperatur, dem Minimum,
Optimum und Maximum derselben, und stellte fest, nach welchen
Gesetzen die Keimung von der Temperatur abhängig ist, dann
484 Oeffentliche Sitzung vom 15, März 1698.
dass eine bestimmte Temperatur für das Ergrünen höherer
Pflanzen nothwendig ist, und dass es fĂĽr reizbare Organe eine
vorübergehende Kälte- und Wärmestarre gibt.
Von besonderer Tragweite sind die eingehenden Unter-
suchungen ĂĽber die Wirkung des Lichtes auf die Pflanze: auf
die Neubildung und die Entfaltung der Zellen und verschie-
dener Organe. Es wurde dargethan, dass das Licht die Neu-
bildung der Wurzeln direkt begĂĽnstigen kann, dass es auf die
Blüthenbildung unter Vermittlung der Laubblätter von Ein-
fluss ist, indem in den letzteren im Lichte die Stoffe gebildet
werden, welche zur Entstehung der Blüthe nöthig sind. Die
belaubten Pflanzen fahren nach ihm im Finstern fort, Stamm-
theile und Blätter zu produziren, aber in abnormer als Ver-
geilung oder Etiolement bezeichneter Gestaltung. — Bei dem
Studium der Wirkung des verschiedenfarbigen Lichtes zeigte
es sich, dass nicht, wie man hätte denken sollen, die chemisch
wirksamen violetten Strahlen, sondern die rothgelben es sind,
welche vorzĂĽglich das ErgrĂĽnen und die Zerlegung der Kohlen-
säure hervorrufen, dass dagegen die blauen und die sichtbaren
violetten Strahlen als Bewegungsreize wirken und die ultra-
violetten in den grünen Blättern die blüthenbildenden Stoffe
erzeugen.
Eine Anzahl von Abhandlungen beschäftigen sich mit den
Ursachen der Saftbewegung in den Pflanzen, die er im Wesent-
lichen von Lnbibitionsvorgängen ableitete. Seine Anschauungen
in dieser Richtung erlitten zwar manche Anfechtung, aber er
hat doch dabei jedenfalls werthvoUe Thatsachen gefunden, in-
dem er die Bedingungen der Transspiration und ihre Bedeutung
fĂĽr das Leben der Pflanzen feststellte, dann den Einfluss der
physikalischen und chemischen Beschaffenheit des Bodens auf
dieselbe, sowie die hemmende Wirkung von Salzlösungen und
der Kälte. Zur Messung der Geschwindigkeit des Trans-
spirationsstromes bediente er sich der Lithiummethode, bei
welcher die Pflanzen mit Lithium begossen werden und das-
selbe dann spectroscopisch in den einzelnen Pflanzentheilen
aufgesucht wird.
C. Voit: Nekrolog auf Julius Sachs. 485
Zur feineren Erkennung der Wachsthums-Erscheinungen
und der Reizbewegungen wendete er sein Auxanometer an, djis
diese Bewegungen auf eine berusste Fläche selbst registrirt.
Er untersuchte damit die grossen Wachsthumsperioden und
deren Faktoren, namentlich auch der Wurzeln im Boden.
Viel beschäftigten ihn die Tropismen. Er verfolgte die
Erscheinungen des sogenannten Heliotropismus und des Geo-
tropismus, d. i. die Bichtungsbewegungen oder KrĂĽmmungs-
bewegungen der Pflanze, welche durch einseitige Wirkung des
Lichtes oder der Schwerkraft hervorgerufen werden, die er
mit einem besonderen Drehapparate, dem KHnostaten, auf-
zeichnen lehrte. Er erkannte femer als Reiz auf die Wurzel,
durch den eine KrĂĽmmungsbewegung hervorgebracht wird, eine
DiflFerenz im Wassergehalt der Luft (Hydrotropismus); diese
psychrometrischen Bewegungen studirte er mittelst eines allge-
mein dazu angewendeten einfachen Apparates, den er das hängende
Sieb nannte.
Es folgten Abhandlungen ĂĽber die Beziehungen zwischen
Zellbildung und Wachsthum, ĂĽber die Beziehungen der Zellen-
anordnung zum Wachsthum, wobei ihm das letztere das be-
stimmende fĂĽr das erstere zu sein scheint; ĂĽber den Zusammen-
hang zwischen Struktur und Richtung der Organe (orthotrope
und plagiotrope Pflanzentheile).
In den letzten Jahren liebte er es, in den physiologischen
Notizen aus dem Schatze seiner Erfahrungen weitere SchlĂĽsse
zu zielien und tiefere Vorstelhmgen ĂĽber das Pflanzenleben zu
gewinnen; dabei wurde er auch zu dem BegriiFe der Energide
geführt, den er in Folge der völligen Verschiebung des Be-
griiFes der Zelle aufstellte.
Es mag noch bemerkt werden, dass Sachs, wie die meisten
hervorragenden Biologen, den Darwinismus nicht als richtig
anzuerkennen vermochte. Er war wohl ein Anhänger der
Descendenzlehre, aber die Erklärung der alleinigen Entwick-
lung durch Anpassung an das Zweckmässige im Sinne Darwins
hielt er fĂĽr verfehlt.
486 Oeffentliche Sitzung vom 15, März 1898,
Aber nicht nur durch die Auffindung wichtiger That-
sachen und fruchtbarer Gedanken hat Sachs die Botanik be-
reichert, sondern auch durch seine klassischen Werke der Botanik.
In denselben ist das pflanzen-physiologische Wissen sorgfältigst
gesammelt, unparteiisch ausgewählt und wahrhaft meisterhaft
dargestellt; sie geben ein klares Bild der Entwickelung der
Pflanzenphysiologie seit dem Jahre 1865.
In Folge seiner Vorträge in landwirthschaffclichen Ver-
sammlungen fĂĽhlte er, da er Alles ernst nahm, das BedĂĽrfniss,
die frĂĽheren Arbeiten in der Pflanzenphysiologie genauer kennen
zu lernen; er ersah dabei, dass es an einem Handbuche der
physiologischen Botanik fehlt, in dem die vielen zerstreuten
Erfahrungen zusammengefasst sind. Er schlug daher Hof-
meister vor, mit ihm ein solches Werk herauszugeben, in dem
er (1865) die Experimental- Physiologie der Pflanze zu be-
arbeiten hatte.
Diesem werth vollen, mit grossem Beifall aufgenommenen
Werke folgte (1868) das vortreffliche Lehrbuch der Botanik mit
den von ihm selbst gezeichneten unĂĽbertroffenen Abbildungen.
Die Schleiden'schen GrundzĂĽge der Botanik waren veraltet und
es war ein Buch nothwendig, aus dem der Studirende und der
Forscher nicht nur das botanische Wissen entnehmen konnte,
sondern in dem er auch die Probleme und Ideen der Forschung
fand. Er hat durch dieses in 4 Auflagen erschienene Lehrbuch
einen grossen Einfluss auf die Ausbreitung des botanischen
Wissens ausgeĂĽbt und darin die Lehren anderer Forscher,
z. B. von Nägeli und Hofmeister für weitere Kreise verständ-
lich gemacht.
Aus dem Lehrbuch entwickelten sich später (1882) die
Vorlesungen ĂĽber Pflanzenphysiologie, die wegen ihrer allge-
mein verständlichen fesselnden Darstellung der interessanten
Vorgänge in der Pflanze von den Studirenden und dem ge-
bildeten Publikum vielfach benĂĽtzt wurden.
Endlich muss noch besonders hervorgehoben werden seine
Bearbeitung der Geschichte der Botanik, durch welche er mit
C Voit: Nekrolog auf Edward DrinJcer Cape, 487
unserer Akademie in engere Verbindung kam. Von der der
Akademie angegliederten historischen Kommission, welche die
Geschichte der Wissenschaften in Deutschland herausgibt, ĂĽber-
nahm er nach Nägeli's Rücktritt die Geschichte der Botanik.
Es konnte dazu wohl kein Besserer gefunden werden. Mit
gewohntem Fleisse und strenger Gewissenhaftigkeit sichtete er
das Material und suchte er die Entstehung der Thatsachen
und der Ideen festzustellen und die allmähliche Entwickelung
derselben zu verfolgen. Dabei galt ihm nicht deqenige, welcher
die Thatsachen sammelte, als der Fruchtbarere fĂĽr die Wissen-
schaft, sondern der, welcher die Thatsachen fĂĽr allgemeine
Schlussfolgerungen zu verwerthen wusste. Er gestand zu, dass
das derartige Studium der Geschichte ihn gelehrt habe, den
Werth mancher Richtung und Leistung anders zu schätzen
als vorher.
Die rastlose Arbeit hat die Gesundheit von Sachs er-
schĂĽttert und seinem Leben vor der Zeit ein Ende gemacht;
er war in Wahrheit ein Kämpfer für die Wissenschaft, der er
mit so grossem Erfolge alle seine Kräfte geweiht hatte.
Edward Drinker Cope.
Das «am 12. April 1897 in Philadelphia im 56. Lebens-
jahre verstorbene correspondirende Mitglied der Classe Edward
Drinker Cope war ein hervorragender Zoologe und Paläontologe
und zählte zu den fruchtbarsten und ideenreichsten Natur-
forschern Nord-Amerika's.
Cope entstammte einer der ältesten und angesehensten
Kaufmaims-Familien der Stadt Philadelphia, woselbst er am
28. Juli 1840 zur Welt kam. Nachdem er den ersten Unter-
richt von einem Privatlehrer erhalten hatte, trat er in die alte,
1749 gegründete Pennsylvania-Universität seiner Vaterstadt ein.
Von frĂĽh an zeigte er eine grosse Vorliebe zu den beschreiben-
den Naturwissenschaften, besonders zur Zoologie; häufig be-
suchte er die Sammlungen der naturwissenschaftlichen Akademie,
wo er auch als 19 jähriger Jüngling seine erste Untersuchung
488 Oeffentliche Sitzung vom 15. März 1898.
ĂĽber die Classifikation des Salamanders machte. Durch die
grossen Sammlungen angelockt, begab er sich dann auf ein
Jahr an die Smithsonian Institution in Washington, deren
Reptilien er studirte, wonach er wieder während drei Jahren
an der Akademie zu Philadelphia arbeitete. Auf einer Studien-
reise nach Europa bildete er sich in der vergleichenden Ana-
tomie weiter aus, namentlich an den reichhaltigen Museen zu
London und Wien.
In solcher Weise trefflich vorbereitet, wurde er nach der
RĂĽckkehr in die Heimath zum Professor fĂĽr vergleichende
Zoologie und Botanik am Hareford- College in Philadelphia
ernannt; später wurde er Professor der Geologie und Paläon-
tologie an der dortigen Universität und Präsident der Akademie
der Naturwissenschaften daselbst. Er war auch Herausgeber
der angesehenen Monatsschrift: „Americain Naturalist".
Im Anfang beschäftigten sich seine Untersuchungen mit
der systematischen Zoologie und vergleichenden Anatomie noch
jetzt lebender Thiere, indem er die Schlangen und Eidechsen
von Nord- Amerika klassifizirte und eine mustergiltige Synopsis
der Batrachier und Reptilien und auch der SĂĽsswasser-Fische
von Nord- und SĂĽd-Amerika gab. Namentlich die letzteren
Arbeiten mĂĽssen als Vorbilder in dieser Richtung bezeichnet
werden, wodurch die älteren Systeme verdrängt wurden; er
hatte zu diesem Zwecke die herrliche Sammlung der von Hyrtl
hergestellten Fischskelette mit 600 Arten angekauft, welche an
Schönheit nur durch Conrad Will's Darstellungen in unserer
zoologischen Sammlung ĂĽbertroffen wird. Auch seine Unter-
suchungen der Höhlen-Fauna, besonders der Knochenhöhle zu
Port Kennedy, gaben wichtige Resultate. Es handelte sich
dabei nicht wie früher so häufig blos um Beschreibungen der
äusseren Formen dieser Thiere, sondern um morphologische
und vergleichend -anatomische Untersuchungen aller Organe,
besonders der Skelette. Durch seine mit unermĂĽdlicher Ausdauer
gesammelten Kenntnisse der einzelnen Formen, sowie durch
seine eminente Beobachtungs- und Unterscheidungsgabe war
er ausgerĂĽstet, die Bedeutung dieser Formen zu erkennen und
C Voit: Nekrolog auf Edward Drinker Cope. 489
im XJeberblick ĂĽber grosse Gruppen derselben allgemeine Schluss-
folgerungen zu ziehen.
Von der grössten Bedeutung sind aber die Arbeiten Cope 's
auf dem Gebiete der Paläontologie der fossilen Wirbelthiere.
Die Entdeckung der kolossalen Ablagerungen vergangener Thier-
forraen in den Schichten der Erde von Amerika hat ihn zu
diesen fruchtbaren Studien gefĂĽhrt, wozu er durch seine ein-
gehenden Kenntnisse des Skelettes der rezenten Formen in
besonderem Grade befiihigt war, ohne welchen Wissensschatz
er niemals in der Paläontologie so weit hätte vordringen können.
Zunächst untersuchte er die in den Mergelgruben von New
Jersey gefundenen Reptilien (Dinosauren); dann die Miocän-
Fauna von Maryland und Virginien, und die von der Ohio
geological Society ihm anvertrauten Funde. Seine Synopsis
der ausgestorbenen Batrachier, Reptilien und Vögel Amerika's
(1870) erregte sowohl wegen des fast vollkommen unbekannten
Stoffes als auch wegen der darin niedergelegten neuen Ideen
grosses Aufsehen. Durch diesen Erfolg angespornt, verwendete
Cope seine damals sehr bedeutenden Privatmittel auf die
paläontologische Durchforschung der westlichen vereinigten
Staaten und Territorien. Die vergrabene wunderbare Fauna
westlich des Mississippi war nur wenig bekannt; Cope hat
mit deren genauer Untersuchung der Paläontologie ein neues
Feld eröffnet und neue Anschauungen über die Thierformen
auf der Erde angebahnt. Er brachte aus den KreidebrĂĽchen
des westlichen Cansas die Riesenreptilien ans Licht; beutete
die berühmten Fundstätten fossiler Säugethiere und Reptilien
im Eocän vom Green River in Wyoming und in den Tertiär-
bildungen von Colorado aus, und legte als Mitglied der
Wheeler'schen Expedition reiche Sammlungen aus Nevada,
Arizona, Colorado und Neu-Mexiko an. Auf diese Weise und
durch Ankauf von Objekten aus anderen Welttheilen bekam
er eine Sammlung der fossilen Wirbelthiere, welche an Mannig-
faltigkeit und Ausdehnung nicht ĂĽbertroffen wird.
Gleichzeitig mit Cope Hess unser auswärtiges Mitglied
Marsh in New Haven die Fundstätten von Dakotah, Wyoming,
490 OeffentUche Sitzung vom 15. März 1898.
Colorado und Oregon ausbeuten, mit deren Ergebnissen er seine
vielbewunderte Reihe von Publikationen eröffnete. Es entspann
sich nun zwischen den beiden ebenbĂĽrtigen Rivalen ein nicht
immer in friedlichster Weise gefĂĽhrter Wettstreit, in dem mit
fast fieberhafter Energie gearbeitet wurde. Beide Forscher
brachten von den theils auf eigene, theils auf öffentliche Kosten
ausgerĂĽsteten Expeditionen nach dem fernen Westen Monate
lang in den unwirthlichsten und gefährlichsten Theilen der
Indianer-Gebiete zu. Die dabei gewonnenen, in Philadelphia
und New Haven befindlichen Sammlungen fossiler Wirbelthiere
und die darauf basirten Abhandlungen von Cope und Marsh
haben eine vollständige Umgestaltung der bis dahin herrschen-
den Ansichten ĂĽber die Mannigfaltigkeit, Organisations- und
Verwandtschafts- Verhältnisse der fossilen Vertebraten herbei-
gefĂĽhrt. Cope hat die Bearbeitung des Materials und die
Ausarbeitung seiner Werke ganz allein besorgt; er hat dabei
über 1000 Spezies fossiler Säugethiere genau beschrieben und
ihre Stellung und Verwandtschaft dargelegt.
Von den diese Funde darlegenden Abhandlungen ist vor
allen zu nennen sein grosses Werk: „Vertebrata of tho ter-
tiary formation of the West**, welches eine Uebcrsicht der
gesammten tertiären Wirbelthiere Nord-Amerika's liefert und
den wunderbaren Reichthum des amerikanischen Westens an
fossilen Vertebraten schildert. Es bildet eine der wichtigsten
literarischen Quellen der Paläontologie und hat für Amerika
wohl die Bedeutung erlangt, welche Cuvier's „Recherches sur
les Ossements fossiles** seiner Zeit fĂĽr Europa besassen.
Aus ihm geht die zeitliche Aufeinanderfolge der ver-
schiedenen Formenreste der Wirbelthiere hervor, sowie die fort-
schreitende Entwicklung der Säugethiere in grossen Zeiträumen,
besonders die der merkwürdigen Faunen der ältesten eocänen
Puerco-Wasatch- und Bridges-Schichten mit den bisher unbe-
kannten Sippen von Hufthieren.
Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit Cope's
ruht in seinen genauen Einzelstudien; aber es ist bei seinem
Geiste nicht zu verwundern, dass er durch dieselben auch zu
C, VoU: Nekrolog auf Edward Drinker Cope. 491
allgemeinen Schlussfolgerungen auf dem Gebiete der Biologie
gelangte: zu Betrachtungen ĂĽber den Ursprung der Arten, ĂĽber
den Ursprung des Menschen und der Wirbelthiere, ĂĽber die
Entwickelung des pflanzlichen und thierischen Lebens in Nord*
Amerika. Namentlich seine Studien ĂĽber die fĂĽnfzehigen Huf-
thiere und über den Bau der Säugethierzähne hatten ihn zu
einem Anhänger der Lehre von der Entwickelung gemacht.
Jedoch sprach er es schon in seinen frĂĽhesten Arbeiten aus,
dass er die natĂĽrliche Zuchtwahl und das Ueberleben des Yor-
theilhaftesten im Kampf ums Dasein nach Darwin nicht als
die Ursache des Ursprungs der Arten und der höheren Thier-
klassen anseilen könne; man vermöge aus diesem Prinzip nicht
den Beginn jener Veränderungen zu erklären, dasselbe könne
vielmehr erst zur Wirksamkeit gelangen, nachdem die Ver-
änderungen schon vorhanden sind, um solche, welche für den
Organismus am vortheilhaftesten sich erweisen, fortzusetzen und
zu erhalten. Die älteren Anschauungen von Lamarck und von
Erasmus Darwin, dem Grossvater von Charles Darwin, ĂĽber die
Anpassung schienen ihm viel besser die Vorgänge zu erklären.
Nach Lamarck hat die Natur zunächst die einfachsten Organi-
sationen der Thiere und der Pflanzen hervorgebracht, mit der
Tendenz oder Möglichkeit sich zu höheren Formen zu ent-
wickeln, während die mannigfaltigen Lebensbedingungen all-
mählich Abweichungen in der Struktur hervorrufen. Die zweck-
mässigen Eigenschaften entstehen dadurch, dass das Bedürfniss
als Ileiz wirke und Handlungen zu seiner Befriedigung ver-
anlasse, wodurch dann bestimmte Organe durch den Gebrauch
und Nichtgebrauch ausgebildet werden, welche sich auf die
Nachkommen vererben. Indem Cope diese allerdings ebenfalls
nicht ausreichende Theorie durch Thatsachen aus den fossilen
Thierformen zu unterstĂĽtzen suchte, wurde er der BegrĂĽnder
der amerikanischen Neu-Lamarckischen Schule.
Später wendete er sich auch den schwierigen Problemen
der psychischen Erscheinungen, des Ursprungs der Intelligenz,
der Entwickelung der Ethik, zu. Er sprach sich darin gegen
einen ausschliesslichen Materialismus aus und bekundete sich
1898. SiUungBb. <L math.-phya. CL 32
492 Oeffentliche SiUumj vorn 15. März 1898,
als Anhänger einer idealen Lebensanschauung, welche stets
das Beste hoffte.
Er war ein ĂĽberzeugungstreuer Mann, der nur nach dem
handelte, was er fĂĽr Recht oder Unrecht hielt und bei seinem
Urtheil über die Menschen ausschliesslich Beföhigung und nicht
seine Neigungen berĂĽcksichtigte. Im Streben nach der Wahr-
heit war er gerne bereit, einen erkannten Fehler einzugestehen.
Cope genoss nicht nur wegen seiner umfassenden Kennt-
nisse, sondern auch wegen der Genialität, mit der er schwierige
vergleichend-anatomische und paläontologische Probleme zu
behandeln verstand, das grösste Ansehen in wissenschaftlichen
Kreisen und sein Einfluss wird noch lange Zeit in seinem Fache
maassgebend bleiben.
Legrand Alfred Louis OUivier Des Cloizeaux.
Am 6. Mai 1897 ist zu Paris das correspondirende Mit-
glied der Classe, der berĂĽhmte Mineraloge Legrand Alfred
Louis Ollivier Des Cloizeaux im 80. Lebensjahre gestorben.
Am 17. Oktober 1817 zu Beauvais im französischen Depar-
tement Oise geboren, widmete er sich nach Beendigung seiner
klassischen Studien der Mineralogie und Geologie. Er unter-
nahm zu seiner weiteren Ausbildung in diesen Wissenschaften
ausgedehnte Reisen in England, Deutschland, Oesterreich, Kuss-
land, Spanien, Italien, der Schweiz, Skandinavien und Island,
woselbst er das GlĂĽck hatte, einem Ausbruch des Hekla im
Jahre 1845 beiwohnen zu können. Ueberall wurden von ihm
die Sammlungen besucht und eifrig studirt.
Seine krystallographischen Untersuchungen machten seinen
Namen bald bekannt. Er wurde im Jahre 1858 als Repetitor
an der Ecole Normale angestellt, 1869 wählte ihn die Acadt^mie
des Sciences zu ihrem Mitgliede und 1889 zu ihrem Präsidenten,
imd seit 1870 war er Professor der Mineralogie an der Sorbonne.
Des Cloizeaux hat vorzĂĽglich die durch die Ent Wicke-
lung der Physik neu gewonnenen feinen Methoden zur Unter-
suchung der physikalischen Eigenschaften der Krystalle in die
C. Voit: Nekrolog auf Alfred Louis Olli der Des Cloizeaux. 493
Mineralogie eingefĂĽhrt. Er hat dadurch die damals herrschende,
rein chemische AuflFassung der Mineralien, nach der ein Mineral
bei gleicher chemischer Zusammensetzung auch der gleichen
Spezies angehören müsse, beseitigt.
Seine ausserordentlich sorgfaltigen Untersuchungen ĂĽber
die optischen Eigensch<aften der Mineralien, wobei er insbe-
sondere deren Verhalten zum polarisirten Licht prĂĽfte und ĂĽber
die er seine ersten Erfahrungen im Jahre 1857 in dem Werke:
„de Temploi des proprietes optiques en Mineralogie** veröffent-
licht, hatten ihn gleich in die erste Reihe der Krystallographen
gestellt. Seitdem werden neben den Messungen der Flächen
und Winkel stets auch die optischen Erscheinungen der Krystalle
als nothwendig zur Kenntniss eines Krystalls erachtet.
Die 1861 erschienenen lefons de Cristallographie trugen
zur Befestigung dieser Auffassung wesentlich bei.
Besonders wichtig ist sein Handbuch der Mineralogie
(1862—1874) geworden. Es ist dies kein gewöhnliches Hand-
buch, sondern eine ganz selbständige Bearbeitung aller älteren
sowie seiner eigenen Erfahrungen in der Mineralogie, welche
fĂĽr alle Mineralogen ein unentbehrlicher FĂĽhrer geworden ist.
Die noch ungenĂĽgend bekannten Mineralspezies wie die des
Quarzes, des Feldspaths, des Gypses, des Zinnobers etc. wurden
darin von ihm vervollständigt.
Im Jahre 1875 erschien seine grosse Zusammenfassung der
optischen und krystallographischen Eigenschaften der Mineralien.
In unablässiger Arbeit hat er die optischen Eigenschaften aller
durchsichtigen Mineralien bestimmt und dadurch einen beson-
deren Zweig der Mineralogie geschaffen; dieselbe ist durch ihn
in die Molekularphysik eingetreten und nimmt an allen ihren
Anschauungen ĂĽber die Constitution der Materie Antheil.
An seinem 75. Geburtstage, an dem er von der Professur
am Museum d'Histoire naturelle zurĂĽcktrat, widmeten ihm die
Mineralogen aller Länder eine dankbare Erinnerung an die
von ihm empfangenen Gaben eine werthvolle Medaille mit der
Widmung: von seinen Bewunderern und seinen Freunden.
494 Oeifentli€he Sitzung vom 15, März 1898.
Er war auch der Gründer und langjährige Präsident der
Soci^t^ Fran9aise de min^ralogie sowie der Herausgeber des
Bulletins derselben.
Mit Des Cloizeaux ist ein ächter Gelehrter, eine Autorität
in seinem Fache, von streng religiöser Gesinnung dahingegangen ;
sein Name wird in der Geschichte der Mineralogie und Petro-
graphie als einer der besten genannt werden.
Berichtigungen
zur Abhandlnng des Herrn S. Kantor in den Sitzongsberichten 1897 S. 367.
Auf p. 370 befindet sich in Anmerkung 1) nnter dem Texte eine
Erwähnung zweier Theoreme in § 6 der Abhandlung von Herrn Prof.
Frobenius, Cr. J., Bd. 84: ^lieber lineare Substitutionen und bilineare
Formen", wonach diese Theoreme unrichtig wftren. Es hat dabei eine
Verwechslung der Collineationen in geometrischer Interpretation mit den
Matrixsjmbolen oder auch der Frobenius'schen symbolischen Bezeichnung
stattgefunden. Während in der Matrixtheorie Ä und B vertauschbar
sind, nur wenn AB = BÄ^ sind die zwei zugehörigen Collineationen
der Geometrie der Lage auch dann als vertauschbar anzusehen, wenn
nur AB =i XBA ist, wo X einen const-anten Factor bedeutet. Jene
algebraischen Theoreme bedĂĽrfen also keiner Correctur.
Auf p. 380 Sicile 13 von oben muss es heissen «niedere* statt
.höhere*.
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 6. November 1898.
1. Herr L. Radlkofer legt die erste Lieferung der mit
UnterstĂĽtzung der Akademie von Herrn Privatdozenten Dr.
Hans Solereder herausgegebenen systematischen Anatomie
der Dikotyledonen vor.
2. Herr H. Seeliger ĂĽberreicht den auf Kosten der Akademie
gedruckten HL Band der neuen Annalen der Sternwarte
zu MĂĽnchen.
3. Herr K. A. v. Zittel bespricht eine Abhandlung des Herrn
Privatdozenten Dr. Alfred Bergeat: „Ueber die äolischen
Inseln*, geologisch beschrieben. Die Abhandlung ist fĂĽr die
Denkschriften bestimmt.
4. Herr E. v. Lommel legt eine Abhandlung des Professors
der Physik an der technischen Hochschule, Herrn Dr. H. Ebert:
„Unsichtbare Vorgänge bei elektrischen Gasent-
ladungen" vor.
189& SitEungflb. d. niAih.-phys. Cl. 33
497
Unsichtbare Vorgänge bei elektrischen Gas-
entladungen.
Von Hermann Ebert.i)
(ÜN^ffati/m 5, No9tmb§r,)
Es ist bekannt und auch in neuester Zeit wiederholt zu-
gestanden worden, dass die mannigfaltigen und seltsamen Er-
scheinungen, welche die elektrischen Entladungen der ver-
schiedensten Art in verdĂĽnnten Gasen hervorrufen, so sehr sie
auch namentlich in qualitativer Hinsicht variiert und geprĂĽft
worden sind, doch noch immer vollkommen einer Erklärung
harren. Gerade über die typischsten Momente dieser Phänomene,
ĂĽber den Dunkelraum an der Kathode, die Glimmlichtschicht,
die Anodensäule mit ihren Schichtungen sind die Ansichten
durchaus geteilt und einander widersprechend. Es wird daher
die Vermutung wachgerufen, dass die Gesamtheit aller der
Erscheinungen, . welche wir an den Gasentladungen direkt
wahrnehmen, noch nicht ausreicht, um sie zu erklären, dass
uns bei den gewöhnlichen Versuchsanordnungen Eigentümlich-
keiten oder Veränderungen des Gasinhaltes selbst entgehen,
*) Die vorliegende Arbeit wurde in dem physikalischen Institut der
k. technischen Hochschule zu MĂĽnchen vollendet, nachdem sie in dem
physikalischen Institut der Universität Kiel zum grossen Teil fertig
gestellt war; ausgefĂĽhrt wurde sie mit UnterstĂĽtzung des Elizabeth
Thompson science fund zu Boston, dessen Sekretär Herrn Professor
Minot, sowie dessen Board of Trusties auch an dieser Stelle wärmstens
gedankt sei; desgleichen bin ich meinem Privatassistenten, Herrn In-
genieur Dr. M. W. Hoffmann fĂĽr seine UnterstĂĽtzung bei dieser Arbeit
zn Dank verpflichtet.
88 ♦
498 SUeung der math.-phys, Glosse vom 5. November 1898.
welche doch wesentlich das Zustandekommen der sichtbaren
Phänomene mit bedingen. Herr E. Warburg*) hat vor kurzem
auf unsichtbare Vorgänge aufmerksam gemacht, welche der
sichtbaren Funkenentladung vorausgehen; ich glaube durch die
folgenden Versuche zeigen zu können, dass durch die Gas-
entladung selbst der Inhalt. des gasverdĂĽnnten Raumes
direkt nicht wahrnehmbare Veränderungen erfährt,
derart, dass das Gas unmittelbar nach dem Einsetzen
der Entladung andere Eigenschaften besitzt, als es
vorher hatte, und dass diese Veränderungen auch
nach dem Aufhören der eigentlichen Entladung selbst
wenigstens kurze Zeit nachdauern und bei einer Reihe
rasch aufeinander folgender Einzelentladungen den
Verlauf derselben mitbestimmen.
Um die Natur des Gases unmittelbar nach dem Durch-
gange der Entladung zu untersuchen, hätte man das Gas aus
dem Entladungsrohre absaugen und dann analysieren oder auf
eventuelle nachbleibende Leitfähigkeit, Jonisation u. s. w. in
besonderen Räumen prüfen können. Hierbei wären aber die
in verschiedenen Teilen der Entladungsröhre vorhandenen Be-
standteile vermischt worden; und es ist besonders charakteri-
stisch, dass, wie die folgenden Versuche zeigen, das Gas augen-
scheinlich in den verschiedenen Teilen der Entladung ver-
schiedenartig verändert wird. Ferner haben die negativen
Resultate derartiger Absaugungsversuche gezeigt, dass sich die
etwa gebildeten Jonen schon nach sehr kurzer Zeit an den
Elektroden oder den ja immer mehr oder weniger stark elektro-
statisch geladenen Innenwänden der Entladungsröhren festsetzen,
also nicht, oder nur zum verschwindend kleinen Teile mit dem
Gase zugleich aus dem Rohre entnommen werden können.
Man hat gewisse EigentĂĽmlichkeiten (Leit^higkeit, Potential-
verteilung u. s. w.) der von Entladungen durchsetzten Gassäulen
mit Erfolg mittels in dieselben eingesenkten Metallsonden unter-
^) ÂŁ. Warburg, Sitzungsber. d. k. pr. Akad. d. Wisa. zu Berlia,
p. 223, 1896, ebenda Sitzung vom 18. Febr. 181)7, Wied. Ann. 62, p. 386, 1897.
H. Ebert: Gasentladungen, 499
sucht; fĂĽr den vorliegenden Zweck war auch diese Methode
nicht zu verwenden, da eine in die Glimmlichtschicht einge-
tauchte Metallmasse, so klein ihre und die mit ihr verbundene
Capacität auch ist, sich mit einem Dunkelraum umhüllt, also
selbst wieder Kathode zu werden scheint, so dass es schwer
ist, zu entscheiden, in wie weit der Zustand an dieser
Secundärelektrode übereinstimmt mit dem Zustande in der
primären Entladungssäule, wie er sich an demselben Punkte
herstellen würde, wenn die Sonde nicht vorhanden wäre. Es
war daher notwendig, die Entladungssäule selbst zur Prüfung
der durch sie hervorgerufenen Zustände im Gase zu verwenden.
Ich erreichte dies, indem ich eine Reihe völlig gleichartiger
Entladungen in einem genau symmetrisch gestalteten Ent-
ladungsrohre unmittelbar auf einander folgend, aber abwechselnd
von entgegengesetzten Seiten her auf denselben Gasraum
wirken Hess. Es zeigte sich, dass das Zeitintervall von ca.
Viooo bis V»oo Secunde oder noch längerer Dauer genügte,
um eine deutliche Nachwirkung der ersten Entladung auf die
nachfolgende zu constaticren. Um möglichst klar zu über-
sehende Versuchsbedingungen zu haben, wurden nur Ent-
ladungsröhren der einfachsten Gestalt verwendet: meist cylin-
drische Elöhren mit kreisplattenförmigen, ebenen Alurainium-
scheiben an den Enden. Durch diese Röhren sendete ich den
durch Transformation genĂĽgend hochgespannten Strom einer
kleinen Wechselstromniaschine von grosser Wechselzahl (Hoch-
frequenzstrom). Zur Stromerzeugung . wurde mir von Herrn
Ingenieur Hummel in MĂĽnchen ein schnell laufender kleiner
vierpoliger Umformer zur VerfĂĽgung gestellt, 0 welcher, mit
Gleichstrom von etwa 1 7» bis 2 Ampere bei 64 Volt beschickt,
einen W^echselstroiu von etwa 800 — 1000 Pol wechseln in der
Secunde entnehmen liLsst.
In Wiedemanns Annalen habe ich diesen Generator sowie
den benutzten Transformator und die zur Messung im Hoch-
*) Herrn Ingenieur Hummel spreche ich dafĂĽr auch an dieser
Stelle meinen besten Dank aus.
500 Sitzung der nuUhrphys. Glosse vom 5, November 1898,
spannungskreise verwendeten Messinstrumente eingehend be-
schrieben.^)
In den folgenden Tabellen bedeutet
p den Druck des Oases in den Entladungsröhren in mm Queck-
silbersäule,
d die Dicke des (Hittorfschen) Kathodendunkelraumcs in mm,
i die efifective Stärke des das Entladungsrohr durchsetzenden
hochfrequenten Wechselstromes in Milliamperes,
V die effective Spannung dieses Hochspannungsstromes an den
Elektroden der Röhren in Volt.
Den Tabellen ist noch das mit E bezeichnete und mit
10' multiplicierte Produkt E = iV zugefĂĽgt worden; dasselbe
wĂĽrde die dem Rohre zugefĂĽhrte Wattleistung darstellen, wenn
in demselben nicht eine erhebliche Phasendifferenz zwischen
beiden Grössen infolge der Condensatorwirkung des Rohres
aufträte.*) Wie aber früher nachgewiesen wurde, stellt E den
Gang des Energieverbrauches vollkommen dar und auch dieser
bringt die im Folgenden zu beschreibenden Erscheinungen sehr
charakteristisch zum Ausdruck.
1. Gkmg der Erscheinungen bei abnehmendem Drucke
in einfachen cylindrischen Entladungsrohren. — Das
typische Bild des hier näher zu besprechenden Phänomens
wird am klarsten bei weiten > cylindrischen Röhren ohne capil-
lare Verengungen, Fig. 1, erhalten; EE sind die Elektroden,
j/
Fig. 1.
Kreisscheiben aus Aluminiumblech von 2,0 cm Durchmesser.
Dieselben werden von angenieteten kurzen Stielen 11 aus dickem
Aluminiumdraht- getragen, die mit Platindrähten leitend ver-
1) H. Ebert, Wied. Ann. 65, p. 761, 1898.
2) Vergl. H. Ebert, a. a. 0., p. 787.
H, Ebert: OasenĂĽadungen, 501
bunden sind, welche in die Glaswand eingeschmolzen werden.
Glasröhrchen gg bekleiden die Zuleitungen bis an die Platten
heran. Durch das seitliche Rohr b stehen die Entladungsröhren
mit einer Töpler-Hagenschen Quecksilberpumpe in Verbindung,
an welche ausserdem ein Mac Leodscher Druckmesser Kahl*
baumscher Construction und die Gasentwickelungsapparate mit
ihren Trockenvorrichtungen angeschlossen sind. Wird durch
eine solche Röhre der Hochfrequenzstrom geschickt, so zeigt
sich stets der folgende Verlauf: Von dem Momente an, in dem
sich beide Elektrodenplatten völlig mit den Glimmlichtschichten
tiberzogen haben, und sich, von beiden durch den sogenannten
Faradajschen Dunkelraum getrennt, die Säule des Anoden-
lichtes in der Mitte schwebend ausgebildet hat, ninmit bei
abnehmendem Drucke die Stärke des die Röhre durchsetzenden
Stromes zu, die an den Elektroden herrschende Spannungs-
dififerenz ab. Zugleich mit ihr nimmt das Product E beider ab.
Dies dauert fort, wenn bei fortgesetzter Evacuation die Glimm-
lichtstrahlen immer länger werden, die vor ihren Enden liegen-
den Faradayschen Dunkelräume immer weiter nach der Mitte
zu vorrĂĽcken, die unmittelbar an den Elektrodenplatten sich
ausbildenden Hittorfschen Kathoden dunkelräume an Dicke d
zunehmen. In dem Momente aber, wo die Faradayschen
Dunkelräume und die vorderen Enden der Glimmlicht-
strahlen sich in der Rohrmitte begegnen, — einen
Moment, den man am besten in einem neben dem Rohre auf-
gestellten Drehspiegel beobachtet, welcher die zeitlich auf ein-
ander folgenden Entladungsbilder räumlich neben einander
legt, — tritt stets, bei allen Röhren und allen Gasen, eine
üigentümliche Umkehr ein; die Stromstärke vermindert sich,
gleichsam als ob der Wecliselstrom abgeschnĂĽrt (, gedrosselt**)
würde, dafür erhöht sich die Spannung, sowie die Grösse E,
so dass für den entsprechenden „Umkehrdruck** die i -Werte
ein Maximum, die F- und JB-Werte ein Minimum aufweisen.
Zugleich treten in den bis dahin ungeschichteten Anoden-
säulen deutliche Lichtabsonderungen, die „Schichten* mit ihren
dem Drucke und der Rohrweite entsprechenden Abständen auf.
502 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 5. November 1898.
Schichten bilden sich in einem Rohre erfahrungsgemäss
immer dann aus, wenn die Anodensäule zusammengeschnürt
wird, z. B. durch EinfĂĽgen von capillaren ZwischenstĂĽcken;
jene Begegnung wirkt also in dem ĂĽberall gleichweiten Cylinder-
rohre wie eine Rohrverengung.
Dass zwei gleichzeitig auftretende Glimmlichter ver-
schiedener Kathoden ihrem gegenseitigen Eindringen sowie dem
Eindringen der Anodensäule einen gewissen Widerstand ent-
gegensetzen und dadurch die Entladungsspannung erhöhen, ist
bekannt; gelegentlich beobachtet wurde auch, dass der Gang
von Stromstärke und Spannung in einem Entladungsrohre bei
gleichgerichteten Entladungen bei demselben Drucke sich
umkehren kann; hier ist aber zu beachten, dass die beiden
Glimmlichter zeitlich nach einander ausgebildet werden, um
Zeiten verschieden, welche ausreichend lang sind, um das Gas
wieder völlig dunkel, die Entladung gänzlich unsichtbar er-
scheinen zu lassen, was wiederum am besten im Drehspiegel
constatiert wird. Ferner ist bemerkenswert, dass diese
Umkehr genau an den Moment gebunden ist, wo die
vordersten, z. T. noch ganz unsichtbaren Enden der
Glimmlichter nach einander denselben Raum passieren.
Wird der Druck noch weiter erniedrigt, so sinkt die Strom-
stärke i, die Spannung V und U steigen völlig regelmässig.
Die folgenden Tabellen mögen den Gang der Erscheinung bei
verschiedenen Gasen erläutern; damit die Zahlen mit einander
vergleichbar sind, wurden Reihen ausgewählt, welche mit dem-
selben Rohre von 16,8 cm Elektrodenabstand, 2,5 cm lichter
Weite und 22 cm Länge (Röhre B) erhalten worden sind; die
ausgezeichneten Werte sind durch den Druck hervorgehoben.
Tabelle 1.
Wasserstoff.
p
4,43
2,49
2,15
1,06 ' 0,83
0,58
0,47
d
1,2
2,3
2,5
4,2 ; 4,9
6,3
7,6
•
t
14,02
16,89
17,00
16,67
15,94
15,01
13,91
V
742
614
583
592
648
698
784
E
10,40
10,07
9,91
9,80
10,33
10,48
ia,66
H, Eheri: Gasentladungen.
503
Tabelle 2, Luft.
p
2,76
1,30
0,83
0,51
0,27
0,20
d
0,9
1,6
2.2
2,8
5,0
6,7
•
t
12,61
15,76
15,94
15,39
13,49
12,37
V
718
574
559
602
725
812
E
9,05
9,06
8,%
9,27
9,77
10,06
Tabelle 3, Kohlenoxyd.
p
1,81
0,99
0,46
d
1,3
2,0
3,0
•
14,02
15,20
14,12
V
678
618
707
E
9,43
9,40
9,98
Tabelle 4. Kohlensäure.
p
3,92
1,21
0,91
0,88
0,52
0,38
0,22
d
0,7
1,5
2,0
2,0
2,9
4,5
5,0
\
13,49
17,25
17,58
17,66
16,83
16,30
14,72
V
815
598
596
596
659
748
831
E
11,00
10,31
10,47
10,52
11,10
11,45
12,23
Tabelle 5. Leuchtgas.
p
5,09
2,69
1,76
1,01
0,64
d
1,1
2,0
2,5
3,0
5,0
i
12,83
17,00
18,14
17,25
16,58
V
796
668
541
592
676
E
10,21
9,65
9,81
10,21
10,54
Bei Kohlensäure zeigten sich bei regelmässig fortschreiten-
der Evacuation von ^ = 1,5 mm an his p = 0,5 grosse Unregel-
mässigkeiten, so dass die Vermutung nahe gelegt wird, dass
bei diesen Drucken eine Dissociation eintritt. Ob dieselbe Folge
der Entladungen ist, oder ob schon lediglich infolge der Ver-
dünnung allein eine Zustandsänderimg im Gase Platz greift,
504 Sitzung der tMsthrphys, Ciasee vom 5, November J898,
wie sie Herr Bohr beim Sauerstoff beobachtete,*) so dass fĂĽr
diese Drucke das Boyle-Mariottesche Gesetz nicht mehr gilt,
bleibe vorläufig dahingestellt.
Mit diesen Unregelmässigkeiten dürfte es zusammenhängen,
dass der ausgezeichnete Wert von E bei einem andern Drucke
liegt, als die Maxima bezw. Minima von i und V, mit denen er
sonst stets zusammenfallt; gleiches gilt beim Leuchtgas.
Beachtet man, bei welchen Drucken fĂĽr die verschiedenen
Gase die Umkehr eintritt, so erkennt man deutlich, dass die-
selben in der That aufs engste mit der Verbreitung der Gliram-
lichtgebilde bei fortschreitender Evacuation zusammenhängen;
diese ist bei Wasserstoff bekanntlich am schnellsten. Hier
haben die Glimmlichtspitzen zuerst die Rohrmitte erreicht, die
Begegnung und damit die Umkehr tritt schon bei ^ = 2,15
ein; viel langsamer geht das VorrĂĽcken bei Luft, Kohlenoxyd
und Kohlensäure, schneller wieder bei Leuchtgas vor sich, bei
dem Wasserstoff ein Hauptbestandteil ist.
Dass aber beide Erscheinungen mit den molecularen Eigen-
schaften der Gase aufs innigste zusammenhängen, geht weiter
daraus hervor, dass die „Umkehrdrucke** ungefähr im Verhält-
nisse der mittleren freien Weglängen der verschiedenen Gase
zu einander stehen. Um dies zu erkennen, hat man die Zahlen
der Tabellen graphisch darzustellen, wobei man die wahre Lage
der Curvenmaxima und Minima besser ĂĽbersieht (beim Eva-
cuieren wird man ja nur in seltenen Fällen den Umkehrdruck
genau treffen, die im Satze hervorgehobenen Zahlen liegen also
immer nur in der Nähe der ausgezeichneten Punkte selbst).
Da sich die Stromstärke i in der Nähe ihres Maximalwertes
nur sehr wenig mit dem Drucke ändert, so ist zur Erkennung
und Verfolgung der Lage des Unikehrdruckes die Spannung V
hier wie in allen folgenden Tabellen viel geeigneter, da sie
sehr stark mit dem Drucke variiert, auch in der Nähe des aus-
gezeichneten Punktes. Trägt man für die Tabellen 1 — 4 die
Drucke als Abscissen, die Spannungen V als Ordinaten in ein
1) Chr. Bohr, Wied. Ann. 27, p. 459, 1886.
H, Ebert: Gasentladungen,
505
Cioordinatensysiem ein, so entnimmt man den ausgeglichenen
Curven die mit RĂĽcksicht auf den allgemeinen Curvenverlauf
folgenden Werte fĂĽr die wahren Umkehrdrucke ĂĽ, neben die
die entsprechenden mittleren freien Weglängen X in. Milliontel
Millimetern für |> = 760 mm und die Verhältnisse beider Zahlen
gesetzt sind.
Tabelle da.
ĂĽ
Wassers toflf
1,80
185
Luft
0,9G
95
Kohlenoxyd
0,99
98
Kohlensaure
0,75
68
103
99
99
90
Eine vollständige Uebereinstimraung ist nicht zu erwarten,
schon weil l nicht ganz von der Temperatur unabhängig ist,*)
die in den einzelnen Fällen gewiss eine sehr verschiedene war;
vergl. übrigens auch § 6 am Ende.
Da die freie Weglänge umgekehrt proportional dem Gas-
drucke zunimmt, so kann man die hier gefundene Thatsachc
auch so ausdrĂĽcken: Die zeitlich nach einander erfol-
gende Begegnung der Glimmlichter an derselben Rohr-
stelle (der Rohrmitte), und damit die Umkehr im Gange
von Stromstärke, Spannung (und Wattconsum) findet
in dem Momente der fortschreitenden Evacuation statt,
in welchem die mittlere freie Weglänge der verschie-
denen Gase die gleiche geworden ist.
Schon dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass eine Art
DiflFusionsvorgang im Spiele ist.
Die Umkehr tritt oft bereits ein, wenn die dunklen
Trennungsräume, welche sich zwischen die äussersten Glimm-
lichtspitzen und das Ende der Anodenlichtsäule einschieben,
bei dem Wechsel der Entladungsrichtung an identische Stellen
des Rohrs gelangen. In der That verhält sich ja dieser Glimm-
») 0. E. Meyer, Die kinetische Theorie der Gase, 1. Aufl., p. 121, 1877.
506 SĂĽeung der mcUK-phys, Glosse vom 5. November 1898,
lichtraum wie der von den Glimmlichtstrahlen selbst durch-
leuchtete Teil; er zeigt nach Herrn Graham') fast dasselbe
negative Potentialgefälle und ist wie dieser mit freier positiver
Elektricität erfüllt; Herr Graham betont, dass sich dieser
Dunkelraum seinem Wesen nach nicht von dem durch Glimm-
licht erhellten Räume unterscheidet; er ist ja in Wirklichkeit
auch gar nicht völlig dunkel, sondern sendet wirksame Strahlen
aus, wie Herr Varley*) auf Grund photographischer Unter-
suchungen wahrscheinlich gemacht hat.
2. Vergleich enger und weiter Röhren mit einander. —
Hängt die Umkehrungserscheinung in dem Gange der elek-
trischen BestimmungsstĂĽcke der Gasentladungen wirklich mit
der Ausbreitung der Glimmlichterscheinungen zusammen, so
musste diese Umkehrung bei tieferen Drucken eintreten, wenn
die von GlimmHcht durchsetzten Gasmassen nicht wie bei den
cylindrischen Röhren der Fig. 1 auf einen verhältnismässig
engen Raum zusammengedrängt wurden, sondern wenn ihnen
wie bei der Röhre Fig. 2 Gelegenheit geboten wurde, sich
namentlich in der Nähe der Elektroden weiter zu verbreiten.
Um dieses zu prüfen, wurde ausser der oben benutzten Röhre B
Fig. 1 eine zweite Röhre D von der Gestalt der Fig. 2 an die
/
Fig. 2.
Pumpe angeschmolzen; beim Evacuieren wurde durch eine
Wippe abwechselnd der einen, dann der anderen der Hoch-
^) William P. Graham, Inaug. - Diss. , Berlin, 2., p. 81, 1897.
Wied. Ann. 64, p. 17, 1898.
2) C. F. Varley, Proc. Roy, Sog. 19, p. 238, 1871.
H, Ebert: Gasentlculupigen.
507
frequenzstroni zugeführt. Bei Röhre D befinden sich die beiden
3,2 cm im Durchmesser haltenden Elektrodenscheiben EE aus
Aluminium innerhalb kugelförmiger Elektrodenräume von 8,5 cm
Durchmesser, so dass rings um die Elektroden noch mindestens
2,6 cm freier Kaum bis zur Rohrwandung ĂĽbrig bleibt; die
beiden Elektrodenräume sind durch ein ca. 4 cm weites und
nur 6 cm langes cylindrisches Rohr mit einander verbunden,
so dass ca. 14,5 cm Elektrodenabstand resultiert. Die Räume
der Röhren D und B verhalten sich demnach ungefähr wie
7:1, der Elektrodenabstand ist dabei in D noch etwas kleiner
als in B.
In den Tabellen 6 — 8 ist durch die Stellung der Zahlen
der Umkehrdruck für beide Röhren hervorgehoben. In der
weiteren Röhre D kommen immer grössere Stromstärken zu
stände, die Elektrodenspannung ist geringer als in der engeren
(und dabei etwas längeren) Röhre B; der Energieverbrauch ist
in der letzteren grösser.
Tabelle 6, Stickstoff.
Röhre D.
p
3,45
2,01
1,02
1
1
0,63
0,53
0,33
d
0,7
1,6
1,9
1
2,7
: 3,96
•
14,62
17,66
19,00
!
Max.
19.23
18,78
V
632
464
887
Min.
390
424
E
9,25
8,19
7,36
Min.
7,51
7,97
Röhre B.
p
3,40
1,98 1,07
1,00
0,66
0,34
d
0,6
1,4 1 1,8
2,7
4,0
•
t
10,88
14,12 16,03
Max.
15,39 1
13,80
V
843
656 570
Min.
606
691
E
9,17
9,26 9,14
Min.
9,33
9,54
•
508 Sitzung der mathrphya. Glosse vom 5. November 1898.
Man sieht, dass, während sich die Umkehr in dem engen
cylindrischen Rohre B bereits bei einem Drucke von p ca.
1,00 mm vollzog, dieselbe in dem viel weiteren Rohre D erst
bei dem erheblich tieferen Drucke von etwa 0,63 mm, d. h.
nach dem nächsten Pumpenzug eintrat, bei dem der Dunkel-
raum um ca. 0,8 mm vorgerĂĽckt war.
Ganz ähnlich verhält sich Luft.
Tabelle 7. Luft.
Röhre D.
1>
2,06
1,24
0.61
(0,60)
0,47
0,27
0,19
d
1,2
1,8
2,4
3,1
4,6
7,0
•
1
19,60
20,40
20,46
Max.
20,25
19,15
17,66
V
S84 346
846
Min.
367
427
505
E
7,53
7,09
Min.
7,44
8,18
8,92
Röhre B.
p
2,08
1,24
(1,00)
0,60
0,47
0,27
0,19
d
1,2
1,7
2,9
4,0
6,0
8,0
m
%
16,11
16,74
Max.
16,39
15,58
13,71
11,90
V
608
529
Min.
559
614
707
835
E
9,19
8,86
Min.
9,16
9,57
9,69
9,94
Bei SauerstoflF zeigen die Umkehrpunkte dieselbe Anord-
nung, nur sind sie bei beiden Röhren zu etwas höheren Druck-
werten aufgerĂĽckt; man kann dies nach dem Vorigen als eine
Folge der etwas grösseren molecularen Weglängen in diesem
Gase betrachten.
Tabelle 8. Sauerstoff.
Röhre D.
p
2,77
1,33
1,21
(1,20)
1,19
0,92
0,58
0,58
d
0,6
1,2
1,3
1,5
1,5
2,4
2,5
•
20,95
1
21,43
21,63
21,63
Max.
21,70
20,88|20,82'
V
377
1
1 â– 1
343
332
Min.
335
335
371 1 374!
E
7,91
i
<
1
7,35
1
7,17
Min.
7,26
7,28
7,76
1 ^'^^i
0,
4
19,
H. Ebert: Oasentladungen.
509
Röhre B.
2,75
1,80
(1,70)
i;82
1,24
1,21
0,98
0,89
0,58
0,54
0,27
0,5
0,7
1,1
1,3
1,3
1,5
1,7
2,4
2,4
4,4
19,53
19,74
Max.
18,46 17,82
17,58
17,91
17,74
17,66
17,17
14,82
447
483
Min.
502
527
531
536
550
566
579
709
8,73
8,55
Min.
9,28
9,39
9,35
9,60
9,76
9,99
9,94! 10,51
Bei den ĂĽbrigen daraufhin untersuchten Gasen, namentlich
WasserstoflF, ist der Unterschied in dem Verhalten beider Ent-
ladungsräume nicht so scharf markiert. Für die grosse Weg-
länge dieses Gases und die schnelle Ausbreitung, welche die
Eathodenschichten hier erfahren, ist der Kaumunterschied in
beiden Fällen noch zu unwesentlich.
3. Vergleich verschieden langer, aber gleichweiter
Cylinderröhren. — Hat es hiemach den Anschein, dass die
Umkehr in dem Verlauf von Stromstärke- und Spannungs-
werten durch Vorgänge bedingt wird, welche von der Kathode
ausgehen, in deren Nähe andauern und sich durch eine Art
von Diffusion weiter verbreiten, so muss dieselbe bei längeren
Röhren und grösserem Elektrodenabstande bei tieferen Drucken
eintreten als bei kurzen Röhren von gleichem Querschnitte, in
denen die veränderten Gasschichten — durch die Rohrwände
zusammengehalten — schön bei höheren Drucken von beiden
Seiten her vordringend die Mitte erreichen. Dies wurde mittels
zweier gleichzeitig mit der Pumpe in Verbindung stehenden
gleichweiten cylindrischeu Entladungsröhren von der Form der
Figur 1 geprüft, von denen die eine, Röhre A, 33,9 cm Elek-
trodenabstand, die andere zwei gleichbeschaffene Elektroden
besass, welche aber nur 16,8 cm, also sehr nahe halb so weit
von einander abstanden, Röhre B. Beide Röhren wurden rasch
hinter einander bei denselben Drucken und bei identischer Gas-
fĂĽllung untersucht.^)
^) Wie Herr Warburg nachgewiesen hat, ändern schon sehr ge-
ringe Spuren fremder Beimischungen das Kathodcngefalle ausserordent-
lich; da der grösste Teil des gesammten Spanuungsabfalles aber hier
510 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 5. November 1898.
Täbdle 9a, Luft.
Röhre A.
d
1.0
1,5
1
1,8
2,3
2,4
8,0
8.2
6,0
6,2
•
12,89
13,37
13,89
13,89
13,76
13,89
18,76
13,56
13,37
V
1600
1 1280 ' 1104
1024
1015
1041
1033
1092
1076
E
19,88
17,11 \ 15,38
14,21
14,37
14,45
14,21
14,83
14,37
Umkehr
Röhre B.
•
t
14,15
13,50
13,63: 18,76 1 13,76
14,02
11,02
13,68
13,95 13,89
V
903
801
801
754
787
773
804
837
919 : 973
E
12,77
10,81 10,92
1
10,37
10,85 1 10,83 1 11,27
11,40
12,82 13,52
ĂĽmkehr-
1
Seh
ichten
1
Diese Beobachtungsreihe zeigt namentlich bei der langen
Röhre A grosse Unregelmässigkeiten, wie sie gerade bei Luft
sehr häufig sind. Zwischen den mit 2,3 und 2,4 überschriebenen
Beobachtungen war nicht evacuiert worden, sondern die Röhren
waren längere Zeit unbenutzt gewesen; man sieht, dass Ver-
änderungen Platz gegriffen hatten, welche den regelmässigen
Gang der folgenden Werte beeinträchtigten. Die deutliche
Umkehr trat bei dem längeren Rohre aber erst drei Eva-
cuationen später auf. Zur Controle wurde die Beobachtungs-
reihe in dem charakteristischen Teile wiederholt.
Tabelle 9h,
Luft.
Röhre A.
d
2,5
3,0
4,0 4,5
•
%
13,76
13,82
13,89
13,09
V
1059
1013
1007
1042
E
14,66
14,01 j 13,98
13,66
t
1
[Jmkehr
auf dieses kommt, so zeigen im Allgemeinen verschiedene FĂĽllungen
desselben Gases in demselben Rohre nicht immer genau die gleichen
Werte der Grössen i, V und E,
H. Ebtrt: Gasentladungen.
11
Röhre B.
•
13,63
18,68
18,87
18,87
V
765
801
884
889
K
10,42
10,92
11,16
11,21
Umkehr
Hier kommt die spätere Umkehr in dem längeren Rohre
ganz deutlich zum Ausdruck.
Tabelle 10. Wasserstoff.
Röhre A.
p
8,06
2,04
1,87
0,96
0,72
0,64
0,40
d
1,6
2,0
2,8
4,0
5,0
5,6
7,0
•
12,40
12,40
12,40
12,40
12,11
12,11
12,40
V
1568
1276
1104
1024
1019
1024
1104
E
19,26
16,81
18,69
12,70
12,88
Umkehr
12,40
13,69
Röhre B.
•
t
18,28
12,64
12,64
12,11
12,40
12,40
V
801
715
767
(767)
1027
(928)
E
10,60
8,96
Umkehr
9,62
(9,29)
12,73
(11,45)
12,64
(967)
(12,13)
Die letzte Reihe ist in den Spannungswerten und damit in
den J5- Werten durch kleine Unregelmässigkeiten etwas entstellt;
worauf es hier allein ankommt, die Aufeinanderfolge der Unikeh-
rungen, geht aber dennoch mit genĂĽgender Sicherheit hervor.
Tabelle 11. Stickstoff.
Röhre A.
V
2,81
1,91
1,28
0,93
0,65
0,46
0,30
d
0,6
1,5
2,1
2,5
3,5
4,0
6,0
i
11,06
12,18
12,65
12,97
12,80
12,80
12,97
V
1768
1472
1264
1114
1089
1083
1128
K
19,41
17,86
16,99
14,46
18,80
13,28
Umkehr
1 14,63
1898. SiUungtb. d. math.-phys. Ol.
84
512 Sitzung der mathrphys. Classe vom ri, November 1898,
Röhre B.
•
1
12,80
12,97
12,97
12,97
12,97
12,97
12,97
V
1051
901
796
743
737
812
984
E
13,46
11,69
10,33
9,64
9,67
Umkehr
10,53
12,77
Dem Umstände entsprechend, djiss die Umkehr in dem
längeren Rohre ei*st bei erheblich tieferen Drucken eintritt,
zeigen sich hier auch die Schichten erst sehr viel später als
in dem mit ihm in Communication stehenden kĂĽrzeren Rohre.
Beide Erscheinungen, Umkehr und Schichtenbildung, machen
ganz den Eindruck, als beruhten sie auf einer Art Stauwirkung;
das vollkommen entsprechende Verhalten derselben in vorliegen-
dem Falle macht diese Anschauung nur noch wahrscheinlicher.
Bei den sehr schnellen, aber verhältnismässig rasch ge-
dämpften Schwingungen des Lecherschen Systems war die Be-
grenzung der Dunkelräume bei kürzeren cylindrischen Rohren
immer prägnanter als bei längeren, wo sie merklich unschärfer
war.*) Bei den hier verwendeten ungedämpften Wechselstrom-
schwingungen war dies nicht der Fall.
Auch bei den sogleich zu beschreibenden Versuchen mit
einer beweglichen Elektrode behielten beide Dunkelräume ihre
scharfe Grenze gegen die Glimmlichter bei allen Abständen
der Elektroden von einander bei.
4. Versuche mit einem Cylinderrohre mit einer fest-
stehenden und einer beweglichen Elektrode. — Die die
Umkehr von Stromstärke, Spannung und Energieconsum be-
dingenden Vorgänge scheinen nach dem Vorhergehenden ihren
Sitz in dem ganzen Glimmlichtraume bis in den vorderen, un-
sichtbaren Saum desselben hinein zu haben. Es musste von
entscheidender Wichtigkeit sein, diesen Schluss in demselben
Entladungsraume bei demselben Drucke und der gleichen Gas-
füllung an einem Rohre zu prüfen, welches gestattete, während
der Entladung selbst die vorderen Punkte der Glimmen t-
*) H. Ebert und E. Wiedemann, Wied. Ann. 50, p. 239, 1893.
H. Ebert; Gasentlacliiiigen.
513
laJuiig gegen einander zu führen und so bei denselben äusseren
Kn 1 1 nd II ngsbedio jungen, nnmentlicli bei demselben Drucke
jene eigentĂĽmliche Umkehr nach WillkĂĽr hervorzurufen. Die
Olinimlichtgebilde folgen ihrer Kathode,
an der sie angeheftet zu sein scheinen ;
die die Umkehr herbeifahrende Wir-
kung niusste also lediglich durch Ver-
kĂĽrzung des Elektrodennbstandes her-
beizufĂĽhren sein.
Um dies zu bewerkstelligen, wurde
eine Anordnung mit einer festen und
einer beweglichen Elektrode benutzt,
wie sie ähnlich schon von Herrn H.
W. Wood boschrieben worden ist.')
Du.s 3, ,5 cm weite, 30 cm lange
cylindrische Rohr Ä Fig. 3 trägt oben
die feststehende Elektrode E, (Kreis-
Hcheibe aus Aluminium von 2,7 cm
Durchme.sser) ; die Stromzuleitung go-
scliieht von oben her mittels des an-
gesetzten Quecksilbernapfcbens a, um
Funken strecken zu vermeiden; durch b
steht diLS Uohr A dauernd mit der
Quecksilberluftpumpe in Verbindung.
Unten trägt es den weiten Schliff S,
an dem das 14 mm weite, 80 cm lange
vertikale Hohr R angesetzt ist. Durch
S kann die untere, ebenfiills 2,7 cm
im Durchmesser haltende Elektrode K^
eingefĂĽhrt werden, welche von einem
Glasröhre r getragen wird, welches
durch H hin durchgefĂĽhrt und das unten
I;'- förmig umgel)ogen ist. Die Zu-
leitung geschieht mittels eines durch r
Fig. 3.
') K. W. Wood, Wieil. Aim. G
514
Sitzung der mathrphys, Classe vmn 5. November 1898.
hindurchgezogenen Kupferdrahtes, der oben bei c an einem Platin-
draht hart angelötet ist; auf diesen wird der Aluminiumstiel l der
Elektrode E^ fest aufgedrĂĽckt, so dass ein vollkommen metallischer
Contact besteht. Bei c liess man das Rohr r vor der Gebläselainpc
zusammenfallen, bis sich das Glas allseitig dicht an das Platin
anlegte; so wurde hier ein völlig gasdichter Abschluss erzielt.
Das untere Ende des Rohres B taucht in das mit Queck-
silber gefüllte, oben napfartig erweiterte Standgeföss S, welches
von einem in der Schwarzblechwanne W befindlichen Holz-
klotze K gehalten wird. Wird Ă„ durch b hindurch evacuiei-t,
so steigt das Quecksilber in i2 in die Höhe und bildet einen
Barometerabschluss, der dem Rohre r dennoch völlige Bewegungs-
freiheit gestattet. Mittels desselben kann die Elektrode E^ in
jede beliebige Höhe gebracht und durch Festklemmen des Rohres r
bei fin dieser erhalten werden; der Zeiger Z gestattet auf einer
Skcila H den Elektrodenabstand E^E^ = a direkt abzulesen.
Damit an dem Schliffe S eine völlige Dichtung bei An-
wendung möglichst geringer Mengen von Fett und dergleichen
erzielt wird, ist von unten her um denselben herum der Glas-
becher J mittels Kautschuckstopfens befestigt, der mit Queck-
silber gefĂĽllt wird, welches durch e wieder abgelassen werden kann.
Die Resultate der mit diesem Apparate angestellten Be-
obachtungsreihen enthalten die folgenden Tabellen.
Tabelle 12, Luft.
d
1
1,6
2,2
8,2
5,0
i
7,5 j 10,0
rt = 22 cm
i : 11,50 11,65
12,96
18,63 14,02
14,02
13,89
18,68 ! 13,76
V 1826 1782
1812
846
759
734
794
992
1208
-fc/i 20,94 '20,18
17,00
11,53
10,64
10,80
11,08
13,52
16,62
Umkehr
a — 12 cm
t 18,23
14,02
14,02 , 14,02
14,02 1 14,15
13,89
14,27
V 107Ăś ,
819
578 541
585 \ 746 1015 1240
E
14,23
11,49
8,10
7,58
8,20 I 10,64 ; 14,09
17,6S
:
Umkehr
1
a = 2 cm
•
14,02
14,40
14,27
14,15
14,27
14,15 13,76
14,27
V
430
406
351
396
497
716 ! 996
1193
E
6,04
5,84
5,02
5,60
7,09
10,11
13,71
17,08
Umke
hr
H, Ehert: Gasentladungen.
515
TaheUe 13, Wasserstoff.
V
4,89
2,89
1,94
1,28
0,85
0,59
0,48
d
1,0
2,0
8,0
8,5
4,2
6,5
6,6
a = 22 cm
m
I
12,54
12,25
12,82
12,68
12,82
12,68
12,54
V
1088
851
726
679
706
778
880
E
18,58
10,42
9,81
8,61
9,05
Umkehl
9,80
•
11,04
rt = 12 cm
•
12,96
12,82
18,09
12,96
12,82
18,09
12,96
V
679
556
521
525
588
676
817
E
8,78
7,12
6,88
Umkehl
6,81
•
7,54
8,85
10,58
a= 2 cm
m
i
18,87
18,28
18,09
12,96
18,09
18,09
18,87
V
868
846
880
421
517
642
781
E
4,85
4,57
ĂĽmkehi
4,97
•
5,45
6,77
8,40
10,48
Tabelle 14. Stickstoff.
P
2,85
1,91
1,25
0,82
0,54
0,86
0,26
d
1.0
1.6
2,0
2,7
4,0
6,5
8,0
a — 22 cm
m
%
12,18
12,80
12,80
12,47
12,65
12,66
12,47
V
1119
925
849
740
720
791
966
E
18,58
11,89
10,45
9,28
9,11
Umkehi
10,00
•
12,03
a - 12 cm
•
%
12,65
12,47
12,47
12,47
12,80
12,65
12,47
V
667
567
509
588
592
728
984
E
8,48
7,07
6,85
ĂĽmkehi
6,65
•
7,58
9.14
12,27
rt = 2 cm
•
18,13
12,80
12,80
12,65
12,65
12,97
12,65
V
821
388
868
411
518
694
980
E
4,21
Um kehl
4,27
•
4,65
5,20
6,49
9,00
11,76
Die Tabellen 12 — 14 lassen übereinstimmend den folgenden
Gang der Erscheinung deutlich erkennen : Bei demselben Drucke
wird die Stromstärke um so gnisser, je näher die Elektroden
einander kommen, die Spannung sowie der Wattconsum werden
516 Sitzung der math.-phys. Glosse vorn 5. November 1898,
kleiner.*) Dies ist ohne Weiteres verständlich, denn mit ab-
nehmendem a wird die zum Leuchten zu bringende Gassäule
und damit die Widerstandsstrecke kĂĽrzer; doch besteht augen-
scheinlich keine einfache Beziehung zwischen der auf die 10 cm,
um welche Länge die Gassäule je zweimal verkürzt wurde,
entfallenden SpannungsdifiFerenz und der Stromstärke, etwa wie
bei dem Ohmschen Gesetz ; der Widerstand des Gases ist selbst
wieder von der letzteren abhängig; auch sind die Spannungs-
abfalle auf den beiden gleichlangen Strecken, um die die Säule
verkĂĽrzt wurde, nicht einander gleich, was darauf hinweist,
dass die einzelnen Teile der Säule in ihren Widerstandsverhält-
nissen einander sehr ungleichwertig sind.'^) Die Zahlen zeigen
aber ferner die folgenden, fĂĽr unseren Zweck wichtigeren Eigen-
tümlichkeiten: Bei grossen Elektrodenabständen tritt die Um-
kehr ganz in Uebereinstimmung mit § 2 und 3 bei viel tieferen
Drucken ein als bei kleinen Abständen. Wenn ferner beim
Annähern der beweglichen Elektrode auch die Spannung sinkt,
die Stromstärke wächst, so geht dies doch immer langsamer
vor sich, je näher die Glimmlichter einander rücken. Für die
Spannung tritt dies am deutlichsten hervor, vergl. Tabelle 15.
Es findet eine RĂĽckstauung statt. Ja, bei der Begegnung der
Glimmlichter, in der Nähe der Umkehrdrucke kann die Spann ungs-
abnahme in Folge der Annäherung sogar durch die von der
Begegnung bedingte Spannungssteigerung ĂĽberwunden werden,
so dass die Spannung bei nahen Elektroden gleich oder sogar
noch grösser ist als diejenige bei grösserem Elektrodenabstande.
Analoges gilt Itlr die Stromstärke. In den Tabellen sind die
Werte, welche diese Stauwirkung ganz besonders gut veran-
schaulichen, fett gedruckt. Man sieht, dass sie sich durchaus
um die Umkehrdrucke gruppieren und erst häufiger werden,
nachdem die Begegnung stattgefunden hat. Zu beachten ist
^) Wie aus der Vergleichung der d- und der a -Werte hervorgeht,
wurde eine so «»"rosse Annäherung der Elektroden, dass die eine in den
Dunkelraum der anderen eindrang, wobei sich ausserordentliche Spannungs-
flteigemngen ergeben, vermieden.
2) Vergl. auch Ed. Kiecke, Wied. Ann. 63, p. 227, 1897.
H. Ebert: Gasentladungen.
517
TaheUe 15,
Luft d
1,5
2,2
8,2
5,0
7,5
10,0
a = 22om Fj
1826
1732
1312
846
759
734
794
992
1208
rt = 12 cm V2
1076
819
678
541
686
746
1015
1240
a= 2 cm F3
430
406
351
396
497
715
996
1193
v,-v.
760
493
268
218
149
48
28
-82
V2--V,
646
418
227
145
88
31
19
47
1
H, \ p
4,39
2,89
1,94
1.28
0,85
0,59
0,43
d
1,0
2.0
3,0
3,5
4,2
5,5
6,5
a = 22cm K,
1083
851
726
679
706
773
8S0
a — 12 cm ^ K3
679
556
521
625
588
676
817
a = 2 cm ' T^3
363
346
380
421
517
642
781
r,-r, 1
404
295
205
154
118
97
63
!
816
210
141
104
71
84
36
1
2,86
1,91
1,25
0,82
0,54
0,36
0,26
' d
1,0
1,5
2,0
2.7
4,0
6,5
8,0
a = 22 cm /Ti
1119
926
849
740
720
791
965
a= 12cDi Vi
667
567
509
533
592
723
984
a = 2 cm Kg
321
333
363
411
513
694
930
V,-l\
462
358
340
207
128
68
19
y^-y, '
316
234
146
122
79
29
54
dabei immer, daas es sich um eine Durchdringung nur der
Glimmlichter, niclit aber der Hittorfschen Dunkelräume handelt,
und dass die Durchdringung desselben Raumes zeitlich nach-
einander stattfindet. Auch treten die Umkehrungen immer
schon bei so hohen Drucken und so kleinen d auf, dass die
Anoden der jedesmaligen Entladungen bei den hier eingehal-
tenen Abständen a noch vollkommen ausserhalb ihrer eigenen
zugehörigen Glimmlichter liegen, wie schon das Vorhandensein
einer merklich ausgedehnten Anodensäule und die (^ontrole im
Drehspiegel erkennen lassen. Das Phänomen ist also nicht
etwa auf die bekannte, in neuester Zeit von Herrn Weh nelt*)
•) A. Wehnelt, Wicd. Ann. 65, p. 521 f., 1898.
518 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 5. November 1898.
durch Messungen genauer verfolgte Potentialsteigerung zurĂĽck-
zufĂĽhren, welche eintritt, wenn man die Anode durch ihr
eigenes Glimmlicht hindurch gegen den Dunkelraum der der
gleichen Entladung angehörenden Kathode voranschiebt.
5. Verhalten gekreuzter Entladungen. — Bei allen
bisher verwendeten Entladungsröhren lagen sich die Elektroden
direkt gegenĂĽber und es war die eine von der anderen aus
sichtbar; jede Elektrode wird also, auch wenn sie Anode ist,
von Kathodenlicht getroffen. Nun ist bekannt, wie stark elek-
trische Entladungen, namentlich in gasverdünnten Räumen
durch die von der Kathode ausgehenden Strahlungen, das ultra-
violette Licht der Glimmlichtstrahlen, bei tiefen Drucken durch
die Kathoden- und Röntgenstrahlen beeinflusst werden. Es war
demnach zu untersuchen, ob die oben beschriebenen Ergebnisse
eine Modification erfahren, wenn die Elektroden so angeordnet
werden, dass sie sich nicht direkt gegenĂĽber stehen und die
genannten Strahlungen nicht von einer zur anderen ĂĽbergehen
können, wofür schon das Dazwischentreten der Glaswände des
Rohres selbst genĂĽgt. Insbesondere war zu prĂĽfen, ob die
beschriebene Umkehr nur eintritt, wenn die Glimmlichtstrahlen
gegen einander geschickt werden, oder ob die spannungs-
steigernde Wirkung auch eintritt, wenn diese Strahlen etwa
rechtwinklig gegen einander verlaufen.
Um beide Fälle bei demselben Drucke in dem gleichen
Entladungsrohre direkt mit einander vergleichen zu können,
wurde das Kreuzrohr Fig. 4 verwendet, welches aus vier recht-
winkelig gegen einander stossenden, je 10 cm langen, 2,5 cm
weiten Cy linderröhren besteht; alle vier Arme tragen genau
gleiche Scheibenelektroden von 2,0 cm Durchmesser, welche
so genau als irgend möglich gleich weit (6,5 cm) von dem
Kreuzungspunkte der Rohraxen entfernt angebracht sind.^)
*) Das Rohr ist mit grosser Sorgfalt in dem glastechnischen Institut«
von Louis MĂĽller-Unkel , jetzt MĂĽller-Uri in Braunschweig hergeBt-ellt
worden und hat auch bei genauester PrĂĽfung keine Ungleichartigkeit
seiner einzelnen Teile erkennen lassen.
H, Ebert: Oasentladungen,
519
Die Rohraxen liegen in einer Ebene; senkrecht zu derselben
verläuft das zur Evacuation angesetzte Biegerohr (b).
Schliesst man die Punkte ab oder cd a,n den Hochspannungs-
transformator an, so wirkt der Entladungsapparat wie eine der
bisher benutzen cylindrischen Röhren; werden ac, cb, bd oder
da angeschlossen, so erhält man gekreuzte Glimmlichter.
Sowie die Glimmlichter von irgend einer Seite her
bis zur Mitte bei den aufeinander folgenden Phasen
1
der Wechselstromentladungen vordringen, tritt die Um-
kehr ein, gleichgiltig, ob einander gegenĂĽber liegende
Elektroden benutzt werden, oder die Entladungsbahneu
sich kreuzen.
Die Abweichungen der gemessenen [elektrischen Grössen
bei dem einen oder anderen Entlad ungswege von einander liegen
stets innerhalb der Grenze der unvermeidlichen Beobachtungs-
fehler. Es sind also nicht die Glimmlichtstrahlen selbst.
520 Sitzung der math.-phya. Classe vom 5. November 1898.
etwa eine Art Nachleuchten derselben, welche die Erscheinung
bedingen, sondern eine nachdauernde Veränderung in
dem von ihnen durchstrahlten Gasraume. Auch auf die
llolle, welche man den Wandladungen der Röhre hierbei zuzu-
schreiben etwa geneigt sein könnte, werfen die genannten
Versuche Licht. Diese Ladungen mĂĽssen oflFenbar im Falle
gekreuzter Entladungen wesentlich anders verteilt sein, als in
dem Falle direkter Entladungen, wie sie in den fiĂĽher be-
nutzten Röhren vorliegen.
6. Zwei gleiche GylinderrOhren in Parallelschaltung. —
Mit Hilfe der Spannungssteigerung in Folge von Vorgängen
bei der Entladung selbst innerhalb desselben Rohres musste es
möglich sein, eine Art Auto-Ventilwirkung zu erzielen,
d. h. die Entladung zu veranlassen, sich selbst von einem von
ihr bisher allein eingenommenen Entladungswege abzudrängen
und z. T. in einen parallel geschlossenen mit hinĂĽber zu gehen.
Dieser Versuch gelang.
Zwei einander vollkommen gleiche Cylinderröhren Fig. 1
R^ und R^ werden neben einander nach dem Schaltschema Fig. 5
in den Hochspannungswechsel-
stromkreis eingeschaltet ; die
von dem Transformator TT
kommenden Kabel wurden zwi-
schen beiden Röhren so ver-
zweigt, dass beiden der Strom
durch kurze gleichlange und
gleichdicke Leitungen von bei-
den Seiten her zugefĂĽhrt wurde.
Diiss sowohl die Röhren wie die Zuleitungen zu beiden wirk-
lich als fast vollkommen identisch betrachtet werden konnten,
wurde daran erkannt, dass bei höheren Drucken bald die eine,
bald die andere Röhre aufleuchtete, ohne dass eine derselben
irgendwie in auffallender Weise bevorzugt wurde. ^)
Ă„,
3
2(6^
It.
^
Fig. 5.
*) Bei Füllung mit Luft und im Anfange, als die Röhren eben frisch
au die Pumpe angesetzt worden waren, konnte der sehmale röthliche
H. Ebert: Gasentladungen. 521
Bei tieferen Drucken wurde die Verteilung der Entladung
insofern stabiler, als die Entladung bei Stromschluss immer
mehr dasjenige Rohr bevorzugte, welches schon vorher ge-
leuchtet hatte. In demselben waren die Elektroden warm ge-
worden und es ist bekannt, wie eine Entladung das Eintreten
der nachfolgenden erleichtert, entweder dadurch, dass die Elek-
troden gereinigt und aufgelockert sind, oder durch Bildung von
Jonen (vergl. die Anregbarkeit von elektrodenlosen Röhren in
elektrischen Wechselfeldern). Näherte man sich dem von uns
als „Umkehrdruck* bezeichneten Druckwert, so setzte die Ent-
ladung nach jeder Unterbrechung mit Bestimmtheit immer
wieder in demselben Rohre ein, dessen Elektroden dadurch sehr
heiss gemacht werden konnten. In dem Momente aber, wo
der rotierende Spiegel zeigte, dass die äussersten Glimmlicht-
spitzen nach einander von beiden Seiten her die Mitte des
llohres trafen, begann das andere Rohr regelmässig mit-
zuleuchten, die Entladung ging gleichzeitig durch
beide Rohren. Wiewohl also die Röhre, welche bis dahin
den Ausgleich allein vermittelt hatte, erheblich prädisponiert
war auch zur weiteren StromfĂĽhrung, setzte doch die Ent-
ladung .im genannten Augenblicke in dem anderen Rohre mit
kalten Elektroden und ohne die unterstĂĽtzende Wirkung vor-
hergehender Entladungen ein, augenscheinlich, weil sich in
dem ersten Rohre bei der Begegnung der Glimmlichter die zur
Entladung nötige Spannung erheblich steigert. Es ist hier
wie in allen früheren Fällen, als ob sich in diesem Momente
Lichtfiiden, der von den mit einem bliiulichtm GlimmlichtbĂĽscbel be-
deckten Elektroden nach der Rohrmitte zu sich erstreckte, leicht durch
iiuHsere Ableitungen derart beeinflusst werden, dass die Entladung von
dem einen Rohre auf das andere ĂĽbersprang. Ging die Entladung etwa
durch jKj, so genĂĽgte das Anlegen eines 4 cm breiten Staniolstreifens
an 7^1 in der Nähe der Elektroden, um hier die Entladung sofort er-
löschen und durch B^ hindurch gehen zu lassen. Bei späteren Versuchen,
als die Röhren trockener waren, sich Quecksilberdampf in reichlicherer
Menge von der Pumpe her in sie hineingezogen hatte, zeigten die Ent-
ladungen aurh bei hohen Drucken nicht mehr diese Empfindlichkeit.
522 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 5. November 1898.
der Oasdruck in dem stromdurcMossenen Rohre erhöhe. Dass
diese Druckerhöhung aber nur eine scheinbare ist, wurde durch
sehr häufige Controlen an dem Manometer nachgewiesen; jeden-
falls sind die durch die Entladung von den Elektroden etwa
losgerissenen Spuren von Gasresten bei weitem nicht hinreichend,
um die Umkehr und die im vorliegenden Falle damit in Ver-
bindung stehende Ventilwirkung herbeizufĂĽhren. Durch die
Wirkung schon eines , schwachen transversalen Magnetfeldes
wurde die Entladung in einem Rohre ausgelöscht, angelegte
Ableitungen riefen sie wieder hervor.
Also nicht einfach deshalb, weil ein gewisser Druckwert
erreicht wird, tritt die Umkehr, die Spannungssteigerung und
Stromabnahme ein, sondern, weil sich im Rohre selbst gewisser-
massen elektromotorische Gegenkräfte entwickeln. Denn sonst
wäre kein Grund vorhanden, warum die Entladung auf die
andere Röhre überspringen sollte, in der ja genau der gleiche
Gasdruck herrscht. Durch die Entladung selbst muss also ein
Hindernis geschaflft werden. Das Auftreten der Gegenkraft ist
an den Moment gebunden, wo das Glimmlicht der einen Ent-
ladung gezwungen wird, in einen Raum einzudringen, den
vorher das Glimmlicht einer anderen Entladung, wenli auch
nur zum kleinen Teile, inne gehabt hatte. Der Process der
Auslösung der eigentlichen, sichtbaren Entladung wird dem-
nach in den vordersten Saum des Glimmlichtes verlegt, wo
auch anderweitige Beobachtungen den Sitz des eigentlichen
Ausgleiches beider Elektricitäten vermuten Hessen.
Der genannte Ventil versuch gelingt mit allen Gasen, be-
sonders gut mit Luft, Stickstoff, Kohlensäure und Wasserstoff.
Das Mitleuchten einer parallel geschalteten gleichbeschaffenen
Entladungsröhre giebt ein sehr einfaches und empfindliches
Kriterium an die Hand zur Entscheidung der Frage, wann
man beim Evacuieren bei dem Umkehrdrucke U angelangt ist.
So ergab sich z. B. bei einer Versuchsreihe mit Stick-
stofl' U zu 0,70 mm, bei einer Reihe mit denselben Röhren bei
Füllung mit Kohlensäure zu 0,47 mm. Das Verhältnis dieser
n, Ebert: Gasentladungen, 523
Unikehrdrucke ist 1,49, das ist sehr nahe dasselbe wie das
Verliältnis der freien Weglängen bei demselben Drucke: 1,46.
Hierdurch wird das schon in § 1 ausgesprochene Gesetz bestätigt.
Was die Erkläi-ung des im Vorstehenden nach verschiedenen
Seiten hin studierten Phänomens betrifft, so würde man bis
vor Kurzem wahrscheinlich zu andauernden Aetherbewegungen
gegriffen haben, welche die Kathodenphänomene begleiten sollten.
Seit indessen fĂĽr die Ueberzeugung sichere, namentlich auch
quantitative Anhaltspunkte gewonnen worden sind, dass die
Canal- und Kathodenstrahlen aus positiv bezw. negativ ge-
ladenen kleinsten Teilchen bestehen, die mit grosser Geschwin-
digkeit von den Elektroden los- und in den Gasraum hinein-
geschleudert werden, wird man eher geneigt sein, an das Auf-
treten ähnlicher Teilchen, etwa Jonen, und eine Art Diffusions-
process derselben durch das Gas hindurch zu denken. Die
Production solcher Teilchen muss auch schon bei höheren Gas-
drucken stattfinden, wenn sie hier auch in Folge häufigerer
Zusammenstösse mit den elektrisch neutralen Gasmolekülen
sehr bald ihre grossen translatorischen Geschwindigkeiten ein-
büssen, und daher nicht zu dem Phänomen ausgedehnterer
Strahlungen mit geradliniger Fortpflanzung führen können.
Herr E. Riecke hat eine, wie mir scheint, höchst beachtens-
werte Theorie der Gasentladungen in diesem Sinne angedeutet.*)
Auf Grund der Annahme, dass den unelektrischen MolecĂĽlen
des Gases positive und negative, einwertige Jonen in verhältnis-
mässig kleiner Zahl beigemischt sind, wird es ihm möglich,
auf den Elektricitätsausgleich in den Gasen analoge Betrach-
tungen in Anwendung zu bringen, wie sie ihn zu einer mole-
cularen Theorie der Diffusion und Elektrolyse gefĂĽhrt hatten.
Aus Beobachtungsdaten der Herren Hittorf und War bĂĽrg
leitet er ab, dass die Zeit zwischen zwei Zusammenstössen an
der Kathode für die angenommenen Jonen beträchtlich kleiner
») Ed. Riecke, Wied. Ann. 63, p. 220, 1897.
524 Sitzung der math.-jihys. Classe vom 5. November i89S.
als für die Molecüle neutraler Gase ist. Die mit grösseren als
den mittleren molecularen Geschwindigkeiten behafteten positiv
geladenen Teilchen, deren Concentration an der Kathode relativ
sehr gross ist, und die, wie die Messungen des Potentialgefalles
zeigen, das ganze Glimmlicht erfüllen, müssen verhältnismässig
rasch durch das Gas hindurch diffundieren. Die erhöhte Zahl
ihrer Zusammenstösse mit den Gasmolecülen verhält sich so,
als ob das Gas entsprechend dichter, der Gasdruck grösser wäre.
In der That wirkt die Begegnung der Glimmlichter nach ein-
ander in der Mitte des Rohres ganz im gleichen Sinne wie
eine Druckerhöhung, wie namentlich aus den in § 6 beschrie-
benen Versuchen hervorgeht: Die Spannung wird erhöht, die
Stromstärke herabgedrückt, gerade, als ob man von dem , Um-
kehrdrucke" nicht zu niedrigen Drucken ĂĽberginge, wie es
thatsächlich der Fall ist, sondern zu höheren. Dass die bis
in die vordersten Spitzen des Glimmlichtes vorgedrungenen,
mit freier positiver Ladung versehenen Teilchen, welche hier
eine merkliche räumliche Dichte der + ^ bedingen, auch noch
eine gewisse Zeit lang in dem Gase verbleiben, ehe sie sich
etwa an die Wände anlagern, scheint mit Rücksicht auf die
endliche Diffusionsgeschwindigkeit wahrscheinlich. Eine positiv
geladene Glimnilichtsäule findet aber in einem z. T. mit solchen
+ Jonen bereits erfĂĽllten Gasraume offenbar andere Bedingungen
zu ihrer Ausbildung vor, als in einem nur von neutralen Gas-
molecülen eingenommenen Räume ; dass dazu höhere Spannungs-
werte erforderlich sind, folgt aus der elektrostatischen Ab-
stossung der bereits vorhandenen und der neuen Teilchen,
welche mit einer gewissen Geschwindigkeit durch denselben
Raum getrieben werden sollen.^) Daher die Spannungssteige-
rung bei dem Umkehrpunkte, welche eine Verminderung der
Stromstärke zur unmittelbaren Folge hat. Diese an sich un-
sichtbaren Diffusionsvorgä nge der mit freier Ladung versehenen
*) Da diese relativ stärker bewegten Teilchen nicht zu gleicher
Zeit die leuchtenden zu sein brauchen, so ist nicht zu verwundem, dass
das Spectroskop keine Linienverschiebungen zeigt.
//. Ebcrt: Oasentladungen. 525
und schon bei der ersten Entladung in das Gas hinein-
geschleuderten Jonen haben daher einen maassgebenden Ein-
fluss auf die Ausgestaltung des sichtbaren Teiles der Entladung,
diis Vorschiessen der Qlimmlichtsaule, die AbschnĂĽrung der
Anodensäule u. s. w.^)
So dĂĽrfte die Rieckesche Theorie im Stande sein, eine
Erläuteining der in R^de stehenden Erscheinung zu geben.
Dieselbe tritt hier bei Anwendung des Hochfrequenzstronies
besonders auffallend zu Tage. Die genannten intermolecularen
Vorgänge müssen aber auch bei einer Aufeinanderfolge gleich-
gerichteter Entladungen in Wirksamkeit treten. Erregen
wir durch den Oeffnungsstrom eines Inductoriums, durch eine
Influenzmaschine oder eine Hochspannungsbatterie, so folgt eine
grosse Zahl von Einzelentladungen, — im letzteren Falle viel-
leicht unendlich viele — gleichsinnig aufeinander. Durch jede
einzelne werden + Jonen in den vom Glimmlicht eingenom-
menen Gasraum hineingeschleudert. Daher kann auch hier
bei fortschreitender Evacuation die Umkehrerscheinung auf-
treten, das Spielen der Entladung selbst wirkt wie Druck-
erhöhung, was gelegentlich auch schon beobachtet wurde.
Ebenso ist das hier verwendete Zeitintervall nicht das einzige, bei
dem die Erscheinung beobachtbar ist; da die Ladung der Glimm-
lichtatmosphäre sich längere Zeit, wenn auch mit rasch abnehmen-
der Raumdichte, erhält, so lassen sich deren Wirkungen auch schon
bei langsamerem Zeichen Wechsel nachweisen, deutlicher treten
sie natürlich bei höheren Frequenzen auf, vergl. auch S. 528.
FĂĽr die letztgenannten AusfĂĽhrungen sprechen eine Reihe
von anderweitigen Erfahrungen: 1. Mit Hilfe des hochempfind-
lichen Neesenschen Verdampfungscalorimeters war es den
Herren A. Paalzow und F. Neesen*) gelegentlich ihrer
') Auch Herr A. Righi (Mem. della R. Acc. di Bologna (5), 8,
p. 115, 1803; Beibl. 17, p. 978, 181)3) hält eine Erklärung seiner Resultate
über Sondenj^otentiale durch die Annahme für möglich, dass sich um
jede Elektrode (und hauptsächlich um die Kathode) eine Atmosphäre
von elektrisiertem Gas bildet.
2) A. Paalzow und F. Neesen , Wied. Ann. 56, p. 276 u. p. 700, 1896.
526 Sitzung der mathrphys, Classe vom 5, November 1898.
Untersuchung über den Durchgang der Elektricität durch Oase
möglich, auch die elektrischen Grössen für eine einzige
Entladung bei verschiedenen Drucken zu messen. Betrachtet
man die hierbei erhaltenen, a. a. 0. p. 298 in Tabelle I
zusammengestellten, in Fig. 5 graphisch veranschaulichten
Werte, so erkennt man, dass ein Minimum der Spannung
(durch WjQ gemessen), wie es unserer „Uipkehrungserschei-
nung** entspricht, absolut nicht angezeigt ist. Liessen aber
die genannten Forscher den Strom ihrer Hochspannungsbatterie
während 20 Secunden durch dieselben Entladungsröhren gehen
(p. 298, Tabelle 11, Fig. 6), so trat die Maximumserscheinung
des Stromes, das Minimum der Spannung {W\Q) deutlich her-
vor, vergl. p. 301. Auch die Coincidenz beider Punkte ist
ihnen bei direkten Messungen nicht entgangen, vergl. p. 289.
2. Legt man eine Entladungsröhre an eine ergiebige
Spannungsquelle, so beobachtet man oft, dass die typische Licht-
erscheinung sich nicht sofort herstellt; mitunter erfolgt die
Ausbildung so allmählich, dass man ihre einzelnen Stadien
mit dem Auge verfolgen kann u. s. w. —
Die obigen Andeutungen ĂĽber die Art des Zustande-
kommens der Erscheinung mögen genügen; wichtiger erscheint
mir der Hinweis, dass durch dieselbe eine Reihe frĂĽher beob-
achteter, seither noch der Deutung harrender Phänomene auf
eine sehr einfache Weise erklärt wird; ich führe nur die
folgenden an:
1. Die älteste Beobachtung über eine Nachdauer oder ein
Vorherrschen der Kathodenerscheinung rĂĽhrt wohl von Herrn
A. Schuster^) her. Er fand bei seinen eingehenden Studien
ĂĽber das Sauerstofi'spectrum , dass das fĂĽr die Eathodeu-
erscheinung in Sauerstoff charakteristische Licht bei einer Um-
kehr des Primärstromes des erregenden Inductoriiuns noch eine
Zeit lang andauert an derjenigen Elektrode, welche durch die
Umkehr Anode geworden, vorher aber Kathode gewesen war;
erst allmählich, d. h. nach mehreren Entladungen tritt das für
*) A. Schuster, Phil. Trans. London, 170, P. I, p. 41, 1879.
H, Ebtri: Gasentladungen. 527
die Anodenerscheinung charakteristische Licht an der neuen
Anode auf. Schusters Röhren hatten enge capillare Ver-
bindungsstücke zwischen den Elektrodenräumen, durch die nur
eine verhältnismässig langsame Diffusion hindurch stattfinden
konnte. Wendet man so geringe Wechselzahlen, wie sie sich
beim Inductorium durch Gommutieren eben nur herstellen lassen,
an, so bedarf man enger Capillaren, die den Diffusionsstrom
genĂĽgend verlangsamen, um die Erscheinung hervorzurufen;
bei den 800 — 1000 Wechseln in der Secunde, wie ich sie an-
wendete, erscheint das Schustersche Phänomen in jeder noch
so weiten Röhre.
2. Herr E. Wiedemann und ich selbst^) beobachteten in
dem Hochfrequenzfelde des Endcondensators eines einmal ĂĽber-
brĂĽckten Lecherschen Drahtsystems, dass irgend ein elektroden-
loses, mit verdĂĽnntem Gase gefĂĽlltes, in dem Wechselfelde
leuchtendes Glasgeföss in dem Momente erlischt, in welchem
sich die von beiden Seiten her bei abnehmenden Drucken vor-
rĂĽckenden Glimmlichter in seiner Mitte begegnen. Die Folge
davon war, dass kleinere Entladungsgefasse , bei denen dies
früher eintrat, schon bei höheren Drucken erloschen als grössere,
bei denen die Glimmlichter die den tieferen Drucken ent-
sprechende grössere Ausbreitung annehmen konnten, ehe die
Begegnung stattfand; kästen- oder cjlinderförmige GefUsse
leuchteten länger, wenn sie mit der grösseren Läugskante, als
wenn sie mit der kĂĽrzeren Breitseite den Kraftlinien parallel
gestellt wurden; das Gas leuchtet hell auf, wenn man die eben
sich begegnenden Glimmlichtstrahlen durch einen Magneten
zur Seite biegt, so dass sie nicht mehr zusammentreffen u. s. w.
Wir haben s. Z. diese auffallenden Erscheinungen beschrieben,
ohne im Stande zu sein, fĂĽr dieselben eine befriedigende Er-
klärung zu geben. Dieselbe folgt aus dem Obigen. In dem
Momente der Begegnung beginnt die zum Unterhalten der Ent-
ladung nötige Spannung (genauer gesagt der nötige Spannungs-
gradient) erheblich zu wachsen in Folge der unsichtbaren Nach-
^) H. Ebert und ÂŁ. Wiedemann, Wied. Ann. 62, p. 182, 1897.
1898. SitningBb. d. math.-]>hys. OL 35
528 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 5, November 1898,
Wirkung der eben vorhergehenden sichtbaren Entladung; bei
der sehr viel schneUeren Aufeinanderfolge der Einzelerregungen
bei dem Lecherschen System ist die Spannungssteigerung und
Abnahme der Stromstärke noch viel ausgeprägter als in den
oben angefĂĽhrten Tabellen filr die hier angewendete viel
niedrigere Frequenz. Das Lechersche System stellt aber an
seinem Endcondensator nur eine ganz bestimmte, und zwar
verhältnismässig kleine Spannungsamplitude zur Verfügung.
Folglich muss das in denselben gebrachte Entladungsgefiäss in
dem Momente erlöschen, in welchem erheblich höhere Spannungs-
werte erfordert werden, und dieses findet statt, wenn sich die
Glimmlichter begegnen; dieses wiederum hängt in unmittelbar
ersichtlicher Weise von den Dimensionen der Gefasse ab.
8. Eigentümliche Rückstauungsphänomene der Entladung
hat Herr J. Monckman*) an rechteckig gebogenen Entladungs-
röhren beobachtet, an denen an symmetrischen Stellen die die
Elektroden enthaltenden Räume seitlich angeschmolzen waren,
an Röhren also, welche der Entladung zwei völlig gleichartige
und gleichlange Wege darboten. Wird die Entladung eine
Zeit lang den einen Weg geschickt (Ableitungen bestimmen
den Entladungsweg) und commutiert man, so geht die Ent-
ladung innerhalb gewisser Drucke niemals denselben Weg im
umgekehrten Sinne, sondern schlägt stets den anderen, vorher
nicht betretenen Weg ein. Durch die ersten Entladungen
werden Jonen in den ersten Entladungsweg geschafft, welche
sich durch DiĂ–usion verbreiten und in dem neutralen Gase eine
längere Zeit verbleiben. Dadurch erschweren sie allmählich
immer mehr diesen Weg, sie wirken so, als ob sich hier der
Druck erhöhte. So lange Entladung auf Entladung im gleichen
Sinne folgt, überwiegt die Förderung, welche Erwärmungen
der Gasstrecke u. s. w. auf den Entladungsvorgang selbst aus-
ĂĽben. Wird aber der Entladungsstrom unterbrochen, so ist
es nach der Commutation der Entladung (innerhalb der ent-
sprechenden Druckgrenzen) leichter den anderen Jonenfreien
>) J. Monckman, Cambrid(?e Phil. Soc. 9, P. IV, p. 316, 1897.
H. Hbert: Gasentladungen. 529
Weg zu gehen. Der Versuch hat viel Aehnlichkeit mit dem
in § 6 beschriebenen; dieser lässt freilich die Bedingungen
klarer ĂĽbersehen und messend verfolgen. Da bei den Monck-
m an sehen Röhren auch Ableitungen 6ine grosse Rolle spielen,
so dürften hier die naturgemäss auftretenden, sehr kräftigen
Wandladungen das Phänomen stark mit beeinflussen. Von
diesen sind seine Versuche mit zwei Eugelpaaren in einer
grossen Luftpumpenglocke frei, die zu ganz ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Versuche in § 6 führten.
85
531
Oeffentliche Sitzung
zu Ehren Seiner Majestät des Königs und Seiner
Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten
am 12. November 1898.
Der Präsident der Akademie, Herr M. v. Pettenkofer,
Excellenz, eröffiiet die Sitzung mit folgender Ansprache:
Die bayerische Akademie der Wissenschaften feiert heute
das Namensfest ihres Protektors, Seiner königlichen Hoheit des
Prinz-Regenten Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser.
Ich bin in der angenehmen Lage, ĂĽber zahlreiche Zeichen des
regen und warmen Interesses zu berichten, welches unser er-
habener Protektor auch in diesem Jahre der Akademie und
den damit verbundenen wissenschaftlichen Sammlungen des
Staates zuzuwenden allergnädigst geruht hat.
FĂĽr werthvolle Schenkungen an unsere Sammlungen und
Förderung bayerischer Gelehrter bei Untersuchungen und Reisen
verlieh Seine königliche Hoheit unterm 17. Juni 1898 den
kgl. Verdienstorden vom hl. Michael I. Classe dem Direktor
der kaiserUch russischen mineralogischen Gesellschaft, Herrn
Paul Wladimirowitsch Jeremejeff in St. Petersburg, und
den kgl. Verdienstorden vom hl. Michael IL Classe dem Direktor
der wissenschaftlichen botanischen Anstalt in Buitenzorg auf
Java, Herrn Dr. Melchior Treub.
Unterm 15. August 1898 verlieh Seine königliche Hoheit
den kgl. Verdienstorden vom hl. Michael dem Vollstrecker des
532 Oeffentliche Sitzung vom 12, November 1898,
Testamentes des Dr. Dioneisios Thereianos, ĂĽber welches
reiche Geschenk ich in der Festsitzung im März dieses Jahres
berichtet habe, Herrn Aristides Caracaris in Triest, sowie
dem Sachwalter der Akademie in dieser Angelegenheit, Herrn
Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Gustav Wolf Krauseneck in
Triest. Es kostete viel MĂĽhe und Arbeit, diese fĂĽr unsere
philosophisch -philologische Klasse so werth volle Schenkung
gerichtlich und finanziell zu ordnen. Nun können im kom-
menden Jahre fĂĽr Arbeiten ĂĽber Geschichte, Sprache, Literatur
oder Kunst der Griechen von den ältesten Zeiten bis zur Er-
oberung Konstantinopels durch die TĂĽrken aus dem Thereianos-
Fond Preise vertheilt werden.
Auch die von Sr. Excellenz dem Herrn Staatsminister
Dr. von Landraann wärmstens befürworteten und vom baye-
rischen Landtage gut geheissenen ZuschĂĽsse fĂĽr die Krypto-
gamensammlung des pfianzen-physiologischen Instituts, die
Erhöhung der Realexigenz der mineralogischen Sammlung, des
MĂĽnzkabinets , des Gypsmuseums, des physikalisch -metrono-
mischen Instituts und der zoologisch-zoo tomischen Sammlung
wurden allerhöchst genehmigt, ebenso ein ausserordentlicher
Zuschuss von 40000 M. für Ergänzung der mathematisch-
physikalischen historischen Sammlung.
Die Pflanzengruppe der Orchideen hat in neuerer
Zeit an Bedeutung gewonnen. Unser hochverehrtes Ehren-
mitglied , Ihre königliche Hoheit Prinzessin Dr. T h e r e s e
von Bayern schenkte dem botanischen Garten verschiedene
Orchideen aus Brasilien. Nachdem bis jetzt der botanische
Garten nur sehr mangelhaft dafĂĽr eingerichtet war, bewilligte
das kgl. Kultusministerium eine entsprechende Summe fĂĽr
Orchideenkultur.
Unser Mitglied Herr Prof. Dr. Göbel, Konservator des
pflanzen-physiologischen Instituts, hat den kĂĽhnen Entschluss
gefasst, auf eigene Kosten nach Ceylon und Australien zu reisen
und hat die Reise bereits im August d. J. angetreten. Falls er
Gelegenheit findet, Demonstration^- und Untersuchungsmaterial
V, Pettenkofer: Eröffnungsrede, 533
fĂĽr das pflanzen-physiologische Institut zu erwerben, konnten
ihm fĂĽr diesen Zweck aus Mitteln der Akademie 3000 M. zur
VerfĂĽgung gestellt werden. Das kgl. Staatsministerium fĂĽr
Kirchen- und Schulangelegenheiten hat durch Vermittlung des
kgl. Staatsministeriums des kgl. Hauses und des Aeussem dem
Reisenden alle möglichen Verkehrserleichterungen verschafft. —
Ich erinnere daran, dass vor 80 Jahren ein bayerischer Botaniker
und Mitglied unserer Akademie, Herr von Martins mit den^
Zoologen Spix nach Brasilien reiste und mit botanischen
Schätzen reich beladen heimkehrte. Wir begleiten nun Qöbel
mit unsem besten WĂĽnschen nach Australien und hoffen auf
seine glĂĽckliche Heimkehr im kommenden Jahre.
Eine andere wissenschaftliche Reise fĂĽr zoologische
und embryologische Zwecke nach dem grossen Ozean an der
WestkĂĽste Nordamerika's konnte durch Verwendung von Mitteln
aus der MĂĽnchener BĂĽrgerstiftung und der Gramer -Klett-
stiftung unternommen werden. Unsere Mitglieder, die Herren
von Kupffer und Hertwig, beauftragten den Assistenten
der zoologisch-zootomischen Sammlung, Herrn Dr. F. Doflein,
dahin zu reisen, namentlich, um die Entwicklungsverhältnisse
von Bdellostoma Dombeyi, eines Repräsentanten der niedersten
Wirbelthiergruppe, der Myxinoiden zu beobachten, der nur an
dieser KĂĽste vorkommt. Herr Dr. Doflein ist bereits wieder
glĂĽcklich heimgekehrt. Auf seiner Reise besuchte Dr. Doflein
zuei*st Barbados und daran anschliessend eine Reihe der kleineren
Antillen, namentlich auf Martinique einen Monat verweilend.
Daselbst wurden grössere Sammlungen von marinen Thieren
angelegt, wobei hauptsächlich den Verhältnissen der Korallen-
riffe und des Planktons Beachtung geschenkt wurde. Doch
wurden auch Landthiere gesammelt und einzelne in ihren
Lebensgewohnheiten beobachtet. Ausschliesslich wurden letztere
gesammelt während des kurzen Aufenthalts in Dominica, Nevis
und San Christoforo und während des etwas längeren Auf-
enthalts auf St. Thomas.' Auf der letzten Insel wurde der
Reisende einige Zeit durch die mangelhaften Schifffahrisver-
hältnisse aufgehalten, die durch den Ausbruch des spanisch-
534 Oeffentliche Siteung vom 12, November 1898.
amerikanischen Krieges bedingt waren. Die Weiterreise erfolgte
längs der Küsten von Porto-Rico, Hayti und Cuba. Jedoch in
Folge des Krieges war eine Landung nur in Hayti möglich.
Ein kurzer Besuch von Cap Haytien und Port au Prince war
in Folge des kurzen Aufenthalts nicht zu wissenschaftlichen
Untersuchungen auszubeuten. Sodann fĂĽhrte die Reise nach
Mexiko und erfolgte die Landung auf dem amerikanischen
Kontinent in Tambico. Ein 3 wöchentlicher Aufenthalt haupt-
sächlich in der Gegend der Hauptstadt diente dem Reisenden
mehr zu seiner speziellen Information als zu wissenschaftlichen
Studien. Das Hauptziel der Reise — Kalifornien — wurde
auf dem Wege durch Central-Mexiko und Arizona erreicht.
Daselbst fand Dr. Doflein zu Pacific Qrove in der biologischen
Station der Universität von Palo Alto freundliche Aufiiahme.
Seine speziellen Forschungszwecke jedoch erreichte er ohne
eine weitgehende AusnĂĽtzung der Hilfsmittel dieses Instituts.
Es gelang ihm ausser der Beobachtung des lebenden Objektes
ein reiches Material von Eiern und Embryonen von BdeUo-
Stoma zu sammeln und sorgfaltig konservirt nach MĂĽnchen
zu bringen. Ausserdem wurden viele Spezies der dortigen
Land- und Meerfauna gesammelt. Mit freudiger Anerkennung
erwähnt Dr. Doflein die Liebenswürdigkeit der Professoren und
Assistensten des Laboratoriums in Pacific Grove im persön-
lichen Umgang. Die Weiterreise erfolgte über die nördliche
Route, wobei der Reisende zu seiner Information die Museen
und Universitäts-Einrichtungen in S. Francisco, Chicago, Wash-
ington und New -York besuchte, ferner den Columbiafluss,
den Yellowstone Park, den Niagara und die hauptsächliche
marine Station der amerikanischen Biologen in Woods Holl
in Massachusetts. Die RĂĽckreise ging auf einem deutschen
Dampfer ĂĽber London glĂĽcklich von statten. Dr. Doflein ist
mit Ausarbeitung eines eingehenden Reiseberichtes an die
Akademie befasst.
Unserer paläontologischen Sammlung gingen wieder
werthvoUe Geschenke zu. Herr Dr. David RĂĽst in Hannover
ĂĽbergab eine von ihm hergestellte Sammlimg von 1350 DĂĽnn-
V. Pettenkofer: JSröffmMgsr$de. 535
schlifFen von Radiolarien der verschiedensten Arten, dieOriginalien
zu seiner in der ^Paläontographica'^ veröffentlichten Abhandlung.
Herr Eommerzienrath Stützel, dem unsere paläontologische
Sammlung schon so viel verdankt, begab sich auf die Insel
Samos und veranstaltete dort Ausgrabungen fossiler Thiere
in grossem Maassstabe. Mit reicher Ausbeute zurĂĽckgekehrt,
schenkte er uns, was in 73 Kisten verladen war.
Die Akademie verlieh Herrn Dr. RĂĽst und Herrn Korn-
merzienrath Stützel die höchste Auszeichnung, die sie zu
verleihen hat, die goldene Medaille Bene merenti.
Zum SchlĂĽsse sei noch eines Unternehmens der kartel-
lierten deutschen Akademien gedacht, bei welchem unsere
Akademie durch unseren Delegirten, Herrn von Wölfflin,
vertreten ist, des Thesaurus linguae latinae, welches Unter-
nehmen ich bereits im vorigen Jahre bei dieser feierlichen
Gelegenheit erwähnt habe. In dieser Richtung wurde rüstig
weiter gearbeitet und ist der baldige praktische Abschluss der
Arbeit gesichert, die viel Interessantes und Neues zu Tage
fordern wird. Es wird kein gewöhnliches lateinisches Lexikon.
Während bisher für unsere lateinischen Wörterbücher, auch
die grössten, doch nur die bekanntesten Autoren herangezogen
worden sind, weil ein einzelner Bearbeiter nicht mehr zu leisten
vermag, beabsichtigt die von mehreren hundert Mitarbeitern
unterstĂĽtzte Thesaurus -Kommission die ganze Literatur bis
gegen das Jahr 600 nach Christus auszubeuten, und zwar in
der Textgestaltung, welche die neuesten kritischen Ausgaben
gesichert haben. Dadurch werden zwar viele Wörter, als durch
die handschriftliche Ueberlieferung nicht hinreichend geschĂĽtzt
und gestĂĽtzt, in Wegfall kommen, aber sicher auch viele
Tausend neue dem Wortschatz zugefĂĽgt werden. Vor Allem
aber hat der Vertreter unserer Akademie den neuen Gesichts-
punkt aufgestellt und zur Annahme gebracht, dass jeder Lexikon-
artikel die Geschichte und den Lebenslauf jedes Wortes geben
soll, sein erstes Auftauchen, sein Wachsthum und sein Ab-
sterben, und namentlich die Veränderung und Entwicklung
536 Oeffentliche Sitzung wm 12. November 1898,
seiner Bedeutungen. Denn wie schon Horaz gesungen hat,
gleichen die Wörter den Baumblättem; sie fallen und grünen
von neuem. Auch auf das Entstehen der romanischen Sprachen,
der italienischen, französischen und spanischen Sprache, sowie
auf viele ins Deutsche ĂĽbergegangene Bezeichnungen und Aus-
drĂĽcke wird der Thesaurus linguae latinae Licht werfen.
Die Kartellkommission musste jĂĽngst fĂĽr Abschluss ihres
Werkes einen festen Sitz wählen. Sie hat München gewählt.
Genau mit Ablauf des Jahrhunderts sollen die seit 1894 ge-
sammelten Materialien im dritten Stockwerke unserer Akademie
in 4 geräumigen Zimmern geordnet beisammen stehen und ein
zahlreiches, aus allen deutschen Stämmen gemischtes Redak-
tionspersonal wird mit dem Jahre 1900 die Verarbeitung in
12 Folianten in Angriff* nehmen. Aber auch nach Vollendung
der Riesenarbeit werden die vielen tausend Schachteln mit
Millionen von Zetteln als Repertorium aufgestellt bleiben, da-
mit alle Anfragen der Gelehrten in prompter Weise erledigt
werden können. Dadurch wird München für immer ein Cen-
tralsitz der lateinischen Studien bleiben, und damit auch
ein Wunsch des seeligen Königs Max IL erfüllt sein, der
MĂĽnchen zu einem hervorragenden Sitz der Wissenschaft zu
machen strebte.
Nun bitte ich die Herren Classensekretäre, die am 16. Juli
vorgenommenen und von unserem Protektor allergnädigst be-
stätigten Neuwahlen von Mitgliedern kund zu geben.
Hierauf verkündeten die Classensekretäre die weiteren
Wahlen und zwar der Sekretär der H. Classe, Herr C. v. Voit,
folgende Wahlen fĂĽr die mathematisch-physikalische Classe:
als ordentliche Mitglieder:
1. Dr. Robert Hartig, ordentlicher Professor der Anatomie.
Physiologie und Pathologie der Pflanzen an der Uni-
versität München;
2. Dr. Alfred Pringsheim, ausserordentlicher Professor
der Mathematik an der Universität München;
. V. Pettenkofer: Eröffnungsrede, 537
als korrespondirende Mitglieder:
1. Dr. Charles Barrois, Professor der Geologie an der
Universität Lille;
2. Dr. Lazarus Fuchs, ordentlicher Professor der Mathe-
matik an der Universität Berlin;
3. Dr. Sophus Lie, ordentlicher Professor der Mathematik
an der Universität Christiania.
538
Sitzung vom 8. Dezember 1898.
1. Herr Wilhelm Könius erstattet einen Bericht über die
,p6edenkfeier des 50. Todestages von Berzelius* am
7. Oktober d. J. in Stockholm, zu welcher er als Vertreter
unserer Akademie vom Präsidium gesandt worden war.
2. Herr W. Dy(^k legt den ersten Theil der von den kar-
tellirten Akademien zu Wien, Göttingen imd München heraus-
gegebenen „Encyklopädie der mathematischen Wissen-
schaften«* mit einigen Worten über dessen Inhalt vor.
3. Die Herren Richard Hertwio und Carl v. Eitpffek ĂĽber-
reichen den von Herrn Dr. F. Doflein erstatteten Bericht ĂĽber
seine mit Unterstützung unserer Akademie gemachte „Reise
nach Westindien und Nordamerika*, wobei er vor Allem
Eier von Bdellostoma sammeln sollte.
539
Bericht ĂĽber meine Reise nach Westindien
und Nordamerika.
Auageftihrt im März bis August 18d8 im Auftrage der k. b. Akademie
der Wissenschaften
von F. Dofleln.
I. Die Antillen.
Eine glĂĽckliche Seefahrt fĂĽhrte mich in den ersten Wochen
des März von Southampton nach Barbados. Die See war
besonders wahrend des ersten Teils der Reise sehr unruhig, so
dass unterwegs sehr wenige Oberflächentiere beobachtet wurden.
Bei der Annäherung des westindischen Archipels mehrten sich
dieselben und ich beobachtete besonders zahlreiche fliegende
Fische, Delphine, Quallen. Sargasso war überaus häufig und
oft zu starken Bänken vereinigt.
Barbados, die erste westindische Insel, welche ich besuchte,
ist der Typus einer flachen, reich angebauten Tropeninsel.
Bekanntlich scheiden sich die kleinen Antillen in eine östliche
Kette flacher Inseln mit Eorallenbildungen, und eine westliche
Kette vulkanischer gebirgischer Inseln. Zu den ersteren gehört
Barbados, imd zwar zeigt sie in deutlichster Weise den Anteil der
Korallen am Aufbau der Landfläche. Weit entfernt vom Ufer
kann man noch deutlich erhaltene Riffliberreste erkennen, wie
ich sie später auf der Insel St. Thomas in noch ausgeprägterer
Form studieren konnte. Barbados ist in seinem gesamten anbau-
fähigen Areal ausgenützt und bietet somit dem Biologen bei
540 SĂĽzutig der mcUhrphys. Classe vom 3, Dezember 1898.
einem kurzen Besuch nicht viel auffallendes. Die marine Fauna,
besonders auf den lebenden Korallenriffen und in deren Um-
gebung, scheint sehr reich zu sein. Am Lande konnte ich
nicht viel erreichen. Vereinzelte Vögel, nicht selten Kolibris,
wenige Schmetterlinge, Heuschrecken, Bienen und Gallwespen
fielen mir auf und es gelang mir, einzelne davon zu sammeln.
Auch Eidechsen waren zahlreich. Diese kurze Beobachtung
gibt nur den Eindruck eines Tages in der trockensten Zeit des
Jahres wieder; es war Mitte März, vor den ersten Regenfallen.
Von einem HĂĽgel aus Hess sich erkennen, dass fast die ganze
Insel mit Zuckerrohr angepflanzt ist; Rohrzucker wird trotz
der starken Konkurrenz (les RĂĽbenbaues von hier aus noch in
sehr grossen Mengen ausgeführt. Doch erfuhr ich später in
Martinique, dass viel Melasse dorthin importiert und zu Rum
verarbeitet wird.
Eine äusserst stürmische Nachtfahrt in einem kleineren
Dampfer brachte mich nach St. Lucia, der nächsten nördlich
gelegenen der kleinen Antillen. Hier ĂĽberraschte mich eine
TJeppigkeit der Tropenvegetation, wie sie nicht einmal in Mar-
tinique und Dominica gänzlich erreicht wird. Wie diese Inseln
ist St. Lucia von vulkanischer Entstehung und sehr reich an
kleinen Wasserläufen. Die Tierwelt ist reich und für Insekten
und Vögel scheint St. Lucia ein ausgezeichnetes Samraelgebiet
zu sein, kann sich jedoch nicht mit dem später zu besprechenden
Dominica messen. Hier schon hörte ich viel von der berüch-
tigten Lanzettschlange reden, welche in ihrer Verbreitung be-
kanntlich auf St. Lucia und Martinique beschränkt ist. In
St. Lucia ist es gelungen, sie durch EinfĂĽhrung der Mangus
wenigstens in der Umgebung der grösseren Ansiedlungen gänz-
lich auszurotten. Hier Sammlungen anzulegen, erlaubte mir
die KĂĽrze meines Aufenthaltes nicht.
Von St. Lucia ist Martinique in wenigen Stunden erreicht.
Wenn diese grosse Insel mit ihren stattlichen Bergketten in
der Feme auftaucht, so glaubt man zwei nahe vereinigte
Nachbarinseln zu sehen; denn die Insel ist in ihrem mittleren
Teile stark eingeschnĂĽrt und zudem sind die Gebirge beider
J^. Dofiein: Meise nach Westindien und Nordamerika. 541
Hälften gerade in diesem Teile durch eine bedeutende Ein-
senkung von einander geschieden. Erst wenn man sich mehr
genähert hat, erkennt man die weite Bucht von Fort de
France, welche jene Einschnürung veranlasst. Die schönen
Formen der Berge, deren Gipfel von Wolken fast stets umschattet
sind, entzĂĽcken das Auge. Schon aus grosser Entfernung kann
man an ihren Hängen mächtige Bäume erkennen. Die Berge
veiTaten selbst dem Laienauge ohne weiteres ihren vulkanischen
Ursprung; an geologischen AufschlĂĽssen wird man durch, die
alles ĂĽberwuchernde Vegetation behindert.
Nachdem wir längere Zeit nicht fern von der Küste nord-
wärts gefahren waren, erreichten wir den Hafen von St. Pierre,
wo ich fĂĽr einige Zeit mich niederlassen wollte. Die Stadt
St. Pierre, welche der Bedeutung nach der erste Platz der
Insel ist, obwohl Fort de France offizielle Hauptstadt ist, stellt
sich beim ersten Anblick sehr gross und stattlich dar.
Zahlreiche Neger und besonders Knaben in allen Schat-
tierungen der Hautfarbe umschwärmten unser Schiit' und tauchten
nach Geldstücken. Ein furchtbares Lärmen und Schreien
machte eine Verständigung fast unmöglich: dennoch kamen
alle meine zahlreichen Kisten glĂĽcklich ans Ufer. Es ist ĂĽber-
haupt fĂĽr Westindien zu bemerken, dass die ausschiffenden
Neger gewissenhaft und geschickt sind; man darl' sich durch
die Begleiterscheinungen ihrer Thätigkeit nicht erschrecken
lassen. Fehlt ein Stück des Gepäcks, so kann man meistens
davon ĂĽberzeugt sein, dass man es selbst an Bord vergessen hat.
Ein Begleitbrief, den mir die deutsche Botschaft in Paris
besorgt hatte, machte mir die Zollbeamten, welche von vorn-
herein sehr freundlich und höflich waren, noch gefalliger, so
dass ich meine Kisten und Kasten ungeöffnet zum Hotel
bringen konnte.
Das Hotel «des bains*" ist ein altes verwahrlostes Haus,
welches in der alten guten Zeit der Sklaverei mit ziemlicher
Pracht ausgestattet worden war; jetzt ist es sehr vernachlässigt;
es wird offenbar kein Schaden ausgebessert, es fehlen SchlĂĽssel,
es ist ĂĽberhaupt acht westindisch, jedoch nicht unreinlich.
542 Siigung der mathrphys. Classe vom 3. Deeember 1898,
In den ersten Tagen sah ich mich in der unmittelbaren
Umgebung von St. Pierre um, und suchte zu gleicher Zeit ein
kleines Haus in der Nähe des Meeresstrandes zu mieten. Da
ich aber nichts geeignetes fand, entschloss ich mich, im Hotel
zu bleiben, wo man mir geeignete Räume überliess und wo
ich ausserdem mit einem kĂĽhlen Hause die Vorteile einer cen-
tralen Lage verband. Trotzdem wäre es bei längerem Auf-
enthalt und besonders wenn man mit einem Genossen reist,
weit geeigneter, ein eigenes Haus zu mieten.
Meine ersten Besuche galten den Wäldern, welche sich
in einigen Schluchten der Stadt nähern und ausserdem dem
botanischen Garten. Der letztere ist ebeuso schön, als für den
Neuling in den Tropen interessant. Dr. Nollet, der Direktor
des Gartens, machte in der liebenswĂĽrdigsten Weise meinen
FĂĽhrer, da er aber selbst von dem Interesse fĂĽr die Agrikultur-
botanik gänzlich in Anspruch genommen wird, so konnte er
mir in wissenschaftlicher Beziehung wenig Auskunft geben.
Dasjenige, was er mir jedoch von den Schädlingen der
hervorragendsten tropischen Nutzpflanzen zeigte, war sehr merk-
wĂĽrdig und wissenswert. Es zeigte sich, dass auch hier Rost-
pilze ein Hauptkontingent der Schädlinge stellen, jedoch auch
die Insekten weit ist erheblich vertreten. Auf den Cafebäumen
war sehr häufig die Raupe eines Microlepidopters, welche die
Blätter desselben zerstört. Die Eier werden auf der Unter-
seite abgelegt, die Larve frisst grosse Stücke aus den Blättern
heraus und verpuppt sich ebenfalls auf der Unterseite der ab-
sterbenden Blätter in einem Cocon. — Die Cacaobäume werden
in den letzten Jahren häufig von einem langhomigen Käfer
befallen; die Larve desselben lebt unter der Borke und hat
die merkwĂĽrdige Gewohnheit, das lebende Gewebe des Baumes
in Ringen auszufressen ; indem sie so die Nahrungsleituug
unterbricht, bringt sie den ganzen oberen Teil des ange-
griffenen Astes zum Absterben. Dieses Insekt hat in den
letzten Jahren in westindischen Gacaopflanzungen wiederholt
grossen Schaden angerichtet.
Der mit Nutzpflanzen bebaute Gartenabschnitt nimmt
F. Doflein: Beise nach Westindien und Nordamerika, 543
ĂĽbrigens nur einen sehr geringen Teil des botanischen Gartens
ein. Im Grossen und Ganzen bietet derselbe den frischen Ein-
druck eines StĂĽckes wilder Natur dar, ja man kann sagen, er
besteht aus einem fast unberĂĽhrten Urwald, in dem die mensch-
liche Hand Lichtungen mit importierten Gewächsen bepflanzt
hat. Er zieht sich an einer Schlucht einen Berg hinauf, ein
schöner Bergbach durchbraust dieselbe und den Abschluss bildet
ein gewaltiger Felsbrocken, der gänzlich mit üppiger Vegetation
bekleidet ist. Zu seinen beiden Seiten stĂĽrzt das Wasser herab,
auf der einen in einer prächtigen Cascade. Trotzdem ich in
der trockenen Zeit Martinique besuchte, fĂĽhrten alle Wasser-
läufe sehr reichliche Fluten.
Ich habe no'ch oft den Garten und seine Umgebung auf-
gesucht, nicht nur wegen der prächtigen Szenerie, sondern
auch der reichen Tierwelt zuliebe, welche dort hauste. Frösche
und Schlangen, Spinnen, Skorpione, Skolopendren und Insekten
aller Gruppen wurden von mir dort in grosser Menge gefangen.
Der BlĂĽtenflor der Beete des angelegten Teiles, sowie das
Wasser des Waldbachs lockten zahlreiche Tagfalter an, unter
ihnen sehr schöne Papiiioniden und Danaiden. Am Wasser
waren Libellen sehr zahlreich; doch infolge deren Gewandtheit
und des gefährlichen Terrains habe ich mehr Arten gesehen
als erbeutet.
In den nächsten Tagen durchstreifte ich die Stadt und
deren Umgebung, machte mancherlei wertvolle Bekanntschaften
und warb einen schwarzen Fischer an, welcher sich sehr an-
stellig zeigte und mir von grossem Nutzen war.
Die Stadt St. Pierre ist durch ihre Lage und Bauart fĂĽr
das Auge sehr reizvoll; und wenn man sich nicht gerade in
die Häuser und Höfe der armen Negerbevölkerung begibt, so
hat man auch den Eindruck einer sauberen Stadt. Mit ihren
Vorstädten umfasst sie eine weite Bucht, welche im Charakter
ein wenig an den Golf von Neapel erinnert. Den Norden
beherrscht ein schöngeformter Vulkan, der Mt. Pelee, welcher
bis zum Gipfel in grĂĽne Vegetation gehĂĽllt ist. Wie alle
Berge der Antillen zeigt er nur selten seinen Gipfel frei von
1898. Sitzungsh. d. math.-pliys. GL 36
544 SUgung der mcUh.-phys, Glosse vom 3, Deeember 1808,
Bewölkung; die gewaltigen Wolkenmassen erzeugen stets pracht-
volle und pompöse Landschaftsbilder. Wie der Mt. Pel^ als
isolierter Kegel, erhebt sich im SĂĽdosten der Piton du Carbet,
ebenfalls ein Berg von vulkanischem Ursprung; doch hat er
sich seit unvordenklichen Zeiten nicht mehr gerührt, während
der Mt. Pelee im Jahre 1853 einen leichten Ausbruch mit
reichlichem Aschenregen hatte.
Die Stadt ist von zahlreichen Gärten umgeben, in denen
alle Produkte der Tropen ĂĽppig gedeihen: auf meinem Tisch
gab es stets in reicher FĂĽlle Bananen, Ananas, Sapotillen,
Mangos, Aleghetta Pears etc. Sonst sind die Berghänge und
glatten Flächen weithin mit Zuckerrohi-pflanzungen bedeckt.
Obwohl die Zuckerkrise in ganz Westindien eine grosse Misere
hervorgebracht hat, baut man auf Martinique noch sehr viel
Rohr zur Kumproduktion an. Rum wird in ganz modern aus-
gestatteten grossen Fabriken in ausgezeichneter Qualität ange-
fertigt und vermag immer noch Leute reich zu machen.
Während die Schluchten und die dem Innern zustrebenden
HĂĽgel vielfach an den unbebauten Stellen von Urwald und
üppigen Gesträuchen erfüllt sind, ziehen sich der Küste ent-
lang dĂĽrre HĂĽgel. Dieselben sind mit einem stachlichen wilden
GestrĂĽpp erfĂĽllt, wechselnd mit rasigen Lichtungen und er-
innern im Gesamteindruck sehr an die Macchien der medi-
terranen Region. Einen erheblichen Unterschied machte aller-
dings der trotz der trockenen Zeit sehr reiche Blumenschmuck:
Mimosen blĂĽhten in verschiedenen Farben, ebenso Akazien mit
furchtbaren, hohlen Domen, welche aber hier keine Ameisen
beherbergten. Dazwischen hie und da höhere Bäume, welche
jetzt gerade blattlos waren und statt dessen ĂĽber und ĂĽber
mit scharlachroten Blüten bedeckt waren. Um diese Bäume
rankten sich zahlreiche Schlingpflanzen, die sog. indischen
Bohnen, ferner blaue, weisse, violette und rote Convolvulaceeu.
Den Boden schmĂĽcken an einzelnen Stellen weisse und rote
BlĂĽten einer Phlox-artigen Pflanze. Alle diese Pflanzen sind
ein Anzeichen, dass die Dürre hier nur temporär ist, während
die dazwischen wachsenden Cakteen (Echinocactus und Gereus)
F. Doftein: Heise nach Weaiindien und Nordamenka, 545
und Agaven schon verdächtiger sind. Derartige Trocken-
pflanzen scheinen sich auf Martinique immer weiter auszu-
breiten, wie sie das auf anderen Inseln der Gruppe schon in
sehr hohem Masse gethan haben.
Dieses GestrĂĽpp wird von einer sehr zahlreichen Tierwelt
belebt, unter welchen neben einzelnen Vögeln Eidechsen und
Heuschrecken durch ihre Menge auffielen. Hie und da findet
man eine schöne dunkle Schlange mit grell orangeroten Flecken,
eine ungiftige Colubride.
Solche trockene Oertlichkeiten sind besonders in dem sĂĽd-
lichen Teil der Insel, den ich etwas später besuchte, vor-
herrschend. Dort sind sie nach der Entwaldung der viel
niedrigeren Berge durch deren relative Wasserarmut bedingt.
Es nehmen dort die sog. Savannen weite Flächen ein: dürres
mit kurzem Rasen bedecktes Gelände, das sich über Hügel und
Einschnitte erstreckt; es wechseln mit den kahlen Flächen aus-
gedehnte Gebüsche, die hauptsächlich aus Akazien, Mimosen etc.
zusammengesetzt sind. Doch auch in dieser Gegend entwickelt
sich, wo Wasser sich findet und die Kultur ruht, eine ĂĽppige
Tropen Vegetation.
Die hohen Berge um St. Pierre und deren sämtliche Ab-
hänge und Ausläufer bis gegen Fort de France hin sind noch
mit dickem Urwald bedeckt, dessen Bestände an vielen Orten
noch gewaltige Spuren des Cyklons von 1889 zeigen. Diese
Waldbestände sind bei Fort de France durch sehr grosse Lücken
unterbrochen; denn die Ebene östlich und südlich von dieser
Stadt ist mit Anpflanzungen von Zucker und wenigem Kaffee
ganz bedeckt. Im SĂĽden sind dann die Berge wieder bewaldet;
der Urwald steigt oft bis zum Meer hernieder, was der Land-
schaft viel romantischen Reiz verleiht. Denn die KĂĽste ist
steil und felsig. Dazwischen sind überall Thäler und Ebenen
zum Anbau sehr ausgenĂĽtzt. Man muss bedenken, dass die
Insel eine Bewohnerzahl von etwa 180000 Menschen ernährt.
Bei einer Besteigung des Mt. Pel^e lernte ich diese Wald-
region und zum teil auch ihre tierischen Bewohner etwas ge-
nauer kennen. Leider war der zweite Teil dieser Bergfahrt
36*
546 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 3, Dezember 1898.
durch Nebel in den höheren Regionen und durch tropische
Regengüsse beim Abstieg sehr beeinträchtigt, und so konnte
ich nichts von der in diesen Regionen jedenfalls sehr reichen
Insektenfauna beobachten. Ich lernte später die Bergfauna
auf St. Kitts (St. Christoforo) kennen und der Reichtum der
Höhen besonders an prächtigen Schmetterlingen liess mich jene
Nebelhaube des Mt. Pelee umsomehr bedauern. Da ich jedoch
meine hauptsächlichsten Anstrengungen der Erforschung mariner
Tiere widmete, fand ich keine weitere Zeit, um jene Besteigung
zu wiederholen.
Wenn man von St. Pierre aus den Mt. Pelee ersteigt, so
führt der Weg zunächst lange Zeit durch das angebaute Gebiet;
man passiert eine Anzahl von Zucker- und Rumfabriken, dann
unendliche Felder, die mit Zuckerrohr bepflanzt sind. Dieses
erstreckt sich bis hoch auf die Vorberge hinauf. Die Felder
werden, je höher man steigt, immer häufiger von Waldparzellen
unterbrochen. Man sieht auch hier öfter die alte Natur in
verlassene Positionen der Kultur vordringen. Hie und da triflPt
man leicht gebaute HĂĽtten, bewohnt von Negern, welche raschen
Schrittes den alten Naturzuständen der afrikanischen Heimat
in kultureller Beziehung wieder zustreben.
In etwa 400 — 500 m Höhe, doch wechselnd nach dem
jeweiligen Vordringen der angebauten Region, beginnt der
Urwald. Wir nahten demselben ĂĽber eine Wiese an einer
von Baumfamen verschleierten Schlucht entlang klimmend.
Er stellte sich an seinem Rand schwarz und undurchdringlich
wie eine Mauer dar; die Stelle, wo der Pfad eintrat, erschien
wie ein finsteres Loch und da die Sonne auf die Westseite des
Berges noch nicht herĂĽber gekommen war, so war der Wald
lichtleer; unser Pfad erschien fast wie ein Gang im Bergwerk.
Als aber die Sonne herüber kam — sie schien mir an
diesem Tag nur kurze Zeit — da flimmerte oben durch die
Wipfel wunderbares Licht und ich konnte selbst ziemlich ferne
Details erkennen. Ich war ĂĽberrascht von der Pracht dieses
Bergwaldes; denn vorbereitet durch die Schriften der meisten
modernen Tropenreisenden, hatte ich Einförmigkeit und Farben-
F, Doflein: Reise nach Westindien und Nordamerika, 547
armut erwartet. Statt dessen umgab mich ein Reichtum ver-
schiedenartiger Formen, viele wundervolle Baumfame und
Palmenarten und herrliche uralte Riesenbäume. Dazwischen
zahllose rote, gelbe, violette Parbflecke, von BlĂĽten und far-
bigen Blättern herrührend. Der Wald beherbergt viele Arten
von Bromoliaceen, welche durch ihre grell gefärbten Blatt-
umfassungen um die Blüten die schönsten und farbigsten Blumen
vortäuschen. Perner fanden sich zahlreiche Aroideen, z. t. mit
bunten Blättern, dann Nitidularien, Compositen und vor allem
zahlreiche, schön blühende Pflanzen, welche sehr unseren viel-
gezĂĽchteten Cannaarten gleichen. Dazwischen war der Wald-
boden von schönen grossblättrigen Parnen bedeckt; hier im
Innern des Waldes gab es kaum mehr vereinzelte hochstämmige
Baumfarne.
Dagegen fanden sich nicht selten kleine Krautpalmen; der
Pfad oder vielmehr die Spur, welche wir verfolgten, war von
Krautpalmsucliern getreten; es sind dies im gewöhnlichen Lauf
des Jahres die einzigen Menschen, welche den Berg in seinen
höheren Regionen betreten. Denn es herrscht eine geradezu
unglaubliche Purcht vor der Lanzettschlange, der „fer de lance",
unter allen Einwohnern der Insel. Gerade diese mittlere Wald-
region soll ihr bevorzugter Schlupfwinkel sein, und bei der
Beschaffenheit des Pfades konnte man jeden Moment befĂĽrchten,
auf eine SchLinge zu treten. Man sah meist den Ort nicht,
wohin man den Puss setzte; jeden Augenblick musste man
ĂĽber einen riesigen Baumstamm klettern. Die Spuren des
grossen Cyklon sind hier in schrecklicher Weise zu sehen;
ganze Lichtungen sind hier zwischen den alten Beständen ge-
bildet, Lichtungen, die man aber nicht betreten kann, denn
man wĂĽrde in den Massen morschen Holzes, dem Gewirr von
Schlingpflanzen und Aesten und Sträuchern bis über den Kopf
versinken. Der Weg war sehr schwierig und zudem mit der
steigenden Sonne durch eine wirkliche Treibhaustemperatur
sehr anstrengend. Wir hatten GlĂĽck und wurden von keiner
Schlange auf unserem Wege belästigt. Meine schwarzen Pührer
mit ihren nackten Püssen riskierten zwar eine grössere Gefahr,
548 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 3. Dezember 1898,
waren aber beim Klettern in dieser Feuchtigkeit und Hitze
mir weit ĂĽberlegen, der ich schwere Bergschuhe trug. Meine
Führer waren im gewöhnlichen Leben Krautpalmensammler.
Von Ticrleben zeigte sich sehr wenig; einzelne Vögel flogen
schreiend ĂĽber den Pfad, einzelne Eidechsen Hessen sich sehen ;
Kolibris schwirrten um BlĂĽten der Lichtungen. Als wir jedoch
in die Region der Wolken und des Nebels gelangten, reduzierte
sich das gesamte sichtbare Leben auf einige wenige Schnecken
am Wege und auf den Baumstämmen. Der erhoffte Insekten-
reichtum der Lichtungen schlummerte, vor der Feuchtigkeit
fliehend, unter den grossen Blättern. Sonst ist diese Region
thatsächlich durchaus nicht tierarm, d. h. für Westindien.
Wiederholt brachte man mir von dort eine Opossumart mit
weissem Schwanzende herunter, der Mangu haust verwildert
dort, dazu eine reiche Vogel- und Insektenfauna.
Nach Vl% Stunden Steigens wird der Urwald niedriger
und bald kommt man in eine Region, welche durchaus mit
niederem Gebüsch von Pflanzen mit harten glänzenden Blättern
bedeckt war, wohl in der Mehrzahl Lorbeer- und Myrthen-
gewächse. Das Gehen ist in diesem Gebiet fast noch schwieriger
als im Urwald ; man sieht seinen eigenen Weg nicht mehr und
wandelt bis ĂĽber die HĂĽften in den BĂĽschen verborgen. Auch
hier gibt es noch viele blühende Pflanzen und hier wären nach
der Analogie viele Schmetterlinge zu erwarten gewesen, wenn
nicht ein starker Wind gewaltige Wolkenmassen vom Ozean
herüber gewälzt hätte und ein kalter Regen die ganze Gipfel-
region überschüttet hätte. Dadurch wurde Ans Vorwärtsdringon
immer beschwerlicher; dabei verhĂĽllte der Nebel meist die
Aussicht, nur dann und wann entstand ein Spalt in den Wolken
und zeigte uns die Insel im schönsten Glänze der Sonne: ein
wunderbares Bild bei der reichen Bildung der Landschaft, und
weit darum sich spannend das dunkelblaue Meer, nahe dem
Lande erfĂĽllt von dem weissen Schaum ĂĽber den Korallenriffen.
In der Feme konnte man duftig auf der See schwimmend die
Gebirge von St. Lucia im SĂĽden, Dominica im Norden erkennen.
Unser Weg erreichte eine Höhe, senkte sich sodann wieder
F, Doflein: Beise nach Westindien und Nordamerika, 549
eine Strecke und fĂĽhrte wieder in einen Wald ; dieser war licht,
die Bäume zum grössten Teile abgestorben, vielfach von langen
Flechten gänzlich überzogen. Wir durchwateten Moräste und
Wasserpfützen; die Nähe des vulkanischen Gipfels kündigte
sich durch starken Schwefelgeruch und seltsame Erdspalten an,
welche sich oft auf weite Strecken hinzogen und deren Tiefe
nicht zu erschauen war. Es war allmählich der Nebel so dicht
geworden, dass wir mit MĂĽhe den vorhandenen Spuren zu
folgen vermochten.
Indem wir weiter stiegen, waren wir bald so gänzlich in
den Nebel gehĂĽllt, dass wir von der Umgebung nichts mehr
wahrnahmen. Man hörte nur in der allgemeinen Oede fast
unheimlich das Pfeifen eines kleinen Vogels, den man hier den
„sifflet de montagne" nennt. In der Bevölkerung gehen aller-
hand Erzählungen über diesen Vogel um, der sich soll unsicht-
bar machen können u. s. w. Hier oben ist er sehr häufig,
leicht zu sehen; ja ich bekam sogar ein junges Exemplar mit
der Hand zu fassen.
Die Bildung dieser Erzählungen vom „siflFlet de montagne*
sind ĂĽberhaupt sehr bezeichnend fĂĽr die Art der Naturbetrach-
tung der französischen Creolen. Ueber allerhand relativ leicht
erreichbare Dinge ihrer eigenen Insel bilden sie eine Menge
von Sagen, glauben dieselben und erzählen sie weiter, ohne
dass einer das Bedürfnis hätte, sich von den thatsächlichen
Grundlagen derselben selbst zu ĂĽberzeugen.
Binnen kurzem langten wir bei dem Krater an, welcher
von einem kleinen See erfüllt ist. Die höchste Spitze des
Berges erhebt sich etwas höher als der Krater. Jedoch der
Nebel war immer noch so dicht, dass wir weder diese, noch
auch nur das andere Ufer des kleinen Sees erblicken konnten.
Ich umschritt die Ufer, welche zum teil schlammig waren,
zum grössten teil aber aus trachytartigem festem Gestein be-
standen. An einer Stelle befand sich ein etwa 15 cm weites
Loch, in welchem das Wasser unter lautem Gurgeln abfloss.
Das Wasser des Sees ist kalt und sehr angenehm zu trinken.
Organismen nahm ich in demselben nicht wahr.
550 Sitzung der mathrphys, Classe vom 3, Dezember 1898,
An mehreren Stellen rieselten dem Kratersee kleine Zu-
flĂĽsse zu, von denen man aber nicht sagen konnte, ob sie
regelmässig waren oder dem gegenwärtigen Regen ihre Ent-
stehung verdankten. Jedenfalls ist aber anzunehmen, diiss der
See sein Wasser aus den fast stets um ihn lagernden Wolken
erhält. Die Bildung von Quellen erscheint mir in dieser (iipfel-
nähe bei der Porosität des Untergesteins nicht wahrscheinlich.
Die ganze Umgebung des Sees war an jenem Tag so mit
Feuchtigkeit erfĂĽllt, dass wir bei unserer Rast uns nicht nieder-
setzen konnten. Wenn auch die Bäume hier niedrig und meist
abgestorben waren, so grĂĽnte doch hier ein ĂĽberaus ĂĽppiges
Niederholz und die wuchernden Kräuter hatten keinen Stein
ohne ein weiches, mit Wasser vollgesogenes Pflanzenpolster
gelassen.
Da es zudem empfindlich kalt war, wurden wir bald zum
RĂĽckweg gezwungen. Der Abstieg erfolgte nach SĂĽdosten,
dann Süden, während wir von Westen aufgestiegen waren.
Ausser sehr prächtigen Baumfarnen und wundervollen Blicken
in die östlichen Waldthäler bot der Weg nicht viel neues und
bemerkenswertes. In mancher Beziehung erwies er sich als
geeigneter als der westliche Weg, wenn auch der letztere an
ganz sonnigen Tagen dennoch vorzuziehen sein mag. Von
einer oben noch nicht erwähnten Plage des Aufstiegs blieben
wir auf diesem Wege auch verschont, der „plante couteau*.
Diese ist eine Rotang-artige Kletterpalme mit zweischneidigen
Blättern, welche so scharf sind, dass sie durch die Kleider
hindurch schneidend empfindliche Verletzungen, ja selbst ge-
fahrliche Wunden beibringen können. — Der Abstieg führte
uns schliesslich wieder in die bebaute Region und zur Sonmier-
frische der Bewohner von St. Pierre, dem Morne rouge. Nach
11 stĂĽndigem Marsche langte ich sehr ermĂĽdet in der Stadt
wieder an.
Die Schilderung einer weiteren Landschaftsform, der sumpfi-
gen Region um die Saline im SĂĽden der Insel und der Mangrove-
wälder ziehe ich vor, im Zusammenhang mit der Küsten-
beschreibung jener Gegend zu bringen. Jetzt zunächst will
F, Doflein: Reise nach Westindien und Nordamerika. 551
ich mich der Darstellung meiner marinen Untersuchungen
zuwenden.
Wie ich schon oben erwähnte, hatte ich einen intelligenten
Fischer mit Namen Matthieu entdeckt, welcher mir sehr von
Nutzen war. Er kannte sehr gut die Verteilung der einzelnen
Tierformen, so weit er dieselben beachtet hatte, war aber leider
in manchen Fällen etwas zu ängstlich. Die ersten Ausfahrten,
die ich mit ihm machte, zeigten mir einen ziemlich grossen
Tierreichtum des Meeres und bewogen mich, in St. Pierre zu
bleiben, statt, wie ich ursprĂĽnglich vor hatte, mein Haupt-
quartier in Fort de France aufzuschlagen. Wie meine Erfah-
rungen in der Folge zeigten, wäre übrigens einer der Orte an
der SĂĽdspitze, etwa das von mir besuchte St. Anne noch er-
heblich gĂĽnstiger gewesen.
Die Küste fällt, wie bei der Mehrzahl der „Inseln unter
dem Winde", auf der Westseite viel plötzlicher ab, als auf der
Ostseite. Die KĂĽstenbildung ist sehr reich und erzeugt eine
Menge anziehender Landschaftsbilder. Die Felsen in der Gegend
von St. Pierre sind meist Laven und Bimsteintuflfe, welche von
den Eruptionen der grossen Vulkane stammen; sie fallen an
vielen Stellen senkrecht zum Meere ab und wechseln mit san-
digen Buchten, welche gewöhnlich in ihrem inneren Winkel
zu einer Ansicdlung Anlass geboten haben. Der Meeresboden
in der Landnähe ist unter 20 Faden tief, oft viel seichter und
beherbergt ein reiches Tierleben.
Jedoch schon in geringer Entfernung von der KĂĽste stĂĽrzt
der Boden zu sehr grossen Tiefen ab. Ich habe an verschie-
denen Stellen der KĂĽste gedregt und mit tauchenden Negern
oder auf halb untergetauchten Felsen selbst Tiere gesammelt
und will im nachfolgenden ein Bild der örtlichen Verhältnisse
möglichst im Zusammenhange geben.
Im Norden der Insel — hier untersuchte ich nur an der
Westküste — ist der Strand fast überall felsig, steile Abfiille
von Tufffelsen herrschen vor, dazwischen hie und da die oben
erwähnten Buchten. Ganz im Norden tritt der Wald in den
Buchten hie und da bis ans Meer heran und es gibt zahlreiche
552 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 3. Dezember 1898,
Landschaftsbilder von grosser Romantik. Hier sind auf den
Felsen Krabben zahlreich, auf dem Grunde liegen Spongien in
Menge, einzelne Ascidien, einfache, wie zusammengesetzte.
Die Löcher in den Felsen sind von Seeigeln bewohnt, sowohl
einer kleinen Art, als auch den langstacheligen unangenehmen
Diademen. Alle diese sind mit grosser MĂĽhe aus den Felsen-
löchern herauszuarbeiten, da sie sich mit den AmbulakralfÜssen
sehr fest saugen. Seesteme sind vereinzelt vorhanden. Ueber-
haupt fallt an der ganzen KĂĽste sowohl an Arten wie an
Individuen das Ueberwiegen der Seeigel gegenĂĽber den See-
sternen auf. Femer sind Gorgonien hier zahlreich.
Wo der Boden so seicht ist, dass man den Grund sieht,
ist er meist sandig, grosse Felsblöcke liegen dazwischen
vereinzelt. Auf den letzteren wachsen die Gorgonien; doch
stehen sie auch daneben im Sand. Dadurch unterscheiden
sie sich von den Steinkorallen, welche hier nur sehr ver-
einzelt vorkomn)en und dabei stets auf den Felsblöcken an-
gesiedelt sind.
An Fischen sind neben Kochen und verschiedenen eigent-
lichen Flachfischen in dieser Region nicht viel interessante
Formen vorhanden.
Etwas weiter im SĂĽden, d. h. sĂĽdlich der Stadt St. Pierre
setzt sich dieselbe KĂĽstenbildung fort. Die Tuflffelsen sind zum
teil noch höher als im Norden und stark zerklüftet; doch gibt
es auch viele Trachytfelsen, welche an einzelnen Stellen einen
regelrechten Klippenstrand erzeugen. Hier wimmelt es von
allerhand Tieren. Das Wasser ist bei ruhigem Wetter wunder-
bar klar, so dass man selbst in beträchtlicher Tiefe alle Einzel-
heiten deutlich erkennt. Die Korallen sind hier viel häufiger,
ĂĽberziehen die Steine oft mit ganzen Krusten und zwar gibt es
viele Madreporen, Maeandrinen u. s. w. ebenso wie Gorgonien
und andere Hornkorallen. Aber trotz des Reichtums an Stein-
korallen kommt es auch hier nicht zu einer wirklichen Kiff-
bildung; was der Grund hiezu ist, scheint mir nicht ohne
weiteres klar zu sein. Denn es handelt sich um genau die-
F, Doflein: Reise nach Weatindien und Noriatnerika, 553
•
selben Arten, welche ich im SĂĽden und Osten der Insel rift-
bildend fand.
Einen Punkt, der zur Erklärung beitragen kann, will ich
hier erwähnen. Während nämlich die Süd- und Ostküste meist
von Felsen aus harten Qesteinsarten zusammengesetzt sind,
treten hier im Westen Tuffe und Bimsteine, vulkanische Aschen
und Laven bis ans Meer heran und bilden zum grossen Teile
die KĂĽste. Diese Gesteine werden von den Wellen zu einem
feinen glänzenden Sand zermahlen, welcher den Strand der
flachen Buchten so lieblich macht. Bei jeder einigermassen
erheblichen Wellenbewegung wird aber dieser feine Sand auf-
gewĂĽhlt und trĂĽbt das Wasser bis zu ziemlicher Entfernung
vom Ufer. Dieser Umstand muss aber, worauf schon Sem per
hinwies, das Korallen wachst um sehr beeinträchtigen.
Hier gibt es ferner zahlreiche Anneliden, Aktinien, See-
igel, Ophiuren u. s. w. Von den letzteren halten sich viele
kletternd auf den Gorgonien und Korallen auf; doch weisen
sie nicht die EigentĂĽmlichkeiten auf, welche Doederlein von
epizoischen Ophiuren der östhchen Meere beschrieben hat.
Zwischen all diesen Tieren bewegen sich die üblichen „Korallen-
fische"; diese Lebensgemeinschaft weist unter den Fischen die
auffallendsten Farben und Formen auf. Es ist dies jedem
Naturforscher eine wohlbekannte Erscheinung; aber jeder, der
sie mit eigenen Augen sieht, muss von neuem ĂĽber die grosse
Pracht staunen, die hier entfaltet wird, und jeder sich die
Frage vorlegen, welche Ursachen wirksam waren, um gerade
hier alle diese zierlichen Formen zu versammeln. Die Beant-
wortung einer solchen Frage erfordert eine tiefe Kenntnis der
gesamten Lebensverhältnisse der in Betracht kommenden Arten,
eine Kenntnis, zu der wir nur geringe Anfänge besitzen.
Einen Anfang zur Erklärung mögen aber schon die folgenden
Thatsachen enthalten: Einmal sind zwischen den Aesten der
Korallenbäumchen die Fische vor Feinden fast gänzlich ge-
schützt; kein Hai und kein grösserer Raubfisch wagt sich
zwischen die gefahrlichen Zacken hinein. Somit werden nach
der einen Seite hin auftretende buntfarbige u. s. w. Variationen
554 SĂĽzung der math.-phys, Classe vom 3. Dezember 1898,
nicht so leicht ausgemerzt und unterdrĂĽckt werden. Vielleicht
kann fĂĽr die eine oder andere Art auch die Annahme zu einer
Erklärung führen, dass die betreffenden Arten, die unter anderen
Lebensbedingungen die schönen Farben erworben hatten, vor
aufgetretenen Verfolgern sich in den bequemen Schutz der
Korallen begaben und infolge dessen hier als Arten erhalten
blieben, während sie anderswo ausstarben. Uebrigens würden
derartige Annahmen nicht die Entstehung des Kleides jener Tiere,
vielmehr nur ihr Vorhandensein auf den Korallenriflfen erklären.
Die Tufifelsen, welche hier das Meer begrenzen, sind sehr
hoch und steil und zahlreiche Höhlungen in ihren Wänden
sind von Tropikvögeln (Phaeton) bewohnt, daneben von anderen
Seevögeln. Es ist bemerkenswert, dass die Phaeton hier in
Höhlungen nisten, während sonst von ihnen angegeben wird,
dass sie auf dem flachen Boden brĂĽten.
Weiter südwärts habe ich die Küstenfauna nicht genauer
kennen gelernt bis zur Gegend der SĂĽdspitze, wo ich meine
Dredgungen und Planktonfange wieder aufnahm. Wie bei den
obigen Angaben können hier sich alle Mitteilungen nur auf
den allgemeinen Charakter der Fauna beschränken; genaue
Mitteilungen über die gesammelten Formen werde ich später
in einer Liste der Akademie vorlegen.
Nahe der SĂĽdspitze der Insel Martinique wird ihre KĂĽsten-
linie nochmals durch einen Busen stark nordwärts eingebuchtet;
es ist dies die Bai du Marin. An der östlichen Küste der-
selben liegt das Dörflein St. Anne, wo ich bei der Familie
Dejean eine sehr freundliche Aufnahme fand und von wo aus
ich mit meinen Fischern das umgebende Meer durchstreifte.
Hier im SĂĽden beginnen nun die Korallen echte Riflfe zu
bilden, insbesondere jedoch auf der östlichen Seite der Insel
gibt es grössere zusammenhängende RiffTjildungen. Die Arten
sind bemerkenswerter Weise dieselben, welche an der nörd-
lichen KĂĽste sich nur zu lockeren Ansiedlungen niederlassen.
Die Formen der Riflfe sind meist bandförmig; die kleineren
sind unregelmässig gestaltet; ihre Form hängt oflTenbar von
derjenigen des felsigen Untergrundes ab. FĂĽr die Formen der
F. Doflein: JReise nach Westindien und Nordamerika. 555
grösseren Bänder muss die gleichmtissige Hebung der Küste
von bestimmendem Einfluss sein. Denn wie ich z. t. hier und
insbesondere später bei St. Thomas beobachtete, findet man oft
eine Ileihe von lliflFen auf einander folgen, von denen die meist
gehobenen alle abgestorben sind, während dasjenige, welches
noch vom mindesten Wasserstand bedeckt war, einzig ĂĽberlebte.
Dass die Rifi^bildungen durch korallenlose Strecken getrennt
sind, weist auf zwar gleichmässig verlaufende, aber in be-
stimmten Intervallen beschleunigte Hebungen der ganzen KĂĽste
hin. Wie dies gemeint ist, zeigt die hier stehende Skizze,
welche Jlift'e an der SĂĽdkĂĽste von St. Thomas darstellt.
Das RiflF i), welches unter dem tiefsten Wasserstande sich
befindet, besteht aus lebenden Korallentieren und ist in weiterem
Wachstum begrifien. Dass es nicht weiter nach aussen wächst,
ist wahrscheinlich auf den zu raschen Abfall des Meeresbodens
zurĂĽckzufĂĽhren. Das Riff C befindet sich zwar unter Wasser
bei höchstem Wasserstande, liegt aber bei niedrigstem völlig
trocken; es ist demgemäss vollständig abgestorben, ebenso das
Riff J5, welches vom höchsten Wasser gerade noch berührt wird.
Das Riff Ä liegt bereits oben auf der gänzlich trockenen Küste.
Alle 4 Riffe sind aber durch gänzlich korallenlose versandete
Strecken getrennt. Infolge dessen muss man periodische
Hebungen annehmen, was ja in einem so vulkanischen Gebiet
nicht verwunderlich erscheint. Erdbeben sind dort häufig, ich
erlebte während meines kurzen Aufenthaltes in St. Thomas ein
ziemlich heftiges, welches aber keinen Schaden anrichtete.
556 SitMung der tnathrphya, Classe vom 3, Dezember 1896.
Das Wasser der Bucht von St. Anne ist von einer wunder-
vollen blauen Farbe und die hellen KorallenrifFe schimmern
durch dies Wasser in unbeschreiblich schönen Tönen. Die
Klarheit lässt das Wasser viel seichter erscheinen, als es that-
sächlich ist; man glaubt Gegenstände mit dem Handnetze er-
haschen zu können, welche sich thatsächlich in 20 — 30 m Tiefe
befinden. In Tiefen von 15 m ja bis zu etwa 20 m tauchte
der eine meiner Fischer vorzĂĽglich und brachte mir auf diese
Weise manche Beute herauf. Der innere Teil der Bucht ist
schlammig und tierarm, während nach aussen mit der felsigen
Bildung der Tierreichtum zunimmt; die westliche KĂĽste der
Bucht ist ebenfalls etwas versandet, zeigt sogar einige schwache
Maugioveansiedelungen, ist jedoch an Tieren, besonders Echino-
dermen, noch ziemlich reich.
Hier fiel mir, wie noch nie vorher die Farbenpracht der
marinen Tierwelt auf: wir brachten Seeigel herauf, die gras-
grün gefärbt waren und lange weisse Stacheln hatten, dann
weisse mit schwarzen Stacheln. Grosse Schnecken, Tritonium-
artig, gab es in Menge und prächtige Schwämme in leuchtenden
Farben: violett, rot, orange und ultramarin! In einem rot-
gefärbten Schwamm fand ich einen kleinen ebenso gefärbten
dekapoden Krebs (ähnlich dem Alpheus); ob wohl hier die
Ernährung mit Teilen des Schwamms bestimmend auf die Farbe
einwirkte? Jedenfalls kann bei einem Tier, welches Hohlräume
in einem anderen bewohnt, die Farbe keinen Schutz gewähren.
Ein Ausflug auf die Ostseite der Insel hinĂĽber zeigte hier
die Fauna im grossen und ganzen ähnlich. Hier sind die
Korallenriife sehr zahlreich und ich bedauerte sehr, nicht mehr
Zeit auf ihre Untersuchung verwenden zu können. Ziemlich
im SĂĽden machen zahlreiche Felsenriffe eine Landung sehr
schwierig und gefahrlich. In unserem alten gebrechlichen
Negerkahn hatten wir manche Fährlichkeiten auszustehen.
Einer dieser Riffe, durch seine Form sehr auffallend, heisst im
Volksmund table du Diable. In der Nähe desselben sammelte
ich in Felsenlöchem ziemlich viele Tiere der Flutgrenze. Ich
fand schöne Aktinien, Hjdroidpoljpen, zum teil sehr grosse
F, Doflein: Beiae nach Westitidien und Nordamerika, 557
Arten von schön weisser und karminroter Farbe; femer See-
igel, Seesteme und Ophiuren, Holothurien und viele Krebse
und Krabben. Von den Aktinien lebte eine in den Höhlungen
grosser Hornschwämme.
Hier wie im Norden der Insel habe ich wiederholt sehr
reiche Planktonfänge gemacht. Die Zusammensetzung in beiden
Gegenden war verschieden, doch sind meine Fänge nicht zahl-
reich genug und aus einer zu kurzen Zeit, um irgend eine
Gesetzmässigkeit herausfinden zu können. Jedenfalls war die
Windrichtung von grossem Einfluss. Im Norden waren öfter
im Plankton die pflanzlichen Bestandteile kolossal dominierend,
besonders kleine Phaeophyceen liessen die Tierwelt kaum auf-
kommen. Doch fanden sich da an andern Tagen viele auf-
fallend geformte und gefärbte Copepoden und andere Krebse und
Krebslarven; zahlreich waren Radiolarien, kleine Medusen u. s. w.
An einem Tage war das Meer weithin bedeckt mit Exemplaren
einer Eucharisart mit 4 auffallenden braunen Flecken aiif den
Lappen.
Im SĂĽden fielen ausser vielen Larven ziemlich grosse Anne-
liden, dann ganz riesige Sagitten, Medusen u. s. w. auf. Die
Fänge harren noch der genaueren Sichtung und Bestimmung. —
An die oben erwähnte table du diable schliesst sich eine
Bucht mit einem weiten Sandstrande an ; auf demselben waren
grosse weisse Sandkrabben sehr häufig. Der Strand verläuft
gegen Lagunen hin, um welche ein undurchdringliches Dickicht
von Mangroven sich erstreckt. Ein grosser Teil der Gegend
hier besteht aus tertiärem Kalk. Ein Berg und eine Ebene
fĂĽhren ihren Namen von den zahlreich dort vorkommenden
Versteinerungen; doch scheint mir die Natur der dort als ver-
steinertes Holz bezeichneten Steine sehr zweifelhaft. Proben
davon habe ich zur Untersuchung mitgenommen.
Vom SĂĽden kehrte ich selbst auf einem Kitt durch das
Land nach Fort de France zurĂĽck; doch will ich auf meine
Exkursionen in Martinique nicht weiter eingehen, da sie mehr
fĂĽr mich interessant und lehrreich waren, als hervorragend
durch neue wissenschaftliche Beobachtungen.
558 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 8, Dezember 1898,
Ehe ich die Schilderung meiner Reise fortsetze, will ich
kurz zwei Dinge erwähnen: Einmal die Trigonocephale, oder
fer de lance, die berĂĽchtigte Lanzettschlange (Trigonocephalus
lanceolatus). Ich erwähnte oben schon die grosse Furcht, die
sämtliche Einwohner vor ihr haben. Bis zu einem gewissen
Grade ist diese Furcht sehr berechtigt, denn die Schlange ist
eine der grössten und bissigsten Giftschlangen. Wenige Men-
schen werden von ihrem Biss geheilt, die meisten sterben in
wenigen Stunden. Viele geheilte bleiben aber dauernd gelähmt
und ich habe verschiedene untersucht, welche sogar infolge des
Bisses dauernd blödsinnig geworden waren.
Femer möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass Martini-
que ein Durchgangspunkt für zahlreiche Wandervögel ist. In
der Nähe von St. Anne befindet sich die sog. Saline, ein See
und halbsalziger Sumpf, welcher zu allen Zeiten grosse Mengen
von V^ögeln beherbergt. Ich habe hier viele Arten von Wasser-
vögeln erbeutet. Im Frühjahr und Herbst jedoch sollen, wie
mir die Anwohner erzählten, Unmassen von Wandervögeln aus
SĂĽd- und Nordamerika hier einfallen. Sie rĂĽhmen die gross-
artige Jagd zu der Zeit; es sollen viele Entenartige Vögel
darunter sein. —
Ich verliess Martinique am 17. April 1898 und besuchte
von da aus mit einem amerikanischen Schiffe die ganze Reihe
der kleinen Antillen, ohne jedoch irgendwo Zeit und Gelegen-
heit zu ausfĂĽhrlicheren Studien zu gewinnen. Doch will ich
ĂĽber einige der Inseln kurze Bemerkungen anfĂĽgen, welche
vielleicht späteren Reisenden von Nutzen sein können.
Der nächste Besuch galt der englischen Insel Dominika.
Zunächst fiel sofort die grössere Reinlichkeit und bessere Hal-
tung gegenüber der französischen Kolonie auf. Ich bedauerte
sehr, nicht Zeit zu haben, um die interessante Landfauna der
Insel etwas zu studieren. Dieselbe ist besonders in der Vogel-
und Insektenwelt viel reicher als in Martinique. Urwälder
ĂĽberziehen noch alle Berge und das Innere ist noch ganz
unkultiviert. FĂĽr marine Untersuchungen erschienen mir aber
die KĂĽsten nicht so gĂĽnstig und der Wellengang viel zu
F, Doflein: Heise nach Westindien und Nordamerika. 559
stark. Im Nordosten der Insel soll sieb noch eine gänzlich
isolierte Karibenkolonie befinden.
Ueber die Inseln Guadelupe und Antigua kann ich nichts
berichten, da ich sie zu flĂĽchtig sah. Jedoch Nevis und St. Kitts
(St. Christof) sah ich etwas genauer. Beide Inseln sind wegen
der Zuckerkultur frĂĽher in ihrem ganzen flacheren Gebiet ent-
waldet worden. Die schön geformten Berggipfel sind zwar
noch bewaldet, aber zu der Zeit meines Besuches machte sich
grosse Dürre geltend, welche sehr zu den Verhältnissen der
sĂĽdlichen Inseln kontrastierte. Dieser Trockenheit entsprechend
zeigte sich auf beiden Inseln in den Niederungen vor allem
die Orthopterenfauna sehr entwickelt. Vor allem waren Heu-
schrecken in zahlreichen Arten und Individuen auf Nevis ver-
treten. Jedoch wurden daselbst auch viele Wespen und
Schmetterlinge gesammelt. Von letzteren wurde jedoch die
Hauptausbeute auf den Bergen von St. Kitts gemacht; und
ich bedauere es ausserordentlich, dass ich meinen Aufenthalt
nicht länger ausdehnen konnte; denn gerade zu der Zeit,
wo ich dort war, waren die Umstände zur Anlegung einer
grossen Insektensammlung sehr günstig. Hätte ich geahnt,
dass ich auf der weit weniger interessanten Insel St. Thomas
so lange würde aufgehalten werden, so hätte ich viel lieber
diesen Aufenthalt auf eine dieser sĂĽdlichen Inseln verlegt.
Auf den Bergen von St. Kitts habe ich aber einmal kennen
lernen können, was Schmetterlingsleben in den Tropen be-
deuten kann. Um blühende Bäume und Sträucher schwebten
und flatterten da gerade zu Legionen von diesen schönen
Geschöpfen: Danaiden, Heliconiden, Pieriden, Papilioniden und
viele Andere.
Von St. Kitts, wo man von der Bevölkerung nichts als
Klagen über den Niedergang des Zuckerbaues hörte, kam ich
über St. Croix nach St. Thomas. Während wir in den Hafen
einfuhren, verliess das deutsche Schiff, mit dem ich weiter
reisen wollte, denselben; ich konnte nicht mehr mitkommen
und war damit fĂĽr eine Zeit lang auf St. Thomas festgebannt.
Denn mittlerweile brach der Krieg aus und die spanischen und
1898. Sitsoogsb. d. mmtiL-phyt. OL 37
560 Sitzung der math.-phys. Classe vom 3. Dezember 1898,
amerikanischen Schiffe, auf welche ich gerechnet hatte, stellten
sofort ihre Fahrten ein.
Ich mietete mich, da das Hotel schreklich schmutzig war,
bei dem vortrefflichen Quarantäneinspektor Eggert ein und
habe da, abgesehen von meiner Ungeduld, weiter zu kommen,
köstliche Tage verlebt. St. Thomas ist von so vielen Natur-
forschern schon besucht worden, dass ich meine wenigen Be-
obachtungen nicht ausfĂĽhrlich hier schildern will. FĂĽr die
Untersuchung von mariner Fauna wäre die Insel wohl nicht
ungĂĽnstig gewesen, jedoch konnte ich, von Tag zu Tag aul
einen Dampfer wartend, meine Kisten nicht auspacken. Ich
begnĂĽgte mich damit, eine Anzahl von Insekten zu sammeln
und hatte vor allen Dingen hier Gelegenheit, den ĂĽebergang
von Trocken- zur Regenzeit vollständig mitzumachen. Als ich
mich der Insel nahte, bot sie einen braunen dĂĽrren Anblick
dar; es war seit Monaten kein Regen gefallen: sogar die
Cisternen waren fast leer. Kurz nach meiner Ankunft stellten
sich die ersten Regen ein und als ich nach etwa 16 Tagen
die Insel wieder verliess, prangte sie im herrlichsten GrĂĽn.
Viele Bäume blühten; besonders auffallend waren die ver-
schiedenartigen Pupilionaceen, so der Flamboyant, dann Al-
bizzia Lebbek u. A. Zahlreich sind auf der Insel die Maha-
gouibäume, aber stets angepflanzt als Zierbäume und besonders
beliebt auf Gräbern. — Erwähnen will ich an dieser Stelle nur
noch, dass man am sandigen Strand der Insel an manchen
Stellen sehr häufig die Schalen von Spirula findet. Dieselben
hängen fast immer in Haufen von angeschwemmtem Sargasso,
mit welchem sie offenbar zusammen vom Ozean hergetrieben
worden sind.
Ich verliess St. Thomas mit dem Dampfer der Hamburg-
Amerikanischen P.-A.-Gesellschaft „Castilia", dessen Kapitän
Grommeyer mir während der Reise viele grosse Liebenswürdig-
keiten erwies. Die Fahrt ging an der XordkĂĽste von Porto
Rico und Hispaniola entlang ; in Porto Rico war eine Landung
wegen des Krieges unmöglich; doch fuhren wir so nahe der
KĂĽste, dsiss wir manches Interessante sehen konnten, so die
P, Doftein: Heise nach Westindien und Nordamerika, 561
Stadt S. Juan mit ihren Befestigungen und den eifrig exer-
zierenden Soldaten. Als wir an der KĂĽste von Hayti entlang
segelten, begegnete uns des abends die amerikanische Kriegs-
flotte, welche am Tag darauf S. Juan bombardierte.
Von der Insel Hayti bekam ich die Hafen Cap Haytien
und Port au Prince zu sehen. Die wenigen Dredgungen, welche
ich in dem ersteren vornahm, hatten wenig Erfolg: einige See-
igel, grosse Seesterne und eine Anzahl solitärer Korallen wurden
erbeutet. Die landschaftliche Schönheit, welche diesen Hafen,
wie ganz Hayti, auszeichnet, Hess mich ohne Schwierigkeiten
ĂĽber den Schmutz und all die Liederlichkeit, welche in diesem
Negerstaat herrschen, hinwegsehen.
Zoologisch weit interessanter scheint die Bucht von Port
au Prince zu sein; die weiter draussen liegenden wundervollen
Korallenriffe versprechen eine Menge interessanter Formen.
Hier wie ĂĽberhaupt in ganz Westindien konnte man deutlich
noch den tiefen Eindruck der vor wenigen Monaten erfolgten
deutschen Flottendemonstration konstatieren.
Die Weiterfahrt erfolgte längs der Südküste von Cuba,
wobei ich einen kurzen Blick auf Santiago und das Castel
Morro werfen konnte; doch geschah dies nur im VorĂĽberfahren,
denn die Blokade war bereits erklärt und eine Landung für
uns ausgeschlossen, obwohl recht gut möglich; denn an der
ganzen SĂĽdkĂĽste der grossen Insel sahen wir kein einziges
amerikanisches Schiff.
Nachdem wir das Cap S. Antonio, die westliche Spitze
von Cuba, passiert hatten, traten wir in die Strasse von Yucatan
ein, um sodann den Gblf von Mexiko zu durchqueren und in
Tampiko zu landen. Während wir fern der Küste von Yucatan
ĂĽber die Camp^chebank segelten, ohne jemals auch nur an-
nähernd in Sehweite vom Land zu kommen, brachte uns ein
heftiger Wind Scharen ' von Vögeln und Insekten aufs Schiff.
So fiel mit einem male eine Wolke von kleinen grĂĽnen Cikaden
auf den Dampfer nieder. Vögel, welche sich niederliessen,
waren zum teil so erschöpft, dass sie sehr bald starben.
37*
562 SĂĽeung der mathrphys. Glosse vom 3, Dezember 1898,
Ein ähnliches Schauspiel wiederholte sich, als wir uns
der Mündung des Tampikoflusses näherten, nur mit dem Unter-
schiede, dass hier ein nordwestlicher Wind die Tiere ĂĽber den
ganzen Golf herĂĽbergetragen hatte.
Meinen Aufenthalt in Mexiko und die Weiterreise nach
(Kalifornien will ich nur in aller Kürze erwähnen; denn es
haben so zahlreiche Reisende bereits diese Gegenden besucht,
dass ich meine nur auf der Durchreise gewonnenen EindrĂĽcke
nicht an die Seite der Schilderungen grĂĽndlicher Forscher
stellen darf.
Meine Route war die folgende: ich reiste von Tampico
mit der Eisenbahn nach der Stadt Mexiko. Daselbst verweilte
ich etwa 14 Tage, besuchte die grossen Lavorfelder der Um-
gebung, sowie einige der aztekischen Ruinenstätten und den
Fuss der grossen Vulkane Popocatepetl und Ixtaccihuatl. Eine
Besteigung derselben zu unternehmen, verbot mir meine ge-
messene Zeit und die Ungunst der Jahreszeit. Nach San
Francisco gelangte ich auf dem Wege durch Centralmexiko,
durch Arizona und den SĂĽden Californiens.
Eine Beobachtung, allerdings nicht naturwissenschaftlicher
Ali, möchte ich dabei nicht unterlassen, der Akademie vorzulegen.
Als ich mit dem MĂĽnchener Arzt Dr. E. Schmidtlein,
dessen Freundlichkeit ich vieles verdanke, einen Ausflug nach
der Ruinenstätte bei S. Juan di Teotihuacan machte, fiel es
mir auf, dass hier ein Feld voll der interessantesten archäolo-
gischen Schätze un ausgebeutet daliegt. Die mexikanischen
Forscher scheinen nicht im stände zu sein, diese Schätze in
der richtigen Weise zu heben; und nach allem, was ich sah,
sind dort ausserordentliche Befunde zu hoflFen.
Ein Indianer hatte daselbst ein Haus ausgegraben, welches
in sehr merkwürdiger Weise an den Wänden mit reichlichem
Bilderschmuck ausgestattet war, in den Tönen ähnlich den
pompejanisclien Malereien, in der Zeichnung natĂĽrlich den
Geschmack der alten Mexikaner bekundend; es fiel mir aber
auf, dass die Malereien mit viel Technik und Sicherheit aus^
gefĂĽhrt waren.
J^. Doflein: Beise nach Westindien und Nordamerika, 563
Kleinere Reste, wie Pfeilspitzen, kleine Masken, Vasen-
reste findet man dort in Masse, und wir fanden selbst einige
sehr hĂĽbsche StĂĽcke, sogar einige edle Steine.
Bei einem Versuch zur Ausgrabung haben die Mexikaner
nur ein Haus zum Einsturz gebracht, und dann nichts weiter
gethan. Obwohl die mexikanische Regierung ein Ausfuhr-
verbot für Altertümer erlassen hat, wäre für eine richtig ein-
geleitete Unternehmung auf diplomatischem Wege leicht die
Zustimmung derselben zu erlangen. Jedenfalls scheint dort fĂĽr
deutsche Forscher sich eine sehr lohnende Aufgabe zu bieten. —
U. Nordamerika.
Nach einer mehrtägigen Eisenbahnreise durch die wunder-
baren WĂĽstenlandschaften Centralmexikos und der sĂĽdlichen
Unionsstaaten, mit ihren vielen ĂĽberraschenden Paradigmen
recenter geologischer Phänomene, langte ich in S. Francisco an.
Von dort fĂĽhrte mich eine weitere Fahrt von wenigen Stunden nach
Pacific Grove bei Monterey, dem eigentlichen Ziel meiner Reise.
Ich wurde dort schon am Bahnhof von Dr. Mc. Farland,
Assistant Professor an der Palo Alto Universität, welcher vor
wenigen Jahren an der Universität zu Würzburg promoviert
hatte, mit viel Liebenswürdigkeit und Kollegialität empfangen.
Auch die ĂĽbrigen Herren, unter welchen ich besonders Dr. Price,
einen SchĂĽler von Geheimrat v. Kupfter, Mr. Heath, Mr. Green,
und den Botaniker Mr. Nott erw^ähne, bezeugten mir eine sehr
freundschaftliche Gesinnung; von den jĂĽngeren Assistenten war
mir besonders Mr. Abbot bei verschiedenartigen Gelegenheiten
sehr behilflich.
Jedoch die AusrĂĽstung, welche ich dem zoologischen In-
stitute resp. der GĂĽte meines Chefs, Prof. Hertwig, verdankte,
war so vorzüglich, dass ich die spärlichen Hilfsmittel der Station
kaum zu benutzen brauchte; zudem schickte mir Prof. v. Kupffer
noch einen ganzen Vorrat von Glassachen und Chemikalien nach.
Für spätere Besucher, welche die reiche Flora und Fauna
der kalifornischen KĂĽste zum Gegenstand ihrer Untersuchungen
machen wollen, möchte ich bemerken, dass es unnütz ist, sich
564 Sitzung der viathrphys, Glosse vom 3. Dezember 1698.
die allgemein gebräuchlichen Gläser und Chemikalien dorthin
mitzunehmen. In S. Francisco kann man alle WĂĽnsche dieser
Art, wenn es nicht gar zu spezielle sind, befriedigen.
Die Station zu Pacific Grove liegt auf einer kleinen Land-
zunge, welche in die weite Bucht von Monterey hineinragt.
Die Bucht mag etwa an Grösse dem Golf von Neapel nahe
kommen. Jedoch fehlen ein Vesuv, ein Capri und Ischia; auch
die HĂĽgelketten der Vorgebirge stellen sich nicht so stattlich
dar, wie der Posilipp und die Berge von Sorrent. Aber in
der Tiefe des Meeresblau, in der Pracht der farbigen Stim-
mungen zu den vei*schiedenen Tageszeiten kann die mittel-
kalifornische KĂĽste wohl mit der italienischen wetteifern.
Eine Reihe von Städtchen und Ortschaften ziehen sich an
den Ufern der Bucht hin von St. Cruz im Norden bis Pacific
Grove im SĂĽden; dieselben weichen in ihrem allgemeinen
Charakter sehr von einander ab. Insbesondere kontrastieren
die beiden Nachbarorte Monterey und Pacific Grove ganz ausser-
ordentlich. Während das erstere noch einen durchaus spa-
nischen Charakter bewahrt hat — viele der Einwohner sprechen
im Familien verkehr nur spanisch — , ist das erst vor einer
kurzen Reibe von Jahren gegrĂĽndete Pacific Grove ein echt
amerikanisches Nest, welches zudem als methodistische GrĂĽn-
dung noch eine Reihe von speziellen CharakterzĂĽgen erhalten hat.
Trotzdem in Monterey eine Reihe von älteren malerischen
Bauten, so die alte spanische Missionskirche, vorhanden sind,
so wirkt doch Pacific Grove durch seine wundervolle Reinlich-
keit und die nette Art, wie seine kleinen Holzhäuser zwischen
die Bäume eines alten Waldes hineingebaut sind, noch an-
ziehender. Während das üppige Hotel del Monte die reichen
Leute, Santa Cruz die guten BĂĽrgersfamilien im Sommer be-
herbergt, ziehen sich nach Pacific Grove mehr die Leute, welche
einen schönen Sommeraufenthalt für weniges Geld haben wollen.
Und man muss gestehen, wer mit seiner FamiUe abgeschlossen
in einer der kleinen reizenden Villen in aller Ruhe lebt, der
kann hier eine ganz wundervolle Sommerfrische verbringen.
FĂĽr den Junggesellen ist weniger gut gesorgt; doch kann man
F, Doflein: Beiae nach Weatindien und Nordamerika. 565
bei einiger Anpassung an die Landesverhältnisse ganz gut
existieren. Als Temperenzlergemeinde gewähi*t Pacific Grove
dem Manne mit eigenem Haushalt viel bessere Bedingungen;
denn in Amerika kann man ĂĽberall die Erfahrung machen:
wo es nichts zu trinken gibt, ist auch das Essen in den Wirts-
häusern recht mangelhaft.
Die biologische Station, nach ihrem Stifter „Hopkins
Seaside laboratory*" genannt, besteht aus zwei geräumigen
Holzgebäuden mit je einem ebenfalls hölzernen Wasserturm,
auf welchen in grosse Tanks das zur Speisung der A(|uarien
notwendige Seewasser hinaufgepumpt wird. Wenn ich anfangs
von den Einrichtungen der Station enttäuscht war, so hatte
das seinen Grund darin, dass ich nach der Schilderung Bash-
ford Deans (in Natural Science Vol. XI) die ganze Art der
Stationsanlage missverstanden hatte. Die Station ist nämlich
in erster Linie Schulstation, d. h. ein marines Laboratorium,
in welchem die biologischen Sommerkurse der Leland Stanford
Universität abgehalten werden; fllr diese Zwecke ist die An-
stalt ganz ausreichend ausgerĂĽstet. In zweiter Linie aber erst
beherbergt sie Forscher zu speziellen Studien; und da muss
sich ein jeder selbst helfen, so gut es geht. In den unteren
Stockwerken der beiden Gebäude befinden sich grössere Kurs-
säle und in denselben wird täglich Unterricht erteilt. Während
der Ebbezeit ziehen Lehrer und SchĂĽler zu gemeinsamen Ex-
kursionen aus, wobei sich die Untersuchungen fast ausschliess-
lich auf die Gezeitenzone beschränken. Systematische Fänge
mit Planktonnetz oder Dredge werden gar nicht kultiviert, man
begnügt sich vorläufig mit dem, was man von der Küste aus
erlangen kann oder den gelegentlichen Fängen der chinesischen
Fischer. Man ist gewohnt, dass Leute, welche spezielle Zwecke
verfolgen, sich fĂĽr diese selbst ausrĂĽsten.
Man stellte mir in dem östlichen Gebäude einen netten,
liellen Kaum zur VerfĂĽgung, sowie zwei Tische, einige Aquarien
und grössere Gläser. Sonst erhielt ich von der Station nur
noch etwas Alkohol. Viele kleine Gefälligkeiten erwiesen mir
jedoch sämtliche Herren des Laboratoriums.
566 Sitzung der matK-phys. Clasae vom 3, Dezember 1898.
Da die Station mit Booten schlecht versehen ist und vor
allem keinerlei Bedienung irgend welcher Art vorhanden ist,
so war ich genötigt, mein Material mir selbst zu verschaffen.
Ich habe vielfach an der KĂĽste gesammelt, ferner Plankton
gefischt und mehrere male gedregt. Letzteres musste ich aber
bald aufgeben ; denn meine Dredge erwies sich als viel zu schwer
fĂĽr die kleinen Bote von Pacific Grove. Das Plankton im
Innern der Bucht ist ziemlich ann und eintönig gewesen; doch
hängt es darin ofi*enbar von den Winden und Strömungen ab.
Denn an einzelnen Tagen fing ich viel grössere Mengen als
au anderen. Auffallend war derRdchtum an Protozoen: Flagel-
laten verschiedener Gruppen und Infusorien waren oft in Mengen
vorhanden. Eines Tages war das Meer gänzlich gerötet von
ungeheuren Schwärmen von Noctiluca. Es gelang mir, ein
grosses Material von dieser interessanten Cystoflagellate zur
Untersuchung der Fortpflanzungsvorgänge zu konservieren.
Den wertvollsten Teil meiner Sammlungen verdanke ich
jedoch den chinesischen Fischern, deren TĂĽchtigkeit bereits
B. Dean so sehr rĂĽhmt.
In der Mitte zwischen Pacific Grove und Monterey liegt
auf einem felsigen Vorsprung das Dorf dieser Fischer; es ist
durchaus ein chinesisches Dorf und wie ĂĽberall in der Welt
haben die Chinesen ihre sämtlichen Lebensgewohnheiten auch
fem der Heimat beibehalten. Häuser, Fahrzeuge und Trachten
sind dieselben, welche bei Kanton ĂĽblich sind und ihre Eigen-
tĂĽmer haben so gut wie nichts von der fortgeschrittenen ame-
rikanischen Kultur angenommen. Nur in einem Punkte unter-
scheidet sich speziell diese Kolonie von den meisten chinesischen
Siedelungen der Welt: die Fischer sterben ohne Gewissensbisse
auf dem fremden Boden und lassen sich auch da begraben,
ohne ihre Gebeine der heiligen chinesischen Erde wieder zu-
fĂĽhren zu lassen.
Hier fand ich die geeigneten Fischer, welche bereits durch
den Besuch B. Deans auf den Wert der Eier von Bdellostoma
aufmerksam gemacht, sich bereit erklärten, solche auch für
mich zu sammeln. Die Methode, mit welcher diese Fischer
F. Doflein: Heise nach Weatindien und Nordamerika, 567
ausschliesslich oder doch fast ausschliesslich arbeiten, ist sehr
bemerkenswert, indem dieselbe fĂĽr das Erlangen der Eier Yon
Bdellostoma speziell gĂĽnstig ist. An einem mehrere Hundert
Meter langen Seil sind eine sehr grosse Anzahl Yon Angel-
haken an kurzen SchnĂĽren befestigt. Der Abstand der ein-
zelnen von einander beträgt etwa 40 cm. Jede Angel ist mit
einem StĂĽck gesalzenen Fisches besteckt; um Bdellostoma zu
fangen, nimmt man kleinere Haken, als fĂĽr die Lachse imd
anderen grösseren Fische. Dieses lange Seil lässt der Fischer
bei seiner Ausfahrt allmählich hinab und lässt es dann mehrere
Stunden lang hinter seinem Schiffe herflottieren.
Mit Hilfe dies^ Haken bringt man die Eier von Bdello-
stoma entweder in den Schleimbeuteln der Weibchen oder direkt
in den SchnĂĽren und Haken verfangen herauf. Die den Weibchen
so sehr zäh anhaftenden Schleimbeutel, welche B. Dean bereits
abgebildet und beschrieben hat (a. a. 0.), ermöglichen, wie es
scheint, eine Art von Brutpflege. Das Weibchen behält die
Eier offenbar anhängend, bis die jungen Tiere ausschlüpfen.
Denn ich erhielt Embryonen von ganz jungen Stadien an bis
zu gänzlich dottersack losen Exemplaren und manchmal fanden
sich auch leere Eikapseln dabei. An dem Schleimsack und
unter einander sind die Eier durch die bekannten Haken-
apparate festgehalten.
Ein Umstand, welcher die Annahme der Brutpflege zu
bestätigen scheint, ist ferner darin zu erblicken, dass die Eier
hegenden Weibchen sich in Scharen zusammenhalten. Mein
Fischer fing oft Tage lang an beliebigen Orten nur Männchen
und junge Weibchen, bis er schliesslich einen „Platz* fand,
von dem er täglich Weibchen mit Eiern und Embryonen herauf-
brachte. Dem Fischer war femer aufgefallen, dass die Weibchen
mit Eiern sehr schwer auf den Köder beissen, und insbesondere
kurz nach der Eiablage; dass sie jedoch in der vorgerĂĽckteren
Jahreszeit, wenn sie meist schon ausgebildete „Babies*" in den
Eikapseln tragen, wieder viel leichter zu fangen sind.
Aus der allgemeinen Biologie von Bdellostoma möchte ich
zwei Punkte hervorheben; der Schleim, welchen die Tiere ab-
568 Sitzufig der mathrphys, Classe vom 3, Dezember 1898.
soudern, ist sehr zähe und ein einzelnes Tier vermag eine
kolossale Menge zu produzieren. Der Schleim besteht bekannt-
lich aus lauter ganz feinen Fäden, welche Bildungen entstammen,
die an die Ne-sselkapseln der Coelenteraten erinnern. Greift
man in solchen Schleim hinein, so klebt er an den Fingern
und es kostet viel MĂĽhe, ihn wieder wegzubekommen. Das
Gefühl dabei ist ganz ähnlich demjenigen, welches beim An-
fassen einer kleineren Aktinie erzeugt wird. Transportiert man
andere gesammelte Tiere mit den Bdellostomen im gleichen
Gefäss, so werden dieselben, insbesondere z. B. Echinodermen
dermassen von den Fäden umsponnen, dass man eine grosse
MĂĽhe hat, sie wieder zu reinigen.
Von Intere^e ist femer, dass die Tiere^ wie ich beob-
achten konnte, nicht nur in tote Fische eindringen, sondern
auch in lebende. Einen Torpedo, den ich mit anderen Fischen
und Bdellostomen in einem KĂĽbel vom Chinesendorf nach der
Station schleppte, bewahrte auch sein elektrisches Organ nicht
vor der Invasion. Bei der Ankunft in meinem Arbeitszimmer
vormisste ich in dem Kübel sämtliche Bdellostomen und fand
sie dann in der Bauchhöhle der übrigen grösseren Fische wieder.
Sie hatten sich durch Löcher in der Bauchdecke eingebohrt,
wobei ihnen ihre mit scharfen Homzähnen besetzte, stark ver-
stĂĽlpbare Zunge sehr vorteilhaft ist.
Das Material an Eiern und Embryonen war anfangs spärlich,
mehrte sich im Laufe des Juni, um im Juli ziemlich reichlich
zu werden; in der letzten Zeit waren besonders vorgerĂĽcktere
Stadien nicht selten. Eines Tages erklärten mir jedoch die
(/hinesen, dass sie keine Bdellostomaeier fĂĽr mich sammeln
würden; denn es waren, wie alljährlich die grossen Salm-
schwärme in der Bucht eingetroffen und damit ergab sich für
die Fischer die Möglichkeit, an einem Tage an Sahnen das
3 bis 4 fache von dem zu verdienen , was ich ihnen bieten
konnte. Da nun die Möglichkeit, weiteres Material zu erhalten,
sich damit auf Wochen hinausschob, ich ausserdem schon eine
ziemlich beiriedigende Collektion zustande gebracht hatte, so
beschloss ich, meine Reise fortzusetzen.
F. Doflein: Beise nadi IVeatindien und Nordamerika, 569
Was ich von Beobachtungen an den frischen Objekten
machen konnte, werde ich an «anderem Orte veröffentlichen.
Hier will ich nur einige Bemerkungen anfĂĽgen. Wie schon
Dean in einer kurzen Mitteilung erwähnt, beginnt die Ent-
wickelung stets von dem operkularen Pol des Eies. Dort be-
findet sich auch die Mikropyle. Der Embryo entwickelt sich
auf der konkaven Seite des, einer Bananenfrucht ähnlich, leicht
gebogenen Eies. Die Kopf anläge liegt dabei ungeführt unter
der Stelle, wo der Operkularspalt um das Ei herumgreift.
Das Schwanzende wächst langsam dem aboperkularen Ende zu,
wobei im Gegensatz zu der Behauptung Deans ein Umwach-
sungsrand deutlich zu sehen ist.
Die Wachstumsverhältnisse des Embryos sind eigenartig
und verdienen aasfĂĽhrlicher berĂĽcksichtigt zu werden, was aber
an dieser Stelle nicht geschehen soll, da sie sich sehr schwer
ohne Abbildungen klar machen lassen.
Wenn das Schwanzende ungefähr den aboperkularen Pol
erreicht hat und sich umzuschlagen beginnt, beginnt das Wachs-
tum an Kopf- und Schwanzende gleichmässig einzusetzen. Der
Kopf erreicht bald den operkularen Pol, und nachdem er sich
ebenfalls herumgebogen, beginnen beide Enden auf der kon-
vexen Seite des Eies auf einander loszuwachsen.
Vorher, als der Schwanz etwa gerade am aboperkularen
angelangt war, zeigten sich die ersten Spuren von rotem Blut
deutlich von aussen sichtbar. Sie traten auf in Form von
Kanälen und Lakunen, welche die Seitenbegrenzung des Embryos
bildeten, und besonders am Kopf- und Schwanzende stark aus-
gebildet erschienen. Aus der vor dem Kopfe gelagerten Lakune
bildete sich bald ein starker GefUssast hervor, welcher auf der
konvexen Seite des Eies geradeaus vorwärts wachsend, sich
))ald in zahlreiche Dottergeiasse spaltete. Im weiteren Verlauf
bilden sich zahlreiche weitere Dotterblutgefasse, von den seit-
lichen Lakunen ausgehend, so dass schliesslich der ganze Dotter
von einem feinen Blutgefassnetz ĂĽberzogen ist.
Das gerade vor dem Kopfe entspringende Hauptgeföss
bezeichnet in seiner Kichtung die Wachstumsbahn des Kopfes;
570 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 3. Deeember 1898,
schliesslich wird e« vom Scliwanze bei dessen Wachstum bei
Seite gedrängt.
Späterhin treten bedeutende Veränderungen an den Blut-
gefässen auf, der Dottersack ist zu der Zeit, wo Kopf und
Schwanz sich im Wachstum ausweichen mĂĽssen, schon ziemlich
aufgezehrt. Doch erscheint der Embryo noch in sehr späten
Stadien ganz in den Dotter eingesenkt, da die enge Eischale
ihn hindert, sich von demselben abzuheben.
Auf weitere Einzelheiten der Entwickelung will ich an
dieser Stelle, ehe eine genaue Untersuchung des konservierten
Materiales vorher gegangen ist, nicht eingehen. Nur eine
Beobachtung will ich noch anführen. In den älteren Embryonal-
stadien, besonders, wenn der Embryo schon anfangt, sich zu
bewegen, löst sich der Deckel (das Operculum) immer leichter
von der ĂĽbrigen Schale ab, so dass man ohne weiteres an-
nehmen kann, dass das ausgebildete junge Tier durch seine
Bewegungen den Deckel zu öffnen vermag und so ins Freie
gelangt. —
lieber die sonstige Fauna der Bucht von Monterey kann
ich noch folgendes mitteilen: Voai Plankton habe ich oben
schon gesprochen. Sonst kenne ich nur die Fauna der Gezeiten-
zone, eine ziemlich grosse Anzahl von Fischen aus allen Zonen
und die gelegentlichen Tiefenfange der Chinesen.
Die KĂĽste besteht meist aus wild durch einander getĂĽrmten
Felsmassen, mit welchen an einigen Stellen lange Strecken
flachsten Sandstrandes abwechseln. Letztere Strecken sind land-
einwärts meist von Dünen begrenzt. Die marinen Tiere sind
wenige und nicht besonders interessante Formen: Krabben und
amphibische Isopoden sind häufig.
An der felsigen KĂĽste entwickelt sich jedoch ein Tierleben
von einem kaum glaublichen Reichtum der Fonnen. Ein weiter
Raum der Gezeitenregion — die Ebbe ist hier im Sommer sehr
tief — ist mit Algen bewachsen, welche ebenfalls einen riesigen
Artenreichtum aufweisen. Zwischen denselben wimmelt es von
tierischem Leben. Es gibt da ungezählte Arten von Protozoen,
Hydroidpolypen, Aktinien. Unter letzteren fallt besonders eine
F. Dofiein: Beise nach Westindien und Nordamerika. 571
knospende Form auf. Aus dem Stamm der WĂĽrmer sind
besonders schöne Turbellarien , Nemertinen, Annebdeu und
Gephyreen zu nennen. Von Echinodermen sind besonders zahl-
reich Seesterne und Holothurien, während Seeigel, Ophiuren
und Crinoiden nur durch wenige Arten vertreten scheinen.
An Mollusken erscheint die Artenfülle unerschöpflich: es kommen
23 Chitonen dort vor, darunter der riesengrosse Cryptochiton
kamtschatkensis, viele Fissurellen und Patellen und verschiedene
Haliotisarten. Unter ersteren zeichnet sich, ebenfalls durch
ihre gigantischen Formen die Lucupina crenulata aus. Dadurch,
dass Prof. M. Farland eine Monographie der Nacktschnecken
der KĂĽste vorbereitet, hatte ich Gelegenheit, eine Unmenge
der wundervollsten Arten dieser farbenprächtigen Geschöpfe zu
sehen. Zahlreiche Krabben und Fische beleben ferner die
AlgengebĂĽsche.
Unter den Fischen der Bucht hebe ich besonders eine sehr
häufige Chimaera hervor, von der ich auch Eier zu sehen
bekam. Da jedoch Prof. Dean den Fischer beauftragt hatte,
die Eier für ihn zu sammeln und in Fischkästen zu halten,
so machte ich selbstverständlich keinen Versuch, ihm seine
Kreise zu stören.
Von den Formen der etwas tieferen Zone waren sehr
interessant verschiedene Arten von Pennatuliden, welche wunder-
voll leuchteten; femer verschiedene Seesteme: Solastriden und
Asteracanthionarten, dazu eine wundervolle Spezies von Astro-
phyton. Auch mehrere Cephalopoden gibt es; in ungeheuer-
lichen Massen kommt ein Loligo vor, welcher von den Chinesen
in Netzen gefangen und am Strand auf den Felsen getrocknet,
in Säcke gepackt und nach China geschickt wird, um, wie
man sagt, als Dung fĂĽr die Reisfelder zu dienen. Ich kann
den Verdacht nicht unterdrĂĽcken, dass am Ende die lang-
zopfigen Herren doch irgend eine Suppe davon bereiten.
Ich will mich nicht weiter in Aufzählungen verlieren,
man ersieht aus dem Mitgeteilten bereits, wie reich das l^ier-
leben dort sein muss. Dazu kommt noch, dass gerade in den
Sommermonaten die meisten dieser Tiere auch laichen. Ich
572 Sitzung der math.-phya, Cltisse vom 3. Dezember 1898.
habe wenige Tiere in Pacific örove gesehen, von denen ich
nicht auch Eier oder Embryonen gesehen habe. FĂĽr eine
Station ist also die Lage ideal.
Soweit ich bis jetzt die gesammelten Arten übersehe, trägt
die Fauna einen ausgesprochen nördlichen Charakter, was ja
gut stimmt zu der Thatsache, dass an der Küste ein nördlicher
Strom entlang streicht.
Auch die Landfauna Lst ziemlich reich, die Insektenwelt
ist bunt und auffallend. Doch diese Dinge sind zu wohl bekannt;
meine geringen Erfahrungen enthalten keine neuen Befunde.
Von meiner Weiterreise und Heimkehr will ich nur kurze
Züge mitteilen ; sie war für micli von äusserstem Interesse und
sehr lehrreich, doch habe ich aus dieser Zeit keine f^r die
Wissenschaft neuen Resultate mitzuteilen.
Auf dem Wege nach Norden besuchte ich zunächst S. Cruz,
schlug mich dann durch die Wälder der Küstengebirge — die
wundervollen Wälder des Riesenbaumes Sequoia sempervirens —
nach San Jose und dem durch seine Fruchtbarkeit berĂĽhmten
Santa Clarathal durch. Dann besuchte ich die Universität von
Palo Alto; der liebenswĂĽrdigen Aufnahme daselbst, besonders
durch die Familie des deutschen Professors FlĂĽgel gedenke ich
mit grösster Dankbarkeit.
Von San Francisco, wo ich die Sammlungen und Institute
eingehend besichtigte, gelangte ich zunächst nach Portland in
Oregon, sah dort den Willamettefluss und machte eine Fahrt
auf demselben und auf dem riesenhaften, fischreichen Colum-
bia River.
Mit Hilfe der Northern Pacificbahn fuhr ich sodann ĂĽber
Tacoma und Spokanefalls nach Livingstone, um von da aus
den Yellowstonepark zu besuchen. Dann besuchte ich Chicago
und seine wundervolle Univeraität, weiterhin den Niagara, Was-
hington, New- York. Besonders an beiden letzteren Orten war
die Besichtigung der grossen Sammlungen und Institute ftlr
mich von grossem Interesse und Wert.
Von New- York aus machte ich einen Abstecher nach dem
nördlich in Massachusetts gelegenen Woods Hall, der biolo-
jp. Doflein : Reise nach Westindien und Nordamerika, 573
gischen Station der amerikanischen Naturforscher. Hier hatte
ich Gelegenheit, die meisten der angesehensten Vertreter der
Zoologie und vergleichenden Physiologie in Amerika kennen
zu lernen. Es war sehr anregend, die Einrichtung der Station
sowie des Laboratoriums der Fish Commission kennen zu lernen
und zugleich einen Einblick in die Arbeitsweise so vieler vor-
trefflicher Forscher zu gewinnen.
Auf dem Dampfer Augusta Victoria der Hamburg- Amerika
Linie trat ich die Heimreise an, um nach einem kurzen Auf-
enthalt in London in den letzten Tagen des August wohl-
behalten wieder in MĂĽnchen einzutreffen.
Ausser den Empfehlungen, welche die Akademie mir mit-
gab, waren mir solche von der deutschen Botschaft in Paris,
der deutschen Gesandschaft in Mexiko, vom Direktorium der
„badischen Soda- und Anilinfabrik**, und von vielen befreundeten
Privatleuten vom grössten Nutzen. Ihnen allen sowie den
vielen Deutschen in der Fremde, welche mich wohlwollend
in meinen Absichten unterstĂĽtzten, sei auch an dieser Stelle
herzlicher Dank gesagt. Derselbe gilt auch ehrerbietigst der
Akademie, welche durch ihre Bewilligung meine Reise mög-
lich machte.
575
Yerzeichniss der eingelaufenen Druckschriften
Juli bis Dezember 1898.
Die vorebrlichen Gesellscluifben und Institute, mit welchen unsere Akademie in
Tausch verkehr steht, werden gebeten, nachstehendes Yerseiehniss zugleich als Empfkngs-
beet&tigung au betrachten.
Von folgenden Gesellschaften nnd Instituten:
Societe d*ÂŁmulatio7i in Ă„bbevĂĽle:
M^moires. Tome 2. 1897. 4<^.
Memoires. Tome 17. partie 2. 1897. 8®.
Balletin trimestriel 1896 et 1897. 8^,
Boyal Society of SotUh-Ă„uatralia in Ă„deladde:
Transactions. Vol. XXII, part 1. 1898. 8^.
Observatory in Adelaide:
Meteorological ObBervations during 1895. 1898. fol.
SĂĽdslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Ljelopis za godinu. 1897. 1898. 8®.
Rad. Vol. 134. 135. 1898. 8«.
Ant. Radic, Zbornik za narodni zivot Bd. III, 1. 1898. 8^.
Societi des Antlquaires de Plcardie in Amiens:
Bulletin. Ann^e 1897 No. 3. 4. 1898. 8°.
K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
Verbandelingen. Afd. Natuarkande I Sectie. Deel VI, No. 1 —5. II Sectio
Deel VI, No. 1. 2. 1897/98 4«.
Verhandelingen. Afd. Letterkande. N. Reekd. Deel II, No. 1. 2. 1898. 4^^.
Zittingsverslagen. Afd. Natuarkande. Jaar 1897/98. Deel VI. 1898. 4<>.
Verslagen en Mededeelingen. Afd. Letterkande. IV. Reeks. Deel I. II.
1897/98. 8®.
Jaarboek voor 1897. 1898. 4P.
Prijsvers Laus Mitiae. 1898. 8^.
K. Zoologisch Genootschap in Amsterdam:
Festschrift 1838 — 1. Mei — 1898. 1898. 4».
Peabody Institute in Baltimore:
31^^ annaal Report, June 1, 1898. 8^.
Johns Hopkins ĂĽniversity in Baltimore:
Circalars. Vol. XVII, No. 136-138. 1898. 4«.
American Journal of Mathematics. Vol. XX, No. 2. 3. 1898. 4^
1898. Sitnuigsb. d. math.-phys. a. 38
576 Verzeichniss der eifigelaufenen Druckschriften,
The American Journal of Philoloflry. Vol. XVIII, 4; XIX, 1. 1897/98. 8®.
American Chemical Journal. Vol. 20, No. 2—7. 1898. 8<>.
Studie« in historical and political Science. 8er. XVI, No. 1—9. 1898. 8®.
Bulletin of the Johns Hopkins Hospital. Vol. IX, No. 87—89. 1898. 4<>.
The Johns Hopkins Hospital Reporte. Vol. VII, No. 1. 2. 1898. 4«.
Natur forschemle Gesellschaft in Basel:
Verhandlungen. Band XII, 1. 1898. 8».
Universitätsbibliothek in Basel:
Schriften der Universität aus dem Jahre 1897/98. 4<> und S^.
Jahres verzeichniss der Schweizerischen CJniversitätsschriften 1897/98.
1898. 8°.
K. natuurJcundige Vereenigifig in Nederlandsch Indie zu Balavia:
Natuurkundig Tijdschrift. Deel 67. 1898. 8«.
Boekwerken ter tafel gebracht gadurende heet jaar 1897. 1898. 8®.
K. Kanzleibibliothek in Bayreuth:
Fortsetzung des Katalogs vom Jahre 186S, die 1869 bis 1898 zugegangenen
BĂĽcher enthaltend. 1898. 8^
K. Serbische Akademie in Belgrad:
Godischniak. X. 1896. 1898. S^,
Aktenstücke betreffend den Transport der Asche des Vuk. Stef. Karagiö
aus Wien nach Belgrad 1897 von Andr. Gavrilovic. 1898. 8®.
Museum in Bergen (Norwegen):
G. 0. Sars, An Account on the Crustacea of Norway. Vol. II. part X[. XII.
1898. 40.
University of California in Berkeley:
Schriften aus dem Jahre 1897.
K. preussische Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Sitzungsberichte. 1898, No. XXIV-XXXIX; 1898. 4«.
Inscriptiones graecae insularum maris Aegaei Fase. III. 1898. fol.
Deutsche chemische OesellschaĂź in Berlin:
Berichte. 31. Jahrg., No. 11—17. 1898. &>.
Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin:
Zeitschrift. Band 60, Heft 1. 2. 1898. 8^.
Physikalische Gesellschaft in Berlin:
Die Fortschritte der Physik im Jahre 1897 in 8 Abtheilangen. Braun-
Hchweig 1898. S^.
Verhandlungen. Jahrg. 17, No. 7—11. 1898. 8®.
PhysiologiscJie Gesellschaft in Berlin:
Centralblatt für Physiologie. Bd. XI. Register, Bd. XII, No. 8—19.
1898 8^
Verhandlungen. Jahrg. 1897/98, No. 11—17. 1898. 8«.
Kaiserlich deutsches arcMologiscJies Institut in Berlin:
Jahrbuch. Band XllI, Ueh 2. S. 1898. 8«.
Antike Denkmäler. Bd. II, Heft 8. 1898. fol.
Geodätisches Institut in Berlin:
Beiträge zur Theorie des Reversionspendels. Potsdam 1898. 4^.
Beiträge zur Berechnung von Lothabweichungssystemen. Potsdam
1898. 4«
Verzei^ni$8 der eingelaufenen Druchaehriften. 577
K, preus8, tneteorologisehea Institut in Berlin:
VerOffentlichuDgen. 1897. Heft 2. 18d8. 4«.
Bericht über die Thätfgkeit im Jahre 1897. 1898. 80.
Ergebnisse der magnetischen Beobachtungen in Potsdam 1892 nnd 1893.
1898. 40.
Jahrbuch ĂĽber die Fortschritte der Mathematik in Berlin:
Jahrbuch. Band 27, Heft 1. 2. 1898. &^.
Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss, Staaten
in Berlin:
Gartenflora. Jahrg. 1898, Heft 14—24. S^.
Verein fĂĽr Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XI,
2. Hälfte. Leipzig 1898. 8«.
Verein deutscher Eisenbahnvenoaltungen in Berlin:
Protokoll der in MĂĽnchen am 31. August, 1. und 2. September 1898 ab-
gehaltenen Vcreinsversammlung. Berlin 1898. fol.
Naturwissenschaftliche Wochenschrift in Berlin:
Wochenschrift. Band XIII, Heft 7—12. 1898. fol.
Zeitschrift fĂĽr Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. 18. Jahrg., Heft 7-12. 1898. 4»
Allgemeine gesckichtsforschende Gesellschaft der Schweiz in Bern:
Jahrbuch fĂĽr Schweizerische Geschichte. Band XXIII. ZĂĽrich 1898. 8<^.
Historischer Verein in Bern:
Archiv. Band XV, 2. 1898. 8».
R. Accademia delle Scienze delV Istituio Bologna:
Memorie. Ser. V, Tom. 6, fasc. 1—4. 1896—97. 49,
Universität in Bonn:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4^ und 8^.
Verein von Ă„lterthumsfreunden im Rheinlande in Bonn:
Bonner JahrbĂĽcher. Heft 103. 1898. 4^.
Sociili des sciences physiques et naturelles in Bordeaux:
M^moires. V. Särie, Tome III, cahier 1. Paris 1898. S^.
SociHS Linnienne in Bordeaux:
Actes. Vol. 61. 62. 1897. S».
Societi de giographie commerciale in Bordeaux:
Bulletin. 1898, No. 13. 14; 17—22. 8».
American Academy of Arts and Sciences in Boston:
Proceedings. Vol. 38, No. 13—27; Vol. 84, No. 1. 1898. 8®.
Memoirs. Vol. XII, 4. Cambridge 1898. 4^.
Boston Society of natural History in Boston:
Proceedings. Vol. 28, No. 6—12. 1897/98. 8®.
Memoirs. Vol. V, No. 3. 1898. 4P.
Meteorologische StcUion in Bremen:
Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen i. J. 1897. Jahrg. VIII.
1898. 40.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cuitur in Breslau:
75. Jahresbericht fĂĽr das Jahr 1897 nebst Ergftnsungsheft. 189a 8^.
88*
578 Vergeichniss der eingelaufenen Druchsehriften,
Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens in Brunn:
Zeitschrift. 2. Jahrg., Heft 3. 4. 1698. 8^.
Ă„cadimie Boy die de nUdecine in BrĂĽssel:
Bulletin. 4. Serie, Tome XII, 6-9. 1898. 8^
Ă„cadimie Boy die des sdences in BrĂĽssel:
Bulletin. 8. S^rie, Tome 35, No. 6; Tome 36, No. 7—10. 1898. 09.
Classe des lettres. Concours pour les annäes 1899—1901. 1898. 8^.
Sociiti des Bollandistes in BrĂĽssel:
Analecta Bollandiana. Tome 17, fasc. 8. 4. 1898. 8^
Sociiti Boy die malacologique de Belgiqxie in BrĂĽssel:
Annales. Tome 28—80, 31, fasc. 1; 1893-96. 8^.
Proces-verbaux. Tome24, p.LXXXV— CLII; Tome25— 27. 1896—98. S«.
K, ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:
Almanach. 1898. 8^
Njelvtudomänyi Közlemänjek. ( Sprach wiescnechaftliche Mittheilungen.)
Bd. XXVII, 8. 4; Bd. XXVIII, 1. 2. 1697/98. 6«.
Törtenettud. Ertekezäsek. (Historische Abhandlungen.) Bd. XVII, 2 — 8.
1697/98. 60.
Monumenta comitiorum regni Transjlvaniae. Vol. 20. 1897. 8^.
Archaeologiai l^rtesitö. (Archäologischer Anzeiger.) Vol. XVII, 4. 5;
XVIII, 1—3. 1697/96. 4^.
Archaeologiai Eözlem^nyek. (Archäologische Mittheilungen.) Bd. 20.
1697. fol.
Nyelvtudomän. l^rtekez^sek. (Sprachwissenschaftliche Abhandlungen.)
Bd. XVI, 10. 1697. 6**.
Corpus statutornm Hungariae Municipalium. Vol. IV, 2. 1897. 8o.
Monumenta Hungariae historica. Sectio I. Vol. 29. 1898. 8®.
Hampel J., A r^gibb KOz^pkor eml^kei. Magvarhonban. (Denkm&ler
des frĂĽheren Mittelalters.) Vol. II. 1697. *60.
Mathematikai Ertesitö. (Mathemat. Anzeiger.) Bd. XV, 4. 6; XVI, 1. 2.
1897/98. 80.
Mathematikai Eözlemänyek. (Mathemat. Mittheilungen.) Bd. XXVII,
1. 2. 1897/96 6».
Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Bd. XIV.
1696. 80.
Chyzer C, Araneae Hungariae. Vol. II, 2. 1697. 4®.
J. Bayer, A Magyar drdmairodalom tört^nete (Geschichte des Dramas in
Ungarn.) Bd. 1. 2. 1897. 60.
Csknki DezsO, Magyarorszdg tört^nelmi földrajza a Hungadyak Koraban.
Bd. 3. (Geschichtl. Geogr. Ungarns im XV. Jahrb.). 1897. SP.
Rapport sur les travaux de TAcad. en 1897. 1898. 60.
K, ungarische geologische Anstatt in BiUlapest:
General-Register der Bände I— X der Mittheilungen aus dem Jahrbuche.
1898. 40.
Földtani Közlöny. Bd. 28. Heft 5. 6. 1898. 4«.
Jahresbericht fĂĽr 1896. 1698. 4^.
A Magyar Kir Földtani Intezet Evkönyve. Bd. XII, 2. 8. 1898. 4^.
A Magyar Kir Földtani Intäset Kiady&nyai. 1898. 4^.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 579
Statistisches Bureau der Haupt- und Bcsidenzstadt Budapest:
Pnblikationen. Vol. XXV, 3; XXVI-XXVIII. 1898. i»
Die NatalitäU- und Mortalitätäverh<nisse ungarischer Städte von Jos.
von Körösy und G. Thirring. 1897. 8^
K, ungariscl^ naturwissenschaftliche Gesellschaft in Budapest:
Francs, Craspedomonadinae. 1897. 8^.
Röna, Luft druck Verhältnisse Ungarns. 1897. 8^.
Szädeczky, Qeologie d. Zempldni-szigethegys^g. 1897. 49.
Koriander, Erdtnagnetische Messungen in Ungarn. 1896. 4^.
Kohant, Libellulidae Hun^ariae. 1896. 49.
Geologie der Csetraa-Gebirge. 1896. 4®.
Museo nacional in Buenos Aires:
Anales. Tom. XII. 1898. 80.
Comunicaciones. Tom. I, No. 1. 1898. 8®.
Direcciön general de estadistica de la Provincia in Buenos Aires:
Memoria demogräfica ano 1895. La Plata. 1898. 40.
Botanischer Garten in Buitenzorg (Java):
Mededeelingen. No. XIX, XXV-XXVIL Batavia 1898. 49.
Verslag over het jaar 1897. Batavia 1898. 4^.
Conspectus bepaticarum Archipelagi Indici von Victor Sohiffner. Batavia
1898. 80.
Society of natural sciences in Buffdlo:
Bulletin. Vol. V. 6; VI, 1. 1897/98. ^.
Academia Bomana in Bukarest:
Analele. Ser. IL Tome 18. Sect. sciintif.
„ 19. s istor.
, 20. Partea administr. 1897/98. 4«.
Artor Gorovei, Cimiliturile Romänilor. 1898. 8®.
Etymologicum Magnum Romaniae. Tom. IV. Introducerea. 1898. 80.
SociHi Linneenne de Normandie in Caen:
Bulletin. 5« Sdr., Vol. 1, fasc. 2—4. 1898. 8«.
Meteorölogical Department of the Government of India in Calcutta:
Monthly Weather Review 1898 February— July. 1898. fol.
Indian Meteorölogical Memoirs. Vol. X, part 1. Simla. 1898. fol.
Report on the Administration in 1897/98. 1898. fol.
Departement of Bevenue and Agriculture of the Government of Indiu
in Calcutta:
Memorandum on the snowfall of 1898. Simla. 1898. fol.
Asiatic Society of Bengal in Calcutta:
Bibliotheca Indica. New 8er., No. 910—921. 1897/98. 80.
Journal. No. 870-374. 1898. 80.
Proceedings. 1898, No. V— VIII. 8».
Superintendent of Government Printing in Calcutta:
Report on the natural history results of the Pamir Boandary Gommission
by A. \V. Alcock. 1898. fol.
GedogiciĂĽ Survey of India in Calcutta:
General-Report 1897/98. 1898. 80.
580 Verzeichnisa der eingelaufenen DrucJcachriflen,
Astronomicdl Observatary of Harvard College in Cambridge, Mass. :
Astronomical Observationg. Vol. 23. 1898. 4®.
Phüosophicäl Society in Cambridge:
Proceedinga. Vol. IX, part 9. 1898. 8®.
Transactions. Vol. XVII, part. 1. 1898. 4«.
Museum of comparativc Zoology at Harvard College in Cambridge, Mass..
Bulletin. Vol. 82, No. 6-8. 1898. 8«.
Äccademia Gioenia di scietize naturäli in Catama:
Atti. Serie IV, Vol. XI. 1897. 4».
Bullettino mensile. Nuova Ser., fasc. 53, 54. 1898. 8*.
K. sächsisches meteorologisches Institut in Chemnitz:
Abhandlungen. Heft 3. Leipzig 1898. 4<^.
Das Klima des Königreichs Sachaens. Heft V. 1898. 49.
Field Columbian Museum in Chicago:
Publications. No. 23. 26—28. 1898. 8^.
Zeitschrift „The Monist" in Chicago:
The Monist. Vol. 9, No. 1. 1898. 8<>.
Zeitschrift „The Open Court" in Chicago:
The Open Court. Vol. XII, No. 8-12. 1898. 4».
Naturforschende Gesellschaft GraubĂĽndens in Chur:
Jahresbericht. Neue Folge. Bd. 41. 1897/98. 1898. 8^.
P. Lorenz, Die Fische des Kantons Graubünden. Zürich 1898. 8®.
Franz- Josephs- Universität in Czernowitz:
Verzeichniss der Vorlesungen. Winter-Seraester 1898/99. 1898. 8<>.
Uebersicht der akademischen Behörden 1898/99. 1898. 8<^.
Historischer Verein fĂĽr das Chrossherzogthum Hessen in Darmstadt:
K. Adamy, die ehemalige Gentralkirche des Stiftes Set. Peter sn Wimpfen.
1898. fol.
Colorado Scientific Society in Denver, Colorado:
P. H. yan Diest, A mineralogical Mistake. 1898. 8^.
Gelehrte estnische Gesellschaft in Dorpat:
Sitzungsberichte 1897. 1898. 89.
Union giographique du Nord de la France in Douai:
Bulletin. Tom. XIX, 2. 3. 1898. 8».
K. säcfisisctier Alterthumsverein in Dresden:
Die Sammlung des Alterthumsvereins. Lief. I, Bl. 1—10. 1898. 49,
Neues Archiv für sächsische Geschichte.* Bd. 19. 1898. 89,
Verein fĂĽr Erdkunde in Dresden:
XXVI. Jahresbericht. 1898. 8».
lioyal Irish Ă„cademy in Dublin:
Proceedings. Ser. III. Vol. V, No. 1. 1898. 8».
American Chemical Society in Fasion, Pa.:
The Journal. Vol. XX, No. 8-11. 1898. 89.
Royal Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. XX, No. 2, p. 187-248. 1898. 8*.
Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften, 581
Verein fĂĽr Geschichte der Grafschaft Mansfeld in Eisleben:
Mansfelder Blätter. 12. Jahrg. nebst Beilage zum 11. Jahrg. 1898. S^.
Naturforschende Gesellschaft in Emden:
82. Jahresbericht für 1896/97. 1898. 8».
K, Universitätsbibliothek in Erlangen:
Schriften aus den Jahren 1897/98 in 4P und 8^^.
Bedle Ă„ccademia dei Georgofili in Florenz:
Atti. IV. Ser. Vol. 20, disp. 3. 4.
,21 ,1. 2. 1897/98. 8«.
Societä Asiatica Italiana in Morenz:
Üiornale. Vol. XI. 1897/98. 1898. 8».
Senckenbergische nalur forschende Gesellschaft in t\ankfurt a\M.:
Abhandlungen. Band XXI, 2; XXIV, 3. 1898. 4».
Bericht. 1898. S».
Verein fĂĽr Geschichte und Ă„lterthumskunde in Frankfurt a/M,:
Mittheilungen Ober römische Funde in Heddernheim II. 1898. 4^.
Physikalischer Verein in Frankfurt a\M.:
Jahresbericht fQr die Jahre 1896/97. 1898. 6^.
Verein fĂĽr Naturkunde in Fulda:
VIIL Bericht 1884—1898. 1898. 8».
Universität Genf:
Schriften aus d. J. 1897/98 in S^.
Universität in Giessen:
Schriften aus d. J. 1897/98 in 4<» und 8»
Natur forschende Gesellschaft in Görlitz:
Abhandlungen. Bd. XXII. 1898. 8».
Oberlausitiische Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz:
Codex diplomaticus Lusatiae superioris II. Heft 8. 1898. 8^.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:
Göttingische gelehrte Anzeigen. 1898. No. VIII— X. Berlin. 8^.
Nachrichten, a) Philol.-hist. Classe. 1898, Heft 2. 3. 4«.
b) Mathem. - phys. Classe. 1898, Heft 2. 8. 4<>.
Abhandlungen, a) Philo8.*hist. Classe. N. F. Bd. II, 7.
b) Mathem.-physikal. Classe. N. F. Bd. I, 8. 1898. 4P
K, Gesellschaft der Wissenschaften in Gothenburg:
Göteborgs kgl. Vetenskaps — och Vitterhets — Samh&lles Handlingar
Följd IV, Heft 1. 1898. -8^.
The Journal of Comparative Neurology in Granville (USt.A.J:
The Journal. Vol. VIII, No. 1—8. 1898. 8».
Gesellschaft fĂĽr Pommersche Geschichte in Greifswald:
Nachträge zur Geschichte der Greifswalder Kirchen von Th. Pyl. Heft 2.
1897. 80.
K, Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkutide van Ncderlandsch-Indie
im Haag:
Catalogus der Land en Zeekaarten. 1898. 8^.
B^jdragen. VI. Reeks, Deel 5, aOev. 8. 4. 1898. 8^.
582 Vereeichniss der eifigelaufenen Druckschriften,
Teyler's Genaotschap in Haarlem:
Archives du Mu^ee Teyler. S^r. IL Vol. V, partie 4. Vol. VI, partie 1. 2.
1898. 4«.
Verhandlingen van Teylers godgeleerd Genootschap N. S. Deel XVI.
1898. 8«.
Societe Hollandaise des Sciences in Haarlem:
Archives KäerlaDdaises des sciences exactes et naturelles. S^r. II. Tom. 2,
livr. 1. La Haye 1898. 8«.
Kaiserl, Leopoldinisch-Caralinische Deutsche Akademie der Naturforscher
in Hatte:
Leopoldina. Heft 34, No. 7—11. 1898. 49.
Nova acta. Tom. 55-69. 1891-98. 4«.
Katalog der Bibliothek. Lief. 3-8. 1891—97. 8».
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Band 52, Heft 2. 3. Leipzig 1898. 8<>.
Abhandlungen fĂĽr die Kunde des Morgenlandes. Bd. XI, No. 1. Leipzig
1898. 80.
Universität in Hatte:
Verzeichniss der Vorlesungen. Winter-Semester 1898/99. 1898. 8^.
Schriften aus d. J. 1897/98 in 4^ und 8<>.
Naturwissev schaftlicher Verein fĂĽr Sachsen und ThĂĽringen in Halle:
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 71, Heft 1—3. Leipzig 1898. 89.
ThĂĽring. -Sachs. Geschichts- mid Alt erthums -Verein in Halle:
Jahresbericht fQr 1897/98. 1898. 8^.
Verein fĂĽr Hamburgische Geschichte in Hamburg:
Zeitschrift. Bd. X, 2. 1898. 8«.
Stadtbibliothek in Hamburg:
Schriften der Hambnrgischen wissenschaftlichen Anstalten von 1895
und 1896.
Historischer Verein fĂĽr Niedersachsen in Hannover:
Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedeisachsen von Carl Schuch-
hardt. Heft V. VI. 1896—98. fol.
Zeitschrift. Jahrgang 1898. 8^.
Universität Heidelberg:
Ferd. Ad. Kehrer. üeber die Vorgänge bei der Wundheilung. 1898. 49.
Schriften der Universität aus dem Jahre 1897/98 in 4<> und 8^^.
Fijiländische Gesellschaft der Wissenschaften in Helsingfors:
Acta societatis scientiarum Fennicae. Tom. 22. 28. 1897. 4^
Ofversigt XXXIX. 1896/97. 1897. 8«.
Commission giologique de la Fitdande in Helsingfors:
Finlands geologiska UndersOkning. Kartbladet 32 und 33 (mit erläutern-
dem Text). 1898. 6«.
Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors:
Acta. Vol. 13. 14. 1897. 8^
Meddelanden. Heft 23. 1898. 8<^.
Universität Helsingfors:
Schriften aus d. J. 1897/98 in 4* und 8^
Vergeichnias der eingelaufenen Druckschriften. 583
Verein fĂĽr giebenhĂĽrgische Landeskunde in Hermanmstadt:
Archiv. N. F. Band XXVIII, Heft 2. 1898. 8«.
Jahresbericht fĂĽr das Jahr 1897/98. 1898. 8<>.
Verein fĂĽr Meiningische Geschichte und Landeskunde in Hildburghausen:
Schriften. 30. u. 31. Heft. 1898. 8».
Ferdina^ideum in Innsbruck:
Zeitschrift. 3. Folge. Heft 42. 1898. 8°.
Journal of PhysiccU Chemistry in Ithaca, N.Y,:
The Journal. Vol. II, No. 7. 8. 1898. 4«.
Medicinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena:
Denkschriften. Bd. VI, Lfg. 1; Bd. VII, Lfg. 1. Text and Tafeln.
. VIII, . 4. .
1897/98. fol.
Verein fĂĽr ThĂĽringische Geschichte und Ă„lterihumskunde in Jena:
Zeitschrift. N. F. Bd. X, Heft 8 u. 4; Bd. XI, Heft 1. 1897/98. ^.
RegesU diplomatica bistoriae Thuringiae. Bd. II, Theil 1 (1162—1210).
1898. 40.
Historischer Verein in Ifigolstadt:
Siimmelblatt. XXII. Heft. 1897. S^.
Universität Jurjew (Dorpat):
Schriften der Universität ans dem Jahre 1897/98 in 8^.
Acta. Bd. VI, No. 1 u. 2. 1898. S®.
Grossherzoglich technische Hochschule in KarlsriĂĽie:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 8^.
Universität Kasan:
Utschenia Sapiski. Bd. 65, No. 5—11. 1898. 8^.
Verein fĂĽr hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel:
Zeitschrift. N. F. Band 83 und neue Folge Suppl.-Hcft 12. 1898. 8^.
Mittheilungen. Jahrgang 1897. 1898. 8^
Verein fĂĽr Naturkunde in Kassel:
Abhandlungen und Bericht XLIU. 1898. S^.
UniversitS Imperiale in Kharkow:
P. J. Kul, Die Provinzialversammlungen bei den Römern. 1898. 8.
Annales 1898. Vol. 4. 8».
M. Tikhomandritzkj, Cours de la theorie des probabilit^^'s. 1898. 8^.
Gesellschaft fĂĽr SclĂĽeswig-Holstein-Lauenburgiscl^e Geschichte in Kiel:
Zeitschrift. Bd. 27. 1898. 8.
Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere
in Kiel:
Wissenschaftliche Meeresuntersnchungen. N. F. Bd. III, Abtheilung
Kiel. 1898. 49.
K. Universität w Kiel:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4^ u. 8^.
Universität in Kiew:
Iswest^'a. Band 88, No. 6--10. 1898. 8^.
584 Ver2eichni88 der eingelaufenen Druckschriften,
Geschichtsverein für Kärnten in Klagen fürt:
Jahresbericht fĂĽr 1897. 1898. 8<>.
Carinthia I. 88. Jahrgang. No. 1—6. 1898. 8^.
Naturhistorisches Lamlesmuseum in Klagenfurt:
Festschrifl zum 60jährigen Bestehen. 1898. i^,
Universität in Kömgsherg:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4P und ^.
K, Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
0 versigt. 1898. No. 4. 6. 8«.
Memoires. a) Classe des lettres, 6<> särie, tom. IV, No. 5;
b) Classe des sciencea , 5« s^rie, tom. IV, No. 3. 1898. 4^
Gesellschaft fĂĽr nordische AlterthumsJcwide in Kopenhagen:
Aarböger. II. Raekke, Bd. XIII, 2. 3. 1898. Q^.
Ă„k<idemie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. 1898, Juni, Juli, Oktober, November. 8^.
Rozprawy. filolog. Ser. II, tom. 11. 12; histor.-filoz. Ser. 11, tom. 10.
1898. 80.
Collectanea ex Archivio collegii iuridici. Tom. V. 1897. 8^^
Societe mathcmatique de Kharkow:
Communications. 2» S^rie, Vol. VI, No. 4. 1898. 8^.
Verein fĂĽr Naturkunde in Krefeld:
III. Jahresbericht für 1896-98. 1898. 8«.
Historischer Verein in Landshut:
Verhandlungen. 84. Band. 1898. 8^.
Societe Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. IV. Särie, Vol. 34, No. 128. 129. 1898. B9.
Kansas University in Latcrencc, Kansas:
The Kansas University Quarterly. Vol. VII, No. 2, Serie« A. Vol. VII,
No. 1-8. 1898. 8®.
Maatsdiappij van Nederlandsche Letterkunde in Leiden:
Tijdschrift. N. Serie. Deel XVII, afl. 3. 4. 1898. 8«.
Handelingen en Mededeelingen, Jaar 1897—98. 1898. 8^.
Levensberichten 1897—98. 1898. ^.
Sternwarte in Leiden:
Annalen. Bd. VII. Haag 1897. 4P.
Archiv der Mathematik und Physik in Leipzig:
Archiv. II. Reihe. Theil XVI, 3. 4. 1898. BP.
K, Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der philol.-hist. Classe. Bd. XVIII, No. 2. 3 und Sach-
register 1846-95. 1898. 4P.
Abhandlungen der math.-phys. Classe. Bd. XXIV, No. 4. 5. 1898. 4^.
Benchte der philol.-hist. Classe. Band 60, Heft 3. 4. 1898. SP.
Berichte der mathem.-physik. Classe. Band 60, Heft 3—6. 1898. 8^.
Journal fĂĽr praktische Chemie in Leipzig:
Journal. N. F. Bd. 57, Heft 10—12; Bd. 68, Heft 1—10. 1898. 8®.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 585
Geschichts- und Ă„lterthumsverein in Leisnig:
Mittheilungen. 11. Heft. 1898. SP,
SocieU des Sciences in LĂĽle:
Mdmoires. Ve Sdrie, fkec. 1-6. 1895/96. 8^.
ĂĽniversity of Nebraska in Lincoln:
Bulletin. Vol. X, Article 1-6. 1897/98. 8».
Museum Francisco-Carolinum in Linz:
55. und 56. Jahresbericht. 1897/98. 8^^.
Sociedade de geographia in Lissabon:
Ăźoletin. 16. Serie, No. 9. 1897. 8^.
lAierary and philosoiihical Society in Livcr^nntl:
Proceedings. No. LH. London 1898. 8^.
Zeitschrift' ^La Cellule** in Ijoewcn:
La Cellule. Tome XV, fasc. 1. 2. 1898. 4<>.
InstUution of civĂĽ Engineers in London :
List of Members. 1. July 1898. 8®.
The Knglish Uistorical Revieio in Ijondon:
Historical Review. VoL XHI, No. 51. 52. July, Oct. 1898. 8<>.
Royal Society in London:
IVocecdings. Vol. 63. No. 399—401. Vol. 64, No. 402-405. 1898. ^.
Philosophical Transactions. Series A, Vol. 189. 190; SerieH B, Vol. 188.
189. 1897/98. 4».
List of Membere. 30^>> Nov. 1897. 4^.
R, Astronomical Society in London:
Monthly Notices. Vol. 58, No. 8. 9 und Appendix Vol. 59, No. 1.
1898. 8«.
Chemical Society in London:
.lournal. No. 428. 429 and Snpplementary Number. No. 430—438.
Proccedings. Session 1898/99. No. 198—200. 8*.
Linnean Society in London:
Proceedings. Nov. 1896 — June 1897. 1897. 8®.
The Journal, a) Botany. Vol. 83, No. 229—283.
b) Zoology. Vol. 26, No. 168—171. 1897/98. 8^.
The Transactions. a) 2. Series. Botany. Vol. V, 7. 8.
b) 2. Series. Zoology. Vol. VH, 4. 1897/98. 4*.
List 1807/98. 1897. 8»
Medical and chirurgical Society in Londcn:
Medicochirurgical Transactions. Vol. 81. 1898. 8^.
R, Microscopical Society in London:
Journal. 1898. Part. 4—6. 8».
ZocHogical Society in London:
Proceedings. 1898. Part H. JH. 8».
Transactions. Vol. XIV, part 7. 8. Vol. XV, part 1. 1898. 4».
A List of the Fellows. 1898. 8^.
Zeitschrift „NcUure^ in London:
Nature. No. 1496-1522. 1898. 4P.
586 Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften,
Ă„c(idemy of Science in St, Louis:
Transactions. Vol. VII, No. 17—20; Vol. VIII, No. 1—7. 1897/98. 8^.
Reale Ă„ccademia di scienze in Lucca:
Atti. Vol. 29. 1898. 8».
Historischer Verein der fĂĽnf Orte in Luzern:
Der Geschichtsfreund. Bd. 53. Stans. 1898. 8^.
Sociite Linneenne in Lyon:
Annales. N. S. Tome 44, Annee 1897. 1898. 8^.
Saini-Lager, Grandeur ei decadence da Nard. Paris 1897. 8^.
Saint-Lager, Notice sur Alexis Jordan. Paris 1898. 8^.
Meyran Octave, Lea noms de genre. Paris 1898. 8^.
UniversUc in Lyon:
Annales läse. 36. 36. Paris 1898. 8^^.
Wisconsin Ă„cademy of Sciences in Madison:
Transactions. Vol. XI. 1898. 8®.
Government Museum in Madras:
Bulletin. Vol. 2, No. 2. 1898. 8«.
Government Astrotumier in Madras:
H^port on the Madras Observatory for 1897/98. 1898. e^.
E. Ă„cademia de la historia in Madrid:
Boletin. Tomo 88, cuad. 1—8. 5. 6. 1898. 8^
Naturwissenschaftlicher Verein in Magdeburg:
Jahresbericht und Abhandlungen 1896—98. 1898. S^.
R. Istituto Lombardo di scienze in Maäand:
Rendiconti. Ser. II, Vol. 30. 1897. 8«.
Memorie. a) Classe di lettere. Vol. XX, 6.
b) Classe di science matematiche. Vol. XVIII, 4. 6. 1897/98. 49,
Societä Italiana di scienze naturali in Mailand:
Memorie. Vol. VI, fasc. 2. 1898. 4«.
Atti. Vol. 37, fasc. 3. 1898. 8».
Societä Storica Lombarda in Mailand:
Arrhivio Storico Lombardo. Ser. III. Anno 26, fasc. 19. 1898. 8^.
Literary and phihsophicdl Society in Manchester:
Memoir» and Proceedings. Vol. 42, part 3. 6. 1898. 8*.
Universität in Marburg:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4<> u. 8<^.
Facidte des sciences in Marseille:
Annales de Tlnstitut botanico-g^logique colonial. Vol. 3. 4. 1897/98. 8^.
Verein fĂĽr Geschichte der Stadt Meissen in Meissen:
Mittheilungen. Bd. V, 1. 1898. 8».
Royid Society of Victoria in Melbourne:
Proceedings. Vol. X, part 2. 1898. 8®.
Scientific Association in Meriden, Conn,:
Transactions. Vol. VIII. 1898. 8«.
Bivista di Storia Ă„fUica in Messina:
Rivista. Anno 8, fasc. 2—4. 1898. 8^.
Vefteichniss der eingelaufenen Dmekschriften, 587
OeaeUeekaft fiir lothringische Oeschichte in Metz:
Jahrbuch. 9. Jahrgang. 1897. 4^
Observatorio meteorolögico-magnHico central in Mtcico:
Boletin meiutial. 1898 Marzo— Agosto. 4^.
Secretaria de formento etc. in Mexico:
Boletin del Instituto geolögico de Mexico. No. 10. 1698. 4^.
Sociedad cientifica „Antonio Ähate** in Mexico:
Memorias. Tomo XI, No. 6~12. 1898. S^,
Societä dei naturdlisti in Modena:
Atti. Ser. III, Vol. XV, fasc. 1. 2; Vol. XVI, fasc. 1. 2. 1898. 8^
Internationales Tausch-Bureau der Republik Uruguay in Montevideo:
Anuario hidrografico del Rio de la Plata. 1891. 8^.
Museo nacional in Montevideo:
Anales. Tom. 3, fasc. 9. 10. 1898. 4^.
Numismatic and Ă„ntiquarian Society in Montreal:
The Canadian Antiquarian and Numismatic Journal. Series III. Vol. I,
No. 3. 1898. 8®.
Oeffentliches Rumiantioff'sches Museum in Moskau:
Ottschet 1897. 1898. 8».
SocUti Imperiale des Naturalistes in Moskau:
Bulletin. Annäe 1898, No. 1. 1898. 8^.
Mathematische Gesellschaft in Moskau Universität Moskau:
Sbomik. Bd. XX. 2. 1898. 8«.
ĂĽtscheniaSapiski. Bd. XIII. XIV. 1896-98. 8^.
Statistisches Amt der Stadt MĂĽnchen:
MĂĽnchener JahresĂĽbersichten fĂĽr 1897. 1898. 4^.
Gewerbezählung v. 14. Juni 1896. 1898. 4^.
Deutsche Gesellschaft fĂĽr Afithropologie in Berlin und MĂĽnchen:
Correspondenzblatt. 29. Jahrg., No. 7—10. München. 1898. 4<>.
Beiträge zur Anthropologie Braunschweigs. Festschrift. Braunschweig.
1898. 8®.
General dir ektioyi der k, h, Posten und Telegraphen in MĂĽnchen:
Verzeicbniss der in und ausserhalb Bayern erscheinenden Zeitungen pro
1899 und Nachträge za 1898. fol.
K. hayer. technisciie HochscĂĽiule in MĂĽnchen:
Bericht über das Studienjahr 1897/98. 1898. 4».
Programm fĂĽr 1898/99. 1898. 8^.
Metropolitan' Kapitel MĂĽnchen-Freising in MĂĽnchen:
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. 1898, No. 19—31. 8^.
Universität in Müpidien:
Amtliches Verzeicbniss des Personals. Winter-Semester 1898/99. 1898. 8*.
Verzeicbniss der Vorlesungen im Winter-Semester 1898/99. 1898. 4®.
Rede beim Antritt des Rektort. Nov. 1898. 4^.
Historischer Verein in MĂĽnchen:
Monatsschrift. 1898, No. 11. 12. 8<>.
Monatsschrift. 1898, No. 5—8. 8®.
588 Vergeicknisa der eingelaufenen Druehsehriften,
Verlag der Hochschui'Nachrichten in MĂĽnchen:
Hochschul Nachrichten. 1898, No. 94—97. 4»
K, hayer. meteorologische Zentralstation in MĂĽnchen:
Uebersicht über die Witterungsverhältnisse. 1898, Juni— Oktober, fol.
Westphäl. Provineial- Verein für Wissenschaft und Kunst in Münster:
26. Jahresbericht filr 1897/98. 1898. 8».
Ă„cadSmie de Stanislas in Nancy:
Memoires. 5« Serie. Tome 16. 1897. 1898. ^.
Societe des sciences in Nancy:
Bulletin. Sörie IL Tome XV, fasc. 82. Paris 1897. 8<>.
Accademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Serie 3. Vol. 4, fasc. 6— 11. 1898. 8«.
Zoologische Station in Neapel:
Mitiheilungen. Band XIII, 8. Berlin 1898. 8^.
Historischer Verein in Neuburg ajD,:
Ncuburger KoUektaneen- Blatt. 61. Jahrg. 1897. 8^.
Academie in Neuchatel:
Programme des cours sem. d'hiver 1898/99. 1898. 8®.
North of England Institute of ICngineers in New-Castle (upon-Tyne) :
Transactione. Vol. 47, part 4—7 ; Vol. 48, part. 1. 1898. 8<>.
Annual Report for the year 1897/98. 1898. 6®.
The American Journal of Science in New-Haven :
Journal. Vol. 6, No. 32—36. 1898. &>,
Observatory of tlie Yale University in Netc-Haven:
Report for the year 1897/98. 1898. 8«.
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. XIX, 2. 1898. S^.
Academy of Sciences in New- York:
Transactions. Vol. 16. 1898. 8®.
Annale. Vol. IX (Index). Vol. X, No. 1—12; Vol. XI, part. 2. 1898. 8®.
American Museum of Natural History in New-York:
Bulletin. Vol. IX, part. 1. 1898. 8«.
Annual Report for tbe year 1897. 1898. 8^.
American Geographical Society in New-York:
Bulletin. Vol. 80, No. 4. 1898. 8«.
State MiAseum in New-York:
Bulletin. Vol. 30, No. 3. 4. 1898. &>.
Nederlandsclie botanische Vereeniging in Nijmegen:
Prodromufl Florae Batavae. Vol. II, pars 2. 1898. 8^.
Nederlandsch kruidkundig Archief. III« Serie. Deel I, stuk 3. 1898. 8^.
Archaeological Institute of America in Norwood, Mass :
American Journal of Archaeology. Vol. 1, No. 6. 1897. 8^.
Naturhistorische Gesellschaft in NĂĽrnberg:
Abhandlungen. Bd. XI. 1898. 8^.
Geological Suroey of Canada in Ottawa:
Annaal Report New Series. Vol. IX. 1896. 1898. 8^.
Vergeiehniss der eingelaufenen Druckschriften, 589
Eoyal Society of Canada in Ottawa:
Proceedings and Transactions. II. Series. Vol. 3. 1898. 8^
Societä Veneto-Trentina di scienze naturali in Padiia:
BuUettino. Tom. VI, 3. 1898. 8».
Circolo matematico in PiĂĽermo:
Annnario. 1898. 8°.
Rendiconti. Tomo XII, 5. 6. 1898. 8".
CoUegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti. Anno 1898, Maggio— Agosto. 4*.
Ă„cadimie de midecine in Paris:
Rapports annnels de la Commission permanente de Thygibnc de Tenfance
pour rannte 1897. No. 37 et 88. 1897. 8^.
Rapport sur les yaccinations pendant Tannäe 1896. Melun 1897. 8".
Bulletin. 1898, No. 28-51. 80.
Ă„C(uUmie des sciencee in Paris:
Souvenirs de Marine. Par le Vice-Amiral Pfiris. 5 vols. fol. 1882—92.
Comptea rendus. Tome 127, No. 2—26. 1898. 4^
Oeuvres de Laplace. 1896—98. 4^.
J^cole polytechnique in Paris:
Jonrnal. II. Särie. 3« cahier. 1897. 4P.
Moniteur Scientifique in Paris:
Moniteur. Livr. 680—684 (Aoüt-D^cembre 1898). 4<).
Musee Guimet in Paris:
Annales. Bibliothuqae d'ätudes. Tome 6. 7. 1897/98. &^.
Revue de Tbistoire des rdligions. Tome 36, No. 3; Tome 37, No. 1.
1897/98. 8»
Musium d^histoire naturelle in Paris:
Bulletin. Ann^ 1898. No. 1-5. 8^.
Nouvelles Archives. III. Särie. Tome 9, fasc. 2. 1897. i^.
Societe d^anthropoHogie in Paris:
Bulletins. IV. Särie. Tome VIII, fasc. 6. 6; Tome IX, fasc. 1. 1897/98. 8».
Sociiti de giographie in Paris:
Comptes rendus. 1898. No. 6—8. 8®.
Bulletin. VII. Serie. Tome XIX, trim. 2. 1898. 8®.
Sociiti matlUmatique de France in Paris:
Bulletin. Tome 26, No. 4—9. 1898. 8«.
Societe d^eficouragetnent pour Vindustrie nationale in Paris:
Bulletin. 6. S^rie. Tome 8, No. 8. 1898. 4«.
Societe zoologique de France in Paris:
Bulletin. Tome 22. 1897. 8«.
Mcmoires. Tome X. 1897. 8<>.
Ă„cademie Imperiale des sciences in St. Petersburg:
G. A. Esow, Beziehungen Peters des Grossen zu dem armenischen Volke.
1898. 40.
Byzantina Chronika. Tom. IV, 8 u. 4; Tom. V, 1 u. 2. 1897. 4^
590 ^m ' Verseiehnisa der eingelaufenen DrucJcechriften.
Mämoires. a) Claate historico-philologique, Vol. I, No. 7; II, No. 1. 2;
III, No. 1.
b) Glosse phjsico-maih^matiqne. Vol. 5, No. 6—13; Vol. 6,
No. 1-8. 10. 1897—98. 4P.
Memoires. VII« Serie. Tom. 42. No. 13. 1896. 4P,
Bulletin. V« S^rie. Tome 7, No. 8—6; Tom. 8, No. 1—4.
Annuaire du Musäe zoologique. No. 1. 1898. 8^.
Comite geologique in St. Petersburg:
Bulletins. Vol. XVI Suppldinent et Vol. XVII, No. 1—5. 1897/98. 8».
M^moiree. Vol. XVI, No. 1. 1898. 4».
Botanischer Garten in St, Petersburg:
Acta horti Petropolitani. Tom. XIV, 2. 1898. 8^
Kaiser!, mineralogische Gesellschaft in St, Petersburg:
Verhandlungen. II. Serie. Bd. 86, Lfg. 2. 1898. 8^^.
Phyfdkalisch-cliemische Gesellschaft an der haiserl, Universität
in St, Petersburg:
Schurnal. Tom. XXX, Heft 4—7. 1898. SP,
Section gSologique du cabinet de Sa Majeste in St, Petersburg:
Travaux. Vol. II, Livr. 3; Vol. III, Uvr, 1. 1898. 8».
Kaiserliche Universität in St, Petersburg:
Obosrenije 1898/99. 1898. 80.
Schriften aus d. J. 1897/98 in 8».
Acadetny of naturcU Sciences in Philadelphia:
Proceedings. 1898, part I. II. S^,
llistoncal Society of Pennsylvania in Philadelphia:
The Pennsylvania Magazine of History. Vol. 21, No. 4; Vol. 22,
No. 1—3. 1898. 8».
Alumni Association of the College of Pharmacy in Philadelphia :
Alumni Report Vol. 34, No. 7. 11. 1898. BP,
American Philosophical Society in Philadelphia:
Proceedings. Vol. 37, No. 167. 1898. 8».
Tran.<»action8. New Series. Vol. XIX, part 2. 3. 1898. 4^.
Societä Toscana di scienze naturali in Pisa:
Atti. Processi verbali. Vol. XII, p. 11-56. 1898. 4^
Historische Gesellschaft in Posen:
Zeitschrift. Jahrg. 13. Heft 1. 2. BP.
K. geodätisches Institut in Potsdam:
Jahresbericht 1897/98. 1898. 8^.
Böhmisclie Kaiser Franz-Joseph- Alcademie in Prag:
Rozprawy. Tfida I, Rocnik VI; Tfida II, Roinfk VI, 1. 2; THda UI.
RoCnik VI. 1897. 8».
Historickv Archiv. Öislo 10—12. 1897/98. 8«.
V(«8tnik. ' Roonik VI, No. 1—9. 1897. 8».
Bulletin international IV. a) Sciences mathtSmatiquos No. 1. 2.
b) Mädicine. 1897. 80.
Almanach. Rocnik VIII. 1898. 8^.
Spisy Jana Amosa Komeusk^ho. Cislo I— III. 1897. 8®.
Archiv pro lexikografii. Ginlo II. 1897. 8^
Verzeieknisa der eingelaufenen Druckschriften, 591
Sbfrka promen&v, kn poziiä.Df literdnfho iivota. Skapina I. Rada 1.
1897. BP.
Gustav Gross, Zakladovä theoretick^ astronomie. 1897. 8^,
Äikmund Winter, Deje vysokych äkol praSakych. 1897. 80.
Adolf Petr Zaturecky, Slovensk^ pHslovf, poi^ekadla a lislovf. 1897. 8^.
V. FlajShans, Knihy Öesk^. 1897. 8».
Emil Ott, Soustavny üvod ve stadiam noväho Hseni soadniho. Dil I.
1897. 8«.
Mathematisch-physikcUische Creaelhchaft in Prag:
Casopis. Vol 28, No. 1. 1898. S«
Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag:
Da9 GrĂĽndungsjahr der Lese- und Redehalle der deatschen Stadenten
in Prag. 1898. 4».
Deutsche Carl -Ferdinands- Universität in Prag:
PersonalHtand 1898/99. 1898. 8®.
Ordnung der Vorlesungen. Winter-Semester 1898/99. 1898. S^.
Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag:
Mittheilungen. 36. Jahrg., No. 1—4. 1897/98. BP.
Zeitschrift „Krok" in Prag:
.Krok*. Bd. XII, No. 4. 6. 1898. S»
Verein böhmischer Mathematiker in Prag:
Sbomik. Cfslo I. 1898. 8».
NalurwissenscfiaftHcher Verein in Regensburg:
Berichte. VI. Heft, 1896-97. 1898. 8«.
Naturforscher -Verein in Riga:
Correspondenzblatt. No. XL und XLI. 1898. 8^.
Museu nacional in Rio de Janeiro:
Reviste. Vol. l. 1896. 4».
Observatorio in Rio de Janeiro:
Annoario 1898. 1897. 8^.
R. Ă„ccademia dei Lincei in Rom:
Atti. Ser. V. Classe di sciense fisiche. Rendiconti. Vol. VII, semestre 1,
fasc. 12; semestre 2, fasc. 1—11. 1898. 4^
Atti. Ser. V. Classe di scienzo morali. Vol. V, parte 1. Memorie
1898; VoL VI, parte 2. Notiiie degli scavi 1898. Aprile, Maggio,
Giugno, Luglio. 1898. 4P,
llendiconti. Classe di scienze morali. Serie V. Vol. VII, fasc. 6. 6.
189a 8».
Rendiconti delP adunanza solenne del 12. Giugno 1897. 1898. 4^.
R, Comitato geologico d'Italia in Rom:
Ăźollettino. Anno 1898, No. 1. 2. 1898. BP.
Ă„ccademia Pontiftcia de* Nuovi JAncei in Rom:
Atti. Anno 51, Sessione 4—7. 1898. 4^
Kais, deutsches archäologisches Institut (röm. Abth,) in Rom:
MiUheilongen. Band XIII, 2. 8. 1898. 8^.
1808. Sitxungsb. d. math.-pliys. OL 89
592 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
R. Ministero deUa Istruzione pubblica in Rom:
Le opere di Galileo Galilei. Vol. VIII. Firenze 1898. 4^.
Caialoghi dei Godioi orientali di alcane 'biblioieche d'Italia. Faac. VI.
Firenze 1897. 8^.
Societä Itdliana delle scienze in Born:
Memorie di matematica e di fisica. Serie III. Tomo XI. 1898. 4^.
R, Societä Romana di storia patria in Rom:
Archivio. Vol. XXI, 1. 2. 1898. 8®.
Universität Rostock:
Schriften aui dem Jahre 1897/98 in 4^ u. 09.
Ă„cad^mie des sciences in Ronen:
Präcis analytique des tra?auz. Ann^e 1896/97. 1898. 8®.
R. Accademia di scienze degli Ă„giati in Rovereto:
Atti. Serie III. Vol. 4, fasc. 1. 2. 1898. 8^.
The American Association for the advancement of science in SaJem:
Proceedings for the 46^^ meeting, held at Detroit, Mich. 1898. 8®.
L^^ Anniversarj-Preliminarj Announcement of the Boston Meeting to be
held Aug. 22d to 27th. Boston 1898. 8®.
Gesellschaft fĂĽr Salzburger Landeskunde in Salzburg:
Mittheilangen. 88. Vereinsjahr. 1898. 8<>.
K, K, Staatsgymnasium in Salzburg:
Programm fĂĽr das Jahr 1897/98. 1898. S9.
Itistituto y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Anales. Seccion 2^ afio 1896. 1897. fol.
Almanaque naĂĽtico para el aĂĽo 1900. 1898. 4^.
Commissdo geographica e geologica in Sao Paulo:
ßoletin. No. 10—14. 1895—97. S^.
China Brauch of the JB. Asiatic-Society in Shanghai:
Journal. N. Serie. Vol. 28. 1893/94. 1898. B^.
K. K, archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Archeologia. Anno XXI, No. 4—11. 1898. S».
Historischer Verein der Pfalz in Speyer:
Mittheiinngen. XXII. 1898. 09.
K. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
öfversigt (Bulletin). Vol. 54 (1897). 1898. 8».
Handlingar. N. F. Band 80. 1897/98. 4».
Bihang (Gollection de memoires in 89) Vol. 23 (1897/98). Section 1—4.
1898. 8«.
Astronomiska Jakttagelser. Bd. VI, No. 3. 1898. 4^.
Geologiska Förening in Stockholm:
Förhandlingar. Band 20, Heft 5. 6. 1898. 8<>.
Nordiska Museet in Stockholm:
Ringlekar p& Skansen. 1898. 8^.
Bilder fr&n Skansen door Artor Hazelius. lieft 1—4. 1896— d8. fol.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften, 593
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Strasshurg:
Monatsbericht No. 6—8. 1898. 8^.
Kais. Universität Strasshurg:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4*^ a. 8^
WĂĽrttembergische Kommissian fĂĽr Landesgeschichte in Stuttgart:
Vierteljahreshefte für Landesgeschichte. N. F. Jahrg. YII, Heft 1—4.
1898. 80.
Boyal Society of New -South -Wales in Sydney:
Abstract of Proceedings. Angast— October. 1898. 8^.
Jonmal and Proceedings. Vol. 31. 1897. 8^.
Department of Mines atid Ă„grictUture of New -South -Wales in Sydney:
Annaal Report for the year 1897. 1898. fol.
Mineral Resources, No. 8. 4. 1898. 8®.
Memoirs Palaeontologj. No. VI. 1898. fol.
Ohservatorio astronömico nacional in Tacubaya:
Boletfn. Tomo 2, No. 4. Mexico 1898. 4P.
Physikalisches Observatorium in Tiflis:
Beohachtnngen im Jahr 1896. 1898. fol.
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Die Sprichwörter der japanischen Sprache von P. Ehmann. Th. III, IV.
1898. 89.
Neuerworbene BĂĽcher. 1898. B^.
Kaiserliche Universität Tokyo (Japan):
MittheiluDgen aas der medicinischen Facnlt&t. Bd. IV, No. 1.2. 1898. 4®.
Canadian Institute in Toronto:
Proceedings. Vol. I, parts 6. 1898. 8®.
Transactions. Supplement to No. 9. Vol. 6, part 1. 1898. 8®.
University in Toronto:
Stpdies. a) Psychological Serics No. 1.
b) Biological Series No. 1. 1898. 8».
Studies. Historj, first Series Vol. 2. 1898. 4<>.
FacĂĽlti des sciences in Toulouse:
Annales. Tome 12, fasc. 8. 4. Paris 1898. 4^.
Biblioteca e Museo comunale in Trient:
Archivio Trentino. Anno XVI, 1. 1898. 8^.
Societä adriatica di sdenze naturdli in Triest:
Bollettino. Vol. 16—18. 1896—98. 8^.
Universität Tübingen:
Schriften aus dem Jahre 1897/98 in 4^ a. S^.
Tufts College Library in Tufts Coli. Mass.:
Studies. No. 6. 1898. 4P.
R, Ă„ccademia delle sdenze in Turin:
Atti. Vol. 83, disp. 14. 16. 1898. B9.
Osserraiioni meteorologicbe fatte nell* anno 1897. 1898. 8^.
594 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
K, Gesellschaft der Wissenschaften in Upsala:
Nüva Acta. Ser. III. Vol. 17, fasc. 2. 1898. 4».
Institut Royal MHeorologique des Pays-Bas in Utrecht:
Nederlandsch Meteorologisch Jaarboek voor 1896. 1898. 4^.
Physiologisch Laboratorium der Hoogeschool in Utrecht:
Ondcrzoekingen. Register tu den Onderzoekingen 1848 — 1897. 1898. 8^.
Ateneo Veneto in Venedig:
L'Ateneo Veneto. Anno XX. Vol. I, fasc. 2. 3; Vol. II, fasc. 1 — 8.
Anno XXI. Vol. I, faM. 1. 2. 1897/98. S®.
B. Istituto Veneto di seiende in Venedig:
Atti. Tomo 65, disp. 3—10, Tomo 56, disp. 1—7. 1896—98. 8®.
Memoria. Vol. 26, No. 1. 2. 1897. 4P,
Concorsi a premio. 1898. 8®.
Bedaction der Prace matematyceno-fisycsne in Warschau:
Prace matemat.-fiz7czne. Tom. IX. 1898. 4^.
American Historicdl Association in Washingtan:
Annual Report 1896. Vol. I. II. 1897. 8^.
Bureau of Kducation in Washington:
Annaal Report of the Commissioner of Education for 1895/96 Vol 11
1896/97 Vol. I. 1897/98. 8«. ' '
U. S. Department of AgricuHure in Washington:
Report. 1898. 8^.
Balletin of the Division of biological Snrvey. No. 0—11. 1898. 8^
Bulletin. Division of Omithology. No. 50. 1898. 8«.
Smithsonian histitution in Washington :
Annual Report for the year ending Sune 30, 1895. 1897. 89,
Smithsonian Miscellaneous Collections. No. 1090, Vol. 40; No. 1125
1126. 1898. 8«.
U. S. National-Museum in Washington:
Proceedings. Vol. IX. 1897. 8«.
United States Geciogical Survey in Washington:
Bulletins. No. 88. 89 u. 149. 1897/98. 8^.
Monographs. No. XXX. 1898. 4».
Harzverein fĂĽr Geschichte in Wernigerode:
Zeitschrift. Jahrg. 31. 1898. 8^.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien:
Sitzungsberichte. Philos.-hist. Classe. Bd. 136. 137. 1897/98. 80.
Mathem.-naturwissensch. Ciasso. 1897/98. 8^.
Abtb. I. Bd. 106, Heft 1—10; Bd. 107. Heft 1—5.
, IIa. Bd. 106, Heft 1—10; Bd. 107, Heft 1 2
, IIb. Bd. 106, Heft 1-10.
„ III. Bd. 106, Heft 1—10; Bd. 107, Heft 1—8-
Register lu Bd. 101—105.
Verseichnisa der eingelaufenen Drucksehn ft^n. 595
DenkschrifteD. PbiloB.-hist. Classe. Bd. 46. 1897. 4».
, Mathem.-Daturwissenflchaftl. Claase. Bd. 64. 1897. 4^.
Archiv fQr Osterreichische Geschichte. Bd. 84, Hälfte I u. II und Regiiter
zu Bd. Bl-80. 1897/98. 8».
Almanach. 47. Jahrg. 1897. 8^.
K, K, geologisdie lieichsanstalt in Wien:
Jahrbuch. Band 47. Heft 8. 4. Band 48, Heft 1. 1898. 4<».
Verhandlungen. No. 9—13. 1898. 49.
K, K. CentralafUftält für Meteorologie in Wien:
Jahrbücher. Bd. 39, No. 42. 1898. 4».
K. K. Gesellschaft der Aerzte in Wien:
Wiener klinische Wochenschrift. 1898, No. 27—50. 4».
Anthropologische Gesellschaft in Wien:
Mittheilungen. Band XXVIII, Heft 4. 1898. 4®.
ZooHogisch'hotanische GesellschaĂź in Wien:
. Verhandlungen. Band 48, Heft 6—9. 1898. 8^.
K. K. milUSr^eographisches Institut in Wien:
Astronomisch-geodätische Arbeiten. Band XII. 1898. 4^.
K, K, naturhistorisches Hofmtiseum in Wien:
Annaten. Band XIH, No 1. 1898. 40.
K, K. UniversiUit in Wien:
Bericht Über die volksthümlichen Universit&tsvorträge im Jahre 1897/98.
1898. 8®.
OefFentliche Vorlesungen im Sommer-Semester 1898 und im Winter-
Semester 1898/99. 1898. ^.
Tebersicht der akademischen Behörden fQr das Studienjahr 1898/99.
1898. 80.
Die feierliche Inauguration des Rektors am 24. Oktober 1898. 1898. ^.
Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien:
Schriften. 38. Bd. 1897/98. 1898. 8^.
Verein fĂĽr Nassauische Alterthumskunde etc, in Wiesbaden:
Annalcn. 29. Band, Heft 2. 189a 4^.
Mittheilungen. No. 1—3. 1898/99. 4^.
I. Jahresbericht der historischen Kommission fĂĽr Nassau. 1898. 8^.
Nassauischer Verein fĂĽr Naturkunde in Wiesbaden:
JahrbĂĽcher. Jahrg. 61. 1898. 8^.
Oriental Nobility Ifistitute in Wokifig:
Vidyodaya. Vol. 27, No. 7—10. 1898. 8«.
Herzogliche Bibliothek in WolfenbĂĽttel:
Die Handschriften der herzoglichen Bibliothek lu WolfenbĂĽttel. Bd. VI.
1898. 80.
596 Verzeichnisa der eingelaufenen Druckschriften.
Physikdlisch-medicinisclie Gesellschaft in WĂĽrzhurg:
Verhandlungen. N. F. Bd. XXXI, No. 9—11; Bd. XXXII, No. 1—3.
1898. 8«.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1898, No. 1 — 3. 8^.
Schweizerische geodätische Kommission in Zürich:
Das Schweizerische Dreiecknetz. Bd. VIII. 1898. 4®.
Naturforschende Gesellschaft in ZĂĽrich:
Vierteljahrsschrift. 48. Jahrg. 1898, Heft 2. S. 1898. BP,
Universität in Zürich:
Schriften a. d. J. 1897/98 in 49 u. S«.
Von folgenden Privatpersonen:
Prinz Albert I. von Mofiaco:
Kesultats des campagnes seien tiiiques. fasc. XIT. 1898. 49,
F. Bashforth in Minting Vicarage, Ilomcastle:
Replica di Krupp alla protesta de Signor Basforth. Cambridcfe 1898. 8*.
Verlagsbuchhandlung Hermann BöMau^s Nachfolger in Weimar:
Zeitschrift der Savigny Stiftung. Bd. XIX germaniscbe und romanische
Abtheilung. Weimar 1898. 8^.
II, P. Cushing in Cleveland, Ohio:
H«port ou the Geology of dienten Conrtj. Wasbington 1895. 4*.
Martin Ficker in Leipzig:
Ueber Lebensdauer und Absterben von pathogenen Keimen. Leiniiff
1898. S^,
Johann Friedrich in MĂĽnchen:
Ignaz ?on Döllingcr. Sein Leben. Bd. I. Manchen 1899. 8^.
Albert Gaudry in Paris:
Notize 8ur les Travaux scientifiques de Victor Lemoine. Paris 1896. 8*.
Karl Gegenbaur in Heidelberg:
Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. Bd. I. Leipzig 1898. 6*.
D. Greceseu in Bucarest:
Conspectul florei Homaniei. Bucareat 1898. 8^.
Albert von Köiliker in Würzburg:
Ueber die Entwicklang der Qraaf sehen Follikal. WĂĽnburg 1898. 8".
Verzeiehmss der eingdaufenen DrucJcschriften, 597
Karl Krumhaeher in MĂĽnchen:
Byzantinische Zeitschrift. Bd. VIT, 8. 4. Leipzig 1898. 8^.
Byzantinisches Archiv. Heft 1. Leipzig 1898. 8^.
J, Marquart in TĂĽbingen:
Die Chronologie der alttQrkischen Inschriften. Leipzig 1898. 8®.
B. Ă„, Mystakides in Constantinopel:
Notes snr Martin Grusios. Paris 1898. 8^.
Gabriel Monad in Versailles:
Reyue historique. Tom. 68, No. I, Sept., Okt.; No. II, Nov., Dez., 1898.
Paris 1898. 8^.
Alois Panzer in MĂĽnchen:
Zur electrischen Trambahnfrage. Mflnchen 1898. 4P.
Oswald J, Reichel in LympsUme, Exeter:
The „Domesday" Hundreds of Devon. No. II— VIII. 1896—98. B9.
Dietrich Reimers VerlagshantUung in Berlin:
Zeitschrift fĂĽr afrikanische und oceanische Sprachen. Jahrg. lY, Heft 1
und 2. Berlin 1898. 4<>.
Joseph Sandalgian in Born:
L*idiome des inscriptions con^iforma urartiques Bome. 1898. 8^.
SeĂĽz und Schauer in MĂĽnchen:
Deutsche Praxis. Bd. I, No. 1—8, 18-17. Mflnchen 1898. BP.
Medizinische Neuigkeiten. No. 41—48, 45—60. München 1898. 4P.
ChMtav Schmoller in Berlin:
Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirth-
schaftsgeschichte. Leipzig 1898. 8^.
S, Schwendener in Berlin:
Gesammelte botanische Mittheilungen. Bd. 1. 2. Berlin 1898. SP.
B. G. Tetibner'sche Verlagsbuchhandlung in Leipzig:
Mathematische Annalen, Qeneralregister zu Bd. 1— 50. Leipzig 1898. 8^.
Encyklop&die der mathematischen Wissenschaften. Bd. 1, Heft 1.
Leipzig 1898. SP.
Giaeomo Tropea in Messina:
Giasone, il Tago della Tessalia. Messina 1898. 8^.
Heinrich ĂĽlmann in Greifswald:
Ueber die Memoiren des FĂĽrsten Adam Czartoryski. Qreifswald 1898. 8^.
Kaiser Wilhelm der Alte. Festrede. Greifswald 1898. SP.
M. Vaucher in Cfrand Lancy, Geneve.
Aux amis de Pierre Vaucher t 9. Juin 1898. Geneve 1898. BP.
Aibrecht Weber in Berlin:
Vedifche Beiträge. No. 7. Berlin 189a 4P.
598 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
N, WecMein in MĂĽnchen:
Euripidis fabulae. Vol. I, part 6—7; Vol. II, part. 1—3. Lips 1898. 8^.
3fax Wellner in Neugedein:
25 Karten von Palästina. Prag 1898. fol.
Eduard v. Wölfflin in München:
Archiv für lateinische Lexikographie. X. Jahrgang. ErgänzangshefL
Register zu Bd. 1—10. Leipzig 1898. 8«.
599
Namen - Register.
Barrois (Wahl) 537.
Bergeat Alfred 495.
Brioschi Francesco (Nekrolog) 449.
Buchner Ludwig Andreas (Nekrolog) 481.
Cope Edward Drinker (Nekrolog) 487.
Des Gloizeaux Alfred Louis Ollivier (Nekrolog) 492.
Doflein 589.
Dyck Walter 208. 688.
Ebert Hermann 497.
V. Pedorow Eugraph 56.
Finsterwalder Sebastian 895.
Fomm Ludwig 865.
Franke J. Hermann 19.
Fresenius Karl Remigius (Nekrolog) 452.
Fuchs Lazarus (Wahl) 587.
Glan Paul 117.
V. GĂĽmbel Wilhelm 8.
Hartig Robert 1. (Wahl) 686.
Heidenhain Rudolf (Nekrolog) 460.
Hertwig Richard 127.
Königs Wilhelm 588.
Korn Arthur 129. 185.
V. Kupffer Karl 225.
Leuckart Rudolf (Nekrolog) 471.
Lie Sophus (Wahl) 587.
Lindemann Ferdinand 87. 181.
V. Lommel Eugen 111.
600 Namen- Register.
V. Merz SSigmund 76.
Meyer Victor (Nekrolog) 446.
V. Tettenkofer Max 428. 681.
Pringsheim Alfred 69. 826. (Wahl) 686.
Ranke Johannes 227.
Sachs Julius (Nekrolog) 478.
Schwarzschild K. 271.
Seeliger Hugo 147. 226. 868.
V. Seidel Ludwig 896.
Selenka Emil 111. 226.
Sohnke Leonhard (Nekrolog) 440.
Solcreder Hans -195.
Stark J. 91.
Steenstrup Johann Japctus Smith (Nekrolog) 476.
V. Voit Karl 480.
V. Weber Eduard 369.
601
Sach-Registen
Actinosphärium Eichhorni, Befruchtung und Kerntbeilung 127.
Anatomie, Rystematische der Dikotjledonen 496.
Ansprachen des Präsidenten 423. 581.
Ausbreitung der FlĂĽssigkeiten 91.
Beugungsfigur im Femrohr ausserhalb den Focus 271.
Bilinearformen 369.
Dielektrischer Zustand einer inoompresiblen FlĂĽssigkeit 135.
Dioptrischer Apparat, präcise Abbildung eines Objects 396.
Doppel-Integral, Theorie desselben 59.
Drehung eines starren Ki'^rpers um seinen Schwerpunkt 181.
Druckschriften, eingelaufene 339. 575.
Elastische Körper, theoretische Untersuchungen 117.
Embryonalanlage, erste bei den Menschenaffen 226.
Entladungen elektrische, in verdĂĽnnten Gasen 865.
Erdbeben in Bayern, in den letzten Jahren 3.
Erdmagtietismns, Entstehung der hydrodynamischen Theorie 129.
Feldspathstudien 55.
Fixsterne, räumliche Vertheilung derselben 226. 868.
Gasentladungen, elektrische 497.
Geologie der äolischen Inseln 495.
Holzzuwachs der Bäume durch Aus^lstung und Wurzelverminderung 1.
Irrationalität von e und n 825.
Kettenbriiche unendliche, Convergenz derselben 295.
Koordinaten-Transformationen in geodätischen Dreiecknetzen 19.
602 8aeh - Register,
Leber, Stemzellen derselben 226.
Nekrologe 481. 440. 449. 452. 456. 460. 471. 476. 478. 487. 492.
Nicorscbe Prismen aus Kalkspath und Glas 111.
Objectiv von Fraunhofer 75.
Orangutan-Schädel 111.
Potentialtbeone 208.
Reise nach Westindien und Nordamerika 539.
Sterne telescopische, der Bonner Durchmusterungen 147.
Stimfortsatz der Schläfenschuppe bei den Primaten 227.
Umkehrprobleme aus der Theorie der elliptischen Integrale 37.
Wahlen 586. .
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